Wir danken für die finanzielle Unterstützung, ohne die diese Ausstellung nicht hätte realisiert Veranstalter: werden können: Initiative Stadtmuseum e. V. Niederfüllbacher Stiftung Staatsarchiv Coburg Nahverkehrsbeauftragte Eisenbahnfreunde Steinachtalbahn- Coburg e. V. für Stadt und Landkreis Coburg Historische Gesellschaft Coburg e. V. Fahrgastverband Pro Bahn Leihgaben und Bildrechte stellten dankenswerterweise zur Verfügung: Koordination und Konzeption: Rupert Appeltshauser Rupert Appeltshauser und BSW-Freizeitgruppe Eisenach Dr. des. Hubertus Habel Ralf Böttcher Initiative Stadtmuseum Coburg e. V. Cornelsen-Verlag

DB-Museum Nürnberg Texte: Steffen Dietsch Rupert Appeltshauser Gerhard Eckerlein Rainer Bier Eisenbahn- und Modellbahnfreunde Coburg e. V. Horst Gehringer Eisenbahnfreunde Steinachtalbahn-Coburg e. V. Stefan Goldschmidt Gerhard Friedrich Hubertus Habel Stefan Goldschmidt Ernst Kienel Hubertus Habel Roland Schäfer Eva Herold

Roland Hiob Gestaltung und Druck von Flyer, Plakat Rainer Krebs und Textfahnen: Klaus Oelzner Resch-Druck & Verlag e.K., Coburg Jürgen Otto nach Entwürfen von Michael Resch Rupert Appeltshauser, Stefan Goldschmidt und Roland Schäfer Hubertus Habel Stadtarchiv Coburg Städtische Sammlungen Coburg Ausstellungsgestaltung: Wolfgang Theurich Michael Eckstein Helmut Trier Rainer Grimm Jürgen Zesewitz Hubertus Habel Holger Wöhner 150 Jahre Werrabahn - ein historischer Überblick

1833 Friedrich List veröffentlicht den ersten Entwurf eines gesamtdeutschen Eisenbahn- netzes, in dem auch eine Nord-Süd Verbindung durch das Coburger Land enthalten ist. Lists Pläne scheitern jedoch am Widerstand kleinstaatlicher Interessen und an den technischen und finanziellen Problemen einer Durchquerung des Thüringer Wal- des. 1836 Gemeinsam mit seinem Freund Joseph Meyer, einem bekannten Verleger aus Hild- burghausen, plant List als Alternativstrecke eine „Bayerisch-Hanseatische Eisen- bahn“, deren Streckenverlauf der Werra folgen soll. Im gleichen Jahr erfolgen erste Terrainuntersuchungen in der Gegend zwischen Coburg und Vacha im Werratal. 1838 Ausgabe erster Aktien nach Gründung einer Aktiengesellschaft, die jedoch auf Druck des Königs Ernst August von Hannover wieder aufgelöst werden muss: „Ich will kei- ne Eisenbahn in meinem Land, ich will nicht, dass jeder Schuster und Schneider so rasch reisen kann wie ich.“ ab 1840 Das vorläufige Scheitern des Werrabahn-Projekts begünstigt Pläne der Bayerischen Staatsregierung, mit der so genannten Ludwigs-Bahn eine eigene, rein bayerischen Interessen entsprechende Nord-Süd-Verbindung zu schaffen. ab 1846 Dadurch werden die thüringischen Kleinstaaten von den neuen Schienenverbindun- gen zunächst abgehängt, und Lichtenfels entwickelt sich zum entscheidenden Ei- senbahnknotenpunkt der Region. 1853 Nach verschiedenen vergeblichen Initiativen des schon seit 1841 bestehenden „Thüringer Eisenbahnvereins“, einem Zusammenschluss der betroffenen Kleinstaa- ten, kommt es erst jetzt wieder zu greifbaren Fortschritten, indem am 08.05.1853 das Königreich Bayern dem Ausbau einer Anschlussstrecke von Coburg nach Lichtenfels 1. Der Entwurf eines allgemeinen deutschen Eisenbahnnetzes von Friedrich List aus dem Jahre vertraglich zustimmt. 1833 enthält erstmals den Gedanken einer durch das Coburger Land führenden Nord-Süd-Verbin- 11.02.1855 Gründung einer „Werra-Eisenbahn Aktiengesellschaft“. dung 18.02.1856 Beginn der Bauarbeiten zwischen Grimmelshausen und Reurieth. 01.11.1858 Feierliche Einweihung des etwa 130 Kilometer langen Streckenabschnitts zwischen Eisenach und Coburg und der etwa 20 Kilometer langen Nebenstrecke zwischen Coburg und Sonneberg. 02.11.1858 Der erste reguläre Zug erreicht aus Eisenach kommend die Vestestadt. 24.01.1859 Freigabe des letzen Streckenabschnitts zwischen Coburg und Lichtenfels und damit Aufnahme eines durchgehenden Zugbetriebs zwischen Eisenach und Lichtenfels. Der Bahnanschluss verändert die Stadtentwicklung grundlegend. Coburg und das Umland verdanken ihm einen rasanten Aufschwung von Industrie, Handel und Ge- werbe in der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Erst mit dem Ende des 2. Weltkrieges verändert sich die Lage vollkommen. 11. April 1945 Kapitulation und Einmarsch amerikanischer Truppen, vorher erhebliche Zer- störungen an Bahnanlagen (Güterbahnhof Coburg, Mainbrücke bei Schney, Bahnhof Lichtenfels). Juli 1945 Der Rückzug der Amerikaner aus Thüringen und der Einmarsch sowjetischer Trup- pen verhindert eine schnelle Reaktivierung der Werrabahn. 12. 08.1947 Eine zonenübergreifenden Konferenz der Reichsbahnverwaltungen in Bielefeld sieht neben der Öffnung anderer Grenzübergänge auch die Wiederherstellung der Werra- talbahn vor. Herbst 1947 Züge fahren auf bayerischer Seite zunächst nur bis zum Grenzbahnhof Görsdorf, ab Sommer 1948 sollen zwischen dem hessischen Gerstungen und Coburg wieder durchgehende Züge verkehrten. 24.06.1948 Die Berlin-Blockade verhindert diese Pläne, zwischen Eisfeld und der Grenze wer- den die Schienen demontiert. 25.05.1949 Nach der letzen Konferenz der alliierten Außenminister in Paris signalisiert die Bahn- 2. Das deutsche Eisenbahnnetz 1850: Eine durchgehende Verbindung wurde aufgrund der Eigen- verwaltung der sowjetischen Zone die Bereitschaft, den Zugbetrieb auf der Werra- interessen einzelner Staaten nicht verwirklicht bahn wieder aufzunehmen, allerdings unter der Bedingung, dass die westliche Seite für die Schließung der inzwischen entstandenen Lücke im Schienennetz aufkommen sollte. 30.08.1949 Die Bundesbahndirektion ist nicht bereit, die Streckenerneuerung vorzunehmen. Deshalb wird mit Wirkung dieses Tages der auf der bayerischen Seite noch beste- hende Bahnverkehr eingestellt und durch Busse ersetzt. Auch heftige Proteste des damaligen Coburger Oberbürgermeisters Dr. Langer und eine Großdemonstration auf dem Coburger Marktplatz am 31. August 1949 können diese Entscheidung nicht revidieren. 29.09.1950 Abschluss der Elektrifizierungsarbeiten auf dem bis Coburg noch betriebenen Teil- stück der Werrabahn. 09.08.1976 Beginn des Gleisrückbaus auf dem Teilstück zwischen Coburg und der Grenze, Ver- kauf des Bahnkörpers an Gemeinden und private Interessenten, Sprengung der Sandsteinbrücken durch ein Spezialkommando des Bundesgrenzschutzes. 09.11.1989 Nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung wird die in Ansätzen schon vor der Wende begonnene Bebauung des ehemaligen Bahndamms mit Privathäusern im Bereich der Gemeinden Lautertal und Dörfles-Esbach mit verstärkter Anstrengung fortgesetzt. Damit werden die Chancen zahlreicher, von verschiedenen Seiten vorge- brachten Vorstöße zur Reaktivierung der Werrabahn erheblich gemindert. 1993 – 1995 Untersuchungen der Bundesbahn im Rahmen Konzeptes „Netz 21“ zur Wiederbele- bung der Werrabahn im Sinne einer „leistungsfähigen Qualitätsverbindung“ für den Güterverkehr in Nord-Süd-Richtung führen zu keinem Erfolg. Herbst 2008 angeregt durch Initiativen des Fahrgastverbandes ProBahn und einzelner Politiker gibt die Stadt und der Landkreis Coburg ein Gutachten in Auftrag mit dem Ziel, die mögliche Rolle der Werrabahn als Zubringer für einen künftigen ICE-Halt in Coburg zu überprüfen (Einzelheiten siehe Ausstellungsteil „Zukunftsperspektiven“). Quelle: Rudolf Berg, Rolf Selbmann, Grundkurs Deutsche Geschichte, Bd. 1, Frankfurt 1986, S. 150/ 151. 3. Das deutsche Eisenbahnnetz bis 1866: Die Anfang 1859 vollendete Werrabahn stellt jetzt diese wichtige Nord-Süd-Verbindung dar Was ist die Eisenbahn?

Aus einer Wirtshausplauderei um 1855 in „Bergheim“, einem fiktiven Dorf im oberen Itztal: Schäferspeter „ich muß dumm fragen, - wie ist’s denn eigentlich mit der Eisenbahn?“ „Narr, verstehst denn du das Wort nicht?“ belehrte ihn der Michelsschneider, „von Eisen wird eine Schlittenbahn gebaut, wer weiß wie weit, die ist spiegelglatt Sommer und Winter, darauf sausen die Schlitten den einen Berg ’runter und gleich den andern ’nauf. So geht’s immer fort!“ „Dummheit,“ brummte der Nikelspaule, der im Winter viele Bücher las und sich auch eine Zeitung hielt. „Mit der eisernen Schlittenbahn, sell (das) hat Grund. Aber drauf fahren richtige Wägen mit Rädern, und vorn dran ist eine Rauchchaise, die plustert den Rauch mit arger Gewalt ’raus, und bei jedem Plusterer giebt der Rauvch den Wägen ’nen Stoß, - und fort geht’s, wie taisend Milli- on!“ „Gott behüt’ und bewahr’ uns in Gnaden,“ seufzte Peter. „Das geht über die Natur! – Ein Wagen, der plustert und Rauch, der stößt! – Hat man je so was erlebt?“ Quelle: Heinrich Schaumberger, Im Hirtenhaus, Wolfenbüttel 91913, S. 179, 19. Kapitel „Der Eisenbahnschrecken“

E. Fritze, ein Oberbaurat aus Veilsdorf, berichtet in einer 1913 veröffentlichten Schrift, wie er am 2. November 1858 die Vorbeifahrt des ersten Zuges erlebte: Alles, was Beine hatte und laufen oder stehen konnte, war herangekommen. Alle hatten sich vor der Übergangsschranke aufgestellt. Gegenüber der Schranke stand ein Bahnwärterhäuschen, und vor diesem ging ein Mann in neuer, glänzender Uniform auf und ab. Er trug hellblauen, enganschließenden Rock mit blanken Knöpfen, dazu eine blaue Mütze und dunkle Beinkleider. Wir Kinder und auch die Erwachsenen meinten etwas Stolzeres noch nicht gesehen zu haben. ... Er wartete, wie wir, auf den Zug. Der aber ließ lange auf sich warten. ... Endlich, nach stundenlangem Warten fuhr eine mit Girlanden und Krän- zen festlich geschmückte Lokomotive mit einigen Personenwagen, die gut besetzt schienen, von kommend vorüber. Wir, die Harrenden und Schauenden, gingen von förmlichem Schwindel erfaßt weit von der Bahnschranke zurück. Obgleich der Zug nur die Geschwindigkeit eines Güterzugs hatte, meinten doch alle, er sei mit rasender Geschwindigkeit vorübergefahren, so daß viele fürchteten, es müsse wohl eine Entgleisung geben. Aber der Zug fuhr weiter und Sammlung: Steffen Dietsch erreichte glücklich sein Ziel. Es war ein Staunen ohne Ende. Jedermann war überzeugt, mit se- Fahrplan der Werrabahn Coburg 1858. henden Augen ein Wunder erblickt und das wichtigste Ereignis seines Lebens vor Augen gehabt zu haben. Jedermann war überzeugt, nun müsse eine neue Zeit und mit ihr das goldene Zeitalter anbrechen.... Quelle: E. Fritze, Dorfbilder II, Fünfzig Jahre Geschichte eines Frankendorfes, Meiningen 1913, S. 3 – 8 „Die Eisenbahn“

Sammlung Jürgen Otto Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen: Begegnung von Eisenbahn und Pferdekutsche am Bahn- übergang in der Lauterer Straße bei Coburg.

Sammlung: Roland Hiob Ausschnitt aus dem Fahrplanbuch von 1885.

Auch die Wahrnehmung der Zeit änderte sich durch die Eisenbahn, die nach minutengenauem Fahrplan ab- bzw. einfährt. Dieser verfeinerten Zeitmessung wegen wurden zwischen 1857 und 1859 alle Turmuhren Coburgs mit zusätzlichen Minuten-Laufwerken und die Zifferblätter mit Mi- nuten-Zeigern ausgestattet. Die Differenz der jeweiligen Ortszeit zur 1878 festgelegten Norm der „Berliner Zeit“ gab der Fahrplan an. Erst seit diesem Jahr gehen die bayerischen Uhren nicht mehr anders ... Die noch heute gesetzliche, „Mitteleuropäische Zeit“ führte mit ihrer Einführung 1893 zur reibungslosen Synchronisierung Europas. Der Bahnhof im Wandel der Zeit

Das erste Stationsgebäude, heute Empfangsgebäude genannt, wurde mit der Inbetriebnahme der Zu erwähnen ist noch der südlich des Empfangsgebäudes gelegene Fürstenbau: Dieser bei Strecke im Jahre 1858 fertiggestellt: ein stolzes Gebäude, bestehend aus vier mehrgeschossig Unterbrechung der Bauarbeiten im Jahr 1916 im Inneren noch unfertige Anbau wurde damals in aufragenden Gebäuden – Starenkasten ähnlich – bedarfsgerecht für den Personen- und Güter- einfacher Weise fertiggestellt und zu Bürozwecken vermietet. Geprägt ist das Gebäude durch ein verkehr errichtet. hohes Walmdach und vier ionische Säulen, über denen das von zwei Löwen getragene Wappen Über wenige Stufen gelangte man damals von der Lossaustraße in die Bahnhofshalle und dann des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha angeordnet ist. Kaiser und Könige, wie sie der alte ebenerdig zu den Bahnsteigen und Gleisen. Bahnhof gesehen hat, erlebte der Fürstenbau trotz seines klingenden Namens nicht. Ende des 19. Jahrhunderts war der Bahnhof in die Jahre gekommen. Nach vierzig Jahren genügte Auch im Inneren hat sich in den 150 Jahren Bahnhofsgeschichte viel geändert, und der Bahn- er den Anforderungen des wachsenden Reise- und Güterverkehrs nicht mehr. So mussten auf den hofsvorplatz und angrenzende Flächen befinden sich derzeit in einem Prozess der Neu- und Gleisen noch gemischte Züge, bestehend aus Güter- und Personenwagen abgefertigt werden, Umgestaltung: was schon damals nicht mehr zeitgemäß war. • die einstige Bahnsteigsperren und Automaten für das Lösen von Bahnsteigkarten sind Im Jahre 1896 übernahm die Preußische Staatseisenbahn die Anlagen. Wie in den Tageszeitun- verschwunden, gen zu lesen ist, erfuhr jedoch der Bahnhof durch die neue Führung eine nur „stiefmütterliche“ Be- • die Abfertigung für Express und Reisegepäck existiert nicht mehr. Die Koffer werden heute handlung. Immerhin wurde die längst überfällige Trennung von Güter- und Personenverkehr zum „von Haus zu Haus“ befördert, 1. August 1903 vollzogen: Im Weichengereuth entstand ein eigener Güterbahnhof. • die einstigen Wartesäle sind mittlerweile durch Supermarkt, Bäckerei und Restaurant Nach der 1911 erfolgten Genehmigung der Höherlegung der Bahngleise, des damit verbundenen ersetzt, Baus von Unterführungen am Judenberg und in der Callenberger Straße sowie des vollkommenen • aus den Fahrkartenschaltern wurde – wie es neudeutsch heißt – ein Servicecenter. Neubaus der Empfangsgebäude inclusive Bahnsteigunterführung als ungefährlichem Zugang zu • vor dem Eingangsgebäude herrscht jetzt eine gänzlich neue Straßenführung, den Bahnsteigen begannen im folgenden Jahr die Arbeiten. Finanzierungsprobleme und der am 1. • ein Omnibusbahnhof ist derzeit im Entstehen, August 1914 einsetzende Erste Weltkrieg verhinderten jedoch den zügigen Baufortschritt, so dass • in Zukunft soll nördlich des Empfangsgebäudes auch ein Parkhaus errichtet werden. die gesamte Neuanlage, wie wir sie heute kennen, erst am 2. Dezember 1923 ihrer Bestimmung übergeben werden konnte. Zug um Zug erfuhr auch der Gleisplan immer wieder Änderungen. Wäre noch zu erwähnen, dass mit Inbetriebnahme der Neubaustrecke Nürnberg-Erfurt auch ICE- Gleise und Weichen wurden zurückgebaut und neu verlegt. Elektromechanische Stellwerke lösten Züge in Coburg halten sollen. In welchem Umfang dies geschehen wird, bleibt abzuwarten. Dem rein mechanische ab. Formsignale wurden durch Lichtsignale ersetzt. Bahnhofsgebäude ist zu wünschen, dass es auch diesen Wandel in alter Schönheit miterleben kann. Roland Schäfer

Foto Karl Lesch/Städtische Sammlungen Coburg 10987 Sammlung Ralf Böttcher Coburg, Bahnhof: Ankunft des 4-Uhr-Zuges, Sonnabend 13.5.1899 Der alte Bahnhof aus dem Jahr 1858.

Die Aufnahme macht deutlich, dass der alte Bahnhof den Anforderungen eines modernen Reise- verkehrs nur noch bedingt genügte. Außerdem stellten die ebenerdigen Zugänge zu den Gleisen eine erhebliche Gefährdung für die Fahrgäste dar. Nach einer Höherlegung des Gleiskörpers und dem Bau einer Bahnsteigunterführung wurde das Empfangsgebäude neu errichtet in der Gestalt, wie wir es heute kennen.

Sammlung: Jürgen Otto 1913/14: Das alte Stationsgebäude ist weitgehend angetragen und der Zugang zu den Bahnstei- gen nur behelfsmäßig hergestellt.

Sammlung Gerhard Eckerlein Der Fürstenbahnhof südlich des Hauptgebäudes hat seine ursprünglich geplante Funktion nie erfüllt. Als er – verzögert durch die Kriegsereignisse – endlich fertiggestellt wurde, gab es keine regierenden Fürsten mehr. Der Herzog hatte am 11. November 1918 abgedankt. 1914 zeigen Pläne den Bahnhof als stolzen Prachtbau mit barockisierenden Stilelementen: Über dem Mittelrisalit ragt ein Walmdach mit Dachreiter und Uhr empor. Leider entstand dieser Mittel- bau nur auf dem Papier. Heute dominieren drei über dem konkav hervortretenden Mittelrisalit befindliche Ochsenaugen den Giebelbereich. Werfen wir noch einen Blick auf die beiden Pavillons. Bemerkenswert sind deren unterschiedli- che Dachformen. So trägt der nördliche Pavillon ein Pyramidendach, der südliche hingegen ein einfaches Satteldach. In letzterem war 1925 ein Brand ausgebrochen. Das daraufhin installierte „Notdach“ besteht heute noch.

Stadtarchiv Fotosammlung Städtische Sammlungen Coburg/AK-Sammlung Herold Der Bahnhof mit dem seit 1926 nach dem Brand bestehenden Notdach. Der Bahnhof in seiner neuen Gestalt nach der Einweihung im Jahre 1923. Eisenbahnbau und Stadtentwicklung

Die Eisenbahn war in Deutschland der eigentliche Motor der Industrialisierung. Der vermehrte Bedarf an Kohle und Eisen begünstigte zunächst die Entwicklung der Schwerindustrie. Mit der Verbesserung der Transportwege und der Herausbildung neuer Zulieferungsbranchen stellte sich jedoch ein allgemeiner Aufschwung von Industrie, Handel und Gewerbe ein. Viele Städte, die in den vergangenen Jahrhunderten kaum über ihre mittelalterlichen Grenzen hinausgewachsen wa- ren, platzten jetzt förmlich aus den Nähten. Neben ausgedehnten Industrie- und Gewerbegebieten entstanden auch neue Wohnviertel - von Arbeitersiedlungen bis hin zu Straßenzügen mit elegan- ten Geschäfts-und Villenbauten. Der untenstehende Stadtplan Coburgs aus dem Jahre 1860 führt deutlich vor Augen, welchen Einfluss der Eisenbahnbau auf die Stadtentwicklung nahm. Noch ist der Grundriss des spätmittel- alterlichen Siedlungskerns kaum verändert, und auch die Flussauen von Hahnfluss und Itz sind nahezu unberührt. Am westlichen Bildrand ist allerdings das Band der neuen Bahnlinie schon deutlich zu erkennen und der Bahnhof mit seinem Vorplatz – noch weit außerhalb des Stadtkerns gelegen – setzt ebenfalls einen neuen Markierungspunkt. Durch die Flussaue ist auch schon eine neue Entwicklungsachse gebrochen: die Bahnhofstraße. Südlich davon folgten bald Mohren- straße, Löwenstraße und Hindenburgstraße als Geschäfts- und Wohnstraßen eher vornehmen Charakters, während sich in nördliche Richtung neue Gewerbe- und Industriegebiete mit einer Wohnbebauung ausdehnten, die in erster Linie auf kleinbürgerliche Schichten oder Industriear- beiter zugeschnitten war.

Anonymer Maler, Coburg von Norden, 1826, Royal Library, Windsor Castle, Nr. 20527

Th. Rothbarth, Blick von der Bärenbastei, 1864, Royal Library, Windsor Castle, Nr. 20561

Quelle: Genee, Stadt und Veste Coburg nebst Umgebung, Coburg 1866, Vorsatz. Foto alter Bahnhof von Westen, Stadtarchiv Coburg, Fotosammlung

Das Gemälde eines anonymen Malers oben aus dem Jahre 1826 zeigt Coburg in seiner vorindus- triellen Gestalt von Wiesen und Feldern umgeben als typisches Residenz- und Ackerbürgerstädt- chen. Auf der folgenden Darstellung des Malers Rothbarth aus dem Jahre 1864 ist jetzt der Bahnhof zu sehen und die Bahnhofstraße durchschneidet als neue Verkehrs- und Entwicklungsachse die vormaligen Flusswiesen. Das um 1900 entstandene Foto lässt das neue zwischen Bahnhof und altem Stadtkern entstande- ne Wohn-, Geschäfts- und Industrieviertel erkennen. Die Eisenbahn verändert die Landschaft

Die Überwindung eines Höhenzuges zwischen dem Werratal und Coburg erforderte aufwändige Dammbauten und Durchstiche in schwierigen Geländeverhältnissen. In den Tälern von Werra und Main waren es größere Brückenbauten, die zu einer erheblichen Veränderung des Landschafts- bildes führten.

BSW-Freizeitgruppe Eisenach BSW-Freizeitgruppe Eisenach Bahndamm bei Tremersdorf Blick durch das Lautertal von Neukirchen nach Süden zur Veste Coburg

Georg Schmidt/Städtische Sammlungen Coburg 10804 Georg Schmidt/Städtische Sammlungen Coburg 10794 Tiefenlauter, Blick von Höhnigshöhe auf Bahndamm um 1910 Tiefenlauter, Gesamtansicht um 1900 Sammlung: BSW-Freizeitgruppe Eisenach Sammlung: BSW-Freizeitgruppe Eisenach Viadukt bei Kloster Veßra Werrabrücke in Wasungen

Die Viadukte und Brücken wie die bei Veßra, bei Lichtenfels oder bei Wasungen sind nicht nur mar- kante Zeichen einer neuen und landschaftsprägenden technischen Architektur. Sie symbolisie- ren auch den Siegeszug des Verkehrsmittels Eisenbahn: Noch gleiten auf den Flussläufen Flöße dahin, die Zeit jedoch, in welcher schwere Güter ausschließlich über Bahnschienen transportiert werden, ist nicht mehr fern. Sammlung: BSW-Freizeitgruppe Eisenach Mainbrücke Lichtenfels

Bernhard Bsufka: Höhen- und Längenprofil Eisenach-Lichtenfels, 1894 Eisenbahn und Industrialisierung

Die Fertigstellung der Werrabahn auf den Strecken Eisenach-Coburg und Coburg-Sonneberg (1858) und Coburg-Lichtenfels (1859) sorgte für einen erheblichen Aufschwung in der Landwirtschaft und im Handel und Gewerbe. Das südthüringisch-fränkische Vorland des Thüringer Waldes war nun an die wichtige Weser-Main-Linie angeschlossen. Mit dem Rückgang der Kultivierung von Wald und Flur in der Folge des 30-jährigen Krieges befanden sich weite Teile das Coburger Landes - vor allem in den Gegenden mit armen Sandböden - in einem Zustand, der lediglich für die Schafzucht geeignet war. Heideflächen breiteten sich aus. Manche Gebiete, wie z. B. das um Neustadt, müssen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ausgesehen haben, wie die Lüneburger Heide. Erst die Erfindung des Kunstdüngers und seine billige Verbreitung mit der Bahn ermöglichten den Ackerbau auch auf kargen landwirtschaftlichen Flächen. Eine besondere Bedeutung gewann die Ei­senbahn für die Ton- und Keramikwerke des Coburger Landes, wie z. B. die Porzellanfabrik Liebmann & Compagnie in Coburg (1863), das Annawerk (gegr. 1857), das Ziegelwerk in Esbach (gegr. 1878) oder die Hartstein-, Klinker- und Schamottwerke in Ebersdorf (gegr. 1895). Der Standort dieser Fabriken war zwar zunächst durch die heimischen Tonerdevorkommen bedingt. Ihre Entwicklung zu industriellen Großbetrie­ben wurde jedoch ganz entschei­dend durch den werkseigenen Eisenbahnanschluss begünstigt. Die Porzellanfabrik Goebel in Oeslau (gegr. 1871) entstand aus einer vormaligen Schiefertafelfabrik. Als ein weiterer Erwerbszweig profitierte die metallverarbeitende Industrie vom Bahnbau. Die Eisenverarbeitung, früher gebunden an heimische Erze und die Holzkohle des Thüringer Waldes, verlagerte sich nun aus den Tälern des Thüringer Waldes in das Vorland (z. B. die „Ernsthütte“ in Cortendorf). Undenkbar wäre ohne die Eisenbahn der Aufschwung der Spielzeugindustrie des Neustadter und Sonneberger Gebietes gewe­sen. Allein in den Jahren zwischen 1880 und 1899 stieg die Zahl der Spielwarenbetriebe in Son­neberg von 321 auf 2395(!). Auch nahm der Anteil an größeren Betrieben gegenüber den traditionellen Heimwerkstätten und Kleinbetrieben zu. Insgesamt machte sich bis zum 1. Weltkrieg eine rapide Steigerung der Produktion und des Exportes bemerkbar. Um 1900 war die thüringi­sche Spielzeugindustrie mit etwa 50% an der deutschen Spielzeugherstellung beteiligt, allein Sonneberg verkaufte in diesem Jahr Spielwaren im Wert von 16 Millionen Mark für den Export und von 4 Millionen Mark für den Inlandsbedarf. Im Jahre 1912 lag der Verkaufs­wert bereits bei 45 Millionen Mark, davon 30 % für das Inland und 70 % für den Absatz im Aus­land. Hauptabnehmer waren die USA. Dieser rasante Aufschwung bedeutete nicht unbedingt eine Verbesserung der Lebensverhältnisse für die Masse der Bevölkerung. Die sogenannten Verleger, welche die Waren von den Klein- produzenten aufkauften, konnten mit der Bahn bedeutend größere Mengen versenden als mit Pferdefuhrwerken. Das höhere Angebot auf dem Weltmarkt drückte den Preis. Die Erträge für die Kleinproduzenten fielen bis unter das Existenzminimum, so dass, um überleben zu können, schließlich die gesamte Familie mithelfen musste. Kinderarbeit war die Regel.

(Zahlenangaben nach B. Meyfarth, Die Sonneberger Spielzeugmacher, Sonneberg 1981, S. 10- 11)

Die Ansichten des Annawerks aus den Jahren 1862 bis 1879 und das Foto des Verladeplatzes zeigen deutlich, welche Bedeutung der seit 1858 bestehende Bahnanschluss für die Entwicklung des Werkes besaß.

Bildquelle: Annawerk Aktien-Gesellschaft (Hrsg.), Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Annawerk, Leipzig 1907, S. 25, S. 26 und S. 29. Eisenbahnbau und Gesellschaft

Der Eisenbahnbau und die Industrialisierung trafen in Deutschland auf eine weitgehend ländlich geprägte Gesellschaft, an deren Spitze noch Herzöge und Könige standen. Der Widerstand gegen das neue Verkehrsmittel war anfangs noch groß: Der Adel fürchtete um seine Privilegien, aber auch die Bürger - wie z. B. die Fuhrleute oder die Landwirte - sorgten sich um ihre Existenz und nahmen eine ängstliche oder ablehnende Haltung ein. Die Eisenbahn brachte nicht nur Vorteile, sie bedeutete für viele auch Unruhe und Veränderung, und oft flüchteten sie sich in eine Haltung der Sehnsucht nach den idealisierten Verhältnissen der vorindustriellen Zeit. Nachdem zunächst Geschäftsleute, Fabrikherrn und Bankiers den Ausbau der Eisenbahn voran- getrieben hatten, konnte später auch der Staat und seine Repräsentanten aus dem Eisenbahnbau Nutzen ziehen. Auch die adelige Führungsschicht des Kaiserreiches profitierte von der steigenden Popularität der Eisenbahn: Sie diente ihr als ein Mittel der Repräsentation und der Darstellung ei- nes prunkvollen Lebensstiles. Fürsten ließen sich z. B. eigene Wagen oder separate Prunkabteile einrichten, um damit ihrer Stellung Ausdruck zu geben. "Großen Bahnhof" im Stile der Zeit gab es bei besonderen Anlässen auch in Coburg, wie z. B. bei den zahlreichen festlichen Fürstenemp- fängen.

Das Coburger Tageblatt vom 19. September 1889 berichtete über das neue Fahrzeug: Georg Schmidt/Städtische Sammlungen Coburg 10807 „Der Wagen, welcher auf drei verschiebbaren Achsen ruht, hat eine Länge von 10 Metern, trägt Mit dem Bahnanschluss ins Grüne wurde der Sonntagsausflug zu einer festen Institution des bür- außen grüne Farbe und das Monogramm des Herzogs. Die innere Einrichtung des Wagens ist gerlichen Lebens – nicht nur für Kegelpartien in vornehmlich männlicher Besetzung, sondern auch folgende: für die Damenwelt Von einer geschlossenen Plattform gelangt man in den Salon, welcher mit einem Sopha und Fauteuils, die sämmtlich in Schlafbetten umgewandelt werden können, einer herausklappbaren Wasch-Toilette und einem großen Klapptisch ausgestattet ist. Vom Salon tritt man in das Schlaf- gemach, in dem sich ein Bett, eine Toilette, die auch als Schreibtisch benutzt und aus welcher im Winter warmes Wasser entnommen werden kann, sowie Schränkchen und Kästen befinden. Der Wagen enthält ferner einen Raum für das Gefolge des Herzogs, sowie Nebenräume. Die Beleuchtung des Salonwagens geschieht durch Gas, und zwar durch die neuesten Lampen (Intensivlampen), welche eine Lichtstärke von 32 Kerzen besitzen. Sehr praktisch sind die Bremsvorrichtungen des Wagens, an welchem außer der Carpenter- bremse noch die Leitung für die auf österreichischen Bahnen eingeführte Hardybremse ange- bracht ist. Der Salonwagen ist mit allem Komfort der Neuzeit ausgestattet.“

Quelle: Stadtarchiv Coburg Fotosammlung Am 1. August 1900 warten Vertreter des Herzogshauses am Bahnsteig 1 auf hohe Gäste, welche zur Trauerfeier von Herzog Alfred erwartet wurden.

Quelle: Werkfoto Görlitz · Sammlung: Wolfgang Theurich Der dreiachsige Salonwagen der Coburger Herzöge (Salon 3 Erfurt 10) wurde 1889 in Görlitz ge- baut.

Quelle: Werkfoto Görlitz · Sammlung: Wolfgang Theurich Quelle: Staatsarchiv Coburg Im Jahre 1910 wurde an das Coburger Herzogshaus der schon etwas repräsentativer wirkende Aufgrund enger Familienbande war die Englische Queen Victoria mehrmals zu Gast beim Cobur- sechsachsige Salonwagen aus Gothaer Produktion geliefert ger Herzogshaus, so auch am 8. April 1894. Die Eisenbahn in Krieg und Diktatur

Die Propagandaparole „Räder müssen rollen für den Sieg“, das Gleis zum Tor des Konzentra- tionslagers Auschwitz, die Ruine des Anhalter Bahnhofs in Berlin – allein diese wenigen unter unzähligen Beispielen zeigen deutlich, welche symbolhafte Bedeutung die Bahn einerseits für die Politik, die Kriegsführung und Propaganda besitzt, wie weit sie andererseits aber auch verstrickt ist in Leid, Vernichtung und Untergang. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs werden die Personenwagen der Mannschaften mit ihren Auf- schriften naiver Kriegsbegeisterung, die Bilder der Waffen- und Munitionszüge beredte Zeugnisse der euphorischen Aufbruchstimmung des Jahres 1914. Bald lassen sich aber auch andere Bilder nicht mehr vor der öffentlichen Wahrnehmung verbergen: Die zunehmende Zahl der Verwundeten, die ebenfalls mit der Bahn und weiter auf offenen Transportwagen in Krankenhäuser und Lazarette gebracht werden.

Städtische Sammlungen Coburg/AK-Sammlung Herold

Die zwei Gesichter des Krieges: Martialisches Gehabe und euphorische Aufbruchsstimmung im August 1914 Schrecken und Leid der ersten Verwundeten-Transporte

Städtische Sammlungen Coburg/AK-Sammlung Herold

Ungelenk, Coburg im Weltkrieg 1914-18, S. 64

Städtische Sammlungen Coburg/AK-Sammlung Herold

Ungelenk, Coburg im Weltkrieg 1914-18, S. 64 Ein Beispiel dafür, wie früh schon die Nationalsozialisten die Eisenbahn als Mittel der Propagan- laute Getöse der Nazis provoziert fühlten, kam es über das ganze Wochenende hin zu heftigen da erkannten und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren verstanden, ist die Sonderzugaktion der Auseinandersetzungen und Straßenkämpfen, mit vielen Verletzten, besonders durch das äußerst Münchner Nazis anlässlich des „Dritten Deutschen Tages“ rechtsgerichteter Verbände in Coburg brutale Vorgehen der Nationalsozialisten. am 14. und 15. Oktober 1922. Zu diesem Treffen wurde auch Hitler eingeladen, in der Annahme, Die SA und viele Coburger feierten diesen Tag als einen Sieg für die „nationale Sache“, mit dem er würde wie viele andere mit wenigen Getreuen erscheinen. Ergebnis dass bald auch hier eine NSDAP- Ortsgruppe ins Leben gerufen wurde und die SA von Hitler erkannte jedoch sofort die Chance, das erste Mal in entsprechendem Rahmen außerhalb nun ab in ihren charakteristischen braunen Uniformen auftrat. „Mit Coburg habe ich Politik ge- Münchens politisch aktiv werden zu können. Man mietete gleich einen ganzen Sonderzug an und macht“ – Hitler hat Coburg wiederholt besucht, um bei verschiedenen Anlässen dieses wichtigen erschien mit etwa 600 SA-Leuten, wehenden Fahnen und Marschmusik in Coburg. Da sich die hier Tages für den Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland zu gedenken. versammelten Gegendemonstranten vor allem aus dem linken Lager durch den Auftritt und das

Original-Bildunterschrift in: Probst, Coburg, Bayreuth 1938, S. 107. Bade, Deutschland erwacht, Hamburg 1933, S. 17. „Im Sonderwagen des Führers am 15. Jahrestag des ‚Zuges nach Coburg’ [15./16.10.1937] Der Münchner SA-Kämpfer in Coburg während des dritten „Deutschen Tages“ Mitte Oktober 1922. Nach Führer, Herzog Carl Eduard, Gauleiter Wächtler und Bürgermeister Rehlein nach der Überrei- ihrem „Sieg über den roten Terror der Straße“ marschierten sie am Sonntagabend des 15.10.1922 chung des Rathausgemäldes.“ unter dem Beifall der Passanten zur Heimfahrt in den Coburger Bahnhof ein, wo sie drohten, die Sonderzuglokomotive des zunächst sich weigernden Zugpersonals zu kapern, einige Dutzend Arbeiter als Geiseln zu nehmen und den Zug selbst nach München zu steuern.

Quelle: Probst, Coburg, Bayreuth 1938, S. 24. Städtische Sammlungen Coburg/AK-Sammlung Herold Richard Holst: Das historische Rathaus mit Marktplatz, 1936/37. Mitte Oktober 1935 kam Hitler zur Einweihung des neuen Kriegerehrenmals in den Arkaden am Dieses Gemälde wurde Hitler in seinem „Sonderwagen“ im Oktober 1937 geschenkt. Schlossplatz nach Coburg. Hier wird er vor der Fahrt im offenen Wagen durch die Stadt am Bahn- hof begrüßt. Die Werrabahn und die deutsche Teilung

Wie schon durch die Großdemonstration auf dem Coburger Marktplatz am 31. August 1949 zum Ausdruck gebracht wurde, bedeutete die endgültige Stilllegung der Werrabahn am Vortag einen „Anschlag auf Nordbayerns Eisenbahninteressen“ und die Abkopplung des Coburger Raumes von den Verkehrswegen in den Norden und den Nordwesten Deutschlands mit gravierenden Folgen für die Versorgung und die Wirtschaftsentwicklung. Die Karte verdeutlicht den gewaltigen Umweg über Bamberg und Würzburg, der auf Fahrt von Coburg nach Norden gemacht werden muss. Auf der Werrabahn waren es 224 km nach Kassel, heute sind es etwa 350 Streckenkilometer.

Werrabahn

Umwegstrecke stillgelegt

Neue Presse vom 01.09.1949 Die von den Teilnehmern einer Großkundgebung am 31. August 1949 verabschiedete Protest- resolution gegen die Stilllegung der Werrabahn

Sammlung DB Museum Nürnberg Sammlung Rainer Krebs Der Bahndamm der Werrabahn an der innerdeutschen Grenze bei Görsdorf Streckenende bei Görsdorf mit bayerischen Grenzsoldaten am 26. November 1965. Foto Gerhard Friedrich Foto Helmut Trier † Am 9. August 1976 erfolgte der Rückbau der Gleisanlagen des ehemaligen Bahn- Eine Kleinlok der Leistungsklasse II war am 9. August 1976 dem Abbauzug vor- hofes Görsdorf (Thür.). gespannt.

Foto Helmut Trier † Sammlung Rupert Appeltshauser In Tiefenlauter erfolgte die Zerlegung der demontierten Gleisjoche. Wo früher Züge rollten, findet man heute ein Freizeitidyll.

Bilder der 125-Jahr-Feier im Jahre 1983: Die Reichsbahn der DDR setzt auf Dampfbahn-Nostalgie – die Bundesbahn auf moderne Technik

Sammlung Klaus Oelzner, Sammlung Klaus Oelzner, Sonnefeld Gegenwart und Zukunftsperspektiven

Regionalisierung und Taktfahrplan

Während sich die beiden deutschen Staatsbahnen nach 1990 in einem wirtschaftlich problemati- schen Zustand befanden, forderte die Politik eine stärkere Rolle der Eisenbahn im Personen- und Gütertransport, um den prognostizierten Verkehrsanstieg bewältigen zu können. Dazu waren die beiden Staatsbahnbetriebe allerdings weder wirtschaftlich noch organisatorisch in der Lage, zu- mal die Organisation der Bahn in Form einer Behörde kein flexibles Agieren am Verkehrsmarkt erlaubte. Somit konnten Bundes- und Reichsbahn der Konkurrenz des Straßen- und Flugverkehrs kaum etwas entgegensetzen. Auch mussten den Forderungen einer EG-Richtlinie nach diskriminierungsfreiem Zugang zum Schienennetz in Deutschland umgesetzt werden. Das Gesetz zur Regionalisierung des öffentli- chen Personennahverkehrs trat am 1. Januar 1996 in Kraft. Mit diesem Gesetz wurde die Bestel- lung des Schienenpersonennahverkehrs auf die jeweiligen Bundesländer übertragen. In Bayern war somit das Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie für den SPNV verantwortlich, das daraufhin ein hundertprozentiges Tochterunternehmen, die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), gründete. Die BEG ist seither für die Planung, Koordinierung und Bestellung des Schienenpersonennahverkehrs zuständig. Die Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs bescherte dem Südabschnitt der Wer- rabahn unter dem neuen Aufgabenträger eine enorme Taktverdichtung. Heute wird der Fahrplan nicht alleine von der Bahn AG aufgestellt, sondern die Bayerische Eisenbahngesellschaft tritt, ausgestattet mit den nötigen Mitteln aus dem Bundeshaushalt, als Besteller der Nahverkehrs- Foto Stefan Goldschmidt leistungen auf. Waren vor der Regionalisierung an Werktagen 16 Zugpaare auf der Strecke, so Im Nordabschnitt der Werrabahn ist eine Privatbahn mit der Durchführung des Personenverkehrs verkehrten nun 18, an Samstagen wurde die Zahl von 10 auf 14 und an Sonntagen gar von 7 auf betraut. Am 4. Februar 2000 wurde ein Verkehrsvertrag zwischen der zuständigen Landesbehör- 13 erhöht. de, der Nahverkehrsservicegesellschaft Thüringen (NVS), und der Süd-Thüringen-Bahn unter- zeichnet. Im Südteil der Strecke wird erst 2011 eine Tochtergesellschaft der Hamburger Hochbahn die modernen Fahrzeuge vom Typ RegioShuttle im Stundentakt zwischen Bad Rodach und Lich- tenfels einsetzen.

Foto Michael Resch Foto Michael Resch Die Deutsche Bahn investiert in die Strecke. Dem heutigen Stand der Technik entsprechend sieht Im Vorfeld der Ausschreibung zum fränkischen Elektronetz testeten private Bahngesellschaften es im elektronischen Stellwerk in Coburg aus, welches seit 16. Dezember 2007 vier Stellwerke die Tauglichkeit von Fahrzeugen. Am 14. Juli 2008 erreichte zu diesem Zweck ein „Flirt“-Triebwa- alter Bauart ersetzt. gen der Eurobahn den Bahnhof .

Foto Stefan Goldschmidt Auch die Gleisanlagen zwischen Sonneberg und Lichtenfels wurden an verschiedenen Stellen grundlegend saniert, wie im Sommer 2007 der zweigleisige Abschnitt zwischen Coburg Gbf und Creidlitz. Initiative PRO BAHN zur Reaktivierung der Werrabahn

Die Regionalgruppe PRO BAHN Coburg/Südthüringen setzt sich seit 2004 für die Reaktivierung des abgebauten Teilstückes der Werrabahn zwischen Eisfeld (Thür.) und Coburg (Oberfr.) ein. Auswirkung der Unterbrech- Nach der Bewertung von PRO BAHN ist die Reaktivierung der Bestandsstrecke eine bessere Al- ung der Werrabahn zwischen ternative als der Neubau einer Verbindung zwischen Bad Rodach und Hildburghausen. Das Kon- Graphik: Rainer Bier AuswirkungLage der Werrabahnder Unterbrech- im überarbeitet Jan. 2009 zept von PRO BAHN bezieht die geplante Verbindungskurve von der Schnellbahntrasse zur Be- Coburg – Eisfeld durch die ungdeutschen der Werrabahn Schienennetz zwischen standsstrecke Coburg - Sonneberg bei Dörfles mit ein, die es ermöglicht, den bebauten Abschnitt deutsche Teilung auf die An- Graphik: Rainer Bier Rostock Sassnitz der Werrabahn in Dörfles-Esbach zu umfahren. Erst damit wird eine Reaktivierung möglich (siehe bindungCoburg – der Eisfeld Region durch an dasdie überarbeitet Jan. 2009Fährhafen Karte „Gleisspange bei Dörfles-Esbach). deutschedeutsche EisenbahnnetzTeilung auf die An- Rostock Sassnitz bindung der Region an das Fährhafen Personenverkehr deutsche EisenbahnnetzBremerhaven Hamburg Die Neubaustrecke umfährt den bisherigen Fernverkehrshalt für die Region Oberfranken-West in Lichtenfels weiträumig. Der Fernverkehrshalt Lichtenfels entfällt damit vollständig. Nach Fertigstel- Bremerhaven Hamburg lung der Neubaustrecke könnte ein ICE- Halt in Coburg die bisherige Funktion von Lichtenfels als Zugang zum Fernverkehr übernehmen. Allerdings ist bisher nur der Halt in Tagesrandlage geplant, d.h. jeweils einmal früh und abends. Ein dauerhafter Fernverkehrshalt (Systemhalt) wird dann ein- gerichtet, wenn eine genügende große Anzahl von Fahrgästen in Coburg ein- und aussteigt, was Berlin nur durch eine Schienenverbindung nach Südthüringen erreicht wird. Ohne den Fernverkehrshalt Rotterdam/ Hannover Coburg bleibt Südthüringen schlecht an den Schienenfernverkehr angebunden. Zusätzlich schließt Amsterdam eine durchgängige Werrabahn die Region wesentlich besser an das Schienennetz Deutschlands Berlin an (siehe Karte „Auswirkung der Unterbrechung der Werrabahn“). Rotterdam/ Hannover Amsterdam Halle/ Leipzig Diese Schienenverbindung würde auch den regionalen Verkehrsbedarf abdecken, wie z. B. für die Berufspendler und im Ausbildungs-, Einkaufs-, Freizeit- und Besucherverkehr. Für den Tourismus Ruhrgebiet Kassel ICE NeubaustreckeHalle/ Leipzig vergrößert eine durchgängige Werrabahn das Einzugsgebiet der Urlaubsregion Thüringer Wald Antwerpen Erfurt bis in die Metropolregionen Nürnberg und München (siehe Karte „Lage der Werrabahn im deut- Ruhrgebiet Kassel schen Schienennetz“). Köln Werrabahn ICE Neubaustrecke Antwerpen Erfurt

Köln Werrabahn Lückenschluss Prag Güterverkehr ICE-Halt-Coburg Der Schienengüterverkehr wird künftig an Bedeutung gewinnen. Die Werrabahn ermöglicht für Lückenschluss Prag die Wirtschaft in Oberfranken und Südthüringen deutlich verbesserte Transportmöglichkeiten im Frankfurt/ Flughafen ICE-Halt-Coburg Schienengüterverkehr. Die Werrabahn kann zudem als Umfahrung der überlasteten Güterver- Würzburg kehrsknoten der Nord-Süd-Hauptstrecken genutzt werden. Frankfurt/ Flughafen Nürnberg Auf den bestehenden Teilstücken Eisfeld - Eisenach und Lichtenfels - Coburg findet Güterverkehr Würzburg statt. Ein zweigleisiger Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke sind nicht erforderlich. Nürnberg Der Bedarf an Güterverkehr ist vorhanden. Derzeit bestehen konkrete Überlegungen, ein Güter- Lage der Werrabahn im deutschen Eisenbahnnetz zur Anbindung der verkehrszentrum für die Region zu erschließen. Region Oberfranken/ Südthüringen, insbesondere auch an die beiden ICE Strecken München - Nürnberg - Berlin und Würzburg - Hamburg Lage der Werrabahn im deutschen Eisenbahnnetz zur Anbindung der Stillgelegtes/Region Oberfranken/ zu reaktivierendes Südthüringen, Teilstück insbesondere der Wer rabahnauch an die beiden ICE Zukunftsaussichten zur Reaktivierung der Werrabahn AufgrundStrecken Münchender Unterbrechung - Nürnberg des - Berlin Teilstückes und Würzburg der Werr -abahn Hamburg notwendige Um- Es ist der Initiative von PRO BAHN gelungen, Abgeordnete, Kommunalpolitiker und die Industrie wegefahrtenStillgelegtes/ auszu reaktivierendes der Region Coburg Teilstück bzw. derSüdthüringen Werrabahn in Richtung Nord- und Handelskammer in Coburg und Südthüringen für die Reaktivierung der Werrabahn zu gewin- und Westdeutschland bzw. Süddeutschland Aufgrund der Unterbrechung des Teilstückes der Werrabahn notwendige Um- nen. Von Stadt und Landkreis Coburg wurde im Oktober 2008 eine Machbarkeitsstudie mit Poten- wegefahrten aus der Region Coburg bzw. Südthüringen in Richtung Nord- tialabschätzung im Güter- und Personenverkehr und einer Alternativenbewertung in Auftrag gege- und Westdeutschland bzw. Süddeutschland ben (siehe Karte: „Untersuchte Varianten Lückenschluss zwischen Coburg und Südthüringen“ und Text „Lückenschluss-Alternativen zwischen Coburg und Südthüringen“).

Lage der der Werrabahn Werrabahn im Schienennetz im Schienennetz der Region der Region

Verbindungskurve zur Werrabahn bei Dörfles- Esbach nach Berlin Kassel

ICE Neubaustrecke

Eisenach Jena Erfurt

Bad Rodach Sonneberg Hof ICE-Halt-Coburg

Bamberg

Nürnberg Lückenschluss-Alternativen zwischen Coburg und Südthüringen

In der von Stadt- und Landkreis Coburg vergebenen Machbarkeitsstudie werden zusätzlich zur Eine Verbindung mit einer Tunnellösung wäre von den Fahrzeiten attraktiv und güterverkehrs­ Potentialabschätzung im Güter- und Personenverkehr vier grundsätzliche Alternativen untersucht tauglich. Ein Tunnelbau ist im Vergleich zu allen anderen Varianten unverhältnismäßig teuer. (siehe Karte unten). Eine Stadtbahnverbindung auf der Trasse 2a oder 2b könnte den Höhenzug mit Steigungen von über 40 Promille überqueren. Erforderlich wäre ein zusätzlicher Umstieg in Hildburghausen. Die Trasse ist nicht güterverkehrstauglich. Die Fahrtzeiten sind bei allen Untervarianten der Alternative Alternative 1: Reaktivierung der ehemaligen Trasse der Werrabahn 2, außer bei einer Tunnellösung, unattraktiv lange. In Hildburghausen ist eine Reihe von Einfami- Die Variante ist geeignet für den Personen- und Güterverkehr. Da die Trasse weitestgehend schon lienhäusern betroffen. vorhanden ist, sind die Geländearbeiten wie für Dämme, Anschnitte, Einschnitte usw. nicht mehr erforderlich. Die Trasse ist überwiegend im Besitz der öffentlichen Hand. Es müssen ca. 3-4 km Neubaustrecke zwischen der Ausschleifungskurve Dörfles-Esbach und Oberlauter mit Unterque- Alternative 3: direkte Anbindung der ICE – Trasse an die Hinterlandbahn Eisfeld – Sonneberg rung der B 999 gebaut werden. Auf der Trasse stehen einzelne Einfamilienhäuser. Die Brücken auf Diese Alternative ist eine relativ kostengünstige Lösung. Es handelt sich um eine niveaugleiche der bayerischen Seite sind zerstört. Anbindung der ICE-Trasse an die Nebenbahn zwischen Sonneberg und Eisfeld mit einem ca. 1,2 km langen Neubau. Bei dieser Variante wird die ICE-Trasse mit genutzt. Die Nebenbahn ist nicht güterverkehrstauglich. Die Fahrzeiten sind relativ lang. Alternative 2 a und b: Verbindung Bad Rodach - Hildburghausen Hier handelt es sich um einen vollständigen Trassenneubau. Bad Rodach wird in Hildburghausen direkt an die Werrabahn angebunden. Allerdings muss ein neuer Bahnhof in Bad Rodach außer- Alternative 4 Hildburghausen- Rentwertshausen halb der Stadtgrenzen gebaut werden. Alternative wäre eine weite Einschleifung zu dem vorhan- Diese Variante umfährt den Höhenzug zwischen Bad Rodach und Hildburghausen (vergleiche Va- denen Bahnhof Bad Rodach. Bei dieser Verbindung ist der Höhenzug zwischen Bad Rodach und riante 2) weiträumig und bindet Bad Rodach direkt an die Strecke Grimmenthal – Schweinfurt an. Hildburghausen im Weg. Dazu gibt zwei Möglichkeiten: Allerdings bleiben bei dieser Lösung der Landkreis und die Stadt Hildburghausen abgehängt. Die 1. einen Tunnelbau zwischen Bad Rodach und Hildburghausen oder Strecke ist güterverkehrstauglich, aber sehr lang, was sehr hohe Neubaukosten mit sich bringt. 2. eine Stadtbahnverbindung mit einer straßenbahnähnlichen Trasse. Von allen Varianten sind die Fahrzeiten hier am längsten.

4 2a 2b 1 3

UntersuchteVarianten eines Varianten Lückenschlusses Lückenschluss zwischen Coburg und Südthüringenzwischen Coburg und Südthüringen 1 Lückenschluss Coburg – Eisfeld für Personen- und Güterverkehr 2a Stadtbahnverbindung Bad Rodach – Hildburghausen nur für Personenverkehr 2b Bad Rodach – Hildburghausen für Personen- (und mit Tunnel für den Güterverkehr) 3 direkte Anbindung der ICE – Trasse an die Hinter- landbahn Eisfeld – Sonneberg Verfasser: Rainer Bier, Gerd Weibelzahl 4 Hildburghausen- Rentswertshausen (Trasse Grimmental- Schweinfurt) Personen- u. Güterverkehr Burkhard Eßig