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Zwischen Bewahren und Nutzen Historische Wasserbauten in Baden-Württemberg

Wasser ist Leben. Jeder heiße Sommer, jeder trockene Winter ruft uns diesen Satz immer stärker ins Bewusstsein. Um wie viel bedeutender muss er in Zeiten gewesen sein, als es noch keine großen Speicherbecken und Fernwasserleitun- gen für Millionen von Nutzern gegeben hat? Darüber hinaus war Wasser bis in das 19. Jahrhundert hinein eine der wichtigsten Quellen für Antriebsenergie. Um dieses Element vielfältig nutzen zu können, wurden über Jahrhunderte zum Teil umfangreiche Bauwerke errichtet, wie unter anderem am Beispiel Isny gezeigt wird. Deren wirtschaftliche Bedeutung nimmt jedoch immer mehr ab. Außerdem gelten sie als unpraktisch. Gründe genug, die Anlagen aufzugeben und abzubrechen, oder doch nicht?

Andreas Haasis-Berner/ Lutz Dietrich Herbst/ Werner Konold

Wasser ist Leben stoffen – nach deren Verlassen Wiesen düngte. Wasserbauten vor der Stadt speicherten Wasser, Drei Wirtschaftsbereiche benötigten den Bau, die um Mangel und Überfluss ausgleichen zu können. Pflege und die Anpassung technischer Einrichtun- Besonders ab dem Spätmittelalter diente Fisch, gen in Fließ- oder Stillgewässern: Verfahrenstech- den man in Teichen (Weihern) hielt, besonders niken wie Müllerei, Gerberei und Färberei waren dem Klerus und den Adligen zusätzlich als Nah- auf Mühl- und Gewerbekanäle ebenso angewie- rung. Nach Aufgabe der Weiher im 18. und sen wie der Handel mit Holz auf Flößereianlagen 19. Jahrhundert litten viele Städte wie zum Beispiel und die Landwirtschaft auf Wässerungsanlagen an der Riß unter bis dahin unbekannt ge- für Wiesen. In Städten wurden diese Einrichtungen wesenen Überschwemmungen. Die Auffüllung häufig kombiniert, da das Wasser in der Stadt viel- von Gräben und Kanälen in der jüngeren Vergan- seitig genutzt wurde und – angereichert mit Nähr- genheit mag zusätzlich die Hochwassergefahr ver- schärft haben.

Archäologischer Quellenwert

Um das Wasser seiner Bestimmung zuzuführen, waren meistens Bauwerke (Wehre, Dämme, Ka- näle) aus Eisen, Holz, Steinen oder Erde notwen- dig. Auch bei Anlagen, die in der Zwischenzeit still- gelegt wurden, haben sich erhebliche Teile dieser Bauwerke im Boden erhalten. Sie sind insbeson- dere deshalb von hohem Interesse, weil in vielen Fällen die verbauten Hölzer eine präzise Datierung erlauben. Reste von Mühlen aller Art werden bei Baumaßnahmen immer wieder entdeckt und wis- senschaftlich untersucht (Abb. 1). Weniger im Fo- kus stehen die zugehörigen Wehre und andere An- lagen – auch die der Flößerei. Diese sind nicht nur 1 Ehemalige, frühneu- durch die natürliche Kraft des Wassers, sondern zeitliche Bauhölzer, die auch zunehmend durch eine einseitige Interpre- 2016 aus dem Unterbau tation der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie eines Mühlenwehres im und deren rigide Umsetzung bedroht. Vielfach Gewerbekanal bei Wald- wurden und werden sie aus Unkenntnis ihrer his- kirch geborgen wurden.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 2 | 2021 113 sind, zeigen die Vielfalt der wissenschaftlichen Untersuchungsmöglichkeiten. Das Wassersystem von Maulbronn ist auch Teil des Weltkulturerbes „Kloster Maulbronn“. Technikgeschichtlich be- deutsam sind die Hangkanäle, lässt sich an ihnen doch ablesen, mit wie viel Sorgfalt diese Anlagen geplant und gebaut wurden, um ein größtmögli- ches Nutzgefälle zu erzielen. Die ungezählten Bau- werke, die im Zusammenhang mit der Flößerei in den großen Waldgebieten Baden-Württembergs errichtet wurden, sind erst zum Teil erfasst und noch kaum in ihrem Zusammenhang erforscht. Dieses wissenschaftliche Potenzial bleibt nur durch die Erhaltung der Baustrukturen und Ablagerun- gen in einem feuchten Zustand auch für zukünf- tige Generationen nutzbar.

Die Lebensadern von Isny

Das Zusammenspiel von Hochwasserschutz, Brauch- wassernutzung und Wiesenwässerung in Städten ist in Isny im Allgäu noch sehr gut erkennbar, und auch historisch bestens erforscht. Aus diesem Grund sind im Folgenden die wasserbaulichen Ele- mente beispielhaft ausführlich dargelegt. Die Stadt Isny, geprägt von einem rauen, nieder- 2 Das historische System torischen Bedeutung beschädigt oder gar entfernt. schlagsreichen Klima, ist auch heute noch in beson - der Speicher, Weiher, Ka- Welches Potenzial allein in der Erforschung derar- derer Weise vom Wasser gezeichnet: für jeder- näle und Verteilerbau- tiger Bauten liegt, zeigte sich in der archäologi- mann sichtbar durch die Isnyer Ach, Kanäle, Grä- werke südlich von Isny im schen Untersuchung des Ölmühlenkanals und sei- ben und Weiher; allesamt Teile eines ehemals Allgäu. ner Wehre in oder des Schwabentor- großen und ausgeklügelten wasserwirtschaftlichen wehrs bei . Aber auch die geo arch äo - Systems. logischen Untersuchungen von Teichen und Was- Ganz in der Nähe einer älteren Siedlung wurde serläufen wie etwa von Maulbronn, die in dieser 1096 eine Benediktinerabtei gegründet, welche Zeitschrift schon mehrfach thematisiert worden von ihrem Stifter, dem Grafen Manigoldus, unter anderem mit Wiesen, Mühlen und Gewässern aus- gestattet wurde. Das Kloster verstand es geschickt, die wichtigsten Wasserrechte an sich zu bringen, niedergelegt in den „Traditiones“ von 1171, einem Vertrag zwischen dem Kloster und dem „forum villae Ysni“. Es ist von einer unlängst errichteten Mühle, Bächlein, von jüngst angelegten, sorgfäl- tig kultivierten Wiesen die Rede und von Gewäs- sern, die darum herumlägen. Im sogenannten Tai- dingsvertrag von 1290, einer schiedsgerichtlichen Einigung zwischen dem Kloster und der nunmeh- rigen Stadt Isny, in der die Wassernutzung großen Raum einnimmt, wird dann expressis verbis von ausgedehnten wasserwirtschaftlichen Einrichtun- gen gesprochen. Das Kloster ließ sich umfangrei- che Rechte bestätigen; doch auch die Stadt profi- tierte von dem Vertrag. Darin geht es vor allem auch um die Bewässerung der Wiesen. Der Tai- dingsvertrag regelte alle Fragen im Grundsatz, doch zogen sich die Streitigkeiten um Einzelfragen bis zur Säkularisation des Klosters hin, umso mehr, nachdem die im Jahr 1365 reichsunmittelbar ge- wordene Stadt während der zum evangelischen Glauben übergetreten war und in ihren Mauern das mit den wichtigen Rechten aus- gestattete Kloster saß. Der alte Marktort war ursprünglich zur Isnyer Ach Der Krummbach hingegen eilte, nunmehr völlig 3 Das Gewässersystem hin orientiert. Nach 1171 dehnte er sich nach Süd- gebändigt und geregelt, der Stadtmauer zu, ver- in der Stadt Isny. Der westen aus, sodass die Wasserversorgung einer sorgte den strategisch wichtigen Oberen Graben- Krummbach mündet in Erweiterung bedurfte. Hierzu bot sich der von Sü- oder Schwanenweiher mit Wasser (Abb. 7) und den Oberen Grabenwei- den kommende Krummbach an, der jedoch im trat dann durch eine Doppelmauer mit Turm in die her und wird dort zum Stadtbach. Alles Wasser, Vergleich zur Ach mit ihrer ausgeglichenen Was- Stadt ein, wo er zum Stadtbach (13. Jahrhundert: das die Stadt verlässt, serführung die Gefahr starker Hochwasserabflüsse „der Bach, der durch die Stadt geht“) wurde, ex- eignet sich bestens für mit sich brachte, da die Gegend von Isny sehr klusiv für die Bedürfnisse der Bürger und außer- die Wiesenbewässerung. niederschlagsreich ist (um 1400 mm/ Jahr) und es halb des Einflussbereiches des Klosters. häufig zu Starkregen kommt. Dieses Problem Die zweite Lebensader der Stadt, allerdings nicht wurde auf geniale Weise gelöst: Im oberen Ein- exklusiv für die Bürger, zog sich in Gestalt der Ach zugsgebiet des Krummbachs wurden im Laufe der durch die später so genannte katholische Vorstadt Zeit mehrere Weiher angelegt, die neben der Fisch- und die Wassertorvorstadt, das gewerbliche Zent- zucht auch als Wasserspeicher dienten (Abb. 2). rum. Den Ursprung der Ach hatte man zum Ur- Dies waren die beiden Felderholzweiher, der flä- sprungweiher aufgestaut (erstmals 1476 erwähnt); chenmäßig sehr große Bleicheweiher und der Bie- diesem folgte und folgt heute noch nach kurzer senweiher. Diese Speicher wurden ergänzt von ei- Fließstrecke der Schießstattweiher, heute Insel- nem ausgeklügelten System aus Überläufen, oder Sägenweiher, dann der Sauweiher (1528 Streichwehren, Kanälen, Fallen und Schützen, die „suwweyer“), der in klösterlichem Besitz war und allesamt dazu da waren, den Krummbach immer als Mühl- und Fischweiher genutzt wurde (Abb. 4). mit ausreichend Wasser zu versorgen, zu große Um den Sauweiher herum führt ein Kanal, an dem Wassermengen von der Stadt fernzuhalten und sich einige Triebwerke befanden. Nördlich der Ach diese, wenn sie auftraten, dem Rotbach und der lag die Obere Bleiche, in der der Kehlbach (= Quell- Unteren Argen zuzuführen, die die Stadt weiträu- bach, erstmals 1411 erwähnt) entsprang und so- mig umfließt. Hierbei spielte der Leitbach als letzte gleich künstlich in Richtung Wassertorvorstadt ge- Überleitung vor der Stadt eine besondere Rolle. Er führt wurde. Zusätzliches Wasser erhielt er vom zweigte als zunächst künstliches Gerinne nach Os- Seelhaus-, später Pfannenstielbach. Beide ver- sorgten die Handwerker, insbesondere die Gerber ten ab, um nach kurzer Strecke ein natürliches, 4 Die historischen seichtes Tälchen nach Norden zu benutzen, wo er und Färber, mit dem wichtigen Produktionsmittel Gewässer in der Wasser- in der Vorstadt den Feuerschwandenweiher speiste, Wasser; beide konnten mit technischen Vorrich- torvorstadt und der der seinerseits die Obere Mühle mit Triebwasser tungen auch der Ach zugeführt oder aber jenseits Katholischen Vorstadt versorgte (Abb. 3). der Stadt in die Wiesen geleitet werden. von Isny im Allgäu.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 2 | 2021 115 5 Das nährstoffreiche Bis der Stadtbach die Ummauerung wieder verließ, Wasser wurde groß- wurde er in vielfältiger Weise gebraucht und an- flächig und nach den gereichert (Abb. 4). Er versorgte die Wette, in de- Besitzverhältnissen exakt nen die Pferde gewaschen wurden und die man gesteuert auf die Wiesen auch sicherlich als Feuerlöschteich benutzte und verteilt. wo sich allerlei Federvieh und die Stadtschweine tummelten. Es liegt auf der Hand, dass sich gerade dieses an- gereicherte Wasser ganz hervorragend für eine este in Wässerbüchern und Wiesenordnungen ge- weitere Nutzung heranziehen ließ, nämlich zur Be- regelt und von vereidigten Wieswässerern – einem wässerung, insbesondere der düngenden Bewäs- städtischen und einem klösterlichen – organisiert serung der Wiesen (Abb. 5). Diese Kulturtechnik war. Diese wurden mit einem Grabgeld entlohnt. geht in Isny auf das Hochmittelalter zurück und Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die da- war – wie bereits angedeutet – im Jahr 1290 we- mals knappen Nährstoffressourcen optimal ge- sentlicher Gegenstand des Taidingvertrags zwi- nutzt wurden, allerdings verbunden mit einem schen Marktort und Kloster. Das nährstoffreiche sehr hohen Aufwand an Arbeit. Glossar Wasser von Kehlbach, Seelhausbach, Ach und Die Bewässerung wurde in Isny erst in den 1970er Stadtbach wurde mithilfe eines ausgefeilten Sys- Jahren endgültig eingestellt. Von dem ausgedehn - Europäische Wasserrah- menrichtlinie (WRRL) tems von Fallen, Fachbäumen (die „Scheide“), ten und extrem komplexen wasserwirtschaftlichen Mit dieser im Jahr 2000 in Aquädukten („Kehner“; Abb. 6), Wuhren, von ge- System sind etliche Bestandteile heute noch vor- Kraft getretenen Richtlinie schwungenen und geraden Gräben und Rinnen, handen, sodass man von einer denkmalwürdigen sollen europaweit einheit - die jährlich neu gezogen werden mussten, aufge- Sachgesamtheit sprechen kann: Weiher, Dämme, liche Standards für den Ge- teilt und verteilt auf städtische, klösterliche und Verteilerbauwerke im Süden der Stadt, östlich und wässerschutz erreicht wer- spitälische Wiesen (Abb. 5). Das nährstoffreiche nördlich entlang der Ach mehrere Weiher, Kanäle, den. Insbesondere werden Stadtbachwasser kam ausschließlich auf die zum Gräben und Gruben, Oberer (mit Einlass des Querbauwehre entfernt Teil weit entfernten städtischen Wiesen. Der „Brief Krummbachs/ Stadtbachs; Abb.7) und Unterer oder so umgebaut, dass Fische wieder bis zu den der Stadt“ von 1411 vermittelt uns das Bild einer Grabenweiher, Bremerweiher (ehemals Pfister- Oberläufen wandern kön- bereits großartig ausgebauten Bewässerungsan- weiher), Stadtgraben (der das kostbare Stadtab- nen. lage, bei der die Wasserverteilung auf das Genau- wasser auf die städtischen Wiesen führte), Spital-

116 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 2 | 2021 6 Der Hoferkehner- Aquädukt der Isnyer Wiesenwässerung gehört zu den Sehenswürdig - keiten der Westallgäuer Wasserwege.

Fachbaum Der oberste Balken eines Wehres

Fallen graben, weitere frühere Hauptverteiler mit Namen Oberschwaben. Von weiteren eindrucksvollen Absichtlich geschaffener und namenlose Gräben, mit denen mehrere Hun- Mühlkanälen, regelrechten Wassersystemen der Abfluss des Wassers über dert Hektar Wiesen be- und entwässert wurden. Romanik und der Gotik bis hin zur Industriellen Re- das Wehr Hier und dort findet man in den Wiesen noch volution oder Überresten barocker Wasserparks Wehre und Schütze, nicht selten von Weidenge- ganz zu schweigen. Das Landesamt für Denkmal- Wuhr büschen umwachsen. Man kann sicherlich unwi - pflege, aber auch viele regional tätige Vertreter der Süddeutscher Begriff für ei- dersprochen behaupten, dass die Attraktivität der Geschichts- und Umweltwissenschaften, histo- nen künstlichen Wasserlauf Stadt Isny zu einem guten Teil mit den wasserbau - risch-geografischer Arbeitsgemeinschaften und lichen Zeugnissen zusammenhängt. Ihr funktiona- Vereine stünden hier der Touristik fachlich bera- les Zusammenwirken von Speichern, Hochwasser- tend zur Seite. schutz, Wasserverteilung, städtischem Wasserge- Als in der Mitte der 1960er Jahre der Krummbach brauch, Stadtentwässerung, Wasserkraftnutzung von Ochsenhausen (Landkreis Biberach) beseitigt und Wiesenbewässerung ist noch sehr gut erkenn- werden sollte, konnten sich der Kreisbaumeister bar. und einige Gemeinderäte durchsetzen und dies verhindern. Seine Bau- und Nutzungsgeschichte Touristische Nutzungsmöglichkeiten wurde Anfang der 1990er Jahre wissenschaftlich untersucht und mittels Info-Tafeln und einer Bro- 7 Der Obere Graben- Die Förderung des Tourismus ist keine Kernaufga - schüre der Öffentlichkeit vermittelt. Inzwischen oder Schwanenweiher in be der Landesdenkmalpflege. Ohne Zweifel wird zählt der ab dem 15. Jahrhundert für das Kloster Isny. Das kleine Gebäude dieser jedoch durch das Bewahren, Erforschen und Ochsenhausen errichtete, natürlich wirkende markiert den Eintritt des Präsentieren der Kulturdenkmale vielfach unter- Mühl- und Spülkanal zu den landschaftlichen Hö- Krummbachs durch die stützt. Die Reanimierung wasserhistorischer Kul- hepunkten der Oberschwäbischen Barockstraße Stadtmauer. turdenkmale scheint im Tourismus gut anzukom- men. Man denke an die als Waale, Bisses, Suonen, Auals oder Leiten bekannten Bewässerungs- oder Mühlkanäle in der autonomen italienischen Pro- vinz Bozen, den schweizerischen Kantonen Wal- lis und Graubünden und dem österreichischen Bundesland Tirol. Die Systeme der Wasserwirt- schaft des Oberharzes und der Stadt wurden sogar in der Welterbeliste der UNESCO aufgenommen. Entsprechend der Tourismuskonzeption Baden- Württembergs im Produktmarkenbereich „Kultu- relles Erbe“ könnte die Regionaltouristik da gut mithalten: mit Wanderwegen entlang imponierend geführter Wuhren im Schwarzwald und Trieb- werkskanälen in den Hügellandschaften des Lan- des, Flößereianlagen im Schwarzwald, Bauwerken der Wiesenbewässerung im Oberrheingebiet, Schwarzwald, Odenwald, Schwäbische Alb und

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 2 | 2021 117 8 Begehrt: der wasser- und der Mühlenstraße Oberschwaben. Stadtver- hier viel erleben und lernen zu können. Ein tou- bauhistorische Wander- waltung und Tourismusgesellschaft bewerben ihn ristisches Potenzial, das bereits vor über 30 Jahren weg von Ochsenhausen ebenso wie seinen bedeutend umfangreicheren von den Südtiroler, Graubündner und Walliser erläutert den dortigen „Waal-Verwandten“, den Stillen Bach des Klosters Waal- und Suonenwegen abgeschaut und in Ober- Krummbach aus dem Weingarten (Landkreis ). Dort, wo die schwaben am Stillen Bach von Weingarten und am 15. Jahrhundert. eine Fachbehörde verbliebene Kleinkanäle als ener- Krummbach von Ochsenhausen erfolgreich im- 9 Anregung und Erho- getisch unwirtschaftlich und ökologisch fragwür- plementiert wurde. (Abb. 8; 9). lung am Wasserbau des dig bewertet, entdecken andere Fachbehörden Doch auch für das 21 km lange Hochsaler Wuhr 12. Jahrhunderts: Der deren Reiz. So lädt die interkommunale Ober- zwischen Herrischried und Laufenburg (Landkreis wasserbauhistorische schwaben-Tourismus GmbH in ihrem Magazin ) mit seiner teilweise spektakulären Tras- Wanderweg entlang des „Himmel reich des Barock“ mit einer doppelseiti- senführung lassen sich seit den 1990er Jahren be- Stillen Baches von Wein- gen Abbildung eines Fallenstocks in einem Bach- scheidene Anfänge einer entsprechenden Inwert- garten. lauf ein, „barock zu entspannen – Kulturland- setzung erkennen: Eine Wetterhütte an der Murg schaft zu genießen“. Die Gemeinde Schemmer- unterhalb Lochmatt-Mühle wartet ebenso mit hofen (Landkreis Biberach) zeigt auf einer großen mehreren textreichen Info-Tafeln auf wie auch der Fototafel einen hohen Wasserabsturz und wirbt so Standort der Teilung in Hochsaler und Rotzeler für den Aufenthalt am örtlichen mittelalterlichen Wuhr im Hauholz von Görwihl-Segeten (Landkreis Mühlbach. Zahlreiche Menschen suchen auf den Waldshut) (Abb. 10). ebenen Begleitwegen gezielt Erholung. Zusätzlich Ohne erlebbaren Wasserlauf, jedoch mit grafisch über Tafeln Fakten von der vielfältigen Nutzung gelungenen Info-Tafeln des Historischen Vereins dieser Kulturdenkmale der Archäologie sowie der Berau (Landkreis Waldshut) lässt sich die Wasser- Bau- und Kunstdenkmalpflege erfahren zu kön- wirtschaftsgeschichte des dortigen Benediktinerin- nen, bestärkt seine Besucher in der Überzeugung, nenklosters am fernblickreichen Höhenweg des Berauer Wuhrs (Abb. 11) nachvollziehen. Zumindest in einem Abschnitt wird 2021 auch der ehemals 22 km lange Urgraben, ein im späten 13. Jahrhundert für den Betrieb der ältesten be- kannten Wasserkunst Europas angelegter Hang- kanal, im Bereich der Gemeinde Glottertal durch die Ausweisung eines Lehrpfades touristisch ge- nutzt. Ältere, inzwischen mit der Patina von Flech- ten und Graffiti überzogene Informationen finden sich an den Bewässerungslehrpfaden im reizvollen Moosalbtal von Marxzell (Landkreis ), in der Weite des Oberrheingrabens bei Stutensee- Staffort beziehnungsweise -Blankenloch (Land- kreis Karlsruhe) sowie in der Aue des Enzbogens von Vaihingen/ -Roßwag (Landkreis Ludwigs- burg). In diesem Zusammenhang muss auch die Erläuterung des restaurierten Wässerwehrs im 10 Mit seiner alpin an- mutenden Trasse ähnelt Morretal bei -Hettigenbeuern (- das Hochsaler Wuhr bei Odenwald-Kreis) erwähnt werden (Abb. 12). Der Görwihl-Oberwihl den Naturpark Schwarzwald Mitte-Nord wird in den Waalen, Suonen und kommenden Jahren entsprechend der Tourismus- Leiten. konzeption des Landes Wasserbauten der Flößerei

118 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 2 | 2021 in den Fokus rücken, sofern die einseitige Inter- pretation der EU-Wasserrahmenrichtlinie und de- ren rigide Umsetzung hier überhaupt noch erfasste Kleindenkmale oder Kulturdenkmale der Archäo- logie beziehungsweise der Bau- und Kunstdenk- malpflege übrig lässt.

Ausblick

Historische Wasserbauten in Gestalt kleiner Stau- wehre und Ausleitungskanäle tragen zur Inwert- setzung einer anregenden Kulturlandschaft bei. Das zeigen allein die bislang aus Baden-Württem- berg bekannten Beispiele, die mit Sicherheit nicht das gesamte Spektrum wiederentdeckter Kultur- denkmale dieser Art abdecken. Zahlreiche Klein- kanäle im Land dienen auch heute noch der Gewin - nung von regenerativer Energie. Darüber hinaus verbessern sie in den Städten im Sommer das Klima spürbar. Und schließlich gibt es auch natur- schutzfachliche Gründe, künstliche wasserabhän- gige Landökosysteme zu erhalten. Die Elzwiesen nördlich von Kenzingen (Landkreis ) sind nicht trotz, sondern wegen ihrer zielgerich- teten Bewässerung ein europaweit wichtiges Feuchtgebiet für (Zug-)Vögel. Die Wertschätz ung der historischen Wasserbauten sollte Grund genug für sämtliche beteiligten Akteure sein, bei anste- henden Revitalisierungen von Fließgewässern, Flur- bereinigungen oder auch forstlichen Umgestal - tungen miteinander zu kooperieren und gemein- sam nach Lösungen zu suchen, die den unter- schiedli chen Interessen Rechnung tragen.

Literatur Lutz Dietrich Herbst: Ausgebaute Fließgewässer des 11 Eindeutig informativ: Mittelalters und der frühen Neuzeit in Oberschwaben der Historische Verein Christian Leibundgut/ Ingeborg Vonderstrass: Traditio- als Lernfelder der historischen Geographie (= Wein- Berau e.V. hat sich der nelle Bewässerung – ein Kulturerbe Europas. Bd. 1 gartener Hochschulschriften, Nr. 17), Weingarten/ Beschilderung des Berauer Wuhrs ange - und 2. Langenthal/CH 2016. Württ. 1992. nommen. Ansgar Hoppe: Historische Wasserbauten in Nieder- Werner Konold: Wasser, Wiesen und Wiesenwässe- sachsen. Fließgewässer im Spannungsfeld zwischen rung in Isny im Allgäu. Ein Beitrag zur Agrar- und 12 Der Verein Bezirks - Natur- und Kulturgüterschutz im Kontext der Euro- Stadtgeschichte, in: Schriften des Vereins für Ge- museum Buchen e.V. päischen Wasserrahmenrichtlinie. In: Neues Archiv für schichte des Bodensees und seiner Umgebung 109 rekonstruierte 2013 Niedersachsen. Zeitschrift für Stadt-, Regional- und (1991), S. 161– 213. dieses Wiesenwässe- Landesentwicklung. 2/ 2015: Flüsse in Niedersachsen, rungswehr im Hettigen- S. 114– 136. Dr. Andreas Haasis-Berner beuerner Morretal. Werner Konold: Die wasserabhängigen Landökosys- Landesamt für Denkmalpflege teme. Gibt es gemeinsame Strategien von Wasser- im Regierungspräsidium wirtschaft und Naturschutz zu deren Schutz und Er- Dienstsitz Freiburg halt? In: Hydrologie und Wasserbewirtschaftung 51, 2007, H. 6, S. 257– 266 Dr. Lutz Dietrich Herbst Andreas Haasis-Berner: Wasserkünste, Hangkanäle Landesamt für Denkmalpflege und Speicherbecken. Eine archäologisch-historische im Regierungspräsidium Stuttgart Untersuchung zum Wasserbau im Mittelalter am Bei- Dienstsitz spiel des Urgrabens am Kandel im mittleren Schwarz- wald. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtau- Prof. Dr. Werner Konold send in Südwestdeutschland, Bd. 5, Rahden/ Westf. Landespflege Freiburg – Institut für Naturschutz- 2001. ökologie und Landschaftsmanagement GbR.

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