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Communications in Asteroseismology

Volume 149 December, 2008

Konferenzbeitr¨age/Proceedings

Festkolloquium und Fachtagung 250 Jahre Universit¨atssternwarte Wien

herausgegeben von/edited by M.G. Firneis und/and F. Kerschbaum

Layout von/by M. Rode-Paunzen Communications in Asteroseismology Editor-in-Chief: Michel Breger, [email protected] Editorial Assistant: Daniela Klotz, [email protected] Layout & Production Manager: Paul Beck, [email protected] Institut f¨ur Astronomie der Universit¨at Wien T¨urkenschanzstraße 17, A - 1180 Wien, http://www.univie.ac.at/tops/CoAst/ [email protected]

Editorial Board: Conny Aerts, Gerald Handler, Don Kurtz, Jaymie Matthews, Ennio Poretti

Cover Illustration Tranquillo Mollo, View of the old observatory on top of the University hall from 1755 (private property)

British Library Cataloguing in Publication data. A Catalogue record for this book is available from the British Library.

All rights reserved ISBN 978-3-7001-3915-7 ISSN 1021-2043 Copyright c 2008 by Austrian Academy of Sciences

Austrian Academy of Sciences Press A-1011 Wien, Postfach 471, Postgasse 7/4 Tel. +43-1-515 81/DW 3402-3406, +43-1-512 9050 Fax +43-1-515 81/DW 3400 http://verlag.oeaw.ac.at, e-mail: [email protected] Contents

Vorwort/Preface von M. G. Firneis und F. Kerschbaum, Editors 5 Ansprache des Pr¨asidenten der Osterreichischen¨ Akademie der Wissenschaften von H. Mang 6 ’s invitation to Norway von P. P. Aspaas 10 Maximilian Hell und Prager Astronomie von J. Smolka und M. Solc˘ 21 Zur Biographieuber ¨ Franciscus de Paula Triesnecker anl¨asslich der 250-Jahrfeier der Wiener Sternwarte von H. Kastner-Masilko 31 Uber¨ die Impressoriensammlung im Wiener Staatsarchiv als Quelle der Wissenschaftsgeschichte von J. Hamel 34 Zur Baugeschichte der beiden Wiener Universit¨atssternwarten vonM.G.Firneis 44 Der historische Buchbestand der Universit¨atssternwarte Wien vonK.Lackner,I.M¨uller, F. Kerschbaum, R. Ottensamer und Th. Posch 50 Anton Pilgram – Mitbegr¨under neuzeitlicher wissenschaftlicher Meteo- rologie? von Th. Posch und K. Lackner 55 Elektronische Faksimile-Editionen von ausgew¨ahlten Werken der Fach- bereichsbibliothek Astronomie an der Universit¨atssternwarte Wien von H. Petsch und A. Partl 70 Das k.u.k. milit¨argeographische Institut von F. Almer 75 Josef Johann von Littrow und Rudolf Kippenhahn im Vergleich als Wis- senschaftspopularisatoren von S. Exler 83 4

Die Entwicklung und Verbreitung der Urania zur Popularisierung der Astronomie von G. Wolfschmidt 92 Ausseruniversit¨are himmelskundliche Bildungsaktivit¨aten in Wien 1900- 2000 von H. Mucke 104 Wiener Astronomen und Kleinplaneten von A. Schnell 117 Carl Wilhelm Wirtz an der Kuffner-Sternwarte: Seine photographischen Studien und seine Korrespondenz mit Karl Schwarzschild von H.W. Duerbeck 124 K¨ovesligethy’s spectroscopic studies von M. Vargha and L. G. Bal´azs 136 Josef Hopmann in Leipzig, 1930 – 1945 von G. M¨unzel 143 Briefwechsel mit F¨uhrer und Co. Texte aus Bruno Th¨urings Zeit an der Universit¨atssternwarte Wien von F. Kerschbaum 154 Leopold Figl Observatorium f¨ur Astrophysik von M. Rode-Paunzen 162 Die Universit¨atssternwarte Wien — Pflanzst¨atte des Osterreichischen¨ ESO-Beitritts von H. M. Maitzen und J. Hron 168 Weltraumastronomie an der Wiener Universit¨ats-Sternwarte von A. Schnell und W. W. Weiss 178 Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Vorwort/Preface

Viennese has a long standing tradition. When Vienna University was founded in 1365 astronomy as one of the medieval fine arts was considered in the very first curricular. The history of Viennese astronomy lectures can be traced back to 1385, when the campus was situated down town. In 1755 the In- stitute of Astronomy was formally founded and 1756 the University Observatory surmounting the building of the the ”new” university hall was opened by Maria Theresia. Astronomers worked and lived in this place producing the scientific materials. Due to the growth of the city in the following decades professional sky observations were moved to the village of W¨ahring to avoid the streetlights of Vienna. In 1892 W¨ahring became a district of Vienna. Between 1874 and 1880 the present University Observatory was built by the architects Fellner and Helmer and the main instrument, the Great Refractor (aperture: 68 cm, focal length: 10.5 m) constructed by Howard Grubb was the largest optical telescope of the world. Even today it is still the 9th largest refracting telescope. But times have changed, and so have the important topics in astronomy and the methods to study them. An 80 cm telescope equipped with a CCD detector was installed in 2000 and a satellite communication station is part of the networks of the Canadian MOST, European CoRoT and BRITE space missions giving students access to modern techniques. It was the aim of editors of this volume to pass the torch of knowledge how all this came about during the last 250 to the young generation. To rescue from the depths of history how men and material have fought and evolved to become what it is nowadays: the Vienna Institute of Astronomy. The editors are grateful that the Austrian Academy of Sciences has provided the opportunity to commemorate the 250year anniversary in this place, which before belonging to the Academy was the University’s main building, housing the first observatory. The editors are thankful to the members of the scientific community, who on the 2nd day of the commemoration event presented their scientific research during a meeting on historical perspectives which are printed here. The editors are indepted to Gudrun Wolfschmidt for the prosperous co- operation in the organization of the meeting and are grateful to the Austrian Academy of Sciences for financial support. Maria G. Firneis, Franz Kerschbaum Editors, Vienna, Dec. 2008 Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Ansprache des Pr¨asidenten der Osterreichischen¨ Akademie der Wissenschaften

Dipl.-Ing., Dr. techn., Ph.D., Dr. h. c. mult., o. Prof. Herbert Mang

Werte Mitglieder der Osterreichischen¨ Akademie der Wissenschaften, werte Kolleginnen und Kollegen des Faches Astronomie meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir ebenso eine Ehre wie ein Anliegen, sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Feier der zweihundertf¨unfzigsten Wiederkehr der Er¨offnung der Universit¨atssternwarte begr¨ußen zu k¨onnen. Diese hat sich am Dach der dama- ligen Universit¨at und damit des heutigen Hauptgeb¨audes der Osterreichischen¨ Akademie der Wissenschaften befunden. Der Anlaß macht es mir besonders schwer, nicht pers¨onlich anwesend sein zu k¨onnen. Ein Auslandstermin hin- dert mich daran, heute und hier gegenw¨artig zu sein. Die Ubernahme¨ meiner Grußadresse im Namen der Osterreichischen¨ Akademie der Wissenschaften (OAW)¨ durch unser korrespondierendes Mitglied Prof. Michel Breger macht es mir allerdings leichter, meine Worte an ihn zu delegieren, umsomehr, als sie aus damit berufenem Munde kommen werden. Erlauben sie mir, die Kette der illustren Vertreter der Astronomie, die an der Universit¨atssternwarte wirkten, verk¨urzt wieder zu geben. Vater und Sohn von Littrow waren essentiell bei der Gr¨undung der Osterreichischen¨ Akademie der Wissenschaften involviert. Der neue Standort der Universit¨atssternwarte auf der T¨urkenschanze erlaubte seinem Direktor, unserem wirklichen Mitglied Edmund Weiß, von dort aus einige Sonnenfinsternis-Expeditionen zu starten, unter Verwendung des Kanons der Finsternisse, berechnet von unserem wirk- lichen Mitglied Oppolzer. Den Astronomen der Sternwarte, Hepperger, Graff, Prey und Hillebrand, standen die Ehrenmitglieder der OAW,¨ Herschel, Struve, Argelander, Schiaparelli und Hale zur Seite. Das Deckengem¨alde des Fest- saals der OAW¨ schließt in der Darstellung der philosophischen Fakult¨at die Astronomie mit ein. Ich gehe davon aus, daß nicht wenige Teilnehmer dieser Feierstunde unser wirkliches Mitglied Direktor Hopmann und Prof. Meurers noch pers¨onlich ge- kannt haben. Mit Joseph Meurers war ein philosophisch orientierter Astronom H. Mang 7 am Werk, der nach erweiterten M¨oglichkeiten astrophysikalischer Beobachtun- gen suchte und sie durch den Bau des Leopold-Figl-Observatoriums f¨ur Astro- physik am Mittersch¨opfl fand. Unterst¨utzt wurde er dabei von unserem wirk- lichen Mitglied Prof. Hermann Haupt und dem sp¨ateren Vorstand der Univer- sit¨atssternwarte Prof. Karl Rakos. Den heutigen Erfordernissen der Zeit gem¨aß besitzt die Universit¨atssternwarte eine Satellitenempfangsanlage, ein Radio- teleskop und ein modernes Spiegelteleskop. An der Lehrkanzel f¨ur Theoretische Astronomie ging unser wirkliches Mit- glied Konradin Ferrari d’Occhieppo1, heute, fast 100 Jahre alt, daran, neben Fragen von historischen astronomischen Datierungen auch ein Computerpro- gramm vom Max-Planck-Institut f¨ur Astrophysik in Garching am Rechner der damaligen Technischen Hochschule Wien installieren zu lassen. Die Computa- tional Astronomy hatte damit ihren Einzug in Wien gehalten. Eine OAW-Publi-¨ kationuber ¨ den inneren Aufbau eines Sternes von 12 Sonnenmassen, unterst¨utzt unter anderem vom sp¨ateren Vorstand Werner Tscharnuter, gibt davon Zeugnis. Fragen der Astrometrie ging der Vorstand Prof. Paul Jackson nach. Durch den mich hier vertretenden Prof. Michel Breger werden Fragestellungen unter- sucht, die schon Sir Arthur Eddington formuliert hatte. Mit den Werkzeugen der Astroseismologie werden registrierte Sternpulsationen zur Strukturaufkl¨arung von Sternen herangezogen. Die Amplituden- und Phasenmodulation der Hel- ligkeitskurven werden durch Beobachtungen von Linienprofilen mit bisher uner- reichter Genauigkeit erschlossen. Nicht unerw¨ahnt darf dabei der instrumentelle Aufwand bleiben, der den Einsatz von 8-Meter-Teleskopen verlangt - und die Organisation vonuberlappenden ¨ Beobachtungen queruber ¨ diese Welt. Bei Beobachtungen des Satelliten MOST von vielen Sternen konnte eine bisher unerreichte Genauigkeit erzielt werden. Vom Studium der Einzel- oder Doppelsterne hin zur Erforschung von Stern- systemen, von Galaxien, durch deren magneto-hydrodynamische Beschreibung ihrer Ph¨anomene und jener des interstellaren und intergalaktischen Medi- ums f¨uhrt ein erg¨anzender Schritt. Ihn hat der gegenw¨artige Leiter der Universit¨atssternwarte Prof. Gerhard Hensler begangen, der die Gesetze des Gasverlustes von Einzelgalaxien ebenso wie jene der Gasaufnahme formuliert hat. Der Materiekreislauf mit dem interstellaren Medium samt seinen evolu- tiven Auswirkungen auf die H¨aufigkeit der Entstehung neuer Sterne wurde in ihrer diagrammatischen Darstellung studiert, die an die Grenzzyklen nichtline- arer Schwingungen erinnern,mit ihren abschnittsweise positiven und negativen R¨uckkopplungen. F¨ur die Simulation dieser Ph¨anomene ist die Computational Astronomy zum unverzichtbaren Werkzeug geworden, mit Anforderungen an die Rechnerkapazit¨at, die Berechnungen in Computerclustern und als Zukunftsop- tion den Einsatz von Parallelrechnern erfordern. Die so entstehende Sicht des

1∗9. Dezember 1907 – †18. M¨arz 2007 8 Ansprache des Pr¨asidenten

Universums l¨aßt ein ganz anderes Bild entstehen, als jenes einer geradezu ma- jest¨atischen Ruhe. Zun¨achst unerkl¨arliche Gamma-Ray-Bursts sind inzwischen f¨ur manche Events auch optisch identifiziert worden. Weit ¨uber Supernova- Events hinaus als Standard Candels werden sie heute als Kollisionen von Neu- tronensternen oder von Schwarzen L¨ochern gedeutet und sind durch ihre Inten- sit¨at weit hinaus ins Universum oder in anderer Sprechweise tief in die Hub- blezeit als Ereignisse erkannt, welche das Raum-Zeit-Gef¨uge auch gravitativ er- sch¨uttern. Der Elastizit¨atsmodul des Vakuums l¨aßt im Vergleich zu jenem von Stahl dieses Material als geradezu butterweich erscheinen. Aus diesen kosmo logischen Gr¨unden wird die Gravitationsastronomie ein Feld h¨aufiger Ereignisse vorfinden, wenn auch ihre volle Entfaltung erst durch Beobachtungen aus dem Weltraum erwartet werden kann. So wird sich das Bild der Beobachtenden Astronomie ebenso wie jenes der Theoretischen Astronomie radikal ¨andern. Die Organisation des Beobachtungs- materials in Virtuellen Observatorien wird notwendig werden. Im Rahmen der Astronomischen Kommission der OAW¨ muß sich eine enge Kooperation mit anderen Akademieinstituten ergeben. Ich nenne dazu das Institut f¨ur Welt- raumforschung in Graz und jenes f¨ur Hochenergiephysik in Wien. Die vertiefte Interaktion zwischen Astronomie und Physik, programmatisch formuliert vom National Research Council of the National Academies in den USA, wird ein europ¨aisches Pendant zur wissenschaftlichen Leitpolitik erheben m¨ussen. Im Grunde l¨aßt die erwartete Entdeckung der Teilchen der Dunklen Ma- terie in Erweiterung des Standardmodells und die Aufkl¨arung der Dunklen En- ergie mit ihrer Wirkung analog einer abstoßenden gravitativen Wechselwirkung keine andere Wahl, als jene der vertieften Kooperation der Disziplinen. Von der Erkundung der Existenz des Aufbrechens der Farb-Supraleitung von Quark- materie bei der Abk¨uhlung von ”Strange Stars” bis hin zur Untersuchung der molekularen Basis der Lebensentstehung auf anderen Planeten in habitablen Zonen wird die moderne Astronomie ein faszinierendes Bild dieses Universums vermitteln. Ein Großteleskop mit ertr¨aumten 100 Metern Spiegeldurchmesser und einem von 40 Metern Spiegeldurchmesser mit adaptiver Optik, das auf dieser Welt gerade noch einmal leistbar erscheint, wird das beobachtungstech- nische Ambiente bestimmen. Wir sollten aber nicht vergessen, aus welchen Wurzeln all diese Erkenntnisse entstanden sind. Zu deren Erinnerung und Deutung dient der nachfolgende Vor- trag ebenso wie die morgige Fachtagung, zu der ich sie ebenso herzlich einlade, wie ich sie nochmals zum heutigen Empfang begr¨uße, mit einer anschließenden F¨uhrung im Hauptgeb¨aude der OAW.¨ Ich danke f¨ur Ihre Aufmerksamkeit. H. Mang 9

Der Obmann der Kommission f¨ur Astronomie o.Univ.Prof. Dr. Michel Breger ¨uberbrachte die Gl¨uckw¨unsche der Kommission.

Michel Breger

Anschließend erfolgte der Festvortrag: ”Fr¨uhe Geschichte der universit¨aren Astronomie in Wien” von Maria G. Firneis. Firneis f¨uhrte Gruppenf¨uhrungen zum Dach des Akademiegeb¨audes, dem Platz des ersten Wiener Universit¨ats-Observatoriums, durch. Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Maximilian Hell’s invitation to Norway

Per Pippin Aspaas

Department of History, University of Tromsø Norway

On 28thApril 1768 the Imperial and Royal Astronomer of Vienna, the Jesuit Maximilian Hell (1720-1792) left his workplace at the Vienna University Ob- servatory to embark upon a strenuous journey to the extreme north-eastern corner of Norway. He brought with him a massive array of scientific equipment, 1 including a 6 feet gnomon, two pendulum clocks, quadrants 2 4 and 6 feet in 1 1 diameter, telescopes 10, 10 2 ,and82 feet long, mural telescopes, micrometers, barometers, thermometers, declinometers, an electric machine, at least one mi- croscope, as well as equipment for mounting and repairing these instruments (Hell 1770a; ArchS 1a; 1b). In addition came a number of books, heaps of paper, pens, ink, olive oil, chocolate, wine, coffee, tea, and other necessities of the urban savant. All this had to be brought along by ship and wagon, partly from Vienna, partly from Copenhagen, Christiania, and Trondheim, to the des- tination Vardø, a small settlement close by the Arctic Ocean. Two scientific assistants (as well as a servant and a dog) were Hell’s travel companions for most of the journey. When he finally reached Vardø on 11thOctober, in the midst of a storm which nearly drove his ship away to be lost forever in the merciless Eismeer, Father Hell had been travelling indefatigably for almost six months. Nevertheless, he immediately started constructing a modest observa- tory into which he would bring all his equipment and spend most of the winter and spring doing research in multiple disciplines. On his way back, Hell stopped in Copenhagen for several months, presenting the main results of his expedition. Not until 12thAugust 1770 did he return to Vienna (ArchS 1c). The entire expedition was financed by the authorities in Copenhagen, and Hell had been invited in the name of the King himself. But why, one may ask, did a world-famous astronomer leave his high standard observatory in Vienna to go to a remote corner of the civilised world? And how did it come about that he, a Jesuit, was invited, and sponsored, by the Protestant King of Denmark and Norway, whose laws forbade the presence of Jesuits? The key to answer both these questions lies in the 18th-century transits of Venus. On 5thJune 1761 and 3rdJune 1769, the planet Venus passed in P. P. Aspaas 11 front of the as seen from . This rare phenomenon attracted massive interest from the entire world of learning. The principal reason was that transits of Venus could be used to compute the distance between Sun and Earth, and indeed the scale of our entire Solar system. A prerequisite for success was that skilled astronomers observed the event simultaneously from stations far apart. This would reveal tiny shifts from which the astronomical unit could be deduced (e.g. Woolf 1959, Sellers 2001, Verdun 2004, Marlot 2004). In 1761, hopes were that a few temporary stations in Siberia, the southern Atlantic, and the Indian Ocean, combined with the traditional European obser- vatories, would provide the necessary data to settle the problem. For various reasons, however, the expected accuracy could not be attained. First and fore- most, the crucial stages at the beginning and end of the transit turned out to be more difficult to determine than expected. This meant that, in 1769, ob- servers should spread themselves even further apart. Conditions were better this time. The 1761 transit had taken place in the midst of the Seven Years’ War, in which the leading nations of astronomy, France and Britain, were opposing each other. In 1769, peaceful conditions made travelling easier. Besides, the astronomical community had achieved valuable experience from the previous transit, and was prepared to face observational difficulties that had come as a surprise the last time. However, the transit of 3rdJune 1769 was predicted to take place in the middle of the European night. Accordingly, it was necessary to travel to the realm of the Midnight Sun in order to catch the entire duration of the transit from European soil. This gave Denmark, along with Sweden and Russia, strategic advantages. Denmark was a country with proud traditions in astronomy. It had, after all, hosted Tycho Brahe on the island Hven in the 16thcentury, during those years when he lay the foundations for modern astronomy. And already in 1642 the world-famous Rundet˚arn (Round Tower) Observatory was erected in Copen- hagen, one of the first permanent observatories of Europe, decades before Paris and Greenwich. Denmark’s strategic position in the North, with Norway in its possession ever since 1380, should have given occasion to some very inter- esting observations in 1761. That , at least 120 individual observations from more than 65 places contributed to the project of finding the solar dis- tance (Woolf 1959, pp. 135-149). Of these 120-odd successful observations, at least 20 were made in Sweden (including modern Finland), but only 3 in Denmark-Norway. Furthermore, the publicity of the Swedish observations was very high. Reports were published not only in Swedish (and German) in the proceedings of the Royal Academy of Stockholm, but appeared also in French, Latin, and English in the leading scientific journals abroad (see the issues of Kongl. Vetenskaps Academiens Handlingar, Knigl. Schwedischen Akademie der Wissenschaften Abhandlungen, Histoire de l’Acad´emie Royale des Sciences, 12 Maximilian Hell’s invitation to Norway

Journal des S¸cavans, Philosophical Transactions of the Royal Society of Lon- don, and Ephemerides Astronomicae ad Meridianum Vindobonensem from this period). In contrast, apart from vernacular reports, only a tiny two-page notice on Danish and Norwegian observations appeared in the M´emoires of the French Academy of Sciences and an anonymous Norwegian observation was included in the Philosophical Transactions of London (Lalande 1763, Short 1763). Not much to boast about! As the 1769 transit approached, Sweden again made large-scale prepara- tions. The Swedish King granted extra financial support to the Academy of 1 Sciences already in February 1767, 2 2 years ahead of the transit. Observations were to be made from three sites in the northernmost parts of Sweden and modern Finland, where two stations had been manned in 1761 (Nordenmark 1939, pp. 175-192). On the Russian side, activity had been limited in 1761, with only two ex- peditions sent into Siberia and a handful of observers observing from private homes in St. Petersburg (Woolf 1959, pp. 118, 188-189). This picture was changed for the 1769 transit. In March 1767, the Russian Empress Catherine the Great ordered the Imperial Academy of Sciences to participate extensively in the international project (Rumovskiy 1771, p. 5). Eight expeditions was the result. Four of these were to be sent to the North-East of the Russian Empire, close to the borders with Norway and Finland (in the final event, only three sites in the north were reached; Rumovskiy 1771, pp. 21-23, 35-36). Thus, the Swedish and Russian preparations were already well advanced in the first part of the year 1767. Leading astronomers abroad, such as Joseph Jerˆome de Lalande in Paris and Nevil Maskelyne and James Short in London, became involved as encouragers, advisors, and intermediaries for placing orders at the instrument makers’ (Nordenmark 1939, p. 186; Rumovskiy 1771). It is not known whether similar letters of encouragement were received at the Royal Academy of Sciences in Copenhagen, whose archives from this period are sadly incomplete. However, we may assume that the academicians did notice what was going on around them. Already Edmund Halley, who had presented an elaborate plan of how the transits of Venus could be used to determine the solar distance back in 1717, had pointed to northern Norway as ideal for observations (Halley 1717). And early in the 1760s, Lalande had issued a mappe-monde for the transit of 1769. In the graphical lay-out of the mappe-monde as well as in an accompanying memoir, northern parts of Scandinavia emerged as an ideal region for observations (Lalande 1760; 1764). In 1766 a similar paper of the British astronomer Thomas Hornsby appeared in the Philosophical Transactions of London, in which a few places in the north of Scandinavia were explicitly mentioned - among them ”Wardhus” (Hornsby 1766). France and Britain were already planning to send expeditions into America and the Southern Seas, plans P. P. Aspaas 13

Fig. 1: Stages of the transit would be visible

which were to result in Captain James Cook’s famous expedition to Tahiti, among others. Combined with observations from the Far North of Europe, these should settle the problem of the size of the solar system once and for all. The British interest in the North of Europe is particularly revealing. The Royal Society of London at first contemplated sending observers all the way to Spitsbergen, but this idea was dropped, probably because the ice would prevent them from sailing anywhere near the island so early in the summer (Woolf 1959, pp. 168-169). What they did do instead was sending a naval frigate with around 100 men onboard, to bring two observers - and their observatories - to Hammerfest and Honningsv˚ag, a settlement in the vicinity of the North Cape (Bayley 1770, Dixon 1770; ArchS 2, letter from Hagerup dated Talvig 27thJuly 1769). Figure 1 shows the stations in the part of Europe where - good weather provided - both the beginning and end stages of the transit would be visible. For the observers, it was ideal to be stationed as far north as possible, as the Sun would then be higher above the horizon, preventing vapours from disturbing the observation. The British observers, William Bayly and Jeremiah Dixon, have already been mentioned. The Swedish observers were Anders Hellant in Torne˚a, Fredrick Mallet in Pello, and Anders Planman in Kajaani (Wargentin 1770). The Russian Academy of Sciences organised expeditions by the Russian astronomer Stepan Yakovlevich Rumovskiy to Kola and the Swiss astronomers Jacques-Andr Mallet and Jean-Louis Pictet to Ponoi and Umba (Rumovski 1770, Mallet 1770, Pictet 1770). Furthermore, the Danish observers Peder Horrebow the Younger and Ole Nicolai B¨utzow were sent out in spring with 14 Maximilian Hell’s invitation to Norway orders of reaching Tromsø, but were forced to station themselves further south at Dønnes due to bad weather (ArchS 3; ArchS 1c, entries 30thJune & 14th- 20thAugust 1769). The village Vardøhus (or Vardø as it is now called) lay on a small island on the extreme north-eastern coast of Norway. For ages a fortress and a Danish garrison had been situated here. It thus was a natural place to single out on the maps, more so than the larger towns of Tromsø, Hammerfest, and Vadsø today. There were, indeed, no proper towns in the entire region of North Norway at the time, the first communities to be granted township being Vardø and Hammerfest, in 1789. Vardøhus was an outpost of civilisation, so to speak, in the vast and sparsely populated region of Lapland. When planning how they were to participate in the international project, the government in Copenhagen obviously saw the importance of being present at this site. What they lacked, however, was a qualified observer of international reputation. The reasons why they chose Hell are not revealed in any known document. A brief glance at Hell’s career prior to 1769 may, on the other hand, hint at some likely causes. In 1755 Father Hell had been appointed Imperial and Royal Astronomer of Vienna. His first task had been to lead the construction of the Vienna University Observatory. From the year 1756 onwards he had been issuing the Ephemerides Astronomicae ad Meridianum Vindobonensem. This annual pub- lication included not only tables for the rising and setting of the sun, the phases of the moon, and other standard elements of astronomical almanacs - it was also an international journal of astronomy, in which papers on various subjects were published in the form of appendices. In the volume for the year 1762 Father Hell included a paper of 123 pages, with the title ”Observation of the Transit of Venus in front of the disc of the Sun on 5thJune 1761, and an Ap- pendix of Several Other Observations” (Hell 1761). The paper describes not only the Venus-transit observations of Father Hell and his colleagues in Vienna. It also gives an impressive overview of observations made by astronomers in other parts of the and abroad. Letters and printed reports had reached Father Hell from St. Petersburg to Madrid, from Paris and Rome to Gttingen and Heidelberg. This paper was published only months after the transit, and it is intriguing to notice that it was compiled by a man who had been named court astronomer only six years previously. In fact, for many of the approximately 120 successful observations of the 1761 transit, Maximilian Hell’s Ephemerides Astronomicae is now the only source of information. An- other publication worth mentioning in this context is Hell’s excellent refutation of the so-called ”moon of Venus”, published both separately and as an appendix to the Ephemerides Astronomicae (Hell 1765). The series received a good press abroad (see for example the review in Journal des S¸cavans, Octobre 1761), and was no doubt the main vehicle for spreading Father Hell’s reputation. As the P. P. Aspaas 15

Berlin astronomer Johann Bernoulli exclaimed (Bernoulli 1771, p. 154), ”Quel est l’astronome qui ne connoisse pas les excellentes Eph´´ em´erides de Vienne?” It should not come as a big surprise, then, that Maximilian Hell was seen as an ideal candidate for the Danish authorities. A Jesuit, yes, but Jesuit astron- omy was known to be at the very top level, and in this case, that counted more than the letter of the Law. On 18thAugust 1767 a message was sent from the government in Copenhagen to Johann Friedrich Bachoff, the Danish ambas- sador in Vienna. The astronomer Hell was to be invited to travel to Vardøhus in order to observe the transit of Venus on behalf of the King of Denmark and Norway. The meeting between Hell and Bachoff took place 5thSeptember. Two days later, Bachoff sent a message back to Copenhagen that ”le P`ere Hell” had accepted the invitation and would indeed travel to Vardøhus, provided the Em- press Maria Theresia and the General of the Jesuit Order would allow him to do so (ArchS 4). In his own writings, Father Hell says the invitation came as a to- tal surprise. He had already declined two similar offers to go abroad to observe the transit of 1769. But why should the authorities of Denmark, a Protestant country of the North, invite a member of the Jesuit order to witness the transit? This could be nothing other than the work of Divine Providence. Placing his fate in the hands of God, Maximilian Hell decided to say yes during the very first meeting with the Danish ambassador (ArchS 1d, second draft, § IV). 1 The journey took Father Hell away from Vienna for 2 years and 3 2 months. It was a long and strenuous journey, but Hell made it even longer by staying in Vardø the whole winter before the transit took place, from 11thOctober 1768 to 27thJune 1769. Immediately upon his arrival in Vardøhus, Father Hell started constructing a small observatory as an annex to the building he was to live in 1 for the next 8 2 months. The observatory was constructed entirely by wood. But there were no trees growing on the Vardø Island, nor on the mainland nearby. The necessary timber had to be collected from the Norwegian inland, approximately 100 km to the south. After several practical problems, the little observatory was finally ready for use just ahead of Christmas (ArchS 1c). Father Hell and his assistants could spend the rest of the winter and spring making research in various fields as well as preparing for the transit itself. There is no room here to describe all the activities of Hell and his assistants during their stay in Vardø. The aurora borealis was one branch of their research, and Father Hell later published a ”New Theory of The Northern Lights” based entirely on his experiences from Vardø (Hell 1776). Meteorological observations with thermometers and barometers were also scrupulously noted from their arrival until they left the island (Hell 1792). Marine life was investigated and plants collected. The plants were delivered to Copenhagen, and contributed to the work Flora Danica, an inventory project of all the plants growing in Denmark and Norway which had just started (Kragemo 1968). Furthermore, 16 Maximilian Hell’s invitation to Norway theories on whether the sea level was rising or sinking were tested (Kragemo 1960). The declination of the magnetic needle from true North was recorded repeatedly (ArchS 1b, Aspaas & Hansen 2007). Hell’s Hungarian-speaking assistant, Johannes Sajnovics, interviewed the indigenous population and found striking affinities between their language and his own vernacular. The result was published as ”Demonstration that the Hungarian and Lappish Language is the same”, now a classic of Finno-Ugric linguistics (Sajnovics 1770). When travelling through Norway on their way back and forth, Hell and his assistants conducted research in many of the same fields. Father Hell also did a series of latitude determinations during the journey, which contributed to a project of cartography that had just started in Denmark and Norway (Hell 1770b; 1790). Even though Hell did not manage to publish all the results of his expedition (cf. Hell 1770c), it should be obvious that had he missed the transit of Venus, he would in any case have made a large contribution to the knowledge of the northernmost parts of Europe. It is worth noting that his observatory was actually the first of its kind on Norwegian soil. After Hell’s expedition it was used for some years by Danish astronomers - the above-mentioned Btzow and his assistant Ole Nicolai Giørup - but nothing comparable to the achievement of Father Hell was produced (Kragemo 1968). On the evening of 3rdJune 1769 Hell and Sajnovics, both trained astronom- ers, directed their telescopes towards the Sun. The third observer was the Norwegian Jens Finne Borchgrevink, a student of theology who had also studied natural history under Carl von Linn´e (Linnaeus) in Sweden. The odds were against them. The Arctic Ocean often produces thick fog when the Sun is shining in the summer months. What begins as a wonderful day can suddenly be ruined by thick fog, causing the temperature to drop rapidly and leaving no room for astronomical observations. 3rdJune 1769 was another of those cloudy days. However, the Sun did peep through the clouds occasionally, and as luck would have it, two such periods of clear view to the Sun arrived exactly at the beginning and end of the transit. All three observers obtained complete observations of the key moments of second, third, and fourth contact of Venus with the limb of the Sun. By sheer luck, the sky continued to be clear the next day, when a solar eclipse was taking place. This event was almost as important as the transit itself, for by comparing observations of solar eclipses at different stations, the longitude could be deduced. With the exact data of the beginning and end of the transit as well as the latitude and longitude coordinates for his station secured, Hell’s expedition had been a downright success. Among the ten observational sites in the high north of Europe, there were only three where the beginning and end stages of the transit had been visible; clouds spoiled all the other observations. Rumovskiy and his assistants in Kola managed to catch the moments of contact between Venus and the limb of the P. P. Aspaas 17

Sun through dim clouds, but Rumovskiy himself appears to have had his doubts as regards to the reliability of his observation (Rumovski 1770). Planman in Kajaani, however, observed the second and fourth contact, and was convinced of the accuracy of his data despite the fact that the Sun was very low at this latitude (Planman 1772). Both the Swedish and the Russian academy of sciences sent their data without delay to the person who served as the informal coordinator of the international Venus-transit project, Lalande in Paris. Father Hell, however, even though he was a corresponding member of the Paris Academy, refrained from reporting anything to Lalande until he had presented his observation to the King himself. The printed report ”Observation of the Transit of Venus on 3rdJune 1769, made in Vardøhus upon the orders of King Christian VII” (Hell 1770a) was finally presented to the King on 8thFebruary 1770, more than 8 months after the transit had taken place (ArchS 1c). Only then were the data distributed to Academies abroad, among them the Academy of Paris. By that time, however, Lalande had already started computing the solar distance on the basis of the observations he had received so far, and could not get the Vardø observation to fit to the picture. We know today that the Vardøhus data were reliable, whereas clouds and other atmospheric disturbances had rendered the Kajaani observation inaccurate. But this was not obvious to contemporary astronomy. A long and arduous debate followed, with members of the academies in Paris, Stockholm, and St. Petersburg contributing (Lalande 1772, Planman 1772, Lexell 1772). Hell defended his data fiercely in two monographs (Hell 1772; 1773). He also sent numerous letters asking for support from colleagues abroad (Pinzger 1927; ArchS 5). In the end, even Lalande had to adjust his computation of the solar distance to a figure closer to the one computed by Hell. And in a publication written after the latter’s death in 1792, Lalande describes the Vardø expedition thus (Lalande 1803, p. 722): ”l’observationduP.Hell[...] r´eussit compl´etement;[...] elles’esttrouv´ee, en effet, une des cinq observations compl´etes, faites `a de grandes distances, et o`ul’´eloignement de V´enus changeant le plus la dur´ee du passage, nous a fait connaitre la v´eritable distance du soleil et de toutes les plan´etes `a la terre; ´epoque remarquable dans l’histoire de l’astronomie, `a laquelle se trouvera li´e`a juste titre le nom du P. Hell, dont le voyage fut aussi fructueux, aussi curieux et aussi p´enible que ceux de la mer du Sud, de la Californie et de la baie d’Hudson, entrepris `a l’occasion de ce c´el´ebre passage de V´enus sur le soleil”. The Venus transit observation of Father Hell and his assistants in Vardø has been subject to studies by mathematically trained scholars over three centuries. After all the antagonists of the 18thcentury had passed away, the debate on Hell’s contribution rose again (e.g. Encke 1824, Littrow 1835, Faye 1869a; 1869b), but ever since late in the 19thcentury the Vardø data have been estab- lished as entirely reliable (Newcomb 1883, Nielsen 1957). Both in the short run 18 Maximilian Hell’s invitation to Norway and in the long run, therefore, the authorities in Copenhagen achieved exactly what they wanted - to gain publicity as proponents of science.

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Maximilian Hell und Prager Astronomie

Josef Smolka und Martin Solc˘

Astronomical Institute of Charles University V. Holeˇsoviˇckach 2, 180 00 Praha 8, Check Republic

Abstract

The correspondence running for a year between Prague and Viennese Jesuits Stepling and Hell (both being observatory directors) is surveyed. The authors show that besides the production of (some) quadrants in Vienna also astronom- ical books were transferred to Prague. As reward Hell asked for observational data (mainly the occultation of Jupiter’s satellites) for longitude determina- tions. Evidently Hell was twice in the Prague Klementinum personally: in 1768 and 1782 and thus was invited by Stepling’s successor, director Anton Strnad to write an expertise on modernization of the Praque Observatory. Support to this project was given by emperor Josef II personally. The problem was that the Prague astronomers rejected Hell’s idea to leave the astronomical site of the Klementinum and move to the ”Belvedere” or as in a newly discovered document stated, to the Hradschin. As no such an action ever occurred the State Observatory of Prague remained until 1951 in situ, while observational activities were carried out in Ondˇrejov since 1928.

Im Jahre 1755 wurde Maximilian Hell zum Direktor der Sternwarte in Wien ernannt. Hier fing er an eine wichtige astronomische Arbeitsst¨atte sowie auch seine Fachkarriere aufzubauen. Zu Recht erlebte er bald eine allgemeine An- erkennung und wurde zu einem der f¨uhrenden Astronomen des kontinentalen Europa. Es dauerte nicht lange und der Widerhall seiner T¨atigkeit kam auch nach Prag. Als erster hiesiger Wissenschaftler, der mit Hell Kontakt aufnahm, ist Joseph Stepling SJ (1716-1778)1, eine der wichtigsten Pers¨onlichkeiten der

1Stepling wurde in Regensburg geboren. Sein Vater war daselbst bei der kaiserlichen Gesandtschaft Sekret¨ar. Mit zwei Jahren kam der kleine Joseph nach Prag, wo er mit Ausnahme einiger Jahre sein ganzes Leben verbrachte. Mehruber ¨ ihn siehe Vydra St., 22 Maximilian Hell und Prager Astronomie

Abb. 1: Links: mathematischer Turm / Rechts: Joseph Stepling SJ (1716-1778) b¨ohmischen Aufkl¨arung, Mathematiker, Physiker und Astronom besten europ¨a- ischen Formats zu nennen. Im Jahre 1748 wurde ihm aufgetragen - schildert sein Biograph des 18. Jahrhunderts - die aristotelische Lehreoffentlich ¨ zu lehren. Allein er lehnte diesen Lehrstuhl mit dem Zusatz ab, dass er, als ehrlicher Mann, eine Wissenschaft, die er selbst verabscheute, anderen nicht aufdr¨angen wolle; er bat dagegen um die Erlaubnis, seine Mitbr¨udern in der Mathematik und Experimentalphysik zu unterrichten2. Das war etwas, womit sich Stepling in die b¨ohmische Geschichte tief eingeschrieben hat. Einige Jahre vorher w¨are so etwas v¨ollig undenkbar gewesen. Seine feste Uberzeugung¨ brachte ihm im Jahre 1752 die Berufung auf die neu eingef¨uhrte Funktion eines Studiendirek- tors an der Prager philosophischen Fakult¨at. Seit 1751 war er der erste Direktor der Sternwarte im Prager Klementinum - dem jesuitischen Collegium ad St. Clementem, wo auch die artistische und theologische Fakult¨aten angesiedelt waren.

Vita admodum reverendi et magnifici viri Josephi Stepling, Prag 1779 oder Pelzel Fr. M., Abbildungen b¨ohmischer und m¨ahrischer Gelehrter und K¨unstler, IV. Teil, Prag 1782, S. 164 ff., wo auch seine Bibliographie von 15 B¨ucher und 12 Artikel zu finden ist. Bis heute wartet man auf seine modernere Biographie. 2Pelzel, Abbildungen, S. 167. J. Smolka und M. Solc˘ 23

Stepling war es auch, der die Korrespondenz mit Hell er¨offnete. Wir haben leider nur geringe Kenntnisse dar¨uber, wie umfangreich dieser Briefwechsel urspr¨unglich gewesen war. Bis heute kennen wir nur acht Briefe: einen von Prag an Hell und siebenubrigen ¨ von Hell an Stepling. Wir sind aber vorauszusetzen gezwungen, dass die Kontakte der beiden weit h¨aufiger gewesen waren. Einerseits deutet manches die Zusammenh¨ange an, die man in den Briefen erahnt, andererseits musste Stepling die Briefe Hells auch irgendwie beantwortet haben. Diese Briefe stehen uns leider nicht in der urspr¨unglichen Form zur Verf¨ugung, sie wurden schon im 18. Jahrhundert in einem Band abgedruckt3. Es ist eine Auswahl von Steplings oder ihm adressierten Briefen. Hell befindet sich hier in einer repr¨asentativen Gesellschaft: unter den Korrespondenten Steplings war z.B. Chr. Wolf, L. Euler, R. J. Boscovich, N.-L. de Lacaille, J. J. Fr. de Lalande, J. L. Lagrange u.a. Der Anzahl der Briefe nach steht an der ersten Stelle aber ein weniger bekannter W¨urzburger Professor Franciscus Huberti (1715 - 1789), Jesuit, der gemeinsamer Freund von Stepling und Hell war.

In ”Litterarum commercium” wurden die folgenden Briefe abgedruckt:

Hell an Stepling Wien 1757, 9. Februar Seite 450 - 452 Hell an Stepling Wien 1757, 5. Juli 453 - 455 Hell an Stepling Wien 1758, 15. August 479 - 481 Stepling an Hell Prag 1758, 30. August 484 - 486 Hell an Stepling Wien 1758, 9. September 487 - 489 Hell an Stepling Wien 1760, 4. Januar 496 - 500 Hell an Stepling Wien 1762, 8. Januar 501 - 505 Hell an Stepling Wien 1777, 23. Juli 624 - 626

Wie schon gesagt, hatte die beiderseitige Korrespondenz Stepling er¨offnet. Den Text dieses speziellen Briefes kennen wir nicht und das Weitere entnehmen wir der Antwort Hells vom 9. Februar 1757. Aus dem Kontext scheint es, dass Stepling Hell noch nicht kennengelernt hat und dass er sich an ihn als ein Un- bekannter wandte. Die Kontaktnahme aber nicht zu schwierig sein, die beiden waren Jesuitenpatres, beide standen an der Spitze der Universit¨atssternwarten. Stepling hat in seinem Brief offensichtlich den Wunsch ge¨außert die Ephe- meriden Hells zu erhalten - diese wurden seit 1757 herausgegeben. Das bereitete Hell eine große Freude, ebensoviel wie Steplings Aufforderung zu einem gegen- seitigen Briefwechsel4. Aus dem Kontext ist zu erraten, dass Stepling weiter zwei Horologia und ein katoptrisches Fernrohr angefordert hat. Hell teilt mit, 3Vergl. ”Clarissimi ac magnifici viri Iosephi Stepling...litterarum commercium...,” Breslau 1782. 4”Commercium litterarium, ad quod benevole invitor (tametsi cum nullo adhuc in- 24 Maximilian Hell und Prager Astronomie dass er selbst die Aufsicht ¨uber die Forderungenubernehmen ¨ werde (dies sollte urspr¨unglich P. J. Franz erledigen). In dem folgenden Brief vom 15. Juli 1757 berichtet Hell, dass er einen ”tubum Newtonianum quatuor pedum a domino Schultzio ... perfectum” schickte, er habe diesen bei einer Beobachtung der Jupitersatellitenfinsternisse ausprobiert, außerdem hatte er z.B. den Ring um Saturn beobachtet. Eine Uhr hat Watter schon verfertigt, die zweite werde im Oktober fertig sein. Stepling hat die Annahme dieser Horologien nicht best¨atigt, es scheint aber, dass sie nach Prag in ordnungsgem¨aßem Zustand gekommen sind. Vydra bringt wenigstens ein Verzeichnis der Instrumente, um die sich die Ausstattung der Prager specula astronomica unter Steplings Leitung vergr¨ossert hat. Darin lesen wir unter anderem:”Horologia Grahamiana tria, quorum duo Viennae facta, a clarissimo Hellio examinata sunt”5.Erw¨ahnen wir bei dieser Gelegenheit, dass in dem Verzeichniss auch das Fernrohr zu finden ist: ”Tubus Newtonianus Vienna curis clarissimi Helli huc missus”6. In seinem einzigen erhaltenen Brief ¨ausserte Stepling einen weiteren Wun- sch: sein bisheriger Quadrant entspricht seinen Vorstellungen nicht und er will sich mit Hell beraten, welche von den Konstruktionsmethoden vorzuziehen sei. ”Ich lasse mich durch das Urteil des erfahrensten Arbeiters leiten”, sagt Stepling w¨ortlich. Es scheint, dass er urspr¨unglich an eine eigene Konstruktion dachte, diese w¨are aber schwierig und so wolle er ihn jetzt lieber einkaufen. Und die Frage an Hell lautet, ob so ein Quadrant in Wien zu haben w¨are. Hell empfahl in seiner Antwort auf eine eigene Konstruktion zu verzichten. Auch die M¨oglichkeiten ein Instrument in Wien zu kaufen seien begrenzt: in Wien wird die Astronomie nur von wenigen betrieben, infolge dessen gibt es hier auch wenig M¨oglichkeiten astronomische Instrumente einzukaufen. Die Pariser Quadranten bekommt man hier nur sehr selten, setzt Hell fort, sie sind aber ¨ubertrieben teuer. ob nicht lieber die englischen Instrumente in Erw¨agung zu ziehen seien, fragte Hell. Schließlich kam es aber v¨ollig anders, aus seinem Brief vom 9. September 1758 geht hervor, dass Hell den Quadranten in Wien erzeu- gen ließ. Jetzt gibt er bekannt, dass die Quadranten bald fertig sein werden7. Aus diesen Worten k¨onnen wir mehreres erraten: erstens, dass Stepling dem Rat Hells folgte und den Gedanken auf eine eigene Konstruktion des Quad- ranten aufgegeben hat, zweitens, dass f¨ur Stepling weder ein franz¨osischer choaverim ob sumptus ab aula nondum decretos”. Ebenda, S. 451. Die Schlussanmerkung Hells zeigt, dass der um vier Jahre ¨altere Stepling zu seinem ersten Korrespondenten geworden ist, erstaunlich sind die Worteuber ¨ die Kosten. 5Vergl. Vydra, Oratio, S. 28. Ausserdem gibt an dieser Stelle Vydra noch zwei weitere Uhren an, ”horologium aliud, quod P. Piczardi Iesuita Steplingo vendidit” und ”horologium Harissonianum celeberrimi Parisiis artificis le Paute opus”. 6Daselbst, S. 28. 7Wer diese Quadrante verfertigt hatte, gab Hell leider nicht an. J. Smolka und M. Solc˘ 25 noch ein englischer Quadrant in Wien gekauft wurde, sondern dass ihn Hell in Wien konstruieren ließ, und endlich drittens, dass nicht von einem, son- dern in der Mehrzahl, von den Quadranten gesprochen wird. Alle diese Tat- sachen mussten zwischen Hell und Stepling vorher besprochen worden sein. Und das zeigt wieder sehr ¨uberzeugend, dass in dem ”Litterarum commercium” mehrere Briefe aus dem Hell-Stepling Briefwechsel fehlen und dass ihre An- zahl in der Tat weit gr¨osser sein m¨ußte. In diesem Zusammenhang wollen wir noch eines erw¨ahnen: die neuen Quadranten, die Hell f¨ur Stepling besorgte, haben Steplings Wunsch nach einem guten Quadranten offensichtlich nicht - oder wenigstens nicht v¨ollig - erf¨ullt. Davon zeugt ein Quadrant, erzeugt in W¨urzburg im Jahre 1766, der sich aus dem Eigentum der alten Sternwarte in Klementinum bis heute erhalten hat8. Aus dem Stepling-Briefwechsel ist ferner ersichtlich, dass dessen Einkauf der W¨urzburger Professor Huberti vermittelt hat. In demselben Briefe informiert Hell Stepling dar¨uber, dass Liesganig mit dem Vermessen des Meridians angefangen hat, und meint, dass dieses Werk noch in diesem Jahre zu Ende gebracht sein w¨urde9. Die Beschreibung dieser Vermessenung, glaubte er, sollte noch im selben Jahre ver¨offentlicht werden10. F¨ur alle seine - und sagen wir keineswegs geringen - Dienste wollte Hell von Stepling nur eines: die Ergebnisse seiner Beobachtungen. Es ging haupts¨achlich um die Jupitersatelliten, Hell wollte damit die Differenz der geographischen

8Dieser Quadrant mit dem Durchmesser von 1,027 Meter ist signiert als ”Iohann Georg Fellweck mechanicus Wirceburgi fecit 1766”. Ausf¨uhrlich beschreiben ihn Horsk´yZden˘ek - Skopov´˘ a Otilie, Astronomy - Gnomonics. A catalogue of instruments of the 15th to the 19th centuries in the collections of the National Technical Museum Prague, Prague 1968, S. 37 - 38, im kurzen erw¨ahnt ihn Zinner Ernst, Deutsche und niederl¨andische astronomische Instrumente des 11. - 18. Jahrhunderts, M¨unchen 1956, S. 313. 9Jesuitischer Mathematiker und Astronom Joseph Liesganig (Graz 1719 - Lemberg 1799) wurde im Jahre 1759 von der Kaiserin mit der Vermessung eines Breitengrades be- traut. Er schloss seine Triangulationskette an jene Kette an, die C´esar Fr. Cassini (1714 -1784) schuf: diejenige verlief l¨angs der 48◦ Parallele von Strassburg bis auf die Wiener Jesuitensternwarte. Mit Karl Scherffer (1716 - 1783) trassierte Liesganig seine Dreiecks- kette von Sob˘e˘sice (6 Kilometer n¨ordlich von Br¨unn) auf Wiener Jesuiten-Sternwarte, von hier setzte er fort nach Graz und weiter nach den ungarischen Warasdin. Es war eine riesige Arbeit, die sich in eine L¨ange zog und wurde erst im Jahre 1768 beendet. Wir sehen, dass Hell dieses Projekt sehr stark untersch¨atzt hat. In der H¨alfte des 20. Jahrhundert hat Paula Embacher einige Liesganigs Punkte in Osterreich¨ identifiziert (vergl. Osterreichische¨ Zeitschrift f¨ur Vermessungswesen, Jhrg. 1951, Heft 1). Durch diese Arbeit veranlasst, bearbeitete eine analoge Studie f¨ur M¨ahren Alois Simek,˘ Liesganigovo stup˘nov´em˘e˘ren´ınaMorav˘e /Liesganigs Gradvermessung in M¨ahren/. In: Sborn´ık pro d˘ejiny p˘r´ırodn´ıch v˘ed a techniky /Sammelbuch f¨ur Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik/, Bd.VIII, Prag 1963, S. 166 ff. 10Auch hier hat sich Hell geirrt. Die erste kurzgefasste Nachrichtuber ¨ seine Vermessung wurde im Jahre 1768 in den Londoner ”Philosophical Transactions” ver¨offentlicht, in zwei Jahren erschien dann eine ausf¨uhrliche Schrift Liesganig Joseph, Dimensio graduum meridiani Vienensis et Hungarici, Vindobonae 1770 26 Maximilian Hell und Prager Astronomie

L¨angen zwischen Prag und Wien bestimmen11.F¨ur ihre Zusendung bedankt sich Hell z.B. in seinem Brief vom 4. Januar 1760 oder vom 8. Januar 1762. Diese Tatsache best¨atigt Vydra12; er teilt mit, dass aufgrund dieser Finsternis- beobachtungen die Meridiandifferenz zwischen Prag und Wien zu 1 Grad 45 Minuten festgestellt werden konnte. Außerdem forderte Hell z.B. die Resul- tate der Beobachtung der Mondfinsternis vom 30. Juli 1757 und sp¨ater der Beobachtung des Kometen vom Jahre 1759 an. Es scheint, als ob Hell die Resultate dieser Beobachtungen schon vorher bei Stepling angefordert h¨atte (noch ein weiterer Beweis daf¨ur, dass ihr Briefwechsel umfangreicher gewe- sen war) und man hat jetzt den Eindruck, dass sie Stepling verbergen wollte. Deswegen erkl¨arte er ihm, er wolle sie nicht f¨ur selbst, aber f¨ur Delisle13,dem er gerne entgegen k¨ame. Die oben angef¨uhrte Tabelle zeigt, dass der gr¨osste Teil dieses Briefwechsels sich in den Jahren 1757-1762 abgespielt hat. Der letzte Brief entstand erst nach 15 Jahren und ist schon deswegen weniger wichtig. Es ist schwierig zu glauben, dass die bisherige mehrseitige Zusammenarbeit fast v¨ollig abgebrochen ist, die Ursache davon ist nicht v¨ollig klar. Oder haben sich f¨ur die beiden die Arbeitsbedingungen nach der Aufhebung des Jesuitenordens so wesentlich ver¨andert? Der k¨orperlich schwache Stepling ist inzwischen auch alt geworden. Im darauf folgenden Jahr sollte er schon sterben. Das war im groben Ganzen das Wichtigste, was in den acht abgedruck- ten Briefen in Steplings ”Litterarum commercium” erw¨ahnt wurde. An eini- gen Stellen konnten wir auf die logische Inkonsistenz des Textes aufmerksam machen, aus der sich ergibt, dass inzwischen noch weitere Korrespondenz exis- tiert haben muß. Die Briefe waren außerdem nicht das einzige Kontaktmittel. Hell hat offensichtlich oft auch die Literatur nach Prag geschickt. In einem Brief sind z.B. Hells Ephemeriden erw¨ahnt14.Vydraf¨uhrt z.B. an, dass gleich nach der Herausgabe Hell seine Schriftuber ¨ die Beobachtungen des Venus- transits 176915 in Haag an Stepling geschickt hat - wichtig ist auch die Be- merkung von Vydra, dass Hell mit dem Buch einen Brief vom 3. M¨arz 1770

11”... ut nostrorum locorum longitudines geographicas certius definiri possim”. Daselbst, S. 481. 12Vydra, Oratio ..., S. 38. 13Joseph Nicholas Delisle (1688 - 1768), der franz¨osische Astronom, verbrachte 21 Jahre als Direktor der Sternwarte in Petersburg. Nach seiner R¨uckkehr nach Paris (1747) befasste er sich zusammen mit Messier mit dem zu erwarteden Halleyschen Kometen, von dem es auch in unserem Briefe handelt, aber leider erfolglos. 14In einem Inventar Davids vom Jahre 1834 lesen wir einen Posten ”Wiener Ephemeri- den von 1757 bis 1806, 1805 fehlt” (Archiv der Akademie der Wissenschaften Prag, Fonds: Staatssternwarte, Kart. 118, Sign. I b 051, weiter nur AAWP) . Das bedeutet, dass die Hell Ephemeriden in Prag seit dem Anfang zur Verf¨ugung standen. 15Vergl. Hell Maximilian, De parallaxi Solis ex observationibus transitus Veneris 1769, Hafniae 1770, und sp¨ater auch die weitere Herausgabe Vindobonae 1772. J. Smolka und M. Solc˘ 27 mit der Widmungsinschrift ”in amoris sui, summaeque aestimationis testimo- nium” geschickt hat16. Den Text dieses Briefes kennen wir leider nicht. Prag ist von Wien nicht so weit und so gab es noch ein Kommunikationsmittel - pers¨onliche Besuche. Wir wissen nichts von Steplings Reisen nach Wien, Hell schreibt aber in seinem Gutachten, dass er die Prager Sternwarte ”bei zweimal- iger Reise nach Prag zweimal besucht hatte”. Wir konnten die Zeit der beiden Besuchen verl¨aßlich feststellen: es war in den Jahren 1768 und 1782. Von dem ersten Besuch haben sich wichtige Angaben in einem Reisetagebuch von Hells Assistenten, Johann Sajnovics (1733 - 1785) erhalten17. Die beiden haben am 28. April 1768 Wien verlassen und machten sich auf eine immens lange Reise zur norwegischen Insel Vard¨o. Unter- wegs haben sie Prag besucht, das sie am 2. Mai erreicht haben. Am n¨achsten Tage standen sie schon auf dem astronomischen Turm18. ”Adfuit primos inter salutandi gratia celeberrimus Pater Stepling” - f¨angt Sajnovics seine Schilderung an. ”Der Turm ist rund19, der Zugang nach den h¨olzernen Stufen ist sehr schwierig” - das stimmt und gilt bis zum heutigen Tage. ”Ganz oben befindet sich um den Turm eine Galerie 4 - 5 Schuh breit, mit den Quadratsteinen gepflastert, gesch¨utzt durch ein eisernes Gittergel¨ander. Ausser anderen Instrumenten und zwei Mauerquadranten, die beiden um 6 Schuh im Durchmesser, bis jetzt aber nicht adjustiert, gefiel mir besonders eine parallaktische Maschine und ein beweglicher Quadrant im Durchmesser ungef¨ahr von 3 Schuh. Diese Apparate wurden in Prag unter der Leitung des ehrw¨urdigen Vaters Stepling so solid, genau und sch¨on gebaut, dass man glauben k¨onnte, dass es sich um eine englische Arbeit handelte”. Im weiteren lobt Sajnovics die Bibliothek und das physikalische Museum. ”Man zeigt auch einen kleinen eisernen Oktanten, der angeblich dem grossen Tycho geh¨orte, andere Tychonische Instrumente gibt es aber nicht mehr”20. Zum zweitenmal besuchte Hell Prag im Jahre 1782. Den Beweis daf¨ur finden wir in seinem Gutachten vom Jahre 1787:”Dieses Geb¨aude hat Unterzeichneter

16Vydra, Oratio , S. 38. 17Dieses Tagebuch wird im Archiv des astronomischen Observatoriums der Wiener Universit¨at aufbewahrt, Fond Hell, Fascikel Nr. 3. Eine Kopie davon ist im Besitz der astronomischen Gesellschaft in Budapest. Daran hat zuletzt ein tschechischer Autor gesch¨opft, dessen Angabe wir im weiteren zitieren, vergl. S´˘ıma Zdislav, Astronomy and Clementinum, Prague 2001, S. 90 - 91. 18Der Turm - urspr¨unglich mathematischer Turm genannt - wurde im Jahre 1722 er- baut. Die Quellen zu den Anf¨angen der Sternwarte hat zusammengefasst Seydl Otto, Z nejstar˘s´ıch d˘ejin Pra´zsk´ehv˘ezd´arny /Aus der ¨altesten Geschichte der Prager Sternwarte/, S. 486 ff. 19Das war ein Irrtum, der Turm ist in der Tat in dem unteren Teile viereckig, in dem oberen achteckig. 20”Ostenditur hic etiam octans parvulus e ferro qui magni Tychonis fuisse dicitur, aliud nihil e tychonianis instrumentis habetur”. S´˘ıma, S. 91. 28 Maximilian Hell und Prager Astronomie vor 5 Jahren in Augenschein genommen”, sagt Hell, als er beschreibt, wo Brahe seine Beobachtungen machte. Von den Umst¨anden dieses Besuchs haben wir leider keine weitere Nachrichten. Nach dem Ableben von Stepling (1778) wurden die Kontakte Hells mit Prag schw¨acher. Wir wissen jedoch, dass Hell in Verbindung mit dem damaligen Di- rektor der Sternwarte Anton Strnad21 stand, wir sind auch im Besitz eines unbekannten Briefs Hells an Gruber22. Zum Hauptereignis der 80er Jahre, das die beiderseitigen Kontakte belebt hat und zu dem wir bis jetzt unbekanntes Material gefunden haben, wurde aber die Vorbereitung einer Rekonstruktion der Sternwarte im Prager Klementinum. Diese hat eine l¨angere Vorgeschichte, die wir aufgrund der neu entdeckten Dokumenten23 zusammensetzen k¨onnen. Im Herbst 1786 war Joseph II. zu Prag. Bei dieser Gelegenheit gelang es den Prager Gelehrten, dass der Kaiser das Klementinum besuchte und den astronomischen Turm bestiegen hat. Dabei hat man sie ihm offensichtlich mehrere Nachteile der hiesigen Sternwarte gezeigt und infolge dessen haben sie von ihm eine m¨undliche Genehmigung zum Umbau erhalten24. Dadurch ermuntert wandte sich Strnad am 7. Februar 1787 an das b¨ohmische Landesgubernium mit einem Gesuch ”um die n¨othige Ab¨anderung und Erweiterung” der Sternwarte. Das Gesuch war sehr gut vorbereitet: außer dem Author ist es noch von zwei kompeten- ten Personen unterschrieben (Joannes Diesbach, Professor mit dem Titel des Direktors f¨ur Physik und Mathematik, und von dem jungen Franz Gerstner, damals Adjunkt der Sternwarte, sp¨ater die Hauptperson der polytechnischen Schule). Außerdem wurde es mit weiteren Beilagen begleitet: mit den Bau- rissen, mit den Anmerkungen von T. Gruber, mit zwei Bauumschl¨agen von dem gerichtlich beeideten Baumeister M. Hummel und best¨atigt von Fr. Her- get, Professor der Ingenieurschule, und mit einem Inventar der Ausstattung der Sternwarte verfertigt von Strnad - Das war zu dem Umbau kaum notwendig, zeigt aber die große Sorgfalt mit der das Gesuch vorbereitet wurde. Alle Guberniumsbeamten wussten, dass der Kaiser die Sternwarte besucht hatte und dass er den Umbau unterst¨utzte. So ging alles rasch vor sich. Der erste Schritt bestand in der Bewertung des Gesuchs und der Pl¨ane. Damit hatte der Kaiser gerade Hell beauftragt. Wir haben zwei Abschriften des Hellschen Gutachtens vom 7. April 1787 entdeckt25. Es ist in manchem Sinne merkw¨urdig. Es zeigt uns Hell als einen erfahrenen und nachdenklichen Astronomen. Von

21Anton Strnad (1749 - 1799), ehemaliger Jesuit, Steplings Sch¨uler, Adjunkt und seit dem Jahre 1781 Direktor der Prager Sternwarte. 22Der ehemalige Jesuit, Mathematiker und Physiker Tobias Gruber (1744 - 1806) wurde in diesen Jahren zum Baudirektor der b¨ohmischen Kammer. 23N´arodn´ı archiv Praha (Prager Nationalarchiv), Fonds: CG˘ (B¨ohmisches Landesgu- bernium) Publ. 1806-1815, Sign. 98/171, Karton 7558, Fol. 503 ff. 24Daselbst, Fol 525. 25Vergl. AAWP, Fond: Staatssternwarte, Sign. I b 051, Inv. Nr. 114. J. Smolka und M. Solc˘ 29 gr¨oßter Bedeutung ist ihm dabei die Festigkeit und Stabilit¨at des Fußbodens, die zu den unentbehrlichen Bedingungen jeder guten Beobachtung geh¨ort. Er denkt gleichzeitig an die Verbesserung der Beobachtungsbedingungen, dabei zeigt er, dass ihn nicht die geringste Furcht, auch vor den anspruchsvollen Erfordernissen, erfasst (z.B. Herabsetzen des Dachs des gegen¨uberliegenen Ge- b¨audes). Als ein erfahrener Praktiker vergisst Hell auch auf den minimalen Komfort der Beobachtenden nicht. St¨andig denkt er an die Vorteile der Stern- warten in Wien und Ofen und sucht sie in Prag zur Geltung bringen. Nachdem Hell in neun ausf¨uhrlichen Abs¨atzen mehrere Verbesserungsvor- schl¨age vorgelegt hat, kommt er in dem letzten zu einem v¨ollig unerwarteten Schluss: er empfiehlt die bisherige Sternwarte in dem altst¨adtischen Klemen- tinum zu verlassen und eine neue an der Stelle, wo Brahe ehemals beobachtet hatte, einzurichten. Es sollte ein Renaissancebau sein (heute als ”Belvedere”26 bekannt), der am Ostende des K¨onigsgartens liegt. Wir haben Gl¨uck gehabt und zu diesem Thema noch ein bis jetzt unbekan- ntes Dokument entdeckt27.EineWochesp¨ater, am 14. April, schreibt Hell nach Prag und befasst sich wieder mit der Rekonstruktion der Sternwarte. Der Adressat wird nicht angegeben, die Zusammenh¨ange weisen aber auf Gruber28. Unter anderem wiederholt hier Hell eindeutig seinen Standpunkt - die Stern- warte nach dem Hradschin zu versetzen. Aus dem Briefe erfahren wir noch einen Detail: das Gesuch mit allen Anlagen wurde Hell am Gr¨undonnerstag zugestellt (es war am 5. April), sein Gutachten ist datiert am 7. April. Das zeigt, dass Hell ohne R¨ucksichtnahme auf die bevorstehenden Osterfeiertage eifrig gearbeitet und sein ausf¨uhrliches Gutachten in zwei Tagen fertiggestellt hat. Dadurch hat Hell klar seine Worte bewiesen, mit denen er seinen Brief beendete: ”... meinerseits werde ich nicht ermangeln, alle meine M¨uhe dahin zu verwenden, um in Prag eine dauerhafte Sternwarte zu errichten”. Die Empfehlung Hells war sicher gut gemeint, jedenfalls war sie aber ¨uberra- schend und hat in Prag grosses Bedenken hervorgerufen. Uberrascht¨ war auch das Gubernium, das diese Sache letzten Endes entscheiden sollte. Es verlor v¨ollig seine Sicherheit, hielt dar¨uber ein halbes Jahr Rat und bereitete auf je- den Fall die beiden M¨oglichkeiten vor: neben den Umbaurissen f¨ur das Kle- mentinum wurden auch die entsprechenden Pl¨ane f¨ur das Belveder erstellt,

26Dieses Lusthaus, dessen Aufbau im Jahre 1535 angefangen wurde, ließ Ferdinand I. f¨ur seine Ehefrau Anna bauen. Eine ausf¨uhrliche Beschreibung und Geschichte vergl. Vl?ek Pavel Red., Um˘eleck´epam´atky Prahy - Pra´zsk´yHradaHrad˘cany /Prager Kunst- denkm¨aler - Prager Burg und Hradschin/, Praha 2000, S. 245. 27Vergl. AAWP, Fond: Staatssternwarte, Sign. 75, Nr. 205. Diesmal ist es keine Abschrift, sondern Hells originaler Autograph. 28Gruber wird in dem Briefe nicht genannt, es verr¨at ihn aber die Autorschaft seiner ”Physikalischen Abhandlunguber ¨ die Strahlenbrechung und Abprellung auf erw¨armten Fl¨achen”, Abhandlungen der B¨ohmischen Gesellschaft der Wissenschaften, 2. Bd., Prag 1786, S. 298 ff., die Hell erw¨ahnt und mit ihr diskutiert. 30 Maximilian Hell und Prager Astronomie sogar bei demselben Baumeister - es gelang uns zu die beiden finden. War das Gubernium unsicher, so war das bei den Prager Gelehrten nicht der Fall. Sie haben sich erstaunlicherweise geeinigt und den Vorschlag Hells abgelehnt, um keinen Preis wollten sie die zentrale Stellung, im altst¨adtischen Klementinum, verlassen. Diesbach - unterzeichnet als ”k.k. Rath und Direktor der Physik und Mathematik” - wendet sich am 7. Mai 1787 an das Gubernium und fordert eine Unterst¨utzung des Gesuchs von Strnad. Einerseits bezeichnet er es sogar als ein ”patriotisches Gesuch”, andererseits bem¨uht er sich zu beweisen, dass Hell die Tychonischen Beobachtungen schlecht lokalisierte und ”die urspr¨ungliche Be- stimmung des vermeintlichen Tychonischen Observatoriums g¨anzlich verkannt hat”29 - gegen¨uber dem Wiener Astronom klingt es seltsam, ein wenig unh¨oflich. Zu diesem Memorandum wurde eine ausf¨uhrliche Beilage zugef¨ugt, die Str- nad verfasste. Auch er bek¨ampft darin die Hellsche Lokalisierung der Tychoni- schen Beobachtungen. Er analysiert sorgf¨alltig die historischen Quellen (Balbin, Baretti, Brahe) und kam zum Schluss, dass ”man in den Garten meistens mit beweglichen, im Curtischen Hause aber mit vesten (sic) und beweglichen In- strumenten beobachtet habe”. Ausserdem, endet er, st¨unde die Sternwarte in dem k¨oniglichen Garten nur ”um einige dreissig Klafter h¨oher”30.Zuletztist der Vorschlag Hells gefallen, m¨oglicherwiese deswegen, dass die k. und k. Artil- lerie, die im Belveder ein Pulverlaboratorium errichtete, sich ihres Rechtes auf das Geb¨aude nicht begeben wollte. Die Prager Astronomen haben diesmal, im Jahre 1787, ihren Standpunkt behauptet, aber die Probleme mit der Sternwarte in Prag nicht gel¨ost. Im Jahre 1806 handelte es sich um den Umbau der St. Lorenzi-Kirche in eine Sternwarte, ein anderer Versuch, wurde nach dem Jahre 1820 unternommen. Zu einem gr¨undlichen Umbau der klementinischer Sternwarte kam es auch sp¨ater nicht. Die Staatssternwarte siedelte hier in den beengten und ung¨unstigen Bedingun- gen bis zum Jahre 1951, die Beobachtungst¨atigkeit wurde aber schon im Jahre 1928 in ein neueres Observatorium nach Ond˘rejov verlegt. Der alte jesuitische Turm wurde erst in letzter Zeit rekonstruiert und f¨ur die Offentlichkeit¨ im Jahre 2000 zug¨anglich gemacht, woran sich u.a. einer der Autoren dieses Beitrags beteiligte.

29Daselbst, Fol. 547. 30Daselbst, Fol. 549. Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Zur Biographie ¨uber Franciscus de Paula Triesnecker anl¨asslich der 250-Jahrfeier der Wiener Sternwarte

Horst Kastner-Masilko

A-3470 Engelmannsbrunn 137 Austria

Abstract

Hell’s successor as second director of Vienna’s University Observatory was Triesnecker, who after the abolishment of the Jesuit order in Austria 1773, had undergone scientific and theoretical training in Vienna and Graz. As coeditor of the ”Ephemerides Astronomicae” he kept this publication running until 1809, where due to financial problems it had to be shut down. It contained not only planetary positions but also somehow was forerunner of a scientific journal, as observational sets from Kremsm¨unster and other ex-Jesuits observatories were included. His main research field was centered on astrogeodetic surveying.

Franz de Paula Triesnecker wurde als erstes Kind der Eheleute Dreisen- Egger in Mallon – einem Dorf mit damals 26 H¨ausern – im Tullnerfeld geboren. Getauft wurde er in der Pfarrkirche des Marktes Kirchberg am Wagram am 2. April 1745, dem Namenstag von Franciscus de Paula. Der Vater unterstand als Bauer und Weinh¨andler der jesuitischen Grundherrschaft von Winkelberg, die in Kirchberg die Marienwallfahrt betreute. Der junge, aufgeweckte Franciscus d¨urfte den Jesuiten aufgefallen sein. Uber¨ seine Ausbildung vor Eintritt als Novize in den Jesuitenorden im Jahre 1761 in Wien ist nichts bekannt. Dort durchlief er dieubliche ¨ Ausbildung. Ab 1764 lernte er alte Sprachen und war Hilfslehrer in Szakolosc; 1765 - 66 er- folgte sein Philosophiestudium in Wien, 1767-68 erfolgte seine Ausbildung in Mathematik und ”alte” Sprachen in Tyrnau und 1769 unterrichtete er in Krems. Von 1770 - 74 war er teilweise am nordischen Kolleg in Linz t¨atig, wo er erste Forschungen mit Franciscus de Paula Schrank,dem sp¨ateren Leiter des botan- ischen Gartens in M¨unchen, begann und f¨ur seine Zukunft wichtige Kontakte 32 Franciscus de Paula Triesnecker zu Kremsm¨unster kn¨upfte. Ab 1771 studierte er Theologie, zuerst in Wien und anschließend in Graz. Die Aufl¨osung des Jesuitenordens 1773 traf ihn mitten in der Ausbildung. Er war gezwungen, Weltpriester zu werden. Daf¨ur wurde ihm 1774 der Tischtitel verliehen, und er konnte zum Priester geweiht werden. Sein Studium beendete er 1775 in Graz mit der Promotion zum Doktor der Philosophie. Er wurde, wie viele andere Exjesuiten in der Grazer Stadtpfarrkirche ,,Zum heiligen Blut“ untergebracht. Pers¨onlich hielt er sich f¨ur geeignet zu unter- richten. allerdings sind die Dokumente aus dieser Zeit sind zum großen Teil verloren gegangen. 1780 gelang es Triesnecker nach Wien an die Universit¨atssternwarte zu Max- imilian Hell zu kommen, dort wurde er Hells Adjunkt. In dieser Funktion gab er die ,,Wiener Ephemeriden“ zusammen mit Hell heraus. Diese enthielten neben t¨aglichen Positionen von Himmelsk¨orpern auch Berichteuber ¨ aktuelle astronomische und meteorologische Ereignisse in lateinischer Sprache. Zur Na- mensgebung des neu entdeckten Planeten ,,Uranus“, den die Wiener ,,Urania“ nennen wollten, verfasste Triesnecker schw¨armerische lateinische Gedichte in Distichen. Die finanzielle Situation der Wiener Sternwarte verschlechterte sich allerd- ings bald. Die Anschaffung moderner Ger¨ate war daher nicht mehr oder nur sehr schwer m¨oglich. Auch die Luftverschmutzung nahm sehr stark zu, so- dass Beobachtungen in Wien nicht mehr gut durchf¨uhrbar waren. Man war auf Fremddaten angewiesen und verlegte sich auf Berechnungen. Nach dem Tod von Hell wurde Triesnecker 1793 Direktor der Universit¨ats- Sternwarte. Diese T¨atigkeit ¨ubte er bis zu seinem Tode im Jahre 1817 aus. Er nahm sich als Adjunkt einen ausgezeichneten Rechner, seinen ehemaligen Sch¨uler Johann Tobias B¨urg. Dieser erhielt die Berechnung der Mondtafeln erhielt 1800 den großen Preis (1kg Gold) des Pariser National-Instituts. Ein derartiger ¨ubernationaler Reputationserfolg brachte der Wiener Sternwarte eine gewisse Entspannung ihrer finanziellen Situation. Zusammen gaben Triesnecker und B¨urg die ,,Wiener Ephemeriden“ – bis zu ihrer Einstellung aus finanziellen Gr¨unden 1806 – heraus. Viele Beobachtungsdaten erhielt er durch Korrespon- denz, besonders aus dem Benediktinerstift Kremsm¨unster von Pater Thaddeus Derflinger, mit dem ihn auch eine innige Freundschaft verband. Die Briefe an den Pater, die in Latein abgefasst waren, habe ich in meinem Buch (s. Lit.) in ¨ubersetzter Form in den Anhang aufgenommen. Triesnecker verbesserte die Daten der Tafeln von Tobias Mayer. Er berech- nete Tafeln zu den Daten des Merkur und Mars, der Venus und des Mondes. Weiters versuchte er, die Gestalt der Erde aus Sonnenfinsternissen abzuleiten, die Masse der Venus, sowie die Durchmesser von Sonne, Mond und Planeten mittels Mikrometerobjektiv zu bestimmen. Einer seiner wichtigsten T¨atigkeiten H. Kastner-Masilko 33 aber war die Bestimmung von geographischen L¨angen und Breiten zahlreicher Orte mittels Bedeckungen von Fixsternen und aus Sonnenfinsternissen. Viele dieser Daten ver¨offentlichte er in den deutschsprachig verfassten Ab- handlungen der k¨oniglichen b¨ohmischen Gesellschaft der Wissenschaft in Prag, sowie bei Freiherrn Franz Xaver von Zach in der ,,Monatlichen Correspondenz zur Bef¨orderung der Erd- und Himmelskunde“ in Gotha und bei Elert Bode im ,,Astronomisches Jahrbuch“ in Berlin. Weitere Leistungen stellten die Mitarbeit an der Vermessung von Galizien zusammen mit Metzburg (1796), sowie die Fertigstellung der Vermessung von Nieder¨osterreich nach dem Tode von Metzburg (1798) dar. Die von Tries- necker vermessenen Daten wurden von Kellermann in eine Karte eingearbeitet. Die Erstellung einer gedruckten Karte auf Grund dieser Daten erfolgte aller- dings niemals. Teils waren die Franzosenkriege, teils auch die Ablehnung der n¨o. St¨ande daran schuld. Aber noch heute greift man auf Triesneckers Berech- nungen zur¨uck, weil sie die genauesten sind, wenn keine Satellitendatenuber ¨ diesen Ort vorliegen. Ehrung wurde Triesnecker dadurch zuteil, dass er Mitglied der gelehrten Ge- sellschaften zu Prag, M¨unchen, Br¨unn, G¨ottingen und St. Petersburg wurde. Vom Osterreichischen¨ Staat erhielt er 1809 den h¨ochsten zivilen Orden, den Leopoldsorden, verliehen. Wegen seines geringen Einkommens musste er aller- dings um Geb¨uhrenbefreiung f¨ur das Verleihungsverfahren ansuchen. Derzeit ist in Wien kein Bildnis von ihm erhalten geblieben. Weiters hielt er Vorlesungen ¨uber ,,Praktische Astronomie“ an der Uni- versit¨at Wien, machte Wetterbeobachtungen, Eichungen von Mikroskop-Kom- paratoren und f¨urte Zeitmessungen durch. Auch versuchte er, bei Erdbeben Epizentren zu bestimmen. Dabei halfen ihm stehen gebliebene oder weiterge- laufene Pendeluhren, bzw. zog er Schl¨usse aus zu diesen Ereignissen eintref- fenden Berichten. Gestorben ist er am 29. J¨anner 1817 in Wien in der B¨ackerstraße 802 im Universit¨atsgeb¨aude. Die Todesursache war Lungenbrand. Begraben wurde er in St. Marx, sein Grab ist heute unbekannt. Die Nachwelt ehrte ihn mit der Benennung eines Mondkraters und eines Rinnensystems. Der Mondkrater ist sehr zentral bei den Mondkoordinaten 4◦ 12’ N 3◦ 36’ O gelegen. Literatur

Weiter Unterlagen finden Sie auf meiner Homepage: http://kastner-masilko.at/triesnecker.htm Horst Kastner-Masilko, Franciscus de Paula Triesnecker – Astronom, Mathematiker und Landvermesser aus Mallon bei Kirchberg am Wagram, Edition Weinviertel, A-3482 G¨osing, ISBN 3-901616-73-X http://www.edition-weinviertel.at Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Uber¨ die Impressoriensammlung im Wiener Staatsarchiv als Quelle der Wissenschaftsgeschichte

J¨urgen Hamel

Archenhold-Sternwarte Alt-Treptow 1, D-12435 Berlin, Germany

Abstract

An overview on various privileges concerning imperial printing rights (early forms of copyright) in the Austrian Staatsarchiv allows to trace the creation of several predominant astronomical publications. This is demonstrated by three exam- ples: Jost B¨urgi, Erasmus Reinbold and Christoph Rothmann.

Zusammenfassung: Im Osterreichischen¨ Staatsarchiv in Wien befindet sich eine umfangreiche Sam- mlung kaiserlicher Privilegien f¨ur die Herausgabe von B¨uchern. Die Analyse dieser Privilegien, eine Vorform unseres Copyrights, vermag Einsichten in die Entstehungsgeschichte einzelner Werke sowie die Lebensgeschichte ihrer Au- toren zu vermitteln. Dies wird anhand von drei Beispielen verdeutlicht. Mein Anliegen ist es, mit den Beispielen von Jost B¨urgi, Erasmus Rein- hold und Christoph Rothmann auf eine Quelle der wissenschaftsgeschichtlichen Forschung aufmerksam zu machen, die bislang noch viel zu wenig genutzt wurde: die Impressoriensammlung im Osterreichischen¨ Staatsarchiv (Haus-, Hof- und Staatsarchiv) in Wien. Worum geht es? Bekannt ist, daß sich in der Vergangenheit Buchautoren und Hersteller von Instrumenten ein Kaiser- liches Privileg erteilen ließen, das f¨ur einen unterschiedlichen Zeitraum gew¨ahrt wurde, f¨ur 3, 6, 10 Jahre und mehr. Auf dem Titelblatt wurde dies vermerkt mit einem Wortlaut, wie ”Mit Kaiserlicher Freiheit nit nachzudrucken” und entsprechenden lateinischen Vermerken, wie ”Cum gratia & privilegio Caesareae & Regiae Maiestatis”, um an dieser Stelle eine Langfassung anzuf¨uhren. Die genannte Wiener Sammlung umfaßt Hunderte von Privilegien aus der Zeit von etwa 1550 bis um 1800, daneben betreffende Antragsschreiben und gelegentlich Stellungnahmen und Erg¨anzungen von verschiedener Seite. J. Hamel 35

Diese Art der Privilegien stellte einen Vorl¨aufer des Copyrights und des Patentschutzes dar und wie es heute um Verst¨oße gegen diese ”Privilegien” Gerichtsprozesse gibt, fanden sie gelegentlich auch damals statt. Ohne weiter in die Theorie und die Rechtsformen der alten Privilegien einzugehen1,m¨ochte ich nur anf¨uhren, daß es sowohl Autorenprivilegien gab, und hier wieder sowohl f¨ur ein einzelnes Werk, als auch f¨ur eine Gesamtheit geplanter Werke, ebenso Druckprivilegien und Editionsprivilegien, d.h. Privi- legien f¨ur Drucker bzw. f¨ur K¨orperschaften zur Herausgabe von B¨uchern. F¨ur letzteres m¨ochte ich die recht bekannten Beispiele aus dem Gebiet des Kalen- derwesens erw¨ahnen. Als f¨ur das Jahr 1700 in den protestantischen deutschen L¨andern die Kalenderreform eingef¨uhrt wurde, erteilte der brandenburgische Kurf¨urst das Privileg f¨ur seinen Herrschaftsbereich der Berliner Akademie, der s¨achsische Kurf¨urst dem Leipziger Drucker Thomas Fritzsch und in Hessen gab es ein landgr¨afliches Privileg f¨ur einen mehrfach wechselnden Drucker. In der Regel suchte man sich dann einen zuverl¨assigen Kalenderautor, so in Berlin Gottfried und sp¨ater Christfried Kirch, oder in Kassel Matthias Weete.2 Privilegien wurden also nicht nur vom Kaiser gew¨ahrt, sondern ebenso von anderen F¨ursten, dann nat¨urlich nur f¨ur ein bestimmtes Territorium geltend. Zur¨uck nach Wien und zu den dortigen Privilegien. Worin besteht ihre Be- deutung f¨ur die Astronomiegeschichte? - wobei das folgende nat¨urlich auch f¨ur andere Bereiche der Geschichtsforschung gilt. Zun¨achst geben die Privilegien in vielen F¨allen Aufschlußuber ¨ das Werden eines Werkes, auch im Zusammenhang mit den gelegentlichen Ausf¨uhrungen, dieuber ¨ das geplante Werk vom Autor gemacht werden, dazu von mir das Beispiel Jost B¨urgi. Der andere Fall ist, daß wir Einblicke in das geplante Lebenswerk eines Autors bekommen, das zu verwirklichen dem Autor aus unterschiedlichen Gr¨unden nicht verg¨onnt war - sei es durch seinen pl¨otzlichen Tod, dazu das Beispiel Erasmus Reinhold, oder eine anderweitige St¨orung der wissenschaftlichen Arbeit - das am Beispiel Christoph Rothmanns.

1. Beispiel: Jost B¨urgi

Nehmen wir die Geschichte des Buches von Jost B¨urgi (1552-1632) ¨uber das sogenannte Triangularinstrument. Ein erstes Ersuchen f¨ur die Erteilung eines

1s. dazu Schneider, Ivo: Urheberrechtliche Sicherung im naturwissenschaftlichen Schrifttum des 16. Jahrhunderts. Buchprivilegien bei Gemma Frisius (1508-1555). In: B¨orsenblatt f¨ur den Deutschen Buchhandel / Frankfurter Ausg. 30 (1974), S. A 145-151 2Herbst, Klaus-Dieter: Die Kalender von Gottfried Kirch. In: Beitr¨age zur As- tronomiegeschichte, Band 7. Frankfurt a. M. 2004 (Acta Historica Astronomiae; 23), S. 115-159; Hamel, J¨urgen: Die Kalenderreform des Jahres 1700 und ihre Durchsetzung in Hessen. In: Zeitschrift des Vereins f¨ur hessische Geschichte und Landeskunde 105 (2000), S. 59-74 36 Uber¨ die Impressoriensammlung im Wiener Staatsarchiv

Privilegs sowohl f¨ur das Instrument, als auch f¨ur das dieses beschreibende Buch ist aus dem Jahre 1602 bekannt. Interessanterweise stammt dieses Schreiben nicht von B¨urgi selbst, sondern vom Erzherzog Maximilian, dem Bruder des Kaisers, der sich f¨ur B¨urgi einsetzt. Daß B¨urgi in Beziehung zum Erzherzog trat, war bislang nicht bekannt, muß aber der Fall gewesen sein, weil es nicht denkbar ist, daß Maximilian bei seinem Bruder ohne gen¨ugende Sicherheiten F¨ursprache hielt. Sicherlich geschah dies w¨ahrend B¨urgis Aufenthalt in Prag. Mit Bezug auf dieses Schreiben ersucht B¨urgi 1611 noch einmal pers¨onlich um die Erteilung des Privilegs, wobei nicht ganzklarwird,obesumeineVerl¨angerung geht, oder das Privileg 1602 nicht erteilt wurde. Wie auch immer, das Buch erschien ohnehin erst nach weiteren 37 Jahren, 1648 nach dem Tod des Autors durch B¨urgis Schwager Benjamin Bramer herausgegeben3.DieUmst¨ande, die zu diesem Zeitablauf f¨uhrten, k¨onnen hier nicht er¨ortert werden. Es d¨urfte jedenfalls auch damit zu tun haben, daß der geniale B¨urgi wegen seines Mangels an formaler akademischer Bildung, darunter des Mangels an Kenntnissen der lateinischen Sprache, eine Scheu vor dem Publizieren hatte. F¨ur diesmal reicht die Erkenntnis, daß durch die Analyse der Privilegien und nur auf diesem Weg ein R¨uckschluß auf die Entstehungsgeschichte des Werkes B¨urgis m¨oglich ist, auf die Zeit, die B¨urgi f¨ur seine Arbeit ben¨otigte, um sie privilegreif zu entwickeln - und dann doch unvollendet ließ. Erhalten sind weiterhin die Vorg¨ange zu B¨urgis Buchuber ¨ die Erfindung der Logarithmen4, die Ersuchung um ein Privileg f¨ur den ”weilandt Kayßer Rudolphi undt Matthiae christmildester gedachtniß gewester Cammer Uhrmacher Jobst B¨urgy”.

2. Beispiel: Erasmus Reinhold Erasmus Reinhold (1511 - 1553) geh¨orte in Wittenberg zum Gelehrtenkreis um Philipp Melanchthon undubernahm ¨ 1536 die dortige Professur f¨ur h¨ohere Mathematik, welche die Astronomie einschloß. Ubrigens¨ erhielt kurz darauf Georg Joachim Rheticus die Professur f¨ur niedere Mathematik, d.h. Geometrie und Arithmetik. Beide waren also Kollegen und es ist klar, daß auch Reinhold in die fr¨uhen Diskussionen um das neue Weltsystem eingebunden war. Diese f¨uhrten schließlich auf der einen Seite zur Reise des jungen Rheticus zum al- ternden Copernicus mit den bekannten Folgen f¨ur die Herausgabe des ber¨uhm- ten Werkes, andererseits durch Reinhold zur Bearbeitung der ”Prutenischen Tafeln”, zu Planetentafeln unter Verwendung copernicanischer Daten, die f¨ur die Rezeption des heliozentrischen Weltsystems von großer Bedeutung wurden.

3Bramer, Benjamin: Apollonius cattus oder kern der ganzen geometriae. Kassel 1648 4B¨urgi, Jost: Arithmetische und geometrische Progress Tabulen. Prag 1620 J. Hamel 37

Das Privileg liegt im Entwurf eines Schreibers vor, datiert Prag, den 24. Juni 1549 im Umfang von vier Folioseiten. Die Schrift ist sehr sauber, es gibt nur an zwei Stellenuberschriebene ¨ Worte, wohl vom Schreiber selbst sowie an drei Stellen Korrekturen eines Wortes, eine am Rand notierte Erg¨anzung sowie an Ende einen Schlußsatz mit der Datierung (ein zuvor begonnener Satz des Schreibers wurde daf¨ur ausgestrichen) - all dies von anderer Hand. Die ”Prutenischen Tafeln” stellte Reinhold an die Spitze (Nr. 1) seiner Liste, f¨ur die er um ein Privileg, ein ”Diplom” (so im letzten getilgten Satz) nach- suchte. Wie aber ging es mit den insgesamt 16 dort aufgelisteten Werken weiter? Außer den ”Prutenischen Tafeln” erschienen nur noch drei B¨ucher im Druck, die ”Tabulae directionum”, posthum 1554 (Nr. 3), Ephemeriden f¨ur die Jahre 1550 und 1551 (Nr. 4), sowie die evtl. unter Nr. 10 gemeinte Herausgabe der ”Theo- ricae novae planetarum” Peuerbachs von 1542. Der Kommentar zu Copernicus (Nr. 13) blieb im Manuskript von Reinholds Hand erhalten und wurde erstmals 2002 ediert5. Der Vollst¨andigkeit halber sei erw¨ahnt, daß einige kleinere Texte Reinholds, eher Gelegenheitsschriftchen, gr¨oßeren Werken beigedruckt wurden6, die hier außer acht gelassen werden k¨onnen und auch im Privilegantrag nicht erw¨ahnt werden. Von allen anderen Vorhaben ist weder etwas gedruckt worden, noch ist sonst anderweitig etwas bekannt. Wie kam es dazu? Der Grund ist ein recht tragi- scher. Der vielversprechende, erst 42j¨ahrige Gelehrte, verstarb 1553, zwei Jahre nach Erscheinen der Erstauflage seiner ber¨uhmten Tafeln, in seiner Heimatstadt Saalfeld in Th¨uringen an der Pest. Sein anspruchsvolles Publikationsprogramm blieb ein Fragment. Reinholds Publikationsprogramm nach dem Text des Privilegs (die gedruck- ten Werke kursiv) [1] Nouae tabulae Astronomicae forma Alphonsina et Copernici, quae exhibent emendatum calculum motuum coelestium omnium congruentem cum obserua- tionibus tum priscis, tum recentibus. Id quod nec ptolemaicae tabulae praes- tant, nec Alphonsinae, nec ullae ex ijs propagatae. Prutenicae tabulae coel- estium motuum. T¨ubingen 1551 (weitere Ausgaben 1562, 1571, 1585) [2] Tabulae resolutae ex prioribus deriuatae, ex quibus facilima sit supputio mo- tuum coelestium. His insertae sicut tabulae Eclipsium, quae suppeditant uerum calculum omnium deliquiorum Solis et lunae retro ad tria millia annorum. [3] Tabularum directionum, ut uocant, generalium primus liber cum secundo li- bro particularium tabularum. Primus liber tabularum directionum discentibus prima elementa astronomiae necessarius & utilissimus. T¨ubingen 1554

5vgl. Anmerkung zu Nr. 13 des Privilegs 6Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhun- derts. VD 16, 2. Abt., Band 2. Stuttgart 1997 38 Uber¨ die Impressoriensammlung im Wiener Staatsarchiv

[4] Ephemerides singulorum annorum aliquot futurorum calculatae ex his recen- tibus tabulis. Ephemerides duorum annorum 50. et 51. T¨ubingen 1550 [5] Tabulae ortuum et occasuum plurimarum stellarum fixarum, tum ad ueterum uaria tempora, tum ad nostra per multa climata. [6] Chronicon, in quo priori pagina non solum annorum series deducta est a uarijs initijs, quae firmissimis rationibus constituta sunt, uerum et Eclipses luminum ad singulos annos, Loca trium superiorum planetarum, ex magni congressus planetarum, item Meteora, quae passim in historijs annotata sunt. Reliqua pag- ina regione habet historica tanquam effectus causarum caelestium distributa in quatuor classes, uidelicet in physica, seu Oeconomica, philosophica, politica et Ecclesiastica. [7] Calendarium Ecclesiasticum quod continet ex ipsis fontibus deductam doc- trinam eam de anno et mensibus, quae traditur in computo Ecclesiastico, quod aeditum quidem est sed augebitur. [8] De historia annorum seu Calendarium Astronomicum profuturum doctis, ni quo inter cetera illustris est tractatio de anno Aegiptico et Graeco una cum nouis tabulis et eruditis, siue quibus ptolemaei magna constructio seu almages- tum, et similia scripta difficilime intelligunt. [9] Isagoge sphaerica, seu doctrinae primi mobilis elementa quinque libris com- prehensa. [10] Hypotyposes orbium coelestium, quas uulgo uocant Theoricas planetarum, congruentes cum tabulis Astronomicis supradictis. [evtl.]: Theoricae novae planetarum Georgii Purbachii Germani ab Erasmo Rein- holdo Salueldensi pluribus figuris auctae. Wittenberg 1542 [11] Compositio noua Quadrantis cum multis utilissimis tabulis. [12] Doctrina triangulorum planorum et sphaericorum ea methodo, quae schol- arum usui accomodata est, cum secundo canone per singula scrupula extenso, quem licet omnium astronomicarum tabularum fundamentum adpellare. [13] Eruditus commentarius in totum opus Reuolutionum Nicolai Copernici. [Handschrift]Commentarius in opus revolutionum Copernici; Staatsbiblio- thek Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Ms. lat. fol. 391 Edition und zugl. erste Ver¨offentlichung in: Nicolaus Copernicus Gesamtaus- gabe, Band VIII.1. Berlin 2002 [14] Geometrica uaria, inter quae circuli quadratura, ac Erudita confutatio ... Item Commentarius in Quintum et Decimum librum Euclidis. [15] Commentarius in Geographiam ptolomaej cum noua uersione latina. [16] Optice Arabis alhazen hactenus non edita, correcta et figuris utiliter illus- trata. J. Hamel 39

3. Beispiel: Christoph Rothmann Neben den n¨achtlichen Arbeiten auf der Sternwarte des Landgrafen Wil- helms IV. von Hessen in Kassel hatte sein Astronom Christoph Rothmann ein umfangreiches Programm astronomischer Arbeiten konzipiert. F¨ur dieses bekam er am 6. Mai 1588 von Rudolf II. ein kaiserliches Privileg auf 20 Jahre7. Die kaiserliche Archivfassung hat sich, ausgefertigt von Jacob Curtius, in der Wiener Sammlung der Impressorien erhalten, das Original und der eigenh¨andige Entwurf Rothmanns befinden sich in Marburg bzw. Kassel8. Es handelt sich, wie auch bei Reinhold um ein Autor-Spezialprivileg, in dem, wie zu erwarten ist, nur der Autor und kein bereits avisierter Drucker beg¨unstigt wird.

Rothmanns Publikationsprogramm nach dem Text des Privilegs (die erhaltenen Werke kursiv) [1] Observationes stellarum fixarum institutae Casselis sumptibus et instrumen- tis Illmi Principis Guilielmi Landgrauij Hassiae ec ...; vna cum noua theorica praecessionis aequinoctiorum et mutatae obliquitatis Zodiaci ex his obserua- tionibus eruta. Christophori Rothmanni Bernburgensis, illustrissimi prin- cipis Guilielmi, Landgravii Hassiae etc. Mathematici, observationum stel- larum fixarum liber primus; Kassel UB, 2◦ Ms. astron. 5 [7,85Bl. Edi- tion und zugl. erste Ver¨offentlichung in: Christoph Rothmanns Handbuch der Astronomie von 1589. Kommentierte Edition der Handschrift Christoph Roth- manns ”Observationum stellarum fixarum liber primus”, Kassel 1589. Hrsg. und komm. von Miguel A. Granada, J¨urgen Hamel und Ludolf v. Mackensen. 2003 (Acta Historica Astronomiae; 19) [2] Dialexis cometae, qui anno Christi MDLXXXV. mensibus Octobri et Nouem- bri apparuit, in qua demonstratur, quod cometae non sint FLNF,4H vicinarum stellarum, neque corpora cum reliquis stellis perpetua neque halitus in aere ac- censi, sed quod sint corpora temporanea. Snellius: Willebrord: Descriptio cometae, qui anno 1618 mense Novembri primum effulsit. Huc accessit Christophori Rhotmanni Ill. Princ. Wilhelmi Hassiae Lantgravii Mathematici descriptio accurata cometae 1585. Leiden 1619

7Druck des vollst¨andigen Textes in Miguel A. Granada: Sfere solide e cielo fluido. Momenti del dibattito cosmologico nella seconda met del Cinquecento. Milano 2002 (Istituto Italiano per gli studi Filosofici / Saggi; 41), App. 2; die enthaltenen Werke und ihre Erhaltungsformen in J¨urgen Hamel: Die astronomischen Forschungen in Kassel unter Wilhelm IV. Mit einer Teiledition der deutschen Ubersetzung¨ des Hauptwerkes von Copernicus um 1586. Thun; Frankfurt 1998, 2. korrigierte Aufl. 2002 (Acta Historica Astronomiae; 2), S. 77f. 8Hessisches Staatsarchiv Marburg 4a, 31-17 bzw. Universit¨atsbibliothek Kassel, HSA 2◦ Ms. astron. 5 [11 40 Uber¨ die Impressoriensammlung im Wiener Staatsarchiv

[3] Organon mathematicum, constans logistica sexagenaris. Doctrina sinuum, doctrina de compositione rationum, seu ut vulgo vocatur regula sex quantita- tum et doctrina triangulorum, aureis compendiis referta, quibus omnia, tam in sphaericis, quam planis triangulis solo additionis et subductionis calculo facil- ime indagantur, quo cognito quilibet suo Marte Ptolomaeum, Copernicum, Re- giomontanum reliquosque artifices facilime intelligere, canones astronomicos vt ascensionum, prostaphaereseon, latitudinum, parallaxium ec. ipse condere, aut etiam sine canonibus astronomicis motus planetarum subducere, et de meteoro- scopica, geodesia, optica, catoptrica, gnomonica, geographia, astronomia deque omnibus doctrinis, quae e geometriae et arithmeticae fontibus promanant, recte et dextere judicare potest. Organon mathematicum, contens logistica sexagenaria, doctrina sinuum, et doctrina triangulorum. Quo cognito quilibet suo marte Ptolemaeum, Coper- nicum, Regiomontanum, reliquosque artificos facilime intelligere: Canones astronomicos, ut ascensionum, prosthaphaereseon, latitudinum, parallaxium etc. ipse contere, aut etiam sine canonibus astronomicis motus planetarum subducere: et de meteoroscopica, geodesia, optica, dioptrica, gnomonica, ge- ographia, astronomia, deque omnibus, doctrinis quae e geometriae et arith- metricae fontibus promanant, recte et dextere iudicare potest; Kassel UB, 4◦ Ms. math. 29, 255 Bl. [4] Elementa astronomica, in quibus hypotheses Ptolomaicae ex hypothesibus Copernici corriguntur et supplentur ipsoque vsu et calculo nouo tabularum Tychonicarum seu Danicarum declarantur. Astronomia: In qua hypotheses Ptolemaicae ex hypothesibus Copernici corriguntur et supplentur: et in- primis intellectus et usus tabularum Prutenicarum declaratur et demon- stratur; Kassel UB, 4◦ Ms. astron. 11, 183 Bl. [5] Astronomia noua ex nouis et accuratissimis obseruationibus, cum veteribus collatis, restituta, in qua nouo et nobilissimo compendio omnes planetarum mo- tus luminarumque eclypses solo additionis et subductionis calculo absque ullis tabulis astronomicis, ad quoduis tempus, facilime indagantur. [6] Scholae astronomicae, seu commentarius in totum opus reuolutionum Coper- nici nouis obseruationibus refertus. [7] Tractatus de parallaxibus earumque obseruatione. [8] Optica breuis et perspicua, in artis formam redacta. [9] Regula coss, seu algebraica, logica methodo tractata. [10] Doctrina de meteoris, opticis et physicis fundamentis innixa. [11] Astrologia juditiaria facilis ab ethnicis et impiis futilitatibus repurgata, solisque physicis causis innixa. [12] Scholae astrologicae, in quibus omnium praeceptionum causa ex physicis fundamentis redditur, et reliquae ethnicae et impiae futilitates solide refutantur. J. Hamel 41

Betrachtet man die konzipierten Werke nach inhaltlichen Gesichtspunk- ten, wird man gewahr, daß Rothmann ein komplettes Programm der Ast- ronomie entworfen hat, mit allen Nebengebieten der Astrologie und der Mathematik / Trigonometrie, ausgenommen den Kalender und darin auch seine Anerkennung des copernicanischen Weltsystems darin zum Ausdruck kommt. Rothmanns Programm stellte kein abstraktes Vorhaben weit jen- seits der Realit¨at dar. Denn f¨ur mehrere Arbeiten existieren fertige oder weitgehend abgeschlossene Manuskripte. Sie beweisen, daß Rothmann in der Verwirklichung seiner privilegierten Vorhaben weit gediehen war und die F¨ahigkeit gehabt h¨atte, diese Arbeiten zuende zu f¨uhren. H¨atte Rothmann das durch Rudolfs Privileg gesch¨utzte Publikationsprogramm ausgef¨uhrt, dann - so darf freilich etwas spekulativ geurteilt werden - w¨are Christoph Rothmann in die Geschichte als einer der bedeutendsten Astronomen des sp¨aten 16. Jahrhunderts eingegangen, in einer Reihe mit Michael M¨astlin und Tycho Brahe stehend. Doch es kam anders, publiziert wurde lediglich Roth- manns Arbeituber ¨ Kometen (Nr. 2), von h¨ochster Bedeutung nicht nur f¨ur die Kometenforschung, aber auch dies erst 1619. Sein Sternkatalog erschien erst- mals 16669. Der Kommentar zum Katalog, ”Observationum stellarum fixarum liber primus” (Nr. 1), enthaltend weite Abhandlungen zur theoretischen As- tronomie, einschl. der Instrumentenkunde, wurde erstmals 2002 ediert. Details k¨onnen hier nicht weiter verfolgt werden (vgl. die in Anm. 7 und 9 genannten Arbeiten), nur kurz die Frage, warum unterblieb die Ver¨offentlichung? Nachdem Rothmann seinen Sternkatalog abgeschlossen und seinem Auftrag- geber und Landesherren Landgraf Wilhelm in einer erhaltenen repr¨asentativen Pergamenthandschriftubergeben ¨ hatte10, nahm seine Lebensgeschichte einen Verlauf, der alle weiteren Pl¨ane unerledigt ließ. Im Mai 1590 trat Rothmann eine Reise zu Tycho Brahe an, wo er dessen Instrumente studieren und in einen wissenschaftlichen Gedankenaustausch treten sollte. Brahe hatte Rothmann in Kopenhagen empfangen und traf mit ihm am 1. August 1590 auf der Insel Hven ein, wo er bis zum 1. September blieb und die Insel wieder verließ. Unter Bruch aller rechtlichen Verpflichtungen und sonstiger Gewohnheiten kehrte Rothmann aber nie mehr nach Kassel zur¨uck. Das Ausbleiben Roth- manns ist mehrfach Gegenstand des Briefwechsels zwischen Wilhelm und Brahe, doch alle Hoffnungen Wilhelms, daß Rothmann seine Forschungen in Kassel weiterf¨uhren w¨urde, blieben vergeblich.

9Eine Untersuchung des Sternkatalogs mit Ableitung der statistischen Fehler der darin verzeichneten Sternpositionen erfolgte in Hamel, Die astronomischen Forschungen (wie Anm. 7, S. #). Die darin enthaltenen Stern¨orter waren nach Berechnungen von E. Rothenberg (Berlin) mit einem deutlich kleineren statistischen Fehler behaftet, als die des Katalogs von Brahe! 10Universit¨atsbibliothek Kassel, HSA 2◦ Ms. astron. 7 42 Uber¨ die Impressoriensammlung im Wiener Staatsarchiv

Von nun m¨undet Rothmanns Lebensweg in ein uns nicht recht verst¨andliches Trauerspiel, auch zum erheblichen Nachteil der astronomischen Forschung. An- statt sich an seinen Arbeitsort Kassel zu begeben, begab er sich in seine Heimat- stadt Bernburg im Anhaltischen. Welcher T¨atigkeit er dort nachging wissen wir nicht, er verfaßte noch eine Arbeituber ¨ das Sakrament der Taufe und das sind dann alle Informationen, die wir von ihm haben. Auch sein Todesdatum ist unbekannt. In Kassel ließ Rothmann alle seine fertigen oder weitgehend abgeschlos- senen, in umfangreichen Manuskripten vorliegenden Werke zur¨uck. Das erhal- tene Privileg zeigt uns, wie zielstrebig Rothmann seine Forschungen verfolgte und welche Pl¨ane er weiterhin,uber ¨ das Erhaltene hinausgehen hatte - bis sein Leben einen anderen Verlauf nahm.11

Eine Ubersicht¨

Nach einer kurzen und unvollst¨andigen Durchsicht des Registers der Impres- sorien finden sich Unterlagen zu folgenden Astronomen und Druckern oder Ver- legern mit astronomischer Relevanz: Philipp Apian 1582, Caspar Bartholinus 1623, Wilhelm und Johannes Blaeu 1678 bzw. 1621, Tycho Brahe 1586 und 1590, Georg Caesius f¨ur Kalender und Prognostiken, Sethus Calvisius 1610 und 1651, Nathan Chytraeus 1575, Nicode- mus Frischlin, Thaddaeus Hagecius, Georg Hanschius 1718 f¨ur die Herausgabe der Kepler-Werke, Johannes Kepler 1617 und 1627 (29?), David Herlitzius, Johannes Hevelius 1662, Levinus Hulsius, ? Hofmann f¨ur Kalender, Johann Krabbe 1607, Stanislaus Lubienietzki 1666, Michael M¨astlin 1580, Albin Moller, Caspar Peucer 1569 - 1570, Andreas Reyher, Nicolaus Raimarus Ursus, Julius Schiller, Christoph Schißler, Tilemann Stella, Matthias Wasmuth sowie Erhard Weigel und das ”Collegium consultorum”. Drucker und Verleger mit bedeutenden astronomischen B¨uchern: Arnold Birckmann 1559, Verlagshaus Elzevier, Familie Endter 1659 - 1704, Felsecker 1700 - 1743, Thomas Fritzsch, Sebastian Henricpeter (Verlagsprogramm mit astronomischen Werken), Peter Perna, Familie Wechel. Eine systematische Durchsicht w¨urde ganz sicher weiteres erschließen. Die Nutzung dieser Quelle der Wissenschaftgeschichte k¨onnte uns manchen Auf- schluß geben. Eine Publikation und inhaltliche Analyse weiterer Privilegschriften befindet sich in Vorbereitung.

11vgl. zur Biographie Rothmanns vgl. Hamel: Die astronomischen Forschungen, 14-19, 77-84 sowie Christoph Rothmanns Handbuch der Astronomie von 1589. Kommentierte Edition der Handschrift Christoph Rothmanns ”Observationum stellarum fixarum liber primus”, Kassel 1589. Hrsg. und komm. von Miguel A. Granada, J¨urgen Hamel und Ludolf v. Mackensen. 2003 (Acta Historica Astronomiae; 19), S. 10-19, 32-48 J. Hamel 43

Abb. 1: unten: Erste Seite des Privilegs f¨ur Erasmus Reinhold (Osterr.¨ Staatsarchiv Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Bestand Impressorien, Reinhold / oben: Titelseite der ”Prutenischen Tafeln” von Erasmus Reinhold, T¨ubingen 1551 mit dem Vermerk des kaiser- lichen Privilegs Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Zur Baugeschichte der beiden Wiener Universit¨atssternwarten

Maria G. Firneis

Insitut f¨ur Astronomie der Universit¨at Wien, T¨urkenschanzstraße 17, A-1180 Wien, Austria

Abstract

The first institutionalized university observatory was set up on the roof of the ”new” University building in 1755, formally opened 1756.When the observa- tory’s stability was questioned a transfer to the surroundings of Vienna was sought. Various places were tested but finally the former ramparts of the Turks during their sieges of Vienna in the village of W¨ahring were chosen. In 1883 the Austrian Emperor Francis Joseph I held the opening ceremony of this second observatory. Instrumentation came from the shops of Howard Grubb (Ireland), Clark (Boston), Reichenbach and Merz. Today the building is mainly used as admi- nistration and training center for students.

Vorgeschichte Dort wo die Jesuitenkirche in Wien emporragt, befand sich seit Gr¨undung der Universit¨at Wien (formal 1365, zweite Gr¨undung 1385) der zentrale Teil des Universit¨atsviertels, des ”Quartier Latin”. Es war das Collegium ducale, das Erzherzog Albrecht der Universit¨at Wien zur Verf¨ugung stellte. Bis heute (es stehen eigentlich nur mehr die Grundmauern) geh¨oren Teile davon dem Je- suitenorden. Zur Zeit der Gr¨undung der Wiener Universit¨atssternwarte befan- den sich Dienst (und Diener)wohnungen von Universit¨atsprofessoren darinnen.

Die Sternwarte am Dach des Universit¨atsgeb¨audes im Stadtzentrum Als die Habsburgerin Erzherzogin Maria Theresia (K¨onigin von Ungarn und B¨ohmen, Gattin von Franz Stephan I, Kaiser des hl. R¨omischen Reiches deut- scher Nationen) im Zuge einer Universit¨atsreform eine neue Aula f¨ur die Wiener M. G. Firneis 45

Universit¨at durch Jean Nicolas Jardot [1] errichten ließ, war gerade der kaiser- liche Mathematiker und Astronom Johann Jakob de Marinoni verstorben, der eine umfangreiche Sammlung astronomischer Instrumente durch kaiserliche Sponsorenschaft besaß. Maria Theresia ordnete daher den Bau einer Sternwarte ¨ahnlich wie sie der kaiserliche Hofmathematiker Marinoni in seinem Werk ”Spe- cola domestica” beschrieben hatte, auf dem Dach des neuen Universit¨atszentral- geb¨audes (heute Ignaz Seipel-Platz 2) an. Dass dadurch die Proportionen des neuen Geb¨audes beeintr¨achtigt wur- den, d¨urfte den Architekten schon einigermaßen gest¨ort haben. Es handelte sich dabei um einen 2 Stock hohen Quertrakt, dessen Zugang ¨uber ein ver- winkeltes Stiegenhaus gestaltet wurde, das kaum Platz f¨ur die notwendige B¨uchersammlung bot, die P. Maximilian Hell (Jesuit 1720 -1792) dort sofort etablierte. Der medizinische Trakt der Universit¨at mit dem anatomischen The- ater (=dem Seziersaal) lag unmittelbar davor, sodaß es nicht ausbleiben konnte, dass der Studentenulk gelegentlich ausuferte und Leichenteile auf dem dar¨uber befindlichen, schlecht zug¨anglichen Dach landeten, wo sie den Astronomen ungeb¨uhrlich in die Nase stanken. In Verbindung mit den Ersch¨utterungen der nachtsuber ¨ das St¨ockelpflaster vor¨uberfahrenden Pferdekutschen und den Schallemissionen der m¨achtigen Glocken der Jesuitenkirche war die Stabilit¨at der Instrumentenaufstellung an dieser Sternwarte ungen¨ugend und es ist daher verst¨andlich, dass die Astronomenuber ¨ den Standplatz der Sternwarte nicht sehr gl¨ucklich waren. Allerdings befand sich in unmittelbarer N¨ahe dieses Ob- servatoriums auch die eigentliche Jesuitensternwarte und solange der Orden Bestand hatte (Aufl¨osung in Osterreich¨ 1773) war damit ein beobachtungstech- nischer Vorteil gegeben. Als J. J. Littrow die Leitung der Universit¨atssternwarte ¨ubernahm war es ihm daher ein wesentliches Anliegen den Beobachtungsstandort zu verlegen, um den Behinderungen der Wiener Innenstadt zu entgehen. Allerdings ließ sich sein Plan nicht durchf¨uhren, das Revulotionsjahr 1848 brachte noch zus¨atzliche Beschr¨ankungen. Zwar durften die Astronomen zu Beobachtungen weiter im Geb¨aude verbleiben, die Schikanen beim Betreten und Verlassen des Geb¨audes waren allerdings erheblich. Trotzdem gelang es Littrow die drei Beobach- tungst¨urme mit drehbaren Kuppeln ausstatten zu lassen, die von einem lokalen Schlosser gefertigt wurden. Der Zugang zu diesen Kuppeln war hingegen als abenteuerlich einzustufen und f¨uhrteuber ¨ 3 Giebel des heutigen Akademiege- b¨audes hinweg, bei Eis und Schnee eine halsbrecherische Tour. Die Positionsbeobachtungen von Kleinplaneten in Zusammenarbeit mit der Pariser Sternwarte bildete dabei einen wesentlichen Arbeitsschwerpunkt. Auch unter J. J. Littrows Nachfolger, C. L. Littrow blieb die Verlegung der Sternwarte aus dem Zentrum von Wien ein wesentliches Unterfangen. Anl¨aßlich der Sonnenfinsternis vom 8. Juli 1842 war bereits die Gloriette von 46 Zur Baugeschichte der beiden Wiener Universit¨atssternwarten

Abb. 1: Meridians¨aulen, Wien 10 Schleiergasse [2]

Schloß Sch¨onbrunn als Beobachtungsplatz getestet worden. 1866 wurde eine weitere Teststation am Laaerberg s¨udlich von Wien in Holzbauweise errichtet. Die im S¨uden dieser Sternwarte gelegenen Meridians¨aulen sind sogar noch in einem alten Stadtplan (1902) westlich der Staßenbahnhaltestelle Schleiergasse [2] f¨alschlicherweise als Bildst¨ocke eingetragen.

Die Sternwarte in W¨ahring

Kurzzeitig war sogar das Dach des neuen Universit¨atsgeb¨audes am Dr. Karl- Lueger-Ring als Platz f¨ur das astronomische Observatorium diskutiert worden, wogegen sich aber die Astronomen erfolgreich zur Wehr setzten. Das n¨achste Projekt sah den H¨ohenr¨ucken W¨ahrings Richtung Hernals (heute Kreuzgasse) vor, dann aber wandte sich C. L. Littrow dem Weingarten des K¨unstlers Ig- naz Sp¨ottl (Zeichner und Maler) zu, der ein 5,5ha großes Anwesen in der Ortschaft von W¨ahring mit einem Weinhauerhaus besaß. Schon zuvor war der H¨ohenr¨ucken von W¨ahring s¨udlich der T¨urkenschanze in Aussicht genommen worden, allerdings handelte es sich um mili¨arisches Sperrgebiet (Schießst¨atte) auf dem Bauverbot herrschte. Dieses wurde bald von reichen Wiener Han- delsherren zu Fall gebracht, die ihre Villen im von Heinrich Ferstel und Carl v. Borkowski im Stil eines englischen Cottages geplanten Wohnviertels errichten M. G. Firneis 47

Abb. 2: Bauphase, Bildarchiv Museum W¨ahring ließen. Das f¨ur die Sternwarte in Aussicht genommene Areal wurde den Teil- nehmern der Tagung der Astronomischen Gesellschaft im September 1869 vor- gestellt, von diesen als passend approbiert und schließlich um 169 000 Gulden angekauft. Von 1874 - 1880 verlief die Bauphase der heutigen Universit¨ats- sternwarte, die nach Pl¨anen der Architekten Fellner und Helmer (fußend auf einen Vorl¨auferplan von Schaller) errichtet wurde. Neben dem Einfluß der Schinkelschen Sternwarte in Berlin war es die Sternwarte von Turku [3] (Finn- land) die diesen Bau pr¨agte. Nach mehreren Plan¨anderungen wurde so ein ”Palazzo der Sterne” geschaffen, der sowohl einen bemerkenswerten Wohn- trakt in Verbindung mit dem eigentlichen Observatoriumstrakt (eine zentrale Hauptkuppel, 3 Seitenkuppeln) in Form eines lateinischen Kreuzes darstellt. Die Dimensionen (L¨ange, Breite) entsprachen praktisch jenen des Stephansdomes, nur die H¨ohe der zentralen Kuppel war um 100m niederer. Das imposante Stiegenhaus weist bis heute die Handschrift der Architekten auf, die vor allem als Theaterbaumeister (44 Theater Neubauten oder Renovierungen innerhalb der k.k. Monarchie) bekannt waren. Ausf¨uhrender Baumeister war Ferdinand Oberwimmer, der sich gleichzeitig im Cottage von W¨ahring eine in ¨ahnlicher Bauweise konzipierte Villa errichtete (was zu bissigen Kommentaren der Anrainer f¨uhrte). Die Kuppeln der Stern- 48 Zur Baugeschichte der beiden Wiener Universit¨atssternwarten warte wurden von Howard Grubb in Irland gefertigt, der auch das Hauptinstru- ment herstellte, ¨uber Pola nach Wien geliefert und hier von Schlossermeister Ignaz Gridl zusammengesetzt. Auf dem Sternwarteareal befand sich das ”¨ubelbeleumundete” Gasthaus ”zum K¨onig Sobiesky” (demoliert 1911), welches besonders von Bauarbeitern frequentiert wurde, in dem am 13. April 1875 die Wirtsleute Joseph und Aloisa Schieder ermordet und beraubt wurden.[4] Carl. L. Littrow hatte die Beendigung des Baus der Sternwarte nicht mehr erlebt. Es war sein Nachfolger der am 5. Juni 1883 die feier- liche Er¨offnung durch Kaiser Franz Joseph I ausrichtete. Weiss hatte sich vor allem in den USA einige Sternwarten angesehen und nach dem Beispiel der innerst¨adtischen Sternwarte von Washington D.C. Baumpflanzungen im Areal veranlaßt, die die Seeing-Bedingungen optimieren sollten. Ein im selben Jahr errichtetes Portierh¨auschen (abgerissen 1976) sollte Sicherheit und Zugang des Gel¨andes kontrollieren. Obgleich die Wiener Astronomen gerne ein Hauptinstrument der Gebr¨uder Clark gehabt h¨atten, wurde durch das Cultus-Ministerium der Konstruktions- auftrag an den irischen Instrumentenbauer Howard Grubb vergeben, der im Analogon zum Washingtoner Instrument, einen 26 Zoll Refraktor fertigen sollte. Der von Grubb aus Paris (Fa. Feil) angeforderte Objektivrohling wies aller- dings eine Schliere auf, sodaß eine weitere Linse gegossen werden mußte, die Grubb zu einem 27 Z¨oller schliff (damit war der ”Große Refraktor” kurzfristig das weltgr¨osste Instrument dieses Types). Nach der Schaustellung bei einer Weltausstellung, wurde der ”Große Refraktor” wegen Produktionsschwierig- keiten erst 1883 in Wien aufgestellt (Offnung¨ 68 cm, Brennweite 10,5 m, Ge- samtgewicht 13 t, Gewicht der beweglichen Teile: 5,5 t). Allerdings war das In- strument ausschließlich f¨ur den visuellen Bereich konzipiert, sodaß eine sp¨atere photographische Verwendung eine Zeit lang große Schwierigkeiten machte, da Blau- und Gelb-Fokus weit auseinander lagen. Im Westsaal befand sich ein Meridiankreis von Reichenbach und ein Pas- sageinstrument, das bis in die 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Ver- wendung stand. In der Westkuppel fand ein 30 cm Refraktor (5,2 m Brenn- weite) von Clark (Boston) seine Aufstellung. Der Ostmeridiansaal erhielt aus Kostengr¨unden niemals ein Instrument. In der Ostkuppel war urspr¨unglich ein 15cm Frauenhofer-Refraktor (das ehemalige Hauptinstrument der alten Univer- sit¨atssternwarte) montiert. Heute befindet sich dort ein 20 cm Refraktor von Starke und Kammer[5]. Der Nordarm des Observatoriums enthielt urspr¨unglich einen Saal im 1. Ver- tikal mit einem Spaltoffenbar ¨ (heute H¨orsaal) in dem kleinere Instrumente zur Anwendung gelangten. In der Nordkuppel war ursp¨unglich ein Kometensucher von Merz (16,2 cm Offnung)¨ aufgestellt. Sp¨ater ein 40 cm Spiegelteleskop M. G. Firneis 49 von Bernhard Schmidt (das Abschiedsgeschenk der Hamburger Sternwarte an Kasimir Graff, als dieser nach Wien ging). Heute befindet sich dort ein 80 cm Spiegelteleskop der Firmen ”Astro Op- tik” und ”Astro Technik”, das mit einem CCD-Photometer ausgestattet ist. Der n¨ordlichandasSternwartegeb¨aude angrenzende Park hieß urspr¨unglich Meridianpark. Die in Verl¨angerung der beiden Meridiansaalspalte verlaufenden Straßenz¨uge sowie der Park wurden durch ein Servitut zu Gunsten der Univer- sit¨atssternwarte vor der Verbauung gesch¨utzt[6]. Insgesamt betrugen die Bau- kosten fast 1 000 000 Goldgulden. Zwei weitere Geb¨aude: f¨ur ein Coud´e-Fernrohr und einen Normalastro- graphen wurden dank der Sponsorenschaft des Barons Albert v. Rothschild am Gel¨ande errichtet.

Literatur

[1] R.Wagner-Rieger: Das Haus der Osterreichischen¨ Akademie der Wissenschaften, B¨ohlau, Wien, 1972 [2] W.Sturm: ”... außer der Linie”, Favoriten am Wienerberg; Favoritner Museumsschriften, 30, 2004 [3] M.Vyoral-Tschapka: Die Wiener Universit¨atssternwarte, Osterreichische¨ Zeitschrift f¨ur Kunst und Denkmalpflege, 1996 H.1/2 , Wien [4] Ein Heimatbuch des 18ten Gemeindebezirkes, Wien, 1925 [5] M.Firneis, E.G¨obel: Konzept f¨uroffentliche ¨ F¨uhrungen - Vienna Internal Report, 1983/2 [6] M.Griebl, M.Firneis: Die Wiener Universit¨atssternwarte, in Unser W¨ahring (Vierteljahresheft des Museumsvereines W¨ahring), 43.Jg., 3.Heft, Wien, 2008 Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Der historische Buchbestand der Universit¨atssternwarte Wien

Karin Lackner, Isolde M¨uller, Franz Kerschbaum, Roland Ottensamer und Thomas Posch

Insitut f¨ur Astronomie der Universit¨at Wien, T¨urkenschanzstraße 17, A-1180 Wien, Austria

Abstract

The Vienna University Observatory houses one of the most important collec- tions of historically significant science books reaching from the 15th to the 18th century. Especially within the Central European countries no other astronomical library with a comparable, historically grown fund exists. The first Vienna University Observatory was founded in 1755 and Jesuit Maximilian Hell (1720-1792) was nominated as its first director. Therefore the inventory of the Astronomy Library, as well as the inventory of the Vienna University Library, mainly arose from the Jesuit’s collections. The Institute of Astronomy Library contains 5 books older than 1500, 56 printed before 1600 and a total of 500 books prior to 1800 – which form the Rare Book Collection. Two printed catalogues with all the books in the Rare Book Collection are now available. Every entry is illustrated and key data to every book are listed. Important works are annotated with detailed information on their history.

Einleitung

Die Fachbereichsbibliothek Astronomie der Universit¨at Wien verf¨ugtuber ¨ eine mehr als 500 Titel umfassende Sammlung historischer Druckschriften aus dem 15.-18. Jahrhundert. Die etwa 200 aus dem 15.-17. Jahrhundert stammenden B¨ucher wurden bereits in ,,Der historische Buchbestand der Universit¨atsstern- warte Wien. Ein illustrierter Katalog. Teil 1“ dokumentiert. Im 2006 er- schienenen zweiten Teil werden die insgesamt 317 Titel aus dem 18. Jahrhun- dert pr¨asentiert. K. Lackner I. M¨uller, F. Kerschbaum et al. 51

Abb. 1: Linkes Bild: Titelseite Band 1 — Rechtes Bild: Titelseite Band 2

Ein solcher Katalog, in welchem die B¨ucher dargestellt werden sollten, wurde bereits im ,,Adreßbuch der Bibliotheken der Oesterreichisch-ungarischen Monar- chie“1 angek¨undigt, dieses lange uneingel¨oste Versprechen wurde nun mit Er- scheinen der beiden B¨andeuber ¨ den historischen Buchbestand erf¨ullt. Uber¨ eine Pr¨asentation des Bestandes aus dem 18. Jahrhundert in Buch- form hinauszugehen, ist nicht geplant – unter anderem deswegen nicht, weil im 19. Jahrhundert die industrielle Buchproduktion einsetzte, was die An- zahl der Neuerscheinungen stark in die H¨ohe trieb und den Stellenwert des jeweiligen Einzeltitels tendenziell reduzierte. Die unter anderem durch die In- dustrialisierung der Buchproduktion erm¨oglichte Zunahme der Neuerscheinun- gen pro Jahr spiegelt sich auch in der Bestandsgeschichte der Wiener Univer- sit¨atssternwarte wider: Im 19. Jahrhundert kommen rund 2500 Titel neu hinzu, was beinahe einer Verzehnfachung der Zuwachsrate entspricht und eine ebenso ausf¨uhrliche Dokumentation f¨ur diese neueren B¨ucher schwer realisierbar er- scheinen l¨asst.

1Johann Bohatta, Michael Holzmann, Adreßbuch der Bibliotheken der Oesterrei- chisch-ungarischen Monarchie (Wien 1900), S.338 52 Der historische Buchbestand der Universit¨atssternwarte Wien

Elektronische Inventarisierung des Buchbestandes aus den Jahren 1700-1799

Bei der elektronischen Erfassung der Werke aus dem 18. Jahrhundert wurde, wie bereits f¨ur jene aus dem 15.-17. Jahrhundert, nach alten Inventarlisten vorgegangen. Hierbei wurden einerseits in diesen Listen nicht aufscheinende B¨ucher entdeckt, andererseits konnten manche in den Listen gef¨uhrten B¨ucher nicht mehr gefunden werden. Dabei handelt es sich teilweise um Dubletten, die vermutlich in den 1930er-Jahren aufgrund von Geldmangel infolge der allge- mein schlechten wirtschaftlichen Lage f¨ur wichtige Neuanschaffungen verkauft worden sind. Im Zuge der Inventarisierung wurden zun¨achst grundlegende Schl¨usseldaten erfasst; zu diesen z¨ahlen neben dem Titel auch Autor sowie Erscheinungsjahr und -ort, dar¨uber hinaus wurden Angaben wie Sprache, Auflagenbezeichnung, Verlag bzw. Drucker, Umfang, Format, Bemerkungen zu Besonderheiten des jeweiligen Werkes, bibliographische Nachweise und gegebenenfalls beigef¨ugte Werke festgehalten. F¨ur die sp¨atere Einleitung konservatorischer Maßnahmen, sofern erforderlich, war es zus¨atzlich notwendig, den Erhaltungszustand jedes einzelnen Buches zu dokumentieren. Um globale elektronische Recherchen zu vereinfachen und einen m¨oglichst originalgetreuen Eindruck der B¨ucher zu ver- mitteln, wurden ¨uber 800 digitale Fotografien, die sowohl Titelseiten aller Werke als auch Schl¨usselseiten sowie informative Illustrationen umfassen unduber ¨ den Link http://www.ub.univie.ac.at/fb-astronomie abrufbar sind, angefertigt.

Buchbeschreibung

In der Einleitung wird zun¨achst ein Abriss der Wissenschaftsgeschichte und besonders der Astronomie des 18. Jahrhunderts anhand einiger Schwerpunkte, die sich auch im Buchbestand der Bibliothek der Wiener Universit¨atssternwarte widerspiegeln, gegeben. Solche Schwerpunkte sind u.a. Gestalt der Erde, Venus- durchg¨ange und die Entwicklungen im Bereich Sonnensystem, Milchstraße und Kosmos. Auch zwei herausragende Pers¨onlichkeiten der astronomischen Forschung in Wien – Johann Jakob von Marinoni und Maximilian Hell – werden vorgestellt. Weiters wird auf einige Grundz¨uge der Geschichte des Buchwesens im 18. Jahrhundert, das Aufkommen von Periodika sowie die fachliche Aufgliederung des Buchbestandes der Wiener Universit¨atssternwarte eingegangen. Auf den Katalogteil folgen die Kommentare zu einigen ausgew¨ahlten Werken. Auswahlkriterien waren unter anderem der Bezug des jeweiligen Werkes bzw. Autors zu Wien, der Bekanntheitsgrad des jeweiligen Verfassers –B¨ucher bekannter Autoren wurden bevorzugt kommentiert – sowie die Inno- K. Lackner I. M¨uller, F. Kerschbaum et al. 53

Abb. 2: Links: Maximilian Hell, Transitus Veneris per discum Solis anni 1761 (1761), Illustration zum Venusdurchgang — Mitte: Pierre Louis Moreau de Mauper- tuis, Figura Telluris (1742), Titelseite — Rechts: Johann Elert Bode, Von dem neu entdeckten Planeten (1784), Titelseite

vativit¨at eines Titels in Bezug auf die Entwicklung neuer Fragestellungen der Forschung (z.B. Erdgestalt).

Buchbestand

Der regen Sammlert¨atigkeit der Jesuiten verdankt die heutige Universit¨ats- Sternwarte einen Großteil ihrer wertvollsten B¨ucher. F¨ur das 18. Jahrhundert – alle jene B¨ucher, deren Erscheinungsjahr zwischen 1700 und 1799 liegt – ergibt sich eine Gesamtzahl von 317 Titeln, wobei mehrb¨andige Werke als ein Titel gelten; jedoch werden sp¨atere Auflagen fr¨uherer Werke – wie zum Beispiel Newtons Philosophiae Naturalis Principia Mathematica aus 1713, 1739 und 1783 – einzeln gez¨ahlt. Insgesamt liegen 117 Werke auf Latein vor, 114 auf Deutsch, 64 auf Franz¨o- sisch. Der restliche Bestand teilt sich auf neun englische, zwei niederl¨andische, zwei spanische, ein italienisches, ein polnisches und sieben mehrsprachige2 Werke auf. In der ersten H¨alfte des 18. Jahrhunderts, also 1700 bis ein- schließlich 1749,uberwiegen ¨ lateinische Werke (56), in etwa gleichem Ausmaß

2Als mehrsprachige Werke werden jene, in denen die verschiedenen Sprachen in etwa gleichem Ausmaß vertreten sind, bezeichnet. Es gibt vier deutsch-lateinische, einen englisch-lateinischen, einen deutsch-franz¨osischen und einen lateinisch-franz¨osischen Ti- tel. 54 Der historische Buchbestand der Universit¨atssternwarte Wien folgen franz¨osische (22) und deutsche (18). In der zweiten H¨alfte, 1750 bis ein- schließlich 1799, sind deutsche Werke (96) h¨aufiger vorhanden als lateinische (61) oder franz¨osische (42). Diese Aufschl¨usselung repr¨asentiert gewissermaßen den im 18. Jahrhundert vor sich gehenden Wandel, dass im Zuge der Aufkl¨arung Latein als Wissenschaftssprache in den Hintergrund trat und die Autoren ver- mehrt in der jeweiligen Nationalsprache publizierten. Die Werke des 18. Jahrhunderts lassen sich in folgende Sachgebiete un- terteilen: Astronomie einschließlich Himmelsatlanten und Instrumentenkunde (150 Werke, dies entspricht rund 46% des Gesamtbestandes), Mathematik (66), Physik (27), Biographien (8), Geod¨asie (7), Geschichte (6), Chronologie (4), Geographie einschließlich Lexika (4), Meteorologie (2). Die ¨ubrigen 43 Werke lassen sich nicht eindeutig einem der oben erw¨ahnten Sachgebiete zuordnen, wie zum Beispiel Christiaan Huygens Opera varia (1724) und Leonhard Eulers Lettres `a une princesse d’Allemagne (1768-72).

Vieles mehr l¨asst sich den beiden im Peter Lang Verlag erschienen Katalogb¨an- den entnehmen: Der historische Buchbestand der Universit¨atssternwarte Wien. Ein illustrierter Katalog, Teil 1: 15. bis 17. Jahrhundert von F. Kerschbaum, Th. Posch (2005) ISBN 978-3-631-52890-7 Der historische Buchbestand der Universit¨atssternwarte Wien. Ein illustrierter Katalog, Teil 2: 18. Jahrhundert vonK.Lackner,I.M¨uller, F. Kerschbaum, R. Ottensamer, Th. Posch (2006) ISBN 978-3-631-53868-5

Danksagungen

Das Projekt wurde dankenswerter Weise unterst¨utzt vom Bundesminis- terium f¨ur Bildung, Wissenschaft, und Kultur, der Wissenschafts- und Forschungsf¨orderung der Stadt Wien, MA 7 und der Osterreichischen¨ Akademie der Wissenschaften. Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Anton Pilgram – Mitbegr¨under neuzeitlicher wissenschaftlicher Meteorologie?

Thomas Posch und Karin Lackner

Institut f¨ur Astronomie der Universit¨at Wien, T¨urkenschanzstrasse 17, A-1180 Wien, Austria

Abstract

During the three decades following the foundation of the first University Ob- servatory in Vienna, Anton Pilgram (1730-92) worked as astronomer, meteo- rologist and author of a book on chronology. The present paper deals with his merits in meteorology. Among these, we highlight his criticism of questionable rules of weatherforecast – which was in his days erroneously still based, to some extent, on astronomical periods – as well as a detailed study of the interconnec- tion between barometric level and the weather conditions. Moreover, Pilgrams ‘Untersuchungenuber ¨ das Wahrscheinliche der Wetterkunde’ (literally: ‘Inves- tigations on what is probable in meteorology’), published in 1788, represent one of the first scientific books on meteorology.

Leben und Werk Anton Pilgrams; Bemerkung zum Stand der Me- teorologie zu Pilgrams Zeit

In Wien assoziiert man mit dem Namen ‘Anton Pilgram’ heute in erster Linie jenen K¨unstler, der (wahrscheinlich) die sp¨atgotische Kanzel im Stephansdom schuf und von etwa 1455 bis 1515 lebte. Erstaunlicherweise lebte schon im 14. Jahrhundert in Wien ein Anton Pilgram, der aus Br¨unn (heute Brno) stammte und als Bildhauer an der Ausgestaltung des Wiener Stephansdoms mitwirkte. (nach Wurzbach 1856–91, Bd. 22, S. 289). Vorliegender Beitrag bezieht sich je- doch auf einen Mann,uber ¨ dessen m¨ogliche Verwandtschaft mit jenen K¨unstlern bislang nichts eruiert werden konnte und dem die Meteorologie1 eines ihrer er- sten wissenschaftlichen Werke auf der Basis langj¨ahriger Messungen verdankt:

1Wenn im folgenden immer wieder der Begriff “Meteorologie” gebraucht wird, so soll dies nicht dar¨uber hinwegt¨auschen, daß dieser Terminus zu Pilgrams Zeit noch nicht 56 Anton Pilgram auf den Jesuiten Anton Pilgram, welcher der Wiener Universit¨atssternwarte ¨uber viele Jahre hinweg verbunden war.2 Dieser ‘naturforschende Anton Pilgram’ – wie man ihn nennen k¨onnte – wurde am 3. Oktober 1730 in der Hauptstadt der Donaumonarchie geboren. Uber¨ seine Jugendzeit ist nichts bekannt (Steinmayr 1933, S. 2). 1747, also neun Jahre nach seinem sp¨ateren Vorgesetzten Maximilian Hell, trat er in den Jesuitenorden ein. Seine Begeisterung f¨ur die Astronomie erwachte, wie es scheint, nach seiner Vollendung des Noviziates und des Studiums der Philoso- phie. Folgt man Steinmayr, so war Pilgram damals – um 1750 – an der Grazer Sternwarte mit mathematischen Studien besch¨aftigt.3 Kurz vor der offiziellen Einrichtung der Sternwarte der Alma Mater Vindobonensis, n¨amlich im Jahre 1753, wurde Pilgram Adjunkt bei M. Hell in Wien. In dieser Funktion wird er erstmals zu Beginn der Einleitung zu den ‘Wiener Ephemeriden’ (Ephemerides Astronomicae[...] adMeridianumVindobonensem)f¨ur das Jahr 1764 genannt; wir lesen dort:

Partem primam, quae menses complectitur, eadem amplitudine, calculorumque praecisione, qua anni priores, definitam esse, quo- rum quidem calculorum hoc anno egregium sane, atque industrium socium nactus sum P. Ant. Pilgram S.J. atque etiam Astronomum nostrum Tyrnaviensem P. [Franc.] Weiss, qui ultro partem ali- quam calculorum susceperat; divisis itaque laboribus, quod unus ego hactenus anno toto perficere debebam, effectum est, ut sex ante finem anni mensibus calculos finiverimus, atque praeterea otium nactus sim, quo Initium edendarum Tabularum Astronomicarum omnium, quod dudum cupieram, hoc quidem anno facere potuerim. (Hell [1763], S. 3) das feststehende Synonym f¨ur “Wetterkunde” war. Als Beleg daf¨ur m¨oge dienen, daß im Jahre 1832 in Ilmenau ein Buch “Meteorik, oder Witterung- und Wetterkunde” [sic] erschien. Dabei handelte es sich um eine deutsche Ubersetzung¨ (von Sigismund Gottfried Dietmar [recte Dittmar]) des franz¨osischen Buches “R´esum´e complet de m´et´eorologie” von Charles Bailly. 2W. Kosch urteiltuber ¨ Pilgrams Wetterkunde sogar, das Buch habe der Meteorologie “zum ersten Male eine wissenschaftliche Grundlage zu geben versucht” (Kosch 1937f., Bd. 2., SS. 3586). 3Außer bei Steinmayr konnte allerdings bislang kein Hinweis f¨ur eine T¨atigkeit Pil- grams in Graz gefunden werden. – Um 1750 (bis zu seiner Berufung nach Wien) war Karl Scherffer SJ (1716–1783) Leiter der Grazer Sternwarte (Vargha 1990/92, S. 7; Wurzbach 1856–91, Bd. 29, S. 214ff.). Scherffer stand u.a. in Korrespondenz mit dem bekannten Physiker und Naturphilosophen Roger Boskovi´c SJ (1711–1787),ubersetzte ¨ Schriften desselben wie auch Lacailles und trat als Verfasser zahlreicher mathematischer und physikalischer Abhandlungen hervor, welche teils auf Deutsch, teils auf Lateinisch erschienen. Er f¨uhrte an der Universit¨at Wien (als Professor f¨ur Mathematik) die New- tonsche Physik ein. Vgl. dazu z.B. Wurzbach 1856–91, Bd. 29, S. 214ff. Th. Posch und K. Lackner 57

Hell bezeichnet seinen Adjunkten also als “fleißigen Assistenten” und betont dankbar die durch ihn und durch P. Franz Weiss S.J. erm¨oglichte raschere Fertigstellung des entsprechenden Ephemeriden-Bandes.4 In Anbetracht dessen, daß Pilgram in seiner 1788 erschienenen ‘Wet- terkunde’ von meteorologischen Beobachtungen spricht, die er selbst 25 Jahre lang gemacht habe, muß man davon ausgehen, daß er bereits in den fr¨uhen 1760er-Jahren mit diesen Beobachtungen begonnen hat – also etwa zur selben Zeit, da ihn Hell in den Ephemeriden erstmals erw¨ahnt. Tats¨achlich schreibt Pilgram an einer Stelle seiner Meteorologie-Monographie:

Nun haben wir die Witterung Wiens das ganze Jahr hindurch von Tag zu Tag betrachtet, wo ich sie vom November 1762 bis Decem- ber 1786, wo ich dieses schrieb, getreu beobachtet, und aufgemer- ket [. . . ] (Pilgram 1788, S. 50)

Das n¨achste auffallende Ereignis in Pilgrams Biographie nach dem Antritt seiner Assistentenstelle ist Hells Aufbruch zu seiner Lappland-Reise Ende April 1768 (vgl. zu einigen neuen Aspekten dieser Expedition Aspaas & Hansen 2007, 138). Pilgram blieb n¨amlich als Hells Vertreter in Wien zur¨uck und gab an seiner Stelle drei Jahrg¨ange der Wiener Ephemeriden heraus (1769–71); ferner ¨ubernahm er den Zeitdienst und die Leitung der Sternwarte. Auch sp¨ater noch, bis in die 1780er-Jahre, blieb Pilgram Mitautor der Wiener Ephemeriden – nicht zuletzt der Appendices (s.u.). 1770 wurde Pilgram der Titel “kaiserlicher Astronom” verliehen (P¨arr 2001, S. 39.5).KurzeZeitnachHellsR¨uckkehr von seiner erfolgreichen Skandinavien- Reise, n¨amlich im Jahre 1773, wurde der Jesuitenorden aufgel¨ost. Steinmayr schreibt dazu:

Als 1773 der Jesuitenorden aufgehoben wurde, zog er [Pilgram] sich als Weltpriester in das Privatleben zur¨uck [...]. Aber auch sein Privatleben war ausgef¨ullt mit wissenschaftlicher T¨atigkeit, obwohl Pilgram stets von schw¨achlicher Gesundheit war. (Steinmayr 1933, S. 2).

4Franz (Ferenc) Weiß, 1717–1785, war Gr¨undungsdirektor (seit 1756) des Astronomis- chen Turms von Tyrnau (Trnava/Nagyszombat) und machte sich in den sp¨aten 1770er- Jahren als Begr¨under der Sternwarte von Ofen (heute Budapest) einen Namen. Er korrespondierte neben dem oben erw¨ahnten Karl Scherffer mit zahlreichen namhaften Astronomen Europas. Vgl. dazu Vargha 1990/92, S. 7, S. 137 und ¨ofters; Wurzbach 1856–91, Bd. 54, S. 105f. 5Nach ADB (Bd. 26, S. 129) erhielt Pilgram den Titel “zugleich” mit der Weisung, eine Vermessung und Neukartierung Nieder¨osterreichs vorzunehmen. Wie unten geschildert wird, erfolgte letztere Weisung aber erst Anfang der 1790er-Jahre 58 Anton Pilgram

In das Jahr 1781 f¨allt die Publikation des Werkes ‘Calendarium chronolo- gicum medii potissimum aevii monumentis’. Es wurde vom k.k. Hofbuchdrucker Joseph Edlen von Kurzbeck verlegt – ebenso wie sp¨ater die ‘Wetterkunde’ – und entwickelte sich zu einem von Historikern viel benutzten Handbuch. Weit- ers publizierte Pilgram in den Appendices zu den Wiener Ephemeriden wieder- holt eigene Artikel, so etwa d.h. f¨ur den Ephemeriden-Jahrgang 1772) eine Uberarbeitung¨ der Mondtabellen des Tobias Mayer (Appendice Tabularium Lu- narium Cel. D. Mayeri recens Londini editarum, [...] inusumcommodiorem a P. Pilgram reductarum; Tabulae aberrationum et nutationum pro 500 fixiis). 1775 erschien in den “Beytr¨agen zu verschiedenen Wissenschaften von eini- gen Oesterreichischen Gelehrten” seine Abhandlung ¨uber die scheinbare Gr¨oße der Jupitermonde (Pilgram 1775). Auch die Jahrg¨ange 1783–85 enthalten in ihren Appendices noch Beitr¨age Pilgrams (Tabulae pro reductione ascensionis rectae, et declinationis planetarum, et fixarum declinationem 34 graduum non excedentium ad eorum longitudinem et latitudinem). Anno 1791 – die ‘Untersuchungenuber ¨ das Wahrscheinliche der Wetter- kunde’ waren erschienen, und auf der B¨uhne der Weltgeschichte hatte Osterreich¨ unter Joseph II. seinen letzten T¨urkenkrieg hinter sich gebracht, dabei im Jahr der Franz¨osischen Revolution Belgrad erorbert – erhielt Pil- gram von den Landst¨anden den Auftrag zur Vermessung und Neukartierung von Nieder¨osterreich. Eine milit¨arische Karte lag zwar bereits vor, doch wurde diese geheim gehalten, und Joseph II. strebte auch eine zivile Landesaufnahme auf der Basis von Triangulationsmessungen an. Praktisch nahm Pilgram die ihmubertragene ¨ Aufgabe unter der Oberaufsicht von Franz Freiherr von Pran- dau im Mai 1792 in Angriff und setzte sie bis Oktober fort (Steinmayr 1932, S. 17; Kastner-Masilko 2005, S. 116f; vgl. auch den Beitrag von Kastner-Masilko im vorliegenden Band). F¨ur die L¨angenmessungen verwendete Pilgram ein Chronometer, das 1784 auf Bestellung Joseph II. von der Londoner Werkst¨atte John Arnold geliefert worden war und welches sich noch heute im Museum der Universit¨atssternwarte befindet (Steinmayr 1933, S. 4).6 Infolge einer Uberanstrengung¨ starb Anton Pilgram am 15. Januar 1793 in Wien (Steinmayr 1932, S. 2). Das Vermessungs- und Kartierungsprojekt wurde von Georg Ignaz Freiherr von Metzburg (1735–1798), Professor f¨ur Mathematik in Wien, und nach dessen Tod von Franz de Paula Triesnecker (1745–1817), dem Nachfolger Hells als Direktor der Wiener Universit¨atssternwarte, weitergef¨uhrt. Triesnecker

6Dieses Chronometer hat einen Ziffernblattdurchmesser von 6 cm und tr¨agt folgende Signaturen, die von seiner langen Geschichte zeugen: “JOHN ARNOLD LONDON No. 59”; “NIEUWE BALANS SPIRAAL ENZ BY KIEK & CASSERES AMSTERDAM 1874”; sowie auf der Unterseite: “Geh¨ause April 1928 von Ing. Karl Satori, Wien”. John Arnold lebte von 1736 bis 1799 und begr¨undete die heute noch bestehende Uhrenman- ufaktur Arnold & Son im Jahre 1764. Er trug zur L¨osung des L¨angengradproblems bei und stellte als allererster eine Taschenchronometer (pocket chronometer, No. 36) her. Th. Posch und K. Lackner 59 konnte dann noch 1799 die Vermessungsarbeiten abschließen. Die daraus resul- tierende Karte hatteubrigens ¨ einen Maßstab von 1:288.000 (Kastner-Masilko 2005, S. 117). Blicken wir nach diesem biographischen Abriß in aller K¨urze auf den Stand der Wetterkunde zu Pilgrams Zeit. Dabei l¨aßt sich von folgender Behauptung Steinmayrs ausgehen: Pilgram habe sich “von den mythischen Auffassungen fr¨uherer Jahrhunderte und von der Astrometeorologie seiner Zeit vollkommen frei gemacht” (Steinmayr 1933, S. 18). Was ist darunter zu verstehen? In so manchem Lexikon – so etwa in der Encyclopaedia Britannica von 1962 – sucht man den Terminus Astrometeorologie bzw. astrometeorology vergeb- lich. Der Große Brockhaus in zw¨olf B¨anden aus den Jahren 1977–81 enth¨alt die sehr knappe Eintragung: “Astrometeorologie, Wettervorhersage auf astro- logischer Grundlage (z.B. Hundertj¨ahriger Kalender)” (Brockhaus 1977ff., Bd. 1, S. 401). Etwa ebenso wenig Aufschluß ist derzeit (Herbst 2007) aus der Internet-Enzyklop¨adie Wikipediauber ¨ die Bedeutung des Terminus Astromete- orologie zu erhalten.7 Tats¨achlich ist die Charakterisierung der Astrometeorolo- gie als Versuch einer Meteorologie auf astrologischer Grundlage aus heutiger Sicht nicht unzutreffend; doch das Selbstverst¨andnis derjenigen Autoren, die zu Pilgrams Zeit versuchten, Wettererscheinungen mit astronomischen Perio- den und Ph¨anomenen in Beziehung zu setzen, war nicht immer dieses, daß sie damit Astrologie – und somit eine Pseudowissenschaft – betrieben. Wenn Steinmayr schreibt, Pilgram habe sich von der Astrometeorologie seiner Zeit frei gemacht, so meint er damit, daß der Wiener Astronom und Meteorologe jeglichen (signifikanten) Einfluß der Himmelsk¨orper auf das irdi- sche Wettergeschehen einer kritischen Uberpr¨¨ ufung unterzogen habe, zu einer Zeit, da andere Astronomen und Meteorologen dies vielfach nicht taten.8 Als repr¨asentativ f¨ur die unkritische Haltung vieler Naturforscher Ende des 18. Jahr- hunderts betreffend die Relevanz astronomischer Perioden f¨ur meteorologische Ph¨anomene k¨onnen die Artikel “Meteorologie” einerseits im Band 3, anderer- seits im Band 5 (Supplement) von Gehlers Physicalischem W¨orterbuch (1787ff.) gelten. Beiderorts wird n¨amlich eine solche Relevanz affirmiert.9 Zugleich

7W¨ahrend die deutsche Version der Wikipedia dieses Stichwort gar nicht enth¨alt (und, nebenbei bemerkt, auch noch keinen Artikeluber ¨ den Naturforscher Pilgram), ist in der englischen Version des Artikels ‘Meteorological astrology (or Astrometeorology)’ folgen- der – grundlegende terminologische Unklarheit enth¨ullende – Diskussionsbeitrag zu lesen: ‘Shouldn’t this be astrological meteorology?’. Des weiteren liest man im Haupttext des Artikels den nicht eben erhellenden Satz: “Astrometeorology is thousands of years old and based on astronomical positions that directly affect the weather on Earth.” (Stand: 5. 9. 2007) 8Wir werden darauf weiter unten (im Abschnittuber ¨ “Einige bemerkenswerte Pas- sagen des Pilgramschen Wetterkunde-Buchs”) noch etwas ausf¨uhrlicher eingehen. 9Vgl. Gehler 1787ff., Bd. 3, S. 207: “Das Mittel, woran man sich bey der Vorhersa- gung der Witterung noch bisher am meisten gehalten hat, ist die R¨uckkehr derselben 60 Anton Pilgram wird aber immerhin zugestanden, daß die Meteorologie des 18. Jahrhunderts eigentlich noch gar nicht den Status einer Wissenschaft erreicht habe.10 Wenn sich Gehlers Physicalisches W¨orterbuch mehrfach auf den italienis- chen Naturforscher Giuseppe Toaldo (1719–1797)11 – nicht jedoch auf Pilgram – beruft, so ist auch dies symptomatisch f¨ur den Stand der wetterkundlichen Forschung des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Toaldo hatte es n¨amlich zu eben jener kritischen Haltung gegen¨uber der Astrometeorologie, die Pilgram zu propagieren suchte, noch nicht gebracht. Nichtsdestoweniger werden seine astrometeorologischen Regeln f¨ur die Wetterprognose in einem Standardwerk der Naturkunde als von praktischem Wert bezeichnet.12 Angebliche praktische Brauchbarkeit meteorologischer Prognoseans¨atze wird hier ¨uber eine Unter- suchung von deren physikalischer Plausibilt¨at gestellt, obwohl zu eben dieser – wie wir im zweiten und besonders im dritten Abschnitt des vorliegenden Beitrags sehen werden – Pilgram den Weg gewiesen hat.

Aufbau der ‘Untersuchungen ¨uber das Wahrscheinliche der Wet- terkunde’

Das Werk beginnt mit einer Widmung an Kaiser Joseph II. (dessen Regier- ungszeit 1765 begonnen hatte und zwei Jahre nach dem Erscheinen des Pil- gramschen Meteorologie-Werkes, 1790, enden sollte). Wir lesen dort: Eine Schrift, die sich die Erweiterung des menschlichen Wissens von einer, und die geh¨orige Beschr¨ankung mancher angemaßten Vorhersehung von der anderen Seite zum Zwecke setzt; die verm¨oge nach Perioden, besonders nach der Periode von neunzehn Jahren.” Ebd., Bd. 5, S. 638: “Toaldo glaubt aus den Beobachtungen gefunden zu haben, daß das Wetter vornehmlich durch den Stand des Mondes gegen Sonne und Erde bestimmt werde [. . . ]”. 10Ebd., S. 637: “Bey so getheilten Meinungen [¨uber die Natur der Vorg¨ange in unserer Atmosph¨are] sind wir noch weit entfernt von festen theoretischen Grunds¨atzen, welche der Meteorologie die Form einer Wissenschaft geben k¨onnten. [...] nochistdieTheorie zu schwankend, um sichere Anwendungen zuzulassen, und es bleibt nichtsubrig, ¨ als die Beobachtungen mit unerm¨udetem Fleiße fortzusetzen und zu sammeln. 11Toaldo war, wie Pilgram, auch Geistlicher, und, wie dieser, mit Astronomie und Meteorologie befaßt. Er initiierte die Umwandlung des alten Turms (aus dem 13. Jahr- hundert) des Kastells von Padua in ein astronomisches Observatorium (1777) und wirkte als Professor an der Paduaner Universit¨at. Pilgram zitiert in seiner ‘Wetterkunde’ zwei B¨ucher Toaldos (den er ‘Thoaldo’ schreibt): Saggio Meteorologico (1770) und Meteorolo- gia applicata all’Agricoltura (1775,ubs. ¨ Graz 1777 u.¨o.). In seinem kommentierten Liter- aturverzeichnis nennt er ihn einen “ber¨uhmte[n] Witterungsforscher und Astronom[en]” (Pilgram 1788, S. )()(3 [sic]. 12Vgl. Gehler 1787ff. z.B. Bd. 5, S. 641, unter Bezugnahme auf Toaldo: “So wenig der Einfluß des Mondes zureichend ist, die ganze Meteorologie darauf zu gr¨unden, so sind doch diese Regeln, als allgemeine aus den Erfahrungen gezogne S¨atze, keineswegs zu verwerfen, und k¨onnen dem Landwirthe von großem Nutzen seyn.” Th. Posch und K. Lackner 61

tausendj¨ahriger, aus glaubw¨urdigen Urkunden gesammelter Wit- terungsbeobachtungen, und daraus gezogener Perioden, der Wet- terkunde nur jenen Grad der Wahrscheinlichkeit, und des Werthes bestimmt, auf welchen sie einigen Anspruch zu machen berechtigt ist; die es unternimmt, viele irrige Begriffe, und aus Vorurtheilen ehrw¨urdig gewordene Meynungen zu berichtigen; die vorz¨uglich zur Absicht hat, verj¨ahrte, und wegen Mißdeutungen der so genan- nten Loostage dem Wein, und Ackerbau oft sch¨adlicher Vorurtheile auszurotten; darf ungescheut dem Throne eines Monarchen sich n¨ahern, bey dem Alles, was zur Belehrung, und Besten der Men- schen etwas beytragen kann, allergn¨adigste Aufnahme findet.

Bemerkenswert ist die positive Beziehung Pilgrams – eines ehemaligen Jesui- ten – zum aufgekl¨arten Herrscher, die in obigem Zitat zum Ausdruck zu kommen scheint. Es muß freilich dahingestellt bleiben, ob sich der Autor nur der Gunst des Herrschers versichern wollte oder tats¨achlich einen gewissen Respekt f¨ur dessen Abneigung gegen Aberglauben und unaufgekl¨arten Geist hatte, wie man aus dem letzten Satzteil herauszuh¨oren meint. In der darauf folgenden Vorrede weist der Autor darauf hin, daß er in dieser Arbeit untersuchen wolle, auf wie lange man Vorhersagen treffen k¨onne. Zu diesem Zweck f¨uhre er seine Rechnung f¨ur die letzten tausend Jahre durch, da es f¨ur fr¨uhere Zeiten zu wenig zuverl¨assige Aufzeichnungen gebe; f¨ur Lostage13 ziehe er nur seine eigenen Beobachtungen heran, die sich (wie bereits in Ab- schnitt 1 erw¨ahnt) auf 25 Jahre erstreckten. Differenziertere Ausf¨uhrungen antizipierend, h¨alt Pilgram bez¨uglich der Lostage schon in der Vorrede fest: “Ich zweifle aber, ob diese Tage einer weitern Untersuchung werth sind.”14 Die Danksagung am Ende der Vorrede (beispielsweise an die Augustiner, die ihm Zutritt zu ihrer Bibliothek gew¨ahrten, sowie an den namentlich genannten Bibliothekar) mutet modern an, ebenso das Literaturverzeichnis, in dem die in diesem Werk angef¨uhrten Autoren nicht nur aufgelistet, sondern auch kurz kommentiert wurden. Die ‘Wetterkunde’ selbst ist in zwei Teile geteilt. Der erste Teil (S. 1ff.) – Pilgram nennt ihn “eher eine Wetterchronik als eine Untersuchung” – beginnt mit einem Kapitel ¨uber Nutzen und Notwendigkeit der Wetterkunde sowieuber ¨ die Wirkung der Sonne auf die Witterung. Es folgt ein Abschnittuber ¨ die “gew¨ohnliche Witterung in Wien auf jeden Tag des Jahrs”. Die Charakteristika der einzelnen Monate in Bezug auf Tem-

13Als Lostage werden (oder wurden traditionell) bestimmte Tage des Jahres bezeich- net, die nach volkst¨umlicher Uberlieferung¨ eine besondere Bedeutung hinsichtlich der zuk¨unftigen Witterung und der Verrichtung landwirtschaftlicher Arbeiten besitzen soll- ten (z.B. Lichtmeß, Eisheilige, Siebenschl¨afer, Rauhn¨achte). 14Pilgram 1788, S. )(3 [sic]. 62 Anton Pilgram peratur, Niederschlag und Luftfeuchtigkeit – aber auch in Bezug auf das heute so genannte ‘Biowetter’ – werden besprochen. In den sich anschließenden ‘An- merkungen ¨uber die wienerische Witterung’ (S. 50ff.)finden sich aufschlußreiche statistische Angabenuber ¨ mittlere Temperaturen, Extremwerte der Temperatur, Nebel, Regen und Schnee, Winde, ‘Donnerwetter’ sowie den Einfluß der Wit- terung auf die Gesundheit. Was die mittlere Morgentemperatur im Zentrum Wiens betrifft, findet sich zum Beispiel die Angabe 6.35◦ R´eaumur, was 7.94 ◦ Celsius entspricht. Dieser Wert ist immerhin ein 20-Jahres-Mittel!15 Was den Einfluß des Wetters auf die Gesundheit anlangt, so kommt Pilgram durch den Vergleich der Anzahl der Verstorbenen pro Monat in den Jahren 1759 bis 1786 zu dem Schluß, daß der Dezember der f¨ur die Gesundheit beste Monat sei, da im Dezember merklich weniger Leute gestorben seien (obwohl zu dieser Jahreszeit mehr Menschen in der Stadt lebten als im Sommer), w¨ahrend der August der sch¨adlichste sei (S. 77).16 Es folgen ein Vergleich der Witterung in Wien mit Padua und Paris (S. 79f.) sowie eine kurze Beantwortung der Frage, wie sich aus der Witterung Wiens Schl¨usse auf die durchschnittliche Witterung anderer L¨ander ziehen lassen (S. 81ff.). Ein ausf¨uhrliches Kapitel (S. 83ff.) ist “Ausartungen von der gew¨ohnlichen Witterung” – also Wetterextremen – gewidmet. Dieses enth¨alt u.a. ein Ver- zeichnis außerordentlicher Witterungen seit der Sp¨atantike (sehr kalte/milde Jahreszeiten,uberschwemmungsreiche/trockene, ¨ st¨urmische, an Gewittern oder Nordlichtern reiche Jahre etc.) und der Auswirkungen der Witterungen (frucht- bare/ unfruchtbare Jahre: Hunger, Uberfluß,¨ Teuerung etc.). Es werden gute und schlechte Weinjahre (da Wein ein Hauptprodukt Osterreichs¨ sei), Jahre mit Epidemien bei Tier und Mensch sowie mit Erdbeben, Vulkanen und Insekten- plagen aufgef¨uhrt. Im zweiten Teil (S. 317ff.) befaßt sich Pilgram zun¨achst mit der Frage, was sich f¨ur kurze Zeit an Witterung voraussagen lasse, danach liefert er ein chronologisches Verzeichnis aller ihm bekannten Kometen. Sodann geht er der Frage auf den Grund, was sich aus dem Erscheinen eines Kometen f¨ur die Witterung schließen lasse. Hierf¨ur erstellt er Statistiken aus seinen im er- sten Abschnitt angef¨uhrten Wettererscheinungen. Seine Schlußfolgerung lautet, daß beim Erscheinen heller Kometen zwar unter Umst¨anden ungew¨ohnliche

15Leider gibt Pilgram nicht genau an, wann am Morgen und wo genau er seine Beobach- tungen durchgef¨uhrt hat. Trotzdem ist ein Vergleich mit neuen Daten illustrativ: Nach http://www.zamg.ac.at/fix/klima/jb2005 betr¨agt der Jahresmittelwert der Morgen- messung (7 Uhr) f¨ur 2005 9.5◦ Celsius. Die Differenz von etwa 1.5◦ Celsius zum Pil- gramschen Wert kann mehrere Ursachen haben: Ver¨anderung der Bebauungsdichte und der Bodenbeschaffenheit im Stadtzentrum, Unterschiede in den Details des Messungsver- fahrens – und nicht zuletzt die Klimaerw¨armung der vergangenen Jahrzehnte. 16Jedoch verabs¨aumt es Pilgram nicht anzumerken, daß f¨ur Lungenkranke der Dezem- ber der gef¨ahrlichste Monat sei (S. 47). Th. Posch und K. Lackner 63

Ereignisse beobachtet worden seien, dies aber nicht in einem statistisch sig- nifikanten Maße (wie sein Argument in moderner Terminologie zu formulieren w¨are; vgl. dazu auch den n¨achsten Abschnitt). Im n¨achsten Teil des zweiten Abschnitts trifft Pilgram Voraussagen aus der Witterung einer Jahreszeit auf die anderen drei und verweist auf diverse andere Umst¨ande wie Krankheiten und Erdbeben. So ziehe ein schneerei- cher Winter einen k¨uhlen Fr¨uhling nach sich und vermehre die Anzahl der Nordlichter, ein regnerischer Winter habe einen k¨uhlen, feuchten Sommer sowie wenige Nordlichter zur Folge, außerordentliche Winter vermehrten die Winde und in Jahren mit feuchtem Winter sei die Wahrscheinlichkeit f¨ur Erdbeben und Vulkane h¨oher. Sodann werden die sogenannten Lostage jeder Jahreszeit einzeln genau beschrieben und der Einfluß von trockenen und feuchten Jahren, Gewittern und Nordlichtern auf Fruchtbarkeit, Gesundheit etc. untersucht. So br¨achen in trockenen Jahren mehr Epidemien aus als in feuchten, auch Erd- beben seien in und nach trockenen Jahren h¨aufiger. Im darauffolgenden Kapitel befaßt sich Pilgram mit den Zeichen einer bevor- stehenden Wetterver¨anderung, sowohl am Himmel als auch am Verhalten der Tiere (zum Beispiel k¨undeten Schwalben im Tiefflug Regen an) und an den Pflanzen. Zuletzt folgen Beschreibungen meteorologischer Instrumente (Barometer, Thermometer, Hygrometer, Windf¨ahnchen, Hyetometer,17 Atmidometer,18 wo- bei zun¨achst auf die Geschichte bzw. Erfindung des jeweiligen Instrumentes eingegangen wird, sodann Formen und Arten sowie deren Fehler und Mes- sungen vorgestellt werden und zuletzt erl¨autert wird, was sich daraus f¨ur die Witterung ableiten lasse. Beispielsweise bemerkte Pilgram die Bedeutung der Schwankungen des Barometers f¨ur die bevorstehende Witterung (vgl. den fol- genden Abschnitt).

Einige bemerkenswerte Passagen des Pilgramschen Wetterkunde- Buchs

Der gegenw¨artige Abschnitt verh¨alt sich zum vorangehenden insofern komple- ment¨ar, als er einzelne Passagen und S¨atze aus Pilgrams Buch von 1788 genauer zu beleuchten beabsichtigt, ohne daß eine systematische Behandlung eines der dabei angesprochenen Themen angestrebt w¨urde. Bereits in der Vorrede zu seinem Wetterkunde-Buch hebt der Autor ein grundlegendes Dilemma der zeitgen¨ossischen Meteorologie hervor: das Pub- likum schwanke zwischen pauschaler Verurteilung unduberm¨ ¨ aßigem (blindem)

17Veraltete Bezeichnung f¨ur ein Ger¨at zur Niederschlagsmessung. 18Instrument zur Messung der Verdunstung. 64 Anton Pilgram

Vertrauen der bzw. in die Wetterregeln. Auch heute noch l¨aßt sich ja eine ¨ahnliche Problemlage in der ¨offentlichen Wahrnehmung der meisten Natur- wissenschaften konstatieren: n¨uchterne Beurteilung naturwissenschaftlicher Er- kenntnisse und Verfahrensweisen ist viel seltener anzutreffen als die beiden Ex- treme der Euphorie (der ¨uberspannten Erwartungen) und der Verurteilung oder gar Verachtung. Als Thema und Ausgangspunkt seines Buches bezeichnet Pilgram zwei ein- fach erscheinende, dennoch im Fortgang sich als kompliziert erweisende Fragen:

Gewiß und sicher von der Witterung etwas vorsehen wollen [. . . ] ist immer eine k¨uhne, gewagte Sache. Aber l¨aßt sich nicht mit einer gegr¨undeten Wahrscheinlichkeit etwas vorsehen? Und wie groß sind diese Gr¨unde? Dieß ist, was ich mir hier zu untersuchen vorgenom- men habe. (Pilgram 1788, S. )(2 [sic])

Hierin (im Ubergang¨ von der Gewißheit zur Wahrscheinlichkeit) kommt eine auch erkenntnistheoretisch bemerkenswerte Positionierung zum Ausdruck: Ge- rade durch Verminderung des Gewißheitsanspruchs meteorologischer Prognosen soll sicherer Boden unter den F¨ußen gewonnen werden.19 Pilgram stellt daraufhin die “. . . zweyte Frage, auf wie lange Zeit l¨aßt sich in der Witterung etwas vorsehen?”. Die m¨oglichen Antworten, die er erw¨agt, zeigen, wie sehr man im 18. Jahrhundert diesbez¨uglich noch im Dunklen tappte: als M¨oglichkeiten werden Jahre, Tage und Stunden erw¨ahnt! Kaum jemand w¨urde heute, im Zeitalter aufw¨andiger Modellrechnungen zur Simulation der Wetterentwicklung, auf den Gedanken kommen, lokale Wetterprognosen auf der Zeitskala von Jahren zu erwarten. An der Stelle des ersten Teils seines Buches, wo sich Pilgram thematisch der Frage zuwendet, ob sich außerordentliche Wetterlagen und -ereignisse langfristig voraus sehen ließen, vergleicht Pilgram die Vorhersage-Aufgabe der Meteorolo- gie zun¨achst mit jener der Astronomie:

Wenn sie [die extreme Witterung] sich vorsehen l¨aßt, m¨ußten wir eine Periode entdecken k¨onnen, nach deren Verlauf sich immer die n¨amliche außerordentliche Witterung einstellen muß; so wie sich jeder Planet nach gewissen Jahren und Tagen an dem n¨amlichen Orte seiner Bahn einfindet. (Pilgram 1788, S. 83)

Nun zergliedert Pilgram die m¨oglichen Ursachen solcher Perioden: “Wenn Perioden statt finden, ist ihre Quelle entweder in dem Planetenhimmel, oder auf unserer Erde selbst zu suchen.” In Bezug auf langfristige Prognosen geht

19M¨oglicherweise ist Pilgram hier sogar einer der ersten Naturwissenschaftler, die eine Art statistischer Naturgesetzlichkeit in Betracht ziehen, vgl. unten. Th. Posch und K. Lackner 65 es Pilgram also darum zu untersuchen, ob die Himmelsk¨orper – im Sinne der oben erw¨ahnten Astrometeorologie – einen Einfluß auf die Witterung haben, ob sich also von der Astronomie, genauer von der Ephemeridenrechnung her, Meteorologie betreiben lasse. Den Planeten Saturn schließt Pilgram in dieser Beziehung sogleich aus, weil dieser zu weit weg sei, um die irdische Witterung signifikant beeinflussen zu k¨onnen. Hinsichtlich des Mars und des Merkur argumentiert er, daß sie zu klein seien, um einen astrometeorologischen Einfluß aus¨uben zu k¨onnen. Prinzipiell in Frage k¨amen f¨ur Einfl¨usse auf das Wetter nach Pilgram Mond, Venus und Jupiter. Um entscheiden zu k¨onnen, ob sie wetterrelevant sind, folgt – verbal formuliert – ein Argument bez¨uglich der differentiellen Gravitation, d.h. bez¨uglich der Gezeitenkr¨afte: Jupiter und Venus bleiben immer so weit entfernt, “daß sie von dem Mittelpunkt unserer Erde, und allen ihren Theilen immer gleichviel abzustehen scheinen.” Ja, es folgt auch eine quantitative Absch¨atzung: “So wie es unmerklich ist, ob ein 6031 Schuh weit von einer zweyschuhigen Kugel, entfernter K¨orper, von allen Theilen ihrer Oberfl¨ache gleich weit entfernet sey; denn eben so verh¨alt sich die gr¨oßte Ann¨aherung der Venus zum halben Durchmesser der Erde” (Pilgram 1788, S. 83f.). Lediglich f¨ur den Mond zieht Pilgram in Betracht, daß dieser einen Einfluß auf die irdische Witterung haben k¨onnte. Speziell geht Pilgram – mit vielen seiner Zeitgenossen – davon aus, daß der Vollmond eine besondere Wirkung nicht nur auf die Lebewesen auf der Erde, sondern sogar auch auf die Lufth¨ulle habe – und zwar, genauer gesagt, das Licht des Vollmonds. Interessanterweise rekurriert Pilgram in diesem Punkte auf seine subjektive Erfahrung:

Ich weiß, was mir die Beobachtungen der Mondfinsternissen, und die von ziemlich vollem Monde20 sich ereignenden Bedeckungen der Sterneofters ¨ f¨ur Beschwerden verursachet haben. M¨ussen nun die kleinsten Theile der Pflanzen, und die noch ungemein kleinere[n] Lufttheilchen nicht noch weit empfindlicher seyn? M¨ussen nicht die vom Monde zur¨uckgeworfenen Strahlen in der Luft G¨ahrungen21 hervorbringen, welche ob sie schon an sich selbst unf¨uhlbar sind, doch an ihren Wirkungen, als der Bewegung unseres Gebl¨uts, des Safts der Pflanzen, und Nerven, gar merklich werden? (Pilgram 1788, S. 441)

20Heute w¨urden wir sagen: bei ziemlich vollem Monde. 21Indem Pilgram von “G¨arungen” in der Luft spricht, gibt er allerdings zu erken- nen, daß er partiell noch einer organistischen Weltsicht verhaftet ist, die Lebensprozesse generell als Paradigmen f¨ur das Verst¨andnis von Naturph¨anomenen heranzog. 66 Anton Pilgram

Neben dem Einfluß von Mond und Planeten auf die Witterung untersuchte Pilgram auch – wie bereits im vorigen Abschnitt erw¨ahnt – die Wirkung von Kometen. Hierbei kommt er zu folgendem Ergebnis:

Wenn wir alles zusammen nehmen, so l¨aßt es sich zwar kaum l¨augnen, daß die Cometen nicht ohne alle Wirkung auf unsere Erdesind;dieselbeaberistsogering,daßimmer[...] weitmehr Wahrscheinlichkeit f¨ur das Mittelm¨aßige, oder Gew¨ohnliche, als das Außerordentlicheubrig ¨ bliebe. (Pilgram 1788, S. 337)

Damit leugnet Pilgram zwar nicht g¨anzlich jeden m¨oglichen Einfluß der Kometen auf die Erde, macht jedoch deutlich, daß es keinen allgemein nach- vollziehbaren und wissenschaftlich haltbaren Grund gebe, Kometen generell als ’Ungl¨ucksboten’ zu betrachten, denen Katastrophen auf Schritt und Tritt fol- gten. In Kometenjahren sei n¨amlich trotz allem weit eher mit normalen denn mit außergew¨ohnlichen Ereignissen zu rechnen. Mit dieser Erkenntnis wies er den zu seiner Zeit noch stark vorherrschenden Kometenaberglauben in Schranken, was ihm als hohes Verdienst anzurechnen ist. Eine andere grundlegende Frage der Meteorologie, die im ausgehenden 18. Jahrhundert noch ungekl¨art war, ist jene nach der Bedeutung des Barometer- standes. Umstritten war zu Pilgrams Zeit u.a., ob bei gleicher Seeh¨ohe (speziell: auf Meeresniveau) die mittlere Barometerh¨ohe dieselbe sei (Pilgram 1788, S. 484). Der Autor der ‘Wetterkunde’ schreibt dazu: “Da dieses von vielen in Zweifel gezogen wird, wollte ich bey Untersuchung dieser Frage keine M¨uhe sparen; da aber die Sache sehr delikat ist, erfoderte sie viele, und sehr eck- elhafte [sic] Rechnungen.” Offenbar hat sich Pilgram nicht gescheut, diese ‘ekelhaften Rechnungen’ auch wirklich durchzuf¨uhren; und seine dadurch er- langte Schlußfolgerung ist: “Es ist also ¨uberall am Meere die n¨amliche mittlere H¨ohe des Barometers.” (Pilgram 1788, S. 491) Davon ausgehend, ließ sich nun der Zusammenhang zwischen Barometer- stand und Wetterver¨anderungen studieren. Auf diesem Gebiet erbrachte Pil- gram eine Pionierleistung. Umfassendes Datenmaterial analysierend, schreibt er:

[...] es l¨aßtsich[...] ersehen, ob mannichtaus einemStande des Barometers mit gr¨oßerer Wahrscheinlichkeit ein sch¨ones, oder feuchtes Wetter, als aus einem anderen erwarten k¨onne. Ja bey einigen Stellungen desselben, kann man fast sicher seyn. 1. Wenn das Barometer 4 Linienuber ¨ die mittlere H¨ohe steht, hat man am n¨amlichen Tage kaum einen Regen zu besorgen. 2. Steht es mehr als 6 Linien dar¨uber, so geh¨ort ein Regen, dessel- ben Tags, unter die sehr seltenen Zuf¨alle. Th. Posch und K. Lackner 67

3. Alles, wasuber ¨ die mittlere H¨ohe ist, l¨aßt weit weniger ¨ubles Wetter bef¨urchten, als was unter derselben ist. 4. Die Gefahr einesubeln ¨ Wetters w¨achst mit der Tiefe unter der mittleren H¨ohe. (Pilgram 1788, S. 518).

Besonders auch zu Ver¨anderungen des Barometerstandes hat Pilgram eigene Beobachtungen angestellt (S. 519ff.); diese resumiert er mit den Worten: “Das Steigen des Barometers zeigt am ¨oftesten ein trockenes, undofters ¨ ein heiteres, als ein tr¨ubes Wetter an” und: “Das Fallen des Barometers zeigt ¨ofters feuchtes als trocknes, selten aber heiteres Wetter an” (Pilgram 1788, S. 521). Er berichtet auch ¨uber Beobachtungen zur Bedeutung eines schnellen bzw. langsamen Fallens des Barometerstandes; in mathematischer Terminologie k¨onnte man sagen, er bildet die zweite Zeitableitung des Luftdrucks. Interessant ist noch Pilgrams abschließender Vergleich der Wetterkunde mit der Astronomie hinsichtlich des jeweils erreichten Grades der Sicherheit der Aussagen. Er kommt damit auf ein Thema zur¨uck, das ihn ja als Astronomen und Meteorologenimmerwiedersehrbesch¨aftigt haben muß. Nicht ohne Hu- mor h¨alt er dazu fest:

Wir durchgiengen [. . . ] alles, woraus man auf die Witterung et- was schließen zu k¨onnen glaubt, durchsuchten alle Spuren einer Wahrscheinlichkeit, hielten bey den Hauptwettergattungen, l¨angst verflossene Zeiten mit j¨ungstverstrichenen, bey kurzen Ver¨anderun- gen aber, Beobachtungen mehrerer Jahre gegeneinander, und was k¨onnen wir zuletzt daraus schließen? Daß der Winter k¨alter, als der Sommer sey. Dieß ist das einzige, was sich mit einer Gewißheit bestimmen l¨aßt, alles ¨ubrige geht nichtuber ¨ die Gr¨anzen einer zwar gegr¨undeten, aber immer bloßen Wahrscheinlichkeit. O wie groß, wie unendlich ist der Abstand dieser Wahrscheinlichkeit, von jener sicheren, ungezweifelten Gewißheit, die uns die edle Sternkunde lehrt! Auch jenem elenden Stande, worin sie Tycho antraf, da er den Himmel zu beobachten anfieng, kann das Wahrscheinlichste der Wetterkunde bey weitem nicht verglichen werden. Dorten war es um Stunden, und, bey den Oppositionen der Planeten, um einige Tage zu thun, hier aber fehlen ganze Jahre. [...] Essind[...] alle Gegenst¨ande der Wetterkunde so untereinander verflochten, und sie hangen von so vielen Zuf¨allen, und Nebenumst¨anden ab, daß sie sich nie mit einer gesicherten Zuversicht vorsehen lassen. (Pil- gram 1788, S. 604)

Dennoch geht Pilgram davon aus, daß es – wie wir heute sagen w¨urden – wenigstens in einem statistischen Sinne Witterungs-Gesetze gibt. Auf der Basis 68 Anton Pilgram der Unterscheidung zwischen Wetter und Klima kann man auch sagen: Pilgram anerkennt klimatologische – besonders das jeweilige Lokalklima betreffende – Gesetze in weiterem Umfang als meteorologische Gesetze. Dies spricht er etwa an folgender Stelle aus, die sich auf die typische Witterung einzelner Monate bezieht:

Das [sic] einige Gesetze bey allen Gegenst¨anden der Wetterkunde obwalten, zeigen die gefundenen Perioden, und die vielen durch dieses Werk gemachten Anmerkungen. Unsere wienerische Wit- terung kann hierinnfalls zu einem vielfachen Beweise dienen. Wie kann der Julius und August der w¨armste, der J¨aner der k¨alteste: der August der heiterste, der December der tr¨ubeste: der April der feuchteste, der Oktober der trockneste: der Julius der windigste, der November der stilleste [...] Monatseyn, wenn nicht Gesetze obwalten, die diesen Monaten ihre gew¨ohnliche Witterung bestim- men?22 Will man dies einem Zufalle zuschreiben, was so oft, ja gemeiniglich eintraf? Geht nicht hiedurch der Zufall selbst in ein Gesetz ¨uber? (Pilgram 1788, S. 605).

Den Unterschied zwischen der Art der Gesetzlichkeit, die die Astronomie erreicht, und jener, die die Meteorologie erreicht, motiviert Pilgram letztlich theologisch: der Sch¨opfer habe sich vorbehalten, die meteorologischen Gesetze weniger strikt zu gestalten bzw. sich gleichsam durch diese weniger einzuschr¨an- ken als durch die astronomischen (vgl. Pilgram 1788, S. 606–608).

Acknowledgments. Unser Dank gilt Herrn Per Pippin Aspaas (Tromsø) f¨ur zahlreiche Anregungen.

Literatur

Allgemeine Deutsche Biographie, hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Leipzig 1875–1912 (zit. als: ADB) Aspaas P.P., Hansen, T.L., 2007, Geomagnetism by the North Pole, anno 1769: The Magnetic Observations of Maximilian Hell during his Venus Transit Expedition. Centaurus, Jg. 49, S. 138–164 Der große Brockhaus in zw¨olf B¨anden, 1977–81, 18. Aufl., Wiesbaden (zit. als: Brockhaus 1977ff.) Encyclopaedia Britannica, 1962, 14. Aufl. 24 Bde., Chicago et al. Gehler, J.S.T., 1787ff., Physicalisches W¨orterbuch oder Versuch einer Erkl¨arung der vornehmsten Begriffe und Kunstw¨orter der Naturlehre [. . . ]. Neue Auflage, Leipzig, im Schwickertschen Verlage

22Kursivierung hinzugef¨ugt. Th. Posch und K. Lackner 69

Hell, A., [1763], Ephemerides Astronomicae Anni Bissextii 1764 ad Meridianum Vindobonensem Jussu Augustorum Calculis Definitae a Maximiliano Hell, e S.J. Astronomo Caesareo-Regio Universitatis Vindobonensis. Wien, J.T. v. Trattner Kastner-Masilko, H., 2005, Franciscus de Paula Triesnecker. Astronom, Mathematiker und Landvermesser aus Mallon bei Kirchberg am Wagram. G¨osing am Wagram, Edition Weinviertel Kosch W., 1937f., Das Katholische Deutschland. Biographisch-bibliographisches Lexikon. 3 Bde., Augsburg Lackner, K., M¨uller, I., Kerschbaum, F., Ottensamer, R., Posch, Th., 2006, Der historische Buchbestand der Universit¨atssternwarte Wien. Ein illustrierter Katalog. Teil 2: 18. Jahrhundert. Frankfurt am Main et al., P. Lang, Europ¨aischer Verlag der Wissenschaften P¨arr, N., 2001, Wiener Astronomen – Ihre T¨atigkeit an Privatobservatorien und Universit¨atssternwarten. Diplomarbeit, Univ. Wien Pilgram, A., 1775, Abhandlung Von der scheinbaren Gr¨oße der Jupiterstrabanten und ihren Folgen auf die Finsternissen. In: Beytr¨age zu verschiedenen Wissenschaften von einigen Oesterreichischen Gelehrten. Wien, A. Bernhardi, S. 266–316 Pilgram, A., 1788, Untersuchungenuber ¨ das Wahrscheinliche der Wetterkunde durch vielj¨ahrige Beobachtungen. Wien, J. v. Kurzbeck, k.k. Hofbuchdrucker Steinmayr, J., 1932, Die alte Wiener Universit¨atssternwarte unter der Leitung von Jesuiten und Exjesuiten (1755–1816). Unver¨offentlichtes Vortragstyposkript, Fachbereichsbibliothek Astronomie der Universit¨at Wien, Sign. 20.02 STE-I Steinmayr, J., 1933, Anton Pilgram und die meteorologische Forschung gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Unver¨offentlichtes Vortragstyposkript, Fachbereichsbibliothek Astronomie der Universit¨at Wien, Sign. 20.02 STE-I Vargha, M., 1990/92, Correspondence de Ferenc Weiss Astronome Hongrois du XVIIIe Si`ecle, 2 Bde., Budapest 1990/92 Wurzbach, C. v., Biographisches Lexicon des Kaiserthums Oesterreich. 60 Bde., Wien 1856–1891 Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Elektronische Faksimile-Editionen von ausgew¨ahlten Werken der Fachbereichsbibliothek Astronomie an der Universit¨atssternwarte Wien

Hanns Petsch1 und Adrian Partl 2

1 Institut f¨ur Astronomie der Universit¨at Wien, T¨urkenschanzstraße 17, A-1180 Wien, Austria 2 Astrophysikalisches Institut Potsdam, An der Sternwarte 16, D-14482 Potsdam, Germany

Abstract

The Vienna University Observatory holds important collections of historically significant books in the field of astronomy and related disciplines. The library contains a total of 500 books printed prior to 1800. We are trying to follow the tradition, that knowledge should be accessible for each and everybody. So we founded this project to digitally conserve these rare books and open them to the public.

Einleitung

Die Bibliothek an der Universit¨atssternwarte Wien bietet einen ¨uberaus vielf¨alti- gen und großen Schatz an alten B¨uchern zum Thema Astronomie, Mathematik und Physik. Ganz in der Tradition, dass Wissen jedem zug¨anglich sein sollte, wurde die Digitalisierung des Buchbestandes mit dem Ziel in Angriff genommen, die B¨ucher einem breiten Publikum verf¨ugbar zu machen. Die B¨ucher sind dadurch nicht nur jederzeit und allerorts zug¨anglich, auch werden so die B¨ucher vor einem erh¨ohten Gebrauch gesch¨utzt und konserviert. Das Projekt wurde von engagierten Studenten ins Leben gerufen und ehren- amtlich durschgef¨uhrt. Die digitalen Faksimileeditionen dieser B¨ucher befinden sich auf der Home- page des Projektes unter http://www.univie.ac.at/hwastro in mehreren Qua- lit¨atsstufen zum kostenlosen Download bereit. H. Petsch und A. Partl 71

Abb. 1: Reproanlage

Methodik – Ausr¨ustung

Das Institut f¨ur Astronomie stellt uns freundlicherweise eine einfache aber zweckm¨aßige Reproanlage zur Verf¨ugung. Die Anlage selbst besteht aus einer handels¨ublichen Nikon D70 Digitalkamera mit 6 Mpixel Aufl¨osung und einem verzerrungsfreien Makro-Objektiv (AF MICRO NIKKOR 60mm 1:2.8D). Eine sehr stabiles h¨ohenverstellbares Stativ verbindet die Kamera mit dem Repro- Tisch, welcher ¨uber 4 Stk. Claudfar 150W Lampen homogen ausgeleuchtet wird. Als zus¨atzliches Hilfe wird ein Kontrollmonitor verwendet, um direkt nach dem Ablichten die Sch¨arfe, Ausrichtung und Helligkeit zuuberpr¨ ¨ ufen (siehe Abb. 1).

Methodik – Digitalisierung

Zuerst erfolgt ein Weißabgleich mittels geeichter Graukarte. Dadurch wird ein- erseits die Farbechtheit der Buchseiten garantiert und andererseits der dynami- sche Bereich der Kamera optimal ausgen¨utzt. Das ausgew¨ahlte Werk wird dann parallel zu den Kanten der Kamera ausgerichtet und der Bereich des Buches auf dem Repro-Tisch gekennzeichnet, um sp¨atere Verschiebungen korrigieren zu k¨onnen. Eine m¨oglichst konstante Ausrichtung ist unabdingbar, um die nachfolgende digitale Bildbearbeitung effizient durchf¨uhren zu k¨onnen, deshalb werden erst alle rechten Seiten des Buches und danach alle linken abgelichtet. 72 Elektronische Faksimile-Editionen

Die oben beschriebene Methode mag zwar angesichts der heutigen techni- schen M¨oglichkeiten wie Buchscannern etc. veraltet und langsam erscheinen, bietet daf¨ur aber eine sehr geringe Beanspruchung der B¨ucher, was f¨ur uns im Vordergrund steht. Zus¨atzlich dazu kann die Digitalisierung direkt in der Bibliothek erfolgen, es entfallen daher Transportwege und logistische Probleme wie Verpackung und Versicherung.

Methodik – Verarbeitung

Die digitalen Rohdaten werden dann teilweise von Hand, teilweise automatisiert verarbeitet. Die ersten Schritte der Handbearbeitung beinhalten das Drehen der Bilder und Retouchieren jeglicher Halte-Hilfsmittel. Wenn n¨otig, werden die Seiten zentriert, sodass alle Buchseitenubereinander ¨ liegen. Nach diesen Schritten k¨onnen die Bilder automatisch verarbeitet werden. Zuerst werden die Seiten auf eine einheitliche Gr¨oße zugeschnitten. Dann erfolgt die Ver- ringerung der Qualit¨at in unsere zwei Qualit¨atsstufen Mittel und Niedrig, sowie die Umwandlung von Farbe in Schwarz-Weiß. Sind diese Schritte ausgef¨uhrt, f¨ugt ein Skript mittels der in der Astronomie weit verbreiteten Setzersprache LaTeX die Bilder zu einem PDF-File zusammen. Sofern vorhanden werden noch Zusatzinformationen zu den einzelnen B¨uchern den PDF-Dateien beigef¨ugt und dann im Internet ver¨offentlicht. Die Faksimile Ausgaben sind in den Varianten Farbe und Schwarz-Weiß erh¨altlich. Diese sind jeweils in den beiden Qualit¨atsabstufungen Mittel und Niedrig ausgef¨uhrt. Die mittlere Qualit¨atsabstufung ist so gew¨ahlt, dass alle Details erkennbar sind. Die niedrige Qualit¨at hingegen erm¨oglicht nur das Lesen der Schrift, aber nicht mehr das Erkennen der kleinsten Details.

Ver¨offentlichungen

Ende des Jahres 2007 stehen bereits 13 B¨ucher digital im Internet zu Verf¨ugung. Dabei wurde die Sicherung des 15. Jahrhundert komplett abgeschlossen. Insge- sammt sind dies folgende B¨ucher: 1473: Peuerbach: Theoricae novae planetarum 1476: Regiomontanus: Calendarium 1496: Regiomontanus: Epytoma in Almagestum Ptolemaei (siehe Abb. 2 links) 1498: Nicephorus: Logica (siehe Abb. 2 rechts) 1499: Pseudo Proclus Diadochus: Sphaera 1505: Heinrich v. Langenstein: Secreta sacerdotum qu[a]e in missa teneri debent 1515: Claudius Ptolemaeus: Almagestum 1517: Jacques Lef`evre d’Etaples: Introductorium astronomicum 1540: Petrus Apian: Astronomicum caesareum (siehe Abb. 3 links) H. Petsch und A. Partl 73

1606: Johannes Kepler: De Stella nova 1662: Johannes Hevelius: Mercurius in Sole visus Gedani 1770: Maximilian Hell: Observatio transitus Veneris antediscum Solis die 3 Junii anno 1769 1793: Maximilian Hell: Beobachtung des Durchganges der Venus durch die Sonnenscheibe (siehe Abb. 3 rechts) Wir k¨onnen auf der Projektseite einen konstanten Besucherstrom von durch- schnittlich 10 Besuchern t¨aglich verzeichnen. Bemerkenswert dabei ist, dass die Zugriffe von den unterschiedlichsten L¨andern der Welt stammen. Auch die Vernetzung mit wichtigen Internet-Seiten wie Google und Wikipedia f¨uhrt Interessierte auf unser Projekt.

Ausblick

Wir werden die unentgeltliche Arbeit unter R¨ucksichtnahme auf die Fachge- meinschaft weiterf¨uhren und zus¨atzlich die uns interessant erscheinenden B¨ucher digitalisieren. Wir hoffen dadurch die Forschungsarbeit zu erleichtern. Wir danken F. Kerschbaum und Th. Posch f¨ur ihre Schirmherrschaft und tatkr¨aftige Unterst¨utzung. Ohne sie w¨ahre dieses Projekt nicht durchf¨uhrbar. Weiters danken wir U. Kuchner f¨ur ihre Hilfe bei der Digitalisierung und R. Partl f¨ur die Ubersetzung¨ der einleitenden Texte ins Englische. 74 Elektronische Faksimile-Editionen

Abb. 2: Regiomontanus, 1496, p. 6 bzw. Nicephorus, 1498, p. 46

Abb. 3: Apian, 1540, p. 119 bzw. Hell, 1793, p. 18 Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Das k.u.k. milit¨argeographische Institut

Franz Almer 1

Technische Universit¨at, Graz

Abstract

The Institue of Military Geograph was an important institution. founded at the begining of the 19th century (the exactly date is unknown). In Milan (today Italy) was the central institution for the whole Austrian monachy, where the newest topological maps were kept. The succesor of the institute was the Austrian institution of the ”Bundesamt f¨ur Eich- und Vermessungswesen.

Vorgeschichte

Kaiserin Maria Theresia (1717 - 1780) wurde als Tochter des unerwartet fr¨uh verstorbenen Vaters, Kaiser Kar1 VI. zur Nachfolgerin ernannt. Die Erziehungsverantwortlichen bei Hof besorgten ihr als Hauslehrer Professor Jo- hann Jakob Marinoni (geb. 1676 in Udine, gest. 1755 in Wien). Dieser weckte bei Maria Theresia großes Interesse f¨ur die naturwissenschaftlichen F¨acher: Mathematik, Geographie, Astronomie usw. Johann Jakob Marinoni, Sohn wohlhabender Eltern kam 1696 nach Wien. Er wurde auf Grund seiner Vorstudien und nach zweij¨ahrigem Besuch im Alter von 22 Jahren an der Wiener Universit¨at zum Doktor der Philosophie promoviert. Er widmete sich der prak- tischen Mathematik, erteilte Mathematik-Unterricht, unter anderem auch den S¨ohnen und T¨ochtern der kaiserlichen Familie. 1703 (27-j¨ahrig) wurde er mit dem Titel eines kaiserlichen Mathematikers ausgezeichnet. Marinoni wurde durch geod¨atische und ingenieurtechnische Arbeiten immer bekannter und er- stattete in den Jahren 1710 - 1711 mit seinem v¨aterlichen Freunde, dem Inge- nieur - Hauptmann Graf Leander Anguissola (1653 - 1720) Vorschl¨age f¨ur die Errichtung einer Ingenieur - Akademie zur Heranbildung von milit¨arischen und zivilen Ingenieuren, die Kaiser Karl VI. mit Patent vom 24.XII.1717 bewilligte.

1Hofrat Honorar Prof. Franz Almer†, Ehrensenator der TU Graz, starb im Alter von 92 Jahren (∗ 3. November 1916 - † 31. Oktober 2008) 76 Das k.u.k. milit¨argeographische Institut

Anguissola und Marinoni wurden zu Leitern dieser Ingenieur-Akademie ernannt, dieeineVorl¨auferin der technischen Universit¨at war. J.J. Marinoni’s Ruhm stieg weit ¨uber die Grenzen Osterreichs¨ hinaus. Er wurde zum kaiserlichen Rat er- nannt und geadelt. F¨unf Akademien der Wissenschaften aus Europa zeichneten ihn durch seine Mitgliedschaft aus.2 In Wien lebte damals als Vorstand des so genannten Astronomisch- Trigonometrisch Depatements des Generalquatiermeisterstabes Oberst Franz Xaver Richter von Binnenthal (1759 - 1840). Diese Einrichtung kann als Vor- l¨aufer des k.u.k. milit¨argeographischen Institutes angesehen werden. Napoleon und andere namhafte Feldherren waren der unabdinglichen Mei- nung, dass es eine der wichtigsten Voraussetzungen sei, pr¨azise Landkarten zu besitzen, um einen Krieg zu gewinnen. Ein einziges Volk ist bekannt, das ohne kartographische Unterlagen erfolgreiche Kriege f¨uhrte - das waren die T¨urken. Ihre Feldz¨ugegingen¨uber Kontinente hinweg, ihre milit¨arische Planung geschah nur auf Grund m¨undlicher Aussagen von H¨aschern und Spionen.

Osterreichische¨ Landesaufnahme (1764 - 1787)

F¨ur diese Landesaufnahme wurden ungef¨ahr 4000 Sektionen im Massstabe 1 : 28 800 erzeugt, die das damalige Gebiet Ossterreichs¨ umfaßte. Zus¨atzlich zujederSektionwurdeeinew¨ortliche Beschreibung des zeichnerischen Inhaltes verfasst - eine einzigartige Darstellungsart in Europa. Eine strenge Geheimhal- tung des Kartenmaterials (- nur ein Exemplar f¨ur den Kaiser -) war nicht durch eine fehlende Vervielf¨altigungsm¨oglichkeit gegeben, sondern nur, um allf¨alliger Spionage vorzubeugen.

1814/1815 Wiener Kongress Vereinfacht gesagt, wurden die verschiedenen napoleonischen Feldz¨uge und Er- oberungen wieder teilweise r¨uckg¨angig gemacht. Unter anderem wurde die Osterreichische¨ k.u.k Monarchie mit der Verwaltung von Venetien und Lom- bardei im Pariser Frieden (30. Mai 1814) beauftragt. Dieosterreichischen ¨ Offiziere lernten im Zentrum von Mailand das ”Milit¨argeographische Insti- tut” kennen. Die damalige Bezeichnung war ”Deposito della Guerra”. Das Gr¨undungsdatum dieser Institution ist trotz sorgf¨altiger Nachforschungen bis heute unbekannt geblieben. Der im ¨osterreichischen Hauptquartier in Mailand anwesende Chef, Feld- marschall -Leutnant Franz Xaver Richter von Binnenthal (1759 - 18401,

2Die Gr¨undung der Osterreichischen¨ Akademie der Wissenschaften erfolgte erst 1847/48 in Wien - eine der letzten in Europa. F. Almer 77 fr¨uher Vorstand des so genannten Astronomisch - Trigonometrischen De- partementes des General-Quartiermeisterstabes in Wien, erhielt den Auftrag, dieses Mail¨ander Institut (Deposito della Guerra) zu besichtigen und einen ausf¨uhrlichen Bericht an den Kaiser in Wien zu erstatten. Anekdotenhaft soll sich der Kaiser in Wien ge¨aussert haben: ”Ja, darf denn das sein, dass eine so wichtige kartographische Einrichtung in Mailand und nicht in Wien ist?” Nach Anordnung des General-Inspektors des Geniewesens sollte dieses Mail¨ander Institut Karten, Pl¨ane und andere verwandte topographische Ar- beiten sammeln und aufbewahren, damit im Erstfalle die n¨otigen Planungsun- terlagen bereit seien. Auch wurde der Stand der topographischen Unterlagen festgehalten: Geplante Vergr¨osserungen einzelner Institutsteile, kartographis- che Arbeiten, die bereits beendet waren, welche noch im Werden waren, welche noch zu erg¨anzen waren usw. Welche Methoden bei den Triangulierungen, bei den Detailaufnahmen, beim Kupferstich usw. beobachtet worden sind. Ein weiterer Bericht enth¨alt den Stand des Personales, der aus Militaris- ten und Zivilisten zusammengesetzt war; ebenso sind die vortrefflichen Ver- messungsinstrumente, Theodolite, Basismesseinrichtungen, Messtische uam. in aufgeschl¨usselter Form, ebenso dem Maschinenpark f¨ur Gravur und Druck. Der Direktor dieses Milit¨argeographischen Institutes war Major Anton Cam- pana, geboren 1776 in Portici bei Neapel. Er war Kommandeur des herzoglichen Parmaischen Constantinischen Sankt Georgsordens, Ritter des k¨oniglichen sardischen Sankt Mauritius- und Lazarus- Ordens. Aus dem Auszug von Major Heinrich HARTL’s MGI sei zitiert - Mitteilungen, Jahrgang 1888: ”Major Anton Campana ist ein Mann, der mit allen zu diesem Gesch¨aft n¨otigen Kenntnissen ausger¨ustet ist, und mit Leidenschaft, ohne die in diesem Fache nichts Vollkommenes geleistet wird, arbeitet. Es w¨are daher schade, wenn dieses Institut aufgel¨ost, oder dessen Direktor davon entfernt w¨urde, denn nur er allein kann es wissen, welchen Grad von Richtigkeit die bisher erschienenen Arbeiten dieses Institutes haben, und welchen M¨angeln abzuhelfen ist.” Ein weiterer Auszug: Mailand, am 13. Juli 1814. Richter von Binnenthal, FMLT. m/p. ”Derzeit sind mit Einbeziehung des Direktors 17 Offiziere und 29 Zivilper- sonen angestellt. Ihre Geh¨alter betragen 47 787 fl18kr.DasMaterialan Papier, Farben, Federn, Bleistifte usw. d¨urften nach Angabe von Major Cam- pana j¨ahrlich 9 300 fl zu stehen kommen, so dass also das ganze Institut einen Kostenaufwand von ugf. 58 000 flbetr¨agt.”

Spl¨ugenpass (italienisch: Passo dello Spluga)

Bei der Errichtung der inner¨osterreichischen Institution wurde das umfangreiche mail¨ander Kartenmaterialuber ¨ den Spl¨ungenpass transponiert. Dieser Pass ist 78 Das k.u.k. milit¨argeographische Institut an der italienisch - schweizerischen Grenze, 2 113 m¨uber dem Meere, zwischen Chiavenna und Spl¨ugen (Hinterrheintal). Dieser Alpen¨ubergang wurde trotz seiner enormen Seeh¨ohe 2 113 mgew¨ahlt, weil er geologisch sehr g¨unstig war. Durch das weiche Gesteinsmaterial wurde mit geringer Steigung in vielen Ser- pentinen der Pass relativ leichtuberwunden. ¨ Seinerzeit w¨ahlte auch Napoleon mehrmals diesen Pass, wenn er vom S¨uden nach dem Norden zog. W¨ahrend sich unter F¨uhrung von Major Anton Campana der gewaltige Tross von Reit- ern und schweren bespannten Lastwagen in Richtung Wien bewegte - r¨umpften Insider in Wien die Nase; Zwei Dinge erregten die Wiener: 1. Major Campana war Stock-Italiener aus Portici bei Neapel, der kein deutsches Wort verstand. 2. Major Campana war ein sehr t¨uchtiger kartographischer Fachmann und Manager, hatte aber keinen ¨osterreichischen Adelstitel, was in der Kaiserstadt Wien f¨ur ein solches wichtiges Amt untragbar schien. Zu Punkt 2.: Diesem Manko konnte abgeholfen werden, indem Major Cam- pana w¨ahrend des Rittes ¨uber den Spl¨ugenpass nach Wien zum ”Ritter von Spl¨ugenberg” geadelt wurde. Zu Punkt:2r: Dieser Umstand erledigte sich in K¨urze von selbst, da der inzwischen zum Oberst bef¨orderte Ritter von Spl¨ugenberg nach 14 Monaten in Wien starb (1841.02.28).

1839 Ubersiedlung¨ des MGI von Mailand nach Wien: 17 Offizier und 29 Zivilpersonen 16 000 kg Einrichtungsgegenst¨ande mit Pferdefuhrwerken 22 Tage lange Reise nach Wien.

Es gab Transportschwierigkeiten verursacht durch einen Wettersturz mit dem Zusammenbruch einer Br¨ucke. Die Entfernung betrug 120 Osterreichische¨ Meilen = ugf. 910 km (1osterr. ¨ Meile = 7,586 km) f¨ur die Distanz Mailand - Wien. Mit grossem Eifer wurde das k.u.k. Milit¨argeographisches Instituts - Geb¨aude in Wien errichtet. Es gibt Schriftst¨ucke, die betonen, dass auch Pio- niere beim Neubau mithelfen mussten, um den Fertigstellungstermin einhalten zu k¨onnen. Die Kommandanten der Pioniereinheiten hatten wenig Freude mit den ”Fremdarbeiten” ihrer Truppen. Am 1. J¨anner 1840 Inbetriebnahme des A - Geb¨audes (Amtsgeb¨audes) auf dem sp¨ater sobenannten Friedrich Schmidtplatz 3 im VIII. Bezirk (Josefstadt). Das Wiener Rathaus war zu dieser Zeit erst in Planung. Das Personal der neuen Wiener Dienststelle wurde auf das Sechsfache gegen- ¨uber Mailand aufgestockt und war in 8 Abteilungen neu gegliedert:

1. Institutsdirektion: Direktor Anton Campana, Generalmajor. (12 Individuen) Unterdirektor: Oberst von Skribanek F. Almer 79

2. Topographische Zeichnungskanzlei (14 Individuen) 3. Abteilung der Lithographen (17 Individuen, davon 2 Taubstumme) 4. Abteilung der Kupferstecher (18 Individuen) 5. Abteilung der Pressen (22 Individuen) 6. Milit¨artriangulierungs- und Calcul-B¨uro (7 Individuen) 7. Milit¨arische Zeichnungskanzlei des Generalquartiermeister -stabes (13 Individuen) 8. Milit¨ar - Mappierungs - Abteilungen (23 Individuen) Insgesamt: 126 Individuen, davon 17 aus Mailandubernommen. ¨

Schon 30 Jahre sp¨ater (1870), nach Errichtung des Amtsgeb¨audes des k.u.k. Milit¨argeographischen Institutes in Wien auf dem nachmaligen Friedrich Schmidtplatz, platzte das Geb¨aude aus allen N¨ahten. Der Maschinenpark der Kartendruckerei wurde im Zeitalter der rasanten Industrialisierung wesentlich vergr¨ossert, neue Messger¨ate und Messinstrumente wurden beschafft. F¨ur die Schaffung der Vermessungsgrundlagen, wie der astronomisch-geod¨atischen Orts - und Zeitbestim-mung waren neue Instrumente erforderlich, die sorgf¨altig w¨ahrend der Innendienstzeituberpr¨ ¨ uft und justiert werden mussten. Es kam 1870 zu einer Aufstockung eines dritten Obergeschosses des A-Geb¨audes, des- sen Fassade dem heutigen Aussehen entsprach. Zus¨atzlich wurde auf dem s¨ud¨ostlichen Teil des Daches ein Zeitballon angebracht, der ein optisches Zeit- zeichen f¨ur die Wiener B¨urger abgab. 1936 wurde dieser Zeitballon von der Ato- muhr des Eichamtes in Wien ferngesteuert. Durch einen Bombentreffer im Ok- tober 1944 wurde dieser Zeitballon vernichtet und nicht mehr wiederaufgebaut. 1906 war neuerlich die Raumnot des Amtsgeb¨audes auf dem Friedrich Schmidt- platz 3 exorbitant f¨uhlbar. Es wurde daher das freigewordene milit¨arische Geb¨aude auf dem Hamerlingplatz als B - Geb¨aude eingerichtet. Bisher war dieses B - Geb¨aude als milit¨arisches Bettengeb¨aude in Verwendung gestanden. Hier wurden Stahlrohrbetten f¨ur die Kasernen der ganzen Monarchie erzeugt, gelagert, repariert und ausgeliefert. Im Jahre 2006 fand eine w¨urdige Feier des Bundesamtes f¨ur Eich- und Vermessungswesen in Zusammenarbeit mit dem Osterreichischen¨ Bundesheer statt: ”100 Jahre B - Geb¨aude”. 80 Das k.u.k. milit¨argeographische Institut

1914 - 1918 Erster Weltkrieg

Das Milit¨argeographische Institut wurde an allen Fronten eingesetzt. Am 10. September 1919 erfolgte der Friedensvertrag von St. Germain mit Oster-¨ reich. 1921: Gr¨undung des Bundesvermessungsdienstes. Abspaltung des ”Kartographischen Institutes” (vormals: Milit¨argeogra- phisches Institut) Dieses wird als ein Privatbetrieb des Bundes gef¨uhrt (wie vergleichsweise die Bundesforste). 1923: Gr¨undung des Bundesamtes f¨ur Eich- und Vermessungswesen. Das k.u.k. Milit¨argeographisches Institut erlebte im Jahre 1921 ein ganz besonderes unverst¨andliches Schicksal - es wurde aus dem einheitlichen staatlichen Vermessungswesen herausgenommen. Von 1921 bis 1938 wurde die Bezeichnung ”Kartographisches Institut (ehemals Milit¨argeographisches In- stitut)” eingef¨uhrt und zum Privatbetrieb des Bundes erkl¨art. Dieser Betrieb musste sich selbst durch den Verkauf der nun auf 213 Karten beschr¨ankten ¨osterr. Maßbl¨attern erhalten (1 : 75 000 und deren Folgemaßst¨abe). Der Er- folg der Einnahmen betrug aber nur 9 Prozent. 91 Prozent mussten vom Bund j¨ahrlich zugeschossen werden! Was also keine gl¨uckliche kaufm¨annische L¨osung war! Zudem kam mit 19. Dezember 1924 die W¨ahrungskrise mit der Einf¨uhrung der Schillingw¨ahrung als enorme Inflation hinzu. Vor Beendigung des 1. Weltkrieges gab es schon in einschl¨agigen Fach- bl¨attern wichtige Abhandlungen von Offizieren und Hochschulprofessoren, wie eine Neugliederung des staatlichen Vermessungswesens vorstellbar w¨are. Der Wiederaufbau des staatlichen Vermessungswesens nach dem ersten Weltkrieg war sehr schwierig. Grosse Teile des Personals verliessen ihre angestammte Ar- beitsst¨atte und gingen in ihre engere Heimat. Fl¨achenm¨assig wurde Osterreich¨ auf ein Achtel reduziert, nur das neu geschaffene Burgenland zeigte einen kleinen Fl¨achenzuwachs von Ungarn. Wertvolle Archivbest¨ande, Ger¨ate, Ver- messungsinstrumente,. photogrammetrische Auswerteger¨ate (z.B. die genialen automatischen Auswerteger¨ate nach Eduard Ritter von OREL, im Jahre 1907 erdacht und konstruiert) mussten den Sieger- beziehungsweise den Nachfolges- taaten (Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien und Italien) abgegeben werden. Die praktische, beziehungsweise kaufm¨annische F¨uhrung des kartographischen Institutes hatte ein Regierungsrat Kliesch ¨uber (ehemaliger Feldwebel des MGI). 1933: Unter Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuss (1892 - 1934) wurde das demokratische ¨osterreichische Parlament ausgeschaltet und die Einparteien- regierung, genannt ”Vaterl¨andische Front” eingef¨uhrt. Bekanntlich wurde Doll- fuss im Juli 1934 ermordet. Sein Nachfolger wurde Dr. Kurt von Schuschnigg (1897 - 1977). Dieser war streng autorit¨ar und milit¨arisch ausgerichtet. Er f¨uhrte 1935 die allgemeine Wehrpflicht ein, ohne auf den Widerstand der F. Almer 81

Westm¨achte und des V¨olkerbundes zu stossen. (Stille Duldung der West- m¨achte). Nach dem Friedensvertrag der Westm¨achte in St.Germain durfte das ”Rest¨osterreich” nur ein S¨oldnerheer von maximal 30 000 Mann unterhal- ten. Tats¨achlich waren es maximal ungef¨ahr 23 000 Mann. Dieses S¨oldnerheer bestand zum Grossteil aus ehemaligen Soldaten derosterreichischen ¨ Monarchie. 1935: Reg. Rat Kliesch sah nun die M¨oglichkeit gekommen, das ”Kar- tographische Institut (ehemals Milit¨argeographische Institut )” dem neu ent- standenen Bundesheer einzuverleiben. Damit h¨atte f¨ur Reg. Rat Kliesch und seine Mitarbeiter die M¨oglichkeit bestanden, wieder milit¨arischen Charakter zu bekommen; dadurch versprach man sich bessere Bef¨orderungschancen. Im Dienst w¨are das Tragen der ehemaligen Uniform mit Orden und Ehrenzeichen m¨oglich gewesen. Die Mehrzahl des besagten Personals waren ja ehemalige Soldaten. Diesbez¨ugliche Verhandlungen mit den Parlamentariern und mit Bundeskan- zler Schuschnigg waren bereits aufgenommen. Wie im stenographischen Pro- tokoll des Parlamentes mit Nr. 978 vom 4. J¨anner 1935 nachzulesen. Wutentbrannte handgeschriebene Briefe von Professor Dr. Doleschal (Tech- nische Hochschule Wien) an Oberrat Dipl.-Ing. Karl Lego (Bundesamt f¨ur Eich- und Vermessungswesen Wien) durchkreuzten die heimlichen Pl¨ane von Reg. Rat Kliesch. Durch das vehemente Einschreiten von Prof. Dr. Doleschal und OR. Dipl.-Ing. Lego blieb also weiterhin das ”Kartographische Institut (ehemals Milit¨argeographisches Institut)” als Privatbetrieb des Bundes bis zum 13. M¨arz 1938 bestehen. 13. M¨arz 1938: Einmarsch der Deutschen Truppen in Osterreich.¨ Uberf¨¨ uhrung des Osterreichischen¨ Bundesheeres Neugliederung des Osterreichischen¨ Vermessungswesens in die Hauptver- messungsabteilung XIV (HV X I V ). Diese war zugeh¨orig dem Reichsinnenmin- isterium. - Damit waren auch die Bestrebungen von Reg. Rat Kliesch endg¨ultig untergegangen. 8. Mai 1945: Ende des zweiten Weltkrieges in Europa. Die Ostmark wird wieder als unabh¨angige Republik Osterreich¨ gewertet. Die vier Be- satzungsm¨achte (Amerika, England, Frankreich und Russland) besetzen nach den Beschl¨ussen der Konferenz von Jalta (1943) dasosterreichische ¨ Staats- gebiet. (Staatsvertrag 1955). Als erstes Gesetz f¨ur das wiedererstandene Osterreich¨ wurde das ”Wiederherstellungsgesetz” geschaffen, wodurch alle bis zum 13. M¨arz 1938 geltenden Gesetze und Verordnungen wieder in Kraft ge- treten sind. Trotzdem gab es auch da Anderungen¨ gegen¨uber 1938, die zum Teil auch das staatliche Vermessungswesen betrafen: Bundesgesetzblatt f¨ur die Republik Osterreich.¨ 27.St¨uck/Jg.1946, ausgegeben am 12. Juni 1946: 85. Kundmachung der Provisorischen Staatsregierung vom 18. Oktober 1945uber ¨ die Aufhebung deutscher Rechtsvorschriften auf dem Gebiete der 82 Das k.u.k. milit¨argeographische Institut

Beh¨ordenorganisation (31. Kundmachunguber ¨ die Aufhebung von Rechtsvor- schriften des Deutschen Reiches) : . . Weiters: das Gesetz ¨uber die Bildung von Hauptvermessungsabteilungen vom 18. M¨arz 1938,Deutsches R.G.Bl. I S. 277 (G.Bl.f.d.L.O.¨ Nr. 33/1938) die Verordnung zur Einf¨uhrung des Gesetzesuber ¨ die Neuordnung des Ver- messungswesens im Lande Osterreich¨ und in den sudetendeutschen Gebieten vom 15. Februar 1939, Deutsches R.G.Bl. I S.277 (G.Bl.f.d.L.O.¨ Nr. 238/39), das Gesetz Uber¨ die Neuordnung des Vermessungswesens vom 3. Juli 1934, Deutsches R.G.Bl. I S.277 (G.Bl.f.d.L.O.Nr.¨ 238/1939) die Verordnung zur Einf¨uhrung des Beschlussrechtes in den Reichsgauen der Ostmark und im Reichsgau Sudetenland vom 6. Mai 1940, Deutsches R.G.Bl. I S.805. Weiters das Gesetz ¨uber. die Vollzugsanweisung der Staatsregierung vom 6. Juli 1919, St.G.Bl.Nr. 380, betreffend einheitliche Regelung des gesamten staatlichen Vermes- sungswesens, die Verordnung der Bundesregierung vom 21.September 1923, B.G.Bl.Nr.550, ¨uber die Auflassung der Normaleichungskommission und die Vereinfachung der Organisation des Eichwesens, die Verordnung des Bundesministeriums f¨ur Handel und Verkehr vom 3.Dezember 1923, B.G.Bl.Nr. 613, betreffend das Statut des Bundesamtes f¨ur Eich- und Vermessungswesen. Damit war die Vereinheitlichung des staatlichen Vermessungswesens zum Bundesamt f¨ur Eich- und Vermessungswesen abgeschlossen. Literatur

”Das Kaiserlich - K¨onigliche Milit¨argeographische Institut zu Mailand (M.G.I.), 1814 - 1839.” von Hofrat DI Robert Messner, Wien 1986. ”Materialien zur Geschichte der astronomisch-trigonometrischen Vermessung der ¨osterreichisch-ungarischen Monarchie”, gesammelt und bearbeitet von Heinrich Hartl, k.k. Major im M.G.I.; ver¨offentlicht in den Mitteilungen des M.G.I. im Jahre 1888, Seite 144-150 und 171-222. ”75 Jahre Kartographie am Hamerlingplatz, 1905-1980, Bundesamt f¨ur Eich- und Vermessungswesen, Landesaufnahme.” Von Hofrat DI Robert Messner und weiteren neun Mitarbeitern. ”100 Jahre B-Geb¨aude des BAfEuV auf dem Hamerlingplatz.” CD, 2006. ”Handgeschriebene Briefe von Prof. Dolezal und OR. DI Lego” (Im Privatbesitz des Verfassers). Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Josef Johann von Littrow und Rudolf Kippenhahn im Vergleich als Wissenschaftspopularisatoren

Siegfried Exler

Technische Universit¨at Berlin

Abstract

Josef Johann von Littrow, Austrian astronomer in the early 19th, and Rudolf Kippenhahn, German astrophysicist in the late 20th century, were both quite successful as authors in popularizing astronomical topics. Subject of the following essay will be a discussion about some questions of which nearly all, during Littrow’s life-time, were not yet resolved. Kippenhahn, some hundred and fifty years later, could give the solution of many of them. But really of all?

Die folgenden Ausf¨uhrungen basieren auf einer Arbeit, in welcher ich mich mit der Popularisierung der Astronomie im 19. und 20. Jahrhundert auseinan- dersetzte. Ich tat dies anhand ausgew¨ahlter Werke von zwei zu ihrer Zeit vielge- lesenen Autoren, die ich einem Vergleich der jeweiligen Thematik und Methodik unterzog. F¨ur die erste H¨alfte der 19. Jahrhunderts bot sich, nat¨urlicherweise wie man fast sagen kann, Josef Johann von Littrow, der ehemalige Direktor der Wiener Sternwarte an. Dessen bekanntestes Werk ’Die Wunder des Himmels’ hat nicht nur zu seinen Lebzeiten in Laienkreisen weite Verbreitung gefunden, sondern erlebte noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eine Reihe von aktualisierten Neuauflagen. F¨ur die zweite H¨alfte des 20. Jahrhunderts fiel meine Wahl auf den Astrophysiker Rudolf Kippenhahn, der mit B¨uchern wie ’100 Milliarden Sonnen’, ’Licht vom Rande der Welt’ und ’Unheimliche Welten’ in den achtziger Jahren verbreitetes Interesse fand. In einen kurzen Abriß ist allerdings eine starke Einschr¨ankung der behan- delten Themen erforderlich. Ich m¨ochte deshalb an dieser Stelle lediglich auf einige exemplarische Fragestellungen einzugehen, die man unter der Uberschrift¨ ’Offene Fragen’ zusammenfassen k¨onnte. Die Beantwortung dieser Fragestel- lungen liegt f¨ur Littrow dabei noch in jener Zukunft, die f¨ur Kippenhahn zum 84 Josef Johann von Littrow und Rudolf Kippenhahn im Vergleich großen Teil schon Vergangenheit ist. Trotz der erforderlichen Einschr¨ankungen sollen dabei aber die Unterschiede in der Betrachtungsweise bei beiden Autoren und damit ’cum grano salis’ auch der jeweiligen Zeit, in der sie schreiben, zum Ausdruck kommen. Zur besseren Ubersicht¨ ist das Thema in drei Einzelrubriken gegliedert:

- Welche f¨ur Littrow noch ungel¨osten Fragen, deren Beantwortung er sich aber von k¨unftigen Forschergenerationen erwartet, kann Kippenhahn in seinen B¨uchern ganz oder zumindest zum großen Teil beantworten?

- Welche ebenfalls noch ungel¨osten Fragen, deren Beantwortung Littrow aber selbst in weiter Zukunft f¨ur eher ausgeschlossen h¨alt, sind in Kip- penhahns Ausf¨uhrungen ebenfalls weitgehend gekl¨art?

- Was sagen Littrow und Kippenhahn zu der immer wieder gern diskutierten Problematik des außerirdischen Lebens?

Wenden wir uns nun zun¨achst denjenigen Fragen zu, deren endg¨ultige Kl¨arung Littrow von k¨unftigen Forschen und Forschergenerationen erwartet, auch wenn dies noch Jahrhunderte dauern sollte. Unter vielen anderen nennt er hier:

- Entdeckung neuer Kometen und die n¨ahere Erforschung von bereits bekannten,

- Genaueres zu den Lichtwechseln von Ver¨anderlichen und Neuen Sternen sowie

- Genaueres zu den Himmelsnebeln und ihren Ver¨anderungen.

Alle diese Probleme, und noch viele mehr, k¨onnen heute zumindest prinzipiell und in dem Sinne wie Littrow es sich wohl vorstellte, als gel¨ost betrachtet werden. Kippenhahn geht in seinen B¨uchern auf eine Reihe solcher Punkte z.T. ausf¨uhrlich ein. Daß die Zeitvorstellungen von Littrow dabei so falsch nicht waren zeigt sich unter anderem daran, daß bis zur Erkl¨arung der Nebelflecken und der Neuen Sterne ein Jahrhundert und mehr vergehen sollte. In seinen Ausf¨uhrungen zu den Kometen, f¨ur die er haupts¨achlich die Ergebnisse der Giotto-Mission von 1986 heranzieht, kann Kippenhahn jetzt weitgehend gesicherte Fakten zur chemischen Zusammensetzung dieser Him- melsk¨orper angeben. Littrow stellt dar¨uber zwar auch schon einige Spekula- tionen an, bleibt in seiner Wortwahl aber noch sehr vage. N¨ahere Aufschl¨usse erhofft er sich jedoch f¨ur die ’nahe Zukunft’. Auch f¨uhrt er zu Recht an, daß ein Komet durch die Schweifbildung Materie verliert, und daß die Sonne dabei irgendeine Rolle spielt. Welchen Anteil sie genau dabei hat, und wie die beteiligten Kr¨afte beschaffen sind, muß er jedoch offenlassen. Kippenhahn S. Exler 85 kann diese Fragen mit Hilfe der sog. ’Sonnenwindtheorie’ von Ludwig Biermann detailliert erkl¨aren. Auch der prinzipielle Lebenslauf von Kometen und ihr Zusammenhang mit dem Zodiakallicht, beides f¨ur Littrow noch vollkommen unbekannt, stellt in den Schilderungen Kippenhahns keine grunds¨atzlich offene Frage mehr dar. Eine noch sehr vage Vorahnung auf die sog. ’Oohrtsche Wolke’ ¨außert Littrow allerdings, wenn er vermutet, daß ”. . . nicht diese Planeten es sind, die man als die einzigen Bewohner des Haushalts unserer Sonne ansehen kann, sondern daß die Kometen das eigentliche Volk dieses großen Staates bilden”. Und w¨ahrend sich die Planeten als besonders Beg¨unstigte stets nahe der Sonne aufhalten, sind es Mitglieder eben dieses ’Volkes’, welche ”. . . die weiten Provinzen der Monarchie bewohnen und nur zuweilen sich jenen engeren Kreisen n¨ahern, um ihren Tribut zu entrichten oder um Nachrichten von den fernsten Gr¨anzen des Reiches vor den Thron zu bringen. . . ”.01 Die ’Oohrtsche Wolke’, dieses Gebilde aus Myriaden von Materiebrocken am ¨außersten Rand des Sonnensystems wurde, wie Kippenhahn darlegt, jedoch erst ¨uber ein Jahrhundert nach Littrows Außerungen¨ zum Thema wissenschaftlicher Betrachtungen.02 Die sog. ’Ver¨anderlichen Sterne’ fasst Littrow als lediglich in ihrer Helligkeit ver¨anderlich noch vollkommen undifferenziert zusammen. Als m¨oglichen Grund f¨ur ihr Verhalten nennt er einige zeitgen¨ossische Vermutungen, die zum Teil zwar reichlich abstrus sind03, zum Teil aber schon sehr realit¨atsnah, wie Bedeckungen durch dunkle Planeten oder ein Pulsieren des jeweiligen Sternes. Er zitiert hierzu eine Aussage Hardings aus dem Jahre 1831, wonach die ver¨anderlichen Sterne ”. . . ihren Lichtwechsel einem periodisch wiederkehrenden Anspannen und Nachlassen jener Naturkraft verdanken, durch welche ihr Selbstleuchten hervorgebracht wird....04 Von einem wirklichen Verstehen der dahinterliegenden Ursachen kann aber noch keine Rede sein und Littrow erw¨ahnt diese Hypothesen lediglich, ohne sie einzelnen Sternen zuzuweisen. Die modernen Ausformungen genau dieser beiden Hypothesen aber sind es, die bei Kippenhahns Betrachtungen im Zentrum stehen.05 Er unterscheidet zwischen Bedeckungsver¨anderlichen mit Algol als Beispiel auf der einen, und Pulsationsver¨anderlichen mit Delta im Cepheus auf der anderen Seite. Er ver- gisst auch nicht, die Rolle der Cepheiden bei den Entfernungsbestimmungen im All zu erw¨ahnen. Daß aber trotz aller Fortschritte im Verlauf von einein- halb Jahrhunderten auch heute noch keinesfalls alle Fragen gel¨ost sind, gibt Kippenhahn unumwunden zu.06 Detaillierte Aussagen zu den sog. ’Neuen Sternen’ muß Littrow noch kom- plett schuldig bleiben. Er erw¨ahnt im wesentlichen nur das Auftreten dieser r¨atselhaften Erscheinungen anhand der Beispiele von 1572 und 1604. Trotz mangels tiefergehender Kenntnisse wagt er jedoch eine phantasievolle Vermu- 86 Josef Johann von Littrow und Rudolf Kippenhahn im Vergleich tung zu ihren Ursachen, indem er sich recht pathetisch fragt, ob ”...diese Sterne [nicht] an sich dunkle K¨orper von gewaltigem Umfang [sind], die durch irgend einen f¨ur sie verderblichen Unfall in Brand geriethen, die Millionen von Meilen rings um sich mit dem Lichte ihrer Flammen erf¨ullten und dann, viel- leicht f¨ur immer, verloschen und ihre Asche in dem Weltraume zerstreuten ? Und war daher dieser helle Glanz, mit dem sie eine Zeit durch am Himmel zu prangen schienen, nur der Verk¨under einer untergehenden Welt, die uns, durch ihr Auflodern, den furchtbaren Tag ihres Untergangs anzeigte. . . ?”07 Im Prinzip fast genauso, nur viel n¨uchterner schildert Kippenhahn die Vor- g¨ange, die eine Supernovaexplosion begleiten.08 Er beschreibt Novae und Supernovae als im Grunde verschiedenartige Him- melserscheinungen,09 und er erl¨autert detailliert die jeweiligen physikalischen Ursachen.10 Den verbleibenden Resten dieser Sternexplosionen, Neutronenster- nen, Pulsaren, R¨ontgensternen und Schwarzen L¨ochern, einem der Haupt- forschungsgebiete der modernen Astrophysik, widmet er breitesten Raum.11 Besser h¨atte sich Littrow die Arbeit seiner Nachfolger wohl kaum w¨unschen k¨onnen. Selbst die Rolle, die Littrows ’Neue Sterne’ inzwischen bei der Aus- lotung gr¨oßter kosmischer Entfernungen spielen, vergisst Kippenhahn nicht zu erw¨ahnen. Große Verst¨andnisschwierigkeiten dagegen bereiten Littrow Gebilde wie der Andromedanebel. So h¨alt er einmal die Hypothese, daß dieser wie un- sere Milchstraße aus vielen einzelnen Sternen besteht, einmal f¨ur durchaus wahrscheinlich,12 an anderer Stelle dagegen meint er, daß diese Annahme doch sehr unwahrscheinlich ist.13 Er widerspricht sich hier geradezu. Die erste An- nahme l¨asst sich seiner Meinung nach damit begr¨unden, daß die Milchstraße, die auch eine linsenf¨ormige Gestalt besitzt, aus einer gewissen Entfernung dem Andromedanebel sehr ¨ahnlich w¨are. Die zweite Vermutung hingegen fußt auf dem milchigen Erscheinungsbild des Andromedanebels, in dem keinerlei Struk- turen zu erkennen sind. F¨ur Kippenhahn dagegen ist es gerade der Andromedanebel, der den Schl¨ussel zur Beantwortung der Frage lieferte, was bestimmte Typen von Himmelsnebeln im Grunde sind. Er schildert ausf¨uhrlich den Verlauf der sog. ’Weltinseldebatte’ zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die erst mit der photographischen Aufl¨osung von Teilen des Andromedanebels in Einzelsterne endg¨ultig gekl¨art werden konnte.14 Hielt bereits ab der Mitte des 18. Jahrhunderts eine Reihe von Gelehrten, wie Kippenhahn darlegt, viele von diesen Nebelflecken f¨ur ferne, milchstraßen- artige Gebilde,15 so teilt, wie eben gezeigt, Littrow diese Meinung noch keineswegs. Sicher ist er sich nur, daß all diese Himmelsobjekte Millionen von Jahren f¨ur ihre Entwicklung ben¨otigten. Eine von ihm nur vage spezifizierte Abfolge von ’Anziehung, Verdichtung und Abrundung’ bezeichnet er dabei als S. Exler 87

Ursache des Geschehens.16 Wie Galaxien prinzipiell beschaffen sind, wie sie sich zu Haufen und Superhaufen zusammenschließen, und welche Rolle sie im Gesamtzusammenhang des Kosmos spielen, kann aber erst Kippenhahn n¨aher ausf¨uhren.17 Betrachten wir nun den zweiten Komplex der f¨ur Littrow noch offenen Fra- gen, n¨amlich demjenigen, deren L¨osung er auch in weiter Zukunft mehr als nur skeptisch gegen¨ubersteht: So stellt er kategorisch fest, daß, trotz aller hypothetischen M¨oglichkeiten die er selbst durchspielt,18 der Versuch einer Reise zum Mond”...nicht nur th¨oricht und nutzlos, sondern auch g¨anzlich unausf¨uhrbar ist, und daß es daher besser sein wird, uns noch ein Weilchen hier unten zu begn¨ugen...”.19 Wenig mehr als ein Jahrhundert sp¨ater war die dazu notwendige Technik, wie Kippen- hahn an einer Reihe von Beispielen darlegt, nicht nur allt¨agliche Praxis, sondern auch eine wesentliche Voraussetzung f¨ur viele neue Erkenntnisse.20 Wenig Chancen sieht Littrow auch, k¨unftig die Entfernung der Sterne zu bestimmen. Zwar bieten bestimmte Doppelsterne f¨ur ihn dazu bestimmte theoretische M¨oglichkeiten,21 die aber nur zum Tragen kommen, ”. . . wenn uns die dazu n¨otigen Mittel durch Beobachtungen gegeben werden, was aber wahrscheinlich noch lange nicht geschehen wird”.22 Kippenhahns Ausf¨uhrungen dagegen zeigen, daß Entfernungsmessungen im All schon l¨angst zum astronomi- schen Tagesgesch¨aft geh¨oren. Indirekt macht er diese Tatsache auch dadurch deutlich, daß seine diesbez¨uglichen Ausf¨uhrungen nicht im fortlaufenden Text erscheinen. Er benutzt daf¨ur separate Anh¨ange, in welchen er allgemeine physikalische und rechnerische Grundlagen der Astronomie erl¨autert.23 Keinerlei Hoffnung hat Littrow auch, trotz einer Reihe von Spekulationen seinerseits, daß die R¨atsel der Himmelsnebel jemals zu l¨osen sein werden, ob- wohl weitere Forschungen f¨ur ihn nat¨urlich selbstverst¨andlich sind. Er sagt dazu w¨ortlich: ”Es wird uns wohl immer unm¨oglich sein, die Natur dieser wun- derbaren K¨orper des Himmels zu ergr¨unden.”24 Die gleiche Hoffnungslosigkeit erfasst ihn wenn es darum geht, die Gr¨oße des Alls in Zahlen zu erfassen. Hierzu schreibt er: ”Wie weit sich. . . nach allen Seiten der Weltraum und jener unab- sehbare Wald von Sonnen erstreckt, wird wohl f¨ur immer unbekannt bleiben.”25 Selbst wenn auch auf diesem Gebiet noch sehr viel geforscht werden muß, ein solch resignativer Ton mit Ausdr¨ucken wie ’unm¨oglich’ und ’f¨ur immer un- bekannt’ ist bei Kippenhahn nicht zu finden. Die Entschleierung des Galax- ienr¨atsels beschreibt er in seinem Buch Abenteuer Weltall unter der simplen Uberschrift¨ ’Edwin Powell Hubble erkl¨art den Andromedanebel’,26 und selbst die f¨ur uns erkennbare Gr¨oße des Alls ist heute kein Mysterium mehr. Bei einer Entfernung von etwa 6000 kpc, so Kippenhahn, ist eine absolute Grenze f¨ur di- rekte Messungen erreicht, da uns von jenseits keinerlei direkten Informationen mehr zug¨anglich sind.27 88 Josef Johann von Littrow und Rudolf Kippenhahn im Vergleich

Das außerirdische Leben schließlich nimmt im Rahmen der noch ungel¨osten Fragen eine eigent¨umliche Zwitterstellung ein. So schildert Kippenhahn nicht nur Versuche zum Nachweis der Existenz extraterrestrischer Lebensformen und erl¨autert rechnerische Modelle, die Aussagen zur Wahrscheinlichkeit ihres Auf- tretens treffen sollen, er stellt auch prinzipielle Fragen.28 Littrow seinerseits kritisiert zwar zu abstruse Vorstellungen anderer Autoren, grunds¨atzliche Fra- gen stellt er jedoch nicht. Selbstverst¨andlichkeiten m¨ussen f¨ur ihn anscheinend nicht hinterfragt werden! Selbst wenn seine Schilderungen manchmal ein Au- genzwinkern verraten, gibt es f¨ur Littrow keinen Zweifel, daß die Planeten be- wohnt sind. Er st¨utzt diese Annahme auf zwei Gr¨unde: Erstens wimmelt es auf der Erde von Leben, was allein schon daf¨ur spricht, daß auch andere Him- melsk¨orper bewohnt sind.29 Zum zweiten bescheint die Sonne alle Planeten gleichermaßen und wirkt entsprechend auf deren Klima ein. Weshalb also sollte dieser Einfluss nicht auch woanders Leben hervorrufen?30 Aber auch ohne wirkliche Beurteilungsmaßst¨abe sollte das die Phantasie nach Littrows Meinung nicht einschr¨anken, da sich bereits große Astronomen verschiedentlich mit dem Thema befasst haben. Am Realit¨atssinn einiger dieser M¨anner hegt er jedoch gewisse Zweifel, und so leitet er seine Darstellung der Ideen von Huygens, Kircher und Fontenelle mit der Bemerkung ein: ”. . . einige dieser Phantasien zur Erheiterung der Leser hier anzuf¨uhren”.31 An Huygens kritisiert er, daß dieser seine Planetenbewohner zwar mit irdis- chen Sinnesorganen ausstattet, sie sonst aber sehr exotisch darstellt.32 ”Allein ein anderer Planet, eine andere Natur wird vielleicht auch andere Sinnesorgane voraussetzen. . . ”,33 h¨alt er dagegen. Kirchers Vorstellungen h¨alt er komplett f¨ur ”albern”,34 und an Fontenelles Charakterisierungen, wie jenen von den Be- wohnern des Merkur, die Aufgrund ihrer Umweltbedingungen ”. . . Alle im Kopfe nicht recht richtig sind. . . ”, und denjenigen zu den Venuswesen, die ”...von nichtsalsLiebegirren...”,35 scheint Littrow vieles mehr als ¨ubertrieben. Geht er jedoch selbst auf dieokologischen ¨ Verh¨altnisse der Planeten ein, unterscheidet sich seine Phantasie kaum von jener der kritisierten Autoren. So wird die Kraft der Sonne auf dem Merkur vielleicht nicht nur ”. . . eine Art von immer w¨ahrendem Fr¨uhlingswetter hervorbringen. . . ”, sondern da sie ”. . . nicht nur mit st¨arkeren Farben malt, sondern auch mit gr¨oßerer Kraft in sein In- neres dringt. . . ” Lebensformen erschaffen, die von den irdischen ”. . . ungemein verschieden seyn werden”.36 Obwohl die Venus eine Lufth¨ulle ¨ahnlich der irdischen aufweist, scheinen ihre Bewohner nach Littrows Meinung ”. . . eine viel reinere Luft, einen viel heiteren Himmel. . . ”37 zu genießen als wir, da wegen der Trockenheit auf dem Planeten die typisch irdischen ”‘Ausd¨unstungen” fehlen. Die ’Marsmenschen’ dagegen interessieren ihn nur insofern, als er feststellt, daß ihnen die Sonnenscheibe am Himmel kleiner erscheint als uns.38 S. Exler 89

Auf den vier ihm bekannten Planetoiden h¨alt Littrow Lebewesen f¨ur m¨oglich, die sowohl gr¨oßer als auch kleiner sind wie wir,39 und der Jupiter beschert seinen Bewohnern wegen der geringen Neigung seiner Rotationsachse kaum Unterschiede in den Jahreszeiten, daf¨ur um so ausgepr¨agtere Klimazonen.40 Die dortigen Astronomen sind außerdem gl¨ucklich zu sch¨atzen, da sie Aufgrund der geringen Sonneneinstrahlung selbst am Tage die Sterne sehen k¨onnen.41 Ahnliches,¨ wenn auch mit Einschr¨ankungen, gilt f¨ur die Einwohner des Saturn. Welche Art von Leben der Uranus mit seinen extremen Verh¨altnissen be- herbergen mag, l¨asst er den Leser selbst entscheiden.42 Weniger Zur¨uckhaltung dagegen legt er sich bei den Bewohnern der Kometen auf, zu deren Leben- sumst¨anden er sich beinahe in Superlativen ergeht. ”F¨ur uns allerdings, f¨ur Wesen unserer Art, sind diese Gen¨usse nicht bestimmt”43 schr¨ankt er jedoch ein. Bei den Doppelsternen geht Littrow schw¨armerisch und fast in mod- ernem Science-Fiction-Stil auf den Anblick des Himmels ein, der sich den Bewohnern dieser Systeme darbietet. Weitergehende Uberlegungen¨ ¨uberl¨asst er seinen Lesern, die hierbei ”. . . ihrer Einbildungskraft keine Z¨ugel anzulegen brauchen. . . ”.44 Wie prosaisch dagegen behandelt Kippenhahn die M¨oglichkeit von außerird- ischem Leben. Er unterscheidet deutlich zwischen Phantasien, Hypothesen und nachpr¨ufbaren Fakten. So beschreibt er zwar die Entdeckung der Marskan¨ale mit ihren weituber ¨ die Wissenschaft hinausreichenden Folgen,45 und er geht auch auf fr¨uher so bekannte Science-Fiction-Autoren wie Kurd Lasswitz und G.E. Wells ein.46 Den damals jedoch allzu optimistischen Sichtweisen zur Exis- tenz von Marslebewesen h¨alt er die ern¨uchternden Ergebnisse entgegen, welche die Viking-Missionen auf diesem Planeten ergaben.47 Auch die mit viel Enthusiasmus begonnene Suche nach interstellaren Zivil- isationen mit Hilfe passiver und aktiver Radiosignale blieb zumindest bislang ohne jeglichen Erfolg. Kippenhahn beschreibt das ’Abhorchen’ des Himmels auf der 21-cm Wellenl¨ange durch das ’PROJEKT OZMA’ ab 1960, die Aussendung von Signalen im Jahre 1974, sowie einen Plan, der unter dem Namen ’ZYKLOP’ den Himmel mit vielen Radioteleskopen gezielt absuchen soll.48 Die zentralen Uberlegungen¨ Kippenhahns jedoch betreffen ganz rational die Frage, unter welchen Voraussetzungen Leben im Alluberhaupt ¨ entstehen kann. Er beschr¨ankt sich dabei, einer Forderung Littrows nicht un¨ahnlich, auf Lebensformen die den irdischen ¨ahnlich sind.49 Diese haben allerdings nur dann eine Chance zur Entwicklung, wenn sich der sie tragende Planet innerhalb der ’Lebenszone’ oder ’Okosph¨¨ are’ des Zentralgestirns befindet sowie erd¨ahnliche Eigenschaften aufweist.50 Doch schon der Erdmond, der sich wie die Erde in- nerhalb dieses Bereichs aufh¨alt, erf¨ullt diese Anforderungen insgesamt ebenso wenig wie die Venus. Selbst Littrow h¨alt es ja bereits f¨ur m¨oglich, daß der Mond nicht belebt ist.51 Der zweite Hauptbereich von Kippenhahns Gedankeng¨angen 90 Josef Johann von Littrow und Rudolf Kippenhahn im Vergleich befasst sich mit statistischen Untersuchungen. Er stellt Uberlegungen¨ dar¨uber an, wie viele lebenstragende Planeten es in unserer Galaxisuberhaupt ¨ theo- retisch geben kann, wie weit diese durchschnittlich von uns entfernt w¨aren und wie lange eine technische Zivilisation maximal ¨uberlebt.52 Nur dann, wenn viele Zuf¨alle optimal zusammenspielen, haben wiruberhaupt ¨ eine Chance, von der Existenz außerirdischer Intelligenzen zu erfahren. Kippenhahn Res¨umee gipfelt in der Feststellung, daß unsere Suche nach dem Leben im All zu der Frage zur¨uckf¨uhrt, wie wir selbst k¨unftig auf der Erde ¨uberleben k¨onnen.53 Zumindest an dieser Stelle trifft er sich wieder mit Littrow. Auch dieser verwendet seine imagin¨aren Mondbewohner bereits dazu, um ¨uber die Menschen auf der Erde zu philosophieren.54 Insgesamt zeigt sich hier eine eigent¨umliche Umkehrung der Verh¨altnisse: Eine zu Littrows Zeiten anscheinend noch weitgehend f¨ur unumst¨oßlich gehal- tene Tatsache ist im Licht der modernen Astronomie eine sehr, sehr offene Frage. Anmerkungen: 01) Vgl. Littrow 1842, S. 404. 02) Kippenhahn 1987A, S. 198 f. 03) Littrow 1842, S. 484. 04) Ebd. 05) Kippenhahn 1985, S. 26 ff., 115 ff., 133ff. und 166 ff., sowie Kippenhahn 1987 S. 101 ff. 06) Kippenhahn 1985, S. 133 f. 07) Vgl. Littrow 1842, S. 485 f. 08) Kippenhahn 1985, S. 140 und 213 ff., sowie Kippenhahn 1991, S. 109 ff. 09) Kippenhahn 1985, S. 179. 10) Ebd., S. 180 ff. und 209 ff. 11) Kippenhahn 1985, Kap. 7 - 11 und Kippenhahn 1991, Kap. 5 - 7. 12) Littrow 1842, S. 454. 13) Ebd., S. 502 f. 14) Kippenhahn 1987, S. 120 ff. und Kippenhahn 1991, S. 150 f. 15) Kippenhahn 1985, S. 14, Kippenhahn 1987, S. 114 ff. und Kippenhahn 1991, S. 147 f. 16) Littrow 1842, S. 506 ff. 17) Kippenhahn 1987, die Kap. 3 - 6 und 9, sowie Kippenhahn 1991, Kap 8. 18) Littrow 1842, S. 364 ff. 19) Vgl. Ebd., S. 366. 20) So z.B. Kippenhahn 1987A, S. 118 ff., 146 ff., 165 ff., Kippenhahn 1991, S. 38 ff.u. 56 ff. 21) Littrow 1842, S. 466 ff. 22) Vgl. Ebd., S. 469. 23) Kippenhahn 1985, S. 265 ff. und Kippenhahn1987, Kap. 4 und S. 337 ff. 24) Vgl. Littrow 1842, S. 505. S. Exler 91

25) Vgl. Ebd., S. 103. 26) Kippenhahn 1991, S. 150. 27) Kippenhahn 1987, S. 152 und Kippenhahn 1991, S. 225. 28) Kippenhahn 1985, S. 258 ff., sowie Kippenhahn 1991, S. 191 ff. 29) Littrow 1842, S. 354. 30) Ebd., S. 627. 31) Vgl. Ebd., S. 354. 32) Ebd., S. 356 f. 33) Vgl. Ebd., S. 357. 34) Ebd. S. 358. 35) Vgl. Ebd., S. 359. 36) Vgl. Ebd., S. 289. 37) Vgl. Ebd., S. 300. 38) Ebd., S. 323. 39) Ebd., S. 328. 40) Ebd., S. 334. 41) Ebd., S. 338. 42) Ebd., S. 354. 43) Vgl. Ebd., S. 445. 44) Vgl. Ebd., S. 480. 45) Kippenhahn 1987A, S. 155 ff., sowie Kippenhahn 1991, S.42 ff. 46) Ebd., S. 153 bzw. S. 179 ff. 47)Ebd.,S.170ff.bzw.S.50ff. 48) Kippenhahn 1985, S. 251 f. und Kippenhahn 1991. S. 186 ff. 49) Kippenhahn 1985, S. 254 und Littrow 1842 S. 354. 50) Kippenhahn 1985, S. 256 f., Kippenhahn 1991, S. 184 ff. 51) Littrow 1842, S. 378. 52) Kippenhahn 1985, S. 255 f. und Kippenhahn 1991, S. S.191 ff. 53) Ebd., S. 260 bzw. S. 194. 54) Littrow 1842, S. 385 ff. Literatur

Kippenhahn 1985. Kippenhahn, Rudolf: 100 Milliarden Sonnen - Geburt, Leben und Tod der Sterne, M¨unchen und Z¨urich 51985 (1. Aufl. M¨unchen 1980). Kippenhahn 1987. Kippenhahn, Rudolf: Licht vom Rande der Welt - Das Universum und sein Anfang, M¨unchen, Neuausgabe 1987 (1. Aufl. Stuttgart 1984). Kippenhahn 1987A. Kippenhahn, Rudolf: Unheimliche Welten - Planeten, Kometen und Monde, Stuttgart 1987. Kippenhahn 1991. Kippenhahn, Rudolf: Abenteuer Weltall, Stuttgart 1991. Littrow 1842. Littrow Josef Johann von: Die Wunder des Himmels oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems; Zweite verbesserte Auflage in einem Bande, Zweiter Abdruck, Stuttgart ND21842 (2. Aufl. Stuttgart 1837; 1. Aufl. Stuttgart 1834). Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Die Entwicklung und Verbreitung der Urania zur Popularisierung der Astronomie

Gudrun Wolfschmidt

Schwerpunkt Geschichte der Naturwissenschaften,Mathematik und Technik, Universit¨at Hamburg

Abstract

The development of public outreach activities in Berlin rested on the archives of Alexander von Humboldt who gave 16 lectures in 1827/28 describing his travels for an auditorium of 13 000. In 1863 W.Foerster and E.Schoenfeld revived this idea to transfer knowledge in down-to-earth-lectures to the public by founding the society of the URANIA which was a name and later-on the denomination for a building too. This ”scientific theater” also comprised a small observatory and the idea spread over all Germany and Vienna. In the economically difficult times around 1928 the Berlin Urania had to be shut down, the building was completely destroyed, some of instruments had been transferred to Berlin/Treptow but the rest was stolen.

Einleitung

Seit der Antike wurden in der Kunst und in den Wissenschaften abstrakte philosophische Begriffe, ”ewige Wahrheiten” und menschliche Eigenschaften als lebende und handelnde Wesen dargestellt - personifiziert in weiblichen Alle- gorien. In der griechischen Mythologie ist die URANIA eine der neun Musen, die Muse der Sternkunde1 Einen entscheidenden Schritt zur Popularisierung machte bereits der Forschungsreisende Alexander von Humboldt (1769-1859)

1Die Musen: Die Muse Urania, Muse der Sternkunde, ihre Zeichen sind Himmelsglobus und Zeigestab.; Die Muse Kalliope, Muse der epischen Dichtung; Die Muse Thalia, Muse der komischen Dichtung; Die Muse Melpomene, Muse der tragischen Dichtung; Die Muse Terpsichore, Muse der Chorlyrik und des Tanzes; Die Muse Euterpe, Muse der Lyrik; Die Muse Polyhymenie, Muse der Hymnendichtung; Die Muse Erato, Muse der Liebesdich- tung; Die Muse Clio, Muse der Geschichtsschreibung;. G. Wolfschmidt 93

Abb. 1: Muse Urania http://www.muse-net.com/urania.gif

mit seinen Reisebeschreibungen und ab 1845 mit dem f¨unfb¨andigen monumen- talen Werk ”Kosmos”. 1827/28 hielt er im Geb¨aude der Berliner Singakademie 16offentliche ¨ Vortr¨age, die sogenannten ”Kosmos-Vorlesungen”, die von rund 13.000 Zuh¨orern besucht wurden und ein großartiges gesellschaftliches Ereignis im k¨oniglichen Berlin bildeten. Ab 1844 folgten Vortr¨age im neugegr¨undeten ”Wissenschaftlichen Verein”. Humboldts Vortr¨age ¨uber ”physikalische Ge- ographie” umfaßten Themen wie Astronomie, Biologie, Geowissenschaften, Naturphilosophie, Physik (Elektrizit¨at, Magnetismus und Optik) sowie Chemie. Damit gab Humboldt entscheidende Impulse zur Wissenschaftspopularisierung. Hierdurch wurden wissenschaftliche Entdeckungen und technische Erfndungen der Offentlichkeit¨ zug¨anglich gemacht. Pro Vortrag waren mehr als 800 Zuh¨orer anwesend. Das soziale Spektrum der H¨orer war weit gestreut, vom einfachen Handwerker bis zu K¨onig Friedrich Wilhelm III. (K¨onig von 1797 bis 1840).

Durch die steigende Anzahl popul¨arer Pulikationen wurden relativ viele Per- sonen zu eigenen Beobachtungen oder zur Herstellung astronomischer Instru- mente angeregt, ein Beispiel w¨are Wilhelm Herschel (1738-1822). Der Zucker- fabrikant und Bankier Wilhelm Beer (1797-1850) errichtete im Dachgeschoß seiner Villa im Tiergarten eine große Privatsternwarte mit dem Ziel, eine erste Karte der Oberfl¨achen von Mars und Mond mit Hilfe neuer Beobachtungsme- thoden zu erstellen. Solche Privatsternwarten standen einem eingeschr¨ankten Besucherkreis zur Verf¨ugung. 94 Die Entwicklung und Verbreitung der Urania zur Popularisierung der Astronomie

Die Urania in Berlin - Gr¨undung und Aktivit¨aten

Unter Bezugnahme auf die Vorleistungen Alexander von Humboldts bei seinen ¨offentlichen Vortr¨agen, die so begeistert aufgenommen wurden, plante man durch den Bau einer Sternwarte dem Wunsch nach Informationuber ¨ die neuesten Entwicklungen der Astronomie entgegenzukommen. Durch aufseh- enerregende Entdeckungen z.B. neuer Planeten und Planetoiden war die As- tronomie Anfang des 19. Jahrhunderts ins besondere Interesse einer breiten Offentlichkeit¨ geraten. Humboldt ließ daher der 1835 gegr¨undeten Berliner Sternwarte unter Leitung von Johann Franz Encke (1791-1865) ”die bis dahin v¨ollig neue Verpflichtung auferlegen ..., daß sie allmonatlich an 2 etwa zwei Abenden dem Publikum zur Belehrung und Anregung zu dienen hatte.” Am 19.1.1863 erfolgte die Gr¨undung der ”Mittwochs-Gesellschaft”; Wilhelm Foerster (1832-1921), seit 1865 Direktor der Berliner K¨oniglichen Sternwarte, geh¨orte der Gesellschaft von 1864 bis 1920 an. Ausgehend von seinem En- gagement bei der Gr¨undung der Astronomischen Gesellschaft schlug Eduard Sch¨onfeld (1828-1891), Wilhelm Foersters langj¨ahriger Freund aus Studenten- tagen, in einem seiner Briefe an ihn im Zusammenhang mit der Benennung dieser Gesellschaft folgendes vor (3.8.1863): ”Name und Zweck: URANIA, Verein zur F¨orderung des Fortschritts der As- tronomie im weitesten Sinne, speziell aber zur Unterst¨utzung solcher Arbeiten, die geeignet sind, die Spezialuntersuchungen Einzelner zu erleichtern und zu f¨ordern, und solcher, die das Material f¨ur die Untersuchungen der Zukunft liefern.” Von diesen Aktivit¨aten inspiriert rief Wilhelm Foerster 1887 zur Gr¨undung der Urania-Gesellschaft auf, auch, weil der Besucheransturm die wis- senschaftlichen Arbeiten der Sternwarte in den 1870er und 80er Jahren immer mehr beeintr¨achtigte: ”Vorschl¨age betreffend die Begr¨undung einer ¨offentlichen teleskopischen, spek- troskopischen und mikroskopischen Schaust¨atte zugleich zur Vorf¨uhrung optischer und elektrischer Experimente sowie zu mannigfachen naturwissenschaftlichen Erl¨auterungen durch Wort und Bild, endlich als Ausstellungs-Ort f¨ur einschl¨agige Instrumente und Apparate dienend.”3 So erfolgte am 3. M¨arz 1888 die Gr¨undung der Urania-Aktiengesellschaft4 in Berlin durch Wilhelm Foerster mit finanzieller Unterst¨utzung von Werner von Siemens (1816-1892) und F¨orderung durch weitere Industrielle.5 Auch

2Foerster 1913, 386. Denkschrift anl¨aßlich des 25j¨ahrigen Bestehens der Gesellschaft ”URANIA” zu Berlin, Leipzig 1913, S. 37 3Foerster 1887. Die URANIA wird in das Handelsregister des K¨oniglichen Amts- gerichts I zu Berlin zufolge Verf¨ugung vom 12. Mai 1888 unter Nr. 10972 eingetragen. 4Hess 1979. 5Werner von Siemens erwarb an der als Aktiengesellschaft gegr¨undeten URANIA An- teile f¨ur 10.000 Reichsmark. Insgesamt stand der Gesellschaft URANIA ein f¨ur damalige G. Wolfschmidt 95

Abb. 2: Links: Grundriß Tiemann (1988), Heft 2, S. 62. Hess 1979. - Rechts: Urania, Invalidenstraße (beim Lehrter Bahnhof), Berlin, er¨offnet am 1. Juli 1889 der preußische Unterrichtsminister Gustav Konrad Heinrich von Gossler (1838- 1902) f¨uhlte sich der ”Verbreitung der Freude an der Naturerkenntnis” verpflichtet.6 Aus den Vorstellungen Foersters und Meyers entstand die Konzep- tion f¨ur ein Haus der Volksbildung in Berlin, bestehend aus einer Sternwarte, Experimentier-und Ausstellungss¨alen, dem Wissenschaftlichen Theater. Mit Max Wilhelm Meyer7 (1853-1910) war der geeignete Mann als Leiter ge- funden, der Erfahrung mitoffentlichen ¨ Vortr¨agen, Zeitungsartikeln und beson- ders in der Pr¨asentation wissenschaftlicher Zusammenh¨ange auf der B¨uhne aus seiner Wiener Zeit aufweisen konnte. Das Geb¨aude in der Invalidenstraße (beim Lehrter Bahnhof, vorher Lan- desausstellungspark) wurde im Juli 1888 unter Leitung von Oberregierungsrat Paul Spieker (1826- 1896) begonnen.8 Nach nur einem Jahr wurde der beein- druckende Neubau am 1. Juli 1889 feierlich eingeweiht. Das Geb¨aude der Urania in der Invalidenstraße gliederte sich architektonisch klar in folgende drei Teile: Den Hauptteil in Massivbauweise bildete die Sternwarte mit dem ”Großen Refraktor” (12”) von Carl Bamberg (1847-1892), Berlin-Friedenau, in der Hauptkuppel - ein Instrument, das damals im Deutschen Reich nur vom Straßburger Refraktorubertroffen ¨ wurde.

Verh¨altnisse hohes Startkapital von etwa 205.000 Reichsmark zur Verf¨ugung. 6Denkschrift anl¨aßlich des 25j¨ahrigen Bestehens der Gesellschaft ”URANIA” zu Berlin, Leipzig 1913, S. 3. 7Meyer 1908. 8Die reinen Baukosten f¨ur das Geb¨aude im Landesausstellungspark beliefen sich nach Angaben von Spieker, der den Bau projektiert und dessen Ausf¨uhrung in seine Regie genommen hatte, auf 180.000 Reichsmark. Allein f¨ur die Dreh-kuppel mußten 12.000 Reichsmark aufgewendet werden. Das Baugel¨ande war der URANIA kostenlos von der preußischen Staatsregierung zur Verf¨ugung gestellt worden. 96 Die Entwicklung und Verbreitung der Urania zur Popularisierung der Astronomie

Daran schloß sich als zweiter Teil in Leichtbauweise eine Eisenkonstruktion f¨ur Ausstellungs-und Experimentierzwecke. Den wichtigsten Teil bildete das wissenschaftliche Theater - ebenfalls in Eisenkonstruktion. Bei der Er¨offnung im Juli 1889 war die Urania in f¨unf Abteilungen gegliedert: • Astronomische Abteilung (¨offentliche Sternwarte, Leitung: F. K¨orber • Physikalisches Kabinett, Leitung (bis 1892): Prof. E. Goldstein (1850- 1930) • Mikroskopische Abteilung, Leitung: William Thierry Preyer (1841-1897) • Abteilung f¨ur Pr¨azisionsmechanik • Wissenschaftliches Theater9 Leitung: B¨uhnenbildner und Theatermaler W. Kranz. Zentrale Bedeutung hatte das popul¨arwissenschaftliche Vortragswesens, dazu kamen anschauliche und experimentelle Vorf¨uhrungen; es handelte sich also um eine Verschmelzung der bisherigen Bet¨atigungen der Sternwarte und des ”Wis- senschaftlichen Vereins unter Hinzuf¨ugung physikalischer Veranstaltungen”. Das 19. Jahrhundert hatte, zum Beispiel mit der Anwendung von Elektrizit¨at, zahlreiche praktisch nutzbare Wunder beschert, deren naturwis- senschaftliche Voraussetzungen immer gr¨oßeres Interesse erregten. Vor allem wollten die Besucher selbst, wenigstens am Modell der Maschinen, exper- imentieren. So wurde der Experimentiersaal schnell zum Besuchermagnet. Dieser Saal war auf Initiative des Physikers Eugen Goldstein (1850-1930) ein- gerichtet worden. In der URANIA gab es Wissen aus erster Hand, bedeutende Forscher und Gelehrte traten auf, oft wurde hier eine technische Neuheit der Offentlichkeit¨ zum erstenmal vorgestellt. Als Anfang 1890 der amerikanische Erfinder Thomas Alva Edison (1847-1931) die URANIA besuchte, schenkte er ihr zwei seiner ersten Phonographen, die lange Zeit, bis die Wiedergabe der menschlichen Stimme durch das Grammophon Allgemeingut wurde, ein beson- derer Anziehungspunkt im akustischen Kabinett waren. Meyer wiederum beabsichtigte, Bildung durch ein Wissenschaftliches The- ater zu vermitteln, wie er das schon 1884 in Wien praktiziert hatte. Das wis- senschaftliche Theater war dazu bestimmt, ”... ein verkleinertes Abbild der Natur, nur in ersten, allgemeinsten Umris- sen, aber in m¨oglichst wirkungsvoller Form dem unmittelbaren Verst¨andnis einer großen Menge angepaßt und nur dem Zweck der allerersten Anregung dienend, zu entwickeln.”10 9Meyer 1892, 153. Zum Thema Naturwissenschaften im Theater gibt es aktuelle Versuche, vgl. Luehrs 2001. 10Meyer 1890a, 226 und 269. G. Wolfschmidt 97

Abb. 3: Das wissenschaftliche Theater in der Urania in Berlin Meyer 1908, S. 82.

Die popul¨aren Vortragsthemen waren: ”Von der Erde bis zum Mond” und ”Die Geschichte der Urwelt”, die auch im Ausland als Gastspiele gezeigt wurden. Vielf¨altige Veranstaltungenfanden inder Urania statt;11 ein Archiv von etwa 700 Dias wurde f¨ur Vortragszwecke zusammengetragen.12

Abb. 4: Beobachtungsabend im Observatorium d. Berliner Urania 1890er Jahre Hess 1979.

Man reagierte besonders auf aktuelle Ereignisse wie Kometenerschein- ungen, aber auch auf wissenschaftliche Ergebnisse; beispielsweise bewegte die Offentlichkeit¨ die Frage der Bewohnbarkeit des Planeten Mars; sogleich stellte Meyer in einer popul¨aren Publikation den augenblicklichen Kenntnis-

11Meyer1889. 12Meyer 1890a, 226 und 269. 98 Die Entwicklung und Verbreitung der Urania zur Popularisierung der Astronomie

Abb. 5: Die neue Urania in der Taubenstraße 48/49 in Berlin Meyer 1908, S. 82. stand zusammen.13 Ein Besucher beschrieb den Eindruck, den ein Abend in der Urania-Sternwarte auf ihn machte: ”Unter mir die Millionenstadt Berlin im Werktagsdunste, aus dem unz¨ahlige tr¨ube Lichtlein emporblickten, unduber ¨ mir das weite, dunkle, allesuberragende ¨ unduberspannende ¨ Himmelsgew¨olbe mit seinen feierlich funkelnden Sternen. Auf einer eisernen Wendeltreppe stieg ich von der Plattform, auf der uns kleinere, aber auch schon recht gute Fernrohre zur Verf¨ugung standen, empor zu dem Riesen- fernrohr, das durch den Schlitz einer drehbaren Kuppel wie eine m¨achtige Kanone in das Weltall hinausragte. Da offenbarten sich mir die Himmelswunder in ihrer ganzen Pracht und Herrlichkeit. Bald war’s der Mond mit seinen Kratern und Gebirgen, bald der Jupiter mit seinen Monden oder der Saturn mit seinen Rin- gen, bald ein Sternhaufen mit seinem Gewimmel strahlender Sonnen, bald ein 14 Sternennebel mit seinen chaotischen Wirbeln und Windungen!” Im ersten Jahr war das URANIA-Haus an 268 Tagen ge¨offnet, haben 98.279 Besucher 85 wissenschaftliche Vortr¨age und 228 Veranstaltungen im Wissen- schaftlichen Theater besucht. Direktor Meyer war inzwischen als URANIA- Meyer bekannt. Das Geb¨aude wurde diesem Besucherandrang nicht mehr gerecht. Zudem stellte sich mehr und mehr als nachteilig heraus, daß der Weg nach Moabit bei den damaligen Verkehrsverh¨altnissen vor allem im Win- ter doch recht beschwerlich war. Ein gr¨oßeres und zentraler gelegenes Geb¨aude wurde ben¨otigt. Am 24. April 1896 wurde in Berlin in der Taubenstraße 48/49 die neue Urania er¨offnet; das alte Geb¨aude war zu abgelegen. Im Theater

13Meyer 1894. 14Onnasch, Karl: Wanderungen durch die Sternenwelt. G¨orlitz: Hoffmann & Reiber. Zitiert nach: Friedrich 1925, S. 19. G. Wolfschmidt 99 standen nun 760 Pl¨atze statt 500 zur Verf¨ugung. Die Fassade des imposanten Hauses war mit den Portr¨ats von Kopernikus, Siemens, Humboldt, Helmholtz und Kepler geschm¨uckt. ”Was einst Jules Verne [(1828-1905)] in Form des Romans gab, giebt die ”Urania” in dramatischer Form”: Die B¨uhne war ausgestattet mit modernster B¨uhnentechnik. ”Die Phantasie wird auf das lebhafteste durch die Dekoration, durch Wandbilder und durch Beleuchtungseffekte unterst¨utzt.” Es gab im Pro- gramm: Reisen durch den Sternenraum, eine Sonnenfinsternis, Ansichten, durch welche die St. Gotthardbahn f¨uhrte. Zu den Experimentalvortr¨agen, z.B. zu den R¨ontgenstrahlen oder den Hertzschen Versuchen heißt es, sie h¨atten auf das Pub- likum ”wie die Premiere eines ber¨uhmten Dramatikers oder das erste Auftreten einer Diva gewirkt.”15 Die Preise bewegten sich zwischen 1 Mark im zweiten Rang und 3 Mark f¨ur den Logensitz; der Eintritt in die Sammlungen kostete 50 Pfennig, ebenso die Oper (bei Benutzung der Draht-Ubertragung¨ oben im Geb¨aude)16: ”Auch eine Telephonanlage befindet sich in diesem Saale, durch welche man den musikalischen Auff¨uhrungen zu folgen vermag.”17 Das Programm Meyers war hochgesteckt; er formulierte seine Ziele folgen- dermaßen, n¨amlich daß es ”...neben der vielseitigen Freude an der Naturbeobachtung und der hohen Erquickung, welche die Befriedigung der Wißbegierde auch in den einfachsten Gem¨uthern erweckt, den Institutionen der Urania gelingen wird, im Laufe der kommenden Jahrzehnte Viele zu erw¨armen und zu erfreuen und auch einige Samenk¨orner auf fruchtbaren Boden auszustreuen, daß sie in selbst¨andiger Schaf- fenskraft segnbringend aufkeimen ...”18 ”...indirekt wird aber der Nutzen unserer hier fl¨uchtig skizzierten Institutionen f¨ur die Wissenschaft unstreitig ein ganz wesentlicher werden m¨ussen durch die lebendige, befruchtende Anregung, welche sie in jene weiten Schichten eines großen Laienpublikums streuen werden ...”19. Die von Meyer gegr¨undete Zeitschrift ”Himmel und Erde - Illustrierte natur- wissenschaftliche Monatsschrift” erschien im franz¨osischen Sprachbereich als ”Ciel et Terre”. Auch in der Taubenstraße kamen bedeutende Gelehrte und Erfinder zu Wort, Namen wie Heinrich Hertz (1857-1894), Henri Poincar´e (1854-1912) und Al- bert Einstein (1879- 1955) waren auf den Vortragslisten zu finden, auch die Polarforscher Roald Amundsen (1872-1928) und Fridtjof Nansen (1861-1930) berichteten ¨uber ihre Reisen. Der sp¨atere Nobelpreistr¨ager Manfred von Ar-

15Gartenlaube (1896), S. 633-637. 16Kleines Berliner Adreßbuch (1902/03). 17Gartenlaube (1896), S. 637. 18Meyer 1889, S. 31-39. 19Meyer 1890b, 560. 100 Die Entwicklung und Verbreitung der Urania zur Popularisierung der Astronomie denne (1907-1996) erinnerte sich viele Jahre sp¨ater an die interessanten Ver- anstaltungen im Haus in der Taubenstraße. Der neuen Urania war nur eine kurze Wirkungszeit unter dem schon vor dem Krieg angestrebten gemeinn¨utzigen URANIA-Verein beschieden, der als eine Vereinigung von Freunden der Naturwissenschaft galt. Sein Anliegen war die Verbreitung und Vertiefung volkst¨umlicher Bildung auf naturwissenschaftlichem und technischem Gebiet. Vorsitzender wurde Franz Goerke, der von 1898 bis 1930 auch als Direktor der Gesellschaft URANIA vorstand.20 Eine be- deutende Wirkung hatte die URANIA auch auf dem Feld der Fotografie und sp¨ater des Dokumentarfilms. Viele Jahre war das Haus Premiere-Filmtheater f¨ur Ufa-Dokumentarfilme. Einen H¨ohepunkt erlebte die Urania noch bei ihrem 25j¨ahrigen Jubil¨aum 1913. Vor allem der physikalische Experimentiersaal ¨ubte erneut Faszination aus. In der Urania, im physikalischen Kabinett, er¨offnete sich neben einer Ausstellung modernster Instrumente insbesondere eine Experimentierm¨oglichkeit, beispiels- weise auf dem Gebiet der Optik und Elektrizit¨at: ”Hier sollen Instrumente, Apparate, Einrichtungen verschiedenster Art aufgestellt werden, welche die physikalischen Erscheinungen m¨oglichst un- mittelbar verst¨andlich darlegen. Ganz besonders soll hier R¨ucksicht genom- men werden auf diejenigen Vorg¨ange, durch welche die Naturkr¨afte dem Getriebe des t¨aglichen Lebens dienen [...]”21 Bez¨uglich der Wirkung der Urania erinnert sich Max von Laue (1879-1960) - und dies l¨aßt sich entsprechend auf sp¨atere naturwissenschaftlich-technische Museen - wie das Deutsche Museum - ¨ubertragen: ”Als Tertianer des Wilhelm-Gymnasiums in Berlin ... h¨orte ich...in der Schule ... von der Abscheidung des Kupfers aus Kupfersulfatl¨osungen durch den elektrischen Strom ...[Meine Mutter]... sorgte dann daf¨ur, daß ich desofteren ¨ in die ”Urania” kam, eine popul¨arwissenschaftliche Gesellschaft, in deren R¨aumen in der Taubenstraße physikalische Apparate in großer Zahl, fertig f¨ur einfache Ver- suche, standen; man brauchte nur nach der beigegebenen Erl¨auterung auf einen Knopf zu dr¨ucken und beobachtete dann einen lehrreichen Vorgang.”22 Schließlich mußte die Urania 1928 aus Finanzgr¨unden in der Zeit der Welt- wirtschaftskrise geschlossen werden. Das Haus in der Taubenstraße wurde im Zweiten Weltkrieg v¨ollig zerst¨ort. Auch das Geb¨aude mit der Sternwarte in der Invalidenstraße hatte durch Kriegseinwirkungen stark gelitten. Viele der noch intakten Instrumente waren gestohlen, einige in die Treptower Sternwarte gebracht worden.23

20Goerke, Franz: Die Urania, eine Volksbildungsst¨atte f¨ur Naturwissenschaften in Berlin. In: Schriften des Vereins f¨ur die Geschichte Berlins, Heft 50 (1917). 21Meyer 1889, S. 31-39. 22Laue 1961, vgl. auch Luehrs 1992. 23Entwicklung der Berliner Urania nach dem Zweiten Weltkrieg: G. Wolfschmidt 101

Die Wirkung der Urania

Das Volksbildungsinstitut URANIA diente als Vorbild f¨ur ¨ahnliche Einrichtun- gen in Deutschland und sogar in Europa. Speziell Wien besaß in der Volksbil- dung schon eine lange Tradition: Schon 1867 wurde in Wien ein Arbeiterbil- dungsverein gegr¨undet. Aus Aktivit¨aten in den 1880er und 1890er Jahre entstand der Volksbildungs- verein als ”Vorl¨aufer und Bahnbrecher volkst¨umlicher Universit¨atskurse, jener f¨ur ganz Deutschland beispielgebenden Sch¨opfung Ludo Hartmanns” (1865 - 1924) [ab 1895 staatlich finanziert].24 ”Wissen ist Macht, Bildung macht frei.” Die historischen Wurzeln der Volksbildung in Osterreich¨ reichen weit in das 19. Jahrhundert zur¨uck. Mit den erreichten Leistungen im Bereich der Demokrati- sierung des Zugangs zu Bildung und Wissen repr¨asentiert die ”neutrale” Volks- bildungsbewegung in exemplarischer Weise die Bem¨uhungen um einen selbst- organisierten Abbau hierarchisch-elit¨arer Bildungsschranken, wie sie mit der Aufkl¨arungstradition des reformorientierten großst¨adtisch-liberalen B¨urgertums sowie der aufkommenden Arbeiterbewegung im 19./20. Jahrhundert gegeben sind. Im Kampf gegen obrigkeitlich-klerikale Bevormundung und im konsequenten Ein- treten f¨ur Selbstbestimmung und Autonomie (”Knowledge is power”, Francis Ba- con (1561-1626)) stellt die Entstehungsgeschichte der politisch ”ungebundenen” Volksbildung in Osterreich¨ hinsichtlich der Ideen, Akteure, Methoden und Institu- tionen ein integrales Element des gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses dar. Neben der Arbeiter(kultur)bewegung, dem Austro-Marxismus, dem Wiener Kreis, der Psychoanalyse, Jugendstil und Expressionismus, z¨ahlt die Volkshochschulbewe- gung - um 1905 entstand in Wien das erste Abendvolkshochschulgeb¨aude Europas - zum kulturellen Inventar der ”Wiener Moderne”.25

*)19.11.1953 Gr¨undung der ”Deutschen Kultur-Gemeinschaft URANIA” in Berlin (West): Der Bamberg-Refraktor, mit dem 1898 Witt den Planetoiden Eros entdeckt hatte, wurde 1948 von Amateurastronomen unter Lebensgefahr aus der zerst¨orten Kuppel des ersten URANIA-Hauses abgebaut und in einem zun¨achst provisorisch ein- gerichteten Observatorium aufgestellt. Heute steht das gerade erst rekonstruierte Fern- rohr in der nach Wilhelm Foerster benannten Sternwarte auf dem Insulaner im Bezirk Sch¨oneberg. Vgl. Aschenbrenner, Jutta: Bildung und die Muse der Sternenkunde. Edi- tion Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7 (1998), S. 3-44, vgl. http://www.luise- berlin.de/Bms/bmstext/9807prof.htm. *)17.6.1954 Gr¨undungskongress der Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Ken- ntnisse im Kulturhaus ”Erich Weinert” des VEB Kabelwerk Oberspree, Berlin (Ost) - die Gesellschaft geht aus dem ”Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands” hervor. 24Reich, Emil: 25 Jahre Volksheim. Eine Wiener Volkshochschulchronik. Wien 1926. http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.h/h218556.htm (Dez. 2006) 25Zitiert nach: Osterreichisches¨ Volkshochschul-Archiv: http://www.vhs.or.at/archiv Mitteilung von Christian Stifter vom 18. Okt. 1999. 102 Die Entwicklung und Verbreitung der Urania zur Popularisierung der Astronomie

Abb. 6: Urania Wien, erbaut 1909/10 Foto: Gudrun Wolfschmidt

1897 gr¨undete der Nieder¨osterreichischen Gewerbeverein die Urania in Wien nach dem Berliner Vorbild als popul¨arwissenschaftliches Institut. Bald entstand ein gemeinn¨utziger Verein. 1909 wurde der slowenische Architekt Max Fabiani (1865-1962), ein Sch¨uler von Otto Koloman Wagner (1841-1918), beauftragt, f¨ur die Wiener Volk- shochschule ein eigenes Bildungshaus am Donaukanal zu errichten; wichtiges astronomisches Element war die Sternwarte auf dem Dach (mit einem Zeiss- Refraktor) sowie die zentrale elektrische Uhrenanlage, deren Zeitzeichen auch telefonisch abgerufen werden konnten. Diese Urania setzte fr¨uh die neuesten technischen Hilfsmittel bei ihren Bildungsprogrammen ein (Lichtbild, Film). Die Einweihung der Wiener Urania in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph erfolg- te am 20. Mai 1910.26 Folgende Neugr¨undungen seien genannt: Magdeburg (1894/1913)27, Kopenhagen (1897), Wien (1897), Budapest (1898), Z¨urich (1907)28, Jena (1909), Breslau (1913), Stettin (1914), Prag (1917), Graz (1919) und in den zwanziger Jahren in Meran, Chemnitz, Moskau und Pe- tersburg. So verbreitete sich der Urania-Gedanke.

26Der niedrige Vorbau mit der Kassenhalle wurde 1935 erg¨anzt. Nach Zerst¨orung im Zweiten Weltkrieg (1944) wurde sie 1957 wieder er¨offnet und 2000/03 saniert und technisch modernisiert. 27Web-Adresse: http://www.urania-md.de/historie.html. 28http://urania.astronomie.ch/, Urania-Sternwarte mit 30cm-Zeiss-Refraktor, Volk- shochschule des Kantons Z¨urich. G. Wolfschmidt 103

Der Uraniagedanke So hat die Urania in Berlin nicht nur zu vielen weiteren Uraniagr¨undungen - wie hier in Wien bereits 1897 - angeregt, sondern bewirkte auch die Errichtung von Volkshochschulen oder Volkssternwarten, sowie die Gr¨undung von technischen Museen - wie des Deutschen Museums in M¨unchen - mit interaktiven Experi- menten.29 So trug die Urania entscheidend zur Popularisierung von Naturwis- senschaft und Technik bei. Die Astronomie hatte immer eine Vorreiterrolle bei der Popularisierung. Literatur

Foerster, Wilhelm: Vorschl¨age betreffend die Begr¨undung eineroffentlichen ¨ teleskopischen, spektroskopischen und mikroskopischen Schaust¨atte zugleich zur Vorf¨uhrung optischer und elektrischer Experimente sowie zu mannigfachen naturwissenschaftlichen Erl¨auterungen durch Wort und Bild, endlich als Ausstellungs-Ort f¨ur einschl¨agige Instrumente und Apparate dienend. Berlin: H.S. Hermann 1887. Friedrich, Karl Josef: Deutsche Sternfreunde. Eine Bl¨utenlese Sternenlust und Sternenweisheit. Chemnitz/Leipzig: Max M¨uller 1925. Hess, Harro: Aus der Geschichte der Berliner Gesellschaft Urania (1888-1927). Vortr¨age und Schriften Nr. 58. Berlin-Treptow: Archenhold-Sternwarte Berlin-Terptow 1979. Laue, Max von: Gesammelte Schriften und Vortr¨age. Band II. Braunschweig 1961. L¨uhrs, Otto: Volksbildungsinstitut Urania. In: Moebius, Hanno et al.: Vierhundert Jahre Technische Sammlungen in Berlin. Von der Rarit¨atenkammer der Kurf¨ursten zum Museum f¨ur Verkehr und Technik. Berlin (Berliner Beitr¨age zur Technikgeschichte und Industriekultur Bd. 2) 1983. L¨uhrs, Otto: Vom Anschauen und Anfassen. Der Besucher als Mitspieler - Technische Mussen und ihr Wandel. In: Kultur & Technik 3 (1992). Meyer, Max Wilhelm: Die Veranstaltungen in der Urania. In: Himmel u. Erde 1 (1889), p. 31-39. Meyer, Max W.: Die Urania nach ihrer Fertigstellung. In: Himmel u. Erde 2 (1890a), p. 226-269.

Meyer, Max Wilhelm: Ueber popul¨are Wissenschaft und Halbbildung im besonderen in bezug auf die Bestrebungen der Urania. In: Himmel und Erde 2 (1890b), p. 560. Meyer, Max Wilhelm (Hrsg.): Illustrierter Leitfaden der Astronomie, Physik und Mikroskopie in Form eines F¨uhrers durch die Urania zu Berlin. Unter Mitwirkung von Dr. F. K¨orber, Prof. Dr. W. Preyer, Dr. P. Schwahn und P. Spies. Sammlung popul¨arer Schriften herausgegeben von der Gesellschaft Urania zu Berlin, No. 12. Berlin: Hermann Paetel 1892. Meyer, Max Wilhelm: Die physische Beschaffenheit des Planeten Mars und die Frage seiner Bewohnbarkeit nach dem Zeugniß seiner hervorragendsten Beobachter. Urania zu Berlin, No. 23. Berlin: Hermann Paetel 1894. Meyer, Max Wilhelm: Wie ich der Urania-Meyer wurde. Eine lehrreiche Geschichte f¨ur alle, die etwas werden wollen. Hamburg: Henri Grand 1908. Tiemann, Klaus-Harro: Die alte Berliner Urania (1888-1945). In: Urania 2 (1988), p. 62-67. Wolfschmidt, Gudrun (Hrsg.): Popularisierung der Naturwissenschaften. Berlin, Diepholz: GNT-Verlag 2001

29Wolfschmidt 2001. Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Ausseruniversit¨are himmelskundliche Bildungsaktivit¨aten in Wien 1900-2000

Hermann Mucke

Astronomisches B¨uro Wien, Hasenwartg.32, 1230 Wien

Abstract

This article is a short overview about the history of non-university-centered public outreach activities in Vienna. The Urania observatory on the banks of the Danube Canal together with the ”Verein der Freunde der Himmelskunde” and the ”Astronomische Gemeinde”, the ”Kuffner Sternwarte” with the ”As- tronom. Fachgruppe”, the astro public outreach group ”Flakturm”, the Vienna Planetarium, the ”Astronom. B¨uro”, the society for Nature and Technology, the Astro Youth Club and the ”Wiener Arbeitsgemeinschaft f¨ur Astronomie (WAA)” form part of the knowledge distribution chain to the public. These activities require not only a feeling for responsibility and scientific competence but also a high degree of idealism.

Als ausseruniversit¨are himmelskundliche Bildungszentren werden behandelt: Die Urania Sternwarte mit dem Verein der Freunde der Himmelskunde und der Astronomischen Gemeinde, die Kuffner Sternwarte mit der Astronomischen Fachgruppe, die Astronomische Volksbildungsstelle Flakturm, das Planetarium und der Osterreichische¨ Astronomische Verein mit dem Freiluftplanetarium Wien, das Astronomische B¨uro, die Gesellschaft f¨ur Natur und Technik, der Astronomische Jugendclub und die Wiener Arbeitsgemeinschaft f¨ur As- tronomie. Diese T¨atigkeiten erforderten nicht nur Pflichtbewusstsein, sondern auch Idealismus.

Die Wiener Urania Sternwarte Die Wiener Urania mit ihrer Sternwarte verdankt letztlich ihr Entstehen der Idee von Dr. Max Wilhelm Meyer (1853-1910), ein ”Wissenschaftliches The- ater” zu schaffen. Der deutsche Astronom und Wissenschaftsjournalist - u.a. H. Mucke 105 arbeitete er am ”Canon der Finsternisse” Oppolzers mit - f¨uhrte zun¨achst 1884 in Wien unter großem Zulauf das Schauspiel ”Bilder aus der Sternenwelt’” auf; dann ging er nach Berlin. Ein sehr erfolgreiches Gastspiel der 1888 gegr¨undeten ”Berliner Urania” ließ 1901 den gemeinn¨utzigen Verein ”Wiener Urania” und schließlich 1910 das von Architekt Max Fabiani geplante Uraniageb¨aude am Donaukanal zwischen der Aspernbr¨ucke und der Radetzkybr¨ucke entstehen. Die Belange der Sternwarte, vors¨atzlich geplant als Volkssternwarte (die er- ste in Osterreich)¨ betreute Dr. Heinrich Jaschke, Assistent an der k.k. Univer- sit¨ats-Sternwarte. Verdienstvoller Vereinspr¨asident war langj¨ahrig Dr. Ludwig Koessler. Der etwas aus der Donaukanalseite des Geb¨audes im Nordosten vorsprin- gende Sternwartenturm hat einen eigenen Eingang und enth¨alt die 1,4m breite Stiege um den Liftschacht bis in den 4.Stock, auf H¨ohe der Dachterrasse. Die 12fenstrige Aussichtslaterne von 12m Durchmesser im 5.Stock trug die Kuppel von 6,3m Durchmesser; deren 1,2m breiter Spalt wurde durch einen einteili- gen Drehschieber verschlossen. Unter dem Laternenboden querte ein Stahlbe- tontr¨ager von 1m2 Querschnitt den Turm. Auf ihm ruhte der frei durch die Laternendecke gehende Pfeiler f¨ur den Refraktor. Das Hauptinstrument war ein Zeiss-Refraktor 20/308 cm in Meyer’scher Montierung mit Entlastung f¨ur das Rohr und das Achsensystem. Dazu waren drei Kometensucher 8/65 cm, 6/76 cm und 6/61 cm Offnung¨ sowie ein Aussichtsfernrohr 11/130cm vorhan- den. Das 4x3m große Meridianhaus auf der 20m hoch gelegenen Dachter- rasse schloß an die S¨udostecke des Sternwartenturmes an und enthielt das Pas- sageninstrument 5/55 cm. Sein Pfeiler stand auf einer Hauptmauer, die im 3.Stock auch die Pendeluhren in der von Fa. Anton Rapf eingerichteten Uhren- zentrale trug. Dazu gab es die Marinechronometer ”Noris” und ”Klumak” und eine synchronisierte Außenuhr in der Uraniastrasen-Hausfront. Ab 1913 war die ”Uraniazeit” im Telephon interurban und sp¨ater auch im Radio zu h¨oren. Die erste F¨uhrung fand am 20.M¨arz 1910 aus Anlaß des Halley’schen Kome- ten statt und am 22. gestattete das Wetter dessen erste Sichtung von der Laterne aus, denn die Kuppel war wegen der Aufstellung des Refraktors noch nicht zug¨anglich. Die feierliche Er¨offnung der Wiener Urania erfolgte am 6.Juni 1910. Die Leiter und wichtige Ereignisse waren nach ausf¨uhrlichen, illustrierten Ver¨offentlichungen [1], [2] folgende: 1909 - 1912 Dr. Heinrich Jaschke,demGideon Riegler beigegeben war. Er starb am 7.April 1912. 1912 -1914 Gideon Riegler. Er wurde 1910 provisorischer Leiter mit dem Titel Observator und schrieb ”Der Amateurastronom” und ”Sonnen- und Mondfinsternisse” [3] mit beachtlichem Bildungserfolg. Er fiel als k.u.k.Leutnant am 27.August 1914 bei Dizkw (Galizien). 1914 Dr. Johann Haustein. 106 Ausseruniversit¨are himmelskundliche Bildungsaktivit¨aten in Wien 1900-2000

1915 - 1922 Prof. Dr. Oswald Thomas. Verfaßte die ”Astronomische Rundschau” [in 1]. Großer Aufschwung. Seit 1910 h¨ochste Besucherzahl 1920: 9942! ”Fernrohrkurs” f¨uhrt 1922 zum Verein ”Freunde der Himmel- skunde” (FredeHi). Eduard Rauscher,einSch¨uler von Thomas, baute einen Empf¨anger f¨ur Empfang drahtloser Zeitsignale und verbesserte die Qualit¨at der ”Uraniazeit” [4]. 1922-1933 Dr. Robert Klumak, (hauptamtlich ab 1923) gr¨undete 1924 die ”Astronomische Gemeinde”, die zu ernsthafter himmelskundlicher T¨atigkeit an- leitete und diese f¨orderte. Der Verein ”Freunde der Himmelskunde” bestand daneben weiterhin. Er wurde 1946 wegen zu geringer Beteiligung vom Obmann Univ.-Prof. Dr. Adalbert Prey aufgel¨ost. 1933 Univ.-Prof. Dr. Oswald Thomas. 1934-1938 Dr. Friedrich Schembor. verfasste f¨ur 1935,. . . ,1938 den ”As- tronomischen Kalender der Urania-Sternwarte Wien” mit der Astronomischen Gemeinde, dort engagierte sich Dipl.Ing. Walter Jaschek [4]. 1939 Univ.- Prof. Dr. K.Ferrari d’Occhieppo. Nach Einberufung zur Wehrmacht wurde er ab 1940 durch Friedrich Sinwel und Dr. Paul Szkalnitzky vertreten. 1944 wurde am 5.November der Turmoberteil durch eine 500 kg-Bombe zerst¨ort. Sprengung der Reste samt Refraktor wegen Absturzgefahr durch die Feuerwehr. Das Objektiv (Zeiss 1505 E) blieb unzerst¨ort; es ist wie einer der 6 cm-Kometensucher verschollen. 1946 Wiedererrichtung von Uhrenzentrale und Telephon-Zeitsignal. Dr. R. Klumak wieder aktiv. 1952 Dr. Maria W¨ahnl wurde von der Univ.-Sternwarte unterst¨utzt (Lei- hung eines Merz Refraktor 13,5/130cm) .Als Schutzbau diente das Meridian- haus. Das Bundesamt f¨ur Eich und Vermessungswesen ¨ubernahm das Tele- phonsignalmit (Doppelquarzuhr). Der seit 1913 von der Urania Sternwarte gef¨uhrteoffentliche ¨ Zeitdienst wurde damit beendet und beschr¨anktesichauf die Kontrolle der Außenuhr. 1953 3. Januar die erste F¨uhrung mit dem Merz-Refraktor 1956 errichtete die Stadt Wien die Laterne und die motorisch in 2 Geschwindigkeiten drehbare Kuppel von 7,3 m Durchmesser mit Torspalt von 2m Breite neu. 1957 fand am 20.M¨arz die erste F¨uhrung in der neuen Kuppel mit dem Cassegrain-Teleskop 26/518 cm statt, das die Urania ankaufte. 1958 Beginn einer intensiven und besonders publizistischen T¨atigkeit von Dr. W¨ahnl. Es erschien der 1. Jg. der ”Astronomischen Mitteilungen ...”mit anspruchsvollem, und der 1. Jg. des ”Astronomischen Jahrbuches der Urania Sternwarte Wien” [6]. H. Mucke 107

1969 trat Dr. W¨ahnl in den Ruhestand und wurde von Mag.Ing. Franz Vrabec und Dr. Ernst G¨obel bis 1970 vertreten. Die Urania-Direktion hielt die Sternwarte bis 1971 (Nachfolgersuche) geschlossen, Bibliothek-Verbringung samt astron. Pendeluhr in das Planetarium. 1971 Prof. Hermann Mucke wurde nun zus¨atzlich zum Planetarium auch mit der Urania Sternwarte betraut. Wiederer¨offnung: 1. Mai. Einrich- tung der Kuppelprojektion (mitdrehende Projektionswand und Diaprojektor) f¨ur Kurse, Aluminisierung und Aufr¨ustung des Cassegrain-Teleskops gemeinsam mit Dipl.Ing. Norbert Pachner und Verlegung der Pendeluhren Satori 106 und 109 in die Laterne. Ing. Pietschnig: Quarzuhr zur Steuerung der Außenuhr. 1976 Wiederaufstellung des Passageninstrumentes f¨ur Gebrauch im Merid- ian und O/W-Vertikal, Renovierung des Meridianhauses 1980 1.Februar: 1.F¨uhrung Doppelfernrohr (1977-79) in Eigenregie gebaut, finanziert durch Erbschaft W. Rusch / Lochau, Vlbg.Steuerung. F¨ur den Bil- dungseinsatz in der Großstadt von Mucke geplant, konnte f¨ur die Konstruktion Ing. Rudolf Pressberger und Ing. M. Pietschnig f¨ur die Steuerung gewonnen werden. Eine Knicks¨aulenmontierung tr¨agt an den Enden der Deklinationsachse einen Refraktor mit Lichtenknecker HA-Objektiv 15/300 cm und mit Spiegel von Fa. Aeppli ein Cassegrain-Teleskop 30/535 cm;ubrige ¨ Optik und Okularausz¨uge von Fa. Lichtenknecker. Zu den Vorz¨ugen f¨ur himmelskundliche Bildungsarbeit in einer großen, hellen Stadt siehe [2], [7]. Bau eines Spaltspektroskops; das Astronomische B¨uro spendete einen H -Filter. 1990 am 13. November Vorstellung der Digitalprojektion in der Kuppel mit Beobachtungsdaten und Animationen dank Software URANIASTAR (Autoren Ing. M. Pietschnig und W. Vollmann). 1991 von Juni 1991 bis Juli 1992 wurde der Planetariumsbetrieb we- gen dortiger Asbestentsorgung und Ausbau auf die Urania Sternwarte verlegt. Zus¨atzlich erm¨oglichte URANIASTAR die Bew¨altigung der f¨ur eine Sternwarte riesige Besucherzahl und ihrer organisatorischen Probleme. 1999 Mitwirkung bei der Planung f¨ur den Urania-Umbau: Terrassen, Kleine Kuppel mit Pfeilerfundierung. C.Zeiss schenkte f¨ur die kleine Kuppel ein Ama- teurfernrohr AS 10/100 cm, dessen S¨aulenstativ wechselweise das Universal DKM3 tragen kann, das so wie die Pendeluhr Strasser Rhode 633 das Bun- desamt f¨ur Eich- und Vermessungswesen der Sternwarte ¨uberließ. 2000 Ein neues Konzept ganzheitlicher himmelskundlicher Bildungsarbeit - Astrophysik und auch Astrometrie - steht mit Stand Mitte 2000 im WEB [7]. Mucke ab September im Ruhestand. Die Erweiterung und Steigerung des Bildungsbetriebes war Folge der Werbung seitens des Planetariums und des modernen Bildungskonzepts [7] mit Doppelfernrohr und URANIA-STAR.- Nachfolger auch auf der Urania Sternwarte wurde . 108 Ausseruniversit¨are himmelskundliche Bildungsaktivit¨aten in Wien 1900-2000

Die Kuffner Sternwarte 1884-1886 errichtet am Ostabhang des Gallitzinberges in Wien-Ottakring als wissenschaftliche Privatsternwarte des Großindustiellen Moritz v.Kuffner nach Vorschl¨agen von Dr. Norbert Herz. Der Architekt war der k.k.Baurat Franz v. Neumann jun. und der Baumeister und Ottakringer B¨urgermeister Anton Zagorsky. Dies und Folgendes nach [8]: 1887-1896 Das kreuzf¨ormige Geb¨aude erhielt zun¨achst unter einer 6m- Kuppel einen visuellen Refraktor 27/340 cm, an den 1890 ein photographi- scher Refraktor 16/294 cm angeschlossen wurde, sowie einen Meridiankreis 13/150 cm. Es folgte 1892 ein Vertikalkreis 8/120 cm und 1896 in einem zweiten Turm mit 8m-Kuppel ein Heliometer 22/302 cm, das gr¨oßte der Welt. Die Montierungen lieferten Fa.Repsold und die Optik Fa.Steinheil. Erster Di- rektor war Dr. Norbert Herz 1884-1891, zweiter Dr. Leo de Ball 1891-1916; weitere bedeutende Astronomen arbeiteten auf der Kuffner Sternwarte, so Dr. Johann Hartmann 1892 und Dr. Karl Schwarzschild 1897-1899- N¨aheres in der ausf¨uhrlichen, illustrierten Beschreibung mit Stand 1985 [9]. 1946 im Fr¨uhjahr planten Hans Menschik, Direktor der Volkshochschule Alsergrund sowie Arzt und Amateurastronom Dr. Josef G¨urtler,dieKuffner Sternwarte als Volkssternwarte anstatt der zerst¨orten Urania Sternwarte zu nutzen. Am 9.November erfolgte die Gr¨undung der ”Astronomischen Fach- gruppe” der Volkshochschule Alsergrund mit Univ.-Prof. Dr. Adalbert Prey als erstem Obmann. Ihm folgen sp¨ater Univ.-Prof. Dr. Kasimir Graff, Univ.- Prof. Dr. Konradin Ferrari d’Occhieppo und Hofrat Univ.-Doz.Dr. Thomas Widorn. Technischer Leiter wurde OStR.Prof. Dipl.Ing. Walter Jaschek. Damit erfolgte eine Fortsetzung des Vereins ”Freunde der Himmelskunde”. Jaschek bem¨uhte sich pers¨onlich mit Unterst¨utzung einer Amateurastronomen- Gruppe um die Sternwarte sowie in besonders gr¨undlicher und kundiger Weise um die Instrumente und F¨uhrungen. Es wurden u.a. 2 Zeiss-Triplets 14/70 cm und eine Objektivprismenkamera mit Zeiss Sonnar 64/180 mm angeschafft. 1947 fand am 21.M¨arz die Er¨offnung und am 1.April die erste F¨uhrung am ¨uberholten Refraktor 27/340 cm statt. Diese mit großem pers¨onlichem Engage- ment geleisteten Arbeiten waren durch die Unsicherheit der Besitzverh¨altnisse erschwert und belastet. 1950 Infolge des 4.R¨uckstellungsgesetzes kam die Liegenschaft an die Fami- lie Kuffner zur¨uck, die sie ohne die Instrumente 1951 an die ”Siedlungsgenossen- schaft Heim” verkaufte, allerdings unter der Bedingung, dass die Einrichtun- gen der Sternwarte 50 Jahre f¨ur die Erwachsenenbildung zur Verf¨ugung stehen m¨ussen. 1964 schenkte die Erbin Vera Eberstadt, geb.Kuffner,dieInstrumenteder Universit¨at Wien, die einen Vertrag zur Nutzung f¨ur Bildung mit der Volks- hochschule Alsergrund abschloß. H. Mucke 109

1968 gelangten die Instrumente schließlich in den Besitz der Volkshoch- schule. 1977 wurde Denkmalschutz f¨ur die Kuffner Sternwarte erwirkt und so ihr Weiterbestand gesichert. 1980 Tod von Jaschek. Die Instrumente der Kuffner Sternwarte waren unter seiner Leitung und pers¨onlicher Arbeit in der Zeit von 1947 bis 1980 soweit als m¨oglich instand gesetzt worden, das Geb¨aude harrte der Renovierung [9]. Auf ihn folgte bis 1982 Univ.-Prof. Dr. W.W.Weiss. 1982 k¨undigte die Volkshochschule Alsergrund aus Mittelmangel den Miet- vertrag. Der Abbruch der Sternwarte zugunsten schon geplanter Wohnblocks war zwar durch den Denkmalschutz verhindert, aber sie hatte keinen Be- treiber mehr und der Verfall drohte. Mehrfach durch Sonderzuwendungen von der Stadt Wien unterst¨utzt und von der Bezirksvorstehung gef¨ordert, gr¨undeten die Mitarbeiter den ”Verein Freunde der Kuffner Sternwarte” und brachten privat Arbeitzeit sowie Mittel durch einen m¨oglichst stark beworbenen F¨uhrungsbetrieb ein. 1987 kaufte die Stadt Wien die Sternwarte undubergab ¨ sie der Wiener Volksbildung. 1989 begann die Sanierung. Zun¨achst die der Kuppeln, 1991 jene der Bausubstanz mit Errichtung eines H¨orsaals unter dem Heliometerbau und 1994 entsprechend den Forderungen des Denkmalschutzes jene der Instrumente. Der dadurch bedingte Verlust von zweckm¨aßigen, durch Jaschek ausgef¨uhrten und berechtigten Um- und Einbauten musste hingenommen werden. 1995 wurde die Kuffner Sternwarte eine Zweigstelle der Volkshochschule Ottakring. Zweigstellenleiter wurde Dipl. Ing. Mag. Dr. Peter Habison. Nach l¨angeren Diskussionen kam eine umfassende Nutzungsvereinbarung zwischen dem ”Verein der Freunde der Kuffner Sternwarte” und der ”Volkshochschule Ottakring” zustande. Der Verein erhielt jederzeitigen Zugang und das Recht zur Ben¨utzung der Infrastruktur wurden ihm eigene Veranstaltungen gestattet. 1996 Nach einer großen Zahl von Kometenf¨uhrungen des Vereins sperr- te aber die Volkshochschule Ottakring den Verein mit der Begr¨undung aus, die Nutzungsvereinbarung gebrochen zu haben. Am 4.September brachte der Sender Kabel TV eine Konfrontation zwischen dem Vorsitzenden des Verban- des Wiener Volksbildung, Dr. Michael Ludwig und dem Vereinsobmann Dr. G¨unther Wuchterl. Der Verein strengte eine Besitzst¨orungsklage an, die er Ende 1996 gewann. Seither ist dort Koexistenz der Institutionen ”Kuffner Sternwarte, Zweigstelle der Volkshochschule Ottakring” [10] und ”Verein der Freunde der Kuffner Sternwarte” [11]. 110 Ausseruniversit¨are himmelskundliche Bildungsaktivit¨aten in Wien 1900-2000

Astronomische Volksbildungsstelle Flakturm

Ab 1943 wurden in Wien 3 Flakturmpaare errichtet, jedes Paar bestand aus einem Leit- und einem Gesch¨utzturm. Der Leitturm in Wien 6, Esterhazy- park mit rechteckigem Grundriß 31,0x18,8 m ist 46,6 m hoch und in 35m H¨ohe uml¨auft den Turm eine 3m breite Galerie mit Rondellen von 6m Durchmesser. Auf dem Verdeck befindet sich auch eine Kreisplattform von 8m Durchmesser und eine kleinere Rechteckplattform. 1954 wurde auf Initiative der Volkshochschule Wien-West dort eine As- tronomische Volksbildungsstelle eingerichtet, die auch Gelegenheit zu eindrucks- voller Stadtrundschau bot. Er¨offnung am 27.Juni durch Univ.-Prof. Dr. Josef Hopmann.DieersteF¨uhrung fand am 30.Juni anl¨asslich der totalen, in Wien zu 82% partiellen Sonnenfinsternis statt. Es zeigte sich sofort der Wert des Turmes f¨ur Bildungszwecke. Als Leiter wurde Hermann Mucke bestellt. 1954-1962 wurden in der Kreisplattform F¨uhrungen an einem Kometen- sucher Zeiss 8/50 cm mit Diaprojektion und ggf. in der Recheckplattform mit Newton-Spiegelteleskop 22/126 cm von K.Streiter unter freiem Himmel abge- halten. Am S¨udrand der Rechteckplattform konnte ein horizontal montierter Planspiegel aufgesetzt werden. Mit Objektiv 3/250 cm bildete er einen He- liostaten. An der Decke des darunter liegenden Vorbereitungsraumes befand sich eine optische Bank mit 45◦-Planspiegel. Auf der R¨uckseite der Gesichts- feldblende war von obenuber ¨ einen kleinen Hilfsspiegel die Sonne sichtbar. So konnte eingestellt und nachgef¨uhrt werden. Die Blende war gegen einen Spalt zu tauschen; ein Kollimator war wegen des kleinen Offnungsverh¨¨ altnisses unn¨otig. Vor das Abbildungsobjektiv konnte ein Prisma samt Totalreflexisionsprisma eingeschwenkt werden. Uber¨ einen Lichtweg von 18 m entstand auf der Pro- jektionsfl¨ache des Vortragssaales ein Sonnenbild von etwa 40 cm Durchmesser bzw. ein Sonnenspektrum von 1 m L¨ange und etwa 20 Fraunhoferlinien. Dank einer einsetzbaren Quecksilberdampflampe wurden auch Emissionlinien gezeigt. Ein Pl¨ossl-Refraktor 10/135 cm diente auf der Galerie zur Stadtrundschau und ein Lehr-Universal mit 4 cm Offnung¨ zu Astrometrie-Ubungen.¨ Letztere zwei Ger¨ate konnten dankenswert von der Wiener Universit¨atsSternwarte geliehen werden. 1962 besuchte der Amtsf¨uhrende Stadtrat f¨ur Kultur, Volksbildung und Schulverwaltung, Vizeb¨urgermeister Hofrat Hans Mandl mit zwei Begleitern inkognito eine F¨uhrung und holte daraufhin Mucke als fachlichen Leiter f¨ur das in Bau befindliche Wiener Planetarium. Damit endete der himmelskundliche Betrieb auf dem Flakturm. Eine Beschreibung der Astronomischen Volksbil- dungsstelle steht in [12]. In die unteren Stockwerke zog das ”Haus des Meeres” ein. H. Mucke 111

Das Planetarium der Stadt Wien - Zeiss Planetarium 1927 am 7.Mai wurde es in und mit der Ausstellung ”Wien und die Wiener” vor dem Messepalast er¨offnet und erhielt einen Planetariumsprojektor II von Zeiss mit fahrbarem Tragwerk. Leiter war Prof. Dr. Oswald Thomas.DasGeb¨aude wurde vertragsgem¨aß 1928 abgebaut. 1931 am 4.Dezember wurde das Planetarium am Praterstern als Volks- bildungshaus mitoffentlichem ¨ Kino, aber unter gleicher himmelskundlicher Leitung wiederer¨offnet. 1933 ab April wurde es wegen des Kinobetriebes nur selten f¨ur Schulas- tronomie bis Juni verwendet. 1945 vor Kriegsende wurde der Hauptprojektor aus Wien verlagert und das Geb¨aude brannte sp¨ater v¨ollig aus. Vom verlagerten Hauptprojektor blieben nur wenige Teile erhalten. 1962 am 16.Juni Grundsteinlegung vor dem Riesenrad durch B¨urgermeister Franz Jonas. 20m-Kuppel mit Hauptprojektor Zeiss IV und dazu 2 Seitenfl¨ugel f¨ur Kinosaal und Pratermuseum. 1964 am 20.Juni als Teil der Wiener Urania er¨offnet. Wissenschaftlicher Leiter: Hermann Mucke. 1967 Uberpr¨¨ ufung der Eignung des Zeiss Planetariumsprojektors IV durch eine gr¨oßere Arbeit [13]. 1973 Erstes von 27 himmelskundlichen, mangels Schreibgelegenheit im Dunkeln vom Osterreichischen¨ Astronomischen Verein voll dokumentierten Seminaren. Die Referate wurden z.T. von speziell auf den Bildungseinsatz vorbereiteten Mitarbeitern gehalten. So entstand eine nachweislich qualifizierte Gruppe, die auch den F¨uhrungen auf Urania Sternwarte gewachsen war. 1974 der Platz vor dem Planetarium wurde ”Oswald Thomas Platz” be- nannt. Der Kinosaal wurde nach dem mangels Besucher beendeten Kinobetrieb und der Verbringung der Sitzreihen und der Kinoprojektoren in die Urania in einen Ausstellungsraum mit besonderer, nach und nach einschaltbarer Beleuch- tung umgwandelt. 1986 Beginn gr¨oßerer Ausstellungen im Kinosaal, der in ”Oswald Thomas Saal” umbenannt wurde. 1987 IX.Internationaler Planetariumsleiterkongreß in Moskau. Prof. Her- mann Mucke wurde zum Pr¨asidenten gew¨ahlt. Das Pr¨asidium befand sich durch Wiederwahl 1990 bis 1993 in Wien. 1990-1991 wurde das Planetarium asbestentsorgt und der Betrieb auf die Urania Sternwarte verlagert. Umfangreiche Arbeiten, u.a. Erneuerung des Kuppelbodens, pflegeleicht und hell zur Orientierung im Dunklen. Sanierung der drehbaren Klappst¨uhle; Zubau des dritten Fl¨ugels f¨ur B¨uro, Bibliothek und Werkstatt. Ein qualifizierter Techniker wurde noch nicht bewilligt, Hilfs- kr¨afte mußten angelernt bzw. Ger¨ateservice nach Vorschrift Zeiss vom Leiter 112 Ausseruniversit¨are himmelskundliche Bildungsaktivit¨aten in Wien 1900-2000 durchgef¨uhrt werden. Mucke begann einen Stellvertreter bzw. Nachfolger auszubilden. 1997 kamen Weltraumflugmodelle in den Oswald Thomas Saal. Gegen Verg¨utung der Material- und Fahrtkosten sowie Werbung f¨ur den Verkauf von Duplikaten baute sie Josef Fahrleitner (Graz) nach beigestellten Pl¨anen und Bildern auf: Hubble Space Telescope, Space Shuttle mit Startturm und Raum- station Mir. Dazu ein Atmosph¨arenwirkungs-Experiment. 1997 Ausstellung zur Raumstation MIR mit drehbarem Fahrleitner-Modell und einem Computer, mit dem G¨aste selbst die Bahn von MIR nachstellen und die Sichtbarkeit ermitteln konnten. 1999 Wegen Versagens von elektrischen / elektronischen Bauteilen wurde Ersatz durch einen neuen Hauptprojektor dringlich. Die Stadt Wien bewil- ligte einen der Type Zeiss Universarium IX, aber diesem fehlte die Wiedergabe der Pr¨azession und zudem schattete die Fixsternkugel die vor ihr aufgestellten Wandelgestirnprojektoren ab, so dass in einem 25◦ großen Feld hinter ihr keine Wandelgestirnprojektion m¨oglich war. F¨ur den Wiener Projektor (und dann in allen Projektoren dieses Typs) wurde die Pr¨azession ber¨ucksichtigt und in das Wiener Angebot 2 zus¨atzliche Wandelgestirnprojektoren f¨ur Sonne und Mond aufgenommen. Diese sollten auf der Gegenseite der Kugel stehen und l¨angs des Ost/West-Vertikalkreiesuberblenden. ¨ Als Abgeltung f¨ur die zehnj¨ahrige Konsulentent¨atigkeit von Mucke bei Zeiss gab Zeiss den ZULIP-Projektor f¨ur digitale Großbildprojektion im Wert von 27 8000 e unentgeltlich dazu. 2000 Mit September trat Mucke in den Ruhestand, lehnte aber einen Fol- gevertrag der Volksbildung ab. Nachfolger wurde Dipl. Ing. Mag. Dr. Peter Habison und es wurde auf die zus¨atzlichen 2 Projektoren f¨ur Sonne und Mond zugunsten neuer, starrer Sitze verzichtet und der f¨ur das Zurechtfinden g¨unstige helle Bodenbelag wurde durch Spannteppich ersetzt.

Osterreichischer¨ Astronomischer Verein; Freiluftplanetarium Wien

Diese Gesellschaft ist heute zur landesweiten und weitaus gr¨oßten Gemeinschaft aller geworden, die sich in unserem Land f¨ur die Himmelskunde interessieren. Sie bem¨uhte sich stets, die Tatbest¨ande und Abl¨aufe in der ”oberen H¨alfte der Welt” der breiten Offentlichkeit¨ wieder bewusst und erlebbar zu machen und dar¨uber hinaus die Ergebnisse und Methoden der modernen Himmelskunde zu vermitteln. 1924 wurde diese Gesellschaft unter dem Namen ”Astronomischer Verein Wien” von Univ.-Prof. Dr. Oswald Thomas gegr¨undet. Ab 1934 gab es eine dreij¨ahrige Unterbrechung. Der Vereinssitz war sein 1907 gegr¨undetes ”Astronomisches B¨uro” im Botschafterviertel Wien 3, Sale- sianergasse 8. Er hielt Kurse ab und veranstaltete Sternabende [14] mit Ab- H. Mucke 113 schaltung deroffentlichen ¨ Beleuchtung am Sommerheidenweg, am Rosenh¨ugel und auf dem Heldenplatz. 1962 wurde Sen.Rat Dipl.Ing. Johann Albrecht zum 1. Vorsitzenden gew¨ahlt. 1963 Am 13.Februar starb Thomas.ZumGesch¨aftsf¨uhrer wurde Hermann Mucke bestellt. 1973-2000 unterst¨utzte der Verein die himmelskundliche Bildungsarbeit im Planetarium der Stadt Wien durch die Herausgabe der Seminarpapiere und mit Anteilen der Honorare f¨ur Gastvortragende. 1975-1995 19 Spiegelschleifkurse 1990 am 13. Oktober gr¨undete Hofrat Dipl.Ing. Karl Schwarzinger die Arbeitsgruppe Sonnenuhren des Vereins und verfaßte den Katalog ortsfester Sonnenuhren in Osterreich¨ [15]. Ab 1995 Monographien zur Dokumentation außerberuflicher Beobach- tungsergebnisse: Kometenbeobachtungen 1982-1995 von Michael J¨ager, Sternbedeckungen 1978-2002 von Mag. Thomas Weiland und Kleinplaneten- beobachtungen 1979-2003 von Ing. Erich Meyer. 1997 am 9.Oktober er¨offnete Vizeb¨urgermeisterin Grete Laska in einem Festakt im Rathaus Liesing den Sterngarten, ein ”modernes Stonehenge”. Er liegt sichtg¨unstig auf dem Georgenberg neben der Wotrubakirche in Wien- Mauer. Der Architekt war Dipl.Ing. Wolfgang Holzhacker.Zun¨achst ent- stand der Mittelbau mit Sitzstufen und Himmelsmitten-Scheibe in der 7x7m großen Plattform samt Horizontbr¨ustung sowie Nord- und S¨udpfeiler mit Rin- gen von 10 zu 10 H¨ohe und Mittagsmarken f¨ur die Sonnenh¨ohe zum Be- ginn der Jahreszeiten. Die Mittel kamen vom Bundesministerium f¨ur Unter- richt, dem Verein NO-Wien¨ zur Schaffung gemeinsamer Erholungsr¨aume, einer Sternenboten-Spendenaktion und dem Verein. 2000 Vorl¨aufiger Ausbauschluß des Sterngartens zum Freiluftplaneta- rium: Nordweg mit Analemma, auf dem die helle Mitte des Schattens einer Lochscheibe am 16,3m hohen Nordpfeiler mittags, die ekliptikale L¨ange der Sonne und das Datum im Sommerhalbjahr und auf dem Schr¨agmast im Win- terhalbjahr anzeigt. Der Schr¨agmast ist auch der Polos einer horizontalen Son- nenuhr. T¨aglich gibt es mittags ein Zeitsignal auf Minutenbruchteil, wenn der Schatten die Mittenschiene des Nordweges kreuzt. Die Uhrzeit MEZ ist dazu aus einer Tabelle auf dem Sockel des Nordpfeilers zu entnehmen, wo auch Be- ginn und Ende der b¨urgerlichen und nautischen D¨ammerung von 4 zu 4 Tagen ¨uber das Jahr angegeben ist. 6 Sonnens¨aulen stehen um den Mittelbau, die den Auf- und Untergang der Sonne zum Beginn der Jahreszeiten anzeigen. Deren Querarme bezeichnen in Flucht mit der Horizontbr¨ustung die Augpunkth¨ohe 1,5m und Kerben in ihnen bezeichnen die Horizontstelle des durch die Refraktion verschobenen Sonnenoberrandes. Dia- und Digital-Projektion unter freiem Him- 114 Ausseruniversit¨are himmelskundliche Bildungsaktivit¨aten in Wien 1900-2000 mel mit Strom aus einem Generator und einer am S¨udpfeiler aufziehbaren Pro- jektionsfl¨ache von 2m2; beides wird angefahren. Weiters ist eine Lautsprecher- box am Nordpfeiler hochziehbar; dazu ein Funkmikrophon. Alle Markierungse- lemente sind aus Edelstahl und leuchten im Licht der Zeigelampe; es gibt keine festen elektrischen Einrichtungen. Gemeinn¨utzige Anlage, gratis f¨ur jeder- mann und jederzeit. Seither viele Veranstaltungen mit großem Publikumserfolg. Ausweichm¨oglichkeit bei Schlechtwetter in die Wotruba-Kirche. Eine Brosch¨ure ”Himmelskunde im Freiluftplanetarium” mit dem j¨ahrlichen ”Tierkreiskalender” beschreibt die Anlage und ihre Nutzung [16], [17]. Damit kann Jeder Familie, Freunde oder als Lehrer seine Sch¨uler selbst f¨uhren. Als ”Stadtlokal” f¨ur Son- dervortr¨age dient der Festsaal des Alpenvereins, 1., Walfischg. 12; das Hotel- Restaurant STASTA, Wien 23, Lehmanng. 11 - beim Verkehrszentrum Liesinger Platz - ist f¨ur Astro-G¨aste da.

Astronomisches B¨uro 1907 Gegr¨undet im Mai von Univ.-Prof. Dr. Oswald Thomas in Kronstadt (Brasov, Rum¨anien). Seit 1913 in Wien; Zentrale f¨ur wissenschaftliche Lieb- haberarbeit. Sammlung von Meteormeldungen, Meteorabhandlungen, Kurse. 1948-1962 himmelskundliche Notizen in der ”Wiener Zeitung”, 1952-1962 stetig Monatsberichte mit Himmelskarte. Gr¨oßere Ver¨offentlichungen [18]. 1963 am 13. Februar Tod des Gr¨unders. Hermann Mucke folgt als Eigent¨umer und Leiter nach; ab 1980 in Wien 23, Hasenwartg. 32. Erstellt f¨ur den Osterreichischen¨ Astronomischen Verein Programm und Ver¨offentlichungen und betreut fachliche Belange (u.a. himmelskundliche Planverfassung des Freiluftplanetariums) sowie F¨uhrungen. Osterreichischer¨ Himmelskalender und Osterreichische¨ astronomische Monatsschrift ”Der Sternenbote”. Diese Medien boten zus¨atzlich die sehr n¨otige Werbung f¨ur Planetarium und Urania Stern- warte bis 2000 [19]. Ab 1972 Arbeiten zur astronomischen Ph¨anomenologie: Helle Kometen -86 bis +1950 / Astronomische Kurzkalender 1900 - 2010 / Canons der Mond- und Sonnenfinsternisse -2002 bis +2526 [20]. Ab 1990 regelm¨aßig Monatsberichte mit Sternkarte in der ”Wiener Zeitung”; Daten f¨ur andere Medien. 2001 Topstation, Hasenwartg.32, 1230 Wien. Refraktor Zeiss 10/100 cm, Universal Neuh¨ofer 27 mm

Gesellschaft f¨ur Natur, Technik und Wirtschaft Innerhalb dieser Gesellschaft wirkte Prof. Erich Dolezal als Wissenschaftspub- lizist mit viel Fachwissen und Phantasie. Er trat besonders als Raumfahrt- Experte, aber auch als Himmelskundler hervor. H. Mucke 115

1929 Buch ”Ruf der Sterne”. Danach sachkundige Vortr¨ageuber ¨ ”M¨og- lichkeiten der Raumfahrt”. 1945 Astronomische Bildungsarbeit im Volksheim Ottakring mit 20 cm- Newton Teleskop am Red Star Platz, sp¨ater auf der Kuffner Sternwarte; leistete Vorarbeit f¨ur dortige Bildungsarbeit. 1946 war er maßgeblicher Mitbegr¨under der popul¨aren Wissenschaft- szeitschrift ”Universum”, sp¨ater vereint mit ”Natur und Technik”, war deren Chefredakteur und verfasste darin viele astronomische und weltraumtechnische Beitr¨age. Auch war er Autor erfolgreicher Raumfahrtromane. 1947 - 1957 Verfasser des ”Sternkalenders” f¨ur Osterreich,¨ 1947 - 1949 im Verlag Universum und 1951 - 1957 im Verlag der Gesellschaft f¨ur Natur und Technik. Ab 1954 mit OstR.Prof. Manfred Oswalden Die Jahrg¨ange 1950 und 1956 sind nicht erschienen. 1963 Zur Er¨offnung des Wiener Planetariums verfasste Dolezal die Brosch¨ure ”Sternenb¨uhne Planetarium” im Verlag f¨ur Natur, Technik und Wirtschaft, Wien. 1963 - 1990 stammten die Monatsberichte mit Sternkarte in der ”Wiener Zeitung” von ihm; dannubergab ¨ er dies dem Astronomischen B¨uro. Er starb am 17. Juli 1990.

Astronomischer Jugendclub 1969 gr¨undete Peter Reinhard, Wien, den Astronomischen Jugendclub ”Dingi Vindesmiatrix” f¨ur die Sternfreunde-Jugend. Auch erschien die ”Ster- nenrundschau” mehrmals im Jahr; 2007 im 39. Jahrgang. Organisation von Fahrten Jugendlicher aus besonderem astronomischem Anlaß.

Wiener Arbeitsgemeinschaft f¨ur Astronomie 1998 gegr¨undet von Dipl.Ing. Alexander Pikhard. Viele Kontakte mit an- deren himmelskundlichen Institutionen und Vereinigungen, z.B. in Wien mit dem Planetarium und mit dem Verein der Freunde der Kuffner-Sternwarte. Umfangreiches himmelskundliches Bildungsprogram in verschiedenen Wiener Lokalit¨aten. Vortr¨age, Kurse und dokumentierte Seminare sowie Beobachtun- gen mit Fernrohren an verschiedenen beobachtungstechnisch g¨unstigen Pl¨atzen mit mehreren Teleskopen. http://www.waa.at/ Literatur

[1] Urania, Illustrierte popul¨arwissenschaftliche Wochenschrift. 1.Jg.1908; 1909, besonders Jg.1910 und in folgenden Jahrg¨angen. Dieser Ver¨offentlichung erschien sp¨ater unter ge¨andertem Titel. [2] Mucke, H.: Planetarium der Stadt Wien, Zeiss Planetarium - Wiener Urania Sternwarte. Osterr.¨ Bundesverlag, Wien 1985; Privatmitteilungen von K.Ferrari d’Occhieppo, E.Rauscher, O.Thomas. 116 Ausseruniversit¨are himmelskundliche Bildungsaktivit¨aten in Wien 1900-2000

[3] Riegler, G.: Der Amateurastronom. Naturwissenschaftliche Taschen-Bibliothek Bd.2 (1909?) und Sonnen- und Mondfinsternisse 1912(?). Beide A.Hartleben’s Verlag, Wien und Leipzig. [4] Rauscher, E.: Der Offentliche¨ Zeitdienst der Wiener Urania Sternwarte von 1919 bis 1923. Sternenbote 13, 9/1970, p.130-133. Astronomisches B¨uro, Wien. [5] Schembor, F.: Astronomische Kalender der Wiener Urania Sternwarte 1935-1938, Wiener Urania. [6] W¨ahnl, M.: Astronomische Mitteilungen der Urania Sternwarte Wien, 11 Jahrg¨ange 1958-1968 und Astronomisches Jahrbuch der Urania Sternwarte Wien, 6 Jahrg¨ange 1958-1963. Wiener Urania. [7] Mucke, H.: Beobachtungsm¨oglichkeiten auf der Wiener Urania Sternwarte - neue himmelskundliche Bildungswege sowie Weber, R: Beobachtungen mit dem Passageninstrument. Seminarpapiere 2000, Astronomisches B¨uro f¨ur Osterr.Astronomischen¨ Verein. http://members.ping.at/astbuero/ [8] Jaschek, W: Die Wiener Volkssternwarte. Der Sternenbote 1, 4/1958; F¨unfundzwanzig Jahre Wiener Volkssternwarte. Der Sternenbote 15, 3/1972 mit Bildbeilage. Astronomisches B¨uro, Wien. [9] Weiss, W.W.: Die Kuffner-Sternwarte. Wiener Bezirkskulturf¨uhrer, Heft 24. Jugend und Volk, 1985. [10] Habison, P.: Kuffner Sternwarte 1995-1998, Kuffner Sternwarte 1999 und www.kuffner.ac.at/ [11] www.kuffer-sternwarte.at/ [12] Mucke, H.: Astronomische Volksbildungsstelle in Wien. Die Sterne, 33., Heft 7-8, p.164-166. J.A.Barth, Leipzig 1957. [13] Mucke, H.: Das Planetarium als astronomische Analogrechenanlage. Annalen d. Universit¨ats- Sternwarte Bd.27, Heft 1, Wien 1967. In Kommission bei F.D¨ummlers Verlag, Bonn. [14] Thomas, O: Wiener Sternabende. Himmelswelt, Bonn 1942. [15] Schwarzinger, K.: Katalog ortfester Sonnenuhren in Osterreich.¨ 1991, 1993 und 2006 mit Diskette. Osterreichischer¨ Astronomischer Verein, Wien. [16] Mucke, H.: Himmelskunde im Freiluftplanetarium. 2002. Ost.Astronomischer¨ Verein, Wien 2002. [17] Regal, W.: Tierkreiskalender. Sonne und Planeten im Jahr. Osterr.Astronom.Verein,¨ Wien. Ab 2005. [18] Thomas, O.: Himmel und Weltall, 5.Aufl., B¨uchergilde Gutenberg, Wien 1953 / 50 Jahre Astronomisches B¨uro. Die Sterne, 34, 5-6, J.A.Barth, Leipzig 1958 / Atlas der Sternbilder, 1963 und Astronomie, Tatsachen und Probleme, 1956. Beide Verlag Das Bergland Buch, Salzburg. [19] Mucke H.: Osterreichischer¨ Himmelskalender, ab 1957 stetig; 2008 im 52.Jg. / Der Sternenbote, Osterreichische¨ Astronomische Monatsschrift, ab 1958 stetig; 2008 im 51.Jg., (1958, 1959 von A.Riehs). Astronomisches B¨uro, Wien. [20] Zur F¨orderung der astronomischen Ph¨anomenologie: Helle Kometen -86 bis 1950. 1972 und 1976 / Astronomische Kurzkalender 1900-2010, 1989 / Canon der Mondfinsternisse -2002 bis +2526. 1979, 1983 und 1992 / Canon der Sonnenfinsternisse -2003 bis +2 526 mit Diskette, 1984 und 1992. Beides zum Gedenken an Theodor Ritter v. Oppolzer zum 100.Todestag. Astronomisches B¨uro, Wien. Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Wiener Astronomen und Kleinplaneten

Anneliese Schnell

Institut f¨ur Astronomie, T¨urkenschanzstrasse 17, 1180 Vienna, Austria

Abstract

Mainly in the second half of the 19th century and at the beginning of the 20th century Viennese astronomers worked on Minor Planets, their discovery, the determination of positions and orbits. Most important was . In cooperation with from Heidelberg he published the very first photographic stellar charts.

Bis zum Beginn des Spacewatch Projekts 1980 lag die Wiener Sternwarte bei einer Reihung der Entdeckung von Asteroiden mit 97 Objekten unter den 20 f¨uhrenden Instituten der Welt. Diese herausragende Position verdankt sie vor allem einem Astronomen, Johann Palisa. Palisa (1848 - 1925) entdeckte w¨ahrend seines Lebens 121 Asteroiden, davon 28 in der Zeit, in der er Direktor der Sternwarte Pola war. Schon die Astronomen an der alten Wiener Sternwarte besch¨aftigten sich mit diesen Objekten. Bereits in der ersten, 1835 erschienenen Auflage von J. J. Littrows Lehrbuch ”Die Wunder des Himmels” (Littrow 1835) werden die damals bekannten vier Asteroiden erw¨ahnt und es wird die Vermutung ge¨außert, dass es noch mehr dieser Objekte gibt. Ab 1831 gaben die Direktoren der Wiener Sternwarte den sogenannten ”Kalender f¨ur alle St¨ande” heraus, der ab 1852 regelm¨aßig einen Beitraguber ¨ neu entdeckte Asteroiden enth¨alt; in ihm wurden Untersuchungenuber ¨ Bahnelemente und Bahnen ver¨offentlicht. Im Kalender findet man Berichte ¨uber die internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet, ¨uber die Aufteilung von Beobachtungen und Bahnbestimmungen auf mehrere Sternwarten, in Wien wurden wie in Berlin und Kremsm¨unster alle mit dem vorhandenen Instrumentarium erreichbaren Objekte beobachtet sowie Bahnbestimmungen durchgef¨uhrt (z.B. Calliope, L¨atitia, Leda). Die Astronomen der alten Wiener Sternwarte besch¨aftigten sich also mit den ihnen zur Verf¨ugung stehenden Mitteln ausf¨uhrlich mit Asteroiden. F¨ur 118 Wiener Astronomen und Kleinplaneten

Abb. 1: Links: Theodor v. Oppolzer / Rechts: Sternwarte Wien-Josefstadt

Beobachtungen war ein parallaktisch aufgestelltes 6” - Instrument vorhanden, die Aufstellung erfolgte durch den Werkmeister des Polytechnischen Institutes Chr. Starke. Die damals verwendete Methode zur Bahnbestimmung war die von Gauss, die langwierige und umfangreiche Rechenarbeiten erforderte. Die Arbeiten wurden erst durch eine neue von Theodor von Oppolzer 1870 (Oppolzer 1870) ver¨offentlichte Methode vereinfacht. Littrow besch¨aftigt sich ab etwa 1853 mit Arbeitenuber ¨ die gegenseitige Ann¨aherung dieser Objekte, kommt aber nach etwa 20 Jahren zu dem Schluss, dass diese f¨ur eine Massenbestimmung zu selten auftreten.

Theodor von Oppolzer (1841 - 1886) war der Sohn eines ber¨uhmten Wiener Arztes und schloss 1865 ebenfalls ein Medizinstudium ab. Sein Interesse galt einzig der Astronomie. Sein Vater richtete ihm im Haus Alserstraße 25 eine Privatsternwarte ein. An dieser Sternwarte Wien-Josefstadt, die als Hauptin- strument einen 7”-Refraktor hatte (die Optik war ein Dialyt von Pl¨ossl, damals wohl das lichtst¨arkste Objektiv in der gesamten Osterreichisch-Ungarischen¨ Monarchie), beobachtete er zwar Kleine Planeten, deren Positionen in den As- tronomischen Nachrichten ver¨offentlicht wurden, sein Hauptinteresse galt aber der Bahnbestimmung und Ephemeridenrechnung von Kometen und Kleinen Planeten. Nach seinen Berechnungen wurden z. B. die verloren gegangenen Ob- jekte (62) Erato, (73) Klytia und (91) Aegina wieder gefunden (z.B. Oppolzer 1865). Oppolzer hatte niemals Astronomie studiert, zur Zeit des Abschlusses des Medizinstudiums hatte er schon 56 astronomische Arbeiten ver¨offentlicht, A. Schnell 119

Abb. 2: Moritz Loewy die f¨ur seine Habilitation verwendet wurden. 1870 wurde er außerordentlicher Professor f¨ur Astronomie und H¨ohere Geod¨asie an der Universit¨at Wien (Weiss 1887). Oppolzer war mit Moritz Loewy (1833 - 1907) befreundet, der die Wahl seines Lebensweges stark beeinflusste. Loewy hatte in Wien studiert, bekam aber wegen seines j¨udischen Glaubens keine Stelle in Wien und ging 1860 nach Paris, wo er sowohl an der Sternwarte als auch am Bureau des Longitudes ar- beitete und Vizedirektor sowie Direktor der Sternwarte wurde. Auch Loewy besch¨aftigte sich urspr¨unglich mit Asteroiden (Puiseux 1907, Weiss 1887). 1866 begann Johann Palisa (1848 - 1925) in Wien mit dem Astronomie- studium und wurde 1870 an der alten Wiener Sternwarte angestellt. Nach einer kurzen T¨atigkeit in Genf bewarb er sich auf Anraten Oppolzers um die Leitung der Marine-Sternwarte in Pola, die er 1872 bekam. Die Aufgaben f¨ur Astronomen an der Marinesternwarte waren genau festgelegt: sie hatten Zeitbe- stimmungen durchzuf¨uhren, f¨ur die im Hafen liegenden Schiffe das Mittags- zeichen abzugeben, die Chronometer der Kriegsmarine regelm¨aßig zu vergle- ichen und funktionst¨uchtig zu erhalten und astronomische, meteorologische und erdmagnetische Beobachtungen anzustellen, soweit es die vorhandenen Hilfs- mittel gestatten (J. Palisa 1881). Angeh¨orige des Milit¨ars mit wohlklingenden Titeln wie Linienschiffs-F¨ahnrich oder Fregattenkapit¨an, die w¨ahrend ihrer Stu- dienzeit f¨ur einige Monate der Wiener Sternwarte f¨ur eine Spezialausbildung zum Dienst zugeteilt gewesen waren, arbeiteten mit bescheidenen astronomi- schen Instrumenten. Palisa bem¨uhte sich, etwas astronomisch Sinnvolles zu tun und begann mit der Beobachtung von und Suche nach Kleinen Planeten. Er legte eigene Sternkarten an, in die er alle Sterne einer bestimmten Him- melsgegend einzeichnete, die mit dem Refraktor in Pola (6 Zoll Offnung)¨ sicht- bar waren. So konnte er die sich relativ zu den Fixsternen bewegenden As- teroiden verh¨altnism¨aßig einfach auffinden. Jedes Objekt beobachtete er oft genug, dass eine sichere Bahnbestimmung vorgenommen werden konnte. Am 120 Wiener Astronomen und Kleinplaneten

Abb. 3: Links: Johann Palisa / Rechts: Marinesternwarte Pola

18. M¨arz 1874 entdeckte er den ersten neuen Kleinen Planeten, das Objekt (136) Austria. Bis zu seinem Weggang von Pola 1880 fand er insgesamt 28. Er beobachtete auch Kometen und bestimmte mit dem Meridiankreis Positionen von Anhaltsternen. Ein Jahr nachdem Palisa in Pola die Austria entdeckt hatte, gelang auch an der alten Wiener Sternwarte die Entdeckung eines Asteroiden. Leopold Schulhof (1847 - 1921) fand am 10. Juli 1875 noch auf der alten Wiener Sternwarte (147) Protogeneia, der Name stammt von Littrow. Schulhof war ebenfalls Jude mit keiner Aussicht auf eine Anstellung in Wien, er ging an das Bureau des Longitudes nach Paris und besch¨aftigte sich dort vor allem mit Bahnbestimmungen (Bigourdan 1921, 1922). Palisa reizte nat¨urlich das Angebot von Edmund Weiss, mit dem lichtstarken Großen Refraktor an der neuen Sternwarte in Wien die Beobachtung von Kleinen Planeten unter wesentlich besseren Bedingungen als in Pola durchzuf¨uhren. In Wien entdeckte Palisa noch 93 Asteroiden, obwohl er sich von 1892 an haupts¨achlich mit der Beobachtung der Objekte befasste, die Max Wolf in Hei- delberg auf photographischem Weg gefunden hatte. In Zusammenarbeit mit Wolf entstanden die ”Palisa-Wolf-Karten”, ein Sternatlas l¨angs der Ekliptik, dessen Herausgabe nach dem Ersten Weltkrieg aus Geldmangel eingestellt wer- den musste. Die mit einem Gradnetz versehenen Karten zeigten alle Objekte bis zur 15. Gr¨oße, insgesamt sind 200 Bl¨atter erschienen. Dies ist ein fr¨uher pho- tographischer Himmelsatlas. Mit dem Bruce Teleskop in Heidelberg gewonnene Himmelsaufnahmen wurden in Wien mit einem Gradnetz versehen und dann die Karten gedruckt (Rheden 1945). Palisa war auch der erste, der sich den neuen Ideen der Astrophysik gegen¨uber aufgeschlossen zeigte und vor allem die Methoden der Photogra- phie f¨ur seine Arbeiten nutzen wollte. Nach einer Untersuchung von Rudolf A. Schnell 121

Abb. 4: Links: Rudolf Spitaler / Rechts: Josef Rheden

Spitaler war der Grosse Refraktor mit seinem f¨ur den visuellen Spektralbereich korrigierten Objektiv f¨ur die damals verwendeten photographischen Emulsio- nen, deren st¨arkste Empfindlichkeit im blauen Spektralbereich lag, nur bedingt geeignet (Spitaler 1891). 1885 hatte Palisa Leuten, die einen finanziellen Beitrag f¨ur eine von ihm ge- plante Teilnahme an einer Sonnenfinsternisexpedition leisten w¨urden, die M¨og- lichkeit der Benennung eines Kleinen Planeten versprochen. So fand er auch private M¨azene. Einer von diesen, Freiherr Albert von Rothschild, schenkte der Sternwarte einen Stereokomparator und ein Fernrohr ungew¨ohnlichen Typs, das Aequatorial Coud´e, dessen Konstruktionplan von Moritz Loewy stammt. 1882 nahm Palisa an einer franz¨osischen Sonnenfinsternisexpedition zu einer Inselgruppe im Pazifischen Ozean teil. W¨ahrend der Dauer der Totalit¨at suchte er nach einem damals vermuteten intramerkuriellen Planeten. In popul¨aren Vortr¨agen berichtete er aus seinem reichhaltigen Wissen im Verein zur Verbre- itung naturwissenschaftlicher Kenntnisse. Als nach der Pensionierung von Ed- mund Weiß 1909 wieder ein Theoretiker, Josef Hepperger (1855 - 1928), zum Direktor der Sternwarte ernannt wurde, stellte Palisa aus Protest f¨ur einige Zeit seine Beobachtungst¨atigkeit ein, sicher eine f¨ur damalige Verh¨altnisse mutige Geste. Eine Art Verm¨achtnis stellt seine letzte Ver¨offentlichung dar, in der er sich 1924 vehement f¨ur die Verlegung der Wiener Sternwarte, die in der Zwischenzeit ja mitten in der Großstadt lag, an einen Ort mit g¨unstigen Beobachtungsbedingungen einsetzte (Palisa J. 1924, Rheden 1925, Hepperger 1925, Oppenheim und Rheden 1925). Palisa erhielt f¨ur seine Arbeiten eine Reihe von Preisen, seine sorgf¨altige Arbeit wurdeuberall ¨ gew¨urdigt. Fast jedes von ihm entdeckte Objekt wurde nummeriert und benannt, und konnte bei der n¨achsten Opposition wieder beobachtet werden. Allein (719) Albert war ver- 122 Wiener Astronomen und Kleinplaneten loren und wurde erst im Fr¨uhling 2000 mit dem Spacewatch Programm wieder gefunden (Larsen, J., McMillan, R.S., Scotti, J.V., Hicks, M., Fevig, R.G., Williams, G.V. 2000). Auch nach seiner Pensionierung 1919 erhielt er das ausdr¨uckliche Recht, seine Beobachtungst¨atigkeit fortzusetzen. Friedrich Bidschof (1864 - 1915) und Josef Rheden (1873 - 1946) waren mit T¨ochtern von Palisa verheiratet. Beide arbeiteten zumindest zeitweise auf dem Gebiet der Asteroiden. Rheden richtete 1908 das Photolaboratorium beim Normalastrographen ein und gewann zahlreiche photogaphische Aufnahmen von Asteroiden. Etwas ist noch aus der Zeit vor dem Bau der neuen Sternwarte nachzutra- gen: der sp¨atere Direktor der Sternwarte, Edmund Weiß, bem¨uhte sich anl¨aßlich seiner Reise nach Amerika 1872, um eine M¨oglichkeit der besseren Verst¨andigunguber ¨ die Neuentdeckung von Asteroiden zwischen den einzel- nen Kontinenten. Er verhandelte mit Christian Heinrich F. Peters, Astronom (Kleinplanetenentdecker) in Clinton. Die transatlantische Kabelgesellschaft be- willigte daher die Ubermittlung¨ von Entdeckungsinformationen, die seit 1869 mit der k.u.k. Akademie der Wissenschaften (Oppolzer) ausgetauscht wurden, in beschr¨ankter Anzahl geb¨uhrenfrei durchzuf¨uhren. Nun wurde zumindest teil- weise eine kostenfreie Bef¨orderung innerhalb Europas und Amerikas erwirkt (Littrow, J.J. 1886). Erst 1879 besch¨aftigte sich die Astronomische Gesellschaft mit diesem Problem (Sch¨onfeld, Winnecke 1879). Selbstverst¨andlich haben auch alle anderen in Wien angestellten Astronomen Positionen von Asteroiden bestimmt bzw. Bahnbestimmungsrechnungen durch- gef¨uhrt, zu nennen sind Franz Schaub, August Murmann, Karl Zelbr und Samuel Oppenheim, der, bevor er Professor an der Universit¨at Wien wurde, an der Kuffner Sternwarte und in Prag angestellt war. Auch in den letzten Jahrzehnten gibt es vereinzelte Arbeitenuber ¨ Aster- oiden. So war die erste wissenschaftliche Arbeit von Alois Purgathofer in Wien 1954 die Bestimmung von 165 Positionen von Nemausa w¨ahrend der Opposi- tion 1954 (Purgathofer 1955). Im Rahmen einer Dissertation wurden manche der mit dem Astrographen aufgenommenen Platten neu vermessen (Pendl 1969) und Lichtkurven von Asteroiden wurden von Hermann Haupt unter- sucht. Thomas Widorn entwickelte eine Methode zur Bestimmung von Albedo und Durchmesser durch einen Infrarotindex (Widorn 1974). Es besch¨aftigt sich auch manche der himmelsmechanischen Arbeiten von Rudolf Dvorak und Elke Lohinger mit Asteroiden.

Literatur

Bigourdan, G. 1921, Anzeige des Todes von Leopold Schulhof, Astron. Nachr. 214, 405 Bigourdan, G.1922, Leopold Schulhof, Bull. Soc. Astr. de France 36, 84 A. Schnell 123

Firneis,M.G., 1987, Leben und Wirken d. Th.v. Oppolzer, Wien, Geod¨at. Arbeiten Osterr.¨ f.d. internat Erdmessung, N.F.V Firneis, M.G., Haupt, H., Holl, P.: Sternwarten in Osterreich,¨ http://www.austriaca.at/sternwarten Hepperger, J. 1925, Johann Palisa, Astron. Nachr. 225, 125 Larsen, J., McMillan, R.S., Scotti, J.V., Hicks, M., Fevig, R.,G. Williams, G.V. 2000. Discovery and Confirmation of (719) Albert = 2000 JW8. IAU Circ. 7420. Littrow, J.J. 1835, Die Wunder des Himmels, Hoffmannsche Verlagsbuchhandlung Stuttgart, in 3 B¨anden, Band 2, p. 114ff. Littrow J.J. 1886, Die Wunder des Himmels, 7. Auflage, nach den neuesten Fortschritten der Wissenschaft bearbeitet von Dr. E. Weiß, Berlin, p. 453 Oppenheim, S., Rheden, J. 1925, Johann Palisa. VJS Astron. Ges. 60, 187 Oppolzer, Th. 1865, Wiederauffindung der Clytia (73), Astron. Nachr. 63, 95 Oppolzer, Th. 1870 bzw. 1880, Lehrbuch zur Bahnbestimmung der Planeten und Kometen. 2B¨ande, Leipzig Palisa, J. 1881, Jahresbericht Pola, VJS Astron. Ges. 16, 227 Palisa J. 1924, Die Verlegung der Wiener Sternwarte eine Notwendigkeit, Wien, Selbstverlag des Verfassers Pendl, E. 1969, Die Neuvermessung von 140 Aufnahmen Kleiner Planeten sowie ein Programm zur Berechnung vorl¨aufiger Bahnen. Diss. Univ. Wien Puiseux, P. 1907, Anzeige des Todes von Maurice Loewy, Astron. Nachr. 176, 265 Purgathofer, A. 1955, 165 Positionen des kleinen Planeten (51) Nemausa w¨ahrend der Opposition 1954. Mitt. Univ. Stwte. Wien 7, 235 Rheden, J. 1925, Johann Palisa. Eine kurze Lebensschilderung, Wien, Selbstverlag des Verfassers Rheden, J. 1945, Die ”Palisa-Wolf-Karte”, Geschichte eines astronomischen Kartenwerkes, Manuskript, Wien Sch¨onfeld, E., Winnecke, A.: Berichtuber ¨ die achte allgemeine Versammlung der Astronomischen Gesellschaft in Berlin, Berichtuber ¨ die dritte Sitzung, VJS Astron. Ges. 14, p. 345, p. 355, Spitaler, R. 1891, Zeichnungen und Photographien am Grubbschen Refraktor in den Jahren 1885 bis 1890. Ann.Univ.Stwte.Wien XXIII, 1 Weiss, E. 1887, Nekrologuber ¨ Theodor von Oppolzer. Astron. Nachr. 116, 95 Weiss, E. 1908, Maurice (Moritz) Loewy, VJS Astron. Ges. 43, 142 Widorn, Th. 1974 Die Bestimmung der Albedo und des Durchmessers von Asteroiden durch einen Infrarotindex, Ann. Univ.Stwte. Wien, 31, 1 Bildquellen: Abb. 1a: Institut f¨ur Astronomie der Universit¨at Wien Abb. 1b: Firneis, M.G., Haupt, H., Holl, P.: Sternwarten in Osterreich,¨ http://www.austriaca.at/sternwarten Abb. 2: Weiss, E. 1908, Maurice (Moritz) Loewy, VJS Astron. Ges. 43, 142 Abb. 3a: Osterreichisches¨ Staatsarchiv Abb. 3b: Institut f¨ur Astronomie der Universit¨at Wien Abb. 4a: Institut f¨ur Astronomie der Universit¨at Wien Abb. 4b: Institut f¨ur Astronomie der Universit¨at Wien Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Carl Wilhelm Wirtz an der Kuffner-Sternwarte: Seine photographischen Studien und seine Korrespondenz mit Karl Schwarzschild

Hilmar W. Duerbeck

Vrije Universiteit Brussel, Pleinlaan 2, B-1050 Brussel, Belgium

Abstract

We describe in some detail the work of and the correspondence between Karl Schwarzschild and Carl Wilhelm Wirtz, who worked during the last years of the 19th century at the Kuffner Observatory in Vienna; we also give a brief outline of Wirtz’s later astronomical career. Excerpts from Wirtz’s letters offer unusual aspects on the working conditions and of the characters of some contemporaries, information that is usually lacking in other biographical sources, like obituaries.

Einf¨uhrung

Als Carl Wirtz im Februar 1939 todkrank in einem Hamburger Krankenhaus lag, muss ihm sein Leben wie eine Trag¨odie vorgekommen sein. M¨uhsam hatte er es nach dem abgeschlossenen Astronomiestudium zum Observator und Professor in Straßburg gebracht, als der verlorene Weltkrieg ihn 1919 stellungslos zur¨uckließ. Zwar fand er wieder eine vergleichbare Stellung in Kiel, aber viele seiner Kollegen hielten ihn f¨ur zu liberal, zu sch¨ongeistig, sein Humor wurde oft missverstanden, und er machte trotz seiner Originalit¨at und seines Fleißes keine Fortschritte in seiner akademischen Karriere. Die Zahl seiner Freunde war klein. ,,Thule“ gab er als Absendeort seiner Briefe an, Thule, der n¨ordliche Rand der Oikumene des Altertums. Als in den 1920er Jahren in Kiel ein neuer Sternwartendirektor gesucht wurde, machte der Großteil der Fakult¨at kein Hehl daraus, dass er trotz seiner wissenschaftlichen Arbeiten f¨ur einen solchen Posten ungeeignet sei, und man zog seinen nationaler eingestellten Schwager Hans Rosenberg vor. Als dieser unter den Nazis schließlich die Stelle r¨aumen musste, wurde auch die Sternwarte H. W. Duerbeck 125 in den Strudel der Ereignisse gezogen und nach einigen Jahren geschlossen, nachdem schon Wirtz zuvor in den vorzeitigen Ruhestand gedr¨angt worden war. Der Verlust der akademischen Heimat und eine gescheiterte Ehe ließen Wirtz in den letzten Lebensjahren ein unstetes Dasein f¨uhren. Arbeiten f¨ur die Deutsche Seewarte hielten ihn in Hamburg, andere Arbeiten versuchte er in seiner Heimat Krefeld anzupacken, auch eine mehrmonatige Seereise nach S¨udamerika wurde unternommen. Schließlich aber machte die Krankheit alle weiteren Pl¨ane zunichte, viele, die ihn gekannt hatten, hatten selbst Probleme, sich ¨uber Wasser zu halten, und sein Leben und Werk geriet mehr oder minder in Vergessenheit. In den 65 Jahren nach seinem Tod fanden sich nur wenige, die seine Spur verfolgten. Sein Sch¨uler Siegfried Baumbach schrieb einen kurzen Bericht1, Ernst K¨oppen portr¨atierte ihn in seinen Krefelder Miniaturen2, und Charlotte Sch¨onbeck und Felix L¨uhning lieferten wichtige Beitr¨age in ihren Studien zur Kieler Astronomie3. Schließlich wurden auch Waltraut Seitter und Hilmar Duer- beck bei ihren Studien zur Geschichte der modernen Kosmologie auf das Werk von Carl Wirtz aufmerksam4, und ein k¨urzlich abgeschlossenes Buchprojektuber ¨ die Geschichte der Straßburger Sternwarte5 ließ das Interesse neu erwachen. Biographische Studienuber ¨ Wirtz sind nicht gerade einfach. Als Wirtz 1939 starb, war er unter den deutschen Astronomen so isoliert, dass man ihm nur ein paar d¨urre Zeilen als Nachruf hinterherschickte6. Seine Frau war bei Bekannten untergetaucht und mußte die letzten Kriegsjahre in Theresienstadt verbringen, sein Sohn war h¨aufig zum Milit¨ardienst eingezogen und arbeitete ansonsten in der meeresgeologischen Forschungsstelle bei Kiel. Sein bei Verwandten in

1S. Baumbach, Carl Wirtz. Krefeld von a-z, Stadtb¨urgerliche Briefe f¨ur die Jugend. Nr. 115, Februar (1966). 2E. K¨oppen, Krefelder Miniaturen. Scherpe, Krefeld, S. 265–267 (1967). 3Ch. Schmidt-Sch¨onbeck, 300 Jahre Physik und Astronomie an der Kieler Universit¨at, Ferdinand Hirt, Kiel, S. 201–208 (1965); F. L¨uhning, ...eine ausnehmende Zierde und Vortheil. Geschichte der Kieler Universit¨atssternwarte und ihrer Vorg¨angerinnen 1770– 1950. Arbeit und Forschung zwischen Grenzen und M¨oglichkeiten. Habilitationsschrift, Wachholtz-Verlag, Neum¨unster (2007). 4W.C. Seitter, H.W. Duerbeck, Carl Wilhelm Wirtz – a pioneer in observational cos- mology. In: B. Bertotti et al. (eds.), Modern Cosmology in Retrospect, Cambridge University Press, Cambridge, S. 365–399 (1990). 5H.W. Duerbeck, W.C. Seitter, The nebular research of Carl Wirtz. In: A. Heck (ed.), The Multinational History of Strasbourg Astronomical Observatory, Springer, Dordrecht, S. 167–187 (2005). 6Leider sind Wirtz’ Lebensdaten in der Literatur widerspr¨uchlich angegeben, was vor allem auf eine falsche Datumsangabe in der seiner Dissertation beigegebenen Vita zur¨uckzuf¨uhren ist. Hier also die genauen Daten: geb. 24. April 1876 in Krefeld, gest. 18. Feb. 1939 in Hamburg. Ich danke Herrn Dr. W.R. Dick, der mich auf die Wider- spr¨uche aufmerksam machte, und Frau B. Freier-Wirtz, die mir amtliche Dokumente zur Verf¨ugung stellte. 126 Carl Wilhelm Wirtz an der Kuffner-Sternwarte

Krefeld befindlicher Nachlass ging wohl verloren; seine B¨ucher wurden im An- tiquariatshandel zerstreut, von seinen Papieren ist nur weniges erhalten. Doch immer gibt es Zufallsfunde: Im Hellerich-Nachlass in M¨unster findet sich Wirtz’ letztes Reisetagebuch, in einer k¨urzlich in der Straßburger Sternwarte ge¨offneten Kiste fand sich unter Hellerichs zur¨uckgelassenen Papieren Wirtz’ Arbeitsma- terialien zur atmosph¨arischen Optik.

Schwarzschild und Wirtz

W¨ahrend sich der zweite Weltkrieg fatal auf den Wirtz-Nachlass auswirkte, wurde durch den ersten eine nicht unwesentliche Korrespondenz, vorzugsweise aus seiner Wiener Zeit, bewahrt. Karl Schwarzschilds unerwartet fr¨uher Tod (1916) hatte zur Folge, dass sein umfangreicher Briefwechsel mit Zeitgenossen erhalten blieb, und die Briefe von Wirtz, der ihm auf dem Posten des Assisten- ten an der Kuffner-Sternwarte nachfolgte, sind recht aufschlussreich. Schwarz- schilds Briefe haben sich nicht erhalten; Wirtz’ 28 Briefe und Postkarten aus den Jahren 1899–1911 befinden sich im Archiv der Staats- und Univer- sit¨atsbibliothek G¨ottingen. Das Leben von Schwarzschild7 (1873–1916) und Wirtz (1876–1939) be- wegte sich auf recht unterschiedlichen Bahnen (Abb. 1). Trotz des relativ geringen Altersunterschiedes verhielt sich Wirtz meistens als Fragender und Bittender; seine Karriere verlief wesentlich weniger steil. Immerhin hatte Wirtz vor allem in den 1920er Jahren Gelegenheit, eine Anzahl von zumeist statis- tischen Arbeiten zu Sternen und Nebeln fertigzustellen, ebenso schrieb er eine Reihe von Handbuchartikeln; seine sp¨ateren Arbeiten behandeln vorzugsweise Themen der atmosph¨arischen Optik und Nautik. Doch wir wollen uns hier im wesentlichen auf die Zeit der beiden an der Kuffner-Sternwarte konzentrieren. Fassen wir kurz die Vorgeschichte dieser Sternwarte zusammen8:deran den Naturwissenschaften interessierte Großindustrielle Moriz von Kuffner fasste 1883 den Plan, eine Privatsternwarte auf seinem Grundst¨uck in Ottakring zu errichten, das damals noch weit vom Stadtgebiet entfernt lag. Die Grundsteinle- gung fand 1884 statt, und schon Ende 1886 erfolgten die ersten Beobachtungen mit einem Meridiankreis. Kuffner besch¨aftigte einen Direktor (Norbert Herz, 1884 - 1891, Leo de Ball 1891 - 1916) und ein bis zwei Assistenten. Zu diesen z¨ahlen Karl Schwarzschild (1897 - 1899) und Carl Wirtz (1899 - 1900).

7Eine neuzeitliche Biographie von Schwarzschild mit Verweisen auf ¨altere Arbeiten findet sich in: K. Schwarzschild, Gesammelte Werke, ed. H.H. Voigt, Springer-Verlag, Berlin,Vol.1,S.1–28.(1992). 8Nach W.W. Weiss, Die Kuffner-Sternwarte, Jugend und Volk-Verlagsgesellschaft, Wien (1985). H. W. Duerbeck 127

Abb. 1: Linkes Bild: Carl W. Wirtz (aus: Portraitgallerie der Astronomischen Gesellschaft, 1904) — Rechtes Bild: Karl Schwarzschild (aus: H.H. Voigt (Hrsg.): Karl Schwarzschild, Gesammelte Werke, Bd. 1)

Die Sternwarte besaß um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert einen Meridiankreis mit 132/1500 mm, einen Vertikalkreis, ein großes Heliometer von 217/3000 mm, einen Refraktor von 270/3400 mm mit einem photographischen Rohr 156/2940 mm. Es scheint, als ob letzteres auf Initiative eines der ersten Assistenten, Samuel Oppenheim, ca. 1890 angeschafft wurde, und es ist das Instrument, mit dem die im Folgenden erw¨ahnten Beobachtungen gewonnen wurden. Von 1896 bis 1899 war Schwarzschild an der Kuffner-Sternwarte besch¨aftigt, und als Ergebnis konnte er zwei grundlegende Arbeitenuber ¨ photographische Photometrie vorlegen, die er in den Publikationen der Sternwarte wie auch in photographischen Fachbl¨attern ver¨offentlichte. Hier legte er einige Grundla- gen der photographischen Photometrie (Photometrie mittels extrafokaler Stern- bilder, Zusammenhang zwischen Sternhelligkeit, Belichtungszeit und Schw¨ar- zung, Stichwort: Schwarzschild-Exponent), und leistete Pionierarbeiten zur Photometrie von Sternhaufen (Plejaden, h und χ Persei, Praesepe) und von Ver¨anderlichen.9 Schwarzschild untersuchte den Bedeckungsver¨anderlichen β Lyrae, dessen visuelle und photographische Lichtkurven einander stark ¨ahnelten, und den Cepheiden η Aquilae. Hier war die photographische Amplitude praktisch dop- pelt so groß wie die visuelle (genau gesagt: 1.9 mal), was auf Variationen der Oberfl¨achentemperatur hindeutete und erste Zweifel an der damals favorisierten Doppelstern-Natur der Cepheiden aufkommen ließ.

9Siehe z.B. P. Habison, Karl Schwarzschild und sein photographischer Effekt. Sterne und Weltraum 40, Heft 9, S. 790-793 (2001). 128 Carl Wilhelm Wirtz an der Kuffner-Sternwarte

Wirtz, der von Fr¨uhjahr 1899 bis Februar 1900 an der Kuffner-Sternwarte t¨atig war, baute auf Schwarzschilds Arbeiten auf, f¨uhrte zur Schw¨arzungska- libration Objektivgitter (zur wohldefinierten Abschw¨achung der Transmission des Objektivs) ein, und f¨uhrte eine photographische Photometrie der Plejaden durch. Weiterhin beobachtete er vier ver¨anderliche Sterne: δ Cephei, den Proto- typ der Cepheiden-Ver¨anderlichen, daneben noch ζ Geminorum, α Herculis und R Lyrae (Abb. 2). Er fand bei ersterem ein Verh¨altnis von photographischer zu visueller Amplitude von 2.4, beim zweiten von 1.7; bei den roten Ver¨anderlichen α Her und R Lyr ergaben sich keine klaren Ergebnisse. Schließlich bestimmte er anhand von sieben hellen Sternen unterschiedlicher Farbe das Verh¨altnis der photographischen zur visuellen Extinktion in der Erdatmosph¨are zu 2.1. Eine photographische Serie von 22 Aufnahmen der Mondphasen blieb unbearbeitet.

Abb. 2: Lichtkurve des pulsierenden Sterns δ Cephei (Wirtz 1901)

W¨ahrend Schwarzschilds Arbeiten in M¨unchen fertiggestellt wurden und in den Publikationen der Kuffner-Sternwarte10 (und anderswo) erschienen, pub- lizierte Wirtz seine Ergebnisse in den Astronomischen Nachrichten11.Schwarz- schild griff seine photographischen Untersuchungen in G¨ottingen wieder auf (G¨ottinger Aktinometrie, visuelle und photographische Arbeiten seines Dok- toranden Bruno Meyermannuber ¨ δ Cephei), Wirtz kam jedoch nie wieder auf dieses Thema zur¨uck. Erst in den sp¨aten zwanziger Jahren betrieb er, offenbar beeinflusst durch den Kieler Direktor Hans Rosenberg, photographische Pho- tometrie von Kugelhaufen und Nebeln.

10K. Schwarzschild, Die Bestimmung von Sternhelligkeiten aus extrafocalen pho- tographischen Aufnahmen. Publ. d. v. Kuffner’schen Sternwarte Wien V, B.3-B23 (1900); ders., Beitr¨age zur photographischen Photometrie der Gestirne. Publ. d. v. Kuffner’schen Sternwarte Wien V, C.3-C135 (1900). 11C.W. Wirtz, Photographisch-photometrische Untersuchungen. Astr. Nachr. 154, Sp. 317-364 (1901); der Artikel wurde am 1. Dezember 1900 eingereicht. H. W. Duerbeck 129

Der Briefwechsel

Wirtz’ Briefwechsel mit Schwarzschild war naturgem¨aß am intensivsten, als er seine Arbeiten an der Kuffner-Sternwarte abschloss und h¨aufig um Ratschl¨age bat. Ein schw¨acheres Maximum trat 1904/1905 ein, als Wirtz eine Abhand- lunguber ¨ astronomische Ortsbestimmung in der von Schwarzschild mither- ausgegebenen Encyklop¨adie der Mathematischen Wissenschaften fertigstellte12. Ansonsten finden sich kurze Briefe oder Karten zu Beginn von Wirtz’ T¨atigkeit an der Seefahrtsschule Hamburg (1901), an der Straßburger Sternwarte (1902) und anl¨asslich Schwarzschilds Verlobung (1909). Der letzte, recht interessante Brief (1911) betrifft Wirtz’ abschließende Ergebnisse des schon in den 1870er Jahren von Winnecke in Straßburg initiierten Programms zur Bestimmung der s¨akularen Parallaxe der Nebelflecke. Dies stellt sozusagen Wirtz’ Erstlingsar- beit auf dem Gebiet der beobachtenden Kosmologie dar; seine bedeutenderen extragalaktischen Arbeiten sollten erst ein Jahrzehnt sp¨ater erscheinen. KommenwirkurzzueinigenAusz¨ugen aus dem Briefwechsel. Er beginnt mit Wirtz’ Umzug in die von Schwarzschild ger¨aumte Wohnung (Abb. 3): Wien, 1899, Juli 6. — Lieber Herr College! [...] Heute erst bin ich von meiner Bude in Ihre fr¨uhere Wohnung her¨ubergezogen, und mit diesem Briefe an Sie weihe ich meine Th¨atigkeit in der neuen Behausung ein, w¨unschend, mein Streben m¨oge von einem ¨ahnlichen Erfolge begleitet sein wie das Ihrige. Bei den von mir beabsichtigten Neuanschaffungen habe ich vern¨unftigerweise bei den unwichtigsten Dingen begonnen. Andere kleinere Sachen ungerechnet, dr¨ucke ich den Gitterapparat und die Verlegung der Belichtungsklappe in die Brennebene wohl auch bald durch. Nichtsdestoweniger f¨uhle ich mich aber doch seit Ihrem Weggange von hier gar nicht besonders wohl. Zum Schlusse will ich Ihnen auch nicht voren- thalten die Gr¨uße, welche mir Frau Jaksch und Josephine an Sie aufgetra- gen haben; ich aber komme [sic] Ihnen jetzt aus meinem pomp¨osen Bierkrug einen urkr¨aftigen Schluck und ein ebensolches Prosit und verbleibe in der Hoffnung wenigstens in 14d [= Tagen] etwas von dem von Ihnen gezogenen Habilitationsvortrag13 zu vernehmen. [...]

12C.W. Wirtz, Geographische Ortsbestimmung, nautische Astronomie. In; Encyk- lop¨adie der mathematischen Wissenschaften mit Einschluss ihrer Anwendungen, Vol. 6, Th. 2, H. 1, S. 80-159; abgeschl. 1904. 13in M¨unchen; die Arbeit ,,Beitr¨age...“ (s. Fußnote 10) diente als Habilitationsschrift. 130 Carl Wilhelm Wirtz an der Kuffner-Sternwarte

Abb. 3: Erster erhaltener Brief von C.W. Wirtz (Ottakring) an Karl Schwarzschild (M¨unchen) (Staats- und Universit¨atsbibliothek G¨ottingen)

Darauf folgende Briefe behandeln die Arbeitsm¨oglichkeiten an der Stern- warte, das Auskommen mit dem Direktor, Leo de Ball14, und Wirtz’ Zukunft- saussichten: Ottakring, 1899, October 3. — Lieber Herr Dr! Nat¨urlich! Sie freuen sich jetzt in M¨unchen Ihrer wissenschaftlichen Umge- bung, schaffen unter Seeligers Anregung wieder erfolgreich weiter und vergessen ganz [sic] auf Wien – und Ihren dorten schnoede zur¨uckgelassenen Collegen! Das finde ich, um mich eines Lieblingsausdruckes von Ihnen zu bedienen, das findeichroh![...] [Es] hat sich meine Ansichtuber ¨ Familie Jaksch voellig umgedreht; fr¨uher zum mindesten kein bedeutender Freund derselben, hat sie sich mir jetzt ganz unentbehrlich gemacht; denn sie thun mir voellig meinen Willen in allen St¨ucken, Frau Jaksch kocht nach dem deutschen, von Dr. Eber- hard15 hinterlassenen Kochbuch und der Jaksch macht mir allerhand kleine VerbesserungenanDunkelkammerundInstrument.[...] Das von Schwarz in der Kuppel angebrachte Leiterchen thut zur Beurteilung des Luftzustandes gute Dienste, und vor etwa 2 Monaten ist auch die ganze Kuppel gr¨undlich nachgesehen worden. Daß der Schieber sehr schwer ging, war da nicht mehr wunderlich; zolldicke Spaene sind weggeflogen (wenn doch das nur der de Ball auch thaete!), und die Schienen, auf denen der Dom lief, mußten gerade geklopft werden. Daf¨ur geht aber jetzt auchbeides, SchieberundDrehung,spielend leicht.[...] Die bedeutendste Neuanschaffung aber wird in einigen Wochen fertig; n¨amlich der Gitterapparat am photogr. Refractor, um den ich so lange habe

14Leo de Ball (Lobberich/Rhl. 1853 – Wien 1916), seit 1891 Direktor der Kuffner- Sternwarte. In den Briefen oft als dB oder deB abgek¨urzt. 15Gustav Eberhard (Gotha 1867 – Potsdam 1940) war von April 1892 bis Ende 1897 Assistent an der Kuffner-Sternwarte. H. W. Duerbeck 131 lamentieren m¨ussen. Gleicherzeit kommt ein Momentverschluß in die Naehe der Platte, um den ich heute an Repsold geschrieben. Die Gitterscheibe der (gebrochenen, mit Kugelgelenk versehenen) F¨uhrungsstange fertigt der geschickte Schwarz an. Daß ich das Ding [ein Objektivgitter] erst so spaet bekomme? – Sehr einfach; de Ball hat erst vor ein paar Tagen begriffen, was eigentlich damit beabsichtigt ist und von welcher Bedeutung diese simple Idee sein k¨onnte. Also weder Ihre, noch meine fr¨uheren geduldigen Bem¨uhungen haben seinen Verstand erhellt, das war vielmehr einem Schriftst¨uck vorbehalten, worin ich ihm auf sein Ersuchen die Geschichte nach der Papploeffelmethode16 erl¨auterte. Herrgott! war das eine Anstrengung! Aber jetzt hat er’s capiert, (gepriesen sei Minerva!) und da hat er mir auch ohne weiteres die n¨otigen Guldens (unter 150 fl. kommt Herr von K[uffner].eh’ nit davon!) zuges- tanden! [...] Die groeßte Freude bereitete mir die 14t¨agige Anwesenheit des lieben, gelehrten Prof. Oppenheim17 ; die Abreise mußte er aus einem f¨ur ihn recht erbaulichen Grunde beschleunigen; er ist, wie Sie schon wissen (?), zum Ordinarius der Staatsrealschule in Prag (Karolinenthal [Karl´ın]) ernannt worden, eine Nachricht, die er erst in der Zeitung las. Ob das gerade eine w¨urdige Stellung f¨ur einen Mann ist, von dem selbst die Herren von der K.K. sagten, er sei der t¨uchtigste zeitgenoessische Astronom Oesterreichs, bezweifle ich, und daß dieser von den Wiener maßgebenden Kreisen so sch- noede behandelte Mann noch so unentwegt wissenschaftlich thaetig ist, wie ichdas ausseinemMundevernahm, das ist bewundernswert. – [...] Man kommt hier auf allerlei Gedanken, dumme und kluge; wohin ich den folgenden einreihen soll, weiß ich noch nicht. Ich denke n¨amlich allen Ern- stes daran, die Astronomie als Brodstudium an den Nagel zu h¨angen, und zu einem lukrativeren Berufuberzugehen; ¨ denn ich muß mich wirklich vor meiner gesamten Verwandtschaft sch¨amen, daß ich auf einen so winzigen Gehalt gesetzt bin und noch unabsehbar lange bleiben werde. Der Ueber- tritt [...] faellt mir, nunich mich ernsthaft damit beschaeftige, doch recht schwer, und ich str¨aube mich fortwaehrend, es zur Entscheidung zu bringen; mir scheint: es steckt doch ein gut St¨uck astronomischer Beruf in mir, und a bisserlwehthuteinemdarum derWechsel doch! – [...] Wirtz beschließt, nach weniger als einem Jahr seine Stellung an der Stern- warte zu k¨undigen:

16Papp, Pappe = Kinderbrei (s. Grimms Deutsches W¨orterbuch). Gemeint ist also: in kleinen Portionen. 17Samuel Oppenheim (1857 Braunsberg [Bruˇsperk, Tschechien] – Wien 1928. Ein Nachruf von Wirtz findet sich in der Vierteljahrsschrift der Astr. Ges. 64, S. 20-30 (1929). Oppenheim war von 1888 bis 1896 Astronom an der Kuffner-Sternwarte und gleichzeitig vertretungsweise Gymnasiallehrer am akademischen Gymnasium in Wien. 132 Carl Wilhelm Wirtz an der Kuffner-Sternwarte

Ottakring, 1900, Jan. 8. - Lieber Herr Dr! [...] Mein teurer Director dB hat mir vor ein paar Tagen eine wahrhaft herzerquickende Genugthuung bereitet, an der auch Sie ihren goettlichen Spaß haben werden. Zur Controlle meiner Hyadentriangulation nahm ich durch sucessive [sic] Verstellung des Refractors ohne Plattenwechsel alle he- liometrisch beobachteten Sterne auf einer Platte auf, die ich nun zu ver- messen gedachte. Diese Absichtaußerte ¨ ich Ende December im harmlosen Gespraech mit dB. Mit dem ersten Januar k¨undigte ich dann und erklaerte im Laufe des Februar fortgehen zu wollen. Sie ahnen nun wohl, was kommt? N¨amlich deB, am folgenden Tage, setzt mir klar und angenehm auseinan- der, wie dringend er den Sternhaufen zu vermessen habe, der auch vor 3 Jahren dem lieben Prof. Oppenheim so schweren Aerger verursachte, und holt mir den Apparat weg, den er in das leere Zimmer im Nord-Tract neben meiner alten Bude einschließt, wo er bis jetzt unbenutzt steht. So bin denn auch ich einmal einem unzweifelhaft haeßlichen Streiche deB’s zum Opfer gefallen und das bereitet mir, wie oben gesagt, Genugthuung; denn meine fast un¨uberwindliche Antipathie hat nun endlich eine nachtraegliche Recht- fertigung gefunden, und das beruhigt mein Gewissen ganz erheblich. Aergern thut mich die Sache nicht weiter; denn, da ich doch bald nach Bonn komme, so benutze ich einfach den dortigen neuen Meßapparat. Aus dem Briefwechsel geht hervor, dass Oppenheim ¨ahnliche Situationen erlebt hat. Jedenfalls ist es nach dem Zerw¨urfnis mit dem Direktor nicht ver- wunderlich, dass die von Wirtz an der Kuffner-Sternwarte erhaltenen Ergeb- nisse nicht als Sternwartenpublikation erschienen, sondern in den Astronomis- chen Nachrichten. Wirtz kehrt nach seinem Aufenthalt in Wien nach Bonn zur¨uck, wo er eine Zeitlang freiwilliger Mitarbeiter an der Bonner Sternwarte ist, seine an der Kuffner-Sternwarte erhaltenen Photoplatten mit Hilfe des dor- tigen Z¨ollner-Photometers ausmisst, und daneben seine Oberlehrer-Pr¨ufung18 ablegt. Er geht in einem Brief an Schwarzschild auch noch mal kritisch auf die Zust¨ande an der Kuffner-Sternwarte ein: Bonn, 1900, Mai 2 (k[¨onigliche]. Sternwarte) Lieber Herr Dr! [...] noch immer lebe ich in Angst und Bangen vor dem Examen, noch immer liegen die Wiener Beobachtungen unreduciert da [. . . ]. Sie sehen, hier scheint es wieder ganz im Wiener Fahrwasser schlampig voranzugehen, wenn – mich nicht Prof. K¨ustner emporgerissen haette. Er nahm mich nach meiner Heimkehr aus der leichtfertigen Theaterstadt wieder mit offenen Armen wie den verlorenen Sohn auf und auf seine Einladung hin nahm ich nach 4woechentlichem Aufenthalt in Krefeld wieder meine Thaetigkeit

18Oberlehrer = Lehrer an einem Gymnasium o.¨a. H. W. Duerbeck 133 an der lieben schoenen Bonner Sternwarte auf und arbeite jetzt fleißig (,,fleißig“ im deutschen, nicht Wiener Sinne) am neuen Refractor. [...] Gestern morgen erhielt ich von Schur aus G¨ottingen ein Schreiben, worin er meldet. daß er an Prof. K. sich gewandt habe, um zu erfahren, ob ich gewillt waere, die Goettinger Assistentenstelle (zu den bekannten gl¨anzenden Bedingun- gen und samt den rappeligen Instrumenten) zuubernehmen; ¨ denn er habe er- fahren, daß ich die Wiener Stelle aufgegeben [...]Nachdem dann K¨u[stner] es ubernommen,¨ an Schur selbst meine Absage zu schreiben, und nachdem ich mich bis Mittag herzlich gefreut hatte, da kam ein weiterer Brief vom Goettinger Assis- tenten Buchholz19 des Inhalts: er habe seine Stelle gek¨undigt und beabsichtige sich um die – Ottakringer Stelle zu bewerben, wolle aber von mir Naeheres dar¨uber er- fahren. [Ich] entschloß mich endlich, die Antwort strenge in 2 Teile zu teilen: einen objektiven, der vom Gehalt, von den ,,Dienst“stunden und von den In- strumenten handelt und die Lage der Sternwarte waehrend der guten Jahreszeit geziemend lobt, und einen subjektiven, der erstens feststellt, daß mir und allen meinen Vorg¨angern die Person des Direktors unsagsam unsympathisch gewesen sei, daß ich mich einer naeheren Begr¨undung deshalb enthalten wolle, weil die Wiener Zeit noch zu nahe hinter mir laege, so daß ich so ganz sine ira et stu- dio urteilen moechte. Deshalb verwiese ich auf jene Herren, die schon laengere Zeit von Wien weg seien, z.B. Dr. Schwarzschild und Großmann, die zudem auch wohl ein milderes Votum abg¨aben wie ich. Mit einem orientierenden Hinweise auf Verkehrsverhaeltnisse und sonstige Bequemlichkeiten schloß mein Brief, der auf eine von meinem subjektiven Standpunkte aus gehaltene Warnung vor Uebernahme dieser Stelle hinauslief.

Wie denken Sieuber ¨ dies mein Vorgehen? Mir schien es der einzige Ausweg zu sein aus dem an mich herangetragenen Dilemma; denn bedingungslos alle objek- tiven Vorz¨uge hervorzuheben und mich sonst auszuschweigen, hielt ich f¨ur Unrecht; denn wenn der Herr einige Charakterz¨uge mit mir teilen sollte, w¨urde er sich in Ottakring tief ungl¨ucklich f¨uhlen. DeB. bin ich zudem in keiner Weise zu Dank verpflichtet; wozu sollte ich also mit meinen Gef¨uhlen hintanhalten? Wozu einen preußischen Nachfolger blind ins Unheil rennen zu lassen?

Ihr Urteil wird, wie ich schon andeutete, milder ausfallen; in den wesentlichen Punkten stimmen wiruberein; ¨ aber wenn Sie jetzt urteilen, dann bitte ich Sie, erinnern Sie sich nur der Gemeinheiten, der moralischen Verrenktheiten DeB’s, unter denen ein so edler und wissenschaftlich hervorragender Mann wie Herr Prof. Dr. S. Oppenheim hat leiden m¨ussen! Mich deucht: auch Sie m¨ussen sich sagen: Gerechte Vergeltung f¨ur Oppenheim! – – – [...]

19Hugo Buchholz, L¨ubeck 1866 – Halle 1921; promovierte 1895 in M¨unchen und war sp¨ater a.o. Professor f¨ur Mathematik und Direktor der Sternwarte in Halle. 134 Carl Wilhelm Wirtz an der Kuffner-Sternwarte

Wirtz’ weiterer Lebensweg

Nach Abschluss seiner Lehrerpr¨ufung ging Wirtz an die Seefahrtsschule nach Hamburg. Auf Schwarzschilds Kritik an seiner Arbeit in den Astronomischen Nachrichten schrieb er: [ich will] daher nicht naeher [darauf ] eingehen, da ichuberdies ¨ mit der reinen Astronomie, die mich in meiner Laufbahn min- destens 3 Jahre aufgehalten hat, nichts mehr zu thun haben mag (Brief vom 14. M¨arz 1901 aus Hamburg). Aber er schien immer noch an einer Stelle in der Astronomie interessiert, so wie er es in seinem Gratulationsschreiben vom 24. Oktober 1901 aus Krefeld ausdr¨uckte, als er von Schwarzschilds Berufung nach G¨ottingen (der Sternwarte mit den ,,rappeligen Instrumenten“) h¨orte: Sollten Sie einmal eines Observators bed¨urfen, so bitte ich Sie, mich mit in Erwaegung zu ziehen. Doch dann ging sein Wunsch auf andere Weise in Erf¨ullung (Brief vom 16. M¨arz 1902 aus Hamburg): Ich beehre mich, Ihnen mitzuteilen, daß ich unterm 10. M¨arz zum Observator an der Kais. Univ.- Sternwarte zu Straßburg ernannt worden bin. Hier wurde er nicht nur zu einem eifrigen Beobachter von Kometen, Planeten und Sternen, sondern er reduzierte in den folgenden Jahren auch die Positionsbeobachtungen von Nebelflecken, die seit den 1870er Jahren auf Anregung des ersten Straßburger Direktors, Winnecke, gemacht wurden, um ihre Eigenbewegungen abzuleiten. Wirtz heiratete 1905 Helene Borchardt, die Tochter eines Teeh¨andlers (ihre Schwester Vera ehelichte den in Straßburg, T¨ubingen und Kiel wirkenden As- tronomen Hans Rosenberg20, ihr Bruder Rudolf Borchardt war ein damals recht bekannter Schriftsteller). Mitte 1909 verlobte sich Schwarzschild, was den fol- genden Brief vom 29. Juli 1909 ausl¨oste: Lieber Herr Schwarzschild, Wat soll eener dorbie dhaun? Dat is all as dat Lebben is. Meinen herzlichen Gl¨uckwunsch! [etwa: was kann man da machen? So ist das Leben.] Der letzte Brief vom 29. November 1911 bezieht sich auf Wirtz’ Arbeit ¨uber den Straßburger Nebelkatalog. Schwarzschild hatte offenbar einige Vorschl¨age gemacht, wozu das Material verwendet werden k¨onnte, und Wirtz schrieb zur¨uck, dass er diese Analyse schon durchgef¨uhrt habe, ohne allerdings zu be- friedigenden Ergebnissen zur ,,kosmischen Stellung der Nebel“ zu gelangen: ob sie n¨amlich außerhalb der Milchstraße gelegene Sternsysteme sind, oder aber Mitglieder der Milchstraße. Deshalb wollte er sein Resultat lieber nicht in den Astronomischen Nachrichten ver¨offentlichen, sondern – etwas versteckt – in den Straßburger Ver¨offentlichungen21. Erst nach dem ersten Weltkrieg w¨urden Wirtz’ weitere statistische Untersuchungen ¨uber Nebel – unter Hinzunahme von

20Hans Oswald Rosenberg, Berlin 1879 – Istanbul 1940; sp¨ater Astronom in Yerkes und in Istanbul. 21C.W. Wirtz, Ein Versuch zur kosmischen Stellung der Nebel, Annalen der Kaiserl. Univ.-Sternw. Strassburg 4, Teil 2, 313 (1912). – ein Faksimile des Briefes findet sich bei Duerbeck und Seitter, op. cit., S. 177 (mit englischer Ubersetzung).¨ H. W. Duerbeck 135

Sliphers Radialgeschwindigkeitsmessungen – zu relevanten Ergebnissen f¨uhren, die ihn zu einem der Pioniere der extragalaktischen Forschung machten22. Zum Abschluss sei darauf hingewiesen, daß beide, Schwarzschild wie Wirtz, ein Opfer deutscher Verh¨altnisse wurden: Schwarzschilds Freiwilligenmeldung im ersten Weltkrieg war wohl auch dadurch bedingt, daß Personen mosaischen Bekenntnisses oft als besonders pflichtbewußte und national gesinnte Deutsche erscheinen wollten. Wenngleich die direkten Ursachen der f¨ur ihn t¨odlichen Blasensucht unbekannt sind, m¨ogen sie doch durch seinen Kriegsdienst her- vorgerufen worden sein: ,,contracted in the Field“, um aus Eddingtons Nachruf zu zitieren, der selbst seines Glaubens willen diesem ,,Felde der Ehre“ fernge- blieben war. Auch Wirtz, dessen einziges Kind 1914 geboren worden war, lag der Hurra-Patriotismus fern: er wurde im September 1916 eingezogen und hielt nach einer milit¨arischen Grundausbildung Kurseuber ¨ Geod¨asie, Astronomie, Kartographie und Ballistik beim Großen Generalstab in Berlin ab. Wirtz, der aus einer streng katholischen Familie stammte, ging, wenn man so sagen soll, eine mehrfache Mischehe ein. Nicht nur war seine Frau evange- lisch, was seine Familie kaum hinzunehmen gewillt war, ¨uberdies war sie nach Ansicht der Nazis auch nicht-arisch. In den 1920er Jahren war Wirtz selbst fast ein Jahrzehnt lang SPD-Mitglied, und es wird in den Kieler Fakult¨atsakten anl¨aßlich der Wiederbesetzung des Direktorpostens der Ausspruch kolportiert: ,,Ein Rheinl¨ander ist in erster Linie Rheinl¨ander, und erst in zweiter Linie Preuße“. All dies machte ihn trotz aller wissenschaftlichen Verdienste in der ,,Grenzlanduniversit¨at“ Kiel untragbar, so dass er nach einigem Hin und Her 1937 in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wurde. Bei der ideologisch weniger unterwanderten Marine sah man solche Dinge nicht so eng, und er konnte noch einige Zeit an Forschungsprojekten f¨ur die Hamburger Seewarte arbeiten. Doch als er Anfang 1939 starb, sah f¨ur ihn die Welt in politischer wie auch famili¨arer Hinsicht d¨uster aus; und nur wenige Astronomen in Deutschland bewahrten sein Andenken. So wie sp¨ater die Schwarzen L¨ocher Schwarzschild wieder ins Rampenlicht gebracht haben, so hat auch die neuere Geschichte der Kosmologie Wirtz ein wenig der Vergessenheit entrissen. Danksagungen Mein besonderer Dank gilt der Staats- und Universit¨atsbibliothek G¨ottingen, aus dem Briefwechsel Wirtz-Schwarzschild (Cod. Ms. K. Schwarzschild Briefe 828)zitieren zu d¨urfen. F¨ur weitergehende Informationen bin ich Frau B. Freier- Wirtz (Hannover), den Herrn A. Gierschmann(Krefeld) u. A. Heck (Strasbourg) dankbar.

22Hier sei vor allem erw¨ahnt: C. Wirtz: De Sitters Kosmologie und die Radialbewegun- gen der Spiralnebel. Astr. Nachr. 222, 21–26 (1924).Zu Wirtz’ Bedeutung f¨ur die fr¨uhe extragalaktische Forschung siehe die oben erw¨ahnten Arbeiten von Seitter und Duerbeck (1990) und Duerbeck und Seitter (2005). Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

K¨ovesligethy’s spectroscopic studies

Magda Vargha and Lajos G. Bal´azs

Konkoly Observatory, Budapest

”Nur allein der Mensch Vermag das Unm¨ogliche: Er unterscheidet, W¨ahlet und richtet; Er kann dem Augenblick Dauer verleihen.”(Goethe)

”The key of understanding nature is harmony, and harmony is nu- meric. Nature and all harmony can be understood through numbers: the number is the essence.” (Pythagoras)

Curriculum vitae

He was born in Verona in 1862. He completed his PhD theses between 1881- 1884 at the . Starting in 1882 he observed at the private Observatory of Mikl´os Konkoly Thege regularly. Konkoly founded his observatory in 1871 and recognized already at the beginning the revolutionary change in astronomy by introducing quantitative spevtroscopy. The observatory joined the general spectroscopical research, organized by the Observatory of Potsdam, of stars brighter than 7.5mag. In his PhD thesis he worked out an equation for describing the functional form of continuos radiation, he attemped to estimate the surface theory of celestial bodies and its dependence on the temperature. As a byproduct he discovered Wien’s displacement equations. After developing his theory further he attemped to determine the surface temperature of the stars. He was author of a large number of popular papers in astronomy. He died in Budapest in 1934. M. Vargha and L. G. Bal´azs 137

About K¨ovesligethy’s personality

In 1925 the famous Hungarian writer, Dezs˝o Kosztol´amyi made a newspaper-report on Rad´oK¨ovesligethy. He portrayed him by these words: ”Study-desk covered in red baize, the lamp is on, there’s a piece of paper full of a long long list of formulas, formulas that have been written in ink by a hurrying hand, just like we were writing a letter to someone. K¨ovesligethy is not sitting far from the source of light. Fragile, mercurial person, and cheerful, cheerful. Creators are cheerful. Those who know the weight of obligation, but carry it easily are never as tired as ordinary people, who only carry their own lives’ hardship. Extremely loveable, communicative man. A letterbox, in which letters of philosophers from the XIX and XX century rest, is in front of him.”

The K¨ovesligethy Rad´o’s spectral equation

”Oh rainbow, symbol of hope and fascination! Help those who grapple with the fights awaiting for them, and show them the promise of achieving their goal” (Kepler) K¨ovesligethy’s spectral equation was part of the work that investigated how it is possible to draw conclusions from the radiated spectrum to the physical state inside a celestial body. He believed that thermodynamics was crucial: he thought that in interpreting spectra is just as an important role as the mechanics of Newton to the movement of celestial bodies. The history of science teaches that it was Max Planck’s quantum-hypothesis of 1900 that made it possible to explain the laws of the so called temperature radiation of the celestial bodies. The classic science-history reviews also mention two other important attempts to explain the above cited equation before Planck. One was published by Wien in 1893 and the other one came from Rayleigh and Jeans a few years later. The problem with both of them was that they described only a part of the spectrum correctly: the Wien-solution described the blue part of the spectrum whereas the Rayleigh-Jeans the red one. Therefore for the sum of the radiated energy they prognosticated an infinitely high value. During his university studies K¨ovesligethy Rad´o often turned up at Konkoly Thege’s institution in Ogyalla,´ where he became acquainted with astronomical spectroscopy. He started to believe that there needs to be a general theory which explains the spectrum characteristics of the radiated light of the stars. In those times it was generally accepted that light is a medium present everywhere and it is the propagation of oscillations of the ether. This was the basis of K¨ovesligethy’s theory as well, and he assumed that this medium, just as matter, consists of interacting particles,the atoms. He also assumed that the atoms of the radiating matter interact with the ether’s atoms, and this is 138 K¨ovesligethy’s spectroscopic studies how radiating light develops. He deduced his temperature radiation equation, which was quite similar to Planck’s in its format, based on these assumptions. One of its important characteristics is that compared to the later Wien and Rayleigh-Jeans solution the energy radiated by the body is finite. In 1895 in one of his articles Paschen - whose name was carved in stone by the series of lines that can be observed in hydrogen’s spectrum - mentions the laws he found in the spectrum of stars. These were explained theoretically as well by K¨ovesligethy Rad´o. Planck did not know of K¨ovesligethy’s results at all. The modern quantum-theory was based on Planck’s results. For deducing his spectral equations K¨ovesligethy made several assumptions which were quite reasonable on the basis of the accepted views of the contem- porary theoretical physics. He assumed that:

radiating matter consist of interacting particles the form of interaction is an inverse power law the light is the propagation of the oscillations of the ether particles

K¨ovesligethy did not make the same assumptions as Planck. However, it is worth making a comparison that is shown in Fig. 1 below. There is striking similarity between the two curves.

Vienna K¨ovesligethy Rad´o had tight links to this city. His mother, his step-father and his half-sister also lived here. But above all, this is the place which, during his university studies, inspired him to do important theoretical research of spectral analysis.

Bericht des Referenten Oppolzer. (Fragments) ”Herr R. v. K¨ovesligethy hat seine Arbeit betitelt ”Prinzipien einer theoretischen Astrophysik auf Grund mathematischer Spectralanalyse” als Inauguraldissertation eingereicht. Wie man sieht l¨asst sich der Titel dieser Arbeit wohl richtiger lauten: ”Theoretischen Grundlagen der Spectralanal- yse”. Der Referent ist nicht in der Lage mit den ihm vorliegenden Behelfen in Spectralanalyse in kurzer Zeit sich ein definierend Urtheiluber ¨ die Ar- beit zu finden und hat sich deshalb ein Besitz einer ... an Hofrath Stefan gewandt, der von der Arbeit in manchen Puncten erstaunliche ... Zielset- zung der Arbeit als Inauguraldissertation als gerechtfertigt betrachtet sofern M. Vargha and L. G. Bal´azs 139

Fig.1: A fragment of Oppolzer’s referee report on K¨oveligethy’s PhD theses (left). Comparison of the K¨o¨uveslifthy’s spectral equation with that of Planck (right). Note the striking similarities between the two curves dieselbe nicht vor ... publiciert wird. Der Referent erkannte in der Arbeit des Probanden ein sorgf¨altiges Streben (des Probanden) und die Erreich- ung selbstst¨andig die theoretischen Grundlagen der Spectralanalyse im All- gemeinen mit v¨ollig richtigem Einsehen zu finden und meint daher das auf Grundlagen der vorliegenden Arbeit. Rad. v. K¨ovesligethy zu den weiteren Schritten zur Erlangung der Philosophischen Doctorw¨urde zugelassen wer- den k¨onne.” Einverstanden Th. v. Oppolzer, E. Weiss Wien 4. Juli 1884.

K¨oveligethy acquired his theoretical knowledge first of all from Joseph Stephan. He must also have gained thorough education from the few-months- work with H.C. Vogel in Vienna. He described the final aim of his spectroscopy studies in the following way: ”The spectral-theory described, and later revised in several points, in my work entitled ’Grundz¨uge einer theoretischen Spectralanalyse’ has evolved with the explicit aim to set astrophysics, which had mostly had a descrip- tive character that far, on mathematical grounds. Provided that we do not regard celestial bodies and their systems as pure points anymore, the math- ematics describing their state and movement will also be complemented with their thermo-theoretical details. This would only be possible in case, (as proved among others by the Ritter Agoston´ theses published in Wiedemann Annalen), we were really able to measure the temperature and the density of the celestial bodies and can assume that they are (eszm´enyi g´az´allapot´u) bodies. We can be successful only, in case we define the state of a body as known, if its spectrum is known. ... It is clear that in this way the whole of astrophysics becomes a science that can be discussed theoretically, and it represents the 140 K¨ovesligethy’s spectroscopic studies

Cosmic application of thermo-theory just as astronomy does with mechanics.” K¨ovesligethy’s spectroscopic theses 1883 - Konkoly introduced K¨ovesligethy’s thesis entitled The mathematical spectral analysis as the basis of astrophysics 1885 Febr 15 - Konkoly spoke of the Ogyalla´ spectroscopic catalogue edited by K¨ovesligethy at the meeting of the III Class of the Hungarian Acaemy of Sciences 1885 Oct 19 - Konkoly introduced K¨ovesligethy’s thesis entitled: ’The theory of continuous spectra’ at the meeting of the III Class. In this work he was the first who published a spectral equation which predicts a finite energy for the black body radiation (15 years before Planck!). This spectral equation has a characteristic that was discovered by Wien in only in 1893. 1887 May - Konkoly presented K¨ovesligethy’s spectroscopical theory . He applied his theory also on the line spectra and successfully interpreted the Balmer formula of the Hydrogen spectrum. 1890 -K¨ovesligethy published a popular article on spectrum analysis in the Natural Science Bulletin 1890 -K¨ovesligethy’s book entitled ’Grundz¨uge einer theoretischen Spek- tralanalyse’ was published in Halle. In this book he summarized his theoretical results on the stellar spectra supplemented by a comprehensive theory of astronomical instruments (e.g. photometers and spectrographs). 1898 - He presented his spectroscopic studies in detail at the meeting of Astronomischen Gesellschaft in Budapest. In his talk he made a comprehensive overview on his theory but seemingly nobody responded.

Konkoly Thege Mikl´os, and his observatory in Ogyalla´

K¨ovesligethy wrote to Mikl´os Konkoly Thege in his letter in 1895 ”I spent the most beautiful days of my youth there and among your loving family, and I spent truly useful years there, as here in Ogyalla´ is where I learnt most of what I consider as my own” Mikl´os Konkoly Thege had an outstanding role in K¨ovesligethy’s life. He was a generous and helpful supervisor, a strenuous patron and a fatherly good friend. This is what he mostly needed as a person who attained majority formally at the age of 19 from his step-father as well. In 1884 when Kobold left Ogyalla,´ K¨ovesligethy, continuing his Vienna stud- ies on his own, worked in Ogyalla´ for a year. He also needed money. During the year spent in Ogyalla,´ as a supplement to his theoretical work that far, he did some spectroscopic observations. These resulted in the Spectrum Catalogue of Ogyalla.´ M. Vargha and L. G. Bal´azs 141

Fig.2: Konkoly’s Observatory at Ogyalla´ (left) Rad´ovonK¨ovesligethy (right) made the bulk of the spectroscopic observations in the period of 1883–85

Kobold’s speech about Ogyalla´ Observartory

”Die wissenschaftliche T¨atigkeit des Observatoriums hatte bis zu meinem Ein- tritt fast ausschliesslich auf dem Gebiet der Astrophysik gelegen, entschprechend den Neigungen des Herrn v. Konkoly und der Ausr¨ustung des Observatoriums, die eine grosse Anzahl von vorz¨uglichen Instrumenten f¨ur spektrometrische, photometrische and kolorimetrische Beobachtungen und Messungen umfasste. Ausser Beobachtungen dieser Art waren noch Zeichungen der Oberfl¨achen der Planeten ausgef¨uhrt, die T¨atigkeit der Sonne verfolgt durch Z¨ahlung und Orts- bestimmung der Sonnenflecken und im Zusammenwirken mit diesem gestellt.”

Is his career a success-story?

His theses on spectroscopic research are mentioned in only one article and even then just briefly. The spectrum catalogue put together by him has never become a tool of astronomers. In 1915 he had to resign from his position as the secretary-general of the Seismologic Society owing to the war. A decree was issued in Brussels that all scientists living in Entente countries who maintain a relationship with their counterparts from the countries of the Central Powers need to be pilloried. His priceless library and the letters from the box mentioned by Kosztol´anyi are in an unknown place. We have managed to find only a few copies of his George Darwin letters. What could be the reason for not receiving the acknowledgment of his fellow astronomers from abroad for his strokes of genius? We cannot answer this question. It is inexplicable as the language of his articles 142 K¨ovesligethy’s spectroscopic studies

The most important dates of K¨ovesligethy’s scientific career

1895 – He becomes a corresponding member of the Hungarian Science Academy 1897 – He is a public university professor of Cos- mography at the University of Pest. 1905 – He is elected as the secretary-general of the International Seismologic Society 1906 – He founds the Seismologic Observatory in Budapest 1909 – He is elected as a full member of the Hungarian Science Academy

Fig.3: K¨ovesligethy as dean The academic year of 1916/17 - He becomes of the University Budapest the dean of the University Budapest could not be an obstacle either, as it was in the case of so many other Hungarian scientists. K¨ovesligethy published his scientific results in Hungary and abroad at the same time and sometimes they even appeared first in foreign magazines. Researching his work it occurred to us that the obstacle to acknowledging his theses may lie in him being a genius, he was always one little step ahead of his time. His fellow academicians admitted too that they did not understand his math- ematical solutions. To give a proper answer to this question we need to go on a spiritual trip that no one has done before: going through the immensity of his formulas, to get a clear picture of his scientific image and define the exact place among the scientists of his time.

Epilogue Finally, it is worth mentioning a few of his students, who achieved a success- ful career: Alfr´ed R´enyi, L´aszl´oTur´an, Jen˝oEgerv´ari, K´aroly Jord´an Hun- garian academics who were all well-known mathematicians around the whole world. Among astronomers baron B´ela Hark´anyi, correspondence member of the Academy and university professor, K´aroly Lassovszky, the director of the Observatory of Sv´abhegy, and M´aty´as Tibor, the contributor to the Observatory of the Vatican are all proud to have had K¨ovesligethy as their master. Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Josef Hopmann in Leipzig, 1930 – 1945

Gisela M¨unzel

Limburgerstr. 3a, D-04229 Leipzig, Deutschland

Abstract

Josef Hopmann (1890 – 1975), an astronomer who started his career in Bonn, was appointed director of Leipzig Observatory in 1930, where he was active till 1945. Mostly active in visual photometry, he also under- took work in positional astronomy, archaeoastronomy, and ballistics. As in World War I, he was in active military service in World War II. After the destruction of Leipzig Observatory and the political upheaval, he decided not to return, and after an interlude at the academy of forestry in Hann. M¨unden, he spent the later years of his career as director of .

Am 1. Oktober 1930 wurde Josef Hopmann als ordentlicher Professor f¨ur Astronomie und Geod¨asie und als Direktor der Universit¨atssternwarte Leipzig berufen. Der Berufung war eine zweij¨ahrige Suche nach einem geeigneten Nach- folger Julius Bauschingers vorausgegangen.1 Josef Hopmann war f¨ur die Berufungskommission der Leipziger Universit¨at und das S¨achsische Ministerium der Spitzenkandidat, weil er der Geeignetste f¨ur die Fortf¨uhrung der traditionellen Leipziger Arbeit zu sein schien, außer- dem hatte er durch die Ver¨offentlichung mehrerer Arbeiten einen guten wis- senschaftlichen Ruf und als Observator in Bonn vorz¨ugliche Arbeit geleistet.2

1Die Mitglieder der Kommission zur Wiederbesetzung der astronomischen Professur 1929/30 an der Philosophischen Fakult¨at Leipzig waren Wilhelm Ruhland (1878-1960; Botanik, Dekan), Julius Bauschinger (1860-1934; Astronomie), Peter Debye (1884-1966, Experimentelle Physik), Werner Heisenberg (1901-1976, Physik), Friedrich Hund (1896- 1997, Theoretische Physik), Paul Koebe (1882-1945, Mathematik), Leon Lichtenstein (1878-1933, Mathematik), Max Le Blanc (1865-1943, Physikalische Chemie), Ludwig Weickmann (1882-1961, Geophysik). Dem S¨achsischen Ministerium wurden vorgeschlagen: 1. Josef Hopmann, Observator in Bonn; 2. Richard Prager, Neubabelsberg; 3. Georg Struve, Neubabelsberg. Die beiden letzeren waren ohne Lehrerfahrung und nicht habilitiert. 2Acten der philosophischen Fakult¨at zu Leipzig, betr. Professur f¨ur Astronomie. Uni- versit¨atsarchiv Leipzig (= UAL). 144 Josef Hopmann in Leipzig, 1930 – 1945

Abb. 1 beide: Josef Hopmann (1890–1975) / rechts: in Uniform Bildnachweis links: Universit¨atsarchiv Leipzig Bildnachweis rechts: Dr. med. E. Schiller, Heusenstamm

In Leipzig war dank eines reichen Instrumentenbestandes trotz der ung¨unstigen Lage f¨ur Himmelsbeobachtungen seit Jahrzehnten der Ausbildung von Studen- ten in der praktischen Mathematik, Astronomie und Geod¨asie viel Aufmerk- samkeit geschenkt und eine Reihe von sehr guten Astronomen und Geod¨aten herangebildet worden. Von Josef Hopmann wurde erwartet, daß er diese Tra- dition fortsetzen konnte, ohne dem Land Sachsen durch die Umr¨ustung der Sternwarte auf astrophysikalische Arbeiten gr¨oßere Kosten zu verursachen. Da Hopmann im August 1930 in der Budapester Tagung von der Astronomischen Gesellschaft bereits als Rendant gew¨ahlt worden war, war die Zustimmung zahlreicher Astronomen zur Berufung an die Leipziger Universit¨at sicher. Außer- dem war Hopmann einverstanden, daß an Stelle der dringend notwendigen Ver- legung der Sternwarte aus dem Innenstadtbereich Leipzigs im Verlauf von drei Jahren vom S¨achsischen Ministerium die notwendigsten Bau- und Reparatur- maßnahmen an der Sternwarte und den Wohngeb¨auden finanziert w¨urden. Am 8. November 1930 hielt Hopmann seine Antrittsvorlesung ”Uber¨ die Temperatur der Fixsterne”, wobei er sich auf astrophysikalische Arbeiten Fried- rich Z¨ollners bezog. Hopmann erwarteten umfangreiche Lehrverpflichtungen und ein hohes Maß an Verwaltungsarbeit, dazu zeitaufwendige Verhandlungen mit dem Univer- sit¨atsrentamtuber ¨ Instandsetzungsarbeiten und bauliche Ver¨anderungen in der Sternwarte und in der Direktorenwohnung; 1930 waren das ganze Institut und die Forschungsrichtung nicht mehr auf der H¨ohe der Zeit. Trotz vieler Hemm- G. M¨unzel 145

Abb. 2 Universit¨atssternwarte Leipzig (Bildnachweis: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig)

nisse betrieb Hopmann energisch die Modernisierung der Sternwarte. Wegen der Weltwirtschaftskrise 1930 – 1932 war Selbsthilfe angesagt. Unterst¨utzung erhielt die Sternwarte durch die Deutsche Notgemeinschaft und Freunde und F¨orderer der Universit¨at. Hilfe erhielt er außerdem vor allem durch seine wis- senschaftlichen Mitarbeiter: Werner Schaub, den er aus Bonn mitgebracht hatte, die Observatoren Hans Naumann und Karl Schiller (letzterer 1919 aus Straßburgubersiedelt) ¨ sowie den Oberassistenten Josef Weber und den aus- gezeichneten Mechaniker der Sternwarte, Robert Richter. In der sehr gut aus- gestatteten eigenen Werkstatt entstanden mit geringsten finanziellen Mitteln durch den Mechaniker, Schaub und Weber Spektrographen, photographische Leitfernrohre, Astrokameras u.a. 1930/1931 trat eine g¨unstige Opposition des Kleinplaneten Eros ein. 40 Sternwarten der ganzen Welt bem¨uhten sich um eine konzentrierte Beobach- tung zur Bestimmung der Sonnenparallaxe. Da Hopmann ein exzellenter Beobachter war, legte er auf die Beteiligung seiner Sternwarte großen Wert und leistete pers¨onlich daf¨ur einen beachtlichen Beitrag. Er hatte dabei zuverl¨assige Mitarbeiter. Die Bearbeitung der mit dem 1931 umgebauten photographisch/visuellen 30/21 cm-Refraktor (f=3.6/3.8 m) gewonnenen pho- tographischen Platten ging jedoch wegen anderer Arbeitsvorhaben nur langsam voran, denn zur gleichen Zeit arbeiteten die Observatoren noch am Zonenun- 146 Josef Hopmann in Leipzig, 1930 – 1945 ternehmen. Erst 1934 konnte das Leipziger Eros-Programm dank der durch das Arbeitsamt vermittelten stellenlosen Techniker und kaufm¨annischen Angestell- ten abgeschlossen werden. Hopmann hatte außerdem aus Bonn seine noch nicht abgeschlossenen Meridiankreisbeobachtungen der Anhaltssterne des AGK2- Katalogs mitgebracht, die ab 1931 von Schaub und der wissenschaftlichen Mit- arbeiterin Lore G¨urich unter st¨andigem Kontakt zu ihm bis 1932 bearbeitet wurden3 und dann endlich zum Berliner Recheninstitut weitergeleitet werden konnten. Hopmann f¨uhrte mit ¨alteren Studenten, z.B. mit Hans-Ullrich Sandig und Konradin Graf Ferrari d’Occhieppo, kolorimetrische Arbeiten an mehreren Doppelsternen und dem Orionnebel aus. Durch die Wieder-Inbetriebnahme der Nord- und der S¨udh¨utte im Sternwartengel¨ande konnten reibungslos mehrere Arbeitsvorhaben gleichzeitig durchgef¨uhrt werden, wobei Hyadenbeobachtun- gen, Durchmesserbestimmungen der Venus und die Fortf¨uhrung der Haynschen Mond- und Sonnenbeobachtungen die bedeutendsten waren. Im Lehrk¨orper der Leipziger Universit¨at nahm Hopmann sofort eine geachtete Position ein. Die Wahl zum ordentlichen Mitglied der S¨achsischen Akademie der Wissenschaften am 1. Juli 1932 st¨arkte sein Ansehen.4 Engere Beziehungen unterhielt er zu Ludwig Weickmann (Geophysik), Werner Heisen- berg und Friedrich Hund (Physik), w¨ahrend das Verh¨altnis zu den Mitarbeitern der Sternwarte teilweise problematisch war. Seine Vorlesungen wurden in den ersten beiden Jahren nur von wenigen H¨orern besucht. Hopmann verstand sich als sp¨ater Nachfolger Carl Friedrich Z¨ollners, der von 1866 bis 1882 den ersten Lehrstuhl der Welt f¨ur Astrophysik in Leipzig innegehabt hatte, und bot wie dieser ein vielf¨altiges Themenspektrum an.5 Die Betreuung von Dissertationen und die m¨undlichen Pr¨ufungen wurden bis zum Sommersemester 1933 von seinem Amtsvorg¨anger erledigt. Nach 1933 erh¨ohte sich die H¨orerzahl sowohl in Astronomie als auch in Geod¨asie, ob- wohl Hopmanns Vorlesungen als trocken galten und h¨aufig Rechenfehler be- merkt wurden. Im 1. Halbjahr 1933 erhielt Hopmann vier Jugendliche aus dem freiwilligen Arbeitsdienst als Hilfsrechner, danach vier Herren des ”Ingenieur- Hilfsdienstes” als Hilfskr¨afte f¨ur die Werkstatt und Hilfsrechner, so daß die In-

3J. Hopmann, W. Schaub, B. Sticker, Beobachtungen der Anhaltsterne des Kataloges der Astronomischen Gesellschaft: Zone +20◦ bis +35◦, Bonner Ver¨off. Nr. 32 (1938). 4G. Wiemers und E. Fischer, Die Mitglieder der S¨achsischen Akademie der Wis- senschaften zu Leipzig von 1846 bis 1996, Akademie-Verlag Berlin 1996. 5Von 1930-1939 waren dies, teilweise mehrfach, die folgenden Vorlesungen: Einf¨uhrung in die Astronomie, Astronomische Geographie, Sph¨arische Astronomie, Astrophysik, (Der Bau des Weltalls/Die Physik der Fixsterne), Das Sonnensystem, Physik des Sonnen- systems, Bahnbestimmung der Planeten und Kometen, Grenzgebiete der Astronomie und der Geophysik, Ausgleichsrechnung, Numerisches Rechnen, Germanische Himmels- kunde, Einf¨uhrung in die Geod¨asie, Einf¨uhrung in die Vermessungskunde mit besonderer Ber¨ucksichtigung der Wehrmachtsbed¨urfnisse, Artilleristische Erkundung im Weltkriege. G. M¨unzel 147 standsetzungsarbeiten und der Instrumentenbau voran kamen und das Leipziger Zonenunternehmen f¨ur den AGK26 abgeschlossen werden konnte. Mit Hitlers Macht¨ubernahme ¨anderte sich Hopmanns Arbeitsstil. Er wandte sich betont der Erforschung der germanischen Himmelskunde zu. W¨ahrend er in den ersten beiden Leipziger Jahren vor allem von der Modernisierung der Sternwarte in Atem gehalten wurde, fand er 1933 Freir¨aume f¨ur Sonderinter- essen, z.B. der Suche nach Zeugnissen germanischer Sternkunde. W¨ahrend Schaub als Scharf¨uhrer der motorisierten SA 1933 eine Gruppe von Studenten um sich sammelte, nutzte Hopmann ab 1934 bei Exkursionen wehrsportliche Ubungen¨ zur ”k¨orperlichen Ert¨uchtigung” der Studenten, an denen jeder, der ein Testat von ihm brauchte, teilnehmen mußte. Die geod¨atisch-astronomisch deklarierten Exkursionen f¨uhrten ins Leipziger Umland, in den Teutoburger Wald und bevorzugt in die Oberlausitz zu fr¨uhgeschichtlichen Felseinschl¨agen, sogen. Sch¨alchengruppen am Totenstein bei K¨onigshain, oder zu Sch¨alchensteinen bei Nieder-Gurig bei Bautzen usw.7 Hier wurde fotografiert und vermessen, gezei- chnet und mit Sternkarten verglichen, daheim in Leipzig die Vermessungen berechnet, danach der Schluß gezogen, daß die sch¨alchenartigen Vertiefun- gen teils Kultzwecken dienten, teils Sternbilder darstellten, die die germa- nischen Vorfahren in die Felsen gemeißelt hatten. Die Untersuchungen der ”steinernen Sternkarten” f¨uhrten zur Zusammenarbeit mit dem Landesamt f¨ur Vorgeschichte Breslau und dem Studienrat Johannes Franz in Bautzen, aber auch zu engeren Kontakten zu Himmlers Propagandastab, der auf Grund von Himmlers Interesse f¨ur die Ver¨offentlichung der ”germanischen Astronomie” in seinen Presseorganen sorgte. – Die Sternwarte wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und anderen Dienststellen (auch SS) finanziell unter- st¨utzt. Hopmann unternahm mehrere Dienstreisen, Erkundungs- und Meß- fahrten zu stein- und bronzezeitlichen Grabst¨atten, um den germanischen Son- nenkult astronomisch zu best¨atigen. Rolf M¨uller aus Potsdam, mit dem er eine gemeinsame Fahrt in den Teutoburger Wald unternommen hatte, wider- sprach damals sachkundig den Hopmannschen Deutungen. Trotzdem hielt dieser 1937/38 mehrere Vortr¨age in Berlin, Leipzig (auch im Rundfunk), Dres- den und der Oberlausitzuber ¨ die ”steinernen Sternkarten und die germanische Himmelskunde”.

6H. Naumann, K. Schiller, Zonenbeobachtungen der Anhaltsterne f¨ur die Wiederhol- ung des A.G.-Kataloges an der Universit¨atssternwarte Leipzig, Ber. Math.-Phys. Klasse der S¨achs. Akad. Wiss. Leipzig, Band XC (1938). 7Briefwechsel Archenhold-Sternwarte Berlin-Treptow, Dr. J¨urgen Hamel – Abt. f¨ur Vor- u. Fr¨uhgeschichte G¨orlitz, April 1986; Briefwechsel ”Bartholom¨aus Scultetus- Sternwarte”, G¨orlitz – Gisela M¨unzel 1993; Briefwechsel Josef Hopmann, Univer- sit¨atssternwarte Leipzig – Landesamt f¨ur vorgeschichtliche Denkmalspflege, Dr. Schultz, G¨orlitz, 1937 – 1938. 148 Josef Hopmann in Leipzig, 1930 – 1945

Hopmann hatte sich trotz einer Rheumaerkrankung bereits 1934 der neu entstehenden Reichswehr zur Verf¨ugung gestellt, obwohl in seinem Arbeits- bereich große Reihenuntersuchungen liefen und er seit 1933 als Gutachter f¨ur Dissertationen und Pr¨ufender in Astronomie herangezogen wurde. F¨ur Hellmuth N¨obels Dissertation ”Photographische Farbenindizes von 220 Fixsternen” ver- faßte er 1934 erstmalig ein Erstgutachten. Bis September 1939 nahm Hopmann an insgesamt 71 Promotionsverfahren teil.8 Zu den Doktoranden geh¨orten der Physiker Carl Friedrich von Weizs¨acker, der Geophysiker Robert Lauter- bach und die Astronomen Hans-Ullrich Sandig, Konradin Ferrari d’ Occhieppo, Nikolaus Richter, Erich Heilmaier, Werner Lohmann und Otto G¨unther. Auch zwei Geophysik-Doktorandinnen, Katharina D¨orffel und Gertraud Richter, be- haupteten sich erfolgreich in der M¨annerdom¨ane.9 Im Herbst 1934 stellte Hop- mann das erste Mal einen Antrag auf Beurlaubung zu einer Reichswehr¨ubung. Von nun an wurde er regelm¨aßig zu Ubungen¨ an der Artilleriebeobachtungss- chule J¨uterbog und zu Schieߨubungen in Pommern beurlaubt. Seine Teil- nahme an mehrw¨ochigen Lehrg¨angen als Ausbildungsoffizier der Artillerieschule J¨uterbog sorgte allerdings regelm¨aßig f¨ur Unterbrechungen seiner Arbeit in Leipzig. Er wurde am 1. 9. 1936 als Oberleutnant der Reserve der neuen Wehrmacht mit dem Dienstalter 1920 eingestuft und in den Lehrk¨orper der Artillerieschule J¨uterbog eingebunden. Trotz seiner h¨aufig mehrw¨ochigen Abwesenheit wurde bis zum Kriegsaus- bruch in der Sternwarte unter der Leitung des 1. Observators Naumann in- tensiv wissenschaftlich gearbeitet. Es wurdeuberwiegend ¨ Positionsastronomie betrieben. Hopmann beobachtete, wenn er sich in Leipzig aufhielt, weiterhin Doppelsterne und sorgte daf¨ur, daß ihm vom Ingenieurdienst Hilfskr¨afte zur Bew¨altigung der aufwendigen Berechnungen der Beobachtungen zur Verf¨ugung gestellt wurden. Im November 1936 feierte die Sternwarte das Doppeljubil¨aum des 150- j¨ahrigen Bestehens als Universit¨atssternwarte (zun¨achst als Turmobservatorium auf der Festung Pleißenburg) und das 75-j¨ahrige Jubil¨aum der neuen Stern-

8Verzeichnis der von der Philosophischen Fakult¨at der Universit¨at Leipzig Pro- movierten. Univ. 380i, UBL. 9Hopmann war nachweislich an 83 Promotionsverfahren beteiligt: 19 × Astronomie, 48 × Geophysik/Meteorologie, 6 × Mathematik, 5 × Milit¨arische Zielsetzung, 4 × The- oretische Physik, 1 × Geographie. Folgende cand. astr. wurden zum Dr. phil. promoviert: Manfred Wend (13.05.1931), Erich Lange (20.05.1931), Egon Hetzer (23.09.1931), Hans-Ullrich Sandig (24.02.1934) – diese vier gemeinsam mit J. Bauschinger; Hellmuth N¨obel (07.05.1934), Konradin Graf Ferrari d’Occhieppo (11.10.1934), Hellmut Illigner (03.11.1934), Fritz Krause (05.11.1934), Nikolaus Richter (02.03.1935), Gerhard K¨onig (11.04.1935), Siegfried B¨ohme (30.09.1935), Erich P. Heilmaier (29.02.1936), Werner Lohmann (29.05.1936), Heinz Oehler (18.06.1936), Gerhard Beulig (25.06.1936), Max Otto G¨unther (22.06.1938), Helmut Noll (24.06.1939) und Ullrich G¨untzel-Lingner(19.02.1942). G. M¨unzel 149 warte im Johannistal. In seiner Festrede fand Hopmann markige Worteuber ¨ das ”germanische Zeitalter” der Sternkunde und bezeichnete sich als Nachfol- ger des ”wohl hervorragendsten s¨achsischen Astronomen Carl Friedrich Z¨ollner”. Er f¨uhrte aus, daß Z¨ollner ”mit 2, 3 anderen Forschern eine v¨ollig neue Wis- senschaft entwickelt hat”, sprach auch von Z¨ollners politischer Kampfnatur, seiner v¨olkischen Haltung, seinem ”Kampf gegen den Materialismus und die Verjudung der Wissenschaft. . . ” und betonte dann: ”Der Raum reicht nicht aus, noch zu schildern, in welcher Art wir in dem so scheinbar stillen Insti- tut des Johannistales doch vollbewußt uns M¨uhe geben, am großen Werke des F¨uhrers und am v¨olkischen Gedanken mitzuarbeiten. . . Gewiß, auch nach der Erneuerung unserer Instrumente sind wir gegen¨uber so mancher amerikanischen Sternwarte ein bescheidenes Institut, aber auch solche k¨onnen wesentliches zur Forschung beitragen, wie sich schon oft gezeigt hat. So wollen wir auch bis zum n¨achsten Jubil¨aum das Unsere dazu beitragen, daß deutsche Arbeit und damit unser Volk in aller Welt mit Achtung dasteht.” 1937ubernahm ¨ die Leipziger Sternwarte die von der franz¨osischen Regierung erhaltenen Straßburger Meridiankreisbeobachtungen, zwei große Meßserien, die 1893–1919 erarbeitet worden waren. Da Bauschinger und sein Observator Schiller die 2. Meßserie erarbeitet hatten, erhielt Schiller den Auftrag, mit sechs Rechnern diesen Katalog zuerst zu bearbeiten. Der 1. Katalog von ca. 2000 Zirkumpolarsternen wurde zur¨uckgestellt (und in Leipzig nie bearbeitet: 2. Weltkrieg!). Die Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, den Akademien der Wissenschaften in Leipzig und Berlin und dem Leipziger Universit¨atsbund finanziert. Hopmann hatte f¨ur sich ein Programm von ca. 2200 Sternen zusammen- gestellt. Das Ziel war die Festlegung ihrer Helligkeiten in einem geschlossenen System, zur Konstruktion eines Hertzsprung-Russell-Diagramms mit sicheren Parallaxen und guter Spektralklassifikation. Am 21. 1. 1938 trat Hopmann in die NSDAP ein. Er erhielt die Mitglieds- Nr. 4 315014 und wurde Schulungsleiter in seiner Ortsgruppe. Kurz darauf, am 4. 2. 1938, wurde Hopmann zum Hauptmann der Reserve bef¨ordert. Hopmann las 1938 ”Grenzgebiete der Astronomie und Astrophysik” und ”Physik des Sonnensystems”. Außerdem k¨undigte er wie schon seit 1934 an: Astronomisches Praktikum (Lerngemeinschaft) f¨ur Anf¨anger, Astronomisches Praktikum f¨ur Fortgeschrittene, Astronomisches Seminar und Astronomisches Kolloquium, wobei er die Betreuung und Anleitung der Studenten oft den Mit- arbeiternubertrug. ¨ Nun plante Hopmann auch ernsthaft einen Neubau der Sternwarte außer- halb der Großstadt.10 Als Standort wurde in der Nachbarschaft zu Weickmanns

10Errichtung einer Zweigstelle der Sternwarte am Osthang des Collmberges bei Oschatz 1938 - 1941. S¨achsisches Hauptstaatsarchiv Dresden. Minist. f¨ur Volksbildung, 1014/27. 150 Josef Hopmann in Leipzig, 1930 – 1945

Geophysikalischem Observatorium auf dem Collm bei Oschatz eine geeignete Stelle erkundet und orientierende Messungen ausgef¨uhrt. Erste Pl¨ane wurden beim Ministerium eingereicht: In Leipzig sollten die Lehrveranstaltungen weit- ergehen, am Collm Forschungsarbeit betrieben werden. 1935 (Bern), 1937 (Breslau) und 1939 (Danzig) nahm Hopmann an den Tagungen der Astronomischen Gesellschaft als Rendant und mit eigenen Ar- beitsberichten teil.11 In der Sternwarte waren die wichtigsten l¨angerfristigen Arbeiten (Zonen- und Erosprogramm) abgeschlossen. Hopmann und Schaub bem¨uhten sich um eine neue spektroskopische Bahnbestimmung des Sternsys- tems Zeta Aurigae und arbeiteten, so oft sie konnten, am visuellen Fl¨achen- photometer (Nova Herculis und Iota Bootis). In einer bemerkenswerten Rezen- sion von Jordan-Eggerts Handbuch der Vermessungskunde12 f¨uhrte er auch seine Vorstellungen von der Ausbildung von Astronomen an und bedauerte, daß sich die Geod¨aten kaum noch mit astronomischen Fragen und die j¨ungeren Astronomen kaum mit geod¨atischen Problemen besch¨aftigten. Er verwies da- rauf, daß w¨ahrend des 1. Weltkrieges 1917/18 die im Heeresdienst befindlichen Astronomen, auch er, f¨ur geod¨atische Sonderaufgaben aus der Front herausge- zogen worden waren. Als Leutnant der Reserve der Fußartillerie wurde er 1918 Lehrer an der Artillerie-Meßschule in K¨oln-Wahn. Sein Auftrag war die Ausar- beitung neuer Erkundungs- und Schießverfahren analog der Meßverfahren der praktischen Astronomie und Physik. So war es folgerichtig, daß sich seine Mit- arbeiter in Leipzig schon vor Kriegsausbruch mit umfangreichen Rechenarbeiten zur astronomischen Navigation der Luftwaffe besch¨aftigten, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanzierte.13 An der Danziger Tagung der Astronomischen Gesellschaft nahmen wegen der drohenden Kriegsgefahr bekanntlich nur 72 Teilnehmer aus 7 L¨andern teil. Am 27. August 1939, kurz nach der Heimkehr, wurde Hopmann eingezogen. Anfangs wurde er von Prof. Hans Kienle aus G¨ottingen (er las nur Astrophysik f¨ur Physiker und Geophysiker) vertreten. Hans Naumann leitete die Stern- warte14;JosefWeber¨ubernahm die praktische Ausbildung der immer weniger werdenden Studenten. Bereits in den ersten Kriegsmonaten ¨uberzeugte Hop- mann seine Vorgesetzten in J¨uterbog von der wehrtechnischen Bedeutung seiner Geod¨asie- und Astronomie-Vorlesungen. Er bat ausdr¨ucklich nur um Frei- stellung f¨ur die Vorlesungen, nicht um seine Reklamation vom Wehrdienst.

11F. Schmeidler, Die Geschichte der Astronomischen Gesellschaft, Hamburg 1988. 12J. Hopmann, Rezension von Handbuch der Vermessungskunde von Jordan-Eggert. VJS 66 (1935), S. 80-82. 13N. Hammerstein, Die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Wissenschaftspolitik in Republik und Diktatur 1920–1945,Beck, M¨unchen 1999, S. 324f. 14Akten der Sternwarte. Nr. 21, Schriftwechsel Dr. H. Naumann, 8. 12. 1943 – 28. 8. 1944, UAL. G. M¨unzel 151

Ihm wurde eine zeitweilige Freistellung zu Blockvorlesungen und geod¨atischen Ubungen¨ bewilligt. Bis Ende 1944 wurde Hopmann regelm¨aßig jeden Montag oder Sonnabend f¨ur seine Vorlesungen und Ubungen¨ beurlaubt, auch, als er schon beim Heereswaffenamt in Berlin eingesetzt war. Er wurde am 1. 2. 1942 zum Major bef¨ordert und nach einem mehrw¨ochigen Fronteinsatz in Nordafrika (Tobruk) zur Erprobung von Schallmeßverfahren mit dem Kriegsverdienstkreuz ausgezeichnet. Ihn hatten 6 junge Akademiker begleitet, von denen 3 bei ihm promoviert hatten. Es ist nur zu vermuten, um wen es sich handelte. Bis zum Fr¨uhjahr 1945 war Hopmann beim Heereswaffenamt besch¨aftigt, zun¨achst in Berlin, dann nach der Zerbombung der Hauptgeb¨aude der Stern- warte (4. 12. 1943) mit einer Arbeitsgruppe, die dem Oberkommando der Ma- rine unterstellt war, in einer Leipziger Privatwohnung und im notd¨urftig wieder- hergerichteten ”Turmhaus” der Sternwarte.15 So konnte er die Bergungsar- beiten selbst leiten. Da wegen der starken Bombensch¨aden in Leipzig keine Arbeitskr¨afte f¨ur Bauarbeiten in die Sternwarte abgestellt werden konnten, wurde Hopmann durch dazu abkommandierte Angeh¨orige der Kriegsmarine un- terst¨utzt, die eine einfache Notsternwarte im Sternwartengel¨ande und einen Behelfsbau zur Einlagerung geretteten sowie wiederbeschafften Sternwartenin- ventars am Windm¨uhlenberg in Großsteinberg bei Leipzig errichteten. Seine Mitarbeiter waren zum Teil eingezogen oder als Rechner f¨ur den Fronteinsatz der Luftwaffe (Junckers-Werke in Leipzig) dienstverpflichtet. Diese hatten unter Leitung von Dr. Naumann zun¨achst in Heimarbeit die ihnen gestellten Aufgaben weitergef¨uhrt, wobei Hopmann harte Auseinandersetzungen um diese Rechner f¨uhrte, weil andere Wehrmachtsdienststellen ebenfalls Rechner brauchten und die Leipziger Gruppe f¨ur sich beanspruchten. Da diese ”wiederholt die Anerken- nung des Reichsmarschalls G¨oring erfahren hatte”, setzte sich die Luftwaffe durch. Hopmann beantragte, unterst¨utzt vom Oberkommando der Marine ¨uber das Rektorat die Dringlichkeitsstufe f¨ur den Neubau der Sternwarte. Da er damit rechnete, daß in den ersten f¨unf Nachkriegsjahren keine Anschaffung neuer In- strumente zu erwarten sei, wobei er von einem deutschen Sieg ausging, plante er die Beschaffung von Ersatzinstrumenten. Er schrieb im April 1944 an das Dres- dner Ministerium und bat um Dresdner astronomische und geod¨atische Instru- mente, wandte sich auch an verschiedene Dienststellen der Wehrmacht, deren Leiter er pers¨onlich gut kannte, an die Firma Carl Zeiss Jena und entsprechende Firmen in Berlin, an andere deutsche Sternwarten mit der Bitte um leihweise Uberlassung¨ von Instrumenten, auch an den Gauleiter von Sachsen, ihn zu un- terst¨utzen, um den großen Belgrader Meridiankreis zu erlangen, der als deutsche Reparationsleistung dort nie benutzt worden war. Hopmann erhielt den Rat,

15”Die durch die Luftangriffe auf Leipzig entstandenen Sch¨aden”, Rep. I/I 174, 1944, UAL. 152 Josef Hopmann in Leipzig, 1930 – 1945 sich aus Sternwarten in besetzten Gebieten Ersatz zu holen, was er als Major der deutschen Wehrmacht u.a. in der k¨oniglichen belgischen Sternwarte Uc- cle tat. Von hier holte er den wertvollen Repsoldschen Meridiankreis16,17 und lagerte ihn in den Behelfsbau in Großsteinberg ein. Damit wollte er ”in den Friedensjahren in den internationalen astronomischen Wettbewerb eingreifen.” In anderen Sternwarten beschlagnahmte er Teleskope f¨ur die Westfront zur Beobachtung gegnerischer Aktivit¨aten. Im Herbst 1944 nahmen die Luftangriffe auf Leipzig zu. Das Sternwarten- gel¨ande blieb 1944 und 1945 von weiteren gr¨oßeren Zerst¨orungen verschont. Aber Hopmann und seine Arbeitsgruppe sowie die Rechner zogen sich zur Ar- beit nach Großsteinberg zur¨uck. W¨ahrend der sechs Kriegsjahre hatte Hopmann selbst nach M¨oglichkeit seine ”wehrpolitisch bedeutsamen Vorlesungen” gehalten. Wegen der gesunkenen Studentenzahl war er nur noch an 12 Promotionsverfahren beteiligt, wobei zu ber¨ucksichtigen ist, daß die Anzahl der Doktorandenuberall ¨ in Deutschland stark zur¨uckgegangen war. F¨unf von den zw¨olf Kandidaten hatten Dissertatio- nen zu milit¨arischen Problemen verfaßt.18 Hopmann begab sich in den letzten Kriegstagen an die Westfront, wo er in englische Kriegsgefangenschaft geriet. Als F¨unfundf¨unfzigj¨ahriger wurde er schon bald entlassen, kehrte jedoch 1945 nicht nach Leipzig zur¨uck und blieb in der westlichen Besatzungszone. Nach einem Zwischenaufenthalt als Dozent an der forstwissenschaftlichen Akademie in Hann. M¨unden wurde er 1951 als Direktor an die Universit¨atssternwarte Wien berufen.

16Briefwechsel Gisela M¨unzel – Prof. E. Delporte/Uccle betr. Meridiankreis, 1984/85. 17Anm. d. Hrsg. M. F.: schriftliche Erkl¨arung von Delporte(Uccle) an die ¨osterr. Unter- richtsverwaltung zur Entlastung des Kriegsverbrechensvorwurfes bez¨uglich Hopmann (K. Ferrari d’Occhieppo, Almanach d. Osterr.¨ Akademie der Wissenschaften, Jg. 126, p. 518-535, Wien, 1977) 18Beteiligung Josef Hopmanns an Gutachten zu milit¨arischen Themen: Hubert Friedrich Anton Maschke, Leipzig-Schleußig: ”Die mikrometrische Verfolgung eines bewegten Zieles von wechselnder Geschwindigkeit. (Psychophysische Beitr¨age zur Lehre vom Zielen und Schießen. Zur psychophysischen Ballistik.)” Ref. Wirth, Hopmann I. Leipzig, Prom. 2. 6. 1938; Karl Timmel, Randeck b. Freiberg: ”Analyse der freih¨andigen Zielbewegung unter ein- fachsten und stufenweise erschwerten Bedingungen”. Ref. Wirth, Hopmann I. Leipzig, Prom. 21. 7. 1938; Otto Melzer, Zwickau: ”Experimentelle Untersuchungenuber ¨ die Ein¨ubung des Schießens durch Leerschuß mit Abkommenskontrolle”. Ref. Wirth, Hopmann II. Leipzig, Prom. 3. 10. 1938; Alfred Kurt Erich Meister, Unterhain/Th¨uringen: ”Experimentelle Untersuchungenuber ¨ die Verbesserung der Fehler durch einen zweiten Beobachter bei der freih¨andigen Verfol- gung bewegter Ziele”. Ref. Wirth, Hopmann I. Leipzig, Prom. 27. 5. 1940; Heinz Rudi Stein, Leipzig: ”Die Verfolgung bewegter Ziele. Eine psychophysische Anal- yse der Fehler in der Koordination der optischen Bewegungswahrnehmung und der Willk¨urbewegung der Hand”. Ref. Wirth, Hopmann I. Leipzig, Prom. 23. 1. 1940. G. M¨unzel 153

Literatur Neben den im Text genannten Quellen wurde folgende Literatur verwendet: [1] L. Rathmann (Hrsg.)/Autorenkollektiv: ”Alma mater Lipsiensis”, Leipzig 1984 [2] Befragung von Zeitzeugen 1983 – 2003: Prof. Dr. Christian Fischer, Prof. Dr. Robert Lauterbach, Dr. G¨unther Herfurth, Dr. Gerhard Jackisch [3] Pro-Cancellar-Buch der Philos. Fakult¨at der Universit¨at Leipzig B. 128 - B129, UAL [4] Professorenakte 12, Josef Hopmann. UAL [5] Vorlesungsverzeichnis der Universit¨at Leipzig, 1930 - 1945, Univ.-Bibl. Leipzig [6] Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft (VJS): Jahresberichte der Sternwarten und Tagungsberichte der Astronomischen Gesellschaft 1930 – 1944

Danksagungen

IchdankedenUniversit¨atsarchiven Leipzig und Bonn, die mir Einsicht in Aktenuber ¨ Hopmann und die Leipziger Sternwarte ge- w¨ahrten, sowie Herrn Dr. E. Schiller und dem Stadtgeschichtlichen Archiv Leipzig f¨ur die Bereitstellung von Bildmaterial.

Die Herausgeber danken H. D¨urbeck f¨ur die umfassende Hilfe bei der Abfassung des vorliegenden Artikels. The editors are indebted to H. D¨urbeck in providing essential help with type-setting of this manuscript. Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Briefwechsel mit F¨uhrer und Co. Texte aus Bruno Th¨urings Zeit an der Universit¨atssternwarte Wien

Franz Kerschbaum

Institut f¨ur Astronomie der Universit¨at Wien, T¨urkenschanzstraße 17, A-1180 Wien, Austria

Abstract

Bruno Th¨uring (1905–1989) acted as director of Vienna’s University Obser- vatory from 1941–45. He was one of the multitude of scientists joining the campaign against Einstein’s Theory of Relativity which was undertaken in the name of so-called “German Physics” (Deutsche Physik) between the 1920s and the 1940s. Related letters available in local Viennese University archives docu- ment his contacts with a number of at that time important people in the field of science politics and allow for some eye opening insights into privat and behind the scenes networking.

Zeitrahmen

Von 1941–1945 war Bruno Th¨uring Direktor der Universit¨atssternwarte Wien. Der Mitstreiter f¨ur die Deutsche Physik stand im Kontakt mit wissenschafts- politisch wichtigen Vertretern des Deutschen Reiches und hat einen reichen Fundus an offiziellen und halboffiziellen Schriftst¨ucken in Wien zur¨uckgelassen. Bevor auf individuelle Briefe aus dem Umfeld Bruno Th¨urings eingegan- gen wird, soll kurz das zeitliche Umfeld an der Wiener Universit¨atssternwarte skizziert1 werden. W¨ahrend der 30er Jahre sind die beiden Professuren mit Kasimir Graff (Praktische Astronomie, zugleich Direktor) sowie Adalbert Prey (Theoretische Astronomie) besetzt. Schon knapp vor der Emeritierung stehend, wird Graff

1Eine ausf¨uhrliche Darstellung des Direktorats Th¨uring findet sich in: F. Kersch- baum, T. Posch, K. Lackner, Die Wiener Universit¨atssternwarte unter Bruno Th¨uring, in: Beitr¨age zur Astronomiegeschichte, Band 8, hg. von W.R. Dick und J. Hamel, S. 185-202, Frankfurt a.M. 2006 F. Kerschbaum 155

Abb. 1: Die Wiener Universit¨atssternwarte im fr¨uhen 20. Jahrhundert. unmittelbar nach dem Anschluss Osterreichs¨ an das Deutsche Reich mit dem formalen Vorwurf der Unterschlagung beurlaubt und Prey als kommisarischer Leiter eingesetzt. Graff wird kein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen und nach dem ihm nahegelegten freiwilligen Ausscheiden die finanziell wichtige ,,Entpflichtung” erm¨oglicht. Prey, auch vor der Emeritierung stehend, arbeitet f¨ur beide Lehrkanzeln Nachfolgevorschl¨age aus, die aber vom zust¨andigen Beamten im Reichserzie- hungsministerium, Wilhelm F¨uhrer unbeachtet bleiben. Der sp¨atere Ober- sturmf¨uhrer der Waffen-SS, urspr¨unglich ausgebildeter Astronom, in weiterer Folge Dozentenbundf¨uhrer, ist stark wissenschaftspolitisch t¨atig und hat eigene Pl¨ane mit Wien. Seit 1933 mit Bruno Th¨uring befreundet, besetzt er die Lehrst¨uhle mit Th¨uring und Karl Sch¨utte. Bruno Th¨uring hat sich in den Jahren davor als engagierter Vertreter der ,,Deutschen Physik“ und polemischer Einstein- Kritiker2 einen einschl¨agigen Ruf erarbeitet. Der Dienstantritt Th¨urings erfolgt am 20. J¨anner 1941; ab 15. M¨arz 1943 bis Kriegsende steht Th¨uring aber im (ungeliebten) Wehrdienst. Karl Sch¨utte wird schon nach seiner Antrittsvor- lesung eingezogen und nie in Wien t¨atig. Nach Kriegsende erfolgen im M¨arz 1945 letzte Zahlungen an Th¨uring und Sch¨utte. Beide werden mit 23. August des Jahres aus dem Personalstand der Universit¨at Wien gel¨oscht. Kasimir Graff, aus der Emeritierung ,,zur¨uckgeholt“, leitet die Sternwarte wieder bis Oktober 1948. Der bei Kriegsende fluchtartig sich in den Westen ab- setzende Th¨uring besucht erst im Mai 1946 Wien, um Privateigentum (nur teil- weise erfolgreich) zu ¨ubersiedeln. In weiterer Folge stuft die Bayrische Spruch- kammer Bruno Th¨uring zuerst 1949 als ,,minderbelastet“, 1950 als ,,Mitl¨aufer“ ein. Josef Hopmann folgt 1951 Graff in Professur und Leitung der Sternwarte. Die Theorie-Professur Preys wird 1954 mit Konradin Ferrari d‘Occhieppo nachbesetzt. Bruno Th¨uring stirbt am 6. Mai 1989 in Karlsruhe.

2Eine umfassende Diskussion dazu findet sich in: Bruno Th¨urings ,,philosophische“ Kritik an Albert Einsteins Relativit¨atstheorie,T.Posch,F.Kerschbaum,K.Lackner, Wiener Jahrbuch f¨ur Philosophie, Bd. 38 (2006), Wien 2007, p. 269-291 156 Briefwechsel mit F¨uhrer und Co.

Dokumentenbestand, Quellen

Die Prim¨arquellenlage zur Zeit um die Direktion Th¨uring ist als sehr gut zu bezeichnen. Einerseits konnte direkt auf die an der Universit¨ats-Sternwarte vorhandenen Personalakte von Th¨uring bzw. Graff zur¨uckgegriffen werden. Es finden sich darin knapp 100 Schriftst¨ucke aus den Jahren 1938 bis 1951, darunter Notizen, Eingaben, offizielle und halboffizelle Briefe inklusive Ab- schriften von abgegangenen Schriftst¨ucken. Das ganze Material wurde elek- tronisch erfasst und liegt digital in Volltextform vor.

Abb. 2: Links: Signatur Th¨urings aus einem Schreiben vom 19. 3. 1942 an Paul Guth- nik — Rechts: Signatur des Gratulationsschreiben vom 22. 12. 1940 von Johannes Stark anl¨asslich der Berufung Th¨urings nach Wien.

Andererseits bot auch das Universit¨atsarchiv mit seinen Akten der damaligen philosophischen Fakult¨at der Universit¨at Wien eine Vielzahl von interessanten Schriftst¨ucken. Alle mit dem Gegenstand unserer Arbeit im Zusammenhang ste- henden wurden ebenso zumindest digital abfotografiert, um f¨ur weitere Nutzung einfacher zur Verf¨ugung zu stehen. F¨ur die Zukunft ist geplant, die Materialien auch elektronisch zu publizieren. Als typische Beispiele sollen in den beiden folgenden Abschnitten nun ein- zelne Schriftst¨ucke3 kurz vorgestellt werden.

,,Hohe“ Politik

Die Freundschaft mit Wilhelm F¨uhrer und der daraus folgende Briefwechsel l¨asst viele Facetten der NS-Wissenschaftspolitik erahnen. Schon in der oben angesprochenen Publikation Die Wiener Universit¨atssternwarte unter Bruno Th¨uring haben wir einen sehr aufschlussreichen Privatbrief von F¨uhrer an Th¨u- ring ver¨offentlicht, der bereits Mitte 1939 all seine Pl¨ane f¨ur die Neuordnung der astronomischen Landschaft im Dritten Reich aber auch viele andere Details 3Weitere Beispiele finden sich bereits publiziert in: F. Kerschbaum, T. Posch, K. Lackner, Die Wiener Universit¨atssternwarte unter Bruno Th¨uring,in:Beitr¨age zur As- tronomiegeschichte, Band 8, hg. von W.R. Dick und J. Hamel, S. 185-202, Frankfurt a.M. 2006 F. Kerschbaum 157

Abb. 3: Ausschnitt aus einem Privatbrief von F¨uhrer an Th¨uring vom Juni 1939

seiner Arbeit offenbart. Lokalere Beispiele zu Besetzungsfragen offenbaren sich im Gratulationsbrief von Johannes Stark an Th¨uring vom 22.12.1940:

[...] Es w¨are sehr erfreulich, wenn Sie sich in Wien auch um die Physik etwas annehmen w¨urden. Mit ihr steht es dort nicht er- freulich, da Heisenberg f¨ur die theoretische Professur vorgeschla- gen werden sollte [...] oder dem sehr privaten und zotig verfassten Brief Th¨urings an F¨uhrer vom 7. 2. 1942:

[...] Ueber den Verlauf der Sitzunguber ¨ den Lehrstuhl f¨ur Geschichte und Methodik wirst Du bereits vom Dekan in- formiert worden sein und es verbleibt mir nur noch die Auf- gabe, erg¨anzend und wohl auch deutlicher zu berichten. [. . . ] Endergebnis: Lehrstuhl sowie Kandidat [Dingler] wurden mit 158 Briefwechsel mit F¨uhrer und Co.

n-1 Stimmen (wo n die Anzahl der Teilnehmer ist) abgelehnt. Die eine Stimme war ich. [...] Die Argumente gegen die Kandidatur Dingler bestanden in verzerrten Darstellungen dessen, was er angeblich in seinen B¨uchern lehre und in seinen Wiener Vorlesungen gesagt habe. Die Verzerrungen waren teil- weise derart l¨acherlich, dass es mir schwer wurde, nur an Missverst¨andnisse zu glauben. [...] Die Geistesverh¨artung der Naturwissenschaftler von heute ist mir wieder einmal grauen- haft deutlich geworden. Es vermischt sich da Denkfaulheit mit Denkunverm¨ogen zu einem unentwirrbaren Kn¨auel. [...]

Letzteres Schreiben zeigt, dass Th¨uring, ganz im Sinne von Starks W¨unschen im vorhergehenden Beispiel, versucht hat, in Wien Besetzungen zu beeinflussen. Er war dabei aber augenscheinlich nicht sehr erfolgreich, und dies nicht nur beim Versuch, Hugo Dingler nach Wien zu bekommen. Th¨uring hat auch verschiedentlich f¨ur ihm nahe stehende Personen interveniert, wie im Brief an Paul Guthnick vom 19. 3. 1942:

[...] Prof.Dr. Sch¨utte, der ja gegenw¨artig an der Deutschen Seewarte in Hamburg t¨atig ist, hat sich vor einiger Zeit mit der Bitte an mich gewandt, bei Ihnen als dem Vorsitzenden der ADA4anzuregen, auch ihn in den ADA aufzunehmen unter Ber¨ucksichtigungen des Umstandes, dass er einen selbst¨andigen astronomischen Lehrstuhl (in Wien) innehat und in j¨ungerer Zeit auch Astronomen in den ADA aufgenommen worden sind (z.B.Prof. Stumpff, Prof. Uns¨old), die nicht gerade Direktoren von Sternwarten sind. [...] oder versucht F¨ordermaßnahmen zu beeinflussen, wie im Schreiben an F¨uhrer vom 24. 5. 1942:

[...] Im B¨orsenblatt vom 9. April k¨undigen Pasqual Jordan und der Holmst Meyer-Abich die Herausgabe einer neugegr¨undeten Zeitschrift an: ”Physics” Beitr¨age zur naturwissenschaftlichen Synthese. Daf¨ur ist also mitten im Kriege Papier da. Ich lege statt langatmiger Er¨orterungen einen Brief Mays an Kisshauer bei. Ich bitte Dich, zu erw¨agen, ob nicht die M¨oglichkeit besteht, von Seiten des REM aus in letzter Minute gegen diese unn¨otige und sch¨adliche Neugr¨undung Sturm zu laufen und sie zu verhin- dern. [...]

4Dem Ausschuss der Deutschen Astronomen ADA geh¨orten damals die Leiter aller selbstst¨andigen Deutschen Sternwarten an. F. Kerschbaum 159

Th¨urings explizit antisemitische Reiseberichte und Meldungen an F¨uhrer sind schon in Die Wiener Universit¨atssternwarte unter Bruno Th¨uring aus- zugsweise zitiert worden. Diese Beispiele sollen Bruno Th¨urings Verflechtungen illustrieren. Fast im- mer liefen seine Aktivit¨aten aberuber ¨ Wilhelm F¨uhrer. Nach dessen Abgang aus dem Reichserziehungsministerium ab 1943 — F¨uhrer war im Weiteren im Amt Ahnenerbe und als Ordonanzoffizier im pers¨onlichen Stab des Reichsf¨uhrers SS (Himmler) t¨atig — hatte Th¨uring nicht mehr diesen Kontakt zu den Schalt- stellen der Wissenschaftspolitik.

Das lokale Leben

Die politischen Br¨uche und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten spiegeln sich auch in den mehr lokalen bzw. privaten Bed¨urfnissen wider. So wurde l¨angere Zeit um die Benutzung der Dienstwohnung, aber auch der wissenschaftlichen Einrichtungen zwischen Graff und Th¨uring teilweise mit dem zwischengeschal- teten Prey gerungen — und dies im Laufe der Jahre aus sehr unterschiedlichen Verhandlungspositionen. So schreibt der recht schnell an die neuen Verh¨altnisse angepasste Adalbert Prey am 16. 9. 1939 vertraulich an den Rektor:

[...] Durch seine Zuweisungsverf¨ugung des Standortkommandos [...] vom 10.7.1939 ist die Sternwarte f¨ur die Deutsche Seewarte sichergestellt worden. Daraus folgt, dass sie bis auf weiteres f¨ur alle Besuche gesperrt ist. In diesem Zusammenhange stellt die unterzeichnete kommissarische Leitung die Frage, ob man dem ehemaligen Direktor der Sternwarte, Dr. K. Graff, der mit dem Umbruch beurlaubt wurde, auch weiter noch den Zugang zu den Instrumenten gestatten soll. [...] um dann schon am 28. 9. 1939 Graff zu informieren:

[...] Auf Ihre Anfrage vom 26.d.M. bez¨uglich der Benutzung des Grossen Refraktors muss ich Ihnen leider mitteilen, dass ich diese vorl¨aufig nicht gestatten kann. Dagegen kann gegen Beobachtungen in der H¨utte oberhalb Ihrer Wohnung nichts ein- gewendet werden und es steht Ihnen auch der Mechaniker zur Aufstellung Ihres [privaten] 6-Z¨ollers zur Verf¨ugung. [...]

Graff war zu diesem Zeitpunkt nicht emeritiert, sondern nur beurlaubt und sollte offensichtlich an weiteren Arbeiten mit dem Großen Refraktor gehin- dert werden. Kurz nach dem Eintreffen Th¨urings in Wien 1940/41 war das Dienstwohnungsproblem zu l¨osen. Graff, ohne Schuldbeweis und angesichts 160 Briefwechsel mit F¨uhrer und Co. der schwieriger werdenden Wohnungssituation in Wien, war nicht willens, die Direktionswohnung f¨ur Th¨uring zu r¨aumen, worauf sich dieser am 2. 5. 1941 beim zust¨andigen Kurator der Universit¨at beschwert:

[...] Zu all dem kommt, dass Prof. Graff keine besondere per- s¨onliche R¨ucksichtnahme in der zur Debatte stehenden Hinsicht verdient, da er aus politischen Gr¨unden aus seinem Amt aus- schied. Aus dem gleichen Grunde konnte ja auch schon, wie mir im Kuratorium mitgeteilt wurde, der Weg zur Wohnungsver- mittlung durch stellvertretenden Gauleiter Scherizer gar nicht beschritten werden. Ich kann aber nicht einsehen, dass meine Arbeitsm¨oglichkeit vermindert werden soll nur wegen der poli- tischen Mangelhaftigkeit Prof. Graffs und seinen durch keinerlei dienstliche und lebenswichtige Umst¨ande begr¨undbaren Wunsch, ausgerechnet in Wien wohnen zu wollen. [...]

Bemerkenswert ist hier das ,,aus politischen Gr¨unden”. In allen anderen offiziellen Dokumenten zur Causa Graff geht es ja immer um die ihm vor- geworfenen Unterschlagungen und Unregelm¨aßigkeiten, die ihm trotz aller M¨uhe nicht nachgewiesen werden konnten. Von einer R¨aumungsklage bedroht, zieht Graff am 21. 6. 1941 aus. Das ,,Wohnungsspiel” dreht sich nach Kriegsende wieder in die andere Rich- tung. Schon am 2. 6. 1945 zieht Graff in ,,seine” Dienstwohnung ein und listet penibel alle Einrichtungsgegenst¨ande Th¨urings auf5.Erbegr¨undet dies in einem SchreibenandieStaatsgeb¨audeverwaltung vom 10. 4. 1946:

[...] Wegen der Verluste, die ich durch den seinerzeitigenuber- ¨ eilten Umzug (R¨aumungsklage ohne Wohnungszuweisung) und durch die Kriegsereignisse (Brand- und Wasserschaden, Pl¨unde- rung anl¨asslich der drei Monate dauernden milit¨arischen Haus- besetzung) erlitten habe, war ich gezwungen, die von meinem Vorg¨anger Bruno Th¨uring bei seiner Flucht aus Wien zur¨uck- gelassenen M¨obel in Benutzung zu nehmen, in der Hoffnung, im Laufe des Jahres den gr¨ossten Teil derselben durch eigene Neuerwerbung ersetzen zu k¨onnen. Da dies sich bisher als v¨ollig unm¨oglich erwiesen hat, bitte ich um die Genehmigung, wie bisher die notwendigsten Hausgegenst¨ande weiter benutzen zu d¨urfen. Der Ordnung halber lege ich aber eine Liste des Inven- tars der Th¨uringschen Wohnung bei, wie ich es im Juni vorigen Jahres hier vorgefunden habe, und das als Grundlage f¨ur die sp¨atere Uebernahme der Gesamteinrichtung durch die Beh¨orde

5Vom ,,Totenkopf”-Olbild¨ bis zum Sahnek¨annchen mit Sprung F. Kerschbaum 161

dienen soll. Professor T hu ¨ r i n g war Mitglied der N.S.D.A.P. und seit dem 1. J¨anner 1941 S.A.-Obertruppf¨uhrer. [...]

Wie schon oben notiert, holt sich Th¨uring im Mai des Jahres seine restlichen privaten Dinge ab. Nicht ausgefolgt wird ihm aber jener Teil seiner Privatbib- liothek, der sich aus eindeutig belasteten Druckwerken von Autoren wie Cham- berlain, Dwinger, Grunsky, G¨unther, Hitler und Ludendorff zusammensetzt.

Ausblick

Die in dieser und fr¨uheren Arbeiten gegebenen Einblicke in das reiche archiva- rische Material um die Direktionszeit Bruno Th¨urings zeigen drei klare Linien zuk¨unftiger Arbeiten auf: (1) die systematisierte Zug¨anglichmachung in elektro- nischer Volltextform; nur so kann das umfangreiche Material in interdisziplin¨arer Form gemeinsam aufgearbeitet werden, (2) Bearbeitung einzelner besonders in- teressanter Schriftst¨ucke, insb. auch auf fachastronomische Aspekte hin, und (3) die Erweiterung des Blicks auf die Nachbardisziplinen der Natur- und For- malwissenschaften an der Universit¨at Wien. Auch hier sind schon erste Kon- takte zu vergleichbaren Aktivit¨aten gekn¨upft.

Literatur

Kerschbaum, F., Posch, T., Lackner, K., 2006, Die Wiener Universit¨ats-Sternwarte unter Bruno Th¨uring, in: Beitr¨age zur Astronomiegeschichte, Band 8, hg. von W. R. Dick und J. Hamel, S. 185-202, Harri Deutsch Verlag, Frankfurt a.M. Posch, T., Kerschbaum, F., Lackner, K., 2006, Bruno Th¨urings ”philosophische” Kritik an Albert Einsteins Relativit¨atstheorie in: Wiener Jahrbuch f¨ur Philosophie, Bd. 38, Wien 2007, p. 269-291

Danksagung

Besonderer Dank gilt Jeannette H¨ofinger und Marion Solar im Zusammenhang mit der Archivarbeit sowie Thomas Posch f¨ur wertvolle Diskussionen und An- regungen. Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Leopold Figl Observatorium f¨ur Astrophysik

Monika Rode-Paunzen

Institut f¨ur Astronomie, T¨urkenschanzstraße 17, 1180 Vienna, Austria

Abstract

As soon as the new observatory at the T¨urkenschanzstraße was build, the sci- entists noticed the importance for an observing place far away from cities and villages because of dust and light emission. The new observatory in the Vi- enna wood was built in the 1960th and gives a possibility for astronomers and students to observe without the disturbance from citylight. This article gives a short overview about the history of creation, buildings and instruments.

Baugeschichte

Kaum war das neue Geb¨aude der Wiener Universit¨ats-Sternwarte auf der T¨ur- kenschanze seiner Bestimmungubergeben, ¨ holten das Streulicht und das Klein- klima der Stadt die Sternwarte ein, wodurch sich die Beobachtungsbedinungen kontinuierlich verschlechterten. So wurden z.B. Pl¨ane geschmiedet einen gr¨oßeren Bau als das Wiener Geb¨aude auf dem Schneeberg, der seit 1897uber ¨ eine Zahnradbahn verf¨ugt, zu errichten und die Instrumente zu verlegen. Aber auch die Oberen Tauern oder das Plateau von Ober-Bozen wurden als Standort diskutiert. Von international renommierten Kollegen, wie z.B. dem amerikanischen As- tronomen George Hale, bekamen die Wiener Astronomen Sch¨utzenhilfe, doch die ungekl¨arte Finanzierungsfrage und das mangelnde Interesse von potentiellen Geldgebern ließen alle Pl¨ane in Schubladen versinken. Trotzdem suchten die Forscher kontinuierlich weiter nach klimatisch be- g¨unstigten Beobachtungspl¨atzen.1 So schreibt J. Palisa in ”Die Verlegung der

1Die Zahl der ”astronomisch bauchbaren” N¨achte liegt in Wien bei maximal 40%. Wegen des hartn¨ackigen Hochnebels in den kalten Monaten kann man oft vier Monate durchgehend nicht beobachten. M. Rode-Paunzen 163

Wiener Sternwarte eine Notwendigkeit” 1924, gegen Ende seiner astronomi- schen Karriere, daß ein vom Licht ungest¨orter Beobachtungsplatz f¨ur dieoster- ¨ reichische Astronomie ¨uberlebenswichtig ist. Der 2.Weltkrieg und die kargen Nachkriegsjahre erlaubten keine Uberleg-¨ ungen zu oder gar die Planung einer astronomischen Außenstation. In den 1960er-Jahren erhohlte sich die ¨osterreichische Wirtschaft und so begann der damalige Sternwartedirektor Josef Meurers, der f¨ur seine rege Baut¨atigkeit bekannt war, 1962 Verhandlungen mit dem Unterrichtsministerium ¨uber eine Außenstelle der Sternwarte. Er konnte den damaligen Unterrichtsminister Theodor Piffl-Perˇcevi´cvon der drigenden Notwedigkeit eines modernen Teleskopes abseits der Großstadt ¨uberzeugen und der Minister sagte die Finazierung des Instrumentes durch sein Ministerium zu. In dem nieder¨osterreichischen Landeshauptmann und Altbundeskanzler Leopold Figl2 fand Meurers einen großen F¨ursprecher, auf dessen Initiative das Land Nieder¨osterreich die Bereitstellung eines geeigneten Grundst¨uckes und die Ubernahme¨ der Kosten f¨ur die Errichtung der n¨otigen Infrastruktur zusagte. Sowohl Teleskop als auch die dazugeh¨orige Infrastruk- tur wurden 1965 der Universit¨at Wien anl¨aßlich ihres 600-Jahr Jubil¨aums geschenkt.

Bauplatz

Nun begann die Suche nach einem geeigneten Bauplatz. F¨ur Meurers (1966) stand fest, dass der Bau eines nicht st¨andig besetzten Observatoriums billiger komme, als die Verlegung der gesamten Wiener Stern- warte, und so war die Wien-N¨ahe des Bauplatzes ein wesentliches Auswahlkri- terium. Die Standortbestimmung f¨ur ein großes Teleskop ist ein wesentlicher Faktor und bedarf einer genauer Pr¨ufung der lokalen Wetterverh¨altnisse ¨uber einen langen Zeitraum an den in Frage kommenden Aufstellungspl¨atzen. Ein W¨ustenplateau in großer H¨ohe l¨aßt sich in Osterreich¨ nicht finden. Daß nicht einfach der h¨ochstm¨ogliche Gipfel auch automatisch der beste Beobach- tungsplatz ist, zeigte bereits von Rheden 1909 in Folge seiner klimatischen Untersuchungen am Sonnwendstein. Wichtige Kriterien f¨ur den optimalen Standort sind nicht nur eine m¨og- lichst hohe Anzahl klarer N¨achte, solche geringem Bew¨olkungsgrad, son- dern auch die Reinheit der Luft von Staub etc., die durchschnittliche Luft- ruhe, Luftfeuchtigkeit und die durch die N¨ahe großer Siedlungen bedingte Lichtverschmutzung des Himmels. Eine weitere Einschr¨ankung ergab sich, da sich der Bauplatz auf Grund der Schenkung in NO¨ befinden mußte.

2Ihm zu Ehren erhielt das Observatorium den Namen ”Leopold Figl Observatorium f¨ur Astrophysik” 164 Leopold Figl Observatorium f¨ur Astrophysik

Hermann Haupt (1966, 1970) widmete sich intensiv der Klimaauswertung von m¨oglichen Standorten in NO.¨ In seiner Arbeit (1966) vergleicht er die mete- orologischen Aufzeichnungen mehrerer Jahre von sieben potentiellen Baupl¨atzen mit H¨ohen zwischen 400-800m und stellt fest, daß das Seeing in mittleren H¨ohenlagen am g¨unstigsten sind. Paul Jackson (1971) machte die notwendi- gen Feldmessungen der Luftg¨ute, Wetterbedingungen und sonstigen Beobach- tungsparametern. Die Wahl fiel auf den 880m hohen Mittersch¨opfl, der ca. 50km von der Uni- versit¨atssternwarte entfernt im SW von Wien liegt. Da er mitten im gesch¨utzten Wienerwald liegt, war und ist ein großer Zuwachs des Siedlungsraumes nicht zu erwarten.3 Zudem liegt die durch den Ballungsraum Wien verursachte Him- melsaufhellung im Norden des Beobachtungsplatzes, einer Himmelsrichtung in der eher selten beobachtet wird. Urspr¨unglich wurde der 893m hohe Sch¨opfl als Bauplatz angeboten, da sich aber am Kamm der Nebel oft f¨angt, war und ist er als Standort weniger geeignet. Das gesamte Gebiet ist zudem Staatsbesitz und so konnte mit den Bun- desforsten vereinbart werden, dass alle forstlichen Maßnahmen im Umkreis der Sternwarte nur nach R¨ucksprache mit den Astronomen durchgef¨uhrt w¨urden, um das wichtige Kleinklima rund um das Observatorium nicht ung¨unstig zu beeinflussen. Im Herbst 1965 wurde mit dem Bau der Straße begonnen am 13.Septem- ber 1966 wurde der Grundstein des Hauptgeb¨audes in Anwesenheit der Witwe Leopold Figls Hilde und vieler Festg¨aste von Landeshauptmann Eduard Hart- mann gelegt. Den Segen sprach wurde Erzbischof-Koadjutor von Wien Dr. Franz Jachym. Mit einem Festakt am 25. September 1969 wurde das Observa- torium seiner Bestimmung ¨ubergeben. Das ”First-Light”, die wissenschaftliche Inbetriebnahme, des 1,5m Teleskopes konnte aus organisatorischen Gr¨unden allerdings erst im Dezember 1970 stattfinden.

1,52m=60”-Teleskop

Das Hauptgeb¨aude das den 1,5m Spiegel beherbergt wurde zweckm¨aßig ge- plant und gebaut. Es ist ein Einzelturm mit 12x12m Grundfl¨ache, 18m hoch, mit Keller und 2 Stockwerken, auf den eine doppelwandige Ganzmetallkuppel mit 3m breitem Spalt aufgesetzt ist, die von der VOST-Linz¨ hergestellt wurde. Der doppelte Kuppelboden bildet eine thermische Barriere gegen den Turm. Zus¨atzlich kann mittels Ventilatoren, die Außenluft durch den doppelten Boden geblasen und so rasch die Kuppel- an die Außentemperatur angeglichen werden. Die Außenhaut des Geb¨audes ist ebenfalls gut isoliert, es gibt keine Fenster an

3n¨achtliche Scheinwerfer und Himmelsbeamer, waren damals noch nicht Gegenstand von Uberlegungen¨ M. Rode-Paunzen 165

Abb. 1: Links: Grundsteinlegung E.Hartmann, links H.Figl, T.Piffl-Perˇcevi´c, F.Jachym im Hintergrund / Rechts: Aufsetzen d. Kuppel der S¨udseite und die anderen Fenster werden abends mittels Außenrolos licht- dicht geschlossen. So wird thermische St¨orung und Lichteinfluß gering gehalten. Da geplant war, die Außenstation von Wien aus zu betreiben, Vorbereitungen sowie die Datenreduktion an der Universit¨atssternwarte durchzuf¨uhren, wurde das Pendeln der Beobachter und Mechaniker, bei Bedarf auch t¨aglich, bewußt in Kauf genommen um sich auch so die Personalkosten einer st¨andigen Besetzung zu ersparen. Deshalb wurden die sozialen R¨aumlichkeiten spartanisch ausge- stattet. Es gibt drei kleine Ruher¨aume, eine kleine K¨uche und Sanit¨aranlage, im ersten Stock, im zweiten Stock und somit unter der Kuppel befindet sich der Coud´e-Raum, eine Dunkelkammer, sowie weitere Laborr¨aumlichkeiten, im Erdgeschoß eine Werkstatt und die Aluminisierungsanlage, im Keller befindet sich die Haustechnik und vom Stiegenhaus gut sichtbar der Grundstein. Das Teleskop (Hooghoudt, 1970) mit offenem Tubus hat eine Gabelmontier- ung und 2 Sekund¨arspiegel, die mittels Flip-Flop-Mechanismus leicht gewech- selt werden k¨onnen. Es vereint drei Abbildungssysteme mit je einem Ritchey- Chr´etien-(F/15; Brennweite 22,5m), Cassegrain-(F/8,3; Brennweite 12,5m) und Coud´e-Fokus (F/30; 45 m), wobei die Coud´eanwendung am Fernrohr nie realisiert wurde. R¨aumlich ist alles vorgesehen. Der Coud´eraum, der sich eine Etage unter dem Beobachterfußboden befindet, wird heute als Bibliothek und Arbeitsraum genutzt. Optik und Fassung wurden von Zeiss in Oberkochen, die mechanischen Teile bei Rademakers-Rotterdam gebaut, Wesemann-Rotterdam erzeugte die Elektronik. 166 Leopold Figl Observatorium f¨ur Astrophysik

Es wurde auch eine Aluminisierungsanlage angeschafft um die Ausfallszeiten zu minimieren und langfristig Kosten zu sparen, da die Spiegel in regelm¨aßigen Abst¨anden eine neue Beschichtung ben¨otigen um ihre Lichtsammelleistung zu erhalten. Am 26. Oktober 1981 wurde die neue elektronische Steuerung, die von Helmut Jenkner und Manfred Stoll Hard- und Softwaretechnisch entwickelt und gebaut worden ist, in Betrieb genommen. Sie erm¨oglichte ¨uber 25 Jahre eine hervorragende automastische Positionierung und Nachf¨uhrung des Fernrohres. Zur Zeit wird an einer neuen Steuerung gearbeitet, die die M¨oglichkeiten der modernen Computertechnik voll aussch¨opfen soll. Mit der immer ausgefeilteren CCD-Technik, die in allen Bereiche der astro- nomischen Beobachtung Fotografie und Photomultiplier abl¨oste, wurde es auch f¨ur den Sch¨opfel notwendig ein modernes Endger¨at anzuschaffen. Die Wahl fiel auf den Faint Object Spectrograph and Camera, der bereits als DFOSC f¨ur Photometrie und Spektroskopie am ”D¨anischen 1m Teleskop” in Einsatz war. Mit dem Ger¨at an das eine CCD-Kamera angeshlossen wird, kann w¨ahrend der Nacht zwischen photometrischer und spektroskopischer Beobachtung (und umgekehrt) problemlos gewechselt werden. Die hohe Quantenausbeute der CCD-Kamera verk¨urzt zudem die Belichtungszeiten und f¨uhrt dadurch zu einer besseren Ausnutzung guter Beobachtungsn¨achte. Der OEFOSC wurde Baugleich zum DFOSC im November 1995 in Kopen- hagen fertiggestellt. Am 15. Oktober 1996 wurde er fix am 1,5 m Teleskop montiert und ist am 3. November 1996 mit dem First Light in Betrieb gegan- gen.

Tabelle 1: Teleskope im Vergleich Durchmesser Hauptspiegel: 152 cm 60 cm Durchmesser Sekund¨arspiegel: 52 cm 22 cm Brennweite: 12.5 m 5 m Bildfeld (bei angeschl. Instr.): 5.75’ x 5.75’ 15’ x 15’ Teleskoptyp: Ritchey-Chr´etien Ritchey-Chr´etien Gewicht: 24 t 2.2 t

60cm Teleskop

Schon bei der Planung des ”großen” Spiegels 1969 wurde der Bau eines klei- neren Teleskopes auf dem Gel¨andeuberlegt. ¨ 1973 wurde mit dem Bau des 60cm Teleskopes in der Werkstatt der Wiener Universit¨atssternwarte begonnen. Insbesondere zeitraubende Ger¨atetests sollte den großen Spiegel nicht mehr zeitlich blockieren. Daher wurde das kleine M. Rode-Paunzen 167

Fernrohr als kleines Abbild des 60”- Instrumentes, federf¨uhrend von Ing. Rudolf Pressberger (1979), geplant und ausgef¨uhrt. Die Spiegel wurden in der insti- tutseigenen Werkstatt geschliffen, ebenso wurden die Mechanik und Elektronik vor Ort gebaut. Das fertige Teleskop wurde 1979 aufgestellt. Das 1975 errichtete Geb¨aude hat eine Grundfl¨ache von 5x5m, der Beobach- terfußboden ist 6muber ¨ dem Gel¨ande eingezogen, die Kuppel aus Aluminium hat einen Durchmesser von 4,5m. Dieses Teleskopgeb¨aude dient nur zum Schutz des Teleskops. Das Teleskop selbst hat einen geschlossenen, quadra- tischen Tubus, Gabelmontierung und eine elektronisch gesteuerte Nachf¨uhrung. 1980 erhielt das Fernrohr ein eigens gebautes Photometer. Die photomet- rische Beobachtung heller Sterne f¨allt in den Einsatzbereich des Instrumentes. 1981 wurde die extrem langsame Nova PU Vul erstmals mit diesem Instrument beobachtet.

Literatur

Haupt H., 1970, Wetter und Leben, Jg. 22, S. 89 - 93 Haupt H., 1966, Untersuchungenuber ¨ die klimatische Eignung ¨osterreichischer Gebiete f¨ur astronomische Beobachtungen, Wetter und Leben 18, 141 Mitt. Univ.-Sternw. Wien 13,S. 37. Hooghoudt B.G., 1970, Die konstruktive Ausstattung des 60”-Teleskopes, Annalen der Univ.Sternwarte Wien, Bd. 29,2, S. 123 Jackson P., 1971, Die Frage der Ortswahl bei Errichtung einer Außenstation der Universit¨ats-Sternwarte Wien, Annalen der Universitts-Sternwarte Wien Bd. 30, Nr. 4, S. 65ff Meurers J., 1970, Symposium anl¨asslich der Er¨offnung des Leopold Figl-Observatoriums, Annalen der Univ.Sternwarte Wien, Bd. 29,2 Meurers J., 1966, Planung und Bau des Leopold-Figl-Observatoriums f¨ur Astrophysik der Universit¨ats-Sternwarte Wien, Sterne und Weltraum Heft 7 Palisa J., 1924, Die Verlegung der Wiener Sternwarte eine Notwendigkeit, Wien, Selbstverlag des Verfassers Pressberger R., Purgathofer A., Stoll M., 1979, Das neue 60 cm RC-Teleskop auf dem Mittersch¨opfl des Instituts f¨ur Astronomie der Universit¨at Wien, Wien, Sternenbote 1979 H. 10, S. 162 - 165 Bilder: Privatarchiv Maria.G.Firneis, Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Die Universit¨atssternwarte Wien — Pflanzst¨atte des Osterreichischen¨ ESO-Beitritts

Hans M. Maitzen und Josef Hron

Insitut f¨ur Astronomie, Universit¨at Wien, T¨urkenschanzstraße 17, A-1180 Wien

Abstract

We demonstrate that international cooperation in astronomy, especially cen- tred on Europe has been linked to the Vienna ”Universit¨atssternwarte” since its foundation. This is exemplified by M. Hell (world wide campaign for the Venus transit in the 18th century), T. H¨anke (Chile scientific mission for the Spanish king two decades later) and W.Bernheimer (discovery of the first galaxy supercluster in cooperation with Sweden and USA in the thirties of the past century). While ESO inaugurated its first observatory on La Silla (Chile) in 1969, the Vienna Institute succeeded to open its local observatory on Mount Sch¨opfl the same year. Personal activities of Austrian astronomers in ESO- membership countries (especially at the University of Bochum, Germany) led to their use of ESO-facilities and as a consequence also to attempts to get ESO membership also for Austria. The three main campaigns for this purpose (starting 1979, 1987, 2000) are described, and since the strategic centre has always been the Vienna University Observatory (with due contributions from the astronomical institutes in Innsbruck and Graz, but also other astronomy related institutes and institutions), we purposely call it the ”seminal place for Austrian ESO-membership”.

Geistige Vor-V¨ater des ¨osterreichischen ESO-Beitritts

ESO - die Europ¨aische S¨udsternwarte wurde in Paris 1962 gegr¨undet mit der Aufgabe, f¨ur die Teilnehmerstaaten ein leistungsf¨ahiges Observatorium auf der S¨udhalbkugel zu errichten. Damit sollte sowohl ein europ¨aisches Gegenst¨uck zur nordamerikanischen Vormachtstellung in der Astronomie seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts (Hubble et al.) geschaffen werden durch die B¨undelung der finanziellen Ressourcen, als auch der S¨udhimmel astronomisch erschlossen H. M. Maitzen und J. Hron 169 werden, ein viel versprechendes Neuland, wenn man an das Zentrum der Milch- straße, die Magellanschen Wolken und das riesige Sternentstehungs-Gebiet im Bereich der Carina-Molek¨ulwolken denkt, die extragalaktischen Systeme nat¨ur- lich inkludierend. Nach entsprechenden Tauglichkeitspr¨ufungen (site-testing) wurde schließlich Chile und zwar der Atacamaw¨usten-Berg La Silla als Lokation f¨ur das erste ESO-Observatorium auserkoren (Er¨offnung am 25. M¨arz 1969). Es sind drei Pers¨onlichkeiten der Geschichte seit der Gr¨undung der Uni- versit¨atssternwarte Wien, die durch ihr wissenschaftliches Engagement symbo- lisch und vorbildlich den Grundgedanken der ESO-Gr¨undung vorab mitgetragen haben und daher als geistige Vor-V¨ater desosterreichischen ¨ ESO-Beitritts ange- sehen werden k¨onnen. Zun¨achst ist Maximilian Hell (1720-1789) zu nennen,uber ¨ den an anderer Stelle berichtet wird, der nicht nur als lokaler Gr¨undervater in Wien t¨atig war, sondern 1769 die Expeditionsm¨uhen auf sich nahm, um in polarnahen Gefilden an einer beispielgebenden internationalen wissenschaftlichen Beobach- tungskampagne teilzunehmen, n¨amlich den seltenen Vor¨ubergang der Venus auf der Sonnenscheibe zu registrieren, mit dem Ziel die Entfernung der Sonne genau zu bestimmen. Diese internationale, im Wesentlichen europ¨aische astronomi- sche Kooperation fand statt 200 Jahre vor der Gr¨undung der ESO! Dass dies tats¨achlich als Vorl¨aufer der ESO, zumindest symbolisch, ange- sehen werden k¨onnte, bezeugt die Tatsache, dass England und Frankreich, damals im Kriegszustand befindlich, sich vertraglich verpflichteten, die wis- senschaftlichen Aktivit¨aten der Astronomen ihrer L¨ander bei deren Expeditionen gegenseitig nicht zu behindern. Kurz danach trat Thadd¨aus Peregrinus Xaverius H¨anke (1761 - 1816) auf, der sowohl Botanik, Medizin, Chemie, als auch Astronomie in Wien studierte (er stammte aus Nordb¨ohmen) und von Joseph II. den Auftrag erhielt an einer von Spanien gef¨uhrten wissenschaftlichen Expedition (1789 - 1794) zur Erkundung der Westk¨uste S¨udamerikas und des pazifischen Raumes teilzunehmen. Dieses Unternehmen war f¨ur H¨anke mit einer Serie von Abenteuern verbunden, die eine gewisse Analogie zur gegenw¨artigen Entwicklung des ¨osterreichischen ESO- Beitritts birgt. Die Lebensgeschichte von H¨anke wird gegenw¨artig durch ein FWF-Forschungsprojekt von Prof. G. Drekonja (Universit¨at Wien) bearbeitet. Bis H¨anke, der auch alsosterreichischer ¨ Humboldt bezeichnet wird, nach Chile gelangte, bedurfte es dreier Anl¨aufe (¨ahnlich derosterreichischen ¨ ESO- Geschichte?): Erstens musste H¨anke im Jahr 1789 von Wien nach Cadiz gelan- gen, wo das spanische Expeditionsschiff lag. Der Ausbruch der Franz¨osischen Revolution verhinderte das zeitgerechte Eintreffen H¨ankes wegen diverser Ver- z¨ogerungen auf seinem Reiseweg durch Frankreich. Das Schiff fuhr angeblich wenige Stunden vor seinem Eintreffen ab. Zweiter Anlauf: H¨anke gab nicht auf, sondern quartierte sich auf einem sp¨ateren Segelschiff nach Buenos Aires ein 170 Der Osterreichische¨ ESO-Beitritt mit der Absicht, die spanische Expedition dann doch noch zu erreichen. Aber auch diese Fahrt endete mit einem Fiasko, denn kurz vor dem Zielhafen kenterte das Schiff, wobei wichtiges Forschungsmaterial und –ger¨at verloren ging. H¨anke ließ sich dennoch nicht entmutigen und setzte seine Reise von Ar- gentinien nach Chileuber ¨ die Anden zu Fuß fort. Nach diesem dritten An- lauf konnte er sich der Malaspina-Expedition in Santiago de Chile am 2. April 1790 anschließen und mit ihr, sp¨ater dann selbst¨andig seine Forschungst¨atigkeit entfalten. Mit großem Enthusiasmus beschreibt H¨anke den Sternenhimmel ¨uber der Atacamaw¨uste, er war also gleichsam ein Vorerkunder der sp¨ateren ESO-Projekte. Dass H¨anke die Verwendung des Chilesalpeters sowohl als D¨ungemittel als auch f¨ur die Sprengstoffproduktion entdeckte, ist ebenso zu erw¨ahnen wie seine botanischen und volksmedizinischen Forschungen. Als dritte Pers¨onlichkeit mit einem typischen Vorl¨auferbezug zu ESO ist Walter Ernst Bernheimer (1892 – 1937) zu nennen. Der Festrede des Vor- standes (Hopmann) zur 200-Jahr-Feier 1956 entnehmen wir: ,,Neben Graff wirkte besonders noch Prof. Bernheimer, der leider 1937 in jungen Jahren einer t¨uckischen Krankheit erlag. Bernheimer hatte vielf¨altige internationale Beziehungen, was f¨ur dieosterreichischen ¨ Astronomen manche Anregungen brachte,...“. Es ist verwunderlich, dass in der internationalen Literatur die wissenschaft- liche Leistung Bernheimers anders gesehen wird als hierzulande, also auch in dieser Festrede. In internationalen Lehrb¨uchern wird Bernheimer als Entdecker eines Superclusters (seine Bezeichnung!) von Galaxien bezeichnet, womit er das Hubblesche Postulat der Gleichf¨ormigkeit der Galaxienverteilung sensibel verletzte. Ken Croswell formuliert dies in seinem Buch ,,The Universe at Mid- night“ im Kapitel ,,The Architecture of the Cosmos“ 2001 etwas skurril so: ,,Even during Hubble’s heyday, hints had emerged that the galaxies he studied had never heard of the cosmological principle. For example, in 1932 an obscure Austrian astronomer named Walter Bernheimer reported that he had traced an enormous filament of galaxy groups and clusters across much of the autumn sky...“ Wenn man versucht, den semantischen Hof des Begriffes ,,obscure“ auszu- leuchten, so kommt man auf Bedeutungen wie d¨uster, dunkel, unbedeutend, undurchsichtig, unklar, verworren. Jedenfalls ist hier festzuhalten, dass die epochale Entdeckung von Bernheimer in der Festrede bei der Jubil¨aumsfeier der Universit¨atssternwarte vor 50 Jahren mit keinem Wort erw¨ahnt wird. Vielleicht ist dadurch die erw¨ahnte Bezeichnung als ,,obscure Austrian astronomer“ zu verstehen. Bernheimers Funktion 1931 als Rockefeller Research Fellow (ab 1. Feb.) an der Sternwarte Lund (Vorstand: Knut E. Lundmark) in Schweden kann als Trittbrettfahren interpretiert werden, eine Rolle, in die sich ¨osterreichische, im Wesentlichen Wiener Astronomen vor allem bez¨uglich ESO mangels der Mit- H. M. Maitzen und J. Hron 171 gliedschaft unseres Landes in den letzten Jahrzehnten hineinversetzen mussten. Es war eigentlich ein Trittbrettfahren zweiter Ordnung, denn alsosterreichischer ¨ Dozent in Schweden hatte er zu Beobachtungen an den US-amerikanischen Observatorien, vor allem am Hooker-Spiegel nur ¨uber seinen Chef, Prof. Lund- mark Zugang! Dieser hatte als Schwede und Europ¨aer gegen¨uber dem US- Establishment der Astronomie seine liebe Not. Man denke nur an die kom- plette Ignorierung seiner Widerlegung der Ergebnisse von van Maanen bez¨uglich der von diesem behaupteten in Eigenbewegung messbaren Rotation von Spiral- galaxien. Erst E. Hubble, dem Landsmann glaubte man in der US-Astronomie, als dieser durch seine Beobachtungen die Erkenntnis bremsende Arbeit von van Maanen (hinsichtlich des Wesens unseres Milchstraßensystems) widerlegte. Probleme gab es auch mit der Verwendung der amerikanischen Beobachtun- gen, die Lundmark selbst erhalten, aber auch in Zusammenarbeit mit Bern- heimer verwendet hatte. Die Ver¨offentlichung der erw¨ahnten Galaxienh¨aufung zwischen Perseus und Pegasus in Nature (Bd. 130, S. 132, 1932) und die Kreation des Begriffes ,,Supercluster“ durch Bernheimer hat zusammen mit der Konkurrenzsituation von Lundmark und Hubble zu Spannungen gef¨uhrt, die zum Aufkeimen der europ¨aischen Emanzipation auf dem Gebiet der Ast- ronomie nach dem 2. Weltkrieg beigetragen haben. Damals setzten sich die Vertreter der Astronomie verschiedener interessierter europ¨aischen Nationen zusammen, um die Gr¨undung einer gemeinsamen Großsternwarte durch die B¨undelung der finanziellen Ressourcen der k¨unftigen Mitgliedsl¨ander vorzube- reiten, und ein eigenverf¨ugbares Potenzial an astronomischer Hochtechnologie der nordamerikanischen Vorherrschaft auf diesem Gebiet gegen¨uberzustellen.

Die ESO-Gr¨underzeit

Die Geschichte der Entstehung dieser beispielgebenden europ¨aischen Wissen- schafts- und Forschungsinitiative, die schließlich 6 Jahre nach der 200-Jahrfeier der Wiener Universit¨atssternwarte zur vertraglichen Gr¨undung der Europ¨aischen S¨udsternwarte ESO f¨uhrte, kann im Werk von A. Blaauw, zweitem Generaldirek- tor der ESO nachgelesen werden. Die erfolgreiche Verbindung der Arbeit eines ¨osterreichischen Astronomen, Bernheimer, mit seinem schwedischen Gastgeber, Lundmark, im zeitlichen und thematischen Vorfeld dieser Entwicklung sollte hier nachtr¨aglich als ideeller Baustein f¨ur ESO gew¨urdigt werden. Bernheimer war Dozent an der Wiener Universit¨atssternwarte! Welche Perspektiven zeigte Prof. J. Hopmann in seiner Festrede 1956 auf, die wir als fruchtbringende Elemente hinsichtlich der Beziehung von Wien und Osterreich¨ zur damals im embryonalen Status befindlichen ESO einsch¨atzen k¨onnten? 172 Der Osterreichische¨ ESO-Beitritt

,,An internationalen Kontakten hat es in Osterreich¨ lange Zeit sehr gefehlt ... ziemlich als letzte aller Kulturnationen trat Osterreich¨ der International Astro- nomical Union bei ... wichtig ist f¨ur die Heranbildung unseres wissenschaftlichen Nachwuchses, ihm Gelegenheit zu geben an ausl¨andischen Sternwarten zu ar- beiten.“ Nach einer ausf¨uhrlichen Darstellung der Notwendigkeit einer Außen- station in Osterreich¨ (die ja schließlich unter seinem Nachfolger J. Meurers zur Errichtung des Leopold-Figl-Observatoriums f¨uhrte), kommt Hopmann zum Schluss: ,,Das Bundesministerium f¨ur Unterricht m¨usste den drei ¨osterr. Stern- warten eine Art wandernde Assistentenstelle in dem Sinne erm¨oglichen, dass geeignete junge Kr¨afte jeweils f¨ur etwa ein halbes Jahr oder mehr an einer der Sternwarten in S¨udfrankreich oder Italien arbeiten k¨onnen und vor allem an solchen auf der S¨udhalbkugel der Erde“. Obwohl Hopmann hier im Prinzip schon die aufkeimende Forschungsm¨og- lichkeit im Sinne der ESO anspricht, ist eine Verbindung zu den damals sicher schon gegebenen europ¨aischen Kooperationsbem¨uhungen aus seinen Worten nicht erkennbar, er legt gr¨oßeres Gewicht zun¨achst auf die nationale Beobach- tungsstation. Diese Phasenverschiebung (=Nachhinken) zur europ¨aischen Ent- wicklung ist ¨uberzeugend an der Tatsache abzulesen, dass das (nationale) Leopold-Figl-Observatorium im Wiener Wald im selben Jahr (1969) eingeweiht wurde wie das internationale ESO-Observatorium La Silla in Chile. Die erste No- tiz in einem ¨osterreichischen Organ (IBF)uber ¨ die Entstehung von ESO stammt aus der Feder von K. Rakosch aus dem Jahre 1967. Dass einosterreichischer ¨ Astronom (H. M. Maitzen) wenige Wochen nach der Er¨offnung von La Silla von Mai bis Juli 1969 dort beobachten konnte, ist seiner T¨atigkeit als Mitarbeiter des Astronomischen Institutes der Ruhr-Universit¨at Bochum zu verdanken. Uber¨ die Bochumer Verbindung kamen Beobachter aus ganz Osterreich¨ zu ESO, prim¨ar zum 61-cm Bochum-Teleskop auf La Silla (R. Albrecht, W. W. Weiss von der Univ.Sternwarte Wien, H.J. Schober aus Graz, St. Kimeswenger aus Innsbruck). Was Kontakte aus Wien zu ESO betrifft, so ist zun¨achst die Bem¨uhung anzusprechen (Anfang 1973), das 1,06 m Teleskop (mit Spiegel vom US Naval Observatorium) bei ESO auf La Silla aufzustellen (das gleichzeitig vergeblich f¨ur das Mauna Kea-Observatorium auf Hawaii intendiert war). Obwohl der damalige ESO-General-Direktor A. Blaauw diesem Plan positiv gegen¨uberstand, wurdeervonder¨osterr. Regierung verworfen wegen zu hoher Kosten. Der politische Umsturz in Chile im selben Jahr trug verst¨andlicherweise dazu bei.

Das ESO Very Large Telescope - ohne Osterreich¨

Da sich ESO noch in der ersten Phase ihrer Entwicklung befand und sich noch nicht mit dem US-Observatorium Cerro Tololo (in 100 km-Sichtweite) messen konnte, war die Haltung der haupts¨achlich am US-Standard orientierten Wiener H. M. Maitzen und J. Hron 173

Astronomen zu diesem Projekt ebenfalls negativ. Als 1979, nach der Emeri- tierung von J. Meurers sich Theodor Schmidt-Kaler um seine Nachfolge bewarb, setzte er als Hauptbedingung den Beitritt zu ESO, und dies wurde durch den damaligen Theorie-Ordinarius W. Tscharnuter, der der Wiener Astronomie vor- stand, vollinhaltlichubernommen. ¨ Trotz h¨ochster Unterst¨utzung (durch Wis- senschaftsministerin Hertha Firnberg) wurde das Projekt durch Finanzminister Androsch guillotiniert.

Ein halbes Jahrzehnt sp¨ater, im Herbst 1986 erfolgte der Beginn eines weiteren Anlaufes. K. Hunger, Council-Chef der ESO ermunterte bei seinem Wienbesuch eindringlich dieosterreichischen ¨ Astronomen, die Chance des Very- Large-Telescope der ESO wahrzunehmen. Zu diesem Zweck wurde ein ESO- Sprecher installiert (HMM), der im Namen der drei Institute die Kontakte mit dem Ministerium aufzunehmen hatte. Unter F¨uhrung von Prof. Jackson (Wien) wurde Minister Tuppy am 6. 7. 1987 ein Memorandum zur Notwendigkeit des Beitritts zu ESO ¨uberreicht, begr¨undet mit dem vollzogenen ESA-Beitritt und der VLT-Ara.¨ Im Dezember 1987 wurde von ESO-Generaldirektor van der Laan unter tatkr¨aftiger Unterst¨utzung von Prof. Mucke im Planetarium Wien die ESO-Ausstellung er¨offnet, Ausstellungen in Innsbruck und Klagenfurt folgten. Im Oktober 1988 wurde ein ¨osterreichische Industriedelegation bei ESO emp- fangen um Kooperationsm¨oglichkeiten zu ermitteln. In der Zeitschrift ,,Nature“ vom 27. 4. 1989 steht: ,,Austria is now making a strong bid for membership in ESO. Die Wiener Kollegen A. Schnell, J. Hron und F. Kerschbaum sorgten zusammen mit dem ESO-Sprecher f¨ur die Information von Entscheidungstr¨agern durch die Herausgabe von ,,Osterreich-ESO-Nachrichten“.¨

Mit dem neuen Minister E. Busek und seinem Sektionsleiter R. Kneucker wurde auch das Problem des undefinierten und seit vielen Jahren mit dem ESO-Projekt interferierenden 1m-Teleskops gel¨ost, das f¨ur die Aufstellung am Observatorium Hvar (Kroatien) bestimmt wurde. Am 28. 2. 1990 beschloss Busek Verhandlungen mit ESO aufzunehmen, diese fanden am 25. 6. und 9. 11. statt. Im September 1991 entschied Finanzminister F. Lacina dennoch auf Sistierung des Beitrittsprozesses. Busek startete dann eine Kampagne zur Reduktion von Instituten bzw. Studienrichtungen als Kondition f¨ur ESO. Da- raus resultierte, dass in Wien die Studienrichtung Astronomie weiter besteht, in Graz und Innsbruck aber das Studium als Schwerpunkt Astrophysik im Rahmen des Diplomstudiums Physik absolviert wird. 1993 wurde eine Evaluation der ¨osterreichischen Astronomie durch die European Astronomical Society (EAS) durchgef¨uhrt, die aber im Wesentlichen den Bestand best¨atigte und die Mit- gliedschaft bei ESO bef¨urwortete. Die Maastrichtkriterien brachten einen Still- stand des ESO-Projektes, erst im Jahr 2000 konnte ein neuer Anlauf gestartet werden. 174 Der Osterreichische¨ ESO-Beitritt

Ein neues Jahrtausend - ein letzter(?) Versuch

Dieser Anlauf m¨undete schließlich in der Aufnahme offizieller Beitrittsverhand- lungen am 28. Juni 2006 und befand sich zum Zeitpunkt des Sternwarte Jubil¨ums in der Phase der Verhandlungen zur Konkretisierung von in-kind Beitr¨agen, d.h. von Sach- oder Personalleistungen Osterreichs¨ als teilweiser Ersatz f¨ur die zu leistende Eintrittszahlung in der H¨ohe von etwa 24 Millionen Euro. Anstatt einer chronologischen Schilderung der Geschehnisse seien hier die wichtigsten Aspekte thematisch zusammengefasst. StrategischwarendieGr¨undung der Osterreichischen¨ Gesellschaft f¨ur As- tronomie und Astrophysik (OGA¨ 2, 2002), des Rates f¨ur Forschung und Tech- nologieentwicklung (RFT, 2000) und des Osterreichischen¨ Wissenschaftsrates (OWR,¨ 2003) ganz wesentlich. Erstere als eine verbindende und sichtbare Vertretung der Astronomie f¨ur Politik, Medien und Wirtschaft und die beiden R¨ate als die einflussreichsten Beratungsgremien der Regierung in Sachen Wis- senschaft und Forschung. Ohne die Empfehlungen zur Aufnahme von Verhand- lungen von RFT und OWR¨ (2003, 2005) und die dazu n¨otige Unterst¨utzung durch die Ratsmitglieder w¨are dieser entscheidende Schritt wohl nicht reali- sierbar gewesen. Hervorzuheben ist auch eine gemeinsame Initiative der Rek- toren der Universit¨aten Graz, Innsbruck und Wien zur Bef¨urwortung des ESO- Beitritts. Personell wurden die Aktivit¨aten der Astronomie ab dem Beginn des dritten Anlaufs, der mit dem Treffen im Juli 2000 in Alpbach (ASA-Sommerschule) von ESO-Generaldirektorin C. Cesarsky mit H. M. Maitzen und W. Zeilinger datiert werden sollte, zun¨achst von einer interuniversit¨aren ESO-Arbeitsgruppe real- isiert, die dann 2002 in die OGA¨ 2 inkorporiert wurde. Bis 2004 (April) leitete H. M. Maitzen diese Gruppe in Zusammenarbeit mit dem schon beim zweiten ESO-Anlauf mitwirkenden und sich immer mehr zum ,,heart of the commu- nity“ entwickelnden J. Hron sowie mit H. Hartl (Innsbruck) und W. Zeilinger (Wien). Das starke Engagement der 2002 neu berufenen Ordinaria von Inns- bruck, S. Schindler, die seither auch Pr¨asidentin der OGA¨ 2 ist, brachte eine signifikante Erh¨ohung der Dynamik im ESO-Prozess. Auch der Grazer As- tronomiechef A. Hanslmeier bewies immer wieder Kooperationsbereitschaft. 2004 engagierte sich der neuberufene Wiener Ordinarius G. Hensler eben- falls f¨ur die ESO- Angelegenheit undubernahm ¨ auch die Leitung der ESO- Arbeitsgruppe. Auf ministerieller Seite gab es mit dem Ausscheiden von Sek- tionschef R. Kneucker und seinem Sachbearbeiter MR W. Reiter mit Ende 2002 eine bedeutende Z¨asur, die durchaus als ESO-f¨orderlich angesehen werden kann, vor allem da der neue f¨ur ESO zust¨andige Ministerialbeamte Dr. Weselka sich der Causa ESO engagiert und positiv widmete. Leider bewirkte das Kurzzeit- engagement der auf Kneucker folgenden Sektionschefin B. Weitgruber und die H. M. Maitzen und J. Hron 175 acht(!) Monate andauernde Vakanz der Sektionsleitung zun¨achst nicht den er- warteten raschen ESO-Fortschritt. 2005 wurde mit P. Kowalski ein Leiter der Sektion eingesetzt, der den ESO-Beitritt mit Nachdruck unterst¨utzte. Allerdings ist auch festzustellen, dass der mit der Abwicklung der ESO- Agenden betraute Abteilungsleiter Dr. Weselka mit anderen Agenden souber- ¨ lastet war, dass sich trotz dessen Engagements im ESO - Beitrittsprozess nennenswerte Verz¨ogerungen ergaben, die zu einer deutlichen Mehrbelas- tung der ESO-Arbeitsgruppe f¨uhrten. Die Liste der von der ESO-Arbeits- gruppe in Gespr¨achen und per Mail kontaktierten und informierten Personen w¨urde wohl eine Seite leicht f¨ullen und reicht von Parteienvertreternuber ¨ Beamte verschiedener (auch ausl¨andischer) Ministerien und Mitgliedern der Forschungsf¨orderungsorganisationen bis zu Vertretern der Wirtschaft und der Medien. Dass bei diesen Kontakten immer wieder die selben Fragen beant- wortet und Argumente widerlegt werden mussten, wirft ein vielschichtiges Licht auf die Stellung der Forschung in Osterreich¨ im Allgemeinen und auf jene der Astronomie im Besonderen. Nat¨urlich w¨are die Aufnahme von Verhandlungen ohne die Abfassung einer Vielzahl von Dokumenten und Studien nicht zustande gekommen. Hervorzuhe- ben sind hier die von der ESO-Arbeitsgruppe gemeinsam mit Technopolis 2003 erstellte Studie ,,Vorbereitung des Beitritts zum European Southern Observa- tory“, die u.a. eine Bewertung derosterreichischen ¨ Astronomie durch renom- mierte ausl¨andische Astronomen (R. Bender, J. Christensen-Dalsgaard, B. Gus- tafsson) und der M¨oglichkeiten f¨urosterreichische ¨ Unternehmen enth¨alt. Inter- essante Erkenntnisse (¨uber deren Umsetzung nichts bekannt ist) brachte 2004 eine Untersuchung des Instituts f¨ur h¨ohere Studien ¨uberosterreichische ¨ Mit- gliedschaften in internationalen forschungsrelevanten Einrichtungen und schließ- lich wurden f¨ur den OWR¨ 2005 umfangreiche Unterlagen zur Astronomie/Astro- physik in Osterreich¨ zusammengestellt. Die daraus folgende Verhandlungsem- pfehlung des OWR¨ erteilte auch der von Seiten der Politik immer wieder vorge- brachten Idee, dass drei Astronomiestandorte in Osterreich¨ zu viel seien, eine deutliche Absage. DiedirektenKontaktezwischender¨osterreichischen Astronomie bzw. dem zust¨andigen Ministerium und ESO wurden im Rahmen von ungez¨ahlten in- formellen Gespr¨achen und einigen halboffiziellen und offiziellen Treffen (ein wichtiger Unterschied!) gepflegt. Dabei stellte sicher die erste Sitzung der Ver- handlungsteams im Juni 2006 in Wien den bisherigen (nicht in allen Facetten positiven) H¨ohepunkt dar. Dass der Informationsfluss von Ministerium zu As- tronomie durchaus verbesserungsw¨urdig war (und manchmal noch ist), ist eine Tatsache, die jedoch viele Gr¨unde haben mag. Neben dem Sammeln von Daten und Fakten, dem ,,Lobbying“ und dem Er- stellen von diversen Papieren gab es auch eine Reihe ,,begleitender Aktivit¨aten“. 176 Der Osterreichische¨ ESO-Beitritt

Die sichtbarste war vermutlich eine Diskussionsveranstaltung anl¨asslich der Wien-Premiere der ESO-Planetariumsshow ,,Geheimnisse des S¨udhimmels“ im November 2004, die kontinuierlichste wohl die Gestaltung und Betreuung einer ESO-Website (www.oegaa.at/∼eso; ein Danke an M. Netopil f¨ur die ,,Geburts- hilfe“). Durch ESO mitmotiviert war auch die Auflage eines (farben)pr¨achtigen Folders ¨uber die astronomische Forschung in Osterreich.¨ Und schließlich wur- den auch bei entsprechendem Anlass Presseaussendungen verfasst bzw. Me- dienvertreter mit aktuellen Informationen versorgt, wobei hier besonders das Interesse und die Kooperationbereitschaft von APA (Ch. M¨uller) und ORF- Science (M. Bernhofer) betont werden sollte. Auch wenn die Gesamtbilanz im Herbst 2006 durchaus positiv war, kann zum Schluss aber nicht verschwiegen werden, dass w¨ahrend Osterreich¨ noch (immer) angelaufen ist, Finnland, Spanien und die Tschechische Republik das (ESO)Ziel bereits erreicht hatten. Der Zeitraum vonuber ¨ sechs Jahren f¨ur den aktuellen Anlauf hat – nicht nur bei ESO – immer wieder Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bem¨uhungen Osterreichs¨ aufkommen lassen. Diese Zweifel schienen durch die Entwicklungen der Jahre 2006 und 2007 entkr¨aftet worden zu sein, denn ein Verhandlungsabschluss (auch ein negativer!) im Jahr 2007 war h¨ochst wahrscheinlich.

Nachwort: Wunder dauern etwas l¨anger!

Das Jahr 2007 brachte mit einem sehr guten Ergebnis der Verhandlungen ¨uber die in-kind Beitr¨age zun¨achst eine positive Entwicklung mit sich, die aber schlagartig unterbrochen wurde: Mitte Juli informierte der neue Wis- senschaftsminister Dr. Johannes Hahn v¨ollig ¨uberraschend die OGA¨ 2 (und die Offentlichkeit),¨ dass ,,unter diesen Bedingungen” ein Beitritt nicht m¨oglich sei. Die Entt¨auschung war sehr groß und wurde dem Bundesminister auch vielf¨altig mitgeteilt. Seinem Bekenntnis zu extensivem Anh¨oren, ge¨außert u.a. beim Osterrei-¨ chischen Wissenschaftstag im Oktober 2007 am Semmering, folgte Dr. Hahn dadurch, dass er den neuen ESO-Generaldirektor, Prof. Tim de Zeeuw im November zum Besuch in Wien empfing, jedoch aus Sicht der Astronomie anscheinend ohne wesentlichen Fortschritt. Anfang Dezember berichtete der ESO-Sachbearbeiter im Ministerium, Dr. Weselka, bei einer Informationsver- anstaltung im vollbesetzten H¨orsaal der Universit¨atssternwarte vom Stand des ESO-Beitrittsprozesses. Dr. Weselka war sehr bem¨uht, weder einen positiven noch einen negativen Ausgang desselben zu vermitteln. Vielleicht waren wir As- tronomen aber noch nicht so gewandt in der Diplomatensprache um zu ersp¨uren, dass die Sache durchaus nicht so schlecht stand, wie man nach dem sommer- lichen K.O. vermuten musste. H. M. Maitzen und J. Hron 177

Bis M¨arz 2008 drangen jedenfalls kaum Nachrichten aus dem Ministerium. Es wurde zwar weiterhin signalisiert, dass man sich um eine L¨osung der Fi- nanzierungsfrage bem¨uhe, ein positives Ende der ESO-Geschichte schien aber nicht in Sicht. Anfang April tauchte dann pl¨otzlich das Ger¨uchtuber ¨ eine Wen- dung zum Guten auf, das sich schließlich auf einer Pressekonferenz des Ministers am 23. 4. 2008 und in einem Festakt an der Universit¨at Wien am 24. 4. 2008 vom Ger¨ucht zur Gewissheit wandelte. Die Gr¨unde f¨ur die so positive Entwick- lung waren sicher vielf¨altig und sind wohl großteils in der Welt der Politik zu suchen. Dem ,,Astronomen von der Straße” werden sie wahrscheinlich immer verborgen bleiben, was aber angesichts des historischen Egebnisses ja auch nicht wirklich wichtig ist. Somit tritt die ¨osterreichische Astronomie in eine neue Ara¨ ein und dem R¨uckblick auf die ersten Jahre dieser Ara¨ anl¨asslich des n¨achsten runden Jubil¨aums der Wiener Universit¨atssternwarte kann mit Spannung ent- gegengeblickt werden!

Ein Bild, das nun endlich der Vergangenheit angeh¨ort! Wir sind keine Trittbrettfahrer mehr! Comm. in Asteroseismology Vol. 149, 2008

Weltraumastronomie an der Wiener Universit¨ats-Sternwarte

Anneliese Schnell und Werner W. Weiss

Institut f¨ur Astronomie, T¨urkenschanzstrasse 17, 1180 Vienna, Austria

Abstract

An overview on various activities in space astronomy carried out at the Institute for Astronomy of the University of Vienna is given.

Die Einstellung gegen¨uber der Weltraumastronomie war an der Wiener Uni- versit¨ats-Sternwarte, wie in vielen anderen klassischen astronomischen Insti- tuten, in der Zeit vor dem Start der Sputniks nicht gerade positiv. Begr¨undet wurde das damit, dass manuber ¨ Planeten alles wisse, dass es keine stabilen Satellitenbahnen g¨abe, dass auf dem Mond zu viel Staub vorhanden w¨are, in dem Astronauten versinken w¨urden, und dass - wie J. Hopmann meinte - die Strahlung die Astronauten ohnehin umbringen w¨urde. Bemerkenswerterweise galt aber eine der Forschungsinteressen Hopmanns dem Mond, w¨ahrend seiner Zeit als Direktor der Wiener Sternwarte (1951 - 1958) besch¨aftigte er sich, zum Teil gemeinsam mit Guntram Schrutka- Rechtenstamm, mit der Figur des Mondes, mit der Bestimmung selenographi- scher Koordinaten und mit Messungen von H¨ohen auf dem Mond (Ferrari d’Occhieppo 1977 mit Schriftenverzeichnis, Haupt 1996). G. Schrutka be- stimmte 1958 Koordinaten von 150 Punkten auf dem Mond durch eine Neure- duktion der Breslauer Messungen von J. Franz unter Verwendung einer neuen Librationstheorie und neuer Librationskonstanten. Diese Koordinaten - die damals genauesten publizierten - wurden bei der Erstellung einer Topographi- schen Mondkarte zur Vorbereitung der ersten amerikanischen Mondmissionen benutzt (DMAAC 1973 = Defense Mapping Agency Aerospace Center Febr. 1973). In dieser Zeit wurden auch Dissertationsthemen aus dem Gebiet der Vermessung des Mondes vergeben; z.B. die Ableitung relativer Mondh¨ohen (Swaton 1965). Hopmann nahm an mehreren Mondkonferenzen teil, wo er ¨uber die Ergebnisse der Wiener Arbeiten berichtete. Ebenso wurde er von der A. Schnell und W. W. Weiss 179

Abb. 1: Begleittext zu DMAAC 1973 sowjetischen Akademie der Wissenschaften zu Vortragsreisen eingeladen. Die nachfolgende Generation Wiener Astronomen war mehr an stellaren Ph¨ano- menen und an Datenverarbeitung interessiert. Magnetische Sterne wurden zu 180 Weltraumastronomie an der Wiener Universit¨ats-Sternwarte einem wichtigen Arbeitsgebiet am Institut. So wurden Ultraviolettbeobachtun- gen von alpha And mit dem Satelliten TD-1 der ESRO (Rakos, Kamperman 1977) durchgef¨uhrt. Spektren von alpha And wurden auch mit dem Copernicus (OAO3) Satelliten erhalten. Und nat¨urlich wurde umfangreiches Beobachtungs- material mit dem International Ultraviolet Explorer IUE gewonnen, wobei die Wiener Astronomen beide Bodenstationen (Villafranca und Goddard) nutzten. Die jungen Kollegen, die in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts studiert hatten, waren auch im Umgang mit Computern geschult, sowie in der Reduk- tion von Daten. So wurde 1980 in Wien gemeinsam mit der Osterreichischen¨ Akademie der Wissenschaften und der Austrian Solar and Space Agency, ASSA, ein ”IUE Data Reduction Workshop” mit 54 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor allem aus den ESA Mitgliedstaaten organisiert (Weiss, Schnell, Albrecht, Jenkner, Maitzen, Rakos, Mondre 1980). Bei einem 1978 abgehaltenen Work- shop ”Ap-Stars in the ” (Weiss, W. W., Kreidl, T. J. 1978) wurde weiters ¨uber die Verwendung von Satellitendaten im Infrarot diskutiert. Sowohl Institutsmitglieder als auch Studierende nahmen regelm¨aßig an den von der ASSA veranstalteten Sommerschulen zu Weltraumthemen in Alpbach teil. Bereits ab 1977 geh¨orte R. Albrecht dem ESA Science Instrument Team f¨ur die Faint Object Camera des Hubble Space Telescope an, dann auch dem Instru- ment Science and Software Team. Er arbeitete schließlich zun¨achst w¨ahrend einiger Forschungsaufenthalte in den USA und ab 1983 endg¨ultig bei der ESO in Garching als Deputy Head der European Coordinating Facility des Hubble Space Telescope. Ein anderer Absolvent, H. Jenkner, verliess das Institut 1984 um am Hubble Space Telescope Science Institute in Baltimore zu arbeiten, wo er jetzt die Abteilung Hubble Legacy leitet. 1978 wurde von K. Rakos ein Area Scanner f¨ur das Spacelab mit dem Ziel der Bestimmung der Wellenl¨angenabh¨angigkeit der Abplattung der Sonne konzipiert. 1980 wurden weiters Uberlegungen¨ angestellt, ob sich die Wiener Sternwarte als ”Host Institute” f¨ur die European Coordinating Facility f¨ur das Hubble Space Telescope bewerben solle. Allerdings wurden beide Projekte nicht realisiert. Bei dem 1978 in Wien veranstalteten IAU Colloquium No. 48 ¨uber ”Modern ” wurde die Bedeutung von Satellitendaten in der Astrometrie vor allem in Bezug auf Messgenauigkeit und auf Vergr¨oßerung des vorhandenen Datenmaterials diskutiert (Prochazka F. V., Tucker, R. H., 1978). Ein von ESA, ESO und ASSA 1986 veranstalteter Workshop ”Interrelation of Ground Based and Space Astronomy” bedeutete den Beginn der Weltraumak- tivit¨aten f¨ur eine weitere Arbeitsgruppe der Sternwarte, die sich mit Sp¨atstadien der Sternentwicklung besch¨aftigte. Vor allem J. Hron und F. Kerschbaum be- gannen sich daraufhin f¨ur das Infrared Space Observatory, ISO, zu interessieren. A. Schnell und W. W. Weiss 181

ISO wurde schließlich von der ESA bei einer internationalen Pressekonferenz 1996 auch in Wien vorgestellt. R. Albrecht unterst¨utzte Mitarbeiter des Instituts f¨ur Sportwissenschaften bei der Datenauswertung des Experiments MOTOMIR, das vom ¨osterreich- ischen Kosmonauten F. Vieb¨ock ausgef¨uhrt wurde. Dieses Experiment war Teil des ersten (und letzten)osterreichischen ¨ bemannten Weltraumprojektes, AUSTROMIR, das in Kooperation mit der damaligen Sowjetunion auf der MIR- Station stattfand. Den Mitgliedern der Arbeitsgruppe ”Sternatmosph¨aren und pulsierende Sterne” erschien eine Teilnahme am Projekt EVRIS (Etude´ de la Variabilit´e, de la Rotation et des Interieurs Stellaires) von besonderer Bedeutung. Dieser Satel- lit sollte in einer Zusammenarbeit zwischen Frankreich, Osterreich¨ und Russland sonnen¨ahnliche Pulsationen in Sternen nachweisen. Erstmals diskutiert wurde das Projekt w¨ahrend des IAU Kolloquiums Nr. 137 ”Inside the Stars” Septem- ber 1992 in Wien (Baglin, A., Weiss, W. W., Bisnovatyi-Kogan, G. 1993). Die intensiven Vorbereitungsarbeiten werden auch durch die Vergabe von The- men z. B. f¨ur Diplomarbeiten demonstriert (Gelbmann 1993, Paunzen 1994). Allerdings erlitt das Experiment durch den Verlust der Sonde MARS96 einen Fehlschlag. Nicht nur IUE-Daten wurden von Institutsmitgliedern f¨ur ihre Forschungsar- beiten benutzt sondern auch solche von ROSAT (z.B.: K. G. Strassmeier ge- meinsam mit F. Kuerster f¨ur Aktive Sterne) und HIPPARCOS (Paunzen, E., Weiss, W. W. Kuschnig, R., Handler, G. Strassmeier, K. G., North, P., Solano, E., Gelbmann, M., Kuenzli, M., Garrido, R. 1998). Auch die Raumfahrt un- terst¨utzende Arbeiten wurden am Institut geleistet. Beispielsweise bestimmte A. Schnell 1986 mit dem 60” Telskop des L. Figl-Observatoriums im Rahmen der International Halley Watch Positionen des Kometen f¨ur eine genaue Bahnbe- stimmung vor der Landung der Raumsonden von ESA, Japan und der Sowjet- union auf diesem Himmelsk¨orper. M. Ploner beobachtete im Rahmen seiner Dissertation 1993 geostation¨are Satelliten zur Herleitung von Bahnkorrekturen. Bis in die Gegenwart reichende Arbeiten betreffen COROT, MOST, HER- SCHEL, ASTROVIRTEL und BRITE. COROT (COnvection, Rotation and plan- etary Transits) dient haupts¨achlich der Untersuchung von Sternoszillationen und der Suche nach extrasolaren Planeten, MOST (Microvariability and Os- cillations of Stars) zur Messung geringf¨ugiger Helligkeitsschwankungen von Sternen, die von der Erde aus nicht messbar sind. Zur Unterst¨utzung dieser photometrischen Satellitenexperimente wurde die Datenbank VISAT entwick- elt. F¨ur MOST (Start 2003) wurde am Institut in Wien eine Bodenstation errichtet. HERSCHEL wird mit einem 3,5-m-Spiegelteleskop ausgestattet im infraroten Spektralbereich beobachten. Der Wiener Beitrag wird im Rahmen eines europ¨aischen Konsortiums f¨ur das Instrument PACS (Photodetector Array 182 Weltraumastronomie an der Wiener Universit¨ats-Sternwarte

Abb. 2: Satelliten-Bodenstation Wien

Camera and Spectrograph) geleistet und von F. Kerschbaum betreut. Auf dem anderen Ende der Gr¨oßenskala f¨ur Satellitenprojekte ist BRITE zu finden, ein im Weltraum stabilisierter Nanosatellit zur Messung von Sternoszillationen. ASTROVIRTEL (Accessing Astronomical Archives as Virtual Telescopes) ben¨utzte als Vorl¨aufer des ”Virtual Observatory” Datenarchive als virtuelle Teleskope. Trotz der vielf¨altigen Aktivit¨aten von Wiener Institutsmitgliedern wurde erst 1995 jemand aus Osterreich¨ in die Astronomy Working der ESA aufgenommen. Es war W. W. Weiss; ihm folgten F. Kerschbaum und W. Zeilinger. Neben R. Albrecht und H. Jenkner arbeiten 6 weitere Absolventinnen und Absolventen des Wiener Instituts im Ausland auf dem Gebiet der Weltraumastronomie. Finanzielle Unterst¨utzung wurde durch das Bundesministerium f¨ur Wissen- schaft und Forschung, das Bundesministerium f¨ur Verkehr, Innovation und Technologie, das Bundesministerium f¨ur Wirtschaft und Arbeit, die Oster-¨ reichische Akademie der Wissenschaften, die Austrian Solar and Space Agency bzw. die Austrian Space Agency und den Fonds zur F¨orderung der wissen- schaftlichen Forschung gew¨ahrt. A. Schnell und W. W. Weiss 183

Literatur

Allgemein: Jahresberichte der Universit¨ats-Sternwarte Wien in den Mitteilungen der Astronomischen Gesellschaft sowie die Seiten einzelner Projekte auf der Instituts-Homepage (http://www.univie.ac.at/astro/ - Stand M¨arz 2008) Baglin, A., Weiss, W. W., Bisnovatyi-Kogan, G. 1993: E.V.R.I.S on board MARS 94: the first space experiment devoted to stellar seismology in: Weiss, W. W., Baglin, A. (eds), Proc. IAU C oll. 137 ”Inside the Stars”, Astr. Soc. Pac. Conf. Ser. 40, 758 Ferrari d’Occhieppo, K. 1977: Josef Hopmann (mit Schriftenverzeichnis), Almanach OAW¨ 126, 518 Gelbmann M.J. 1993: Simulation von photometrischen Effekten durch Satellitendrift, Diplomarbeit Univ. Wien Haupt, H. 1996: Guntram Schutka, Mitt. Astron. Ges. 79, 9 Paunzen, E 1994: Die Simulation der Driftefekte beim Projekt EVRIS, Diplomarbeit Univ. Wien Paunzen, E., Weiss, W. W., Kuschnig, R., Handler, G., Strassmeier, K. G., North, P., Solano, E., Gelbmann, M., Kuenzli, M., Garrido, R.: Pulsation in lambda Bootis stars, Astron. Astrophys. 335, 533, 1998 Prochazka, F.V., Tucker, R.H. (eds.):Modern Astrometry, Proc. IAU Coll. No.48, Wien 1978 Rakos, K.D. 1975, Rakos, K.D., Kamperman, T.M. 1977, Astron.Astrophys. 55, 53 Schrutka, G. 1958: Mitt. Univ. Stwte. Wien 9, 251 Swaton G. 1965: Ableitung relativer Mondh¨ohen aus dem ”PhotographicLunar Atlas” von Kuiper, Diss. Univ. Wien Weiss, W.W., Kreidl, T.J. 1978: Ap-Stars in the Infrared, Wien 1978 Weiss, W.W., Schnell, A., Albrecht, R., Jenkner, H., Maitzen, H.M., Rakos, K., Mondre, E. (eds.): IUE Data Reduction, Wien, 1980