Raoul Peck Raoul Peck
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RAOUL PECK RAOUL PECK HAITIAN CORNER SO 01.04.18 13:15 RAOUL PECK MO 09.04.18 21:00 WE CAN FIGHT! DO 26.04.18 21:00 LUMUMBA: LA MORT DU PROPHÈTE Mit seinem furiosen Filmessay über den af- MI 04.04.18 19:30 I Am Not Your Negro DO 19.04.18 18:30 roamerikanischen Schriftsteller James Baldwin und die Ära der L’HOMME SUR LES QUAIS MO 02.04.18 18:30 amerikanischen Bürgerrechtsbewegung sorgte er im vergange- FR 13.04.18 21:00 nen Jahr für Aufsehen und wurde mit zahlreichen internatio- SO 22.04.18 20:15 LUMUMBA nalen Auszeichnungen bedacht. Doch längst zuvor galt der Ha- FR 06.04.18 18:30 SO 15.04.18 20:30 itianer und Kosmopolit Raoul Peck als einer der engagiertesten SA 28.04.18 15:15 Regisseure der zeitgenössischen Filmszene und eine der prä- SOMETIMES IN APRIL SO 15.04.18 15:00 genden Figuren eines neuen Black Cinema. Raoul Peck will MI 18.04.18 21:00 die Welt verändern. In enger Taktfolge widmet er sich seit sei- MOLOCH TROPICAL MI 11.04.18 18:15 nem Erstling (1990) tief politischen Themen. Von SA 14.04.18 22:15 Haitian Corner SO 29.04.18 18:00 der Ermordung Patrice Lumumbas, des ersten Ministerpräsi- ASSISTANCE MORTELLE SO 08.04.18 13:15 denten des unabhängigen Kongo, über den Genozid in Ruan- MO 23.04.18 18:30 da bis zu den destruktiven Wirkungen neoliberal geprägter MEURTRE À PACOT SA 07.04.18 19:45 Katastrophenhilfe nach dem grossen Erdbeben in seiner Heimat MO 16.04.18 18:30 SO 22.04.18 15:15 Haiti. Manchem Thema nähert er sich dabei gar zweifach an I AM NOT YOUR NEGRO und nutzt die unterschiedlichen Zugangsweisen von Doku- SO 01.04.18 17:45 SO 08.04.18 17:30 mentar- und Spielfilm, um jeweils stärker sachlich oder emo- FR 27.04.18 18:30 SA 28.04.18 20:00 tional wirksam zu sein. Mit einer grossen Werkschau lädt das LE JEUNE KARL MARX Stadtkino Basel ein, das drängende Schaffen des unerbittlichen SA 07.04.18 15:15 SA 21.04.18 17:45 Aufklärers und schonungslosen Analysten zu Entdecken. SO 29.04.18 13:00 Eines Tages wird man bestimmt angemessen ren, aktivieren? Baldwin z.B. begriff seine spe- zu würdigen wissen, was für ein weltfilmhis- zifischen Ausgrenzungs- wie Unterdrückungs- torisches Ereignis Raoul Pecks Le jeune Karl erfahrungen als schwarzer US-Amerikaner und Marx (2017) war: eine mit viel Geld und aller- Schwuler immer als Beispiele bzw. Symptome hand Euro-Star-Aufwand realisierte, in einem für ungleich tiefergreifende Missstände. Für ihn populären Stil gestaltete Kino-Biografie des bedeutete seine Emanzipation als schwuler wichtigsten Wirtschaftswissenschaftler-Philo- Schwarzer stets die Emanzipation aller Ausge- sophen-Aktivisten des 19. Jahrhunderts – unter grenzten. Und wenn er von seinen Erfahrungen der Regie eines progressiven Haitianers, der sprach, dann so, dass auch ein weisser Arbeiter vor Marx mit Patrice Lumumba und James aus dem Rustbelt verstehen konnte, dass er auch Baldwin bereits zwei anderen Persönlichkeiten von seiner Unterdrückung sprach. Peck sieht das des Befreiungs- wie Emanzipationskampfes ähnlich: Die haitianische Duvalier-Dynastie, mit Werke gewidmet hatte. James Baldwin stand der er sich in seinem Schaffen immer wieder im Zentrum seines Bildersturms von Essayfilm auseinandergesetzt hat, ist ein Beispiel von vielen I Am Not Your Negro (2016), der im Gegensatz dafür, wie Diktaturen funktionieren. Baldwin, zum direkt darauf entstandenen Le jeune Karl Marx, Lumumba und Peck wollen zu den Vielen Marx von weiten Teilen der Kritik wie des Pu- sprechen statt nur den Wenigen, und zwar von blikums gefeiert wurde. Aber eben nur: weiten dem Vielen, was die Menschen teilen, und nicht Teilen. I Am Not Your Negro wurde in einigen dem Wenigen, was sie trennt. Nischen der Filmkultur dafür kritisiert, dass Wobei Raoul Peck im Grossen und Ganzen seine Ästhetik so zugänglich, mitreissend, auch immer nur von Dingen spricht, die er selber sehr verführerisch ist. Dieselben Kreise wunderten gut kennt – was angesichts der Vielfalt seines sich später bei Le jeune Karl Marx darüber, dass Schaffens, auch der Regionen, in denen seine Peck sich für eine als «konventionell» bzw. «alt- Werke situiert sind, einen als Statement vielleicht modisch» klassifizierte Herangehensweise an erst einmal verblüfft. Nun, Peck ist ein Kosmo- seine Figur entschieden hatte statt einer etwas polit: Geboren 1953 in Port-au-Prince, erlebte distanziert-, quasi Brecht’schen Ästhetik. er als Kind die Paranoia der Duvalier-Diktatur; Aber was ist nun eigentlich so verwerflich er sagte einmal, dass sein Vater, ein Wirtschafts- daran, die Geschichte von Menschen wie Karl ingenieur, für einige Tage verschwunden gewe- Marx oder James Baldwin in einer Art zu er- sen sei, und wie genau er sich daran erinnert, zählen, dass sie weite Zuschauerteile interessie- wie seine Mutter am Fenster stand und sich an 15 RAOUL PECK die Gardinen klammerte. 1961 nahm der Vater sätzlich interessierten Masse im Sinne wie Diens- eine Arbeit in Léopoldville, Belgisch-Kongo an te des Sujets verständlich zu machen. – was vor allem eine Flucht vor dem Terror da- Raoul Peck hat kein Künstlerego im kon- heim war. Der Rest der Familie folgte zwei Jah- ventionellen Sinne: keine Regiealleinstellungs- re darauf; und so verbrachte Peck seine Jugend merkmale, keine formalen Ticks. Vielmehr hat in Zentralafrika. er eine politische Haltung zur Welt, die seine Für seine Studien (u.a. Wirtschaftswissen- Filme formt, egal ob im Spiel- oder Dokumen- schaften und Ingenieurswesen) zog er weiter in tarfilm. Wie um das zu unterstreichen, hat er die USA, nach Frankreich und schliesslich sich mehr als einmal einem Sujet zweimal zu- Deutschland, wo er sich an der Humboldt-Uni- gewandt: z.B. Patrice Lumumba. Zuerst reali- versität und der Deutschen Film- und Fernseh- sierte er einen an Harun Farocki und Hartmut akademie (dffb) einschrieb (Peck studierte also Bitomsky geschulten Dokumentarfilm, Lumum- in Ost- und Westdeutschland!). Eine Zeitlang ba: La mort du prophète (1990), später dann einen wollte er als Untergrundkämpfer heimlich nach angenehm fordianischen Spielfilm, Lumumba Haiti zurückkehren – die RAF, man erinnere (2000). Zwei Blick- wie Erzählweisen, die mal sich, hatte starke Wurzeln in der dffb ... Viele im Einklang miteinander sind und mal jeweils Jahre später sollte sich Peck dann doch noch in neue Perspektiven eröffnen, Fragen stellen. die Geschicke Haitis einmischen, allerdings ganz Diese Querverweise auf andere Filmema- offiziell: 1996/97 war er Kultusminister in der cher sind im Übrigen kein cinephiles Allusi- Regierung des später gescheiterten Reform- onsspiel: Peck kennt die Geschichte seiner Kunst Premiers Rosny Smarth. sehr gut und versteht sein Schaffen als eine aus- Pecks kommender künstlerischer Kurs zeigt führliche, durchaus temperamentvolle Diskus- sich schon in seinen Studentenfilmen, mit de- sion mit ihr. Meutre á Pacot z.B. ist eine Varia- nen er sich so unterschiedlichen Sujets wie den tion über Pier Paolo Pasolinis Teorema (1968) bundesdeutsch-amerikanischen Beziehungen, mit einem weniger spirituell erhebenden denn Revolutionsromantik und der Liebe einer ge- klassenkämpferisch zupackenden Ende: Hier wissen Linken zum Ökologischen widmete – macht der Eindringling aus den niederen jedes Werk ein Interventionsversuch. Erst mit Schichten Tabula rasa im Bürgershaushalt. Für dem dffb-Abschlussfilm Haitian Corner (1987) Moloch Tropical fand Peck anscheinend Inspira- sowie seinem internationalen Durchbruchs- tion in Alexander Sokurows Hitler-Phantasie werk L’Homme sur les quais (1993) kehrte Peck Moloch (1999) wie auch grosso modo im Werk – via New York, wo Ersterer unter haitischen von Glauber Rocha, wohl dem Vertreter einer Emigranten spielt – in sein Geburtsland zurück. tropikalischen Moderne. Und wollte man jetzt Schon zu diesem Zeitpunkt wird eins klar: ganz weit gehen, dann könnte man bei Le jeune Pecks Genie ist versatil – wie nur wenige ande- Karl Marx auch einmal darüber diskutieren, wie re beherrscht er die gesamte Formenpalette des erstaunlich viel der Film gemeinsam hat mit Kinos. Haitian Corner und L’Homme sur les quais dem bis dato einzigen früheren Kinoversuch sind, ähnlich seinem Versuch zum Genozid in zum Leben von Karl Marx, Grigori Roschal Ruanda, Sometimes in April (2005), aber eben und Aserbadschan Mambetows Year as Long as auch Le jeune Karl Marx, durch eine eher realis- Life – God kak žizn’ (1966), einem veritablen tische Gestaltungsweise geprägt – mal mit einem Stück sowjetrussischer Staatskunst im Stil des mehr veristischen Zug (z.B. Haitian Corner) und Sozialistischen Realismus. Wundert’s einen, mal mit einem stärkeren Blick aufs Prinzipielle das Peck in Port-au-Prince auch ein eigenes (Sometimes in April). Pecks visuell luxuriöse Al- Kino hat, das Eldorado? Peck glaubt an das Ki- legorie über das Wesen der Diktatur an sich, no (gerne auch in Fernsehform), an seine Mög- Moloch Tropical (2009), oder sein Versuch über lichkeiten, zu den Massen zu sprechen, einzu- die moralische Verkommenheit der haitianischen greifen in die Tagespolitik, Beispiele zu geben, Bourgeoisie im Schatten der Verwüstungen des Fragen zu stellen, Perspektiven zu entwickeln. Erdbebens von 2010, Meutre á Pacot (2014), ar- In einer Zeit der Communities und Partialin- beiten hingegen stark mit theatralisch-verfrem- teressen hält Peck fest an der Idee der Masse, denden Elementen: Moloch Tropical in einem eher des Gemeinwohls, der Solidarität. expressiv-überbordenden, Meutre á Pacot in ei- nem eher minimalistisch-introvertierten Regis- ter. Kein Werk Pecks gleicht dem anderen – je- der Film sieht anders aus und bewegt sich anders. Das Einzige, was seine Filme eint, ist ein Inter- Olaf Möller, Köln, schreibt über und zeigt Filme. esse an der Kommunikation mit dem Publikum, Co-Herausgeber u.a. der Publikationen über John Cook, der Wille, sich einer grösstmöglichen grund- Romuald Karmakar und Dominik Graf. 16 RAOUL PECK RAOUL PECK HAITIAN CORNER Dokumentaraufnahmen wird in verändern wird, denn da draussen Raoul Peck seltener Offenheit klar: Lumumba spielen sich Dinge ab, die es so HAITIAN CORNER 1987 BRD/Frankreich/USA/Haiti 1987 104 Min.