mitteilungen 1 2018 PTB-Mitteilungen Heft 1/ 2018 1/ Heft PTB-Mitteilungen Die Stiftung Werner-von-Siemens-Ring Braunschweig und Berlin Braunschweig

 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Bundesanstalt Physikalisch-Technische

Physikalisch-Technische Bundesanstalt  Braunschweig und Berlin Nationales Metrologieinstitut Titelbild: Der mit grünen Blättern (Smaragde) und roten Beeren (Rubine) versehene Ring für Hermann Röchling (1952) ist typisch für die Ikonografie aller Siemens-Ringe, Quelle: PTB. Fachorgan für Wirtschaft und Wissenschaft, Amts- und Mitteilungsblatt der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin

100 JAHRE STIFTUNG WERNER-VON-SIEMENS-RING

128. Jahrgang, Heft 1, März 2018 INHALT

Dieter Ho mann EIN NOBELPREIS FÜR DIE TECHNIK Zur Geschichte der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring

■ Einleitung ...... 04 ■ Werner Siemens ...... 08 ■ Die Hundertjahrfeier ...... 16 ■ Oskar von Miller – Protagonist der Ring-Idee ...... 20 ■ Die Stift er des Rings ...... 25 ■ Der Stift ungsrat ...... 28 ■ Die Träger des Rings ...... 32 ■ Die Stift ung im Dritten Reich ...... 35 ■ Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg ...... 43 ■ Die Finanzen der Stift ung ...... 46 ■ Die Stift ung und die DDR ...... 47 ■ Die Modernisierung und Aufwertung der Stift ung ...... 48 ■ Die Aff äre Küpfmüller ...... 50 ■ Der Bundespräsident wird Schirmherr der Stift ung ...... 54 ■ Fazit ...... 56

100-JAHR-FEIER – IMPRESSIONEN ...... 60 KURZPORTRÄTS DER RINGTRÄGER ...... 63 Rainer Scharf

DER RING – IMPRESSIONEN ...... 100

Abbildungsnachweis ...... 103 Personenregister ...... 104 Vitae der Autoren Dieter Hoff mann und Rainer Scharf ...... 107

2 INHALT

Dieter Hoffmann EIN NOBELPREIS FÜR DIE TECHNIK Zur Geschichte der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 3 EINLEITUNG

4 EINLEITUNG

Der Werner-von-Siemens-Ring nimmt unter der Vielzahl von Auszeichnungen und Preisen für Leistungen in Natur- wissenschaft und Technik eine herausragende Stellung ein. Der Werner-von-Siemens-Ring gilt als die höchste deutsche Auszeichnung für Per- sonen, die durch ihre Leistung die technischen Wissenschaften gefördert oder als Vertreter der Wissenschaft durch ihre Forschung der Technik neue Wege erschlossen haben.

ies stellt Joachim Ullrich, Vorsitzender des Stiftung. Selbst dies war keine leichte Aufgabe, denn Stiftungsrats, auf der Website der Stiftung fest. die Quellenlage zum Thema ist höchst dürftig – die DDer Siemens-Ring zählt aber nicht nur zu den renom- archivalischen Bestände der Stiftung selbst weisen miertesten deutschen Wissenschaftsauszeichnungen, große Lücken auf, namentlich für das erste Halb- sondern ist auch eine der ältesten. Er wurde vor jahrhundert ihrer Existenz; Gleiches trifft für den hundert Jahren, im Zusammenhang mit den Feiern institutionellen Träger der Stiftung, die Physikalisch- zum hundertsten Geburtstag von Werner von Siemens Technische Reichsanstalt bzw. Bundesanstalt, zu, im Dezember 1916, gestiftet und im Jubiläumsjahr deren Überlieferung in Sachen Siemens-Ring-Stiftung auch erstmals verliehen. insbesondere für die Zeit vor 1945, aber auch für das erste Jahrzehnt nach der Neugründung lückenhaft ist. Das Centenarium des Siemens-Rings ist ein beson- Der vorliegende Abriss der Geschichte der Siemens- derer Anlass für einen Rückblick auf die Geschichte Ring-Stiftung stützt sich so vor allem auf die Akten dieser Auszeichnung und der sie tragenden Stiftung. des Verwaltungsarchivs des Deutschen Museums Diese angemessen zu beschreiben, ist eigentlich München, dessen erster Direktor Oskar von Miller zu nur im Rahmen einer allgemeinen Geschichte des den maßgeblichsten Initiatoren und Aktivisten der Stiftens und speziell der Stiftungen im Bereich von Stiftung zählte, sowie auf Splitterbestände in einschlä- Wissenschaft, Technik und Kunst möglich. Allerdings gigen Archiven – vom Bundesarchiv in Berlin und gehören entsprechende Publikationen oder gar eine Koblenz über das Archiv des VDI bis zum Siemens- systematische Gesamtdarstellung des Themas zu den Archiv – und natürlich auf die Publikationen und Desiderata von allgemeiner Geschichte und Wissen- publizierten Berichte der Stiftung selbst. schaftsgeschichte und das Thema wurde bisher nur in einzelnen Ansätzen und Aufsätzen angerissen. Abschließend sei all jenen gedankt, die zum Ent- Auch die vorliegende Jubiläumsschrift kann ihrem stehen der vorliegenden Publikation maßgeblich Charakter entsprechend diese Lücke nicht füllen und beigetragen haben. Erste Anregungen gehen auf ein beschränkt sich auf einen weitgehend narrativen Gespräch mit Ernst Otto Göbel im Frühjahr 2008 Abriss der engeren Geschichte der Siemens-Ring- zurück, der als damaliger Vorsitzender des Stiftungs-

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 5 rats den Autor für die Geschichte der Stiftung im Dritten Reich interessierte und ihn schließlich auch überzeugte, zum hundertsten Gründungsjubiläum die Geschichte der Stiftung zu schreiben. Trotz der komplizierten Quellenlage ist auch die vorliegende Studie aus den Quellen heraus geschrieben worden und so sei an erster Stelle allen im Anhang genann- ten Archiven und ihren hilfreichen Mitarbeitern gedankt, die mich bei meinen Recherchen engagiert und qualifiziert unterstützt haben. Ein ganz beson- derer Dank gilt meinen Kollegen Thomas Adam (Arlington, Texas), Wolfgang König (Berlin) und Manfred Rasch (Duisburg), die manche technik- und stiftungshistorische Wissenslücken schließen halfen. Als Zeitzeugen haben insbesondere Jörg Debelius (Meerbusch), Ernst Otto Göbel (Braunschweig), Dieter Kind (Braunschweig) und Knut Urban (Jülich) dem Autor bereitwillig Rede und Antwort gestanden und so wichtige Hinweise und Informationen gelie- fert. Dem derzeitigen Vorsitzenden des Stiftungs- rats und Präsidenten der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Joachim Ullrich sowie dem Geschäfts- führer der Stiftung Jan-Henrik Fischer-Wolfarth sei für das fördernde Interesse und die organisatorische Unterstützung des Forschungsprojektes gedankt. Bei diesem waren mir als studentische Hilfskräfte Marcel Bürger, Felix Czmok und Gloria Manna eine wert- volle Hilfe. Last but not least habe ich Jens Simon und dem Editorial-Team der PTB-Mitteilungen, namentlich Sabine Siems, für die engagierte Zusam- menarbeit bei der Drucklegung des Manuskripts zu danken.

Berlin, im September 2017 Dieter Hoffmann

6 Entwurfsskizzen von Michael Berger für den Siemens-Ring für Martin Herrenknecht (2016)

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 7 WERNER SIEMENS

Werner von Siemens (13. Dezember 1816 Lenthe – 6. Dezember 1892 in Berlin-Charlottenburg)

Einen Abzug dieses Bildes erhielten bis 1976 über 500 Absolventen mit Prädikat der Fachrichtung Elektrotechnik.

8 erner Siemens zählt zu Ein Studium an einer Universität bei der Festungsbaukompanie in den Mitbegründern der oder Technischen Hochschule Wittenberg sah. Auch wenn sich WERNER SIEMENS Elektrotechnik, deren kam aus finanziellen Gründen Siemens später gern als alter Soldat WEntwicklung er als Unternehmer, nicht in Frage, doch eröffnete der darstellte, hat er wohl dem eigent- aber auch als Wissenschaftler und preußische Staat wenig Begüterten lichen Truppendienst nur wenig Ingenieur in der zweiten Hälfte die Möglichkeit, über den Mili- abgewinnen können. Vielmehr des 19. Jahrhunderts maßgeblich tärdienst eine medizinische oder führte er nebenher seine wissen- geprägt hat. Dabei hat er nicht technische Ausbildung zu erhal- schaftlich-technischen Studien nur in allen drei Bereichen her- ten – allerdings um den Preis einer weiter und ließ sich auch des ausragende Leistungen vollbracht, langjährigen Dienstverpflichtung Öfteren an die Artilleriewerkstatt sondern diese zudem in nahezu in der preußischen Armee. Nach in Berlin oder zur Pulverfabrik in idealer Weise in seinem Lebens- bestandener Aufnahmeprüfung Spandau bei Berlin abkommandie- werk miteinander verknüpft. Mit und mit königlicher Erlaubnis ren. In Berlin fand er Anschluss seinen bahnbrechenden Entde- trat Siemens als „Ausländer“ – das an das wissenschaftliche Leben ckungen, Erfindungen und Inno- Königreich Hannover und auch der Stadt und schloss lebenslange vationen wurde Siemens zum Mecklenburg, wo die Familie Freundschaften und Kooperatio- Wegbereiter der Moderne und trug inzwischen die Domäne Menzen- nen – so mit dem „mächtig anregen- in entscheidender Weise dazu bei, dorf bei Lübeck bewirtschafte, den Kreis von talentvollen Natur- dass Deutschland im ausgehenden gehörten ja damals nicht zum forschern, die später hochberühmt 19. Jahrhundert neben den Verei- preußischen Staatsgebiet – im geworden sind ... du Bois-Reymond, nigten Staaten eine führende Rolle Jahre 1834 in die preußische Brücke, Helmholtz, Clausius, Wiede- in der elektrotechnischen Industrie Armee ein. Nach der obligaten mann, Ludwig, Beetz und Knobloch. einnahm und sich als moderne einjährigen militärischen Grund- Der Umgang und die gemeinschaft- Industrienation etablieren konnte. ausbildung, die er in Magdeburg liche Arbeit mit diesen durch Talent absolvierte, wurde er für drei Jahre und ernstes Streben ausgezeichneten Zu einem bedeutenden Wis- an die Artillerie- und Ingenieur- jungen Leuten verstärkten meine senschaftler und Techniker schule nach Berlin kommandiert. Vor­liebe für wissenschaftliche sowie einer der herausragenden Dort erhielt er eine fundierte tech- Studien und Arbeiten und erweck- deutschen Unternehmerper- nische, aber auch wissenschaftli- ten in mir den Entschluß, künftig sönlichkeiten aufzusteigen, war che Ausbildung, denn neben den nur ernster Wissenschaft zu dienen. Werner Siemens keineswegs an für den Militärdienst wichtigen Doch die Verhältnisse waren stärker der Wiege gesungen worden. Als Fächern wie Ballistik oder Geo- als mein Wille, und der mir angebo- Sohn eines Landwirts, der als däsie erfolgte auch eine solide rene Trieb, erworbene wissenschaftli- Domänenpächter im hannover- Ausbildung in den naturwissen- che Kenntnisse nicht schlummern zu schen Lenthe wirkte, wurde Ernst schaftlichen Grundlagenfächern lassen, sondern auch nützlich anzu- Werner Siemens am 13. Dezember Mathematik, Physik und Chemie, wenden, führten mich doch immer 1816 dort geboren.1 Werner war die zudem durch Studien in der wieder zur Technik zurück.“2 das vierte von insgesamt vierzehn Freizeit ergänzt wurden. Zu seinen Kindern, und für den mit mate- Lehrern gehörten beispielsweise Als junger Leutnant suchte er riellen Schwierigkeiten kämp- der Mathematiker Martin Ohm, nicht zuletzt mit erfinderischer fenden Vater, war es schwierig, Bruder des Entdeckers des Ohm- Tätigkeit sein Einkommen aufzu- die Großfamilie durchzubringen schen Gesetzes Georg Simon Ohm, bessern, denn kurz hintereinander und insbesondere den Kindern oder der Physiker Gustav Magnus, waren Siemens’ Eltern verstorben, eine angemessene Ausbildung zu die beide auch an der Berliner und als ältester Sohn fühlte er sich gewährleisten. Nachdem Werner Universität lehrten und anerkannte für seine jüngeren Geschwister 1834 das Lübecker Gymnasium Wissenschaftler waren. Mit dem sowohl moralisch als auch mate- mit der Primar-Reife abgeschlos- Offizierspatent als „Seconde-Lieut- riell verantwortlich. So wohnten sen hatte, ar es fraglich, wie der nant“ verließ Siemens im Jahre in den 1840er-Jahren drei seiner Berufswunsch des Heranwachsen- 1838 die Schule und kehrte in den Brüder zeitweilig in seinem Haus- den, Ingenieur oder Wissenschaft- Truppendienst zurück, der ihn halt und erhielten jeden Morgen, ler zu werden, sich erfüllen ließ. zunächst in Magdeburg und später vor Dienstantritt, von ihm Privat-

1 Zur Biografie siehe: Bähr (2016). 2 Siemens (1908), S. 34.

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Werner Siemens mit seinen Geschwistern Wilhelm (stehend), Hans, Walter, Sophie, Friedrich und Otto (sitzend), 1851

unterricht; auch sonst wurde alles tert, sondern es konnte zugleich Die am 1. Oktober 1847 zusam- getan, um den Bildungsstand und auch erstmals ein größerer finan- men mit dem Berliner Univer- damit das berufliche Fortkommen zieller Gewinn realisiert werden, sitätsmechaniker Georg Halske der Geschwister zu fördern. Dass denn seinem Bruder Wilhelm gegründete Telegraphenbauanstalt damit erste Grundlagen für das gelang es, das Patent für 1500 Siemens & Halske – die erste künftige Familienunternehmen Pfund nach England zu verkaufen. ihrer Art auf dem europäischen gelegt waren, konnte man damals Vier Jahre später, im Jahre 1846, Kontinent – gab ihm dafür den natürlich noch nicht erahnen. erzielte Siemens einen weiteren entsprechenden Rahmen. Von ent- Neben den intellektuellen Inte- Erfolg als Erfinder. Es gelang ihm, scheidender Bedeutung war dabei ressen waren natürlich auch den Wheatston’schen Zeigerte- die Erkenntnis, dass die weitere die materiellen Bedürfnisse der legrafen zu einem zuverlässigen Verbreitung der elektrischen Geschwister zu befriedigen, was und relativ einfach zu bedienen- Telegrafie als Kommunikations- mit dem schmalen Gehalt eines den Gerät zu vervollkommnen, instrument nicht allein durch die Leutnants nur schwer möglich was die weitere Verbreitung der Entwicklung eines leistungsfähigen war, zumal auf ein nennenswertes Telegrafentechnik förderte. Die und praktikablen Telegrafenap- Familienvermögen nicht zurück- Erfindung und ihre Einführung in parats befördert würde, sondern gegriffen werden konnte. den preußischen Telegrafendienst vor allem die Entwicklung eines eröffnete Siemens zudem die Telegrafensystems nötig machte. Ein erster Erfolg bei Siemens’ Möglichkeit, seinen Abschied aus Zentrales Element desselben war erfinderischen Bemühungen dem Armeedienst zu nehmen und zwar der Telegrafenapparat, doch konnte im Jahre 1842 mit der sich gänzlich der wissenschaftlich- auch die Entwicklung von geeig- Patentierung eines neuen Ver- technischen Vervollkommnung neten Freileitungen und Kabeln, fahrens der galvanischen Versil- der elektrischen Telegrafie und einer leistungsfähigen Isoliertech- berung und Vergoldung erzielt ihrer Entwicklung zu einem tech- nik, Blitzschutzsicherungen und werden. Damit wurde nicht nur nisch einfachen und ökonomisch vieler weiterer technischer Ele- das Gebiet der Galvanoplastik rentablen System der Nachrich- mente gehörten konstitutiv dazu. wesentlich verbessert und erwei- tenübermittlung zu widmen. Der Erfolg der von Siemens im

10 Jahre 1848 installierten Telegrafen- verbindung von Berlin nach Frank- furt, dem Sitz der Nationalver- sammlung, wurde der Grundstock für den Aufbau eines elektrischen Telegrafennetzes für Preußen durch die Firma Siemens & Halske. Noch wichtiger für die Firmenentwick- lung wurde der Auftrag der rus- sischen Telegrafenverwaltung aus dem Jahre 1853, das russische Tele- grafennetz aufzubauen. Der damit verknüpfte, gut dotierte Wartungs- vertrag sicherte Siemens & Halske für viele Jahre eine feste Einnahme- quelle und gestattete den kontinu- ierlichen Ausbau der Firma. Den endgültigen Durchbruch zu einem weltweit agierenden Unternehmen, das über Zweigniederlassungen in Petersburg und London verfügte, die im Übrigen von seinen Brüdern Carl und Wilhelm geleitet wurden, brachten dann die Errichtung der mehr als 11 000 km langen Indo- Europäischen Telegraphenlinie von London nach Kalkutta (1867–1870) und die Verlegung von Transatlan- tikkabeln (das erste 1873). Beides ging mit wichtigen Erfindungen und Innovationen wie dem Brems- Dynamometer zur sicheren Ver- legung der Tiefseekabel oder der Fabrikhof der Firma Siemens & Halske in der Markgrafenstraße 94, ca. 1880 Entwicklung der Siemens’schen Theorie der Kabelverlegung einher, die nicht nur den technischen und ökonomischen Erfolg der Telegra- senschaftler war dabei für ihn nicht und die auf dieselben gründenden fenverbindungen sicherten und nur ideelle Krönung seines Schaf- Industriezweige zuerst ausbildet. den Namen der Firma und ihres fens, sondern auch die Grundlage Fast ohne Ausnahme sind es neue Begründers weltbekannt machten, seines Erfolgs als Techniker und naturwissenschaftliche Entdeckun- sondern auch Siemens’ Ruf als eines Industrieller. Dies prägte auch gen, oft sehr unscheinbarer Art, auf wissenschaftlicher Grundlage seine Überzeugung, dass welche solche neue Bahnen eröffnen agierenden Technikers und Ingeni- „die technische Verwertbarkeit und wichtige Industriezweige neu eurs begründeten. einer neuen naturwissenschaft- erschaffen oder neu beleben.“3 lichen Thatsache ... sich in der Werner Siemens war nicht nur Regel erst nach ihrer vollständi- Technische Fragestellungen ein selbstbewusster Unterneh- gen systematischen Bearbeitung, wurden von Siemens oft auch von mer und innovativer Ingenieur, d. h. oft erst nach längerer Zeit“ ihrer wissenschaftlichen Seite her sondern auch ein bedeutender zeigt und dass nur „das Land ein angegangen, was Siemens zu einer Wissenschaft­ler bzw. technischer entschiedenes Übergewicht (hat), ganzen Reihe wichtiger physikali- Physiker. Die Betätigung als Wis- welches neue Bahnen zuerst betritt scher Entdeckungen und Erkennt-

3 W. v. Siemens: Ueber die Bedeutung und Ziele einer zu begründenden physikalisch-technischen Reichsanstalt. Denkschrift vom 20.3.1884, In: Siemens (1891), Bd. 2, S. 579.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 11 nisse führte – so entwickelte er umgehend in Gestalt des Dynamos an dieser Entwicklung im Übrigen eine Methode zur Bestimmung der zu einem leistungsfähigen Gerät führend beteiligt, was zudem zu Geschwindigkeit von Geschossen der Stromerzeugung ausgestaltete seiner weiteren Expansion führte. mittels elektrischer Funkenstrecken und das zur Grundlage der Stark- Für die Berliner Gewerbeaus- oder betrieb in den 1850er-Jahren stromtechnik wurde. Auch wenn stellung (1879) wurde beispiels- grundlegende Untersuchungen andere Physiker und Techniker – weise die erste Elektro­lokomotive über die Kapazitätserscheinungen z. B. Wheatstone, Varley, Hjorth, gebaut. Und auch andere elekt- an telegrafischen Leitungen und Jedlik – voneinander unabhängig rotechnische Innovationen wie über die Geschwindigkeit, mit dem Prinzip auf die Spur gekom- die elektrische Straßenbahn, der der elektrische Signale in Drähten men waren, kommt Siemens das elektrische Aufzug oder die elek- übertragen werden; auch vertrat Verdienst zu, als erster und am trische Beleuchtung gehen ganz er im Zusammenhang mit seinen umfassendsten die weitreichende wesentlich auf Siemens’ Initiativen Untersuchungen zur elektrostati- Bedeutung dieser Entdeckung und Ideen zurück. Erwähnens- schen Induktion schon sehr früh und ihre technisch-industrielle wert ist in diesem Zusammen- das Faraday’sche Feldkonzept. Nutzung erkannt zu haben. Bereits hang ebenfalls, dass von Siemens Durch die Entwicklung von Mess- im Dezember 1866 hatte er seinem schon sehr früh ein firmeneigenes methoden zur Widerstandsbestim- Bruder Wilhelm in London Konstruktionsbüro eingerichtet mung und die Einführung einer geschrieben, dass „die Sache sehr und dessen Leitung dem renom- physikalisch begründeten Maßein- ausbildungsfähig (ist) und eine neue mierten Maschinenbauingenieur heit für den elektrischen Wider- Ära des Elektromagnetismus anbah- Friedrich von Hefner-Alteneck stand stellte er die Strommessung nen (kann).“4 In seiner Schrift übertragen wurde; ab 1883 wurde auf eine exakte und reproduzier- „Über die Umwandlung von Arbeits- mit Oskar Frölich sogar ein Phy- bare Grundlage. Viele Jahre bevor kraft in elektrischen Strom ohne per- siker für spezielle Forschungsauf- es internationale Vereinbarungen manent Magnete“, die am 17. Januar gaben eingestellt. Damit war der zu den elektrischen Maßeinheiten 1867 durch Gustav Magnus der Grundstein für eine eigenständige gab, galt die von ihm eingeführte Preußischen Akademie der Wis- Industrieforschung bei Siemens „Siemens-Einheit“ als zuverlässige senschaften vorgelegt wurde, stellte gelegt, die für andere Unterneh- Grundlage für praktikable Mes- er zusammenfassend fest, dass men Modellcharakter besaß. Mit sungen des elektrischen Wider- „der Technik gegenwärtig die Mittel dem Namen Siemens ist noch eine stands. Dies macht ihn zu einem gegeben sind, elektrische Ströme von weitere institutionelle Innovation der maßgeblichen Pioniere der unbegrenzter Stärke und auf billige verknüpft – die Gründung einer elektrischen Präzisionsmesstech- und bequeme Weise überall da zu außeruniversitären Forschungsein- nik. Eine weitere wissenschaftliche erzeugen, wo Arbeitskraft disponibel richtung, die zugleich als die erste Pionierleistung waren seine Unter- ist. Diese Tatsache wird auf mehre- Großforschungseinrichtung der suchungen zum Selen, dessen Foto- ren Gebieten derselben von wesentli- Moderne gilt: der im Jahre 1887 leitfähigkeit er nachwies. Letztere cher Bedeutung werden.“5 gegründeten Physikalisch-Techni- führte nicht nur zur Konstruktion schen Reichsanstalt. eines Selenfotometers, sondern Selbst wenn es noch Jahre war zugleich ein wichtiger Mark- aufwendiger Entwicklungsarbei- „Ich bin bestrebt, ein Reichs­institut stein in der Frühgeschichte der ten bedurfte, bis leistungsfähige zustande zu bringen, wo nicht Halbleiterforschung. Dynamomaschinen und Elektro- unterrichtet, sondern ausschließlich Auch seine wohl wichtigste motoren einsatzfähig waren, hat naturwissenschaftlich gearbeitet Entdeckung verdankt er einer Siemens mit der Entdeckung des werden soll. Ich will persönliche wissenschaftlichen Herangehens- Dynamoprinzips die entscheidende ansehnliche Opfer dafür bringen.“6 weise an technische Probleme. Auf Grundlage für die Entwicklung der der Suche nach Möglichkeiten, Starkstromtechnik gelegt und damit Dies hatte im Jahre 1884 Siemens höhere Spannungen für die telegra- der industriellen Revolution im dem Kölner Oberbürgermeister fische Nachrichtenübertragung zu ausgehenden 19. Jahrhundert einen Rosenthal geschrieben und damit erzeugen, fand er im Jahre 1866 das nachhaltigen Impuls gegeben. Das ein weiteres Mal sein entschiedenes dynamoelektrische Prinzip, das er Siemens’sche Unternehmen hat sich Engagement dokumentiert, die

4 Werner an Wilhelm Siemens, Berlin 4.12.1866, In: Siemens (1916) Bd. 1, S. 260. 5 W. Siemens: Über die Umwandlung von Arbeitskraft in elektrischen Strom ohne permanent Magnete, In: Siemens (1889), Bd. 1, S. 210. 6 W. Siemens an Bürgermeister Rosenthal in Cöln, Berlin 17.9.1884, In: Siemens (1916), Bd. 2, S. 821.

12 Gründung eines speziellen staatli- chen Forschungsinstituts auf den Weg zu bringen. Nachdem u. a. der Deutsch-Französische Krieg die Mängel der deutschen Präzi- sionsmechanik deutlich gemacht hatte, wollte man diese durch die Gründung eines Instituts für Prä- zisionsmechanik beheben. Aller- dings blieben die entsprechenden Bemühungen zunächst erfolglos, sodass Anfang der achtziger Jahre ein neuer Anlauf unternommen wurde. Dabei gab nicht zuletzt Siemens der Initiative eine neue Richtung, was sich nicht zuletzt im neuen Namen für das geplante Institut ausdrückte: Statt eines Ins- tituts für Präzisionsmechanik sollte es nun um ein Institut zur Förde- rung der exakten Naturforschung und Präzisionstechnik (Physika- lisch-mechanisches Institut) gehen. Mit dieser Wendung wurde nicht zuletzt den Interessen der wissen- Die erste elektrische Straßenbahn, Berlin-Lichterfelde, 1881 schafts- wie innovationsintensiven Elektroindustrie Rechnung getra- gen, denn gerade damals hatten Aspekt findet sich auch in einem zu fördern, um ein geeignetes Per- sich die Bemühungen um eine Brief von Siemens an den Staats- sonal für die später zu errichtenden Festlegung einheitlicher, exakt sekretär im Reichsamt des Innern, Anstalten herauszubilden, sowie bestimmbarer und reproduzier- Heinrich von Boetticher, vom 17. um den Deutschland gebührenden barer Einheiten und Normale auf August 1882 ausgedrückt. Dort Anteil an der internationalen Arbeit dem Gebiet von Elektrizitätslehre stellt Siemens fest, dass „die Frage der Regulierung des elektrischen und Optik wesentlich intensiviert schon jetzt in Betracht zu ziehen Maßsystems zu übernehmen.“7 und zudem internationalen Cha- sein (dürfte), ob nicht die Gründung rakter angenommen. So hatte im von elektrischen Normalaichungs- Siemens hat in der Folgezeit Sommer 1881 in Paris der erste ämtern in den einzelnen Staaten zusammen mit ähnlich denken- Internationale Elektrische Kon- notwendig und vorzubereiten sei. den Wissenschaftlern wie dem gress getagt und Empfehlungen für Daß dieselben in späterer Zeit, Physiker Hermann Helmholtz die Standardisierung elektrischer wenn die diesbezüglichen Vorfragen oder dem Astronomen Wilhelm Maßeinheiten ausgesprochen, gelöst sind, erreicht werden müssen, Förster alles daran gesetzt, die Idee die gerade auf deutscher Seite auf läßt sich kaum bezweifeln, da die eines physikalisch-metrologischen einige Skepsis stießen. Wollte man elektrischen Maße zum öffentlichen Reichsinstituts Realität werden zu die eigenen nationalen Interessen Leben in ähnliche Beziehung treten lassen. Im Sommer 1883 konnte wahren und dem wissenschaft- werden, wie Längen und Gewichts- Hermann Helmholtz als künftiger lichen wie politischen Rivalen maße. Wenn auch die Gründung Präsident des Instituts gewonnen Frankreich, aber auch England das solcher Anstalten augenblicklich werden, womit eine Persönlichkeit Feld nicht weitgehend kampflos noch nicht zweckmäßig erscheint, von Rang und Einfluss – nicht überlassen, so musste umgehend so möchte es doch zweckmäßig zufällig wurde dieser ehrfurchts- die institutionelle Basis für die sein, durch staatliche Mitwirkung voll-ironisch als „Reichskanzler elektrische Metrologie in Deutsch- schon jetzt die Ausführung exakter der Physik“ bezeichnet – gefunden land geschaffen werden. Dieser elektrischer Messungen im Inlande war, der „sich ganz und gar dem

7 W. Siemens an H.v. Boetticher, Berlin 17. 8. 1882, In: Siemens (1916), Bd. 2, S. 742.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 13 in der Hoffnung, dadurch weiteren Zeitverzug zu verhindern.“9

Damit wurde die Gründung des angestrebten Instituts weiter beschleunigt, das schließlich im Herbst 1887 als Physikalisch-Technische Reichsanstalt seine Tätigkeit aufnahm und sich sehr schnell zum national wie interna- tional größten und bedeutendsten physikalisch-techni- schen Institut profilierte.10

Siemens’ nachdrückliches Engagement für die Grün- dung der Reichsanstalt ist ohne Zweifel auch seiner Überzeugung geschuldet, dass „die naturwissenschaftli- che Forschung immer den sicheren Boden des technischen Fortschritts (bildet), und die Industrie eines Landes wird niemals eine international leitende Stellung erwerben und sich erhalten können, wenn dasselbe nicht gleichzeitig an der Spitze des naturwissenschaftlichen Fortschritts steht! Dieses herbeizuführen, ist das wirksamste Mittel zur Hebung der Industrie.“11 Eine solche Ansicht war nicht nur Ausdruck des damaligen Zeitgeistes, sondern sie spiegelt zugleich sein eigenes Leben, „dessen Erfolge“ – wie Siemens selbst schrieb – „auf der selbstgeschaffenen Gelegenheit beruhen, die Ergebnisse eigener experimentel- ler Forschung zugleich wissenschaftlich und technisch zu verwerten.“12 Für die so erbrachten wissenschaftlichen und technischen Pionierleistungen erfuhr Siemens bereits zu Lebzeiten hohe Anerkennung. Im Jahre 1860 Bestallungsurkunde für Werner Siemens als nicht stän- erhielt er die Ehrendoktorwürde der Berliner Universität diges Mitglied des Reichspatentamtes, 1877 und dreizehn Jahre später wurde er zum ordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaf- ten in Berlin gewählt. Die Aufnahme in die Akademie, gewissermaßen der „Olymp der Wissenschaften“, hat er Grundgedanken dieser Institution widmen“ würde.8 Als im Übrigen über alle anderen Ehrungen gestellt, denn im Spätherbst 1883 sein Bruder Wilhelm in London sie dokumentierte seine Anerkennung und Akzeptanz überraschend starb, entschloss sich Siemens, seinen als Wissenschaftler – zumal die Begründung seiner Wahl Erbteil nicht zur Mehrung des eigenen Privatver- ausschließlich unter Bezugnahme auf jene Untersu- mögens zu verwenden, sondern dem preußischen chungen erfolgte, „welche unmittelbar wissenschaftliche Staat zur Überwindung der bestehenden Finanzie- Resultate geliefert haben.“13 Reine Technikwissenschaftler rungsschwierigkeiten „ein geeignetes Grundstück von oder gar Ingenieure waren zu Lebzeiten von Siemens in ca. 1 Hektar Flächeninhalt unter der Bedingung zur der Gelehrtenversammlung gar nicht vorgesehen, und Verfügung zustellen, dass der Staat es auf seine Kosten spezielle Technikerstellen sind dort erst zu Beginn des zu dem genannten Zwecke bebaute und die Anstalt zwanzigsten Jahrhunderts eingerichtet worden. angemessen dotirte. Ich erbot mich ferner, auch den Dass Siemens 1886 zum Ritter des Ordens „Pour Bau der Arbeitsräume selbst zu übernehmen zu wollen, le Merité“ gewählt und zwei Jahre später – anlässlich

8 Vgl. Hoff mann und Laitko (1996), S. 115–136. 9 W. Siemens: Ueber die Bedeutung und die Ziele einer zu begründenden physikalisch-technischen Reichsanstalt (Denkschrift 1884), In: Siemens (1891), Bd. 2, S. 579. 10 Zur Geschichte der PTR, Siehe: Cahan (1992) sowie auch Hoff mann (1987). 11 W. Siemens: Votum betreff end die Gründung eines Instituts für die experimentelle Förderung der exakten Naturforschung und der Präzisionstechnik, In: Siemens (1916), Bd. 2, S. 569. 12 W. Siemens an Gossler, Berlin 7.7.1883, Zitiert in: Cahan (1992), S. 91. 13 Kirsten, Körber (1975), S. 85.

14 der Thronbesteigung von Friedrich III. – auch in den der Staat dazu verpflichtet, alles zu tun, damit die Fort- erblichen Adelsstand erhoben wurde, ist sicher weniger schritte in Naturwissenschaft und Technik zur Steige- seinen wissenschaftlich-technischen Verdiensten als rung der industriellen Leistungsfähigkeit führen. In vor allem seiner gesellschaftlichen Stellung und seinen diesem Sinne hatte er sich – wie bereits kurz beschrie- entsprechenden Meriten geschuldet gewesen; aller- ben – für die Gründung eines speziellen außeruniversi- dings war für ihn die Nobilierung mehr Nötigung als tären Forschungsinstituts engagiert und auch in seiner Ehre.14 Seine herausgehobene gesellschaftliche Stellung Initiative für eine einheitliche deutsche Patentgesetz- spiegelt sich nicht nur in seiner Rolle als Haupt eines gebung kommt dieser Zug Siemens’schen Denkens Firmenimperiums, sondern auch darin, dass man ihn zum Tragen. Vor dem Hintergrund einer gravierenden bereits im Jahre 1859 zum Mitglied des ältesten Kolle- Unterentwicklung des Patentwesens in Preußen, wie giums der Berliner Kaufmannschaft gewählt hatte und in Deutschland überhaupt, setzte sich Siemens seit er zwei Jahre später zu den Gründungsmitgliedern der den 1840er-Jahren für die Ausarbeitung einer moder- liberalen deutschen Fortschrittspartei zählte. Auf ihn nen Patentgesetzgebung ein. Diese sollte nach seiner geht im Übrigen auch der Parteiname zurück, zwischen Auffassung sowohl die Interessen des Erfinders als 1862 und 1867 war er sogar Abgeordneter der Partei im auch die der Unternehmen sowie der Allgemeinheit Preußischen Abgeordnetenhaus, doch fand er an der gebührend berücksichtigen. Nachdem er im Jahre 1863 parlamentarischen Tätigkeit und ihren Kompromissen mit „Positiven Vorschlägen zu einem Patentgesetz“ an keinen rechten Gefallen, sodass er es bei einer Legisla- die Öffentlichkeit getreten war und sich seine Vor- turperiode beließ. schläge auch durch die Berliner Kaufmannschaft hatte autorisieren lassen, organisierte er ein Jahrzehnt später Siemens engagierte sich aber nicht nur als Politiker (1873) in Auswertung des Wiener Patentkongresses bzw. Abgeordneter für gesellschaftspolitische Fragen. einen „Deutschen Patentschutzverein“, dessen wich- Schon früh kümmerte er sich auch um die sozialpoli- tigste Aufgabe in der Erarbeitung eines entsprechen- tischen Belange seiner Betriebsangehörigen. So hatte den Gesetzentwurfes bestand. Letzterer, der 1876 in er sich bereits 1849 an einer Kranken- und Sterbekasse Gestalt einer Denkschrift vorgelegt wurde, führte dann verschiedener Berliner Unternehmen beteiligt und am 1. Juli 1877 zur Verabschiedung eines Reichspatent- im Jahre 1858 außerdem eine „Inventurprämie“, d. h. gesetzes und zur Einrichtung eines Reichspatentamtes. die Gewinnbeteiligung der Belegschaft, eingeführt. Dieses nahm seinen Sitz in der Reichshauptstadt und Anlässlich des 25-jährigen Firmenjubiläums im Jahre Siemens gehörte ihm als „nicht ständiges Mitglied“ an. 1872 wurde zusammen mit den Brüdern in Petersburg und London eine „Pensions-, Witwen- und Waisen- Dass Werner Siemens sowohl 1879 die Gründung kasse“ bgegründet, an deren Verwaltung die Mitar- des Elektrotechnischen Vereins als auch die Einrich- beiter der Siemenswerke beteiligt wurden und mit tung elektrotechnischer Lehrstühle an den technischen der Siemens sein persönliches Interesse bzw. das der Hochschulen in Deutschland gefördert hat, rundet Firma mit dem der Arbeiter und Angestellten im Sinne das Bild einer Persönlichkeit ab, für die „technischer eines „gesunden Egoismus’“ zu verknüpfen suchte. Mit Fortschritt nur durch die Verbreitung naturwissen- diesem Fonds wollte Siemens vor allem der hohen schaftlicher Kenntnisse unter den Technikern“ zu Arbeitskräftefluktuation entgegenwirken und einen erreichen war.15 In diesem Sinne hat er 1886 vor der festen Stamm qualifizierter und erfahrener Facharbei- Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte ter an das Unternehmen binden. Indem diese Maß- die hohe Wertschätzung der Naturwissenschaften im nahmen nicht als Almosen konzipiert waren, sondern öffentlichen Bewusstsein aus der Sicht von Wirtschaft, vielmehr einen Rechtszustand zwischen den Interes- Technik und Wissenschaft, die er ja in Personalunion sen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern begründen repräsentierte, in seinem programmatischen Vortrag sollten, kann man sie als erste Anfänge einer betriebli- „Das naturwissenschaftliche Zeitalter“ Ausdruck chen Mitbestimmung und Sozialgesetzgebung werten. gegeben und dabei im Sinne eines Vermächtnisses Darüber hinaus wurde damit die Profilierung der festgestellt: „Es bedurfte erst das öffentlich Heraustretens Firma von einem patriarchalisch geführten Familien- der Wissenschaft in das öffentliche Leben, es musste erst betrieb zu einem modernen Industrieunternehmen die rein empirische Technik von dem Geiste der moder- befördert. nen Naturwissenschaft durchdrungen werden, um sie In Siemens’ gesellschaftspolitischen Vorstellungen vom Banne des Hergebrachten und Handwerksmäßigen war nicht nur der Unternehmer selbst, sondern auch zu erlösen und sie zur Höhe der naturwissenschaftlichen

14 Vgl. Bähr (2016), S. 412. 15 Siemens (1908), S. 34.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 15 Werner Siemens, Gemälde von Franz von Lenbach, 1886

16 Technik zu erheben ... Die hierdurch bedingte beschleu- Riedler – die „Heroen der Technik“ und „diese echt nigte fortschreitende Entwicklung wird daher, falls nicht germanischen Vorkämpfer vielgestaltigen Lebens (als) der Mensch in seinem Wahn sie selbst zerstört, so lange Zeugen, dass das deutsche Volk nicht wie im vorigen fortdauern, als die Naturwissenschaft selbst zu höheren Jahrhundert ein Volk der Denker, sondern jetzt auch ein Erkenntnisstufen fortschreitet.“16 Sein Leben resümie- Volk des Schaffens ist ..., die den Erfolg der deutschen rend, stellt Werner von Siemens deshalb am Schluss Technik in die ganze Welt getragen und die Anerkennung des ganzen Auslands erzwungen haben, zum Ruhme der seiner 1892 erschienenen Lebenserinnerungen fest, 19 dass sich in den Schmerz, nun bald von den Angehöri- Technik, des Reiches, der ganzen Nation!“ Die Stili- gen scheiden zu müssen, vor allem die Trauer mischt, sierung zum deutschen Erfinder, Wissenschaftler und dass es ihm „nicht vergönnt ist, an der vollen Entwick- Industriefürsten blieb auch in den folgenden Jahren das lung des naturwissenschaftlichen Zeitalters erfolgreich dominierende Narrativ in der Darstellung von Siemens’ weiter zu arbeiten.“17 Werner von Siemens starb wenige Leben und Wirken. Daran orientierten sich dann auch Tage vor seinem 76. Geburtstag am 6. Dezember 1892 die Ehrungen zum 100. Geburtstag von Siemens im in seiner Villa in Berlin-Charlottenburg. Jahre 1916. Dies umso mehr, als das Centenarium in die Zeit des Ersten Weltkriegs fiel. Die Kriegszeit hatte wohl auch dazu geführt, dass man für heutige Verhält- Die Hundertjahr-Feier nisse erst relativ spät daran ging, eine zentrale Ehrung für Siemens zu organisieren – neben den zahlreichen uch wenn das Verhältnis von Siemens und Wilhelm lokalen Ehrungen und der Würdigung, die der Siemens- II. wohl ein schwieriges war, getrübt durch Konzern seinem Gründer angedeihen ließ. Entspre- ASiemens’ enge Beziehungen zum 100-Tage-Kaiser Fried- chende Initiativen scheinen vom VDI und namentlich rich III. und seiner Frau Viktoria, aber auch durch seine von Conrad Matschoß, Direktor des VDI und zudem politischen Aktivitäten im Rahmen der Fortschrittspar- der führende Technikhistoriker seiner Zeit, ausgegangen tei, gehörte Siemens zu den gefeierten Persönlichkeiten zu sein. In einem Brief des Geschäftsführers des VdEh im Wilhelminischen Deutschlands. Gewürdigt wurde Otto Petersen an Matschoß liest man: dabei mit einer gehörigen Portion Nationalismus und Heroenkult insbesondere der erfolgreiche Techniker „Am 18.März d. J. sprachen wir darüber, dass am und Erfinder, erst in zweiter Linie der Unternehmer 13. Dezember d. J. der hundertjährige Geburts- und nur am Rande Siemens’ Persönlichkeit; auch die tag von W. v. Siemens ist, und seitens des Inge- nieurs Vereins beabsichtigt wäre, den Tag durch internationale Dimension des Siemens’schen Wirkens, 20 wie die internationale Ausrichtung des Familienunter- irgend eine besondere Sache zu kennzeichnen.“ nehmens und Siemens’ dezidiertes Streben, ein „Welt- geschäft“ à la Fugger oder Rothschild zu begründen, Im Sommer 1916 konstituierte sich so unter Feder- erfuhr eine gewisse Marginalisierung.18 Darüber hinaus führung des VDI ein „Ausschuß zur Veranstaltung der wurde nach dem Tode Siemens’ dessen Überzeugung, hundertjährigen Gedenkfeier für Werner von Siemens“. dass der wissenschaftliche und technische Fortschritt Diesem gehörten Vertreter der folgenden Körperschaf- keine nationale Aufgabe sei, sondern eine internationale ten an: Physikalisch-Technische Reichsanstalt Charlot- Dimension und einen völkerverbindenden Charakter tenburg, Technische Hochschule Berlin, Elektrotech- besitze, stärker noch als zu seinen Lebzeiten mit natio- nischer Verein, Verband Deutscher Elektrotechniker, Verein deutscher Ingenieure und Verein zur Beförde- nalistischen Untertönen versehen. 21 Als anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der rung des Gewerbfleißes. Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg im Die Federführung in diesem Sextett übernahm der Herbst 1899 nach Anregung des Vereins deutscher VDI, der am 26. September 1916 auch Gastgeber der Ingenieure (VDI) und des Vereins deutscher Eisen- (wahrscheinlich) ersten Sitzung des Festaus­schusses hüttenleute (VDEh) auf dem Gelände der Hochschule im Stammhaus des Vereins, dem sogenannten Inge- Denkmäler von Siemens und Krupp eingeweiht wurden, nieurhaus, in der Berliner Sommerstraße war. Neben feierte man bezeichnenderweise – so Rektor Alois den Vertretern der oben genannten Institutionen

16 Siemens (1891), S. 492. 17 Siemens: (1908), S. 298. 18 Vgl. Bähr (2016), S. 253 und 423. 19 Hundertjahrfeier (1900), S. 40. 20 O. Petersen an C. Matschoß, Düsseldorf 4.9. 1916. VdEhA. 21 Briefbogen des Ausschuss’ zur Siemensfeier 1916. BA Berlin, R 1501/113190, Bl. 28.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 17 Das 1899 anlässlich der Hundertjahr-Feier der Technischen Hochschule (Berlin-)Charlottenburg eingeweihte Siemens-Denkmal von Wilhelm Wandschneider

18 hatten sich dazu auch Friedrich Albert Spieker, Waffen – darunter vor allem Buntmetalle und Eisen. Vorstandsvorsitzender der Siemens & Halske AG, Da Deutschland für solche Rohstoffe auf Importe Theodor Lewald, Ministerialdirektor im Reichsamt angewiesen, man im Krieg aber weitgehend von den des Innern, und aus München Reichsrat Oskar von Importmärkten abgeschnitten war, traten hier erhebli- Miller, Pionier der Elektrotechnik und Begründer che Ressourcendefizite auf, die man u. a. durch patrio- des Deutschen Museums, eingefunden. Letzterer, der tisch legitimierte Sammlungen von Edelmetallen oder bis 1914 Vorsitzender des VDI gewesen war, wurde durch das Einschmelzen von Kirchenglocken und in zum Wortführer der Gruppe und präsentierte auf der den letzten Kriegsjahren selbst von Denkmälern zu Gründungssitzung des Festausschusses den Vorschlag, mildern suchte. Siemens anlässlich seines anstehenden 100. Geburtsta- ges mit einem Denkmal zu ehren. Es ist nicht klar, ob Vor diesem Hintergrund und im Zeichen generell der Vorschlag seine persönliche Idee war oder ob er angespannter Ressourcen wäre es politisch, aber auch hier schon als Gruppensprecher auftrat, doch verwun- gegenüber der Öffentlichkeit wohl kaum zu vertre- dert der Plan, denn es gab bereits – wie oben erwähnt ten gewesen, die Denkmalsidee weiter zu verfolgen. – seit dem Herbst 1899 im Innenhof der Technischen Bereits auf der konstituierenden Sitzung des Vorberei- Hochschule in Charlottenburg das vom VDI gestif- tungsausschusses zur Siemensfeier wurden so ernste tete Siemens-Denkmal. Dessen Aufstellungsort war Bedenken dagegen erhoben und die Frage gestellt, damals zudem als „der schönste und sinnigste“ geprie- „ob die jetzige Zeit es rechtfertigen lasse, so erhebliche sen worden.22 Da es zu den Motiven, die für diesen Geldmittel, die ein solches Denkmal erfordert, für einen Vorschlag sprachen, keine Überlieferung gibt, kann solchen Zweck flüssig zu machen.“24 Mit der knappen man nur annehmen, dass dieses zweite Siemens- Mehrheit von 5 gegen 4 Stimmen wurde dann die Denkmal für die deutsche Hauptstadt wohl für den Denkmal-Idee zu den Akten gegeben und stattdessen städtischen Raum gedacht war und man damit offen- angeregt, „eine Organisation zu schaffen, durch die für bar den Ingenieur, Wissenschaftler und Unternehmer besondere Verdienste auf dem Gebiete der Naturwissen- in die Öffentlichkeit holen wollte. Siemens wollte man schaften und Technik ein Ring verliehen werden soll.“25 so an die Seite der Könige und Heerführer stellen, die Auf der nächsten Sitzung des Ausschusses sollten die damalige Denkmalkultur dominierten.23 schon „nähere eingehende Vorschläge“ vorgelegt und diskutiert werden, wobei sich Oskar von Miller bereit Allerdings wurde die Denkmalsidee sofort infrage erklärte, einen konkreten „Vorschlag über die Durch- gestellt. Es tobte der Erste Weltkrieg und man stand im führung des Gedankens auszuarbeiten“26 und den Aus- dritten Kriegsjahr. Dieses war nicht allein das Jahr der schussmitgliedern vorab zur Kenntnis zu bringen.27 Schlachten – vor Verdun, an der Somme, um Fromme- les –, sondern auch eines, in dem sich die wirtschaft- lichen Engpässe und Versorgungsschwierigkeiten in Oskar von Miller – Deutschland dramatisch verschärft hatten. Die Mate- rialschlachten machten die gravierenden Defizite und die Ineffizienz der deutschen Kriegswirtschaft deutlich, sodass von der militärischen Führung eine deutliche Ausweitung der Rüstungsproduktion gefordert wurde. Mit dem sogenannten Hindenburg-Programm vom Sommer 1916 wurde diesen Forderungen Rechnung getragen. Sein Ziel war eine deutliche Steigerung der Rüstungsproduktion, die man allein durch eine effizi- entere Produktion und die umfassende Mobilisierung des Arbeitskräftemarktes nicht bewerkstelligen konnte. Nötig war nicht zuletzt die Bereitstellung entsprechen- der Rohstoffe für die Herstellung von Munition und

22 Hundertjahrfeier (1900), S. 27. 23 Vgl. Goschler (1998); Rausch (2006) S. 588 ff. 24 Kurzer Bericht über die Sitzung des Ausschuss’ zur Siemensfeier 1916. BA Berlin, R 1501/113190, Bl. 7. 25 Kurzer Bericht über die Sitzung des Ausschuss’ zur Siemensfeier 1916. BA Berlin, R 1501/113190, Bl. 8. 26 Kurzer Bericht über die Sitzung des Ausschuss’ zur Siemensfeier 1916. BA Berlin, R 1501/113190, Bl. 8. 27 Kurzer Bericht über die Sitzung des Ausschuss’ zur Siemensfeier 1916. BA Berlin, R 1501/113190, Bl. 8.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 19 Sie sind doch der eigentliche Gründer des Siemens-Rings“

J. Stark an O. v. Miller, 30.11.1933

Protagonist der Ring-Idee iller, 1855 in München geboren, gehört zu den MPionieren der Elektrotechnik in Deutschland. Er war ein Wegbe- reiter der Elektrizitätsübertragung über große Entfernungen und zählt damit zu den Pionieren der modernen Energieversorgung. Als Oskar von Miller (1855–1934) technischer Direktor der Deutschen Edison-Gesellschaft (der späteren AEG) plante er in den 1880er-Jah- ren elektrische Zentralstationen für städtische Räume und sein Mün- chener Ingenieurbüro wurde in den Jahren um die Jahrhundertwende zu einem der führenden Planungs- büros für Kraftwerke, nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Darüber hinaus zählte er zu den maßgeblichen Gründungsvätern des Deutschen Museums für Meis- terwerke der Naturwissenschaften und Technik in München. All das machte ihn weit über Deutschland hinaus bekannt und ließ ihn zu einem der einflussreichsten deut- schen Ingenieur und Techniker seiner Zeit werden. Davon zeugt u. a. die Berufung zum Reichsrat der Krone Bayerns auf Lebenszeit (1909) oder der Vorsitz des mäch- tigen Vereins Deutscher Inge- nieure (VDI) in den Jahren von 1911 bis 1914.28 Mit Miller wurde ein kompetenter, erfahrener und durchsetzungsfähiger Ingenieur und Wissenschaftsorganisator zum

Conrad Matschoß (1871–1942) 28 Siehe Füßl (2010).

20 spiritus rector der Siemens-Ring- Andenken von Werner Siemens und Staatsmänner trugen.“31 Stiftung, der mit seinem Engage- hoch zu halten, nachdem ihm das ment zur schnellen Durchsetzung Emporblühen so vieler Zweige der Die Stiftung sollte unter die und allgemeinen Akzeptanz der Technik zu verdanken ist, deren Obhut der Physikalisch-Techni- Auszeichnung maßgeblich beitrug. Bedeutung nicht nur für die Werke schen Reichsanstalt (PTR) gestellt Bei seinem Engagement wurde er des Friedens, sondern auch für die werden und der Präsident der PTR von Conrad Matschoß29, geboren Verteidigung der Heimat heute den Vorsitz der Stiftung über- 1871, kongenial unterstützt, zum Bewußtsein gelangte.“ nehmen. 32 Mit dieser Zuordnung obwohl dieser gegenüber Millers Es wird weiter ausgeführt, dass der Siemens-Ring-Stiftung wurde Ring-Idee zunächst eine gewisse sich deshalb die Verehrung für nicht nur der Tatsache Rechnung Skepsis gezeigt und vielmehr die Siemens nicht in der geplanten getragen, dass Siemens zu den Ausreichung einer Medaille favo- Festversammlung zu seinem hun- maßgeblichen Gründungsvätern risiert hatte.30 Matschoß bekleidete dertsten Geburtstag erschöpfen der Reichsanstalt gehört und diese von 1916 bis zu seinem Tode im sollte, sondern sich in der Folgezeit zur größten Jahre 1942 das mächtige Amt eines „an diesem Tage ein äusseres und renommiertesten außeruni- Direktors des VDI und zählte als Zeichen begründet werden, das versitären Forschungseinrichtung solcher zu den einflussreichsten für alle Zeiten die Erinnerung im Bereich der Natur- und Tech- deutschen Wissenschaftsmanagern. an die grossen Verdienste von nikwissenschaften in Deutsch- Darüber hinaus hat er der Technik- Werner Siemens aufrecht erhält land profiliert hatte, sondern geschichte als eigenständiges Fach und das auch spätere Generatio- man folgte auch einer bewährten den Weg geebnet und in diesem nen anregt, dem grossen Forscher verwaltungstechnischen Tradition, Sinne auch höchst verdienstvoll im und Techniker nachzufolgen.“ denn auch die 1913 gegründete Rahmen der Siemens-Ring-Stiftung Miller regt die Stiftung einer „Emil-Rathenau-Stiftung“ sowie die gewirkt. Miller und Matschoß darf Auszeichnung an, „Röntgen-Stiftung“ aus dem Jahre man als die maßgeblichen Prota- „die an Personen verliehen 1914 waren der PTR unterstellt gonisten des Siemens-Rings in den werden soll, welche sich auf dem worden.33 Damit sicherte man sich ersten Jahrzehnten nach Grün- Gebiet der Technik in Verbindung sowohl die große wissenschaftliche dung der Stiftung, d. h. bis 1945, mit der Wissenschaft besonders Reputation der Reichsanstalt als bezeichnen. grosse und allgemein anerkannte auch die verwaltungstechnische Verdienste erworben haben. Kompetenz dieser Reichsbehörde. Miller präsentierte dann auf der Lag die Verwaltung der Stiftung nächsten Ausschuss-Sitzung, die Als äussere Form dieser Aus- in den Händen der PTR, so sollte am 23. Oktober 1916 wiederum in zeichnung erschien die Stiftung ihre Tätigkeit von einem Stiftungs- Berlin stattfand, den angekündigten einer Medaille nicht geeignet, rat geführt werden. „Vertreter der Vorschlag, in dem die Idee und die weil nicht nur die Zahl derartiger hervorragendsten wissenschaftlich- Ziele der geplanten Organisation, Medaillen bereits eine Grosse ist, technischen Vereine“ würden ihm die den Namen „Siemens-Ring- sondern weil gerade dieser Aus- angehören, und er hätte die Ziele Stiftung“ erhalten sollte, näher und zeichnung eine mehr sichtbare der Stiftung umzusetzen und den auch schon sehr schlüssig erläutert Bedeutung verliehen werden soll.“ entsprechenden Beschlüssen „eine wurden. In Millers Vorschlag wird besondere Bedeutung zu geben“. 34 einleitend herausgestellt, Deshalb solle auf eine Form der Ehrung zurückgegriffen werden, Über die Stiftungsidee und die „Das deutsche Volk, insbesondere „durch die man in früheren Zeiten Gestaltung des Ehrenrings nebst aber alle Kreise der Naturwis- besondere Männer sichtbar aus Aufbewahrungsschatulle, für die senschaft, der Technik und der der Allgemeinheit herausheben Miller dem Festausschuss sogar Industrie haben gerade in der wollte, nämlich auf einen Ehren- schon einen Entwurf vorgelegt hatte, jetzigen Zeit allen Grund das ring, wie ihn grosse Fürsten, Aebte wurde umgehend auch die Familie

29 Siehe König (2010). 30 Entwurf BA Berlin, R 1501/113190, Bl. 21. 31 Entwurf. BA Berlin, R1501/113190, Bl. 20–22. 32 O. v. Miller an Rektor und Senat der TH Charlottenburg, 4. November 1916. DMA, VA 2862/1. 33 Akte Rathenau-Stiftung. BA Berlin, R 1501/113188; Akte Röntgenstiftung. R 1501/113189. 34 O. v. Miller an Rektor und Senat der TH, 4. November 1916. DMA, VA 2862/1.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 21 Siemens in Kenntnis gesetzt.35 An serlichkeiten zu versehende Einrich- auf seiner kritischen Haltung. Wie die Information wurden aber keiner- tung ins Leben zu rufen ... Auch aus er an Miller schrieb, würde er im lei Stiftungserwartungen geknüpft. sozialen Gründen trage ich im Hin- Grundsatz dem Stiftungsplan und Die finanzielle Unabhängigkeit der blick auf das ungeheure Kriegselend ... der ihm zugrunde liegenden Idee, Stiftung erforderte dies ebenso wie zu dessen Linderung beizutragen wir „nicht nur zustimmen, sondern ihn es für die öffentliche Wahrnehmung alles beieinader halten sollten, was sogar freudig begrüßen“, doch werde wichtig war, stand damals doch wir überhaupt haben, schwere Beden- er seine grundsätzlichen „Bedenken auch der Vorwurf im Raum, dass ken, dem Vorschlage zuzustimmen.“38 gegen die gewählte äusserliche Form der Siemens-Ring nicht allein eine In seinem Antwortschreiben fasste in jetziger Kriegszeit aufrecht erhal- gebotene Ehrung für einen her- Max Krause, Direktor der Borsig- ten ... Der Gegensatz zwischen einer ausragenden Technikpionier und Werke und als Vertreter des Vereins solchen ausgesprochenen Luxus- Unternehmer wäre, sondern – wie zur Beförderung des Gewerbfleißes aufwendung und der vorhandenen Conrad Matschoß in einem Brief eine Art Koordinator der anste- tatsächlichen grossen Not ist für mich berichtet36 –, „hier in Berlin würde henden Siemens-Ehrung und ihres nicht überbrückbar. Ich stehe nach auch gesprächsweise gesagt, die Festausschusses, noch einmal die wie vor solchen äusserlichen Nichtig- ganze Sache wäre eine von Siemens Motive für die geplante Siemens- keiten, wie sie mit der Verleihung des geschickt in Scene gesetzte Reklame.“ Ring-Stiftung zusammen: Ringes verbunden sein sollen, in jetzi- Matschoß trat solchen Gerüchten ger Zeit verständnislos gegenüber.“40 entschieden entgegen, „denn die „Der Ausschuss ging von der Firma sowohl, als vor allem auch die Meinung aus, dass der 100. Geburts- Schrödters Argumente wurden im Familie hat auch nicht das Geringste tag von Werner Siemens auf alle Übrigen von Friedrich Springbo- mit der Anregung zu tun die, wie Fälle in würdiger Form gefeiert rum, dem langjährigen Vorsitzen- Sie wissen, von Herrn Reichsrat von werden muss und Herr v. Miller den des VDEh und einflussreichen Miller stammt.“37 vertrat die Ansicht, dass diese Feier westfälischen Stahlunternehmer, des hochverdienten Mannes nicht auf mitgetragen, was ihnen zusätzliches Allerdings wurde die geplante einen Redeakt beschränkt werden Gewicht und auch Resonanz gab. Ring-Stiftung nicht allein in Berlin soll, sondern dass eine bleibende Denn wie Miller bekannte, „wurden kritisch kommentiert. Bei den Ver- Erinnerung zu schaffen ist. von verschiedenen anderen Persön- tretern der rheinisch-westfälischen Die Hauptsache an der von Herrn lichkeiten, welche ihre Zustimmung Montanindustrie formierte sich v. Miller beabsichtigten Stiftung zur Unterzeichnung des Aufrufs sogar massiver Widerstand. Dieser ist nicht der Siemensring, sondern bereits gegeben hatten, auf Grund wurde vom mächtigen Verband der ferner damit verbundene Plan, von Zuschriften, die sie von Ihnen deutscher Eisenhüttenleute (VDEh) auch in geeigneter Weise dafür zu erhalten haben, Bedenken gegen die getragen, dessen Geschäftsführer sorgen, dass die Kenntnis von dem Siemens Ring Stiftung geäussert“41 Emil Schrödter auf die Aufforde- Leben und Wirken anderer grosser Die Bedenken thematisierten vor rung, sich der Siemens-Ring-Initia- Männer der Technik und techni- allem die schon erwähnten „stark tive anzuschließen, im Oktober 1916 schen Wissenschaft in die weitesten auftragenden Aeusserlichkeiten“, die antwortete: Kreise des deutschen Volkes getragen man als unzeitgemäß ansah und „als werden muss, um bei Hoch und Protzenhaftigkeit der Industrie ausge- „Ich gestehe Ihnen ganz offen dass Niedrig eine tiefergehende Aner- legt“ werden könnte.42 Dass gerade ich persönlich nicht ohne Bedenken kennung und Wertschätzung der von den Eisenhüttenleuten solche bin, in der jetzigen schweren Zeit, Bedeutung der Technik wachzuru- Bedenken artikuliert wurden, die aeusserste Hergabe an Kraft und fen und lebendig zu erhalten.“39 hat sicherlich damit zu tun, dass Arbeit von uns allen verlangt, eine Diese Erklärung blieb jedoch ohne damals das Thema Kriegsgewinne solche, mit stark aufgetragenen Aeus- Wirkung, denn Schrödter beharrte in den öffentlichen Diskussionen

35 Spieker an Wilhelm v. Siemens, Berlin 24.10.1916. PTBA, 15/2–13, Teil 1. 36 C. Matschoß an E. Schrödter, Berlin 1.11.1916. VDEhA. 37 C. Matschoß an E. Schrödter, Berlin 1.11.1916. VDEhA. 38 E. Schrödter an M. Krause, 29.10.1916. VDEhA. 39 M. Krause an E. Schrödter, Berlin 30.10.1916. VDEhA. 40 E. Schrödter an O.v. Miller, Düsseldorf 10.11.1916.VDEhA. 41 O.v.Miller an E. Schrödter, München 6.11.1916. VDEhA. 42 O.v.Miller an E. Schrödter, München 6.11.1916. VDEhA.

22 Hauptgebäude der Technischen Hochschule (Berlin-) Charlottenburg. Gemälde von Paul Riess.

zunehmend Beachtung fand und bedingten Bedenken auch der befürchte ich nicht. Das Volk ist nicht zuletzt die Montanindustrie traditionelle Dualismus zwischen darüber unterrichtet, dass der an Rhein und Ruhr im Zentrum Elektro- und Montanindustrie zum Krieg grosse Verschiebungen in den der Kritik stand.43 Man befürchtete Tragen gekommen sein. Vermögen herbeigeführt hat und daher, dass die ins Auge gefasste dass durchaus nicht alle Gewinne „prunkhafte Ausstattung“ des Diesem Konglomerat von Vor- zu Wohlfahrtszwecken verwendet Siemens-Rings den Opponenten behalten stellte Miller seine Über- werden.“45 der Stahlindustrie in die Hände zeugung entgegen, dass „die jetzige spielen und ihre Kritik unterstüt- Zeit für die Stiftung besonders Allerdings konnten auch diese zen würde. Zurückhaltung und geeignet ist, weil die Begründung Argumente die Vertreter des VDEh Unauffälligkeit waren geboten, der Stiftung zum 100. Geburtstag von ihrer Opposition nicht abbrin- und beispielhaft demonstrierte von Werner Siemens in weitesten gen, sodass Miller am 17. Novem- dies Gustav Krupp von Bohlen Kreisen mit Freude begrüßt werden ber durch Springborum telegra- und Halbach, der sich während wird, weil gerade während des fisch informiert wurde, dass der Kriegszeit „als jeder Veranstal- Krieges das Verständnis für die „in Beantwortung gefälligen tung von Feierlichkeiten abgeneigt Wichtigkeit der wissenschaftlichen Schreibens vom vierten November erwies“44, sodass man ihn auch und technischen Leistungen am wir nach reiflicher Überlegung nicht auf der Liste der Stifter des grössten ist und weil gerade jetzt (bedauern) uns an Siemensring- Siemens-Rings findet. Darüber Mittel für derartige Stiftungen in stiftung während Kriegsdauer hinaus mag in diesem Konflikt reichem Masse verfügbar sind ... nicht beteiligen zu können und neben den artikulierten kriegs- Angriffe seitens der Arbeiterkreise bitten von unserer Mitwir-

43 Vgl. Wette (1984). 44 M. Krause an O. v. Miller, Berlin 16.11.1916. VDEhA. 45 3O. v. Miller an E. Schrödter, München 6.11.1916. VDEhA.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 23 Faksimile der Information über den Siemens- von Werner Siemens trägt und in welcher Innen die Ring an Wilhelm von Siemens, 24.10.1916: Verdienste eingetragen sind, wegen derer der Ring „Siemens- Ring, btr. Ehrung verdienter Männer der verliehen wurde. Die Verleihung soll unter dem Technik und der technischen Wissenschaften durch Vorsitz der Physikal. Reichsanstalt erfolgen. Die den S.-R., ein Ehrenring, wie ihn früher Fürsten, Originale der anl. Korrespondenz wurden am 21. Aebte u. Staatsmanner trugen. Derselbe soll in einer 10. Herrn Ghr. v. Siemens nach Biesdorf überbracht. Kasette übergeben werden, die Außen das Bildniß 24.10.16 O. Maurer“

24 kung Abstand zu nehmen.“46 der von Miller vorgelegte Entwurf als Zeichen der kaiserlichen bzw. der Satzung kommentiert und mit königlichen Exklusivität. Allerdings Die Siemens-Ring-Stiftung hatte wenigen Änderungen verabschie- gehörten neben den beiden Majes- damit sicherlich einen gewichtigen det. Zu den Änderungen zählte die täten mit Reichskanzler Theobald Partner verloren, der erst zwanzig Beschränkung des Personenkreises von Bethmann Hollweg, der auch Jahre später, im Dritten Reich, der Ringträger auf den deutschen den Ehrenvorsitz der Stiftung über- für die Stiftungsarbeit gewonnen Kulturkreis, denn der ursprüng- nehmen sollte, eine Reihe weiterer werden konnte.47 Allerdings zeigte liche Passus „aller Länder“ wurde hochgestellter politischer Repräsen- der Verlust kaum Auswirkungen gestrichen.48 Auch wenn das tanten in Gestalt von Ministern und auf die Stiftungsidee und den Zeit- Sitzungsprotokoll vermerkt, „dass Staatssekretären sowie hohe Militärs ablauf ihrer Realisierung. Die Pläne durch diese Streichung die Verlei- zu den Stiftern. Die Majorität der waren inzwischen schon so weit hung des Ringes an Ausländer nicht Stifter machen aber die einschlägi- gediehen und die Zahl der mobili- dauernd verhindert werden soll“49 gen Unternehmen im Bereich der sierten Förderer auch so groß, dass und die getroffene Beschränkung Elektrotechnik und der verwandten die Stiftungsidee ohne größeren sicherlich dem nationalistischen Industrien sowie Industrielle aus; Ansehensverlust wohl nicht mehr und chauvinistischen Klima der hinzu kommen Wissenschaftler, ad acta gelegt werden konnte. Dies Kriegszeit geschuldet war, zeigte sie Techniker und Ingenieure sowie machte nicht zuletzt die nächste doch weitreichende Folgen, denn wissenschaftliche Institutionen, Sitzung des Festausschusses für diese Einschränkung hat bis heute Vereine und Verbände. Unter den die Werner-Siemens-Feier, der Bestand. stiftenden Persönlichkeiten findet nunmehr in einer erweiterten man zahlreiche renommierte Form auch als Repräsentant der Wissenschaftler51 – so die Physiker Siemens-Ring-Stiftung agierte, Die Stifter des Rings Georg Quincke (Münster), Wilhelm deutlich. Dazu hatte man sich am Conrad Röntgen (München), Hein- 24. November 1916 erneut im Haus ereits im Oktober hatte Miller rich Rubens (Berlin), Woldemar des VDI in der Berliner Sommer- eine umfangreiche Liste von Voigt (Göttingen), Emil Warburg straße versammelt, und erstmals BEinzelpersonen, Gesellschaften und (Berlin), die Chemiker Hans hatte Emil Warburg als Präsident Körperschaften vorgelegt, die man Bunte, Carl Engler (Karlsruhe) und der Reichsanstalt und potenzieller als Stifter in Aussicht nehmen wollte Richard Willstätter (München) oder Stiftungsvorstand eingeladen. Auf und die das nötige Stiftungskapital Elektrotechniker wie Georg von der Tagesordnung standen ein aus- aufbringen sollten. Bei der Auswahl Arco (Berlin) und Erasmus Kittler führlicher Bericht über die einge- der potenziellen Stifter war nach (Darmstadt). Allerdings sind unter leiteten Maßnahmen zur Stiftungs- Meinung Millers „nicht der Wunsch den 139 Stiftern nicht diese in der gründung – von der Präsentation ausschlaggebend möglichst grosse Mehrzahl, sondern über die Hälfte eines Ringentwurfs mit Kassette Einzelbeiträge für die Stiftung zu machen Firmen sowie Industrielle über den Beschluss des Satzungs- erzielen, sondern deren Bedeutung und Unternehmer aus - darunter entwurfs bis zum Bericht über die durch die Namen der Stifter mög- Carl Duisberg, Karl Kirdorf, Rein- wirtschaftliche Lage der Stiftung lichst hervorzuheben.“50 Die Reihe hard Mannesmann, Otto Schott bzw. die bislang eingeworbenen der Stifter wurde so durch den oder Ferdinand Graf Zeppelin sowie Stiftungsmittel. Als Wortführer trat Deutschen Kaiser Wilhelm II. und die führenden deutschen Industrie- auf der Sitzung wiederum Oskar den Bayrischen König Ludwig III. imperien, von den schon genannten von Miller auf, der einen ausführli- angeführt; andere fürstliche Persön- Elektrokonzernen Siemens und chen Bericht über die Vorarbeiten lichkeiten oder Regenten deutscher AEG über die Bayrischen Stickstoff- zur Stiftungsgründung gab und Teilstaaten waren nicht im Kreis der werke, die Dynamit AG, nochmals Wesen und Zweck der Stifter vertreten, was keineswegs die Gelsenkirchener Bergwerks AG, Stiftung erläuterte; ebenfalls wurde als Distanz zu deuten ist, sondern die Gutehoffnungshütte Oberhau-

46 Telegramm F. Springborum an O.v.Miller, 17.11.1916. VDEhA. 47 J. Stark an VDEh, Berlin 18.1.1938. VDEhA. 48 Entwurf einer Satzung der Siemens-Ring-Stiftung. BA Berlin, R1501/113190, Bl. 106. 49 Niederschrift über die Sitzung der Stifter am 24. November 1916. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrates (1916–1945). 50 O.v. Miller an Th. Lewald, München 6.11.1916.. BA Berlin, R 1501/113190, Bl.74. 51 Stifterverzeichnis. Druckschrift o.D. (ca. 1916/17). BA Berlin, R 1501/127079, Bl. 20–22.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 25 sen, die Schwartzkopffwerke bis zu Deutschen Museum München53 nenswerter Weise zur Förderung der Waffenfabrik Mauser und den zum Tragen gekommen war. Auch der Sammlung beitragen könnte Zeißwerken in Jena. Wie schon oben im Falle der Siemens-Ring-Stiftung und die Theorie ist nun einmal erwähnt, fehlen die Repräsentanten ging der Plan auf, denn am Ende nicht in dieser Hinsicht ergiebig des Vereins Deutscher Eisenhüt- kam der namhafte Stiftungsbetrag und was ich für allgemeine Zwecke tenleute und damit auch zahlreiche von über 220 000 Mark zusam- erübrigen kann, muß den drin- Vertreter der rheinisch-westfäli- men.54 Davon hatten allein Groß- genden Bedürfnissen der harten schen Montanindustrie, wenngleich spender wie der Siemens-Konzern, Gegenwart zu Gute kommen.“57 die Gutehoffnungshütte Oberhausen die AEG, Mannesmann, Zeiss oder oder die Phönix AG zu den Zeich- die Deutsche Bank insgesamt mehr Die Siemens-Ring-Stiftung nern der Stiftung gehörten. als 100 000 Mark gezeichnet. war zunächst als eine sogenannte unselbständige Stiftung konzipiert Die Stifter lassen sich in Dass es bei der Zeichnung von worden, die von der Physikalisch- 5 Gruppen mit folgenden prozen­ Stiftungsanteilen auch Zurückhal- Technischen Reichsanstalt getra- tualen Anteilen gliedern: tung gab, macht das Beispiel von gen bzw. verwaltet werden sollte. Graf Zeppelin deutlich, der Theodor Hier folgte man dem Vorbild der ■■ Unternehmen und Industrielle Lewald, dem zuständigen Ministe- meisten Stiftungen in Deutschland, (52 %) rialdirektor im Reichsinnenminis- zumal sich damit – im Gegensatz terium, zwar seine Unterstützung zu den sogenannten selbstständigen ■■ Staatsmänner, Offiziere, Perso- für die Stiftung mitteilt, doch dies Stiftungen – erhebliche Verwal- nen der Öffentlichkeit an die Bedingung knüpft, „dass sein tungskosten einsparen ließen.58 (ca. 20 %) Anteil an der Kapitalstiftung 1000 Allerdings wurde gegen diese ■■ Wissenschaftler und Ingenieure Mark nicht übersteigen werde.“55 Ein Rechtsform seitens des für Stif- (17 %) anderes prominentes Beispiel ist tungsfragen zuständigen Innenmi- ■■ Behörden, Institutionen, Vereine Albert Einstein, der ebenfalls den nisteriums Einspruch erhoben, da (8,5 %) Stiftungsaufruf erhalten hatte und in bei dieser Stiftungsart der ihm eigenen Art antwortete: ■■ Fürstliche Persönlichkeiten „als Eigentümerin nicht die Phy- (1,5 %) „Soviel ich beobachten kann, gedeiht sikalisch-technische Reichsanstalt, die liebe Eitelkeit bei uns so vortreff- sondern der Reichsfiskus anzuse- Dass der Deutsche Kaiser und lich, dass es einer neuen Treibhaus- hen (wäre), da die Physikalisch- der Bayerische König die einzigen Einrichtung zu ihrer Förderung technische Reichsanstalt die Rechte fürstlichen Persönlichkeiten unter nach meiner Ansicht nicht bedarf. einer juristischen Person nicht den Stiftern waren und auch nur Dieser Überzeugung entspricht besitzt. Abgesehen davon, dass es die eher bescheidene Summe von es, wenn ich Sie höflich bitte von zweifelhaft erscheint, ob die Zeich- jeweils 1000 RM spendeten, macht meiner Beteiligung bei der Ange- ner der Beiträge dem Reichsfiskus deutlich, dass es bei ihnen vornehm- legenheit Abstand zu nehmen.“56 das Eigentum an den gespendeten lich um eine symbolische Unterstüt- Beiträgen haben übertragen wollen, zung der Stiftung ging, die bei der Etwas konzilianter zog sich sein stößt die Annahme der Gelder Einwerbung weiterer Stifter helfen Berliner Kollege aus auf etatsrechtliche Bedenken.“59 bzw. eine nötigende Wirkung her- der Affäre, der auf die Anfrage Das Ministerium forderte daher stellen sollte. Dies ähnelt sehr dem antwortete: die Gründung einer sogenannten Konzept, das wenige Jahre zuvor bei selbständigen oder rechtsfähigen der Gründung der Kaiser-Wilhelm- „... meine bescheidenen Mittel Stiftung. Diese verfügt in der Regel Gesellschaft52, sowie auch beim sind nicht derart, daß ich in nen- über erhebliche Stiftungsmittel und

52 Vgl. Brocke (1990), S. 140 ff. 53 Vgl. Kraus (2013), S. 23 ff. 54 Satzung der Siemens-Ring-Stiftung. SenJuA Berlin, Ordner Die Siemens-Ring-Stiftung zu Charlottenburg (1918–1952). 55 Th. Lewald an O.v. Miller, 13.11.1916. BA Berlin, R 1501/113190, Bl. 58. 56 A. Einstein an W.C. Röntgen, Berlin 29.11.1916, In: Einstein (1998), S. 368. 57 M. Planck an W.C. Röntgen, Berlin 29.11.1916. SA, 63Lp638. 58 Adam (2016), S. 73. 59 Staatssekretär des Innern an Präsidenten der PTR, Berlin 17. Juli 1917. BA Berlin, R 1501/113190, Bl. 142.

26 stellt eine eigenständige Einrich- zuständige staatliche Aufsichtsbe- rungen der eingereichten Satzung tung dar, die Beirat, Direktorium hörde Anfang 1918 zur Erteilung durch den Regierungspräsidenten und ähnliche Organe besitzt; auch der „landesherrlichen Genehmigung angemahnt wurden, scheint die muss sie durch rechtsfähige Perso- der Stiftung“ übersandt wurde, trägt endgültige Genehmigung erst am nen oder Körperschaften begründet das Datum vom 30. November 11. November 1919 erteilt worden werden. Um letztere Bedingung zu 1917.60 Wahrscheinlich kriegsbe- zu sein – mit einer Stiftungsur- erfüllen, fungierten kurzerhand die dingt und weil noch kleinere Ände- kunde, die das Datum 17. Juni 1919 Vertreter der Vereine, die den Fest- ausschuss für die Werner-Siemens- Feier gebildet hatten, als offizielle Gründer der Stiftung. Dies waren:

■Oskar von Miller als Vertre- ter des Deutschen Museums München ■ Max Kloss als Vertreter des Elektrotechnischen Vereins Berlin ■Georg Klingenberg als Vertreter des Verbandes Deutscher Elektrotechni- ker Berlin ■Conrad Matschoß als Vertreter des Vereins Deutscher Ingenieure Berlin ■Richter als Vertreter des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes Berlin

Auch wenn die Gründung der Siemens-Ring-Stiftung bereits im Herbst 1916 beschlossene Sache war und auf der Hundertjahr- feier von Siemens am 13. Dezember 1916 nicht nur die Gründung verkündet, sondern auch schon mit dem Kältetech- niker der erste Ringträger benannt und andere Aktivitäten angekündigt wurden, zog sich die offizielle Gründung noch über Monate, ja Jahre hin. Es fällt deshalb schwer, ein definiertes Gründungsdatum für die Siemens- Ring-Stiftung zu benennen. Die Erste Seite der Liste der Stifter, 1918 Stiftungsurkunde, die dem Regie- rungspräsidenten in Potsdam als

60 Th . Lewald an Regierungspräsident in Potsdam, 19.1.1918. SenJuA Berlin, Die Siemens-Ring-Stift ung zu Charlottenburg (1918–1952).

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 27 Zusammensetzung des Stiftungsrates

Aus­ Institution Aufnahme scheiden trägt.61 Durch das Kriegsende und Präsident der PTR / PTB (ex officio), die damit einhergehende Revo- 1917 Vorsitzender des Stiftungsrats lution, die aus Deutschland eine Die lebenden Ringträger 1917 Republik machte, wurde die Stiftung Technische Hochschule Charlottenburg / auch nicht mehr per „Allerhöchste 1917 Technische Universität Berlin Genehmigung Seiner Majestät des 1917 Königs“, sondern durch ein Erlass der Preußischen Staatsregierung Verein Deutscher Ingenieure 1917 bestätigt.62 Jubiläums-Stiftung der Deutschen Industrie 1917 1924* Verband Deutscher Elektrotechniker / Verband der Elektrotechnik, Elektronik, 1917 Der Stiftungsrat Informationstechnik Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes 1917 1953 eben der Ausarbeitung einer Verein deutscher Chemiker / Satzung gehörte zu den vor- 1917 Gesellschaft Deutscher Chemiker Ndringlichsten Aufgaben der Stif- Schiffbautechnische Gesellschaft 1917 tungsaktivisten um Oskar von Verein deutscher Gas- und Wasserfachmänner / Miller die Formierung eines Stif- 1917 Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches tungsrates, dem „die Vertreter der Verband Deutscher Architekten und Ingenieur-Vereine 1917 1936 hervorragendsten wissenschaftlich- technischen Vereine angehören“ und Deutscher Architekten- und Ingenieur-Verband 1952 der „die Ziele der Stiftung umsetzen“ Deutsche Gesellschaft für Bauwesen (1936–1938) 1936 1938 und den entsprechenden Beschlüs- Fachgruppe Bauwesen des NSBDT (1939) 1939 1945 sen „eine besondere Bedeutung 63 Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft / Max-Planck-Gesellschaft 1930 geben“ sollte. Verband der Deutschen Hochschulen 1930 1936 Den ersten Stiftungsrat bil- deten folgende Personen und Verein deutscher Eisenhüttenleute 1938 Institutionen64: Deutscher Verband Technisch-Wissenschaftlicher Vereine 1930** Nationalsozialistischer Bund Deutscher Technik 1938 1945 ■■ Präsident der Physikalisch- Deutsche Physikalische Gesellschaft 1953 Technischen Reichsanstalt Bundesverband der Deutschen Industrie 1953 ■■ Die Träger des Siemens-Rings Vertreter der Familie Siemens 1966 Deutsche Forschungsgemeinschaft 1971 Je ein Vertreter der nachfolgen- Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 1971 den Institute und Körperschaften: Professor der Natur- oder Ingenieurwissenschaften TH Berlin: W. Pflaum (bis 1977), W. Beitz (1978/87), ■■ Technische Hochschule H.-G. Wagemann (1988–2001), K. Petermann (seit 2001); 1971 Charlottenburg Naturwissenschaften: R. Lüst (1971/72), A. Butenandt (1972/77), H.J. Queisser (1978/98), Chr. Nedeß (seit 1998) ■■ Deutsches Museum Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt 1984 ■■ Verein Deutscher Ingenieure Gesellschaft für Informatik 1984 ■■ Jubiläums-Stiftung der Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der 1994 Angewandten Forschung Deutschen Industrie

* der Inflation zum Opfer gefallen ■■ Verband Deutscher ** Der DVT wurde 1934 aufgelöst bzw. dem NSDT zugeschlagen, sodass er als Elektrotechniker eigen­ständige Gesellschaft zwischen 1934 und 1945 nicht dem Stiftungsrat angehörte.

61 Stiftungsurkunde Siemens-Ring-Stiftung. SenJuA Berlin, Ordner Die Siemens-Ring-Stiftung zu Charlottenburg (1918–1952). 62 Titelblatt der Akte. SenJuA Berlin, Ordner Die Siemens-Ring-Stiftung zu Charlottenburg (1918–1952). 63 O.v. Miller an Rektor und Senat der TH, 4. November 1916. DMA, VA 2862/1. 64 Satzung (17.Juni 1919). SenJuA Berlin, Ordner Die Siemens-Ring-Stiftung zu Charlottenburg (1918–1952).

28 ■■ Verein zur Beförderung des Den im Stiftungsrat vertretenen Termins, ab 1920 fanden die einmal Gewerbfleißes Vereinen und Gesellschaften blieb jährlich stattfindenden Stiftungs- ■■ Verein Deutscher Chemiker es selbst überlassen, ihre Vertre- ratssitzungen fast ausschließlich ter zu benennen, wobei es keine am 13. Dezember, dem Geburtstag ■■ Schiffbautechnische speziellen Amtsperioden gab – so von Werner von Siemens, statt, was Gesellschaft wirkten beispielsweise Oskar von sogar satzungsmäßig festgeschrie- Miller als Vertreter des Deutschen ben wurde68; bis 1942 fanden die Sit- ■■ Verein Deutscher Gas- und Museums oder Conrad Matschoß zungen ausschließlich in Berlin statt, Wasserfachmänner als Repräsentant des VDI dort bis doch mit der Neukonstituierung der ■■ Verband Deutscher Architekten zu ihrem Tod 1934 bzw. 1942, d. h. Stiftung wechselte der Sitzungsort, und Ingenieur-Vereine über mehrere Jahrzehnte. Gleiches wobei Braunschweig als Stand- trifft natürlich auch für die Ring- ort der Physikalisch-Technischen Obwohl §6 der Satzung träger zu, die satzungsgemäß eben- Bundesanstalt ein gewisses Privileg bestimmt, dass der Stiftungsrat falls dem Gremium angehörten. besitzt. „berechtigt ist, durch einstimmigen An seine Amtszeit als Präsident der Beschluss weitere Körperschaften Physikalisch-Technischen Reichs- In der konstituierenden Sitzung aufzunehmen“65, wurde von dieser anstalt war indes der geschäftsfüh- wurden nochmals die von Miller Option im Laufe ihrer hundert- rende Vorsitzende des Stiftungsrats schon im Herbst 1916 vorgelegte jährigen Geschichte nur selten gebunden, der diese Funktion Satzung sowie die anstehenden Gebrauch gemacht und der Kreis qua Amt ausübt und zugleich der Verwaltungs- bzw. Wirtschaftsfra- der im Stiftungsrat vertretenen Vorsitzende der Stiftung ist. Walther gen diskutiert, insbesondere die Körperschaften blieb weitgehend Nernst bekleidete so nur knapp Modalitäten, wie die gezeichneten konstant und relativ statisch. Eine zwei Jahre (1922–1924) dieses Amt, Stiftungsbeiträge einzufordern erste Erweiterung des Stiftungsrats wogegen Dieter Kind über zwanzig seien; ebenfalls wurde bei dieser fand 1930 mit der Aufnahme der Jahre (1975–1995) amtierte. Bis Gelegenheit entschieden, dass das Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, deren 1924 wurde auch die Geschäftsfüh- Stiftungskapital zu gleichen Teilen Mitgliedschaft man wohl auch rung der Stiftung durch Beamte der in Kriegsanleihen und Pfandbrie- schon bei der Gründung bedacht Reichsanstalt, u. a. von Rechnungs- fen angelegt werden solle. Eine hatte66, und des Verbandes Deut- rat Barowsky67, wahrgenommen, Entscheidung, die nicht nur die scher Hochschulen statt; im Dritten danach ging sie an den Deutschen patriotische Gesinnung von Stiftung Reich wurde dann der Stiftungsrat Verband Technisch-Wissenschaft- und Stiftungsträger herausstellte, den neuen politischen Verhältnis- licher Vereine (DVT) über, deren denn damit trug man auch zur sen angepasst, insbesondere durch langjährige Geschäftsführer der Finanzierung des Ersten Weltkriegs die Streichung von aufgelösten DVT Georg Freitag bis Anfang der bei, sondern auch weitreichende Verbänden und die Aufnahme des sechziger Jahre in Personalunion Konsequenzen zeigen sollte. In der Nationalsozialistischen Bundes auch Geschäftsführer der Stiftung Hyperinflation der Jahre 1922/23 Deutscher Technik (NSBDT); war. Im Jahre 2016 wurde die ging so das gesamte Stiftungskapital auch wurde der Verein Deutscher Personalunion entkoppelt und die verloren und bedrohte die Siemens- Eisenhüttenleute aufgefordert, Geschäftsführung bzw. die generelle Ring-Stiftung in ihrer Existenz – wie dem Stiftungsrat beizutreten. Nach Unterstützung der Siftung wird auch viele andere und insbesondere der Wiedereinrichtung der Stif- seitdem von der „VDE/VDI Innova- die sogenannten unselbständigen tung nach dem Zweiten Weltkrieg tion + Technik GmbH“ wahrgenom- Stiftungen.69 Beispielsweise war man erfolgten weitere Ergänzungen, die men (siehe Tabelle Seite 49). 1924 nicht in der Lage, aus dem jedoch in einem überschaubaren Stiftungskapital den Ring für den Rahmen blieben und die Struktur Der Stiftungsrat konstituierte Preisträger (Carl Bosch) zu finan- des Gremiums nicht grundsätzlich sich am 13. März 1917 in Berlin. zieren, sodass der nötige Betrag veränderten (siehe Tabelle Seite 28). In den ersten Jahren gab es keine vom Deutschen Museum ausgelegt festen Regularien hinsichtlich des werden musste; wie damals über-

65 Satzung der Stiftung (17. Juni 1919). SenJuA Berlin, Ordner Die Siemens-Ring-Stiftung zu Charlottenburg (1918–1952). 66 Entwurf der Satzung, 1916. BA Berlin, R1501, 113190, Bl. 106R. BA Berlin, R1501, 113190, Bl. 106R. 67 Archiv-Verwaltung Siemens & Halske an Herrn Kaufmann, Berlin 28.11.1921. SA, 63Ld571. 68 C. Matschoß an R. Köttgen, Berlin 16.11.1928. SA, 63Ld 571. 69 Vgl. Adam (2009), S. 179 f.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 29 die wissenschaftliche Begründung der Kältetechnik und um die Ent- wicklung der Kälteindustrie“. 72 Bei der Wahl mag neben den wissen- schaftlichen Meriten Lindes eine Rolle gespielt haben, dass sowohl Lindes als auch Millers Wirkungs- kreis in München lagen und Linde auch zum engeren Kreis jener gehörte, die Miller bei der Grün- dung des Deutschen Museums unterstützt hatten. Das exklusive Frühstück im Adlon kann im Übrigen als sat- zungsgemäß charakterisiert werden, denn die bestimmte im §7, dass

„Im Anschluß an den gesellschaft- Gedenktafel für August Wilhelm von Hofmann an seinem Geburtshaus in Gießen lichen Teil der Sitzung den Mitglie- dern des Stiftungsrates Gelegenheit geboten werden (soll), sich über besonders wichtige Fragen auf dem haupt die Mittel für die nötigen im Anschluss an die konstituie- Gebiet der Naturwissenschaften und Ausgaben der Stiftung über Jahres- rende Sitzung des Stiftungsrates Technik auszusprechen und Anre- beiträge der Förderer der Stiftung begab man sich ins nahe gelegene gungen für die Förderung wichtiger und andere Spender aufzubringen Hotel Adlon, wo Carl von Linde Bestrebungen zu geben, welche die waren.70 Um den Fortbestand der als erstem Preisträger der Siemens- bei der Siemens-Ring-Stiftung vertre- Stiftung und die Fortführung ihrer Ring überreicht wurde. Dies tenen Körperschaften nahestehen.“73 Aufgaben dauerhaft zu sichern, geschah im Rahmen eines Früh- wurde vom Stiftungsrat im Jahre stücks und in Anwesenheit von Dies zeigt, dass die Stiftung 1928 ein großangelegter Spenden- Wilhelm und Arnold von Siemens mehr sein sollte als ein Gremium aufruf initiiert, um die nötigen als Vertreter der Siemensfamilie. von Honoratioren zur Kürung Kapitalmittel einzuwerben.71 Dabei Über die Gründe für die Wahl eines Preises. Man wollte mit der kam ein Betrag von 60 000 RM Lindes kann man nur Mutmaßun- Siemens-Ring-Stiftung und ihrem zusammen, was die Stiftungsarbeit gen anstellen – seine Reputation als Stiftungsrat auch informellen für die kommende Jahre zwar nicht Kältetechniker ist unstrittig und in Einfluss auf wissenschaftlich- auf eine solide, doch immerhin seinem Profil als Techniker, Wis- technische Entwicklungen in stabile Grundlage stellte und die senschaftler und Unternehmer war Deutschland nehmen, zumal der Existenz der Stiftung bis zum Ende er dem Namensgeber der Auszeich- Stiftungsrat gleichermaßen hoch- des Zweiten Weltkriegs sicherte. nung sehr ähnlich. Bei der Auswahl rangige und einflussreiche Vertreter des ersten Ringträgers war wohl der Technik und Industrie vereinte. wieder Miller maßgebend, denn die Nicht zuletzt sollten die Aktivitäten Der Stiftungszweck Wahl folgte einem Antrag Millers der Stiftung dazu beitragen, den und geschah bereits auf der ersten Rang der Technik und ihre gesell- rotz des Krieges und den damit offiziellen Sitzung der Stifter am schaftliche Rolle bzw. Akzeptanz verbundenen Einschränkungen 24. November 1916. Laut Sitzungs- zu befördern. Hierzu verfügte die Twar man im Frühjahr 1917 von protokoll erhielt Linde die Aus- Satzung der Stiftung im §4, dass solcher Notlage weit entfernt, denn zeichnung „für seine Verdienste um

70 F. Paschen an C.F. von Siemens, Berlin 17.5.1926. SA, 63Ld 571. 71 F. Paschen an Reichsministerium des Innern, Berlin 29.10. 1928. BA Berlin, R 1501/127079, Bl. 12. 72 Stiftungsratssitzung 1916. SRSA, Ordner Protokolle der Stiftungsratssitzungen (1916–1945) 73 Satzung (17. Juni 1919). SenJuA Berlin, Ordner Die Siemens-Ring-Stiftung zu Charlottenburg (1918–1952).

30 „Unabhängig von der Verleihung während des Ersten Weltkriegs, teres Betätigungsfeld der Stiftung des Siemens-Ringes durch die am 8. Juli 1918, am Geburtshaus wurde die Förderung des techni- diese Stiftung auch die Möglichkeit des Chemikers und Begründers schen Nachwuchses – so erhielten geboten werden (soll), das Anden- der deutschen Teerfarbenindustrie herausragende Absolventen Tech- ken verstorbener Personen, die August Wilhelm von Hofmann in nischer Hochschulen Fotografien sich um die Technik in Verbindung Gießen eine Gedenktafel (siehe von Werner von Siemens oder mit der technischen Wissenschaft Abbildung Seite 30) angebracht. auch Bücherspenden. Zur Erinne- grosse Verdienste erworben haben, Damit war eine Tradition begrün- rung an den Wasserbauingenieur durch Errichtung von Denkmälern, det, die bis in die jüngste Vergan- Ludwig Franzius wurde zudem an durch Stiftung von Gedenktafeln, genheit reicht (siehe untenstehende den Technischen Hochschulen in durch allgemeine Verbreitung von Tabelle). Weiterhin wurde mit Berlin-Charlottenburg und Han- Biographien oder in einer sonstigen Mitteln der Stiftung noch während nover Studenten des Wasserbaus, dem Stiftungsrat geeignet erschei- des Kriegs eine Biografie von Ernst die ihr Studium mit einem Prädikat nenden Weise zu erhalten.“74 Abbe finanziert und in hoher abgeschlossen hatten, mit einer ent- Auflage insbesondere an Schulen sprechenden Plakette geehrt (siehe Auf die Erfüllung auch dieses und unter Arbeitern verbreitet75; Abbildung Seite 32). Stiftungszwecks wurde von Anfang auch hier sollten in der Folgezeit an großer Wert gelegt, wohl nicht weitere Lebensgeschichten bedeu- Ungeachtet all dieser Aktivitäten zuletzt, um die Kritik am protzen- tender Techniker folgen, so zu Peter und der dafür getätigten Öffentlich- haften Charakter der Auszeichnung Beuth76, Joseph von Fraunhofer77 keitsarbeit stand die Verleihung des zu entschärfen. So wurde noch oder Ernst von Alban78. Ein wei- Siemens-Rings immer im Mittel-

74 Satzung (17. Juni 1919). SenJuA Berlin, Ordner Die Siemens-Ring-Stiftung zu Charlottenburg (1918–1952). 75 Vgl. Auerbach (1918). 76 Matschoß (1921). 77 Rohr (1929). 78 Matschoß (1940).

Liste der durch die Stiftung gestifteten Denkmäler und Gedenktafeln

Name Art der Ehrung Einweihung Hofmann, August Wilhelm von Tafel am Geburtshaus in Gießen 08.07.1918

6 Tafeln an einstigen Wirkungsstätten (Gustavsburg, Gerber, Heinrich Technische Hochschule München, Hauptbahnhof München, 27.06.1934 Bamberg, Mannheim, Hassfurt) und eine am Geburtshaus in Hof

Hefner-Alteneck, Friedrich Tafel Braunauerbrücke München 14.09.1929 Otto, Nikolaus, Langen, Eugen Ehrenmal Bahnhof Köln-Deutz 26.06.1931 Diesel, Rudolf Relief im Ehrensaal Deutsches Museum München 28.09.1932 Eyth, Max Denkmal Ulm (Adlerbastei) 27.09.1933 Alban, Ernst Granitbank und Tafel Plau (Friedhof) 15.06.1941 Stolze, Franz Gedenktafel Berlin 14.03.1963 Fraunhofer, Joseph Gedenktafel Benediktbeuern 11.06.1963 Zuse, Konrad Gedenktafel Berlin 13.12.1976 Kruckenberg, Franz Gedenktafel Uetersen 21.08.1982 Schottky, Walter Gedenktafel Gymnasium Steglitz 25.09.1990 Helmholtz, Hermann Tafel PTB-Berlin 08.09.1994 Erste Elektrische Bahn Tafel Berlin-Lichterfelde 13.12.1999 Engler, Karl; Hans Bunte Gedenktafel TU Karlsruhe 13.11.2007 Föttinger, Hermann Tafel TU Berlin 05.05.2008

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 31 verleihen ebenfalls das Deutsche Die Träger des Rings Museum, seit 1925, der Verein Deutscher Ingenieure, seit 1934, ie Stiftungssatzung legte fest, und die Deutsche Gesellschaft für dass der Siemens-Ring im Luft- und Raumfahrt, seit 1957. D„Zeitraum von mindestens drei Jahren“ erfolgen sollte, wobei der Wie schon erwähnt, war die Idee Ringträger in einer geschlosse- eines Rings als Auszeichnungs- nen Sitzung des Stiftungsrates form zunächst nicht unumstrit- bestimmt wird – nach einem ten und musste sich gegen einen Ritual, das ebenfalls von der Vorschlag von Conrad Matschoß Stiftungssatzung vorgegeben wird und dem VDI durchzusetzen, denn und in seiner Grundstruktur in diese hatten sich zunächst für die der hundertjährigen Geschichte Verleihung einer Gedenkmünze nur geringfügige Modifikationen Franzius-Plakette, die bis ausgesprochen.79 Miller machte erfahren hat. Danach werden die 1942 an Absolventen im Fach indes geltend, dass solche „Denk- eingegangenen Vorschläge in der Wasserbau der TH Berlin münzen sehr häufig sind ..., so dass Abfolge der auf sie entfallenen und der TH Hannover mit Prädikat vergeben wurde ich mir eine wirklich bedeutungs- Stimmen diskutiert, bis sich ein volle Ehrung für Siemens aus der Vorschlag herauskristallisiert, der Schaffung einer solchen Denkmünze als angenommen gilt, wenn sich nicht verspreche.“80 Wie ernst man eine Mehrheit der Mitglieder des punkt der Stiftungsaktivitäten. Die die Frage der Exklusivität und des Stiftungsrats darauf einigen kann. Verleihung eines Rings scheint in Alleinstellungsmerkmals „Siemens- In den vergangenen hundert Jahren heutiger Perspektive und ange- Ring“ nahm, macht auch die wurden insgesamt 36 Ringträger sichts einer Vielzahl anderer und Tatsache deutlich, dass Miller in der gekürt (siehe Tabelle Seite 33). zudem hochdotierter Preise etwas konstituierenden Sitzung des Stif- Dabei fällt ins Auge, dass bis 1960 antiquiert und angestaubt zu sein. tungsrates anregte, das Reichsamt dem §3 der Stiftungsstatuten, „Im Allerdings hat der Ring als Zeichen des Innern zu ersuchen, geeignete Allgemeinen soll der Siemens-Ring von Exklusivität oder Symbol hoher Maßnahmen in die Wege zu leiten, jeweils nur an eine Person verliehen Auszeichnung eine lange kulturelle um „die Herstellung und das Tragen werden.“83, streng gefolgt wurde. Tradition. Man denke nur an die ähnlicher Ringe durch Unbefugte In den sechziger und siebziger Ehrenringe, die seit Urzeiten von nach Möglichkeit zu verhindern“81; Jahren ist man unter Bezug auf Fürsten, Bischöfen oder anderen schließlich wurde das Reichspa- die Ausnahmeregelung, „Eine hohen Amts- und Würdenträgern tentamt um eine entsprechende gleichzeitige Verleihung mehrerer getragen wurden; auch gibt es Expertise gebeten, das in einem Personen ist jedoch zulässig, wenn gerade im kulturellen und kommu- ausführlichen Schreiben die gesetz- ein Verdienst geehrt werden soll, an nalen Bereich zahlreiche Beispiele lichen Möglichkeiten erläuterte, die dem mehrere Personen in gleichem von Ring-Verleihungen, von denen der Gebrauchsmuster-, Urheber- Masse beteiligt sind.“, in fünf von der seit 1832 verliehene Iffland- und Kunstschutz in dieser Sache sechs Preisträgerrunden dieses Ring für den bedeutendsten und bieten würde.82 Konkrete Maßnah- Zeitraums davon abgewichen und würdigsten Bühnenkünstler des men zur Sicherung der Exklusivität hat jeweils drei (1960, 1964) bzw. deutschsprachigen Theaters wohl des Siemens-Rings sind aber nicht zwei (1968, 1972, 1975) Preisträger am bekanntesten und zudem sagen- überliefert und das Problem scheint gekürt; nochmals gab es im Jahre umwoben ist. Überhaupt lässt sich sich von selbst erledigt zu haben, 2011 zwei Preisträger. Dabei wurde feststellen, dass der Siemens-Ring denn es sind keine Fälle bekannt die oben zitierte Ausnahmeregel gerade im Bereich der Technik- geworden, die dem Siemens-Ring sehr weit ausgelegt. Beispielsweise und Ingenieurwissenschaften bald in dieser Hinsicht Konkurrenz wurden die Preisträger des Jahres Nachahmer fand – Ehrenringe gemacht hätten. 1964, der Physiker Walter Schottky,

79 O. v. Miller an C. Matschoß, München 30.9.1916, DMA, VA 2868. 80 Entwurf Rundschreiben v. Oktober 1916. BA Berlin, R 1501 / 13190, Bl. 21. 81 Stiftungsratssitzung 13.3.1917. SRSA, Ordner Protokolle der Stiftungsratssitzungen (1916–1945) 82 Präsident des Kaiserlichen Patentamtes an Präsident der PTR, 28.4. 1917. BA Berlin, R 1501 / 113190, Bl. 147–150. 83 Satzung (17.Juni 1919). SenJuA Berlin, Ordner Die Siemens-Ring-Stiftung zu Charlottenburg (1918–1952).

32 Jahr der Verleihung Alter des Preisträgers Preisträger (Alter) der Informatiker Konrad Zuse und der Architekt Fritz 1916 C. v. Linde (74) Leonhardt, für höchst unterschiedliche Leistungen geehrt. Hintergrund dieser Inflation war, dass man das 1919 C. Auer v. Welsbach (61) Gewicht der Ringträger im Stiftungsrat stärken wollte, denn bei der Wiedereinrichtung der Stiftung im Jahr 1923 C. Bosch (50) 1952 gab es mit Walther Bauersfeld nur einen noch lebenden Ringträger und die Situation änderte sich 1926 O. v. Miller (71) auch im folgenden Jahrzehnt durch den Tod der neuen Ringträger Hermann Röchling und Jonathan Zenneck 1929 H. Junkers (70) nicht. Eher verschlechterte sie sich, denn im Jahre 1933 W. Gaede (55) 1959 gab es keinen lebenden Ringträger mehr. Um die

Lücke zu schließen und damit künftig „Siemens-Ring- 1937 F. Todt (46) Träger den Kern des Stiftungsrates bilden sollten“, wurde 1963 eine Änderung der Stiftungssatzung angeregt, 1941 W. Bauersfeld (66) die ausdrücklich eine Verleihung an mehrere Persön- 84 lichkeiten gestattet. Im Rahmen der Satzungsände- 1952 H. Röchling (80) rung des Jahres 1968 kehrte man zudem wieder zur ursprünglichen Wahlperiode von drei Jahren zurück, 1956 J. Zenneck (85) denn während des Dritten Reiches und zwischen 1952 O. Bayer (58) 1960 W. Reppe (68) und 1968 waren nur alle vier Jahre Ringträger gekürt K. Ziegler (62) worden. Ein wichtiger Grund für diese Verkürzung F. Leonhardt (55) 1964 W. Schottky (78) war die Hoffnung, so stärker (und auch öfter) die K. Zuse (54) öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ein K. Küpfmüller (71) 1968 Grundproblem der Stiftungsarbeit bis heute, sodass im S. Meurer (60) L. Bölkow (60) hundertsten Stiftungsjahr beschlossen wurde, zu einem 1972 zweijährigen Auszeichnungsmodus überzugehen. K. Winnacker (69) W. v. Braun (63) 1975 Überblickt man die Liste der Preisträger W. Bruch (67) (siehe nebenstehende Übersicht), so sticht ebenfalls ins 1978 R. Hell (77) Auge, dass von den Stiftungsintentionen, „Diese Aus- zeichnung soll sowohl an Vertreter der Technik verliehen 1981 H. Scherenberg (71) werden, welche durch ihre Leistungen die technischen Wissenschaften gefördert, wie auch an Vertreter der 1984 F. P. Schä fer (53) Wissenschaft, die durch ihre Forschungen der Technik neue Gebiete erschlossen haben“, in der überwiegen- 1987 R. Schulten (64) den Zahl der Fälle Technikern und Ingenieuren sowie auch Unternehmer-Ingenieuren der Vorzug gegeben 1990 A. Fischer (71) wurden. Selbst wenn eine eindeutige Eingruppierung 1993 E. Gottzein (62) oft schwerfällt, lässt sich doch feststellen, dass „reine“ Wissenschaftler wie der Vakuumphysiker Wolfgang 1996 C. Petri (70 ) Gaede (1933), der Halbleiterphysiker Walter Schottky (1964), der Chemiker Karl Ziegler (1960), der Kern- 1999 D. Oesterhelt (58) physiker Rudolf Schulten (1987) oder der Informati- ker Carl Petri (1996) gegenüber den Technikern und 2002 J. Schlaich (68) Ingenieuren eine Minderheit darstellen. Geradezu marginalisiert ist das weibliche Geschlecht unter den 2005 B. Leibinger (75) Trägern des Siemens-Rings, denn als erste und bisher auch einzige Frau erhielt die Regelungstechnikerin 2008 B. Meyer (60) Eveline Gottzein im Jahre 1993 die Auszeichnung. 2011 M. Fuchs (73) Weiterhin kann man feststellen, dass bei den Preisträ- H. Scholl (76) gern des laufenden Jahrhunderts Vertreter des indus- 2015 M. Herrenknecht (74)

84 Stiftungsratssitzung 1963. SRSA, Ordner Proto- kolle der Stiftungsratssitzungen (1952–1989). Tabelle der Ringträger und ihr Alter zum Zeitpunkt der Verleihung

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 33 Eveline Gottzein nach der Auszeichnung mit dem Siemens-Ring, München 13.12.1994

triellen Mittelstandes dominieren, auch wenn diese Damit ist der Siemens-Ring ein Preis von Granden zuweilen die klassischen Kriterien für diesen sprengen für Granden und ähnlich wie beim Nobelpreis, deren oder mit Großunternehmen verbunden sind. Auf Träger ein vergleichbar hohes Durchschnittsalter von jeden Fall repräsentieren sie den Typ des sogenannten 66 Jahren aufweisen, werden auch hier Einzelpersonen Unternehmer-Ingenieurs. Es werden so zwar keine weniger für singuläre wissenschaftliche oder technische nobelpreiswürdigen Leistungen prämiert – wie z. B. im Einzelleistungen und Innovationen geehrt, sondern Falle Karl Zieglers, der drei Jahre nach der Ehrung mit oft für ihr Gesamtwerk und das meist relativ spät. Die dem Siemens-Rings auch 1963 den Chemie-Nobel- Verleihungspraxis des Rings zeichnet sich so durch preis erhielt, – doch stehen die aktuellen Preisträger Solidität und Seriosität aus, jedoch weniger durch Mut in der direkten Tradition eines Werner von Siemens und Risikobereitschaft in Hinblick auf brandneue und und des an der Spitze innovativer Technik stehenden innovative wissenschaftlich-technische Entwicklungen. Ingenieurs, der seine Innovationen unternehmerisch Allerdings gibt es auch hier die bekannten Ausnahmen begleitet. Damit wird natürlich auch eine Lanze für von der Regel – beispielsweise die Verleihung des Rings den Technologiestandort Deutschland gebrochen, im Jahre 1999 an den Biochemiker Dieter Oesterhelt denn nach wie vor sollen die Ringträger „aus dem vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martins- deutschen Kulturkreis ausgewählt werden, da es schon ried. Dieser erhielt die Auszeichnung für seine bioche- genügend internationale Auszeichnungen gibt, mit denen mische Grundlagenforschung, deren Erkenntnisse er in die Stiftung Werner-von-Siemens-Ring nicht in Wett- die biotechnologische Praxis zu überführen suchte. In bewerb treten sollte.“85 Charakteristisch ist auch das seiner Laudatio wies er darauf hin, dass relativ hohe Alter der Ringträger zum Zeitpunkt der Verleihung, dessen Durchschnitt bei 65 Jahren liegt – „der Beitrag der Biowissenschaften zur Technik eigentlich der jüngste Preisträger war mit 46 Jahren Fritz Todt, erst jetzt (beginnt), deshalb gilt mein besonderer Dank Johann Zenneck war mit 85 Jahren der Älteste. dem Stiftungsrat für den Mut zu dieser Entscheidung.“86

85 Stiftungsratssitzung 1971 und 2007. SRSA, Ordner Protokolle der Stiftungsratssitzun- gen (1952–1989); Ordner Protokolle der Stiftungsratssitzungen (1990–2015). 86 Werner-von-Siemens-Ring (1999), S. 42.

34 Die Stiftung schen Bereich durch eine rigide Durchsetzung des im Dritten Reich nationalsozialistischen Machtanspruchs und die Errichtung der NS-Diktatur gekennzeichnet, es waren a die Wahl der Preisträger nicht protokolliert auch die Jahre, in denen wissenschaftliche Institu- wird und alle Wahlunterlagen, einschließlich der tionen und Vereine gleichgeschaltet wurden.89 Die Deingereichten Personalvorschläge, satzungsgemäß Gleichschaltungsgesetze vom März und April 1933 vernichtet werden, gibt es nur in einzelnen Fällen eine hatten zwar die „Zentralisierung der Staatsmacht nach Überlieferung zum Kreis der diskutierten Kandida- dem Führerprinzip“ im Fokus90, doch fanden sie sehr ten und den Details der Entscheidungsfindung. Eine schnell auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen solche liegt für die Wahl von Fritz Todt im Jahre 1937 und namentlich im Vereinswesen breite Anwendung. vor. Johannes Stark, seit dem Frühjahr 1933 Präsi- Da dies weitgehend freiwillig und aufgrund von dent der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt und politischem Opportunismus geschah, kann man von damit auch Vorsitzender des Stiftungsrates, hatte am Selbstgleichschaltung sprechen. Diese zielte darauf, 16. November 1936 durch den Geschäftsführer der gleichartige Vereinigungen unter einem Dach zusam- Stiftung für den 14. Dezember zur alljährlichen Stif- menzuführen und zu zentralisieren und damit der tungsratssitzung eingeladen und dabei die Mitglieder NSDAP zu unterstellen. Hierdurch konnten dann die des Stiftungsrates aufgefordert, bis zum 5. Dezember Kernpunkte der NS-Herrschaft, das Führerprinzip Vorschläge für den Siemens-Ring einzureichen. Dieser sowie die rassistischen und politischen Diskrimi- Aufforderung kamen Gerhard Kloss (TH Berlin) und nierungsmaßnahmen, durchgesetzt werden. In den Jonathan Zenneck (Deutsches Museum München) ersten Jahren des Dritten Reichs waren es im Bereich nach, die den Erfinder des synthetischen Kautschuks von Wissenschaft und Technik insbesondere die Fritz Hofmann (Breslau) nominierten; weiterhin lag großen und einflussreichen wissenschaftlich-techni- ein Vorschlag für Friedrich Bergius (Heidelberg) schen Vereine und Gesellschaften, die im Zentrum seitens des Vereins zur Beförderung des Gewerbflei- der nationalsozialistischen Gleichschaltungspolitik ßes vor. In der Stiftungsratssitzung wurden dann standen. Mit dem Ziel, „die technisch-wissenschaftliche diese Vorschläge durch maßgebliche Intervention Arbeit in den Dienst der nationalsozialistischen Wirt- des Vorsitzenden mit der Begründung zurückgestellt, schaftsordnung zu stellen“, schlossen sich im Juni dass weder die vorschlagenden Mitglieder noch ein 1933 der Verein Deutscher Ingenieure und andere sachkundiger Vertreter der Chemie anwesend sei Ingenieurvereinigungen zur Reichsgemeinschaft der und „vor allem ... die Anträge satzungsmässig nicht technisch-wissenschaftlichen Arbeit (RTA) zusam- rechtzeitig eingegangen sind.“87 Letzteres traf zu, denn men, die von maßgeblichen Vertretern des NSDAP nach §8 der Satzung waren die „Vorschläge spätestens kontrolliert wurde. 91 Zu jenen maßgeblichen NSDAP- im Monat Juni des Verleihungsjahres durch den Vor- Funktionären gehörte Fritz Todt, der zu den frühen sitzenden einzufordern“ und diese „mit Begründung Gefolgsleuten des Nationalsozialismus und nament- spätestens am 1. August an die Geschäftsstelle einzurei- lich Hitlers gehörte und 1933 ins mächtige Amt des chen“; „spätestens am 15. September“ sollten sie dann Generalinspekteurs des deutschen Straßenwesens den Mitgliedern des Stiftungsrates zugestellt werden.88 aufgestiegen war; im Dezember 1933 übernahm er Allerdings hatte hier der Vorsitzende des Stiftungsra- auch das Präsidentenamt der RTA. In dieser Funktion tes selbst bzw. die Geschäftsstelle alle satzungsgemä- forcierte er die weitere parteiamtliche Umgestaltung ßen Termine nicht eingehalten und zeichnete damit bzw. Zusammenfassung des wissenschaftlich-tech- für die Verletzung der Statuten maßgeblich mitverant- nischen Vereinswesens, was 1936 zur Gründung des wortlich. Es gibt deshalb Grund zur Annahme, dass Nationalsozialistischen Bunds Deutscher Technik hinter diesen Regelwidrigkeiten und der Stark’schen (NSBDT) führte, eines Zusammenschlusses aller Argumentation politisches Kalkül stand. Ein Kalkül, technisch-wissenschaftlicher Verbände. Mit dem das darauf abzielte, die Siemens-Ring-Stiftung stärker NSBDT sicherte sich die NSDAP den totalen Zugriff an das nationalsozialistische Herrschaftssystem zu auf das technische Vereinswesen, da dieser direkt dem binden und sie auf spezielle Weise gleichzuschalten. Amt bzw. dem Hauptamt für Technik der NSDAP Die Jahre 1933 bis 1936 waren nicht nur im politi- unterstellt wurde; die Leitung von Letzterem nahm

87 Stiftungsratssitzung 1936. SRSA, Ordner Protokolle der Stiftungsratssitzungen (1916–1945). 88 Satzung 1927. SRSA, Ordner Satzungen. 89 Vgl. Ludwig (1981), S. 415ff. 90 Benz (2007), S. 490. 91 Vgl. Ludwig (1981), S. 415 ff.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 35 Sitzung des Stiftungsrats abgege- ben wurde und lautete, „Herrn Gaede in Karlsruhe i.B. den Sie- mens-Ring wegen seiner Verdienste um die Wissenschaft und Industrie zu verleihen ... Diese Verdienste bestehen in der Konstruktion einer Reihe von Luftpumpen ... Diese Luftpumpen ermöglichen große Fortschritte sowohl in der Wissen- schaft wie in der Industrie auf allen Gebieten, auf deren rasch und leicht hohe Gasverdünnungen herzustel- len sind.“95 Auf der turnusmäßigen Stiftungsratssitzung wurde dann Einladungskarte für die Ringverleihung an , 1930 dieser Vorschlag bestätigt – wie das Protokoll vermerkt: „nach ein- gehender Aussprache ... auf Antrag des Vorsitzenden“. 96 ebenfalls Todt wahr. Nachdem man auf der Stiftungs- Gaede fand in Stark einen mäch- Da im Stiftungsrat die Vertreter ratssitzung des Jahres 1932 die tigen Protagonisten, was nicht der gleichgeschalteten technisch- eigentlich anstehende Wahl des verwundert, denn dieser bekannte wissenschaftlichen Vereine – vom neuen Ringträgers wegen Mangels in seinen Lebenserinnerungen: VDI über den VDE bis hin zum an Vorschlägen auf das nächste VDCh – präsent waren, hatte die Jahr aufgeschoben hatte93, stand „Ich selbst hätte meine Entdeckun- Gleichschaltungspolitik natür- diese nun für die Sitzung am 13. gen jedenfalls nicht so schnell, lich auch Auswirkungen auf die Dezember 1933 an und gehörte zu wie es der Fall war, durchführen Siemens-Ring-Stiftung; nicht den ersten Amtshandlungen des können, wenn ich Gaedes Pumpen zuletzt stand ihr mit Johannes neuen Stiftungsrats-Vorsitzenden. nicht zur Verfügung gehabt hätte.“97 Stark ein alter Kämpfer vor, der im Stark forderte satzungsgemäß am Frühjahr 1933 gegen den einhel- 23. Oktober 1933 per Rundschrei- Allerdings fiel die Auszeichnung ligen Rat der Fachvertreter zum ben die Mitglieder des Stiftungs- in eine Zeit, als Gaede in Konflikt Präsidenten der Physikalisch- rats auf, bis zum 6. Dezember d. Js. mit der NSDAP stand – zumin- Technischen Reichsanstalt gekürt Vorschläge für die anstehende dest mit den lokalen Vertretern in worden war.92 Ungeachtet der Auszeichnungsrunde zu unter- Karlsruhe, wo er an der dortigen Tatsache, dass Stark ein verlässli- breiten. „Die Vorschläge sollen mit Technischen Hochschule seit 1919 cher Garant für die Durchsetzung einer Begründung versehen sein, die als Ordinarius und Direktor des der Grundprinzipien nationalso- ich im Umlauf sämtlichen Mitglie- Physikalischen Instituts wirkte. Im zialistischer Wissenschafts- und dern des Stiftungsrates noch recht- Sommer 1933 sah er sich natio- Forschungspolitik war, zeichnete zeitig vor der diesjährigen Sitzung nalsozialistischen Verleumdungen sich seine Amtsführung sowohl in am 13. Dezember d. Js. zur Kennt- und Denunziationen ausgesetzt, der Reichsanstalt wie auch bei der nis geben werde.“94 Leider ist nicht die offenbar von Mitarbeitern Siemens-Ring-Stiftung durch eine überliefert, ob und wie viele Preis- des Instituts ausgingen und gewisse Eigenwilligkeit und Spon- vorschläge eingingen. Bekannt ihn beschuldigten „in privaten taneität aus – beispielsweise bei ist lediglich das Votum von Stark Gesprächen vor der Entfernung der Wahl des neuen Ringträgers. selbst, das unmittelbar vor der der jüdischen Gelehrten von den

92 Vgl. Hoffmann (1993), S. 122. 93 Stiftungsratssitzung 1932. SRSA, Ordner Protokolle der Stiftungsratssitzungen (1916–1945). 94 Rundschreiben J. Starks, Berlin 23.10.1933. BA Berlin, R 1519 (PTR), Nr. 63, Bl. 196. 95 J. Stark an Siemens-Ring-Stiftung, Berlin 11.12.1933. BA Berlin, R 1519 (PTR), Nr. 63, Bl. 197. 96 Stiftungsratssitzung 1933. SRSA, Ordner Protokolle der Stiftungsratssitzungen (1916–1945). 97 Stark (1987), S. 91.

36 Der Tanzsaal der Siemens-Villa in Charlottenburg, wo im exklusiven Kreis die Verleihung des Siemens-Rings zwischen 1927 und 1938 erfolgte deutschen Hochschulen gewarnt zu aus dem Briefwechsel zwischen vitäts- und Quantentheorie hatten, haben“98; auch wollte man wissen, Stark und Philipp Lenard weiß, die damals gerade von den Vertre- dass Gaede sich mit ehemaligen war Stark seit September 1933 über tern der sogenannten Deutschen Politikern der Weimarer Republik die Vorgänge in Karlsruhe infor- Physik als vermeintlich „jüdi- zu einer Skitour auf dem Feldberg miert101 und hatte zusammen mit sche Physik“ denunziert wurden. getroffen habe.99 Für das in Baden Lenard versucht, sich auf ministeri- Sein Einsatz galt dem „deutschen mit hoher Auflage erscheinende eller Ebene für Gaede einzusetzen Forscher“ Wolfgang Gaede, der nationalsozialistische Kampfblatt und diesen vor unnötigen und mit seinen Vakuumpumpen nicht „Der Führer“ war es deshalb an vielleicht auch ungerechtfertigten zuletzt Starks Forschungen selbst der Zeit, „dass dieser Professor von Übergriffen der Parteibürokra- entscheidend befördert hatte. der Hochschule verschwindet.“100 tie schützen. Starks Motiv war Das politische Kesseltreiben führte mitnichten ein Akt politischer Als Starks und Lenards Versu- dazu, dass Gaede im Herbst 1933 Solidarität, sondern der Tatsache che, Einfluss auf die ministerielle durch das badische Kultusmins- geschuldet, dass Gaede Starks Entscheidung zu nehmen, keine terium „wegen politischer Unzu- Vorstellungen eines Naturforschers Wirkung zeigten, hat Stark offen- verlässigkeit“ aus seiner Professur entsprach, dessen experimentelle bar in seiner Stellung als Vorsitzen- entlassen wurde; das berüchtigte Forschungen und technische der des Stiftungsrats der Siemens- „Gesetz zur Wiederherstellung des Erfindungen kaum Berührung mit Ring-Stiftung alles daran gesetzt, Berufsbeamtentums“ diente dabei der modernen Physik und ihren Gaede die renommierte Auszeich- als juristische Handhabe. Wie man abstrakten Theorien wie der Relati- nung zukommen zu lassen und

98 Dunkel (1963), S. 233. 99 Vgl. Gaede (1954), S. 69. 100 Vgl. Gaede (1954), S. 70. 101 Vgl. Ph. Lenard an J. Stark, Heidelberg 23.9.1933, In: Lenard.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 37 nach der Bekanntmachung der Auszeichnung hatte er im Dezem- ber 1933 gegenüber seinem Kölner Kollegen M. Dunkel seiner Freude Ausdruck gegeben „über die ihm zu Teil gewordene Auszeichnung, die ihm die unerfreulichen Ereignisse der letzten Zeit vergessen lässt.“105

Die hohe Auszeichnung hat Gaede sicherlich ermutigt, sich gegen seine Entlassung zur Wehr zu setzen. Allerdings konnte er seine Rückkehr in den Staatsdienst nicht durchsetzen, doch erreichte er, dass er im Frühjahr 1934 ledig- lich „im Interesse des Dienstes“ aus dem Staatsdienst entlassen wurde und unbehelligt in die Industrie wechselte.106

Starks Einsatz für Gaede war also alles andere als eine Widerstands- haltung gegen die nationalsozialis- tische Gewaltherrschaft, die neben Gaede auch viele andere Gelehrte aus ihren Ämtern vertrieben und in die Emigration getrieben hat. Sein Verhalten war vielmehr gegen die Parteibürokratie und die „Heißsporne der Partei“ gerich- tet. Darüber hinaus ging dies mit seinem Wissenschaftsverständnis konform, das sich zwar gegen die moderne „jüdische“ Physik richtete und auch hasserfüllte und denun- ziatorische Injurien gegen Gelehrte wie Max Planck oder Albert Einstein einschloss, doch Physi- kerkollegen, die einen klassischen Conrad Matschoß (links) und Wolfgang Gaede bei der Verleihung des Siemens-Rings, Experimentier- und Forschungsstil 13.12.1934 pflegten, ihre Anerkennung selbst dann nicht versagten, wenn sie ihm so gegenüber den Angriffen Gaede – wie er in seinem Dankes- wie im Falle Gaedes in Grenzen von „Heißspornen der Partei“102 brief an Stark vom Dezember 1934 politisch gegen den Stachel gelöckt und „üblen Denunzianten“103 den bekannte – „in einer Zeit (der) hatten oder – wie im Falle des Ber- Rücken zu stärken. Die Auszeich- Bedrängnis eine sehr grosse morali- liner Physikordinarius’ und Nobel- nung mit dem Siemens-Ring gab sche Stütze“104; bereits unmittelbar preisträgers Gustav Hertz – gar

102 Stark (1987), S. 92. 103 J. Stark an Ph. Lenard, Berlin 3.10.1933, In: Lenard. 104 W. Gaede an J. Stark, Karlsruhe Dezember 1934. BA Berlin, R 15.19, Nr. 65, S. 266. 105 M. Dunkel an J. Stark, Köln 20.12.1933. BA Berlin, R 15.19, Nr. 62, Bl. 375. 106 Vgl. Hoffmann (1987a), S. 98.

38 jüdischer Herkunft waren. Als man reicht worden war, für den Ver- „auch zu erwähnen, daß sich Herr Hertz 1935 wegen seiner jüdischen fahrenschemiker Alfred Pott, dem Dr. Todt durch die Zusammen- Vorfahren die Prüfungsberechti- die Verfahrenstechnik neuartige fassung der gesamten technisch- gung entzog und er aus dem Amt Verfahren zur Herstellung flüs- wissenschaftlichen Vereine zum gedrängt wurde, hatte sich Stark siger Kohlenwasserstoffe (Pott- gemeinsamen Einsatz im Dienst ebenfalls für diesen beim zustän- Broche-Verfahren) verdankt. Es für das Gemeinwohl ebenfalls große digen Erziehungsministerium war eine Nominierung des Vereins Verdienste erworben habe.“112 Die (erfolglos) eingesetzt.107 der Gas- und Wasserfachmänner; Widmung, die traditionsgemäß als fünfter Kandidat stand Fritz auf der Kassette des Siemens-Ring Dass solche vermeintliche Todt zur Wahl, den die Deut- eingraviert wurde, lautete dann Solidarität enge Grenzen hatte, sche Gesellschaft für Bauwesen politisch überkorrekt und mit zeigt auch das Beispiel Gaede, zum Vorschlag gebracht hatte. In falschem Pathos: „Dem Erbauer denn eine Berufung Gaedes an der Stiftungsratssitzung vom 13. der Strassen des Führers Dr.-Ing. F. die Kölner Universität und somit Dezember 1937 wurde schließlich Todt“. Im Übrigen haben neuere seine volle Rehabilitaion wollte Fritz Todt zum neuen Ringträger technik­historische Forschungen Stark indes nicht unterstützen. gekürt, wobei man sich relativ gezeigt, dass die bis heute weit Vielmehr befürwortete er dessen schnell auf ihn einigen und er alle verbreitete Meinung, dass Todt der Wechsel in die Industrie und stellte Stimmen des Stiftungsrats auf sich Visionär und Erbauer der deut- gegenüber Lenard klar: „Ich werde vereinigen konnte. So das offizi- schen Autobahnen war, mehr der auch nichts mehr für ihn tun.“108 elle Protokoll der Sitzung109, doch national­sozialistischen Propaganda Trotz solcher Eigenwilligkeiten scheint die Wahl nur etwas bestä- als den historischen Tatsachen ent- und gelegentlicher Widerspens- tigt zu haben, was offenbar zuvor spricht und ein Mythos ist, da mit tigkeit war Stark ein überzeugter schon abgesprochen bzw. vom der Planung und dem Aufbau eines Anhänger des Nationalsozialismus Vorsitzenden Stark geplant worden Netzes von Reichsautobahnen und verlässlicher Garant für die war. In einem Brief des Geschäfts- bereits in der Weimarer Republik Durchsetzung der Grundprinzi- führers der Stiftung Georg Freitag begonnen worden war.113 pien national­sozialistischer Wis- an Stark vom 26. November 1937 senschafts- und Forschungspolitik. regt dieser an, „Todt zum traditio- Wird Todts Rolle als Vater des Dies zeigt sich speziell in seiner nellen Festbankett im Anschluss an deutschen Autobahnbaus über- Amtsführung im Zusammenhang die Stiftungsratssitzung einzuladen, höht, bleibt dessen wissenschafts- mit der Preisträgerwahl 1936/37. damit ihm auf diesem Essen die politisches Engagement in der Wie oben bereits erwähnt, war Verleihung des Siemensrings (die ja offiziellen Begründung für die Ver- 1936 durch das Votum Starks wohl wahrscheinlich ist) verkündet leihung des Siemens-Rings unge- die Wahl zurückgestellt worden, werden kann.“110 Todt wurde, laut nannt und findet auch bei späteren doch stand sie 1937 erneut auf der Begründung des Stiftungsrates, der Würdigungen des Preisträgers Tagesordnung. Diesmal standen Siemens-Ring verliehen, weil „er kaum Erwähnung. Herausgestellt fünf Vorschläge – satzungsge- des Führers großen Gedanken der wird der Ingenieur und techni- recht eingereicht – zur Debatte, Schaffung von Reichsautobahnen sche Experte, wobei die politische die des Vorjahres mit Hofmann mit wissenschaftlichen Methoden Dimension und Motivation des und Bergius sowie Vorschläge technisch verwirklicht habe.“111 Autobahnbaus absichtsvoll verges- für den Chemiker und Pionier Darüber hinaus vermerkt das Sit- sen wird. Darüber hinaus ist Todts der Kohle-Hydrierung (Fischer- zungsprotokoll die Anregung von Tätigkeit als Ingenieur nur unter Tropsch-Verfahren) Franz Fischer, Max Kloss, Vertreter der TH Ber- Beachtung seiner herausgehobenen der von Wolfgang Gaede einge- lin-Charlottenburg im Stiftungsrat, Stellung innerhalb des national-

107 W. Walcher: Gedächtnisprotokoll über eine Unterredung mit Präsident Stark am Sonntag, dem 4. November 1934 (Kopie im Besitz von D.H.); J. Stark an Deutsche Dozentenschaft, Berlin 8.11.1934. GStA Dahlem, Rep. 76Va, Sekt 3, Tit V, Abtlg. Nr. 55, Bd. VII, Bl. 171. 108 J. Stark an Ph. Lenard, Eppenstadt 29.12.1933, In. Lenard. 109 Stiftungsratssitzung 1937. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrats (1916–1945). 110 G. Freitag an J. Stark, Berlin 26.11.1937. DMA, VA 2863H (1934–1942), Bl. 114. 111 Stiftungsratssitzung 1937. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrats (1916–1945). 112 Stiftungsratssitzung 1937. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrats (1916–1945). 113 Vgl. Schütz (1996).

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 39 sozialistischen Herrschaftssystems Dass die Verleihung des Rings an Amt, wobei er dem Gremium zu verstehen. Todt zählte nicht nur Fritz Todt alles andere als unpo- eigentlich schon als frisch gekürter schlechthin zur technokratischen litisch, vielmehr von politischem Träger des Siemens-Rings ange- Führungselite des Dritten Reiches, Opportunismus geleitet war, macht hörte. Der Kontakt zu Todt war sondern er hatte so viele Staats- auch die Tatsache deutlich, dass auch schon in den Jahren zuvor und Parteiämter auf sich vereinigt man sich bereits in den Jahren gesucht worden – beispielsweise wie kaum ein anderer Naziführer zuvor intensiv um ihn bemüht suchte man seine Unterstüt- und repräsentierte damit eine und in die Arbeit der Stiftung zung, um in der Walhalla eine außergewöhnliche Machtfülle.114 einzubinden versucht hatte. Damit Siemens-Büste aufzustellen.116 In Gleichzeitig war er jemand, der trug man genau jenen Prozessen diese Bemühungen hatte man im die Erhöhung des gesellschaftli- Rechnung, die im Zusammen- übrigen nicht nur Todt, sondern chen Status’ des Technikers und hang mit der Zusammenfassung auch andere einflussreiche NS- Ingenieurs und seines öffentlichen bzw. Gleichschaltung der gesam- Politiker wie den Postminister Ansehens stets mit den politischen ten technisch-wissenschaftlichen Wilhelm Ohnesorge einzubeziehen Implikationen des Ingenieurberufs Vereine standen. Todt war hier der gesucht117; allerdings ohne Erfolg, verknüpft wissen wollte und dies zentrale Akteur, mit dem die Sie- wie überhaupt zwischen 1933 und nicht zuletzt im parteipolitischen mens-Ring-Stiftung zu kooperieren 1945 nur eine Büste, die des Kom- Rahmen propagierte. Für ihn hatte suchte; zumal die Neuordnung des ponisten Anton Bruckner, in der der Ingenieur nicht nur fachlich, Vereinswesen auch ganz direkte Ehrenhalle aufgestellt wurde. sondern immer auch politisch – Auswirkungen auf die Zusammen- und das hieß im Sinne des Nati- setzung des Stiftungsrates besaß. Todt war jedoch vor allem als onalsozialismus – zu handeln. So waren der Verband Deutscher Verbündeter für die Idee des Ausgeprägter Technikkult, überstei- Hochschulen, der Verband Deut- Stiftungsrats gefragt, dem Siemens- gerter Nationalismus und fanati- scher Architekten- und Ingenieur- Ring durch eine repräsentativere sche Hitlerverehrung bildeten so Vereine und der Deutsche Verband und öffentlichkeitswirksame ein unauflösliches Amalgam seiner Technisch-Wissenschaftlicher Verleihungszeremonie zusätzliche Weltanschauung und seines Han- Vereine aufgelöst worden bzw. in Anerkennung und Aufmerksam- delns. Nicht zufällig stieg er nach NS-Organisationen, namentlich in keit zu verschaffen sowie ihn zum der nationalsozialistischen Macht- den Nationalsozialistischen Bund Staatspreis aufzuwerten. Nachdem übernahme und insbesondere seit Deutscher Technik aufgegangen. Hitler aber im Januar 1937 den Verkündung des Vierjahresplans Auf der Stiftungsratssitzung 1937 Nationalpreis für Kunst und Wis- (1936), der Deutschland autark und wahrscheinlich schon zuvor senschaft – in Reaktion auf die Ver- und kriegsfähig machen sollte, zu in internen Diskussionen wurde leihung des Friedensnobelpreises an einem der mächtigsten Männer angeregt, dass deshalb der NSBDT den Publizisten und Nazi-Gegner des Dritten Reiches auf. Ab 1940 Mitglied des Stiftungsrates werden Carl von Ossietzky – als höchste koordinierte er als Reichsminister sollte. In einem Brief an Stark vom Friedensauszeichnung des national- für Bewaffnung und Munition die 25. Januar 1938 teilte Todt dem sozialistischen Deutschen Reiches gesamte deutsche Kriegswirtschaft, Stiftungsratsvorsitzenden mit: gestiftet und damit die „Annahme und auch nach seinem zu vielfälti- „Ihren Vorschlag, daß der NS-Bund des Nobelpreises für alle Zukunft gen Spekulationen Anlass gebenden Deutscher Technik im Stiftungsrat Deutschen untersagt“ hatte118, Unfalltod im Februar 1942 blieb der Siemens-Ring-Stiftung vertreten kam die Stiftung eines weiteren er eine Symbolfigur des Dritten ist, begrüße ich sehr. Die einfachste Staatspreises nicht mehr in Frage Reiches, wurde zu einem Mythos, Lösung ist die von Ihnen vorgeschla- und die Idee musste ad acta gelegt der bis in die jüngste Vergangenheit gene, daß ich selbst die Vertretung werden.119 Auch in der Frage einer hinein von der Legende des unpoli- des NS-Bundes Deutscher Technik größeren öffentlichen Verleihungs- tischen Technokraten und kompe- übernehme.“115 zeremonie, wobei eine Kopplung tenten Fachmanns gespeist wird. Damit hatte Todt ein weiteres mit dem Tag der deutschen Technik

114 Vgl. Seidler(1986). 115 F. Todt an J. Stark, 25.1.1938. DMA, VA 2863H (1934–1942), Bl. 135. 116 VDE Nordbayern an J. Stark, Nürnberg 11.11.1936. DMA, VA 2863H, Bl. 76. 117 BA Berlin, R 1519, Nr. 62, Bl. 34. 118 Schmitz-Berning (1998), S. 145. 119 Stiftungsratssitzung 1937. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrats (1916–1945).

40 oder der Jahrestagung des Deut- schen Museums angedacht waren, kam man nicht weiter, sodass es bei der vergleichsweise intimen „Nach- sitzung“ zur Stiftungsratssitzung mit eingen Dutzend handverlesenen Teilnehmern und in Gestalt eines Festessens oder einer Vortrags- veranstaltung blieb – zumal sehr schnell der Kriegsausbruch ganz andere Prioritäten setzte.

Ansonsten wurde auch im Dritten Reich das Tagesgeschäft der Stiftung betrieben und insbe- sondere die Siemens-Bilder und Franzius-Plaketten alljährlich an Best-Studenten verliehen; jüdische Studenten waren natürlich nicht mehr vertreten. Da es weder unter den Preisträgern noch unter den anderen Mitgliedern des Stiftungs- rates jüdische Wissenschaftler gab, blieb es der Stiftung im Frühjahr 1933 „erspart“, Konsequenzen aus dem berüchtigten Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbe- Fritz Todt, „der Erbauer der Straßen des Führers“, amtentums zu ziehen. Lediglich Träger des Siemens-Rings 1937 Wilhelm Schlink und Wilhelm Urban räumten 1933 ihren Platz im Stiftungsrat120 – der eine wegen der Ring für Todt zeigt – die korrekte Siemens-Ring-Stiftung erweitert partiellen Umstrukturierung des Einhaltung der Satzung. Der wurden, bestand 1937 in der Aus- ihn entsendenden Reichsverban- weitreichendste politische Eingriff lobung eines Preisausschreibens des deutscher Hochschulen und in die Satzung bestand wohl in der für „die beste Biographie eines ver- Urban, weil er seitens des Verban- Erweiterung bei der Verleihung des storbenen großen deutschstämmigen des Deutscher Chemiker gegen den Siemens-Bildes und der Franzius- Ingenieurs“, das mit einem Preis- neuen Vorsitzenden Paul Duden Plakette auf die Hochschulen der geld von 1000 RM dotiert war. Das ausgetauscht wurde. Satzungsän- Ostmark und des Sudetengaus, Preisausschreiben geht auf eine derungen, wie sie im Dritten Reich einschließlich der Deutschen Tech- Anregung von Conrad Matschoß bei vielen Einrichtungen oder Ver- nischen Hochschule in Prag (statt zurück und folgte dessen Diktum: einen aufgrund der neuen politi- allein für „die technischen Hoch- schen Verhältnisse üblich waren121, schulen in Deutschland“)123. Das „Gute Bio­graphien haben zur beschränkten sich bei der Siemens- war zwar auch eine Legitimierung Pflege des Andenkens an unsere Ring-Stiftung im wesentlichen auf der aggressiven Expansionspolitik großen Toten aus dem Reich von die Aktualisierung des Kreises der Hitler-Deutschlands, doch alles Naturwissenschaft und Technik Stiftungsratsmitglieder122; eine andere wäre natürlich politisch mit die größte Bedeutung“.124 andere Frage war natürlich – wie unrealistisch gewesen. Eine Neu- Das Preisausschreiben stieß auf der Wahlvorgang für den Siemens- erung, mit der die Aktivitäten der recht große Resonanz und für

120 Reichsverband der Deutschen Hochschulen an Siemens-Ring-Stiftung, Berlin 10.11.1933. BA Berlin, R 8088, Nr. 765, Bl. 1. 121 Vgl. Maier (2015), S. 198ff; offmannH (2007), S. 174 ff. 122 Vgl. Tabelle der Mitglieder des Stiftungsrats, in diesem Band, S. 28 123 Stiftungsratssitzung 1939. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrats (1916–1945). 124 Stiftungsrat 1937. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrats.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 41 Preisträger des Preisausschreibens ein bevorzugtes Objekt für nationa- „Biographie eines deutschsprachigen Ingenieurs“ listische bzw. politische Instrumen- talisierungen. Beleg dafür ist der Jahr Preisträger (allerdings nicht realisierte) Vor- 1938 Rudolf Blochmann: Rudolf Sigismund Blochmann schlag, eine Biografie über Heinrich Hermann Raschen: Ignatz Stroof Göbel zu fördern, dessen „Verdienste 1939 Georg Zöllner: Johann von Zimmermann um die Entwicklung der Glühlampe von Amerika und England angezwei- Wilhelm Hassenstein: Joseph Furttenbach 1940 129 Georg Zöllner: Bruno Naumann felt werden.“ Am 13. Dezember 1942 kam der 1941 Paul Siebertz: Ferdinand von Steinbeis Stiftungsrat im Hotel Kaiserhof in Karl Wernicke: Karl Finkh; Gerhard Arnold: Carl Hoppe 1942 Berlin wohl zu seiner letzten Sitzung Lobende Erwähnung: Harald Beck: Heinrich Beck zusammen, und im Anschluss daran 1943 Heinrich Ebeling: Ferdinand Redtenbacher wurde im Rahmen einer kleinen Festveranstaltung der Ring an den Jenaer Physiker und Ingenieur Walther Bauersfeld verliehen – für die Jahre 1938, 1939 und 1940 München ihm anlässlich seines 250. seine Verdienste um die Entwick- wurden insgesamt fünf Biografien Todestages im Jahre 1936 auch eine lung des Zeiß’schen Projektions- ausgezeichnet. Angesichts des Sonderschau widmete.128 Allerdings planetariums und die Konstruktion Erfolgs beschloss der Stiftungsrat konnte die Neuausgabe der Nova von Hallen in Schalenbauweise. 1939125, das Preisausschreiben Experimenta nicht zum Abschluss Die Wahl von Bauersfeld war im für drei weitere Jahre bis 1943 gebracht werden. Neben diesen Übrigen auch nicht satzungskon- zu verlängern, und in diesem technikhistorischen Aktivitäten form erfolgt, geht sie doch auf den Zeitraum wurden weitere vier fand das Gedenkstätten-Programm alleinigen Vorschlag von Abraham Arbeiten prämiert126 (siehe obige der Stiftung seine Fortsetzung – so Esau zurück. Esau hatte im Sommer Tabelle). Allerdings blieben die wurde in Ulm ein Denkmal für Max 1939 Stark im Stiftungsvorsitz abge- preisgekrönten Biografien kriegs- Eyth errichtet (1933), eine Gerber- löst und gehörte wie sein Vorgänger bedingt unpubliziert.127 Zu den Plakette an dessen Geburtshaus zu den frühen Anhängern des Nati- technikhistorischen Initiativen der in Hof angebracht (1934) und das onalsozialismus sowie zu den mäch- Stiftung gehört auch die Förderung Grabmals des mecklenburgischen tigsten Wissenschaftsmanagern einer Neuausgabe von Otto Gue- Erfinders Ernst Alban in Plau des Dritten Reiches.130 Esau ließ rickes Schrift „Nova Experimenta“, restauriert (1941). Überhaupt lässt sich seinen Vorschlag lediglich im die seit Mitte der dreißiger Jahre sich feststellen, dass die technikhis- Vorfeld der Stiftungsratssitzung von betrieben wurde. Dabei spielte torischen Vorhaben der Stiftung im „einem größeren Teil der Mitglieder sicher eine Rolle, dass Guericke mit Dritten Reich Konjuktur hatten, was des Stiftungsrates, vor allem soweit seinen Luftpumpen nicht nur zu nicht allein mit den Vorlieben und sie in Berlin wohnen“, bestätigen. Ob den maßgeblichen Begründern der Initiativen von Conrad Matschoß dies, wie das Protokoll vermerkt, Vakuumtechnik gehört und seine zu erklären ist, sondern wohl auch „mit Rücksicht auf die Kriegsverhält- Nova Experimenta zu den program- der Tatsache geschuldet war, dass nisse“ geschah131 oder Esaus spezielle matischen Texten der wissenschaft- die historische Rückbesinnung in Interpretation des Führerprinzips lichen Revolution zählt, sondern totalitären Gesellschaften immer war, bleibt unklar. Guericke zudem im nationalsozialis- wichtiger Teil der eigenen Legiti- tischen Deutschland zum deutschen mierung darstellt. Darüber hinaus Naturforscher hochstilisiert wurde sind wissenschaftshistorische bzw. und das Deutsche Museum in technikhistorische Darstellungen

125 Stift ungsrat 1919. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stift ungsrats. 126 G. Freitag an F. Hassler. 13.7.1955. VDIA. 127 F. Hassler an F. Heintzenberg, Düsseldorf 12.10.1954. VDIA. 128 Vgl. Fuchs (1936). 129 Stift ungsratssitzung 1942. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stift ungsrats (1916–1945). 130 Vgl. Hoff mann und Stutz (2003), S. 136–179. 131 Stift ungsratssitzung 1941, SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stift ungsrats (1916–1945).

42 Verleihung des Siemens-Rings an Herrmann Röchling, Düsseldorf 13.12.1953 Von links nach rechts: Herrmann Röchling, Richard Vieweg und Walther Bauersfeld

1947 neu konstituierte133, oder die Regionalverbände 134 Neubeginn nach dem der Physikalischen Gesellschaft. Nachdem auch 1948 der Träger der Stiftung, die PTR, als Physikalisch- Zweiten Weltkrieg Technische Anstalt (ab 1949 dann Physikalisch Tech- nische Bundesanstalt, PTB) in den Westzonen ihre ach der Zerschlagung des Dritten Reiches und Tätigkeit wieder aufgenommen hatte, setzten an der der Besetzung Deutschlands durch die alliierten Wende zu den fünfziger Jahren gezielte Initiativen ein, NSiegermächte wurden nicht nur die NSDAP und ihre auch die Siemens-Ring-Stiftung wieder neu zu beleben. nachgeordneten Organisationen verboten, sondern Zunächst ging es um die treuhänderische Verwaltung vom Alliierten Kontrollrat wurden auch alle wis- des bescheidenen Restvermögens der Stiftung, deren senschaftlichen Gesellschaften aufgelöst bzw. ihnen Bücher bis 1945 vom VDI geführt worden waren – wie jegliche Aktivitäten untersagt.132 Davon war auch die die manch anderer ihm nahestehender Organisationen. Siemens-Ring-Stiftung betroffen. Allerdings setzten Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, nach wie vor schon sehr bald Bemühungen ein, das wissenschaftli- der offizielle Sitz der Stiftung, setzte Anfang 1951 den che Vereinsleben in Deutschland neu zu beleben, und Berliner Rechtsanwalt Hans Zemlin als Notvorstand etliche Gesellschaften nahmen bereits 1946/47 ihre und zur treuhänderischen Verwaltung der verbliebenen Tätigkeit wieder auf bzw. gründeten sich neu – so der Stiftungsgelder und Wertpapiere ein.135 Dieser sicherte Verein Deutscher Ingenieure, der sich im Frühjahr nicht nur das verbliebene Vermögen der Stiftung,

132 Vgl. Horlamus (1990). 133 Ludwig (1981), S. 455 134 Vgl. Rammer (2007), S. 363 ff . 135 Beschluss Amtsgericht Berlin-Charlottenburg v. 29.3.1951. SenJuA Berlin, Ordner 1951/52, Bl. 9ff .

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 43 Hermann Röchling und Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard beim Empfang nach der Ringverleihung, Düsseldorf 13.12.1953

sondern begleitete auch die nach der Währungsreform lud daraufhin brieflich den einzigen noch lebenden nötige Umstellung des Vermögens, und vor allem Träger des Siemens-Rings Walther Bauersfeld „sowie war er Ansprechpartner für die Wiederaufnahme der diejenigen Institute und Körperschaften, die früher einen Tätigkeit der Siemens-Ring-Stiftung. Hierzu gab es seit Vertreter in den Stiftungsrat der Siemens-Ring-Stiftung den späten vierziger Jahren erste Initiativen bzw. Anre- entsandt hatten“, zu einer Vorbesprechung in die PTB gungen, die sowohl seitens des Unternehmens und der nach Braunschweig, dem neuen Standort der Bundes- Familie Siemens136, aber auch durch den 1948 wieder anstalt, ein.138 Mit Vieweg, der 1951 das Präsidenten- gegründeten Deutschen Verband Technisch-Wissen- amt der PTB übernommen hatte, machte nicht nur schaftlicher Vereine (DVT) betrieben wurden. Daran eine hochrangige und durchsetzungsfähige Persön- beteiligt war nicht zuletzt der ehemalige Geschäftsfüh- lichkeit die Interessen der Stiftung zu seinen eigenen, rer des DVT Georg Freitag, der auch die Geschäfte der sondern damit war die Stiftung auch wieder mit jener Stiftung geführt und der nach dem Krieg seine Tätig- Institution bzw. deren Nachfolgerin verknüpft, die keit beim DVT und VDI fortgesetzt hatte. Entschei- satzungsgemäß den geschäftsführenden Vorsitzen- dend war aber wohl die Initiative Jonathan Zennecks den des Stiftungsrates und den Vorstand der Stiftung vom Deutschen Museum, der im Spätsommer 1952 stellte. Der Einladung nach Braunschweig folgten „nach Rücksprache mit der Familie Siemens“ den Bauersfeld und Zenneck sowie Vertreter des (offiziell Präsidenten der PTB Richard Vieweg aufforderte, „die nicht mehr bestehenden) Vereins zur Beförderung des ersten Schritte zu unternehmen, um die Siemens-Ring- Gewerbfleißes, des Deutschen Vereins von Gas- und Stiftung wieder wirksam werden zu lassen.“137. Vieweg Wasserfachmännern, der Schiffbautechnischen Gesell-

136 Briefwechsel Dr. Meine und G. Freitag, Dez.1948 / Jan 1949. S. 63Ld571. 137 R. Vieweg an die Mitglieder des Stift ungsrates, Braunschweig 21.10.1952. VDIA. 138 R. Vieweg an die Mitglieder des Stift ungsrates, Braunschweig 21.10.1952. VDIA.

44 schaft, des Deutschen Architek- insbesondere mit der der Firma Naziaktivisten Johannes Stark und ten- und Ingenieur-Verbandes und Siemens, die ja ein positives Interesse Abraham Esau als Stiftungsvorsit- der TU Berlin sowie ein Vertreter daran hat, die Siemens-Ring-Stif- zende oder gar über die Ringver- der Siemens & Halske AG. Bemer- tung wieder aufleben zu lassen.“141 leihung an Todt im Rahmen der kenswert ist, dass sowohl der VDI Stiftungsratssitzung 1952 und auch als auch der Verein Deutscher In der Tat blieben die geäußer- später offenbar nicht statt bzw. Eisenhüttenleute der Zusammen- ten Bedenken wie auch das im wurden nicht öffentlich kommu- kunft fern geblieben waren. Dies Stillen geäußerte Ressentiment niziert. Ihre nationalsozialistische wurde zwar mit Terminproblemen gegenüber der Firma Siemens ein Vergangenheit sollte die Stiftung begründet, doch scheinen hier auch Minderheitsvotum, denn die große erst sehr viel später einholen. Die prinzipielle Gründe maßgebend Mehrheit der Gründungsmitglie- Stiftung selbst pflegte vielmehr gewesen zu sein. In einem Brief des der sprachen sich für eine schnelle lange Zeit die vermeintliche tech- VDI-Direktors Hanns Bluhm an Wiederaufnahme der Stiftungstä- nokratische Unschuld. Letztere Vieweg liest man, tigkeit aus, um so „der Vernach- schloss durchaus ein, dass man auf lässigung kultureller Belange in der die Anfrage von Frau Todt wegen „dass ich selbstverständlich die Jetztzeit“ entgegenzuwirken und „in ihrer strittigen Witwenrente zwar Wiederaufnahme der Arbeiten der der breiten Öffentlichkeit die Bedeu- nicht öffentlich Stellung beziehen, Siemens-Ring-Stiftung begrüsse tung von Naturwissenschaft und sich aber durchaus bei den zustän- ... Es erhebt sich nur die Frage, ob Technik wirkungsvoll (zu) unter- digen Behörden dafür verwen- man, solange die Wissenschaften streichen“; nicht zuletzt sollte „der den wollte.144 Charakteristisch ist selbst, insbesondere die technischen Nachwuchs auf die grossen Vorbilder auch das Bemühen, umgehend Wissenschaften, noch notleidend wieder hingewiesen werden.“142 zur „Tagesordnung“ überzugehen, sind und alle Mittel, die irgendwie sodass bereits auf der ersten Stif- aufgebracht werden können, der Mit einem solchen Votum aus- tungsratssitzung ein neuer Ringträ- Förderung von Forschung und Lehre gestattet, lud Vieweg der Tradition ger gekürt wurde. Die Wahl fiel auf zugeführt werden sollten, nicht doch folgend bereits zum 13. Dezember Herrmann Röchling, der für seine Erwägungen darüber anstellen soll, 1952 zur ersten Stiftungsratssitzung unstrittigen Verdienste auf dem solche rein repräsentativen und nach dem Krieg ein. Die Einla- Gebiet der modernen Entwicklung dekorativen Zweck dienende Ein- dungsliste bestimmte sich nach der der Metallurgie des Eisens geehrt richtungen noch eine gewisse Zeit Zusammensetzung des Stiftungs- wurde. Kein Wort, dass Röchling zurückzustellen.“139 rats in den Jahren der Weimarer nicht nur ein hoch anerkannter Republik, wobei auf ausdrücklichen Eisenhüttenfachmann und erfolg- Ähnliche Bedenken wurden Wunsch von Vieweg der Verband reicher Unternehmer, sondern seitens der Eisenhüttenleute der Deutschen Physikalischen im Dritten Reich auch mächtiger geäußert, denn auch im VDEh war Gesellschaften und der Bundes- Wehrwirtschaftsführer gewesen man – wie auch schon 1916 – nicht verband der Industrie zusätzlich war, der zudem in einem besonde- begeistert, eingeladen wurden. Die formale ren Vertrauensverhältnis zu Hitler „dass gerade jetzt in diesem Anknüpfung an die Zeit vor 1933 gestanden hatte. Darüber hinaus Augenblick die Stiftung aufgemacht ging so weit, dass sich selbst For- zählte er zu den führenden Prota- wird ... und die Not an allen Ecken malien und vor allem das Verlei- gonisten des Anschlusses des Saar- und Kanten doch schließlich so groß hungsritual des Siemens-Rings gebiets an Deutschland, der nach (ist), dass man es kaum verantwor- an der letzten Preisverleihung im der Besetzung Frankreichs zum ten kann“. 140 Jahre 1930 orientieren sollten.143 Generalbevollmächtigten für die Dagegen fanden Diskussionen Eisen- und Stahlindustrie in Loth- Allerdings war man skeptisch, über die nationalsozialistische ringen aufstieg. Nach Kriegsende „ob diese Meinung mit der Meinung Indienstnahme der Stiftung, die wurde er – wie auch schon nach der übrigen Herren übereinstimmt, Rolle des NSBDT und der beiden dem Ersten Weltkrieg – von einem

139 H. Bluhm an R. Vieweg, Düsseldorf 30.10.1952. VDIA. 140 Dickmann an H. Schenck, Düsseldorf 27.11.1952. VDEhA. 141 K. Löhner an H. Bluhm, Braunschweig 9.12.1952. VDIA. 142 Niederschrift über die Vorbesprechung am 14.11.1952. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrats (1952–1989). 143 S. v. Weiher an Janzen, Berlin 5.11.1953. S. 63Ld 571. 144 Stiftungsratssitzung 1962. SRS. Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrats (1952–1989).

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 45 internationalen Militärgerichtshof Die Finanzen wegen der industriellen Ausplünde- der Stiftung rung der besetzten Gebiete und der kein wirkliches Stiftungsvermö- Beihilfe zu Zwangsarbeit zu einer nsonsten war man in den gen verfügen – 1953 umfasste das langjährigen Haftstrafe verurteilt. 1950er-Jahren intensiv Stiftungsvermögen ein Bankgutha- Bereits 1951 wurde er vorzeitig darum bemüht, auch die ben von 6500,– DM und ein altes aus der Haft entlassen, jedoch ein Aanderen Stiftungsaktivitäten neu Wertpapierdepot von knapp 35 000 Aufenthaltsverbot für das Saarland zu beleben. Dies stieß allerdings RM; im Jahre 2013 lag das nicht verhängt, sodass er bis zu seinem auf erhebliche finanzielle Schwie- veräußerbare Stiftungsvermögen Tod (1955) in Mannheim und Hei- rigkeiten, da durch die Währungs- bei bescheidenen 150 00 €147. delberg lebte; sein saarländisches reform ein zweites Mal in der Stif- Industrie imperium wurde zudem tungsgeschichte fast das gesamte Neben der Konsolidierung der unter französische Zwangsverwal- Stiftungsvermögen verloren Finanzen ging es vor allem um die tung gestellt.145 Was die Mitglie- gegangen war. Im Mittelpunkt der Wiederbelebung des Gesamtspek- der des Stiftungsrats leitete, eine Aktivitäten der Nachkriegsjahre trums der Stiftungsaktivtäten. politisch so diskreditierte Person stand so vor allem der Wiederauf- Neben der Verleihung des Sie- zu küren, ist aus heutiger Sicht nur bau eines soliden Stiftungskapitals mens-Rings wurden ab 1954 auch schwer nachzuvollziehen, zumal als Grundvoraussetzung für die wieder Absolventen der Elektro- wir wegen der strengen Vertrau- Fortsetzung der Stiftungsarbeit. technik der Technischen Hoch- lichkeit des Wahlverfahrens leider Wie nach der Inflation in den schulen bzw. Universitäten, die nichts über eventuell diskutierte zwanziger Jahre geschehen, wurde ihre Diplom-Hauptprüfung „mit Alternativen zur Person Röch- ein Spendenaufruf gestartet, in Auszeichnung“ oder als Jahresbeste lings wissen. Vielleicht mag eine deren Ergebnis im Laufe des Jahres mit „sehr gut“ bestanden hatten, Rolle gespielt haben, mit der Wahl 1953 ca. 10 000 DM zusammen- mit einem Siemens-Bild ausge- eines Vertreters der Stahlbran- kamen – dabei spendeten die zeichnet. Obwohl es bereits in den che die Eisenhüttenleute für den beiden Großspender Klöckner- dreißiger Jahren Kritik an der Zeit- Siemens-Ring zu gewinnen. In die Humboldt-Deutz und die Siemens gemäßheit dieser Auszeichnung politische Landschaft der frühen AG allein 7500 DM. Auch wenn gab, wurde diese Ehrung bis 1976 Bundesrepublik, die von Konserva- sich die finanzielle Situation in den fortgeführt. Dann war diese Form tismus und starken Kontinuitäten folgenden Jahren weiter stabili- der Ehrung aber endgültig über- hinsichtlich der Funktionseliten sierte – nicht zuletzt dank Zuwen- lebt bzw. hatte sich „der bisherige des Dritten Reichs gekennzeichnet dungen des Stifterverbandes und Brauch“ nach den Worten des seit war, passte die Wahl aber allemal. der Schweizer Siemens-Stiftung 1975 amtierenden Stiftungsvor- Sie scheint auch in der Gunst der –, gelang es nicht, ein wirkliches sitzenden Dieter Kind „durch die Politik gestanden zu haben, wie Stiftungskapital zusammenzutra- Veränderungen an den Universitä- die Teilnahme von Wirtschafts- gen, sodass bis zum heutigen Tage ten und Hochschulen als nicht mehr minister Ludwig Erhard an der zyklisch – z. B. 1957, 1965, 1973, sinnvoll erwiesen.“148 Insgesamt Verleihung des Rings im Haus des 1990, 1999, 2008 – immer wieder waren seit den frühen zwanziger Vereins Deutscher Eisenhüttenleute Spendenaktionen gestartet werden Jahren über 500 Elektrotechniker in Düsseldorf im folgenden Jahr mussten, um den Kapitalstock der mit dem Siemens-Bild für ihre zeigt. Selbst in den Pressestim- Stiftung aufzufrischen und ihre herausragenden Studienleistungen men über die Verleihung und zur Arbeit zu sichern. Damit gründet geehrt worden; die Verleihung der Wiederaufnahme der Tätigkeit der sich die Siemens-Ring-Stiftung Franzius-Plakette an Beststudenten Siemens-Ring-Stiftung findet man seit dem Zweiten Weltkrieg auf ein im Fach Wasserbau wurde nach diesbezüglich keinerlei kritische höchst ungewöhnliches Finanzie- dem zweiten Weltkrieg nicht Kommentare.146 rungsmodell, denn sie gehört zu wieder belebt. den wenigen Stiftungen, die über

145 Vgl. Grewenig (2015), S. 53 ff . 146 Vgl. Tagespiegel v. 4.10. 1953, S. 3. 147 Stift ungsratssitzung 1953 und 2014. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stift ungs- rats (1952–1989) und Ordner Protokolle der Sitzungen des Stift ungsrats (1990–2015). 148 Stift ungsratssitzung 1953, S. 13. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stift ungsrats (1952–1989).

46 Dieter Kind (links) und Artur Fischer nach der Festveranstaltung zur Verleihung des Siemens-Rings, Aachen 13.12.1990

Die Stiftung und der schlechten Quellenlage nur schwer mit harten und die DDR Fakten unterfüttern lässt, so stützt sich diese Vermu- tung auf Zeitzeugenbefragungen und die Tatsache, dass eit Wiederaufnahme der Stiftungstätigkeit rückten in den überlieferten Dokumenten das Thema DDR ohnehin mehr und mehr Bücherspenden, insbe- quasi nicht existent ist. Andere Stiftungen haben da sondere von Siemens’ Lebenserinnerungen, in offenbar weniger Distanz gezeigt, wie die Verleihung Sden Mittelpunkt der Auszeichnung von Beststudenten. des Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Preises Dabei hatte man anfangs versucht, in die Ehrung auch für Energieforschung im Jahre 1977 an den Jenaer Phy- Studenten in der DDR einzubeziehen und nament- siker Max Steenbeck zeigt. Auch für den Siemens-Ring lich die TH Dresden mit Bücherspenden bedacht. hätte es sicher relevante Kandidaten gegeben – man Allerdings wurden die Bücher nicht an die Studenten denke beispielsweise an die Leistungen eines Manfred weitergegeben, sondern in die Hochschulbibliothek von Ardenne oder an die Erfinder des Braunkohlen- integriert.149 Der sich verschärfende Kalte Krieg und hochtemperaturkokses Georg Bilkenroth und Erich die Abgrenzungspolitik der DDR ließ selbst dies schnell Rammler, auch an Heinrich Mauersberger, auf den das zu einer kurzlebigen Episode werden. Episode blieb es Nähwirkverfahren Malimo zurückgeht. Das sind natür- auch im Hinblick auf die generellen Stiftungsaktivi- lich alles hypothetische Überlegungen bzw. kontrafak- täten, und insbesondere die Verleihung des Siemens- tische Geschichte, wobei zu den gesicherten Fakten Rings. So gibt es keinen Ringträger aus der DDR, und gehört, dass der Ringträger des Jahres 1964 Konrad wahrscheinlich hat es dazu nicht einmal ernsthafte Zuse im Wende-Sommer 1990 und wenige Wochen vor Diskussionen gegeben, entsprechende Kandidaten der deutschen Wiedervereinigung für die anstehende überhaupt in Betracht zu ziehen. Auch wenn sich eine Preisträgerwahl den Dresdener Informatiker Nikolaus solche Behauptung wegen des geheimen Wahlmodus’ Lehmann nominierte.150 Dieser gehört wie Zuse zu den

149 Stift ungsratssitzung 1953. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stift ungsrats (1952–1989). 150 K. Zuse an E. Ruska, 29.8.1990. DMA, NL 207 (Zuse), Nr. 2173.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 47

Bundespräsident Heinrich Lübke (Mitte) nach der Verleihungszere- monie mit den Ringträgern Konrad Zuse, Fritz Leonhardt und Walter Schottky (v.l.n.r.), Villa Hammerschmidt, Bonn 13.12.1964

deutschen Computer-Pionieren und hatte in der DDR Vermerk, dass man die Idee für eine Gedenktafel für die erste Generation von Rechenmaschinen entwi- den Ringträger Karl Ziegler in Halle verfolgen wolle, ckelt.151 Er war dann wohl einer der fünf Kandidaten, „um auch die fünf Bundesländer in die Zielsetzung der die auf der Stiftungsratssitzung vom 13. Dezember 1990 Stiftung einzubeziehen.“152 Verwirklicht wurde diese für den Siemens-Ring 1991 zur Diskussion standen: Idee dann jedoch nicht durch die Siemens-Ring- Gewählt wurde schließlich Artur Fischer, der nicht nur Stiftung, sondern 2003 im Rahmen der Instandset- der geniale Erfinder der Dübeltechnik war, sondern zungsmaßnahmen des Hallenser Stadtgottesackers, mit seiner Erfindung auch ein hochproduktives Indus- die maßgeblich von der Marianne-Witte-Stiftung, trieunternehmen begründen konnte und damit wie d. h. von der Familie Ziegler getragen wurde.153 Den Siemens dem Idealbild des Erfinder-Unternehmers Initiativen der Siemens-Ring-Stiftung ist es jedoch sehr nahe kam. Im Vergleich dazu war es in der sozia- zu danken, dass unmittelbar nach der deutschen listischen DDR sehr schwer bzw. in der Spätzeit sogar Wiedervereinigung die Restaurierung der von der praktisch unmöglich, unternehmerisch tätig zu werden. Stiftung 1941 finanzierten Grabanlage für Ernst Alban Darüber hinaus mag bei der offenbaren Ost-Distanz im mecklenburgischen Plau in Angriff genommen der Stiftung eine Rolle gespielt haben, dass es ja nicht und 1997 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung bei der Ehrung mit dem Siemens-Ring geblieben wäre, feierlich eingeweiht wurde. Im Jahre 1995 tagte dann sondern der Ringträger auch Sitz und Stimme im Stif- auch der Stiftungsrat zum ersten (und einzigen) Mal tungsrat gehabt hätte. in den neuen Bundesländern, in Leipzig. Die dramatischen Veränderungen in der DDR vom Herbst 1989 mit dem einsetzenden Demokratisie- rungsprozess und dem Fall der Mauer finden im Pro- Die Modernisierung und tokoll der Stiftungsratssitzung vom Dezember 1989 Aufwertung der Stiftung keinen Niederschlag, auch wenn diese sicherlich, aber wohl eher am Rande diskutiert wurden. Die deutsche ls im Jahre 1976 die Verleihung der Siemens- Wiedervereinigung hat so die konkrete Stiftungstä- Bilder an herausragende Absolventen eingestellt tigkeit kaum beeinflusst – im Protokoll der Stiftungs- Awurde, da sollte damit aber keineswegs das in der ratssitzung vom 13. Dezember 1990 findet man den Satzung verankerte Ziel aufgegeben werden, „durch

151 Vgl. Sobeslavsky (1996). 152 Stiftungsratssitzung 1990. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrats (1990–2015). 153 Pohle (2003).

48 Funktionsträger der Siemens-Ring-Stiftung Belehrung und Ansporn des Nachwuchses in Technik und Naturwissenschaft tätig zu sein.“154 An der Wende Vorsitzende zu den achtziger Jahren wurde deshalb ein Nach- 1916–1922 Emil Warburg wuchsprogramm kreiert, bei dem von den die Stiftung 1922–1923 Walther Nernst tragenden wissenschaftlichen Gesellschaften junge aussichtsreiche Nachwuchswissenschaftler oder junge 1924–1933 Friedrich Paschen Ingenieure benannt werden, denen von der Stiftung 1933–1939 Johannes Stark ein Forum zur Information und der Diskussion aktu- 1939–1945 Abraham Esau eller Fragen ihres Fachgebiets sowie nicht zuletzt der direkte Kontakt mit den Trägern des Siemens-Rings 1951–1952 Hans Zemlin (Notvorstand) in Form von Patenschaften geboten wird. Das Pro- 1952–1961 Richard Vieweg gramm, das durch Ernst von Siemens, den damaligen 1961–1970 Martin Kersten Vertreter der Siemensfamilie im Stiftungsrat, ange- 1970–1975 Ulrich Stille regt und über viele Jahre finanziert wurde, findet in modifizierter Form bis heute seine Fortsetzung und 1975–1995 Dieter Kind kann als wichtige und nachhaltige Stiftungsaktivität 1995–2012 Ernst Otto Göbel charakterisiert werden. Diese war Teil eines Moder- seit 2012 Joachim Ullrich nisierungsprozesses, dem sich die Stiftung nach ihrer Konsolidierung seit den 1970er-Jahren unterzog. Stellvertreter In diesem Modernisierungsprozess spielte Siegfried 1916–1932 Oskar v. Miller Balke eine wichtige Rolle. Als langjähriger Vorsit- 1933–1942 Conrad Matschoß zender des DVT begleitete er die Stiftungsaktivitäten 1942–1945 Hans Ude über viele Jahre, und als ehemaliger Bundesminister und langjähriges Mitglied des Bundestags sowie durch 1952–1977 Walter Pflaum seine zahlreichen anderen gesellschaftlichen Funkti- 1978–1987 Fritz Leonhardt onen war er bis in die späten siebziger Jahre einer der 1988–1992 Fritz Peter Schäfer einflussreichsten und meinungsbildenden Mitglieder 155 1993–1996 Rudolf Schulten des Stiftungsrats. Er war es auch, der Mitte der sech- ziger Jahre Bundespräsident Heinrich Lübke für die seit 1996 Eveline Gottzein Stiftung interessieren und diesen in einem Gespräch im April 1965 dafür gewinnen konnte, die anstehende Schatzmeister Verleihung des Siemens-Rings an den Stuttgarter 1971–1981 Dietrich Wilhelm von Menges Architekten Fritz Leonhardt, den Halbleiterphysiker 1982–1996 Franz-Joseph Weitkemper Walter Schottky und den Computerpionier Konrad Zuse in der Villa Hammerschmidt in Bonn, Amtsitz 1997–2016 Hartmut Weule des Bundespräsidenten, durchzuführen und dabei auch selbst die Ringe zu überreichen. Dies geschah Geschäftsführer dann auch am 13. Dezember 1965, und der Bundes- Bis 1924 von Beamten der Reichsanstalt präsident empfing die Festversammlung anschließend wahrgenommen und danach (bis 2016) mit dem noch zu einem „kleinen Frühstück“. 156 Damit hatte die Deutschen Verband Technisch-Wissenschaftlicher Stiftung eine signifikante gesellschaftliche Aufwertung Vereine gekoppelt und natürlich auch einige mediale Aufmerksamkeit erfahren. Da der Bundespräsident im Anschluss an 1924–1945 Georg Freitag die Feierstunde zudem den Wunsch geäußert hatte, 1953–1961 Georg Freitag „zukünftig als Protektor der Stiftung Werner-von Sie- mens-Ring bei der Verleihung der Ringe mitzuwirken“, 1961–1977 Friedrich Wilhelm Lehmann 154 Stiftungsratssitzung 1976. SRSA, Ordner Protokol- 1978–2005 Jörg Debelius le der Sitzungen des Stiftungsrats (1952–1989). 2005–2011 Jörg Maas 155 Zur Person, Siehe. Lorenz (2010). 156 Vermerk zum Gespräch des Herrn Bundespräsidenten mit 2011–2013 Sebastian Lange Herrn Bundesminister a. D. seit 2013 Jan-Henrik Fischer-Wolfarth Professor Dr. Balke am 13. April 1965. BA Koblenz, B 122, Nr. 5078, Bl. 295–296.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die TTechnikechnik 49 kam es in der Folgezeit zu weiteren Die Affäre Küpfmüller dass Küpfmüller alles andere als Kontakten zwischen der Stiftung eine subalterne NS-Charge und und dem Bundespräsidialamt. nfang 1969 hatte der Vorsit- Mitläufer gewesen war – bereits im Dabei wurde über den konkreten zende des Stiftungsrats, Martin Sommer 1933 war er in Danzig, Vorschlag des Bundespräsiden- AKersten, den Bundespräsidenten wo er damals als Professor an der ten hinaus die Idee einer Dauer- über die turnusgemäße Wahl der Technischen Hochschule wirkte, der Schirmherrschaft des Bundesprä- neuen Ringträger informiert. Sie SA beigetreten, und im Frühjahr sidenten für die Stiftung bzw. den war auf Karl Küpfmüller, Begründer 1937, inzwischen Lehrstuhlinhaber Siemens-Ring entwickelt. Dies einer integrierten, systemtheoreti- an der TH Berlin-Charlottenburg, sollte auch in der Satzung der Stif- schen Betrachtung von Nachrich- wurde schließlich auch (nach Auf- tung seinen Ausdruck finden. Ein tentechnik, Informationstheorie und hebung der Aufnahmesperre) sein Entwurf sprach von einem „Protek- theoretischer Elektrotechnik, und Aufnahmeantrag für die NSDAP torat des Bundespräsidenten“ (§1) Joachim Siegfried Meurer, Pionier positiv beschieden.161 Gleichzeitig und dass Letzterer nicht nur den der Erforschung der Reaktionski- wechselte Küpfmüller von der SA in Siemens-Ring „am 13. Dezember netik von Verbrennungsmotoren, die SS162, wo er relativ schnell in der des auf den Verleihungsbeschluss gefallen. Nach den vorangegangenen SS-Hierarchie aufstieg und es vom folgenden Jahres in festlicher Sitzung Offerten des Bundespräsidenten schlichten Oberscharführer bis zum mit anschließender Feier“ über- ging man in der Stiftung von der hochrangigen Obersturmbannfüh- reichen (§8), sondern zuvor den Erwartung aus, dass auch diesmal rer brachte.163 Damit bekleidete er ab Verleihungsbeschluss auch geneh- der Ring in Anwesenheit bzw. aus 1944 einen Dienstgrad, der mit dem migen (§7), d. h. ein Vetorecht der Hand des Bundespräsidenten militärischen Rang eines Oberst- haben sollte.157 Realisiert wurde verliehen werden würde. Im Früh- leutnants vergleichbar war. Aus den dieser weitreichende Vorschlag jahr stand jedoch die Neuwahl des überlieferten Akten lässt sich nicht allerdings nicht, da dies aus Sicht Bundespräsidenten an, sodass das erkennen, wie aktiv er in der SS war der Ministerialbürokratie eine zu Bundespräsidialamt dafür keiner- und welche konkreten Aufgaben er starke Privilegierung der Siemens- lei Zusage geben konnte und die dort erfüllte. Er selbst hat nach dem Ring-Stiftung bedeutet hätte und Stiftung aufforderte, die Einla- Krieg sein politisches Engagement man zudem hinsichtlich anderer dung im Sommer noch einmal an für den Nationalsozialismus und Institutionen einen Präzedenzfall den neuen Bundespräsidenten zu insbesondere die SS-Mitgliedschaft befürchtete.158 Dennoch hoffte man richten. Nachdem Gustav Heine- zu verbergen und zu verharmlosen seitens der Stiftung, zumindest die mann zum 1. Juli 1969 sein Amt versucht. In seinem Spruchkammer- Verleihung des Rings durch den angetreten hatte, sprach Kersten mit verfahren erklärte er sogar, „nie SS- Bundespräsidenten zur Tradition Brief vom 17. Juli 1969 auch ihm Vollmitglied gewesen zu sein ... keine werden zu lassen, und aktuell gegenüber die Hoffnung aus, dass Beiträge oder Zuwendungen an die wollte man gemäß Protokoll der „die Herren Küpfmüller und Meurer SS abgeführt, keine Dienste geleistet Stiftungsratssitzung vom Dezem- den ihnen zugedachten Ring am und keine Ämter übernommen sowie ber 1968 „alles tun, damit am 13. 13. Dezember 1969 wieder aus der keine internen Informationen aus Dezember 1969 die Ringe an ihre Hand des Herrn Bundespräsidenten der SS erhalten (zu haben). Seine SS- neuen Träger wiederum durch den erhielten.“160 Nachdem jedoch das Ränge habe er lediglich ehrenhalber Herrn Bundespräsidenten feierlich Bundespräsidialamt die beiden aufgrund seiner wissenschaftlichen überreicht werden“159 – doch auch neuen Ringträger auf „ihren Charak- Dienste erhalten.“164 Auch wenn daraus wurde nichts. ter und ihr Wohlverhalten“ über- eine Anfrage des Bundespräsi- prüft hatte, wurde offenbar, dass dialamts bei der Ludwigsburger beide nicht nur der NSDAP und Zentralstelle zur Aufklärung von die SA angehört hatten, sondern Naziverbrechen keine weiteren

157 M. Kersten an H. Lübke, Braunschweig 1.4.1966. BA Koblenz, B 122, Nr. 5078, Bl. 167 ff . 158 Bundesminister für wissenschaft liche Forschung an Bundespräsidialamt, Bad Godesberg 23.8.1966. BA Koblenz, Nr. 5078, Bl. 131 ff . 159 Stift ungsratssitzung 1968. SRSA, Ordner Proto kolle der Sitzungen des Stift ungsrats (1952–1989). 160 M. Kersten an G. Heinemann, Braunschweig 17. Juli 1969. BA Koblenz, B 122, Nr. 16594, Bl. 96 ff . 161 BA Berlin, R 9361–IX Gaukartei Kasten 2394, Karte 1147. 162 BA Berlin, R 9361–III. 110502. 163 Karl Küpfmüller, SS-Personalakte, BA Berlin (ehem. BDC) R 9361- II/538522. Norbert Gilson (Aachen) half beim Auffi nden der Akte. 164 Zitiert nach: Hagenauer und Pabst (2014), S. 59.

50 Rudolf Küpfmüller und der Rektor der TH Darmstadt Helmut Witte beim Besuch des Bundespräsidenten Heinrich Lübke (v.l.n.r.) im Institut für Allgemeine Nachrichtentechnik der Hochschule, 25.10.1960 belastenden Erkenntnisse lieferten, dass er „die von seinem Amtsvor- davon, dass „der Siemens-Ring in der galt Küpfmüller doch als politisch so gänger begründete Tradition nicht Werteskala des Bundespräsidenten belastet, dass dem Bundespräsiden- fortsetzen möchte, weil er diese Art wohl „unter „Ferner liefen“ falle“.169 ten empfohlen wurde, die Ehrung der Mitwirkung an Ehrungen aus Auf Antrag von Siegfried Balke, der nicht vorzunehmen.165 Heinemann grundsätzlichen Gründen ablehne.“167 als Vertreter des DVT und wegen folgte dieser Empfehlung und teilte Die strikte Absage des Bundesprä- der Fülle seiner politischen Ämter dem Vorsitzenden des Stiftungsrats sidenten, man kann sogar von einer zu den einflussreichen Mitgliedern brieflich am 16. Oktober 1969 mit, Brüskierung der Stiftung sprechen, des Stiftungsrats gehörte, wurde dass er sich „wegen schon übernom- führte bei den Mitgliedern des Stif- die Festveranstaltung zur Überrei- mener Verpflichtungen nicht in der tungsrates zu einigen Irritationen, chung der Ringe, zusammen mit der Lage sieht, die Werner-von-Siemens- zumal es an einem vermeintlichen anstehenden Sitzung des Stiftungs- Ringe zu überreichen.“166 Auch eine naturwissenschaftlichen Desinter- rats, vom satzungsgemäßen 13. Nachfrage und die Bitte, einen esse des neuen Bundespräsidenten Dezember auf den September des anderen Termin „zu einer ihm besser nicht liegen konnte, hatte dieser folgenden Jahres verschoben. Ein in passenden Zeit zu bestimmen“, führte doch im Frühjahr 1970 den 35. der Stiftungsgeschichte einmaliger jedoch nicht zur Revision der Ent- Physikertag der Deutschen Physi- Vorgang! scheidung des Bundespräsidenten. kalischen Gesellschaft mit seiner Es gibt keinerlei Belege dafür, Sie verschärfte vielmehr die Situa- Anwesenheit beehrt und dort sogar dass der eigentliche Grund für die tion, denn der Bundespräsident ließ den Eröffnungsvortrag gehalten.168 Absage des Bundespräsidenten, die mit seiner Antwort ungewöhnlich Karl Ziegler sprach deshalb in einem NS-Belastung des neuen Ringträgers lange warten und zudem wissen, Brief an Martin Kersten sarkastisch Küpfmüller, zumindest inoffiziell

165 Vermerk v. 23.9. 1969. BA Koblenz, B 122, Nr. 16594, Bl. 83–85. 166 Stift ungsratssitzung 1970. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stift ungsrats (1952–1989). 167 Stift ungsratssitzung 1970. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stift ungsrats (1952–1989). 168 Heinemann (1970). 169 K. Ziegler an M. Kersten 18.3.1970. DMA, NL 207 (K. Zuse), Nr. 1572.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 51 der Stiftung zur Kenntnis gebracht Schulfall avancieren können. Dies senschaften, von denen einer der und dort in irgend einer Form dis- hätte nicht nur die Person Küpfmül- TU Berlin angehören musste (ein kutiert oder vielleicht auch „unterm ler, sondern auch die Siemens-Ring- solcher TU-Vertreter saß ohnehin Deckel“ gehalten wurde. Allerdings Stiftung beschädigt; von weiteren schon im Stiftungsrat). Weiterhin ist die zeitliche Koinzidenz und die und zudem unkalkulierbaren Folgen wurde beschlossen, den Wahlturnus Grundsätzlichkeit der von Balke einmal ganz abgesehen. Als politisch auf drei Jahre zu reduzieren – nicht damals betriebenen Aktivitäten denkender und handelnder Mensch, zuletzt, um so öfter Gelegenheit bemerkenswert. Dieser wollte es der zudem politisch auf der anderen zu haben, „die Stiftung selbst und nämlich nicht bei der Verschiebung Seite der Barrikade stand, auch insbesondere die Pioniertaten von der Fest- und Stiftungsrats-Sitzung wenn er selbst ein Opfer national- Werner von Siemens auch in anderen belassen und setzte im August 1969 sozialistischer Diskriminierung Kreisen als in der einschlägigen per Rundschreiben die Mitglieder gewesen war171, hatte Balke daran Fachwelt herauszustellen.“174 Über des Stiftungsrats darüber in Kennt- natürlich keinerlei Interesse und die Details der auf den Stiftungsrats- nis, dass er „die rechtliche, faktische könnte es deshalb bei der vertrau- sitzungen 1970 und 1971 geführten und finanzielle Situation sowie die lichen Behandlung seines Wissens Grundsatzdiskussionen geben die Zukunft der Stiftung Werner-von- über Küpfmüller und der Anregung Sitzungsprotokolle leider keine Siemens-Ring eingehend erörtert einer allgemeinen Grundsatzdis- nähere Auskunft, auch nicht, ob die sehen möchte.“170 Dies lässt ver- kussion zur Zukunft der Stiftung Frage der Rolle der Stiftung und muten, dass zumindest Balke, der belassen haben. ihrer Ringträger im Dritten Reich als Bundesminister a. D., Mitglied dabei thematisiert wurde, die ja der des Bundestags und it einer Fülle Balkes Wunsch einer grundsätzli- (verborgene) Anlass der geführten anderer hochrangiger Funktionen chen Diskussion fand breite Unter- Grundsatzdiskussionen war. Dies bestens in den politischen Appa- stützung und führte zu einer Fülle ist eher nicht zu vermuten oder raten der Bundesrepublik vernetzt von Anregungen und Wünschen geschah nur am Rande, denn die war, wahrscheinlich über privile- der Stiftungsratsmitglieder, die in Ehrung von Wernher von Braun als gierte Informationen zu Küpfmüller einer Dokumentation zusammen- Ringträger des Jahres 1975 und dass und der Absage des Bundespräsi- gefasst wurden.172 Diese bildete Karl Küpfmüller dafür die Begrün- denten verfügte. Politisch plausibel die Arbeitsgrundlage der sich dung verfasste, spricht dagegen. Für wäre auch, dass er diese Informa- anschließenden Diskussionen, die Küpfmüller war Braun der visionäre tionen nicht unbedingt teilen und im Entwurf einer neuen Satzung Raketenpionier und Raumfahrtspe- öffentlich machen wollte, denn man mündeten.173 Ein Vergleich der zialist, der als Vater der Saturn- schrieb das Jahr 1969, in dem linke Satzungen von 1952 und 1971 zeigt Rakete den Flug des Menschen zum Studenten und Intellektuelle nicht jedoch, dass sich die Änderungen Mond möglich gemacht hatte. Dass nur gegen den Vietnam-Krieg und in Grenzen hielten und vielfach Brauns technische Meisterleistun- den Autoritarismus von etablier- nur Formalien betrafen – so wurde gen durch sein Wirken im Dritten ter Politik und Elterngeneration beispielsweise die 1964 eingeführte Reich mehr als getrübt sind, wird in leidenschaftlich protestierten, Bezeichnung „Werner-von-Siemens- Küpfmüllers Laudatio damit beschö- sondern auch die Nichtaufarbeitung Ring“ um den Zusatz „Ehrenring für nigt, dass dieser ihm damals zu der nationalsozialistischen Ver- Verdienste um Naturwissenschaft erkennen gab, „daß er die Entwick- gangenheit in der Bundesrepublik und Technik“ erweitert. Essenziell lung der Raketenwaffe nur als eine vehement anprangerten. Gerade im war hingegen die Erweiterung des durch die Zeitverhältnisse gegebene Großraum Frankfurt, der zu den Stiftungsrats durch Vertreter der notwendige Phase betrachte und er Zentren der 68er-Bewegung gehörte Deutschen Forschungsgemeinschaft, sein eigentliches Ziel in der Welt- und wo Küpfmüller als Professor des Stifterverbandes und durch zwei raumfahrt und Weltraumforschung der TH Darmstadt wirkte, hätte sein für fünf Jahre zu wählende Profes- sehe.“175 Diese Meinung wurde Fall schnell zum propagandistischen soren der Natur- und Ingenieurwis- im Übrigen auch vom Nachfolger

170 Stiftungsratssitzung 1970. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrats (1952–1989). 171 Vgl. Lorenz, S. 12 ff. 172 Die Dokumentation konnte bisher nicht aufgefunden werden. 173 Stiftungsratssitzung 1971. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrats (1952–1989). 174 Stiftungsratssitzung 1971SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrats (1952–1989). 175 Karl Küpfmüller: Begründung für den Antrag zur Verleihung des Werner-von-Siemens-Ehren- rings an Dr. phil. Wernher von Braun. DMA, NL 207 (K. Zuse), Nr. 1630.

52 Bundespräsident Walter Scheel mit den Mitgliedern des Stiftungsrats im Anschluss an die Gesprächsrunde am 7. November 1977 auf der Treppe der Villa Hammerschmidt in Bonn, ganz vorn W. Pflaum, W. Scheel und D. Kind, dahinter (von links nach rechts): W. Bruch, K. Zuse, K. Ganzhorn, H. Zemlin, R. Lüst, W. Dettmering, K. Winnacker, H.-H. Kuhnke, F. Leonhardt, K. Küpfmüller, H. Bredereck, J. Darge, H. Maier-Leibnitz, O. Bayer, H. Schaefer, L. Bölkow, S. Meurer, Chr. Brecht, J. Debelius, F.W. Lehmann, S. Balke

Heinemanns im Amt des Bundes- teilnehmen können. Dies war wohl geehrt. In diesem Sinne sah man in präsidenten, Walter Scheel, getra- weniger dem Liberalismus Scheels der Verleihung des Rings durch den gen, denn dieser machte keinerlei geschuldet als der Tatsache, dass im Bundespräsidenten einen „Beitrag Einwendungen gegen die Verleihung Zeichen des Kalten Kriegs und des zur Stärkung des Ansehens der deut- des Siemens-Rings und übergab Raketenwettlaufs der Supermächte schen Naturwissenschaft und Technik den Ring persönlich bei der Ver- Braun zu den „Helden der westlichen im Ausland“. 177 leihungszeremonie im Hause der Welt“ gehörte und seine Rolle im Siemens-Stiftung in München am Dritten Reich erst sehr viel später 13. Dezember 1976 an den Neffen hinterfragt wurde176; zudem hatte Brauns; der Preisträger selbst hatte ihn die Bundesrepublik bereits 1959 krankheitsbedingt am Festakt nicht mit dem Bundesverdienstkreuz

176 Vgl. Neufeld (2009), S. 473. 177 Vorlage vom 26.3. 1976. BA Koblenz, B 122, Nr. 16594, Bl. 68.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 53 Festveranstaltung zur Verleihung des Siemens-Rings an Eveline Gottzein, Residenz München am 13. Dezember 1994. In der ersten Reihe: Kh. Kaske, H. Scherenberg, F. Leonhardt, L. Bölkow, E. Stoiber E. Gottzein, A. Fischer, R. Schulten, P. Schäfer, R. Hell, P. v. Siemens (v.l.n.r.)

Der Bundespräsident im Bundespräsidialamt durchaus kontroverse Mei- wird Schirmherr der Stiftung nungen gab – wie eine handschriftliche Aktennotiz vermerkt, ist man „bei der Übernahme von Dauer- ie Rolle von Wissenschaft und Technik in der schirmherrschaften bisher sehr restriktiv verfahren“179 modernen Gesellschaft war überhaupt ein beson- – wurde dem Wunsch doch relativ schnell stattgege- Dderes Anliegen von Bundespräsident Walter Scheel ben. Bereits im März 1977 teilte der Bundespräsident und es ist sicher kein Zufall, dass sich Scheel in seiner dem Vorsitzenden der Stiftung die Übernahme der fünfjährigen Amtszeit wie kein anderer Bundespräsi- Schirmherrschaft mit und lud die Vertreter des Stif- dent für die Stiftung Werner-von-Siemens-Ring – so tungsrats zudem zu einem Gedankenaustausch in die der offizielle Stiftungsname seit 1964 – engagiert Villa Hammerschmidt nach Bonn ein. Dieser fand am hat. So wurde der Bundespräsident im Anschluss an 7. November 1977 statt, und man diskutierte auf der die Ring-Verleihung im Dezember 1976 vom Vorsit- Grundlage einleitender Impulsreferate von D. Kind, zenden des Stiftungsrates Dieter Kind darauf ange- F. Leonhardt, H.-H. Kuhnke, S. Meurer, H. Maier- sprochen, die Schirmherrschaft über die Stiftung zu Leibnitz und R. Lüst über „Legitimation und Selbst- übernehmen. Durch einen Brief vom Februar 1977 verständnis von Naturwissenschaft und Technik in der wurde diese Bitte dann offiziell178, und obwohl es dazu Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland“. 180 Dieses

178 D. Kind an W. Wemmer, Braunschweig 4.2. 1977. BA Koblenz, B 122, Nr. 16594, Bl. 12. 179 Vorlage vom 26.3. 1976. BA Koblenz, B 122, Nr. 16594, Bl. 68. 180 F. W. Lehmann an W. Wemmer, Düsseldorf 22.8.1977 BA Koblenz, B 122, Nr. 16594, Bl. 275ff.

54 Thema folgte den Interessen des Bundespräsidenten, den Zyklus öffentlicher Vortragsveranstaltungen, der der nicht zuletzt mit seiner Schirmherrschaft auf zu aktuellen Themen aus Wissenschaft und Technik den hohen und vielfach übersehenen Wert deutscher Stellung nimmt und mit den Sitzungen des Stiftungs- Technik für unsere Gesellschaft hinweisen und damit rats verknüpft ist. Ein besonderes Ereignis war die den Mangel in der Anerkennung deutscher Technik Festveranstaltung zum 100. Todestag von Werner und ihrer hervorragenden Vertreter entgegenwirken von Siemens, die am Sonntag, dem 6. Dezember 1992 wollte.181 im Konzerthaus am Gendarmenmarkt im nunmehr ungeteilten Berlin stattfand. Die Anwesenheit von Die von Walter Scheel begründete dauernde Bundespräsident Richard von Weizsäcker als Schirm- Schirmherrschaft des Bundespräsidenten bestand herr der Stiftung, des Regierenden Bürgermeisters von bis zum Ende der Amtszeit von Joachim Gauck im Berlin Eberhard Diepgen, von Mitgliedern der Familie Jahre 2017. Als Ausdruck der besonderen Beziehung von Siemens sowie von zahlreichen Vertretern aus des Bundespräsidenten zur Siemens-Ring-Stiftung Wissenschaft, Wirtschaft und Politik unterstrichen wurde in den 1980er-Jahren ein Vertreter des Bun- den festlichen, bedeutungsvollen, aber auch persön- despräsidialamtes als ständiger Gast zu den Sitzun- lichen Charakter der Gedenkfeier. Den Festvortrag gen des Stiftungsrates eingeladen182, was aber unter hielt der Züricher Philosoph Hermann Lübbe zum den Nachfolgern Scheels nicht mehr praktiziert Thema „Staatszweck und theoretische Neugier – Natur- wurde. Zu grundsätzlichen Irritationen ist es seit der wissenschaft als Kulturtatsache“. Weitere Themen Küpfmüller-Affäre nicht mehr gekommen, allerdings der öffentlichen Vortragsveranstaltungen waren u. a. vermied es beispielsweise Richard von Weizsäcker „Konsequenzen moderner Datenverarbeitung“ (1977), im Jahre 1988, an der Ringverleihung für Rudolf „Der Mensch in der gebauten Umwelt“ (1981), „Der Schulten teilzunehmen. Dieser war im Jahr zuvor für Mensch in der automatisierten Bildungswelt“ (1982), die Entwicklung des Hochtemperatur-Kugelhaufen- „Naturwissenschaft und Technik als Brücke zwischen Reaktors mit dem Siemens-Ring geehrt worden, und Gesellschaften und Kultur“ (1994) oder zum „Techno- wie eine Vorlage des Bundespräsidialamtes vermerkt, logiestandort Deutschland – Innovationsmotor Mit- hätte „die Anwesenheit des Herrn Bundespräsidenten telstand“ (2004). Am 13. Dezember 1999 wurde das bei der Feierstunde als eine besondere Reverenz vor der Thema „Elektroverkehr von der ersten Straßenbahn Atomforschung und -wirtschaft mißverstanden werden“ bis zum Transrapid“ behandelt und zuvor hatte man können.183 in Berlin-Lichterfelde eine Gedenktafel für die erste elektrische Bahn enthüllt. Damit wurde eine Brücke Die behutsamen Reformen der Stiftungsarbeit und zu den Aktivitäten der Stiftung im Bereich der Errich- der Verleihungspraxis für den Siemens-Ring in den tung von Erinnerungsstätten für verstorbene Perso- sechziger und siebziger Jahre haben den Weg und die nen geschlagen, die sich um die Technik bleibende Aktivitäten der Stiftung bis in die Gegenwart vorge- Verdienste erworben haben. Solche Aktivitäten hatten zeichnet und geprägt. Nach wie vor wird das Nach- gerade in den 1990er-Jahren mit Gedenktafeln für wuchsprogramm gepflegt und gehört heute neben der Walter Schottky, Hermann von Helmholtz und eben Verleihung des Siemens-Rings zu den Kernaktivitäten die erste Straßenbahn einen Aufschwung erfahren, der Stiftung. Nachhaltige Impulse empfing die Stif- sind in den letzten Jahren aber wieder abgeflaut (siehe tungsarbeit von Dieter Kind, der die Stiftung über Tabelle Seite 31). zwei Jahrzehnte, von 1975 bis 1995, mit viel Engage- Die genannten Aktivitäten fielen schon teilweise in ment und Gestaltungskraft leitete und damit nicht die Amtszeit von Ernst Otto Göbel (1995–2012), der nur zu den prägenden Stiftungsvorsitzenden gehört, in der Mitte seiner Amtszeit vor allem aber die Ein- sondern auch derjenige mit der längsten Amtszeit setzung einer Arbeitsgruppe anregte, um die Kriterien ist. Ihm war nicht nur das Nachwuchsprogramm ein für die Auswahl von Ringträgern einer kritischen besonderes Anliegen, in seiner Amtszeit wurden auch Prüfung zu unterziehen und insbesondere zu klären, der Stiftungsrat um die Gesellschaft für Luft- und „auf welche Schwerpunkte es nach der Satzungsbestim- Raumfahrt, die Gesellschaft für Informatik und die mung für die Wahl eines Ringträgers ankomme“ und ob Fraunhofer Gesellschaft, d. h. um Vertreter moderner gegebenenfalls die Auswahlkriterien zu überarbeiten Technikbereiche, erweitert. Kind etablierte zudem wären.184 Die Kommission kam im Jahre 2007 zum

181 Vorlage vom 26.3.1976. BA Koblenz, B 122, Nr. 16594, Bl. 68. 182 D. Kind an W. Wemmer, 18.12.1980. BA Koblenz, B 122, Nr. 25969. 183 Vorlage v. 28.1.1988. BA Koblenz, B 122, Nr. 51226, BL. 25. 184 Stiftungsratssitzung 2006. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrats (1952–1989).

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 55 Ergebnis, dass „die bisherigen Kriterien nicht verän- Fazit dert werden sollten, weil sie flexibel genug sind, um die schwierige Auswahl der Ringträger zu gewährleisten.“185 n den hundert Jahren ihrer Existenz hat die Auf Göbel gehen auch Initiativen zurück, sich „Siemens-Ring-Stiftung“ bzw. die „Stiftung Werner- mit der Geschichte der Stiftung im Dritten Reich von-Siemens-Ring“ so eine höchst wechselvolle auseinanderzusetzen. IGeschichte durchlaufen, zweimal war sie sogar in ihrer Existenz bedroht: In der Hyperinflation der Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Tätigkeit zwanziger Jahren hatte sie ihr gesamtes Stiftungska- der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring auch in ihrem pital verloren, und nicht viel besser stand sie in den neben der Ringverleihung wichtigsten Tätigkeitsfeld Wirren der Nachkriegszeit da. Dass beide Male die von einer großen Kontinuität und Beharrungsvermö- existenzielle Krise bewältigt wurde und die Stiftung gen gekennzeichnet ist. In jüngster Zeit, unter der Prä- ihre Tätigkeit wieder aufnehmen konnte, macht die sidentschaft von Joachim Ullrich (seit 2012), wurde herausragende Bedeutung des Stiftungszwecks und das Nachwuchsprogramm um ein Alumni-Netzwerk seine Zeitlosigkeit deutlich: „lebende Personen ohne der prämierten Nachwuchswissenschaftler ergänzt, Ansehen des Amtes, der Stellung oder des Ranges, wenn und es fanden spezielle Diskussionsveranstaltungen sie durch ihre Leistungen die technischen Wissenschaf- zu Themen statt, die insbesondere den akademischen ten gefördert oder als Vertreter der Wissenschaft durch Nachwuchs betreffen. Darüber hinaus wurde eine ihre Forschung der Technik neue Wege erschlossen Publikationsreihe begründet, die prämierte Arbeiten haben, zu ehren.“ Auch wenn gerade in den letzten der Nachwuchswissenschaftler veröffentlicht.186 Jahrzehnten mit dem Karl Heinz Beckurts Preis oder

185 Stiftungsratssitzung 2007. SRSA, Ordner Protokolle der Sitzungen des Stiftungsrats (1952–1989). 186 Vgl. Fischer-Wolfarth (2015).

Festveranstaltung zum 100. Todestag von Werner von Siemens am 6. Dezember 1992 im Kam- mermusiksaal des Konzerthauses am Gendarmenmarkt in Berlin. In der ersten Reihe: Hermann Lübbe, Eberhard Diepgen, Richard von Weizsäcker, Dieter Kind (v.l.n.r.).

56 dem Zukunftspreis des Bundespräsidenten dem Siemens-Ring gut dotierte und medial sehr präsente Konkurrenten erwachsen sind, hat er bis heute sein Ansehen als bedeutendster deutscher Technikpreis behaupten können – ungeachtet der Tatsache, dass er den Anspruch aus dem Gründungsjahrzehnt nicht einlösen konnte, ein Nobelpreis der Technik zu sein.

War der Siemens-Ring vor hundert Jahren Teil der gesellschaftlichen Emanzipation von Ingenieuren und technischen Wissenschaftlern, reflektiert die Auszeichnung heute die herausragende und prägende Rolle, die Wissenschaft und Technik in der modernen Gesellschaft und nicht zuletzt in Deutschland spielen.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 57 Literatur [17] Hoffmann, Dieter (1987): Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt - Zum 100. Gründungsjubiläum der be- [1] Adam, Thomas (2009): Die volkswirtschaftliche deutenden Forschungseinrichtung. Feingerätetechnik Bedeutung von Stiftungen und „totem Kapital, In: 36 (1987)1, 95–99. Thomas Adam et.al. (Hrsg.) Stiftungen seit 1800. Kon- [18] Hoffmann, Dieter (1987a): Wolfgang Gaede und tinuitäten und Diskontinuitäten. Stuttgart 2009. Johannes Stark. Zu den Beziehungen beider Gelehrter [2] Adam, Thomas (2014): Wissenschaftsförderung im im Spiegel ihres Briefwechsels. Wissenschaftliche Zeit- Deutschen Kaiserreich: Die Gründung und Finan- schrift der TH Magdeburg 31(1987) 1, 95–99. zierung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Kontext [19] Hoffmann, Dieter (1993): Nationalsozialistische neuerer Forschungen über das Stiften und Spenden, Gleichschaltung und Tendenzen militärtechnischer In: Dieter Hoffmann, Birgit Kolboske, Jürgen Renn Forschungsorientierung an der Physikalisch-Techni- (Hrsg.): „Dem Anwenden muss das Erkennen voraus- schen Reichsanstalt im Dritten Reich, In: H. Albrecht gehen“. Auf dem Weg zu einer Geschichte der Kaiser- (Hrsgb.): Naturwissenschaft und Technik in der Ge- Wilhelm- / Max-Planck-Gesellschaft. WOP 2014, schichte. Stuttgart 1993, S. 121–132. S. 193–239. [20] Dieter Hoffmann und Hubert Laitko (1996): Kompe- [3] Adam, Thomas (2016): Philanthrophy, Civil Society, tenz, Autorität und Verantwortung. Helmholtz und die and the State in German History, 1815-1989. Camden Wissenschaftspolitik im Wilhelminischen Deutsch- 2016. land, In: Hermann von Helmholtz (1821 bis 1894). [4] Auerbach, Felix (1918): Ernst Abbe. Leipzig 1918. Berliner Kolloquium zum 100. Todestag. Herausgege- [5] Bähr, Johannes (2016): Werner von Siemens 1816– ben von Dieter Hoffmann und Heinz Lübbig. Braun- 1892. Eine Biographie. München 2016. schweig 1996. [6] Benz, Wolfgang, Alfred Haverkamp, Wolfgang Rein- [21] Hoffmann, Dieter, Rüdiger Stutz (2003): Grenzgänger hard. Hrsg. (2007): Enzyklopädie des Nationalsozialis- der Wissenschaft: Abraham Esau als Industriephysiker, mus. Stuttgart 2007. Universitätsrektor und Forschungsmanager, In: U. [7] Brocke, Bernhard vom (1990): Die Geschichte der Hoßfeld, J. John, O. Lemuth, R. Stutz (Hrsgb.): Kämp- Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Kaiserreich, In: ferische Wissenschaft. Studien zur Universität Jena im Rudolf Vierhaus, Bernhard vom Brocke (Hrsgb.): For- Nationalsozialismus. Köln, Weimar 2003, S. 136–179. schung im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft. [22] Hoffmann, Dieter (2007): Die Ramsauer-Ära und die Geschichte und Struktur der Kaiser-Wilhelm- / Max- Selbstmobilisierung der Deutschen Physikalischen Ge- Planck-Gesellschaft. Stuttgart 1990. sellschaft, In: Dieter Hoffmann, Mark Walker (Hrsgb.): [8] Cahan, David (1992): Meister der Messung. Die Physiker zwischen Autonomie und Anpassung. Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt im Deutschen Deutsche Physikalische Gesellschaft im Dritten Reich. Kaiserreich. Weinheim 1992. Weinheim 2007, S. 173–215. [9] Einstein, Albert (1998): Gesammelte Schriften Band 8, [23] Horlamus, Wolfgang (1990): Deutsche Ingenieure und Teil 1. Princeton 1998. Wissenschaftler zwischen Gleichschaltung, Weltkrieg [10] Fischer-Wolfarth, Jan-Henrik, Hrsgb. (2015): Aus- und Kaltem Krieg. Norderstedt 1990. gezeichnete Forschungsbeiträge 2013 – Faszination [24] Hundertjahrfeier der Koeniglichen Technischen Hoch- Technik- und Naturwissenschaft. Berlin 2015. schule zu Berlin 18. – 21. October 1899 (1900), Berlin 1900. [11] Füßl, Wilhelm (2010): Oskar von Miller 1855–1934. [25] Dieter Kind und Walter Mühe (2007): Naturforscher München 2005. und Gestalter der Technik. Die Träger des Werner- [12] Fuchs, Franz (1936): Guericke Ausstellung. Deutsches von-Siemens-Ringes. Berlin 2007. Museum München 1936. [26] König, Wolfgang (2010): Distanz und Opportunismus. [13] Gaede, Hannah (1954): Wolfgang Gaede. Der Schöpfer Conrad Matschoß, der Verein Deutscher Ingenieure des Hochvakuums. Karlsruhe 1954. und das Deutsche Museum im Nationalsozialismus, [14] Goschler, Constantin (1998): Die Verwandlung: In: Elisabeth Vaupel, Stefan Wolff: Das Deutsche Mu- Rudolf Virchow und die Berliner Denkmalskultur seum in der Zeit des Nationalsozialismus. Göttingen im Kaiserreich. Jahrbuch für Universitätsgeschichte 2010, S. 171–193. 1(1998) 69–11. [27] Kraus, Elisabeth (2013): Repräsentation – Renommee – [15] Grewenig, Meinrad Maria. Hrsg. (2015): Die Röch- Rekrutierung. Mäzenatentum für das Deutsche Muse- lings und die Völklinger Hütte. Völklingen 2015. um. Preprint 9, Deutsches Museum München 2013. [16] Heinemann, Gustav (1970): Die gesellschaftliche Ver- [28] Lenard, Philipp, Johannes Stark: Briefwechsel 1933– antwortung des Naturwissenschaftlers. Physikalische 1947. Herausgegeben von Dieter Hoffmann und Blätter 26(1970)10, 433-435. Andreas Kleinert. (in Vorbereitung) [29] Ludwig, Karl Heinz, Hrsg.(1982): Technik, Ingenieu-

58 re und Gesellschaft. Geschichte des VDI 1856–1981. Archive und ihre Abkürzung Düsseldorf 1982. [30] Martinek, Sven (2010): Die Gründungsgeschichte der Archiv des Deutschen Museums München Siemens-Ring-Stiftung. Bachelor-Arbeit TU Berlin 2010. (DMA) [31] Matschoß, Conrad (1921): Preußens Gewerbeförde- rung und ihre großen Männern. Berlin 1921. Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung, [32] Matschoß, Conrad (1940): Dr. Ernst Alban. Berlin Sankt Augustin 1940. (KASA) [33] Neufeld, Michael J. (2009): Wernher von Braun. Visi- onär des Weltraums. Ingenieur des Krieges. München Archiv der Physikalisch Technischen Bundesanstalt, 2009 (Englische Originalausgabe New York 2007). Braunschweig [34] Physiker über Physiker (1975). Wahlvorschläge zur (PTBA) Aufnahme von Physikern in die Berliner Akademie 1870–1929. Herausgegeben von Christa Kirsten und Archiv der Senatsverwaltung für Justiz Berlin, Hans-Günther Körber. Berlin 1975. Stiftungsverwaltung [35] Pohle, Heidi (2003): Tafel erinnert an Nobelpreisträger. (SenJuA) Mitteldeutsche Zeitung v. 29.5. 2008, S. 12. [36] Rausch, Heike (2006): Kultfigur und Nation. Öffent- Archiv des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, liche Denkmäler in Paris, Berlin und London 1848– Düsseldorf 1914. München 2006 Akte Ag3: Stiftung Werner-von-Siemens-Ring (VDEhA) [37] Rohr, Moritz von (1929): Joseph Fraunhofers Leben, Leistungen und Wirksamkeit. Leipzig 1929. Archiv des Vereins Deutscher Ingenieure, Düsseldorf [38] Seidler, Franz W. (1986): Fritz Todt. Baumeister des Ordner Werner von Siemens-Ring Dritten Reiches. München 1986. der technisch-wissenschaftlichen Vereine [39] Schmitz-Berning, Cornelia (1998): Vokabular des (VDIA) Nationalsozialismus. Berlin 1998. [40] Schütz, Erhard (1996), Eckhard Gruber: Mythos Archiv der Werner-von-Siemens-Ring-Stiftung, Berlin Reichsautobahn. Bau und Inszenierung der „Strassen (SRSA) des Führers“. 1933–1941. Berlin 1996 [41] Siemens, Werner von (1891): Wissenschaftliche und Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde technische Arbeiten, Bd. 1 & 2, Berlin 1891. (BA Berlin) [42] Siemens, Werner von (1908): Lebenserinnerungen. Berlin 1908 (8. Auflage). Bundesarchiv Koblenz [43] Siemens, Werner von (1916): Ein kurzgefasstes Le- (BA Koblenz) bensbild nebst einer Auswahl seiner Briefe. Herausge- geben von Conrad Matschoß. Bd. 1 & 2, Berlin 1916. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin- [44] Sobeslavsky (1996) Erich, Nikolaus Lehmann: Zur Dahlem Geschichte der Rechentechnik und Datenverarbei- (GStA Dahlem) tung in der DDR 1946-1968. Hannah-Arendt-Institut, Berichte und Studien Nr. 8, Dresden 1996. Siemens Historical Institute, Berlin [45] Stark, Johannes (1987): Erinnerungen eines deutschen (SA) Naturforschers. Herausgegeben von Andreas Kleinert. Mannheim 1987. [46] Strachwitz (2010), Rupert Graf: Die Stiftung – ein Paradox. Zur Legitimität von Stiftungen in einer politi- schen Ordnung. Stuttgart 2010. [47] Werner-von-Siemens-Ring (1999) Verleihung an Dieter Oesterhelt. Schriften der Stiftung Werner-von- Siemens-Ring Nr. 19/2001. [48] Wette, Wolfgang (1984): Reichstag und „Kriegsgewinn- lerei“ (1916–1918). Die Anfänge parlamentarischer Rüstungskontrolle in Deutschland, in: Militärge- schichtliche Mitteilungen 36 (1984), S. 31–56.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 59 100-JAHR-FEIER

1 IMPRESSIONEN

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PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 61 3 100-JAHR-FEIER IMPRESSIONEN Bildlegenden

1. Joachim Ullrich, Vorsitzender des Stiftungsrats 4. Martin Herrenknecht mit Siemens-Ring. und Präsident der Physikalisch-Technischen 5. Bundesminister für Wirtschaft und Energie Bundesanstalt, begrüßt die Festversammlung. Sigmar Gabriel bei seinem Grußwort. 2. In der ersten Reihe: Stefan Hell, Joachim 6. Joachim Ullrich überreicht die Schatulle mit Ullrich, Sigmar Gabriel, Herr und Frau dem Siemens-Ring an Martin Herrenknecht. Herrenknecht (v. l. n. r.). 3. Stefan Hell, Nobelpreisträger für Chemie 2014, bei seiner Festrede.

Programm 13. Dezember 2016 – Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Leibniz-Saal

Programm

17:00 Uhr Begrüßung – Prof. Dr. Joachim Ullrich Präsident der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und Vorsitzender des Stiftungsrats

Grußwort – Sigmar Gabriel Bundesminister für Wirtschaft und Energie

Festrede – Prof. Dr. Stefan Hell Nobelpreisträger 2014

Ringverleihung an Dr.-Ing. E.h. Martin Herrenknecht

Musikalische Begleitung: Oriel Quartett

19:00 Uhr Empfang

Diese Einladung gilt als Einlasskarte.

6262 Rainer Scharf KURZPORTRÄTS DER RINGTRÄGER

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 63 Ringträger 1916 CARL VON LINDE

Der erste Werner-von-Siemens- als akademischer Lehrer war Ring wurde 1916 an Carl Ritter Linde erfolgreich, indem er von Linde verliehen. Als Sohn seinen Studenten thermodyna- eines Pastors am 11. Juni 1842 mische Vorgänge in Maschinen im oberfränkischen Berndorf praxisnah erläuterte. So erfuhr als Carl Linde geboren, nahm Rudolf Diesel in Lindes Ther- er 1861 nach dem Abitur ein modynamikvorlesungen den Studium der Maschinenlehre ersten Anstoß zur Entwicklung am Eidgenössischen Poly- des Dieselmotors. Carl Linde technikum in Zürich auf. Zu verließ 1879 den Staatsdienst, seinen Lehrern zählten dort um sich der industriellen der Mathematiker Richard Auswertung seiner Erfin- Dedekind, der Physiker Rudolf dungen und Patente widmen Clausius sowie die Ingenieure zu können. Zusammen mit Gustav Zeuner und Franz Reu- Bierbrauern und anderen Teil- leaux. Als engagierter Vertreter habern gründete er die „Gesell- studentischer Interessen geriet schaft für Lindes Eismaschi- er in Konflikt mit der Leitung nen“, deren Vorstand er wurde. des Polytechnikums, das er dar- Aus dem Unternehmen gingen aufhin 1864 kurz vor der Aus- zahlreiche technische Entwick- händigung des Ingenieurdip- lungen hervor, die der Kühlung loms verlassen musste. Da seine von Lebensmitteln, der Bier- Professoren ihn aber wegen brautechnik und Verfahren der seiner Fähigkeiten schätzten, chemischen Industrie zugute- stellten sie ihm persönliche kamen. 1890 trat Linde von der Zeugnisse aus, die ihm für den Geschäftsführung zurück und weiteren Berufsweg, so Linde, übernahm wieder eine Profes- wesentliche Dienste geleistet sur. In den folgenden Jahren hätten. Nach dem fehlenden gelang ihm die Verflüssigung Ingenieurdiplom sei er niemals von Luft sowie die Produk- gefragt worden. Wieder zurück tion von flüssigem Sauerstoff in Deutschland arbeitete Linde und flüssigem Stickstoff im in der Industrie, zuletzt als Großverfahren. Durch fraktio- Leiter des Konstruktionsbüros nierte Verdampfung konnte er der Lokomotivfabrik Krauß in reinen Sauerstoff und Stickstoff München. An der neugeschaf- gewinnen. Der 1895 geadelte fenen Polytechnischen Hoch- Carl von Linde erhielt neben schule in München wurde er dem Siemens-Ring zahlrei- 1868 Privatdozent, dann außer- che weitere Ehrungen, so den ordentlicher Professor und Orden Pour le Mérite für Wis- 1872 ordentlicher Professor für senschaften und Künste sowie Maschinenlehre. Aus seiner mehrere Ehrendoktorwürden. wissenschaftlichen Arbeit Er starb am 16. November 1934 gingen grundlegende Veröf- in München. fentlichungen und Erfindungen zur Kältetechnik hervor. So entwickelte er eine Ammoniak- Kältemaschine, indem er die Clausius’sche Thermodynamik systematisch anwendete. Auch

64 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1919 CARL AUER VON WELSBACH

Der zweite Pionier der tech- Beleuchtung beendet wurde. nischen Wissenschaften, der Seine Fabrik nahe Wien und mit dem Siemens-Ring geehrt ihre zahlreichen Tochtergesell- wurde, ist Carl Auer Freiherr schaften in aller Welt befrie- von Welsbach. Er erhielt die digten die Nachfrage nach Auszeichnung 1920 vor allem, „Auerbrennern“. Carl Auer von wie es in der Laudatio heißt, für Welsbach hatte schon frühzei- den „Aufschwung künstlicher tig Laborversuche durchge- Beleuchtung durch den Auer- führt, um den lichttechnischen brenner“ und für die „Osmi- Wirkungsgrad elektrischer umlampe, welche die Reihe der Glühlampen zu verbessern. elektrischen Metalldrahtlam- Statt der damals benutzten pen eröffnete“. Zudem führte Edison’schen Kohlefaden- er zahlreiche chemische und lampen, deren Lichtausbeute technologische Forschungsar- sich nicht mehr steigern ließ, beiten durch, aus denen u. a. entwickelte er Metallfadenlam- neue Trennverfahren für die pen, die zunächst Osmium- Elemente der seltenen Erden und später Wolframdrähte durch fraktionierte Kristalli- enthielten. Darauf geht auch sation hervorgingen. Er wurde der von ihm erdachte Name am 1. September 1858 in Wien der Firma „Osram“ zurück, die geboren, wo er nach dem seine entsprechenden Patente Besuch von Gymnasium und verwertete. Von 1910 bis 1928 Realschule 1878 ein Chemie- forschte er in seinem Laborato- studium aufnahm, das er in rium in dem von ihm gebauten Heidelberg fortsetzte und Schloss Welsbach bei Mölbling 1882 durch eine Promotion in Kärnten. Bemühungen, bei Robert Wilhelm Bunsen ihn für eine Tätigkeit an einer abschloss. Anschließend kehrte Hochschule zu gewinnen, er nach Wien an das chemi- blieben erfolglos. Neben dem sche Institut von Adolf Lieben Siemens-Ring erhielt er zahlrei- zurück, wo er eine Assistenten- che weitere Ehrungen, u. a. vier stelle annahm und die Eigen- Ehrendoktortitel der Universi- schaften seltener Erden sowie täten bzw. Technischen Hoch- die Leuchterscheinungen ihrer schulen in Wien, Karlsruhe, Verbindungen untersuchte. Freiburg und Graz. Schon 1901 Indem er Baumwollgewebe war Carl Auer in den Freiherrn- mit den Salzen bestimmter stand erhoben worden. Er starb seltener Erden tränkte und am 4. August 1929 in Mölbling. dann mit einem Bunsenbren- ner veraschte, stellte er die ersten Gasglühstrümpfe her, die er 1885 patentieren ließ. Nachdem er die Brenndauer und die Lichtausbeute der Glühstrümpfe erheblich ver- bessern konnte, leiteten diese den Siegeszug der Gasbeleuch- tung ein, der erst durch das Aufkommen der elektrischen

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 65 Ringträger 1923 CARL BOSCH

Carl Bosch, der 1924 den der großtechnischen Erzeugung Siemens-Ring erhielt, wurde von Ammoniak voran. Schon am 27. August 1874 in Köln 1913 konnte eine große Ammo- geboren. Der jüngere Bruder niakfabrik nahe Ludwigshafen seines Vaters war der Industri- in Betrieb genommen werden. elle Robert Bosch. Nach dem Während des Ersten Weltkrie- Besuch der Kölner Oberre- ges konnte das Deutsche Reich alschule, wo Carl Bosch die keinen Chilesalpeter einfüh- Reifeprüfung ablegte, wollte ren, den es für die Herstellung er ein naturwissenschaftli- von Sprengstoff und Dünge- ches Studium beginnen. Doch mitteln benötigte. Daraufhin zunächst absolvierte er auf wurde unter Boschs Leitung Wunsch seines Vaters eine ein großes Ammoniakwerk Lehre in einem Eisenhütten- bei Leuna gebaut und 1917 in werk. Anschließend studierte Betrieb genommen, das Abhilfe er ab 1894 Maschinenbau und schaffte. Nach Kriegsende nahm Hüttenwesen an der Techni- Bosch 1919 an den Versailler schen Hochschule Charlotten- Friedensverhandlungen teil, burg und wechselte 1896 an in denen es ihm gelang, die die Universität Leipzig, wo er deutschen Chemieanlagen vor ein Chemiestudium aufnahm, der Zerstörung zu bewahren. das er 1898 mit der Promotion Mit Carl Duisberg, dem Gene- abschloss. Im Jahr darauf trat er raldirektor der Farbenfabriken als Chemiker in das Hauptlabo- Bayer Leverkusen, schuf er eine ratorium der Badischen Anilin- Interessengemeinschaft deut- und Sodafabrik in Ludwigshafen scher Chemiefirmen, aus der ein. Er beschäftigte sich u. a. mit 1925 der Großkonzern IG Far- Katalysatoren und ihrem Ein- benindustrie hervorging, dessen fluss auf die Geschwindigkeit Vorstandsvorsitzender Bosch chemischer Reaktionen. 1900 wurde. Unter seiner Ägide wandte er sich dem Problem zu, wurde die katalytische Druckhy- Ammoniak aus Luftstickstoff drierung von Braunkohle nach und Wasserstoff zu syntheti- einem Verfahren von Friedrich sieren. Er hatte ein angebliches Bergius („Kohleverflüssigung“) Syntheseverfahren, das Wilhelm entwickelt. Neben dem Sie- Ostwald der BASF zum Kauf mens-Ring erhielt Bosch viele anbot, untersucht und nicht weitere Ehrungen, darunter fünf bestätigen können. Als der Che- Ehrenpromotionen. 1931 erhielt miker Fritz Haber seine For- er gemeinsam mit Bergius den schungsergebnisse zur kataly- Chemienobelpreis für seine sierten Ammoniaksynthese bei Verdienste um die Entwicklung der BASF einbrachte, stand ihm chemischer Hochdruckverfah- Carl Bosch als kongenialer Mit- ren. 1937 wurde er Nachfolger arbeiter zur Seite. Gemeinsam von Max Planck als Präsident gelang es ihnen 1908, Ammo- der Kaiser-Wilhelm-Gesell- niak mit Osmium als Katalysa- schaft. Von den Nationalsozia- tor bei über 500 °C und einem listen aus allen Leitungspositi- Druck von mehr als 10 Megap- onen gedrängt, starb er am 26. ascal zu erzeugen. Ab 1909 April 1940 in Heidelberg. trieb Bosch die Entwicklung

66 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1926 OSKAR VON MILLER

Oskar von Miller wurde am Generatoren mit einer Leistung 7. Mai 1855 in München als von jeweils 1000 PS liefen, was Sohn des Leiters der dorti- damals Rekord war. Obwohl gen Königlichen Erzgießerei die AEG florierte, verließ von geboren. Nach seinem Abitur Miller 1890 das Unternehmen, studierte er am Münchner um in München ein eigenes Polytechnikum Wasser- und Ingenieurbüro zu gründen. Brückenbau. Nach dem Staats- Dessen erster großer Erfolg war examen arbeitete er als Bau- 1891 die organisatorische und ingenieur beim Straßen- und technische Leitung der „Elekt- Flussbauamt München und rotechnischen Ausstellung“ in später bei der königlichen Frankfurt am Main. Für großes Regierung von Oberbayern. Aufsehen sorgte eine von Miller Bei diesen Tätigkeiten waren initiierte 175 Kilometer lange seine kreativen Fähigkeiten Hochspannungsverbindung unerwünscht. Die Wende kam vom Kraftwerk Laufen am für ihn, als er 1881 von seiner Neckar zum Ausstellungsge- Behörde für mehrere Wochen lände in Frankfurt. Danach als Kommissär nach Paris zu bekam von Millers Ingenieur- einer großen internationalen büro zahlreiche Aufträge zum elektrotechnischen Ausstel- Entwurf und zu Planung von lung geschickt wurde. Er sollte Elektrizitätswerken im In- und prüfen, wie sich die Wasser- Ausland. Während von Miller kraft in Bayern zur Erzeugung noch Pläne für ein einheitli- von Elektrizität nutzen ließe. ches System der Energiever- Sein umfangreicher Bericht sorgung im Deutschen Reich stieß bei seiner Behörde auf ausarbeitete, wurde er ab 1903 Skepsis, und so beschloss er, zum Initiator und schließlich 1882 im Münchner Glaspalast zum Schöpfer des Deutschen eine Elektrizitäts-Ausstellung Museums in München, das zu organisieren, die für die 1925 eröffnet wurde. Neben Elektrotechnik werben sollte. vielen Auszeichnungen erhielt Die Ausstellung wurde ein Oskar von Miller 1927 den großer Erfolg, und von Miller Siemens-Ring, mit dem man gewann einige wichtige Wirt- ihn als „bahnbrechenden schaftsführer und Industrielle Pionier der deutschen Elekt- für seine Ideen, unter ihnen rotechnik und der deutschen Siegmund Schuckert und Emil Elektrizitätswirtschaft sowie Rathenau. Nach einem Studi- als den Gründer des Deut- enaufenthalt in den USA, bei schen Museums“ ehrte. Er ist dem er herausragende Vertreter am 9. April 1934 in München der Elektrotechnik wie Thomas gestorben. Alva Edison traf, holte ihn Rathenau 1884 als technischen Direktor der „Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft“ (AEG) nach Berlin. Gemeinsam gründeten sie die „Berliner Electricitäts-Werke“, in deren Zentrale schon 1887 mehrere

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 67 Ringträger 1929 HUGO JUNKERS

Der 1930 mit dem Siemens- werkstatt entstand 1907 ein Ring geehrte Hugo Junkers war Gegenkolben-Dieselmotor, der ein sehr kreativer Ingenieur auf u. a. als Schiffsmotor einge- den Gebieten der Thermody- setzt wurde. Angeregt durch namik, der Verbrennungsmo- seinen Aachener Kollegen toren und des Flugzeugbaus. Er Hans Reißner begann Junkers wurde am 3. Februar 1859 in 1908 mit dem Flugzeugbau. Er Rheydt als Sohn eines Fabri- und Reißner entwickelten ein kanten geboren, besuchte die Flugzeug, dessen Tragflächen Höhere Bürgerschule in Rheydt nicht wie damals üblich aus und anschließend die Gewer- Holz und Stoff, sondern aus beschule in Barmen, an der er Stahlrohren und Wellblech 1878 die Reifeprüfung ablegte. bestanden. 1910 erhielt er ein Anschließend studierte er Patent für einen freitragenden Maschinenbau an den Techni- Großraum-Tragflügel. Während schen Hochschulen in Karls- des Ersten Weltkrieges führte ruhe, Aachen und schließlich er die Entwicklungsarbeiten Berlin-Charlottenburg. Dort an einem Ganzmetallflugzeug schloss er sich Professor Adolf mit freitragenden Flächen fort. Slaby an, der sich experimentell Nach Kriegsende baute er das mit Problemen von Verbren- weltweit erste Ganzmetall- nungsmotoren beschäftigte. Verkehrsflugzeug, das Ende 1888 ging Junkers mit einer 1919 mit acht Personen an Bord Empfehlung von Slaby, der die Weltrekordhöhe von 6750 ihn als „begabten Ingenieur“ Meter erreichte. Diese F 13 schätzte, zur Continental- wurde mehr als tausendmal Gasgesellschaft in Dessau. Dort gebaut und in alle Welt expor- entwickelte er gemeinsam mit tiert. Junkers wurde nun auch Wilhelm von Oechelhäuser, Luftverkehrsunternehmer und dem Technischen Direktor gründete 1921 eine Firma, aus des Unternehmens, Groß- der 1926 durch Zusammen- gasmotoren zur Erzeugung schluss mit der „Deutschen von elektrischer Energie. Zur Aero Lloyd“ die „Deutsche Ermittlung des Wirkungsgrades Luft Hansa AG“ entstand. Er der Motoren erfand Junkers ein konstruierte zahlreiche erfolg- Kalorimeter, mit dem sich der reiche Flugzeuge, von denen Brennwert des Gases auf einfa- das bekannteste die dreimo- che Weise bestimmen ließ. Aus torige Ju 52 war. In der Welt- diesem Kalorimeter entwickelte wirtschaftskrise wurde Junkers’ er einen Gasbadeofen, den er Unternehmen zahlungsunfähig 1894 als „Flüssigkeitserhit- und musste teilweise verkauft zer“ patentieren ließ. Aus den werden. Nach 1933 wurde er, Einnahmen dieser gewinnbrin- dessen demokratische und genden Erfindung finanzierte pazifistische Gesinnung den er später seine Forschungs- und Nationalsozialisten verhasst Entwicklungsarbeiten in der war, enteignet und mit einem Luftfahrttechnik. Von 1897 bis Stadtverbot für Dessau belegt. 1911 war er in Aachen Pro- Hugo Junkers starb am 3. fessor für Thermodynamik. Februar 1935 in Gauting. In seiner Aachener Versuchs-

68 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1933 WOLFGANG GAEDE

Der Physiker Wolfgang Gaede schen Instituts der Technischen wurde am 25. Mai 1878 in Lehe Hochschule Karlsruhe. Durch bei Bremerhaven geboren. Er seine bahnbrechenden Arbeiten ging in Freiburg zur Schule zur Vakuumphysik und Hoch- und studierte an der dortigen vakuumtechnik wurden ganze Universität zunächst Medizin, Industriezweige erst möglich, wechselte aber bald zur Physik die verbesserte Lichtquellen, und promovierte 1901 mit einer Elektronenröhren oder Rönt- Arbeit zur Temperaturabhän- genröhren herstellten. Nach gigkeit der spezifischen Wärme 1933 wurde Gaede durch der Metalle. Anschließend war politische Anschuldigungen er Assistent am Physikalischen aus seinem Lehramt gedrängt. Institut der Universität Freiburg Der Nobelpreisträger Johannes und untersuchte die Kontakt- Stark, von den neuen Machtha- elektrizität zwischen unter- bern zum Präsidenten der Phy- schiedlichen Metallen. Um den sikalisch-Technischen Reichs- störenden Einfluss der an die anstalt berufen, setzte sich Metalloberflächen gebundenen vergebens für Gaede ein. Der Gasmoleküle auszuschalten, wurde 1934 aus dem Staats- wollte er seine Experimente im dienst entlassen, konnte aber Vakuum durchführen. Dabei in seinem Privatlaboratorium stellte er fest, dass die damals weiter arbeiten. Auf Starks Vor- zur Verfügung stehenden schlag hin wurde Gaede 1933 Pumpen kein ausreichendes der Siemens-Ring verliehen. Vakuum erzielen konnten. Also Gaede verbrachte die letzten versuchte er, eine neuartige, Jahre in München, wo er neue wesentlich leistungsfähigere Freunde unter den dortigen Pumpe zu bauen, was ihm 1905 Physikern fand. Am 24. Juni mit der Erfindung der „rotie- 1945 ist er in München gestor- renden Quecksilberpumpe“ ben. Sein langjähriger Freund gelang. Mit ihr erreichte er auf Arnold Sommerfeld hielt die Anhieb ein Vakuum von 10–4 Grabrede, in der er Wolfgang Pascal, was etwa ein Milliardstel Gaede als Spezialisten höchsten des normalen Luftdrucks ist. Ranges bezeichnete, in dem die Als Gaede seine Pumpe vor Reihe der Forscher gipfelt, die einem Fachpublikum vorführte, sich um die Vakuumtechnik sorgte dies für eine Sensation. verdient gemacht haben. Er übertrug die Herstellung der neuartigen Pumpen der Kölner Firma Leybold, die auch weitere von ihm entwickelte Pumpen baute und vertrieb, wie die „Molekularluftpumpe“ und die Quecksilber-Diffusi- onspumpe, die 1915 auf den Markt kam. Gaede hatte sich 1909 habilitiert, wurde 1913 a. o. Professor in Freiburg und 1919 ordentlicher Professor und Direktor des Physikali-

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 69 Ringträger 1937 FRITZ TODT

Der Siemens-Ring ging 1937 der Technischen Hochschule an Fritz Todt, einen frühen München, das aber durch den Gefolgsmann Hitlers und des Ersten Weltkrieg unterbrochen Nationalsozialismus, der 1933 wurde. Er setzte sein Studium zum mächtigen Generalins- 1918 fort und schloss es 1920 pekteur des deutschen Stra- mit dem Diplom an der Tech- ßenwesens geworden war. Wie nischen Hochschule Karlsruhe Unterlagen über die Wahl des ab. Anschließend trat er in ein Preisträgers zeigen, waren 1936 Münchner Straßenbauunter- Fritz Hoffman, der Erfinder nehmen ein, wo er bis 1933 des synthetischen Kautschuks, blieb und zum Geschäftsführer und Friedrich Bergius, der und technischen Leiter auf- 1931 mit Carl Bosch den stieg. Schon 1922 war er in Chemie-Nobelpreis erhielt, für die NSDAP eingetreten. Nach den Siemens-Ring nominiert 1933 nahm seine Karriere einen worden. Doch auf Betreiben steilen Verlauf. Er gründete von Johannes Stark, der seit 1938 die Organisation Todt, 1933 Präsident der Physika- eine paramilitärische Bau- lisch-Technischen Reichsanstalt truppe. Ab März 1940 leitete er und damit Vorsitzender des als Reichsminister für Bewaff- Stiftungsrates der Siemens- nung und Munition die gesamte Ringstiftung war, wurden diese deutsche Kriegswirtschaft. Am Kandidaten zurückgestellt. 1937 8. Februar 1942 starb er, als stand die Wahl erneut auf der er mit seinem Flugzeug beim Tagesordnung, mit nun fünf Rückflug von einem Besuch bei Kandidaten, von denen einer Hitler in der „Wolfsschanze“ Fritz Todt war. Die eindeutig abstürzte. Sein Nachfolger als politisch motivierte Wahl fiel Reichsminister wurde Albert auf Todt weil „er des Führers Speer. Noch bis in jüngste Zeit großen Gedanken der Schaf- hielt sich die Legende vom fung von Reichsautobahnen mit unpolitischen Technokraten wissenschaftlichen Methoden und kompetenten Fachmann technisch verwirklicht habe.“ Fritz Todt, der den Siemens- Er wurde am 4. September Ring ausschließlich für seine 1891 als Sohn eines Fabrikan- Verdienste um den deutschen ten in Pforzheim geboren, wo Autobahnbau erhalten habe. er 1910 sein Abitur bestand. Dieses Bild muss jedoch korri- 1911 begann er ein Studium giert werden. des Bauingenieurwesens an

70 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1941 WALTHER BAUERSFELD

Der letzte Siemens-Ring vor Zeit entstanden 120 patentierte Kriegsende wurde 1941 dem Erfindungen, die ganz oder Ingenieur und Physiker Walther teilweise auf ihn zurückgingen. Bauersfeld zuerkannt, wobei Weltweite Berühmtheit erlangte die Wahl auf den alleinigen Bauersfeld durch das Zeiss- Vorschlag von Abraham Esau Projektionsplanetarium, das zurückging. Esau hatte Johan- auf eine Idee des Astronomen nes Stark als Vorsitzenden der Max Wolf und des Vorstandes Ringstiftung abgelöst und war des Deutschen Museums in wie dieser ein früher Anhän- München, Oskar von Miller, ger des Nationalsozialismus. zurückging. 1924 wurde das Mit Bauersfeld wurde ein sehr erste von Bauersfeld entwickelte vielseitiger Mann geehrt, dessen Planetarium in Jena errichtet in der Öffentlichkeit bekanntes- und im folgenden Jahr dem tes Werk die Zeiss-Planetarien Deutschen Museum übergeben. waren. Er wurde am 23. Januar Angesichts der großen welt- 1879 in Berlin geboren. Dort weiten Nachfrage nach solchen besuchte er das Sophien- Planetarien ersann Bauersfeld Realgymnasium, das er als ein preisgünstiges Verfahren, bester Abiturient der Schule mit freitragende halbkugelförmige einem hervorragenden Reife- Kuppeln aus Stahlbeton herzu- zeugnis verließ. Er arbeitete stellen. Das hatte nachhaltigen zunächst als Praktikant in einer Einfluss auf den Stahlbetonbau. Eisenbahnwerkstatt und stu- 1927 wurde er außerordent- dierte dann von 1898 bis 1902 licher Professor für Physik Maschinenbau an der Techni- an der Universität Jena und schen Hochschule Berlin-Char- 1939 ordentlicher Professor. lottenburg. Nach bestandener Er wirkte nach 1946 am Wie- Diplomprüfung war er Assis- deraufbau der Zeiss-Werke in tent am Institut für Maschi- Oberkochen mit und wurde nenbau und Wasserkraftma- 1949 Honorarprofessor für schinen, wo er 1905 mit einer Feinmechanik an der Techni- Arbeit über „Die automatische schen Hochschule Stuttgart. Regulierung der Turbinen“ pro- Für seine Leistungen bei der movierte. Im selben Jahr boten Entwicklung und Konstruktion ihm die Optischen Werkstätten neuartiger feinmechanischer Carl Zeiss in Jena eine leitende und optischer Geräte wurde er Position im Entwicklungs- und vielfach geehrt, zum Beispiel Konstruktionsbereich an, die er durch mehrere Ehrenpromo- annahm. Abgesehen von einer tionen. Auch erhielt er 1957 einjährigen Forschungsauf- als erster Deutscher die James- gabe in einem Luftfahrtinstitut Watt-Medaille. Er starb am 28. in den Jahren 1907 und 1908 Oktober 1959 in Heidenheim blieb er der Firma Carl Zeiss an der Brenz. sein ganzes Berufsleben lang treu. 1908 wurde er Mitglied der Geschäftsführung und war für die Konstruktion und Produktion von Präzisionsins- trumenten zuständig. In dieser

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 71 Ringträger 1952 HERMANN RÖCHLING

Auf der ersten Sitzung des Stif- seinen Mitarbeitern entwickelte tungsrates der Siemens-Ring- Röchling zahlreiche technisch- Stiftung nach dem Zweiten wissenschaftliche Neuerungen Weltkrieg fiel im Dezember im Eisenhüttenwesen. Nach 1952 der Beschluss, den Unter- dem Ersten Weltkrieg musste nehmer Hermann Röchling „in er Frankreich eine Mehrheits- Anerkennung seiner bahnbre- beteiligung an der Völklinger chenden Leistungen auf dem Hütte abtreten. Beim Anschluss Gebiet der Metallurgie des des Saarlandes an das Deut- Eisens“ mit dem Siemens-Ring sche Reich spielte Röchling zu ehren. Die Ringstiftung eine aktive Rolle, wobei er hatte mit Röchling einen sehr enge Beziehungen zur NSDAP problematischen Preisträger unterhielt, deren Mitglied er ausgewählt. Zwar war er ein 1935 wurde. Bald darauf wurde hoch anerkannter Eisenhütten- er zum Wehrwirtschafts- fachmann und erfolgreicher führer ernannt. Nach dem Unternehmer, doch zugleich Anschluss des Saarlandes nahm hatte er mit Hitler in einem der Röchling-Konzern einen engen Vertrauensverhältnis raschen Aufschwung. Röchling gestanden. Nach Kriegsende teilte die Ziele der National- wurde Röchling von einem sozialisten und forderte Hitler internationalen Militärgerichts- 1936 in einer Denkschrift zum hof wegen Ausplünderung Kampf gegen die Sowjetunion besetzter Gebiete und Beihilfe und das „Weltjudentum“ auf. zur Zwangsarbeit zu einer lang- Nach Kriegsende stand die jährigen Haftstrafe verurteilt. Völklinger Hütte unter franzö- Doch er wurde bereits 1951 aus sischer Zwangsverwaltung und der Haft entlassen. Der Histori- wurde erst 1956 an die Familie ker Dieter Hoffmann bemerkte Röchling zurückgegeben. zur Wahl Röchlings: „Was die Hermann Röchling durfte nach Mitglieder des Stiftungsrats seiner Haftentlassung 1951 das leitete, eine politisch so dis- Saarland nicht mehr betreten. kreditierte Person zu küren, ist Ihm wurde der Siemens-Ring aus heutiger Sicht nur schwer 1953 im Beisein von Wirt- nachzuvollziehen …“. Hermann schaftsminister Ludwig Erhard Röchling wurde am 12. Novem- im Haus des Vereins Deutscher ber 1872 in Saarbrücken Eisenhüttenleute in Düsseldorf geboren. Sein Vater erwarb überreicht. Röchling starb am 1881 die Völklinger Eisenhütte, 24. August 1955 in Mannheim. die sich zum größten Eisen- und Stahlwerk des Saarlandes entwickelte. Nach dem Abitur studierte Hermann Röchling in Heidelberg und Berlin Maschi- nenbau und Hüttenwesen sowie Rechts- und Wirtschaftswis- senschaften. 1898 übernahm er zuerst die Völklinger Hütte, dann das gesamte väterliche Unternehmen. Allein oder mit

72 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1956 JONATHAN ZENNECK

Der Physiker Jonathan Zenneck das zur „Bibel der drahtlosen wurde am 15. April 1871 in Telegraphie“ wurde. Er wurde Ruppertshofen geboren. Ab 1905 als außerordentlicher Pro- 1885 besuchte er die evange- fessor für Experimentalphysik lisch-theologischen Seminare an die Technische Hochschule zuerst in Maulbronn, dann in Braunschweig berufen. Von Blaubeuren und schließlich 1909 bis 1911 war er Leiter des in Tübingen, wo er 1894 sein Physikalischen Laboratori- „Lehramtsexamen“ in der ums der BASF in Ludwigsha- Mathematik und den Natur- fen. Danach war er zunächst wissenschaften ablegte. Ein außerordentlicher Professor in Jahr später promovierte er mit Danzig und anschließend von einer zoologischen Arbeit und 1913 bis zu seiner Emeritierung ging dann für kurze Zeit an das 1939 ordentlicher Professor an Natural History Museum in der Technischen Hochschule London. Bei seiner Rückkehr München. Ab 1930 untersuch- nach Tübingen wurde ihm von ten er und seine Mitarbeiter dem Physiker Ferdinand Braun die Ausbreitung von Kurzwel- eine Assistentenstelle ange- len und die Eigenschaften der boten. Als Braun 1895 nach Ionosphäre. Von 1933 bis 1953 Straßburg berufen wurde, folgte war Zenneck Vorsitzender ihm Zenneck. Er war dort von des Vorstandes im Deutschen 1896 bis 1905 Assistent an Museum und damit Nachfolger Brauns Institut und wirkte an von Oskar von Miller. Er erhielt dessen grundlegenden Arbei- zahlreiche Ehrungen, unter ten zur Hochfrequenztechnik anderem eine Ehrenpromotion und drahtlosen Telegrafie mit, durch die Technische Hoch- für die Braun 1909 mit dem schule Dresden. 1956 wurde er Physik-Nobelpreis ausgezeich- durch den Siemens-Ring aus- net wurde. Zenneck war an der gezeichnet, den er im darauf- Entwicklung der Braun’schen folgenden Jahr im Deutschen Röhre beteiligt, aus der später Museum entgegennehmen der Kathodenstrahl-Oszillograf konnte. Am 8. April 1959 ist hervorgehen sollte. An Brauns Jonathan Zenneck in München Institut in Straßburg hat er gestorben. Untersuchungen zur drahtlosen Telegrafie durchgeführt und zwischen 1899 und 1900 in der Helgoländer Bucht Versuche mit Sendeanlagen gemacht. Die Ergebnisse der Versuche bildeten die Grundlage für die Einführung des deutschen See- funkdienstes. Zudem führten sie zur Gründung der „Braun- Siemens-Gesellschaft“, aus der später die Firma „Telefunken“ hervorgehen sollte. 1901 konnte sich Zenneck habilitierten und er veröffentlichte ein Fachbuch,

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 73 Ringträger 1960 OTTO BAYER

Da im Jahr 1960 keiner der der Farbstoffchemie förderte früheren Ring-Preisträger mehr er nun auch andere Bereiche lebte, man aber das Gewicht wie die Polymerisation und der Preisträger im Stiftungs- die Chemie der Kautschukche- rat stärken wollte, ging man mikalien sowie die Forschung dazu über, zu jeder Verleihung auf dem Gebiet der Pflanzen- mehrere Preisträger zu küren. schutzmittel. Sein persönliches So wurden 1960 drei heraus- Verdienst war die Entwicklung ragende Chemiker mit dem der Polyurethanchemie, für die Siemens-Ring geehrt: Otto er 1937 das erste Patent erwarb Bayer, Walter Reppe und Karl und mit der er weltberühmt Ziegler. Otto Bayer wurde am wurde. Dank ihrer variablen 4. November 1902 in Frankfurt Eigenschaften haben diese am Main geboren. Er studierte Kunststoffe zahlreiche Anwen- Chemie an der Universität dungen und deshalb große Frankfurt, promovierte dort wirtschaftliche Bedeutung. Seit 1924 und war dann gut zwei 1951 war Otto Bayer Leiter des Jahre Privatassistent, wobei er Gesamtbereichs Forschung als über die katalytische Hydrie- Vorstandsmitglied der Farben- rung unter Druck arbeitete. fabriken Bayer AG und ab 1964 1927 trat er in das zur IG Far- Vorsitzender des Aufsichtsrates benindustrie gehörende Werk des Unternehmens. Die Univer- Mainkur in Frankfurt ein, wo sität Bonn und die Technische er vor allem auf dem Gebiet der Hochschule München verliehen Farbstoffchemie tätig war. Ihm ihm die Ehrendoktorwürde. Er gelangen zahlreiche patentierte erwarb sich große Verdienste Erfindung zu Zwischenpro- um die chemische Forschung dukten für Farbstoffe und zu und den Chemiker-Nachwuchs Textilfasern. Diese Erfolge durch seine Initiative zur Schaf- führten dazu, dass ihm 1934 fung des „Fonds der Chemi- von der IG Farben die Leitung schen Industrie“. 1960 erhielt des wissenschaftlichen Hauptla- er den Siemens-Ring. Am 1. boratoriums im Werk Leverku- August 1982 verstarb Otto sen übertragen wurde. Neben Bayer in Burscheid.

74 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1960 WALTER REPPE

Der zweite Chemiker, der 1960 Arbeitsgebiet zu „entschärfen“ mit dem Siemens-Ring aus- und sicher zu machen. Durch gezeichnet wurde, war Walter die Hochdrucksynthesen auf Reppe, geboren am 29. Juli der Basis von Acetylen und 1892 in Göringen bei Eisenach. anderen chemischen Verbin- Er studierte von 1911 bis 1914 dungen konnte Reppe zahl- in Jena und München Mathe- reiche wertvolle Vorprodukte matik, Physik und Chemie. herstellen, die für die Produk- Aufgrund seiner Einberufung tion von Kunststoffen, synthe- im Ersten Weltkrieg konnte er tischem Kautschuk („Buna“), sein Studium in München erst Lackrohstoffen und Arzneimit- 1920 mit einer Dissertation teln benötigt wurden. Dabei in der organischen Chemie bereicherte er die organische abschließen. Er trat 1921 in Chemie um vier grundlegend das Hauptlaboratorium der neue Verfahren, die unter Badischen Anilin- und Soda- dem Begriff „Reppe-Chemie“ Fabrik (BASF) ein, der er zusammengefasst wurden. 1938 zeit seines Lebens verbunden übernahm er die Leitung des blieb. Zunächst beschäftigte er Hauptlaboratoriums der BASF sich mit der Entwicklung der in Ludwigshafen. Nach dem Ethylen- und Acetylenchemie, Zweiten Weltkrieg engagierte doch 1923 wechselte er zur er sich im Wiederaufbau der Indigoabteilung der BASF, wo zerstörten oder demontierten er an Problemen der Farbstoff- Anlagen und Labore. 1949 chemie arbeitete. 1928 begann übernahm er die Leitung der er mit seinen Arbeiten über gesamten Forschung der BASF die chemische Umsetzung von AG, die aus der Zerschlagung Acetylen bei hohen Drucken, der IG Farben hervorgegangen die ihn zunächst berüchtigt und war. Er gehörte von 1952 bis dann berühmt machten. Die 1957 dem Vorstand und von Chemiker hatten das Acetylen 1958 bis 1966 dem Aufsichts- wegen seiner Gefährlichkeit rat der BASF an. Neben dem bis dahin als Ausgangsstoff für Siemens-Ring erhielt er zahl- die chemische Synthese weitge- reiche weitere Auszeichnun- hend gemieden. Als Reppe mit gen, so die Ehrendoktorwürde Acetylen unter Druck arbeiten der Technischen Hochschule wollte, befürchtete man das München und der Universität Schlimmste. Doch es gelang Heidelberg. Er starb am 26. Juli ihm, dieses höchst gefährliche 1969 in Heidelberg.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 75 Ringträger 1960 KARL ZIEGLER

Obwohl Karl Ziegler, der eben- die Zeit am Institut für Koh- falls 1960 mit dem Siemens- lenforschung in Mülheim fällt Ring geehrt wurde, seine Arbeit der Höhepunkt seiner wissen- stets auf die „reine Forschung“ schaftlichen Arbeit. Auf der ausgerichtet hatte, fanden ihre Suche nach Katalysatoren zur Ergebnisse weitreichende und Erzeugung von hochmolekula- von ihm kaum für möglich ren Polyethylen-Kunststoffen gehaltene Anwendungen. Er setzte er seine Arbeiten über wurde am 26. November 1898 „metallorganische Verbindun- in Helsa bei Kassel in eine gen“ fort. Ließ sich Ethylen bis Pfarrersfamilie geboren, die dahin nur unter hohem Druck 1910 nach Marburg zog. Schon und bei hohen Temperaturen in der Schulzeit erwarb er polymerisieren, so gelang es sich in seinem kleinen priva- Ziegler und seinen Mitarbeiter ten Chemielaboratorium so 1953, äußerst wirksame Kataly- umfangreiche Kenntnisse, dass satoren zu finden, mit denen sie er kurz nach Beginn seines gasförmiges Ethylen schon bei Chemiestudiums 1916 in das Atmosphärendruck polymeri- dritte Studiensemester wech- sieren konnten. Bald folgte eine seln konnte. Als er dann 1920 weltweite Lizenzvergabe, die promovierte, war er noch keine hohe Einnahmen brachte und 22 Jahre alt. 1923 habilitierte Ziegler wohlhabend machte. er sich in Marburg und wurde Er stiftete 40 Millionen DM für Privatdozent. Er ging 1925 an einen Forschungsfonds und die Universität Frankfurt am baute gemeinsam mit seiner Main und wurde 1927 an die Frau eine hochkarätige Kunst- Universität Heidelberg berufen, sammlung auf, die im Kunst- wo er bis 1935 außerordentli- museum Mülheim ausgestellt cher Professor war. Nach einer ist. Durch seine „reine“ Grund- Gastprofessur an der Univer- lagenforschung wurde Ziegler sität Chicago wurde er 1936 zu einem Pionier der großtech- ordentlicher Professor und nischen Petrochemie. Neben Direktor des Chemischen Insti- dem Siemens-Ring erhielt er tuts in Halle. Von 1943 bis 1969 zahlreiche weitere Ehrungen, war er Direktor des Kaiser- unter denen der Chemie- Wilhelm-Instituts und späte- Nobelpreis 1963 herausragt. ren Max-Planck-Instituts für Am 11. August 1973 ist Karl Kohlenforschung in Mülheim Ziegler in Mülheim an der Ruhr an der Ruhr. In seiner Habilita- gestorben. tionsarbeit hatte er dreiwertige Kohlenstoffradikale unter- sucht. Seine damit verknüpften Arbeiten über „alkaliorgani- sche Verbindungen“ waren die Grundlage für die später wichtig gewordene metallorga- nische Synthese. Zudem halfen sie, den Reaktionsablauf bei der Synthese des künstlichen Kautschuks zu verstehen. In

76 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1964 FRITZ LEONHARDT

Auch 1964 wurde der Siemens- Spannbetonbrücken im In- und Ring dreimal vergeben: an den Ausland. Auch für Entwurf, Bauingenieur Fritz Leonhardt, Gestaltung und Konstruktion den Physiker Walter Schottky großer Stahlbrücken wie der und den Computerpionier Rheinbrücke Köln-Deutz war er Konrad Zuse. Da Bundespräsi- verantwortlich. Die Windstabi- dent Heinrich Lübke in seinem lität und die Form von Hänge- Amtssitz persönlich die Ringe brücken hat er verbessert. Die an die Preisträger überreichte, formschöne Gestaltung seiner erfuhr die Siemens-Ring- Brücken, Turmbauen und Stiftung eine enorme gesell- Flächentragwerke ist internati- schaftliche Aufwertung. Fritz onal beachtet worden, so etwa Leonhardt wurde am 11. Juli bei dem von ihm entworfenen 1909 als Sohn eines Architekten Stuttgarter Fernsehturm, der in Stuttgart geboren, wo er auch 1955 fertiggestellt wurde und zur Schule ging und die Reife- der weltweit erste Fernseh- prüfung ablegte. Anschließend turm in Stahlbetonbauweise studierte er von 1927 bis 1931 war. 1958 wurde Leonhardt an der Technischen Hochschule Professor für Massivbau an Stuttgart Bauingenieurwesen. der Technischen Hochschule Er schloss das Studium mit Stuttgart. Sein Ingenieurbüro dem Diplom ab und bestand führte die Tragwerkplanung für 1932 die Ergänzungsprüfung das 1972 fertiggestellte Münch- für den höheren preußischen ner Olympiadach durch. Fritz Staatsdienst. Nach 1932 war er Leonhardt erhielt viele Ehrun- zunächst als Bauleiter und Stati- gen, darunter sechs Ehrendok- ker tätig. Ein Studienaufenthalt torwürden und die Verleihung führte ihn von 1932 bis 1933 des Siemens-Rings 1964. Er in die USA. Von 1934 bis 1938 starb am 30. Dezember 1999 in war er als Brückenbauingenieur Stuttgart. bei den Reichsautobahnen tätig. Insbesondere war er Entwurfs- und Bauleiter der Rheinbrücke Rodenkirchen bei Köln, die 1941 eingeweiht wurde und damals die größte Hängebrücke Europas war. Leonhardt, der 1939 der NSDAP beigetreten war, arbeitete für die Organisa- tion Todt und leitete bis Kriegs- ende deren Forschung und Ent- wicklung. Er eröffnete 1947 ein Ingenieurbüro in Stuttgart und wurde in den folgenden Jahren zu einem der weltweit führen- den Brückenbauingenieure, der den modernen Brücken- bau entscheidend beeinflusste. Er entwarf und betreute den Bau von zahlreichen großen

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 77 Ringträger 1964 WALTER SCHOTTKY

Walter Schottky wurde am 23. Schuckert-Werken, zunächst Juli 1886 in Zürich als Sohn in Berlin und ab 1941 im des Mathematikers Friedrich oberfränkischen Pretzfeld, wo Schottky geboren. Er wuchs in er bis zu seiner Pensionierung Marburg und Berlin auf, von 1951 als Forscher arbeitete. In deren Universitäten sein Vater dieser Zeit untersuchte er die 1892 bzw. 1902 auf Professuren physikalischen Eigenschaften berufen worden war. Nach dem von Halbleitern, und er ent- Abitur 1904 in Berlin nahm wickelte Modellvorstellungen Walter Schottky ein natur- und Theorien, die die wis- wissenschaftliches Studium senschaftlichen Grundlagen an der Berliner Universität der Halbleiterphysik und der auf. Zu seinen akademischen Transistortechnik wurden. So Lehrern zählten dort die spä- zählte der amerikanische Physi- teren Physik-Nobelpreisträger ker und Nobelpreisträger John Max Planck, bei dem er 1912 Bardeen die Theorien Schottkys promovierte, Wilhelm Wien, zu den bedeutenden Vorar- Albert Einstein, Walter Nernst beiten für die Erfindung des und Max von Laue. Von 1912 Transistors. Zahlreiche Begriffe bis 1915 war er Assistent an aus der Halbleiterphysik sind der Universität Jena, wo er das mit Schottkys Namen verbun- Verhalten von Elektronen nach den. Er erhielt viele Auszeich- dem Austritt aus Metallober- nungen, so die Hughes-Medal flächen untersuchte. Er kehrte der Royal Society, London, 1915 nach Berlin zurück und die Ehrendoktorwürde der wurde Mitarbeiter im Schwach- Technischen Hochschulen stromkabel-Laboratorium der Darmstadt und Zürich und der Firma Siemens & Halske. Hier Technischen Universität Berlin erfand er die Raumladungs- sowie den Siemens-Ring, der gitterröhre und die Schirmgit- ihm 1965 vom Bundespräsiden- terröhre oder Tetrode, die am ten Lübke überreicht wurde. Beginn der Entwicklung von 1973 wurde ihm zu Ehren leistungsfähigen Elektronen- der Walter-Schottky-Preis für röhren für Verstärker stehen. Festkörperforschung ins Leben Er untersuchte den „Schrotef- gerufen, den die Deutsche Phy- fekt“, das durch die Elektronen sikalische Gesellschaft jährlich verursachte Röhrenrauschen, verleiht. Walter Schottky ist und erfand den Überlagerungs- am 4. März 1976 in Forchheim empfänger, dessen „Superhete- gestorben. rodynprinzip“ grundlegend für die Rundfunktechnik werden sollte. 1920 habilitierte er bei Wilhelm Wien in Würzburg, wo er bis 1922 Privatdozent war. Er wurde 1923 zum außerordentlichen Professor für Theoretische Physik an der Universität Rostock berufen, die er aber schon 1927 verließ. Schottky ging zu den Siemens-

78 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1964 KONRAD ZUSE

Der Computerpionier Konrad ihrem Speicher 1400 Relais. Die Zuse wurde am 22. Juni 1910 Z3 beherrschte die vier Grund- in Berlin geboren, wuchs in rechenarten und das Wurzelzie- Ostpreußen auf und legte 1927 hen. Sie wurde 1944 im Bom- in Hoyerswerda das Abitur ab. benkrieg zerstört, ist aber 1960 Er begann 1928 an der Tech- nachgebaut und im Deutschen nischen Hochschule Berlin Museum in München aufge- Maschinenbau zu studieren, stellt worden. Nach der Fer- wechselte aber zum Studium tigstellung der Z3 wurde Zuse des Bauingenieurwesens, das er 1941 einberufen und an die 1934 mit dem Diplomexamen Ostfront geschickt. Doch wegen abschloss. Nach einer kurzen seiner Tätigkeit als Statiker bei Tätigkeit als Statiker bei den Henschel wurde er kurz darauf Henschel-Flugzeugwerken für unabkömmlich erklärt, und richtete er 1935 in der elterli- er konnte nach Berlin zurück- chen Wohnung eine Werkstatt kehren. Hier gründete er ein ein, in der er mit der Entwick- Ingenieurbüro und arbeitete an lung von Rechenmaschinen der noch größeren Z4. Diese begann. Mit einfachsten Mitteln Anlage hat den Krieg über- baute er eine Anlage, die ein standen und war lange Zeit der Rechenwerk und einen Daten- einzige arbeitsfähige Rechen- speicher enthielt und mit rein automat in Europa. Nach dem mechanischen Schaltelementen Krieg baute er Geschäftsbezie- bestückt war. 1937 konnte er hungen zu Remington-Rand in die Rechenanlage Z1 fertigstel- den USA und zur ETH Zürich len. Nach deren Vorführung auf, wo die Z4 von 1950 bis wurden Zuses Arbeiten von 1955 in Betrieb war. Zuse grün- einer Rechenmaschinenfirma dete 1949 die Firma Zuse KG, finanziell unterstützt. 1939 die ihren Sitz in Bad Hersfeld wurde Zuse kurz zum Wehr- hatte und Computer baute, die dienst eingezogen, er konnte zuerst mit Elektronenröhren jedoch danach wieder als und später mit Transistoren Statiker für Henschel arbei- ausgerüstet waren. 1965 wurde ten und daneben an seinen die Zuse KG von Brown-Boveri Rechenanlagen weiterbauen. übernommen und ging 1967 im Die nächste Anlage (Z2), Siemens-Konzern auf. Konrad die ein elektromechanisches Zuse wurde 1957 von der Relais-Rechenwerk enthielt, Technischen Universität Berlin führte Zuse 1940 Vertretern der durch eine Ehrenpromotion Deutschen Versuchsanstalt für geehrt. 1964 erhielt er den Sie- Luftfahrt in Berlin-Adlershof mens-Ring. Ab 1967 arbeitete vor, die daraufhin die schon er sowohl wissenschaftlich als im Bau befindliche Z3 teilfi- auch publizistisch. Er starb am nanzierte. Diese Rechenanlage 18. Dezember 1995 in Hünfeld. wurde 1941 fertig und war die erste, die voll funktionsfähig alle Elemente einer programm- gesteuerten Rechenmaschine enthielt. In ihrem Rechenwerk steckten 600 Relais und in

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 79 Ringträger 1968 KARL KÜPFMÜLLER

Nachdem der Stiftungsrat 1968 Reichspost in Berlin. Danach beschlossen hatte, den Elektro- trat er in das Zentrallaborato- techniker Karl Küpfmüller und rium der Siemens & Halske AG den Maschinenbauingenieur ein, wo er durch grundlegende Joachim Siegfried Meurer mit elektrotechnische Arbeiten dem Siemens-Ring zu ehren, und zahlreiche Patente auf sich hoffte man, dass die Preisträ- aufmerksam machte. Von 1928 ger auch diesmal wieder ihre bis 1935 war er ordentlicher Auszeichnung aus der Hand Professor für Elektrotechnik an des Bundespräsidenten emp- der Technischen Hochschule fangen könnten. Doch Heinrich Danzig. Hier verfasste er seine Lübkes Nachfolger war seit dem „Einführung in die theoreti- 1. Juli 1969 Gustav Heinemann, sche Elektrotechnik“, die zum dessen Präsidialamt Informati- wichtigsten Lehrbuch in diesem onen über die beiden Ringträ- Gebiet wurde. Er übernahm ger eingeholt hatte. Dabei stellte 1935 den Lehrstuhl für Elektro- sich heraus, dass beide NSDAP- technik an der Technischen und SA-Mitglieder gewesen Hochschule Berlin, ging dann waren und dass Küpfmüller im aber 1937 wieder in die Indus- Mai 1937 auch in die SS einge- trie und trat in die zentrale treten war und es dort bis zum Leitung der Forschungs- und Obersturmbannführer gebracht Entwicklungsabteilungen von hatte. Zwar lagen keine weite- Siemens & Halske ein. Nach ren belastenden Erkenntnisse dem Krieg wurde er von den gegen Küpfmüller vor, doch Alliierten gefangengenommen, man sah ihn als politisch so aber schon 1947 nur als Mit- belastet an, dass Bundesprä- läufer eingestuft und entlas- sident Heinemann von einer sen. Von 1948 bis 1952 war er Teilnahme an der Preisverlei- Vorstandsmitglied der Standard hung Abstand nahm. Damit Elektrizitätsgesellschaft in waren auch die Hoffnungen auf Stuttgart. In dieser Zeit entwi- eine Dauerschirmherrschaft ckelte er die Systemtheorie der des Bundespräsidenten über die elektrischen Nachrichtenüber- Stiftung hinfällig. tragung. Von 1952 bis 1963 Karl Küpfmüller wurde am war er ordentlicher Professor 6. Oktober 1897 in Nürnberg und Direktor des Instituts für geboren. Er besuchte die Real- Allgemeine Fernmeldetechnik schule, absolvierte eine Lehre an der Technischen Hoch- und eine Praktikantentätigkeit schule Darmstadt, die 1977 bei den Siemens-Schuckert- den Karl-Küpfmüller-Ring Werken in Nürnberg. 1915 stiftete. Küpfmüller erhielt viele nahm er ein Ingenieurstudium Auszeichnungen, darunter die am Ohm-Polytechnikum in Ehrendoktorwürde der Techni- Nürnberg auf, das er von 1916 schen Hochschule Danzig und bis 1918 für den Militärdienst der Universität Erlangen-Nürn- unterbrechen musste und berg sowie den Siemens-Ring. erst 1919 abschließen konnte. Er starb am 26. Dezember 1977 Anschließend war er bis 1921 in Darmstadt. Assistent im Telegraphen- Versuchsamt der Deutschen

80 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1968 JOACHIM SIEGFRIED MEURER

Der Ingenieur Joachim Meurer, nach Nürnberg zu MAN zurück der 1968 mit dem Siemens- und übernahm die Leitung der Ring geehrt wurde, hat die Motorenforschung. Er setzte Entwicklung des Motorenbaus seine früheren Ideen um und maßgeblich geprägt. Er wurde führte das Mittenkugel- oder am 9. Mai 1908 in Dresden M-Verfahren ein, das neuar- geboren, wo auch sein Vater tigen Kraftfahrzeugmotoren und sein Großvater als Ingeni- mit geringem Verbrauch und eure tätig gewesen waren. Nach geräuscharmem Lauf, den dem Abitur studierte er von sogenannten Flüstermotoren, 1927 bis 1932 Maschinenbau zugrunde lag. Diese Motoren an der Technischen Universität wurden in den Nutzfahrzeugen Dresden, und er schloss das nicht nur von MAN, sondern Studium mit einer Diplomar- auch von vielen Lizenznehmern beit ab, die den „Einspritzvor- eingesetzt. Bei der Weiterent- gang am Junkers-Flugdieselmo- wicklung dieser Motoren zeigte tor“ behandelte. Anschließend es sich, dass ein hoher Luftdrall war er von 1933 bis 1938 für die gute Gemischbildung im Assistent am Institut seines Brennraum sorgte und den ein- Doktorvaters, das damals auf gespritzten Kraftstoff möglichst dem Gebiet der Dieselmotoren nicht an die Wand kommen führend war. In seiner Doktor- ließ. Meurer wurde 1962 in den arbeit untersuchte Meurer die MAN-Vorstand berufen, wo er Gemischbildung und die Ver- für die gesamte Forschung und brennungsvorgänge im Motor, Entwicklung verantwortlich wobei er die schnell veränderli- war und Anregungen zu vielen chen Drucke und Temperaturen technischen Neuentwicklungen mit piezoelektrischen Mess- gegeben hat. 1975 schied er aus aufnehmern erfasste. Er trat dem Vorstand aus. Er erfuhr 1938 bei der Maschinenfabrik zahlreiche Ehrungen. So war er Augsburg-Nürnberg (MAN) in Präsident der Internationalen die Forschungsabteilung ein. Föderation von Automobil- Dort war er an der Entwicklung Ingenieuren. Ihm wurde von schnelllaufender Dieselmotoren der Technischen Hochschule für Nutzfahrzeuge beteiligt. Karlsruhe und der University Dabei erkannte er, dass die of Technology Loughborough bisherigen Annahmen über die die Ehrendoktorwürde verlie- Bildung des Kraftstoff-Luftge- hen. 1968 wurde er mit dem mischs und die Verbrennungs- Siemens-Ring und 1975 mit der kinetik unzulänglich waren. Die James Watt International Medal Brennräume und Einspritzver- ausgezeichnet. Am 2. Dezem- fahren der Motoren mussten ber 1997 ist Joachim Siegfried deshalb den neuen Erkenntnis- Meurer in Kreuth gestorben. sen angepasst werden. Diese Aufgabe konnte Meurer jedoch erst nach Kriegsende in Angriff nehmen. Zunächst arbeitete er von 1946 bis 1950 für das fran- zösische Luftfahrtministerium in Paris. Doch 1950 kehrte er

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 81 Ringträger 1972 LUDWIG BÖLKOW

Ludwig Bölkow gilt als der nach Kriegsende in Deutsch- Schöpfer der nach dem Zweiten land und arbeitete zunächst in Weltkrieg wieder erstande- der Bautechnik, u. a. auch mit nen deutschen Luft- und Fritz Leonhard (Siemens-Ring Raumfahrt industrie. Er wurde 1964) zusammen. Dazu grün- am 30. Juni 1912 in Schwerin dete er 1948 ein Ingenieurbüro. geboren. Da sein Vater während Doch als 1955 das Motorflug- des Ersten Weltkriegs in der verbot für Deutschland endete, Versuchswerkstatt der Fokker- stieg Bölkow wieder in die Flugwerke arbeitete, war sein Flugtechnik ein. Er wandelte Interesse an der Fliegerei früh das Ingenieurbüro 1956 in die geweckt. Nach dem Abitur Bölkow Entwicklungen KG machte er ein Praktikum bei um. Schon 1960 flog das erste, den Heinkel-Flugzeugwerken neuentwickelte viersitzige Flug- in Warnemünde. 1933 nahm zeug, und man begann mit der er ein Studium des Maschi- Entwicklung eines senkrecht nen- und Flugzeugbaus an startenden Überschallflugzeugs. der Technischen Hochschule 1965 entstand die Bölkow Berlin auf, das er 1938 mit einer GmbH, die sich 1968 mit der Diplomarbeit abschloss, die als Messerschmidt AG und 1969 Forschungsbericht gedruckt mit der Hamburger Flugzeug wurde. Darin entwirft er ein GmbH zur Messerschmidt- schnelles, viermotoriges Post- Bölkow-Blohm (MBB) GmbH flugzeug, das eine Reichweite zusammenschloss, deren Vor- von 6000 km und eine Reise- sitzender der Geschäftsführung geschwindigkeit von 600 km/h Ludwig Bölkow bis 1977 war. haben sollte – und damit seiner Dieses Unternehmen war an der Zeit weit voraus war. Nach dem Entwicklung und dem Bau zahl- Studium wurde er Assistent am reicher Luftfahrzeuge beteiligt: Lehrstuhl für Luftfahrzeugent- an dem Mehrzweckhubschrau- wurf und ging 1939 zur Mes- ber BO 195, dem Mehrzweck- serschmidt AG in Augsburg. Kampfflugzeug Tornado und Dort war er für den Bereich dem Airbus A 300. Zudem Hochgeschwindigkeits-Aero- wurden auch andere Projekte, dynamik zuständig und mit wie der Bau von Satelliten der Durchführung von Wind- und die Magnetschwebebahn, kanalversuchen beschäftigt. Er initiiert. Ab 1978 widmete sich entwickelte u. a. das Profil der Ludwig Bölkow der Konzeption Tragflügel und des Leitwerks von langfristigen Entwick- des Strahlflugzeugs Me 262. lungen in der Verkehrs- und Ab 1942 leitete er die Projekt- Energietechnik. Er erhielt viele gruppe für neue Versionen des Ehrungen, so die Goldene Standard-Jagdflugzeugs Me 109. Medaille der Royal Aeronautical Die dabei gewonnene industri- Society und die Ehrendoktor- elle Erfahrung war der Grund- würde der Universität Stuttgart. stein für Bölkows erfolgreiche 1972 wurde er mit dem Sie- Leitung von Großprojekten mens-Ring ausgezeichnet. Am nach dem Zweiten Weltkrieg. 25. Juli 2003 ist Ludwig Bölkow Trotz verlockender Angebote in Grünwald gestorben. aus dem Ausland blieb Bölkow

82 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1972 KARL WINNACKER

Mit Karl Winnackers Name über die Kinetik der Polyme- verbunden ist der Aufstieg der risation durch. Bei Kriegsende Farbwerke Hoechst zu einem war er einer der Direktoren der Weltkonzern. Er wurde am 21. IG-Farben-Industrie. Erst 1947 September 1903 in Barmen als konnte er wieder als Chemi- Sohn eines Lehrerehepaares ker arbeiten, zunächst in der geboren. Obwohl sein Vater Entwicklung der anorganischen schon 1914 gestorben war, Chemie in der Duisburger konnte Karl Winnacker seine Kupferhütte und von 1948 bis Schulausbildung mit dem Abitur 1951 in leitender Position beim abschließen. Zunächst arbeitete Wiederaufbau des Karbidwerks er als Kokerei- und Bergarbeiter, in Knapsack. 1951 nahm er das begann aber 1922 ein Chemie- überraschende Angebot der studium an der Technischen amerikanischen Kontrollbe- Hochschule Braunschweig, das hörde an, in die neu zu grün- er 1925 nach dem Vorexamen denden Farbwerke Hoechst als an der Technischen Hochschule Vorstandsmitglied einzutreten. Darmstadt fortsetzte. Nach Von 1952 bis 1969 war Karl Fertigstellung seiner Diplom- Winnacker Vorstandsvorsitzen- arbeit wurde er 1928 Assistent der des Unternehmens. Unter im Privatlaboratorium des seiner Ägide wurde aus dem Chemikers Ernst Berl, bei dem durch Stilllegung und Demon- Winnacker 1930 über Oxida- tagen heruntergekommenen tionsvorgänge in Motortreib- Werk ein weltweit anerkanntes stoffen promovierte. Über Berls Unternehmen, das am Standort Institut konnte er Kontakte zur Hoechst ein Forschungszentrum chemischen Industrie knüpfen. mit mehr als 1000 wissenschaft- 1933 wurde Berl von den lichen Mitarbeitern unterhielt. Nationalsozialisten als „rassisch 1969 schied Winnacker aus unerwünscht“ von seinem Lehr- dem Vorstand der Hoechst AG stuhl vertrieben. Doch seine aus, blieb aber noch bis 1980 Studenten stellten sich hinter Vorsitzender des Aufsichtsrates. ihn, und Winnacker konnte in Er erhielt Ehrendoktortitel der Gesprächen mit der hessischen Technischen Hochschule Braun- Landesregierung erreichen, dass schweig und der Universitäten Berl noch laufende Arbeiten Mainz, Marburg, Madrid und beenden und Doktorprüfungen Lund. Er war von 1954 bis 1970 abhalten konnte. Für Winna- Vorsitzender der DECHEMA cker ebnete Berl den Weg zum und von 1959 bis 1973 Präsident Werk Hoechst der IG-Farben- des Deutschen Atomforums. Industrie AG. Etwa in dieser 1972 erhielt der den Siemens- Zeit wurde Karl Winnacker Ring. Karl Winnacker ist am SA-Mitglied, und 1937 trat er 5. Juni 1989 in Königstein im der NSDAP bei. Bei Hoechst Taunus gestorben. machte er eine steile Karriere: 1937 leitete er die Abteilung Verfahrenstechnik, 1943 den Gesamtbereich Chemikalien. Er führte Untersuchungen zur Farbstoffkonfektionierung und

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 83 Ringträger 1975 WERNHER VON BRAUN

Mit Wernher von Braun, der daran, bei Bedarf mehr als 1975 den Siemens-Ring erhielt, tausend zusätzliche Arbeits- sind die hellsten und die dunkels- kräfte anzufordern. 1940 wurde ten Kapitel der Weltraumfahrt von Braun Mitglied der SS und und der Raketenentwicklung stieg bis 1943 zum Sturmbann- verbunden. Das von ihm koor- führer auf. Doch auf Betreiben dinierte Apollo-Programm hat Himmlers wurde er 1944 von die ersten Menschen auf den der Gestapo wegen Verrats und Mond gebracht, während der Wehrkraftzersetzung verhaftet. Bau und der Einsatz der unter Durch Intervention seines Vor- seiner Leitung entwickelten gesetzten und Albert Speers bei V2-Raketen tausende Menschen Hitler kam er aber wieder frei. das Leben kostete. Wernher Nach Kriegsende stellte sich von von Braun wurde am 23. März Braun den Amerikanern, und er 1912 in Wirsitz bei Bromberg wurde zusammen mit etwa 130 geboren und begeisterte sich seiner Mitarbeiter in die USA schon als Schüler für Raketen gebracht, wo sie dabei halfen, das und Weltraumfahrt. Nach dem US-Raketenprogramm aufzu- Abitur begann er 1930 an der bauen. Von 1950 an arbeitete von Technischen Hochschule Berlin Braun am Raketenzentrum in ein Ingenieurstudium, das er Huntsville in Alabama, ab 1956 1932 mit dem Examen abschloss. als Technischer Direktor, wo die Während des Studiums assistierte ballistische Redstone-Rakete und er dem Raketenpionier Hermann die Jupiter-Mittelstreckenrakete Oberth bei seinen Versuchen. Ab entwickelt wurden. Als Ende 1932 führte er diese Versuche als 1957 die UdSSR zwei Sputnik- Mitarbeiter der „Versuchsstelle Satelliten in die Erdumlaufbahn für Flüssigkeitsraketen“ des Hee- brachten, gelang es von Braun reswaffenamtes in Kummersdorf und seinen Mitarbeitern wenige fort, woraus seine Promotions- Wochen später, den US-Satelliten arbeit hervorging. Er fand ein Explorer 1 in die Umlaufbahn zu besser geeignetes Versuchsge- schießen, der Messdaten über die lände bei Peenemünde, wo 1936 Ionosphäre lieferte. US-Präsident der Bau der „Heeresversuchsan- Kennedy ernannte Wernher stalt Peenemünde“ begann. 1937 von Braun zum Koordinator des trat er in die NSDAP ein und Apollo-Raumfahrtprogramms. wurde Technischer Direktor der Mit der unter seiner Leitung neuen Heeresversuchsanstalt. entwickelten Rakete Saturn V Er leitete die Entwicklung des wurden 1969 die ersten Men- „Aggregats A 4“, das ab 1944 schen auf den Weg zum Mond als Raketenwaffe V2 eingesetzt gebracht. Als das Apollo- wurde. Für die Serienfertigung Programm nicht fortgesetzt der V2 wurden KZ-Häftlinge wurde, verließ von Braun 1972 und Zwangsarbeiter herange- enttäuscht die Raumfahrtbe- zogen, deren unmenschliche hörde NASA. Den Siemens-Ring Behandlung – insbesondere konnte er 1976 aus Gesundheits- im unterirdischen KZ-Lager gründen nicht persönlich entge- Dora Mittelbau – von Braun aus gen nehmen. Er starb am 16. Juni eigener Anschauung bekannt 1977 in Alexandria, Virginia. war. Das hinderte ihn nicht

84 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1975 WALTER BRUCH

Walter Bruch, ein Pionier des zur Telefunken AG zurück, wo deutschen Fernsehens, wurde er zunächst die Fernsehgeräte- 1975 mit dem Siemens-Ring entwicklung in Hannover leitete. geehrt. Geboren am 2. März Anfang der 1950-er Jahre wurde 1908 in Neustadt an der Wein- in den USA das Farbfernsehen straße, hatte er schon in seiner nach dem NTSC-System einge- Schulzeit Rundfunkexperimente führt, wenige Jahre später folgte durchgeführt und beschlossen, Frankreich mit dem SECAM- auch mit Fernsehexperimenten System. Da beide Systeme spezi- zu beginnen. Er besuchte von elle Vorteile, aber auch Nachteile 1927 bis 1930 die Ingenieur- aufwiesen, begannen Walter schule Mittweida und studierte Bruch und seine Mitarbeiter von 1930 bis 1932 Physik und ein farbstabiles Übertragungs- Elektrotechnik an der Tech- system zu entwickeln, das diese nischen Hochschule Berlin. Vorteile in sich vereinte. Ende Während seiner Studienzeit 1962 konnte er das PAL (Phase veröffentlichte er Bauanleitun- Alternation Line), Farbfernseh- gen für Ton- und Bildfunkge- system zum Patent anmelden räte. Von 1933 bis 1935 war er und Anfang 1963 den Experten als Konstrukteur und Techni- der Europäischen Rundfunk- ker in den Privatlaboratorien union erfolgreich vorführen. der Fernsehpioniere Manfred Mit dem PAL-System begann von Ardenne und Dénes von am 25. August 1967 die Ära des Mihaly tätig. 1935 trat er in die Farbfernsehens in der Bundesre- Forschungsabteilung der Firma publik Deutschland. Zahlreiche Telefunken in Berlin ein, wo er Länder weltweit übernahmen daran mitarbeitete, das zunächst das PAL-Farbfernsehen. In dem noch experimentelle Fernsehen von ihm geleiteten Telefunken- zur Betriebsreife zu bringen. Bei Grundlagenlabors leistete Bruch den Olympischen Spielen 1936 wichtige Beiträge zur Entwick- bediente er die von ihm mitent- lung des Verkehrswarnfunks wickelte Fernsehkamera, mit und des Stereotons beim Fernse- der die Direktübertragung von hen. Er war langjähriger Vorsit- Sportereignissen möglich wurde. zender der Fernsehtechnischen Für die Reichspost richtete er Gesellschaft sowie Lehrbeauf- 1938 im Berliner Deutschland- tragter der Technischen Hoch- haus das erste vollelektronische schule Hannover, die ihm 1964 Fernsehstudio ein, dessen tech- die Ehrendoktorwürde verlieh. nischer Leiter er dann wurde. Der Erfolg seiner Arbeit hat sich In der Heeresversuchsanstalt in mehr als 150 Patenten nie- Peenemünde arbeitete er von dergeschlagen. 1974 ging er in 1941 bis 1942 mit Wernher von den Ruhestand, ein Jahr später Braun zusammen, als er eine wurde er mit dem Siemens- Anlage zur Fernsehübertra- Ring geehrt. Walter Bruch ist gung installierte, mit der sich am 5. Mai 1990 in Hannover Raketenstarts sicher beobachten gestorben. ließen. Nach dem Krieg betrieb er zunächst ein privates Ent- wicklungslabor für Elektrophy- sik in Berlin, kehrte aber 1950

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 85 Ringträger 1978 RUDOLF HELL

Der Ingenieur Rudolf Hell hat Fertigungsstellen. Der Zweite mit seinen bahnbrechenden Weltkrieg machte dem jedoch Erfindungen die Drucktech- ein Ende und führte schließ- nik revolutioniert und wurde lich zur völligen Zerstörung dafür 1978 mit dem Siemens- der Betriebe in Berlin. Doch Ring geehrt. Geboren am 19. schon 1947 begann Hell in Kiel Dezember 1901 im bayerischen mit dem Wiederaufbau seines Eggmühl, verbrachte er seine Unternehmens. Schon bald Schulzeit in Eger. Er nahm 1919 lieferte er verschiedene Geräte an der Technischen Hochschule zur Nachrichtenübermittlung München ein Studium der in Wort und Bild an führende Elektrotechnik auf, das er 1923 Nachrichtenagenturen im In- mit dem Diplom abschloss. Er und Ausland. So konnten mit begeisterte sich insbesondere dem Hell-Blattschreiber Zeich- für die Funktechnik, die in nungen oder Wetterkarten München durch die Pioniere durch Funk übertragen werden. Jonathan Zenneck und Max Das dabei verwendete Verfah- Dieckmann vertreten war. ren der Bildzerlegung ließ sich 1923 wurde Hell Assistent bei auch für elektronisch gesteuerte Dieckmann und konnte schon Graviermaschinen nutzen, die 1925 sein erstes Patent über Hell ab 1951 entwickelte. 1954 eine „Lichttechnische Bildzer- brachte er dann diese Anlagen legungsröhre für die Zwecke unter dem Namen „Klischo- des Fernsehens“ anmelden. Er graph“ auf den Markt. Zuerst und Dieckmann führten auf wurden sie zur Bebilderung der Verkehrsausstellung 1923 von Tageszeitungen verwendet, in München eine Sende- und doch schon bald setzte man Empfangseinrichtung für die Farb-Klischographen im Buch- Fernübertragung von Schrift und Zeitschriftendruck ein. und Bild vor. 1927 promovierte Schließlich initiierte Hell die Hell mit einer Arbeit über ein Entwicklung von computerge- Funkpeilgerät für die Luft- steuerten Satzanlagen, die den fahrt. Während die damalige Schriftsatz weltweit revolutio- Technik für die Übertragung nierten. 1972 schied Hell aus von Fernsehbildern noch nicht der Geschäftsführung seines reif war, waren die Vorausset- Unternehmens aus, das 1981 zungen für die Faksimiletech- von Siemens übernommen nik schon gegeben. So erfand wurde, inzwischen aber zur Hell 1929 einen Bildschreiber, Heidelberger Druckmaschinen später Hell-Schreiber genannt, AG gehört. Rudolf Hell erfuhr der bald die Morse-Telegrafie zahlreiche Ehrungen. So erhielt ablöste. Er hatte im selben Jahr er 1973 die Ehrendoktorwürde ein Patent für eine „Vorrich- der Technischen Universität tung zur elektrischen Über- München, 1977 den Gutenberg- tragung von Schriftzeichen“ Preis der Stadt Mainz und 1978 angemeldet und in Berlin eine in Anwesenheit des Bundes- Firma zur Auswertung seiner präsidenten Karl Carstens den Erfindungen gegründet. Das Siemens-Ring. Rudolf Hell Unternehmen florierte, und es starb am 11. März 2002 in Kiel. entstanden andernorts weitere

86 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1981 HANS SCHERENBERG

Der innovative Automobilkon- begann 1953 die Entwicklung strukteur Hans Scherenberg, eines neuen PKW-Programms, geboren am 28. Oktober 1910 wobei selbsttragende Ganz- in Dresden, wurde 1981 mit stahlkarosserien und Ben- dem Siemens-Ring ausge- zineinspritzung eingeführt zeichnet. Sein Interesse an der wurden. Als stellvertretendes Kraftfahrzeugtechnik zeigte Vorstandsmitglied übernahm er sich früh: Schon als Praktikant 1955 u. a. die Turbotriebwerks- und Student hatte er Motor- entwicklung und den Ausbau räder und Autos repariert. Er des Großmotorenbereichs. studierte an den Technischen 1965 wurde er ordentliches Hochschulen Stuttgart und Vorstandsmitglied und Leiter Karlsruhe von 1930 bis 1935 des gesamten Forschungs- und Maschinenbau und meldete in Entwicklungsbereichs mit dieser Zeit seine ersten Patente fast 8000 Mitarbeitern. Unter für Messgeräte an, die die seiner Ägide fallen die Pilotent- Durchschnittgeschwindigkeit wicklung eines Antiblockier- und den mittleren Kraftstoff- Bremssystems (ABS) und die verbrauch anzeigten. 1935 trat Entwicklung eines Abgas- er in die Entwicklungsabteilung Turboaufladungssystems für von Daimler-Benz in Stuttgart Dieselmotoren. Zudem wurden als Versuchsingenieur ein. Er Arbeiten über alternative war beteiligt an der Entwick- Energien für Motorantriebe, lung des ersten Personenwagens z. B. durch Wasserstoff oder mit Dieselmotor und an For- Methanol, begonnen. 1977 trat schungen zur Gemischbildung Scherenberg in den Ruhestand. im Motor. Ab 1939 arbeitete Ihm wurden zahlreiche Ehrun- er an Entwicklungen zur gen zuteil. So verlieh ihm die Benzineinspritzung und zum Technische Universität Karls- Vorkammerverfahren. 1942 ruhe die Ehrensenatorwürde promovierte er an der Tech- und die Technische Universität nischen Hochschule Stuttgart Berlin die Ehrendoktorwürde. mit einer Arbeit über „Ventil- 1982 wurde ihm im Beisein des steuerung für Viertakt-Höhen- Bundespräsidenten Karl Cars- flugmotoren“. Nach dem Krieg tens der Siemens-Ring über- war er von 1946 bis 1951 bei reicht. Am 17. November 2000 der Firma Gutbrod beschäftigt, verstarb Hans Scherenberg in zuletzt als technischer Direktor. Stuttgart. Unter seiner Leitung wurde das weltweit erste Serienfahrzeug mit Benzineinspritzung, der Gutbrod Superior, entwickelt, der 1951 vom Band lief. Ein Jahr später ging Scherenberg zu Daimler-Benz zurück und war dort bis 1955 Konstruk- tionschef. Unter seiner Leitung

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 87 Ringträger 1984 FRITZ PETER SCHÄFER

Der fünfundzwanzigste Ring- Doch 1966 entdeckte er, dass Träger war der 1984 ausge- bei einer hinreichend hohen zeichnete Physiker Fritz Peter Konzentration des Farbstoffs Schäfer. Wie es in der Laudatio die Fluoreszenz plötzlich heißt, erhielt er diese hohe Aus- tausendmal stärker war als zeichnung „für seine bahnbre- erwartet: Der Farbstoff war nun chenden Verdienste um Natur- selbst zum Laser geworden und wissenschaft und Technik durch hatte infrarote Laserstrahlung Forschungen und Erfindungen abgegeben. Durch Verwendung auf den Gebieten der Optik anderer Farbstoffe ließ sich die und physikalischen Chemie, die Wellenlänge der Laserstrahlung zum wichtigen neuen Instru- in weiten Grenzen variieren. ment des Farbstofflasers und Mit solch einem „abstimm- seiner Anwendungen führten baren“ Laser konnte man sowie für seine entscheidenden den Aufbau von Atomen und Anstöße und seine Mitwir- Molekülen untersuchen, chemi- kung an der Gründung und sche Reaktionen auslösen und Entwicklung einer modernen steuern sowie winzige Substanz- Instrumente-Firma, die zur mengen auch aus der Ferne technischen Beherrschung und nachweisen. Fritz Peter Schäfer wirtschaftlichen Verbreitung veröffentlichte seine Entde- von Systemen der modernen ckung des Farbstofflasers etwa Quantenoptik mit großem zeitgleich mit Forschern in den Erfolg geführt hat“. Fritz Peter USA und habilitierte sich damit Schäfer wurde am 15. Januar 1967. In der Folge entwickelte 1931 in Bad Hersfeld geboren, er Farbstofflaser, die ultrakurze machte 1951 an der dortigen Lichtpulse mit einer Länge Alten Klosterschule das Abitur von wenigen Femtosekunden und studierte anschließend abgaben und dabei extrem an der Universität Marburg hohe Leistungen erreichten. Physik und Chemie. Er promo- 1970 wurde Schäfer Leiter vierte 1960 und entwickelte im der Abteilung für Laserphysik Rahmen seiner Doktorarbeit und Direktor am Max-Planck- Analogrechner zur Ermittlung Institut für Biophysikalische von quantenmechanischen Chemie in Göttingen. Im Jahr Wellenfunktionen und Ener- darauf initiierte er die Grün- gieniveaus. Im selben Jahr dung der Firma Lambda Physik wurde in den USA von Theo- in Göttingen durch zwei seiner dore Maiman der erste Laser Diplomanden, die kommerziell betrieben. Schäfer baute diesen sehr erfolgreich war und aus der Rubinlaser 1963 nach und 1980 eine Tochterfirma in den untersuchte mit ihm die Lichte- USA hervorging. Schäfer erhielt mission von organischen Farb- 1968 den Fritz-Haber-Preis, stoffmolekülen. Dabei stellte und 1985 wurde ihm im Beisein er fest, dass eine alkoholische von Bundespräsident Richard Lösung eines blauen Cyanfarb- von Weizsäcker der Siemens- stoffs das rote Laserlicht gut Ring überreicht. 1994 wurde er absorbierte und dadurch zur emeritiert. Fritz Peter Schäfer ist Abgabe von infraroter Fluores- am 25. April 2011 in Hannover zenzstrahlung angeregt wurde. gestorben.

88 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1987 RUDOLF SCHULTEN

Der 1987 mit dem Siemens- von über 50 Prozent, und seine Ring geehrte Kern- und Reak- hohe Betriebstemperatur von torphysiker Rudolf Schulten bis zu 950 °C ermöglichte die wurde am 18. August 1923 in Erzeugung von Prozesswärme Oeding in Westfalen als Sohn z. B. zur Kohlevergasung. In der eines Textilfabrikanten geboren. damaligen Kernforschungsan- Nach dem Besuch des Gym- lage Jülich wurde ein Kugelhau- nasiums in Borken wurde er fen-Versuchsreaktor gebaut, der 1943 zum Wehrdienst einbe- 1967 erstmals an das öffentliche rufen. Er studierte von 1945 Stromnetzt angeschlossen wurde bis 1949 an der Universität und sehr zuverlässig eine elekt- Bonn Physik und Mathematik rische Leistung von 15 Megawatt und schloss das Studium mit (MW) lieferte. Schulten wurde dem Mathematik-Diplom ab. 1964 ordentlicher Professor Dann ging er zum Max-Planck- für Reaktortechnik an der Institut für Theoretische Physik Rheinisch-Westfälischen Tech- in Göttingen, wo er unter der nischen Hochschule Aachen Anleitung von Werner Heisen- und Direktor am Institut für berg 1952 eine Dissertation mit Reaktorentwicklung der Kern- dem Titel „Die magnetischen forschungsanlage Jülich. Er Momente und Quadrupolmo- übernahm die Leitung des mente einiger leichter Atom- Projektes „Thorium-Hochtem- kerne“ verfasste, mit der er 1952 peraturreaktor“ (THTR), dessen an der Universität Göttingen Ziel die Entwicklung eines promovierte. Danach schloss er 300-MW-Kernkraftwerks mit sich der Neutronenphysik- und einem Kugelhaufenreaktor war, Reaktorgruppe von Karl Wirtz in dem Thorium als Kernbrenn- an. Doch 1956 verließ Rudolf stoff erprobt werden sollte. 1972 Schulten Göttingen und ging begann der Bau dieser Anlage in zur Brown, Boveri & Cie. AG in Hamm-Uentrop, die Übergabe Mannheim, wo er die Abteilung an den Betreiber fand indes erst Reaktorentwicklung übernahm. 1987 statt. Der Reaktor konnte Unter seiner Leitung wurde von die in ihn gesetzten hohen 1958 bis 1962 der Hochtempe- Erwartungen jedoch nicht raturreaktor mit heliumgekühl- erfüllen und wurde schon 1989 ten und graphitummantelten stillgelegt. Während in Deutsch- Brennelementen entwickelt. In land das Interesse am Kugelhau- diesem innovativen Reaktor fenreaktor schwand, hielt es im bewegten sich die kugelförmi- Ausland an, z. B. in den USA gen Brennelemente in einem und in China. Rudolf Schulten Schacht aus hitzebeständigem wurden zahlreiche Ehrungen keramischem Material, während zuteil. So erhielt er neben dem sie von Helium als Kühlgas Siemens-Ring den Otto-Hahn- umströmt wurden. Der „Kugel- Preis der Stadt Frankfurt am haufenreaktor“ zeichnete sich Main, und die Tsinghua- durch „inhärente“ Sicherheit Universität in Peking und die aus, da er sich bei einer Unter- Universität-Gesamthochschule brechung des Kühlkreislaufs Essen verliehen ihm die Ehren- selbsttätig abschaltete. Er hatte doktorwürde. Am 30. April 1996 einen hohen Wirkungsgrad ist er in Aachen gestorben.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 89 Ringträger 1990 ARTUR FISCHER

Der Siemens-Ring wurde 1990 weit über 100 Dübelarten für dem äußerst kreativen Erfin- eine Vielzahl von Anwendun- der und Firmengründer Artur gen. Später entwickelte Fischer Fischer verliehen, der auf mehr Knochendübel aus Stahl, die als 4000 Patente und Innova- die zur Behandlung von Kno- tionen zurückblicken konnte. chenbrüchen verwendeten Geboren am 31. Dezember 1919 Nägel ersetzen sollten. Das 1964 in Tumlingen im Schwarzwald, von Artur Fischer erfundene besuchte er die Realschule in Baukastensystem „fischer- Dornstetten und absolvierte technik“ hielt gleichermaßen danach eine Schlosserlehre in Einzug in Kinderzimmer wie in Stuttgart. 1938 wurde er zum Forschungs- und Entwicklungs- Arbeitsdienst und anschließend abteilungen. Mit ihm konnten zur Luftwaffe eingezogen. Nach Modelle komplexer Anlagen der Kriegsende geriet er in britische Großtechnik gebaut werden. Gefangenschaft, aus der er aber 1979 übergab Artur Fischer die schon 1946 entfloh. Er arbeitete Geschäftsführung der Fischer- bis 1947 in einer Elektrofirma in werke an seinen Sohn und Freudenstadt, wo er mit Son- wechselte in das neu erbaute deraufgaben betraut war. Ab Forschungs- und Entwicklungs- 1948 betrieb er in Hörschweiler zentrum des Unternehmens. Er und später in Tumlingen sein erhielt zahlreiche Ehrungen. So eigenes Unternehmen, das wurden ihm 1976 die Ehren- Schalter, Blitzlichtgeräte für doktorwürde durch die Uni- Kameras und Elektrofahrzeuge versität Gießen und 1977 die produzierte. Der Durchbruch Ehrensenatorwürde durch die vom Handwerksbetrieb zum Universität Stuttgart verliehen. Industrieunternehmen kam 1984 wurde er in die Ehrenga- mit Fischers Erfindung eines lerie der Erfinder im Deutschen Blitzgerätes, das die Belichtung Patentamt München aufgenom- elektrisch mit dem Objektivver- men, und 1991 wurde ihm in schluss koppelte. Auf diese 1949 Stuttgart im Beisein des Baden- patentierte Innovation wurde Württembergischen Minis- die Firma Agfa aufmerksam, die terpräsidenten Erwin Teufel daraufhin die jährlich steigende der Siemens-Ring überreicht. Produktion von Blitzlichtgerä- Am 27. Januar 2016 ist Arthur ten aufkaufte. Fischers Unter- Fischer in seinem Geburtsort nehmen wuchs infolgedessen Tumlingen gestorben. von zehn Mitarbeitern im Jahr 1950 auf 200 Mitarbeiter im Jahr 1958. Artur Fischers zweite entscheidende Erfindung, die ihn und sein Unternehmen weltbekannt machten, war der 1961 patentierte Nylonspreizdü- bel. Damit wurde eine Befesti- gungstechnologie eingeführt, die das professionelle Bauwesen und das Heimwerken verän- dern sollte. Schon bald gab es

90 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1993 EVELINE GOTTZEIN

Die Ingenieurin Eveline Gott- Prüfanlagen zur Untersuchung zein ist bisher die einzige Frau, von Lageregelungssystemen die mit dem Siemens-Ring für die Luft- und Raumfahrt geehrt wurde. Sie wurde am 30. entwickelt, die später internatio- September 1931 in Leipzig als nale Abnehmer fanden. Ab 1970 Tochter eines Maschinenbau- konzipierte und entwickelte die ingenieurs geboren und begeis- Abteilung von Eveline Gottzein terte sich schon als Schülerin ein Trag- und Führungssystem für Segelflugmodelle. Nach für eine Hochgeschwindig- dem Abitur 1949 wurde sie keits-Magnetbahn. Zwischen trotz überragender schulischer 1970 und 1984 wurden vier Leistungen „wegen fehlender Magnetfahrzeuge gebaut, mit gesellschaftlicher Reife“ nicht denen insgesamt sechs Trag- zum Studium zugelassen. Sie und Führungssysteme erprobt absolvierte im Radio- und wurden. Aus dieser Arbeit ging Fernmeldewerk Leipzig eine Eveline Gottzeins in Fachkreisen Lehre als Elektrotechnikerin. hochgelobte Dissertation hervor, Von 1952 an konnte sie dann die sie 1983 an der Fakultät für doch noch an der Technischen Maschinenbau der Technischen Universität Dresden studie- Universität München einreichte. ren: bis 1954 Elektrotechnik, Das Ergebnis der Entwicklungs- anschließend bis 1957 Mathe- arbeit, zu der Gottzein entschei- matik und Physik. Während dend beitrug, war der Transra- ihres Studiums hatte sie einen pid 06, der 1987 auf einer 31,5 Beratervertrag mit einer Firma Kilometer langen Versuchsstre- für wissenschaftlich-technischen cke im Emsland mit 460 km/h Gerätebau, in deren Auftrag einen Geschwindigkeitsrekord sie einen elektronischen Ana- aufstellte. Ab 1975 widmete logrechner entwickelte, der auf sie sich wieder der Bahn- und der Leipziger Messe ausgestellt Lageregelung in der Flugtechnik wurde. 1957 flüchtete sie aus der und der Raumfahrt. Sie und DDR in die Bundesrepublik. Sie ihre Mitarbeiter entwickelten setzte ihr Studium an der Tech- die Dreiachsenstabilisierung nischen Hochschule Darmstadt für Satelliten, mit der MBB ab fort und schloss es 1962 mit 1990 zahlreiche Nachrichten- dem Diplom in Mathematik ab. satelliten ausgerüstet hat. 1989 Schon während des Studiums wurde sie Lehrbeauftragte und war sie zunächst freie Mitar- 1996 Honorarprofessorin an der beiterin und ab 1960 Entwick- Universität Stuttgart. 1993 ist sie lungsingenieurin für Regelungs- mit dem Siemens-Ring ausge- technik bei der Bölkow KG in zeichnet worden. Seit 2007 ist sie Ottobrunn. Dort wurde sie 1963 Fellow des American Institute mit dem Aufbau einer Abtei- of Aeronautics and Astronautics lung für Flugkörperregelung und seit 2008 Fellow der Inter- betraut. In diese Zeit fällt die national Federation of Automa- Entwicklung der Lageregelung tic Control. für die „Symphonie“-Nachrich- tensatelliten, die 1974 und 1975 gestartet wurden. Nach Eveline Gottzeins Entwürfen wurden

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 91 Ringträger 1996 CARL ADAM PETRI

Der Mathematiker Carl Adam verteilte Systeme und Prozesse Petri, der 1996 mit dem tiefgreifend modellieren kann. Siemens-Ring ausgezeichnet In den folgenden Jahren hat er wurde, ist in der Informatik diese Theorie der Petri-Netze mit den nach ihm benann- erweitert und verfeinert. Später ten Petri-Netzen, die verteilte hat sich Petri auch mit topo- Systeme modellieren, weltweit logischen Eigenschaften von bekannt geworden. Er wurde Netzen befasst. Von 1963 bis am 12. Juli 1926 in Leipzig als 1968 arbeitete er an der Univer- Sohn eines Mathematikers sität Bonn, deren Rechenzent- geboren und besuchte von rum er einrichtete und leitete. 1936 an die Leipziger Thomas- 1968 wurde die Gesellschaft Schule, an der er 1944 ein für Mathematik und Daten- Notabitur machte. Kurz darauf verarbeitung (GMD) in Sankt wurde er zum Kriegsdienst Augustin bei Bonn gegründet eingezogen, geriet aber bald mit dem Ziel, das Konzept der in englische Gefangenschaft. Großforschung auf die Daten- Er wurde nach England in ein verarbeitung zu übertragen. Kriegsgefangenen lager gebracht, Petri wurde von der GMD zum wo er sich weiterbilden konnte. Leiter des Instituts für Informa- Ende 1948 wurde er nach tionssystemforschung berufen Deutschland entlassen. Da und übte diese Tätigkeit bis zu weder sein Notabitur noch ein seiner Pensionierung 1991 aus. in England abgelegtes Abitur In den 1970er-Jahren suchte ihn als Reifezeugnis anerkannt in der GMD der Computerpio- wurden, machte er 1949 sein nier Konrad Zuse auf, der sich drittes Abitur. 1950 begann er mit den theoretischen Grund- an der Technischen Hochschule lagen der Computertechnik Hannover ein Studium der beschäftigte. Es kam zu einer Physik und Mathematik, das Zusammenarbeit zwischen Petri er 1956 mit dem Mathematik- und Zuse, der sich für die Petri- Diplom abschloss. Von 1956 bis Netze begeisterte und später 1958 war er wissenschaftlicher zwei Bücher über sie schrieb. Assistent an der TH Hanno- Carl Adam Petri hat zahlreiche ver und von 1959 bis 1962 an Ehrungen erfahren. So wurde er der Universität Bonn, wo er 1988 Ehrenprofessor der Uni- seinen Arbeitsschwerpunkt versität Hamburg, 1993 erhielt auf die Informatik legte. 1962 er die Konrad-Zuse-Medaille promovierte er am Institut für besondere Verdienste um für Praktische Mathematik die Informatik, und 1997 bekam der Technischen Universität er den Siemens-Ring über- Darmstadt mit der Dissertation reicht, für den ihn die Siemens- „Kommunikation mit Automa- Ringträgerin Eveline Gottzein ten“. Für diese bahnbrechende nominiert hatte. Im Jahr 2009 Arbeit, die die Grundlage für erhielt er den IEEE Computer seine spätere Netztheorie war, Pioneer Award. Am 2. Juli 2010 wurde er von der TU Darmstadt ist Carl Adam Petri in Siegburg ausgezeichnet. In ihr zeigte er, verstorben. wie man verteilte Kommuni- kationsprozesse erfassen sowie

92 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1999 DIETER OESTERHELT

Der Biochemiker Dieter Oester- mithilfe von Chlorophyll gibt es helt, am 10. November 1940 in somit noch einen weiteren Weg München geboren, wurde 1999 der biologischen Lichtenergie- mit dem Siemens-Ring geehrt nutzung. Es gelang Oesterhelt für den Nachweis und die Erfor- und seinen Mitarbeitern, die schung des Proteins Bacterio- Struktur und die Funktions- rhodopsin, das überraschende weise des Bacteriorhodopsins Anwendungen gefunden hat. aufzuklären. Demnach führt Nach dem Abitur 1959 am The- die vom Licht hervorgerufene resien-Gymnasium in München Umlagerung eines Protons im begann Oesterhelt ein Che- Zentrum des Proteins und sein miestudium an der Universität nachfolgender Absprung in München, das er 1965 mit dem das Außenmedium dazu, dass Diplom abschloss. Von 1965 sich die Farbe des Proteins von bis 1967 arbeitete er am Institut violett zu gelb ändert. Dieter für Biochemie der Universität Oesterhelt ging 1973 an das München und promovierte 1967 Friedrich-Miescher-Laborato- beim Nobelpreisträger Feodor rium der Max-Planck-Gesell- Lynen. Anschließend wurde schaft in Tübingen, und 1975 Oesterhelt wissenschaftlicher wurde er ordentlicher Professor Assistent am Max-Planck-Insti- für Biochemie an der Universität tut für Zellchemie in München, Würzburg. Schließlich wurde er dessen Direktor Lynen war. 1979 einer der Direktoren am Oesterhelt ging 1969 an die Max-Planck-Institut für Bioche- University of California, San mie in Martinsried, wo er bis zu Francisco, und untersuchte die seiner Emeritierung im Jahre Purpurmembran der Halobak- 2008 tätig war. Bacteriorhodop- terien. Diese Bakterien leben sin lässt sich biotechnologisch in gesättigten Salzlösungen, einfach herstellen und durch wie man sie in abgeschnittenen chemische und gentechnische Meeresarmen oder in Anlagen Modifizierung zu einem multi- zur Salzgewinnung findet. Es funktionalen Material machen, gelang Oesterhelt, das für die wie Oesterhelt und seine Mitar- Färbung der Membran verant- beiter zeigten. So setzt man es wortliche Protein zu isolieren. für die Dokumentensicherung Das Protein enthält das Pigment ein, da es vor unerlaubtem Foto- Retinal, das im menschlichen kopieren schützt. Zudem ist es Auge den Sehprozess vermittelt. ein vielversprechendes Medium Oesterhelt nannte es in Analogie für die optische Datenspeiche- zum Rhodopsin des Auges „Bac- rung. Dieter Oesterhelt wurden teriorhodopsin“. 1970 kehrte zahlreiche Ehrungen zuteil. So er nach München zurück und erhielt er 1990 den Karl-Heinz- untersuchte die Funktion des Beckurts-Preis, 1991 die Otto- Bacteriorhodopsins in der Pur- Warburg-Medaille, und 1999 purmembran. Er kam 1972 zu wurde ihm der Siemens-Ring dem Schluss, dass es als lichtge- verliehen. triebene Protonenpumpe wirkt und damit für die Halobakterien die Lebensgrundlage ist. Neben der bekannten Photosynthese

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 93 Ringträger 2002 JÖRG SCHLAICH

Der Bauingenieur Jörg Schlaich später in „Institut für Konstruk- wurde 2002 mit dem Siemens- tion und Entwurf“ umbenannt Ring geehrt. In der Laudatio wurde und das er bis zu seiner hieß es, dass er mit seinen Emeritierung im Jahr 2000 Bauwerken als technische leitete. 1980 hat er sein eigenes Innovationen Außergewöhn- Ingenieurbüro gegründet, dem liches geschaffen habe, wobei er bis 2001 angehörte. Er hat sowohl die Ästhetik als auch zahlreiche unkonventionelle ökologische und soziale Aspekte Ingenieurbauwerke entwor- einbezogen würden. Jörg fen, sowohl Dächer als auch Schlaich wurde am 17. Oktober Türme und Brücken. Er war an 1934 in Stetten bei Stuttgart der Konstruktion des Münch- geboren. Die Grundschule und ner Olympiadachs beteiligt, das Gymnasium besuchte er in hat eine 1177 Meter lange Stetten, Heilbronn und Waib- Schrägseilbrücke in Hongkong lingen. Außerdem machte er geplant und hat den seinerzeit eine Schreinerlehre. Ab 1953 weltweit größten Trockenkühl- studierte er Bauingenieurwesen turm für das Kernkraftwerk in und Architektur an der Tech- Hamm-Uentrop entworfen, der nischen Hochschule Stuttgart. allerdings 1991 nach dessen Er wechselte nach dem Vordi- Stilllegung gesprengt wurde. plom 1955 an die Technische Darüber hinaus hat er neue Universität Berlin, wo er das Wege für eine umweltfreundli- Studium des Bauingenieurwe- che Energienutzung gewiesen, sens fortsetzte und 1959 mit etwa mit seiner Idee für ein dem Diplom abschloss. Von Solar-Aufwindkraftwerk. Er hat 1959 bis 1960 war er Gradu- zahlreiche Ehrungen erhalten, ate Assistant und Lecturer für wie die Ehrenprofessur der Stahlbetonkonstruktionen am Tongji-Universität in Shanghai Case Institute of Technology und die der Huazhong Univer- in Cleveland, Ohio. Er kehrte sity of Science and Technology 1961 nach Stuttgart zurück und in Wuhan, sowie die Ehrendok- trat dort als Entwurfsingenieur torwürde der Eidgenössischen in die Baufirma Ludwig Bauer Technischen Hochschule Lau- ein. Parallel dazu arbeitete er an sanne. 2003 wurde Jörg Schlaich einer Dissertation. Nach seiner der Siemens-Ring überreicht. Promotion 1963 an der Tech- nischen Hochschule Stuttgart wurde er Mitarbeiter im Büro Leonhardt und Andrä, Bera- tende Ingenieure, und ab 1970 auch Partner von Fritz Leon- hardt, dem Siemens-Ringträger von 1964, und von Wolfhardt Andrä. Seit 1967 hatte er einen Lehrauftrag an der Universität Stuttgart. 1974 wurde er dort als Nachfolger Leonhardts Professor und Direktor des „Instituts für Massivbau“, das

94 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 2005 BERTHOLD LEIBINGER

Der Unternehmer Berthold des Unternehmens war. Unter Leibinger, Gesellschafter der Leibingers Ägide ist aus der Trumpf GmbH + Co. KG in kleinen schwäbischen Maschi- Ditzingen, wurde 2005 mit nenfabrik ein Weltunterneh- dem Siemens-Ring geehrt. Er men geworden. Ab 1979 stieg wurde am 26. November 1930 TRUMPF in die Lasertechnik in Stuttgart geboren und legte ein, stellte 1985 erstmals eigene sein Abitur 1950 am Ulrich-von- CO2-Laser vor und baute zwei Hutten-Gymnasium in Korntal Jahre später eine Flachbettlaser- ab. Anschließend machte er eine schneidanlage mit „fliegender Mechanikerlehre bei der damals Optik“. Dabei wurde nicht das noch kleinen Maschinenfabrik Werkstück unter dem Laser TRUMPF & Co. in Stuttgart, bewegt, sondern die Laseroptik und nach einer verkürzten über das Werkstück geführt. Ausbildungszeit begann er 1951 Mit einem 2003 entwickelten ein Maschinenbaustudium an leistungsfähigen Scheibenlaser der Technischen Hochschule wurden neue Anwendungen wie Stuttgart. Er schloss das Studium das Scanner-Schweißen und das 1957 als Diplomingenieur für Laserformen möglich. Die auf das Maschinenbauwesen ab. diesen Innovationen aufbauen- Für seine Diplomarbeit führte den Fertigungsverfahren haben er eine experimentelle Untersu- zum Beispiel den Bau großer chung bei der Firma TRUMPF Passagierschiffe revolutioniert. durch, aus der Konstrukti- Berthold Leibinger engagiert onsvorschläge hervorgingen, sich auch für das Gemeinwohl. die zu drei Patenten führten. So hat er 1992 eine gemein- Anschließend war er bis 1958 nützige Stiftung gegründet, die Konstrukteur bei TRUMPF ihre Erträge kulturellen, wissen- und ging dann als Entwick- schaftlichen, kirchlichen und lungsingenieur zu Cincinnati mildtätigen Zwecken zuführt. Milling Machines (CMM) in Sie schreibt seit 2000 alle zwei Cincinnati, Ohio. 1961 kehrte Jahre den Berthold Leibinger er zu TRUMPF zurück und Innovationspreis für angewandte war dort bis 1965 Leiter der Laserphysik aus. Zu den zahl- Konstruktionsabteilung. Durch reichen Ehrungen, die Berthold eine Reihe wichtiger Neukons- Leibinger zuteilwurden, gehören truktionen legte er den Grund- 1990 die Ehrendoktorwürde stein für das spätere Wachstum der Universität Stuttgart, 2005 des Unternehmens. Von 1966 der Siemens-Ring und 2011 der bis 1978 war er Technischer Arthur L. Schawlow Award des Geschäftsführer und Gesell- Laser Institute of America. schafter der TRUMPF GmbH + Co. KG, von 1978 bis 2005 Vorsitzender der Geschäftsfüh- rung und Gesellschafter des Unternehmens. 2005 übernahm seine Tochter den Vorsitz der Geschäftsführung, während er selbst von 2005 bis 2012 Vor- sitzender des Aufsichtsrates

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 95 Ringträger 2008 BERNARD MEYER

Bernard Meyer, Diplomin- die 317 Meter lange „Celebrity genieur und Geschäftsführer Solstice“ mit einer Vermessung der 1795 gegründeten Meyer von 122 000 BRZ (Bruttoraum- Werft in Papenburg, wurde zahl) das bis dahin größte 2008 mit dem Siemens-Ring Schiff der Meyer Werft. Doch geehrt. Geboren am 24. Mai inzwischen haben die Werft in 1948 in Papenburg, besuchte er Papenburg Schiffe mit mehr dort die Grundschule und das als 168 000 BRZ verlassen, die Gymnasium. Nach dem Abitur über 2000 Kabinen für mehr als studierte er von 1968 bis 1973 in 4000 Passagiere haben. Jährlich Hamburg und Hannover Schiff- werden im Durchschnitt zwei bau. Er schloss sein Studium als Schiffe in den beiden giganti- Diplom-Ingenieur ab und trat schen Hallen der Werft gebaut, 1973 in das väterliche Unter- von denen die größere mit nehmen ein. Anlässlich eines 504 Metern Länge, 125 Metern Großauftrags über den Bau Breite und 75 Metern Höhe zur von sechs Gastankern, für den Zeit ihrer Fertigstellung 2008 die bestehenden Anlagen der das größte überdachte Baudock Werft in Papenburg zu klein der Welt war. Bernard Meyer waren, baute Bernard Meyer setzt beim Bau der Schiffe eine größere Werft direkt an modernste Fertigungstechnik der Ems. Damit stellte er die ein. Mit ihren bis zu 18 Decks Weichen für die Expansion bestehen die Kreuzfahrtschiffe des Unternehmens. Die Werft- aus großen Stahlflächen aus krise Ende der 1970-er Jahre dünnem Blech, die im Laserzen- bewältigte die Meyer-Werft trum der Werft zugeschnitten relativ gut, da sie sich auf den und anschließend verschweißt Bau von Spezialschiffen wie werden. Die zum Schweißen Gastanker, Auto- und Passa- verwendeten Laser lieferte die gierfähren sowie Tiertrans- Firma TRUMPF aus Ditzingen. porter konzentriert hatte. 1982 Unter Bernard Meyers Ägide übernahm Bernard Meyer die wurde die Werftengruppe, zu Leitung der Werft von seinem der neben der Meyer-Werft Vater. Zwei Jahre später wagte in Papenburg auch Werften er den Sprung in den Kreuz- in Rostock und im finnischen fahrtschiffbau. In nur zwei Turku gehören, zu einem der Jahren baute die Meyer Werft vier weltweit größten Produ- einen 200 Meter langen Luxus- zenten von Kreuzfahrtschiffen. liner, der 1985 vom Stapel lief. 2008 wurde Bernard Meyer Damit solch große Schiffe den der Siemens-Ring verliehen, in Papenburger Hafen verlassen Würdigung seiner wegweisen- konnten, hatte die Stadt eine den technischen Entwicklungen neue und größere Schleuse beim Bau von neuzeitlichen und gebaut. Schließlich musste auch hochwertigen Passagierschiffen, die Ems vertieft werden, auf Gastankern und Spezialschiffen. der die Schiffe von der Werft 2012 übergab er die Geschäfts- zur Nordsee gelangen. Im Jahr führung der Meyer Werft an 2008, als Bernard Meyer mit einen seiner Söhne. dem Werner-von-Siemens- Ring ausgezeichnet wurde, war

96 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 2011 MANFRED FUCHS

Der Ingenieur Manfred Fuchs, gen. Als europäische Beteiligung der 2011 mit dem Siemens-Ring an der geplanten Internationalen ausgezeichnet wurde, hat die Weltraumstation ISS schlug Entwicklung der Raumfahrt Fuchs das bemannte Labormo- in Deutschland und Europa dul „Columbus“ vor. Von der nachhaltig geprägt. Er wurde europäischen Weltraumorgani- am 25. Juli 1938 in Latsch in sation ESA in Auftrag gegeben, Südtirol geboren, ging dort zur wurde es in Bremen gebaut Schule und besuchte anschlie- und 2008 mit der Raumfähre ßend die Gewerbeschule in „Atlantis“ zur ISS gebracht. 1985 Bozen. Er studierte Flugzeug- machte sich Fuchs selbständig bau erst an der Technischen und wurde Geschäftsführer der Lehranstalt in München und ab von seiner Ehefrau erworbenen 1957 an der Ingenieurschule in Firma OHB in Bremen. Das Hamburg, wo er sein Studium Unternehmen entwickelte und 1959 als Flugzeugbauingenieur baute zunächst Kleinsatelliten. abschloss. Im selben Jahr trat Schon 1988 bezog es ein neues er in die Hamburger Flugzeug- Firmengebäude im Industrie- bau (HFB) GmbH ein und war park an der Bremer Universi- dort als Entwicklungsingeni- tät, woraus sich ein Zentrum eur tätig. Von der HFB wurde der europäischen Raumfahrt er 1961 nach Bremen zur neu entwickelte. Zwei Großaufträge gegründeten Arbeitsgemein- waren entscheidend für OHB. schaft Entwicklungsring Nord Zum einen baute das Unterneh- geschickt, der späteren ERNO men fünf Radarsatelliten für die Raumfahrttechnik GmbH. Hier Bundeswehr, deren erster 2006 war er als Raumfahrtingenieur startete. Der zweite Großauf- beschäftigt und für die Astrody- trag war das satellitengestützte namik und die Vorentwicklung europäische Navigationssystem zuständig. Bei ERNO in Bremen „Galileo“, für das OHB alle 22 untersuchte er in einer Studie, Satelliten baute. Weitere Groß- wie man das Space Shuttle der aufträge folgten, wie die Beteili- NASA zu Transportzwecken gung am Bau der sechs Satelliten nutzen könnte. Er entwickelte des europäischen Wettersatel- ein „Research and Application litensystems „Meteosat Third Modul“, ein bemanntes Labor Generation“. Manfred Fuchs als Hauptnutzlast des Space erhielt zahlreiche Ehrungen, Shuttles. Damit war das euro- so die „Sänger Medaille“ der päische Spacelab geboren. 1983 DGLR und die Goldmedaille des flog das Spacelab erstmals mit Council of European Aerospace der Raumfähre „Columbia“ ins Societies. 1996 erhielt er eine All. Zusammen mit Kollegen Ehrenprofessur der Hochschule der Firmen Dornier und MBB Bremen, 2005 die Ehrendoktor- sowie Wissenschaftlern entwi- würde der Polytechnischen Uni- ckelte Fuchs die ersten Mikro- versität Mailand und 2011 den gravitationsexperimente für Siemens-Ring. Manfred Fuchs das Spacelab. Dadurch bekam ist am 26. April 2014 in Kaltern, er gute Beziehungen zu Uni- Südtirol, gestorben. versitätsinstituten und anderen wissenschaftlichen Einrichtun-

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 97 Ringträger 2011 HERMANN SCHOLL

Unter der Leitung des Elek- 1970 wurde ihm zusätzlich die troingenieurs und Managers Zuständigkeit für die Entwick- Hermann Scholl, der 2011 lung und Pilotfertigung von mit dem Siemens-Ring geehrt kraftfahrzeugspezifischer Halb- wurde, hat sich die Robert leiterelektronik im neuen Halb- Bosch GmbH zum Welt- leiterwerk von Bosch in Reut- marktführer unter den Auto- lingen übertragen, 1971 wurde mobilzulieferern entwickelt. er Direktor für Entwicklung im Hermann Scholl, am 21. Juni Geschäftsbereich für elektrische 1935 in Stuttgart geboren, und elektronische Motorenaus- wollte zunächst Berufsmusiker rüstung. Unter seiner Leitung werden, strebte dann aber einen wurde die Elektronik für das musiknahen technischen Beruf Antiblockiersystem ABS entwi- an: Tonmeister beim Rund- ckelt, das 1978 auf den Markt funk. Nach dem Abitur am kam. Ein Jahr später führte Karls-Gymnasium in Stuttgart Bosch die erste digitale Motor- studierte er von 1954 bis 1959 steuerung für Einspritzung und Elektrotechnik mit Fachrich- Zündung ein. Während die von tung Nachrichtentechnik an Scholl geleitete Entwicklungs- der Technischen Hochschule arbeit Bosch in der Autoelek- Stuttgart, und er schloss das tronik an die Weltspitze brachte, Studium mit dem Diplom ab. stieg er in der Firmenhierarchie 1961 promovierte er im Fach- rasch auf und wurde 1978 gebiet Psychologische Akustik. Geschäftsführer. Unter seiner Danach beschäftigte er sich als Ägide wurde 1995 u. a. der wissenschaftlicher Mitarbei- Schleuderschutz ESP (Electro- ter mit dem aufkommenden nic Stability Control) entwickelt. Einsatz von Halbleitern in elek- Im Jahr 2003 verließ Scholl den tronischen Schaltungen. Doch Vorstand und wurde Aufsichts- 1962 ging Scholl zur Robert ratsvorsitzender der Robert Bosch GmbH in Stuttgart in Bosch GmbH. Nach 50 Jahren die Abteilung Vorentwicklung bei Bosch schied er 2012 aus Kraftfahrzeugausrüstung. Die dem Aufsichtsrat aus und wurde Halbleitertechnik war der Ehrenvorsitzender der Bosch- Schlüssel für eine rasante Ent- Gruppe. Manfred Scholl erhielt wicklung in der Elektrotechnik, zahlreiche weitere Ehrungen. und damit begann auch der Die Kettering University in Einzug der Elektronik ins Auto. Flint, Michigan, und die Tech- Scholl wurde 1968 Entwick- nische Universität München lungsleiter, in dessen Aufgaben- verliehen ihm die Ehrendok- bereich es fiel, den störanfälli- torwürde, und 2012 wurde ihm gen Vergaser in Ottomotoren der im Jahr zuvor zuerkannte durch eine elektronisch gesteu- Siemens-Ring überreicht. erte Benzineinspritzung zu ersetzen. Unter seiner Leitung wurde die zweite Generation der elektronischen Benzinein- spritzung entwickelt, die bereits von Bosch selbst hergestellte integrierte Schaltungen enthielt.

98 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 2015 MARTIN HERRENKNECHT

Der Ingenieur Martin Herren- umzog. Zunächst bauten er und knecht, der 2016 den Siemens- seine Mitarbeiter Bohrmaschi- Ring erhielt, hat aus seinem nen für lockeren Boden, doch 1975 gegründeten Ingenieur- ab 1980 auch Maschinen für büro das auf dem Weltmarkt Felsgestein. Mitte der 1980er- führende Unternehmen für Jahre begann Herrenknecht, maschinelle Vortriebstech- Tunnelbohrmaschinen für nik im Tunnelbau gemacht. Verkehrstunnel mit Durchmes- Er wurde am 24. Juni 1942 sern bis 10 Metern zu bauen, die in Lahr in Südbaden geboren schon bald in Europa führend und wuchs im nahegelegenen waren. Mit der von ihm entwi- Schwanau-Allmannsweier auf. ckelten Mixschildtechnologie Nach dem Besuch des Max- können Tunnel im Grundwasser Planck-Gymnasiums in Lahr bis und sogar im lockeren Sediment zur Mittleren Reife machte er unter Flüssen gebaut werden. Ab ein Praktikum beim Ausbesse- 1988 wurden mit dieser Tech- rungswerk der Bundesbahn in nologie Tunneldurchmesser von Offenburg. 1961 begann er an über 10 Metern möglich. So war der Fachhochschule Konstanz sein Unternehmen am Bau der ein Maschinenbaustudium, das gut 14 Meter durchmessenden er 1964 mit Diplom abschloss. vierten Röhre des Hamburger Es folgten Wanderjahre, die ihn Elbtunnels beteiligt. Vier Bohr- in verschiedene Länder, Unter- maschinen von Herrenknecht nehmen und Positionen brach- bohrten die Röhren des 57 km ten. So war er von 1964 bis 1968 langen Gotthard-Basistunnels, Konstruktionsingenieur für des bisher längsten Eisen- Straßenbaumaschinen bei der bahntunnels der Welt. Am 15. Schweizerischen Ammann AG. Oktober 2010 war der feierliche Als Projektleiter arbeitete er von Durchschlag der ersten Röhre, 1968 bis 1970 bei der Anthes bei dem Martin Herrenknecht Eastern LTD. in Kanada und anwesend war. Sein Unterneh- den USA. Von 1970 bis 1971 war men wurde 1998 in eine Aktien- er Projektleiter beim Landma- gesellschaft umgewandelt, deren schinenhersteller John Deere in Vorstandsvorsitzender er seither Mannheim. Die entscheidende ist. Ende 2015 hatte die Herren- Wende in seiner Laufbahn kam knecht AG knapp 5000 Mitar- 1971, als er vier Jahre lang beim beiter. Martin Herrenknecht Bau des 9292 Meter langen erfuhr zahlreiche Auszeichnun- schweizer Seelisberg-Straßen- gen. So verlieh ihm die Techni- tunnels den maschinentechni- sche Universität Braunschweig schen Dienst leitete und für die 1998 die Ehrendoktorwürde und 1200 Tonnen schwere Tunnel- das Karlsruher Institut für Tech- bohrmaschine verantwortlich nologie 2011 die Ehrensenator- war. Herrenknecht kehrte 1975 würde. Der Siemens-Ring 2015 nach Lahr zurück, gründete ein wurde ihm im Beisein von Bun- Ingenieurbüro und entwickelte deswirtschaftsminister Sigmar nun selbst Tunnelbohrmaschi- Gabriel am 13. Dezember 2016 nen. Zwei Jahre später gründete überreicht, dem 200. Geburtstag er die Herrenknecht GmbH in von Werner von Siemens. Lahr, die 1980 nach Schwanau

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 99 DER RING HISTORISCHE IMPRESSIONEN 1

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PTB-Mitteilungen 01 / 2018 5 Ein Nobelpreis für die Technik 6 101 DER RING IMPRESSIONEN Bildlegenden

Ring mit dazugehöriger Schatulle für 1. Auer von Welsbach (1919) 2. Wolfgang Gaede (1933) 3. Hermann Röchling (1952) 4. Otto Bayer, Walter Reppe und Karl Ziegler (1960) 5. Wernher von Braun (1975) 6. Fritz Peter Schäfer (1984) 7. Rudolf Schulten (1987) 8. Jörg Schlaich (2002) 9. Manfred Fuchs (2011)

102 Abbildungsnachweis

Wir danken allen Rechteinhabern für die freund- liche Genehmigung zum Abdruck. Wenn es uns in manchen Fällen trotz sorgfältiger Recherchen nicht gelungen ist, die heutigen Rechteinhaber zu ermitteln, bitten wir, sich mit der Pressestelle der PTB in Braun- schweig in Verbindung zu setzen.

Deutsches Museum München, Bildarchiv ...... S. 20, 41, 67.

Forschungsinstitut der Deutschen Bundespost, Darmstadt .....S. 51.

Gettyimages, Imagno, Hulton Archive ...... S. 38.

Physikalisch-Technische Bundesanstalt ...... S. 60, 61, 107.

Siemens Historical Institute, Berlin ...... S. 8, 10, 11, 13, 14, 17, 37.

Stiftung Werner-von-Siemens-Ring, Berlin ...... S. 4, 5, 24, 27, 30, 32, 34, 36, 43, 44, 47, 48, 53, 54, ...... 56, 62, 100, 101.

TU Berlin, Architekturmuseum ...... S. 18, 23.

Universität Stuttgart, Archiv ...... S. 77.

Wikipedia, Deutsches Museum ...... S. 73.

Die Fotos der Ringträger auf den Seiten 64 bis 99 entstammen – bis auf die vermerkten Ausnahmen (S. 67, 73 und 77) – dem von der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring herausgegebenen Buch „Naturforscher und Gestalter der Technik. Die Träger des Werner-von-Siemens-Ringes und ihre Leistungen für Naturwissenschaften und Technik. 3. Aufl., Berlin 2016“. Mit freundlicher Genehmigung der Stiftung.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 100 Jahre Ein Stiftung Nobelpreis Werner-von-Siemens-Ring für die Technik 103 Personenregister Brecht, Christoph...... 53, 104 Friedrich III., (Dt. Kaiser)...... 15, 16 Bredow, Hans...... 27 Fröhlich, Oskar...... 104 Abbe, Ernst...... 31 Brocke, Bernhard von...... 26, 58 Fuchs, Franz...... 42, 58 Adam, Thomas...... 4, 26, 29 Bruckner, Anton...... 40 Fuchs, Manfred...... 33, 97 Alban, Ernst von...... 31, 42, 47 Bruch, Walter...... 33, 85 Fugger...... 16 Andrä, Wolfhardt...... 94 Brücke, Ernst...... 9 Furttenbach, Josef...... 42 Ardenne, Manfred von...... 47, 85 Budde, Emil...... 27 Füßl, Wilhelm...... 20, 58 Arco, Georg von...... 25, 27 Bunsen, Robert Wilhelm...... 65 Gabriel, Sigmar ...... 62, 99 Arnold, Gerhard...... 42 Bunte, Hans...... 25, 27 Gaede, Hannah...... 58 Auerbach, Felix...... 31, 58 Butenandt, Adolf ...... 28 Gaede, Wolfgang...... Auer Freiherr von Welsbach, Carl...... Busley, Carl...... 27 ...... 33, 34, 36, 37, 38, 39, 69 ...... 33, 65 Bürger, Marcel...... 4 Ganzhorn, Karl ...... 53 Bach, Carl von...... 27 Cahan, David...... 14, 58 Gerber, Heinrich...... 31 Balke, Siegfried...... 51, 52 Carstens, Karl...... 87 Gauck, Joachim ...... 55 Bardeen, John...... 78 Cassirer, Alfred...... 27 Goschler, Constantin...... 19, 58 Barowsky, ...... 29 Clausius, Rudolf...... 9, 64 Gottzein, Eveline...... 33, 34, 49, 54, 91 Bauersfeld, Walter.....33, 42, 43, 44, 71 Czmok, Felix...... 4 Göbel, Ernst Otto...... 3, 49, 55, 56 Bayer, Otto...... 33, 74 Darge, Joachim...... 53 Göbel, Heinrich...... 42 Bähr, Johannes...... 9, 15, 16, 58 Dedekind, Richard...... 64 Grewenig, Meinrad Maria...... 46, 58 Beetz, Wilhelm von...... 9 Debelius, Jörg...... 4, 49 Guericke, Otto...... 42 Beitz, Wolfgang...... 28 Dettmering, W...... 104 Haber, Fritz...... 66 Beckurts, Karl Heinz...... 55 Dieckmann, Max...... 86 Halske, Georg...... 10 Benneck, ...... 36 Diepgen, Eberhard ...... 55, 56 Hassenstein, Wilhelm...... 42 Benz, Wolfgang...... 35, 58 Diesel, Rudolf...... 31, 64 Haverkamp, Alfred...... 58 Berger, Michael...... 5 Duisberg, Carl...... 25, 66 Heinemann, Gustav...... 50, 51, 58, 80 Bergius, Friedrich...... 35, 39, 66, 70 Duden, Paul...... 41 Heisenberg, Werner...... 89 Bergmann, Sigmund...... 27 Dunkel, Manfred...... 38 Hefner-Alteneck, Friedrich von..12, 31 Berl, Ernst...... 83 Ebeling, Heinrich...... 42 Hell, Rudolf...... 33, 54, 86 Berliner, Alfred ...... 27 Edision, Thomas Alva...... 67 Hell, Stefan...... 62 Berthold, Max...... 27 Einstein, Albert...... 26, 38, 58, 78 Helmholtz, Hermann...... 9, 13, 31, 55 Berve, Emil...... 27 Engler, Carl...... 25, 31 Herrenknecht, Martin...... 33, 62, 99 Bethmann Hollweg, Theobald von..... Hertz, Gustav ...... 38, 39 ...... 25, 27 Erhard, Ludwig...... 44, 46 Himmler, Heinrich...... 94 Beukenberg, ...... 27 Esau, Abraham ...... 42, 45, 49, 71 Hitler, Adolf...... 40, 45 Beuth, Peter...... 31 Eyth, Max...... 31, 42 Hjorth, Soren...... 12 Bilkenroth, Georg...... 47 Finkh, Karl...... 42 Hofmann, August Wilhelm von.31, 39 Bluhm, Hanns...... 45 Fischer, Artur ...... 33, 47, 48, 54, 90 Hoffmann, Dieter Blochmann, Rudolf Sigmund...... 42 Fischer, Franz...... 39 ...... 4, 14, 36, 38, 41, 42, 58, 72, 107 Du Bois-Reymond, Emil ...... 9 Fischer-Wolfarth, Jan-Henrik...... 4, 49, 56, 58 Hoffmann, Fritz...... 35, 70 Bosch, Carl...... 29, 33, 66, 70 Förster, Wilhelm...... 13 Hoppe, Carl...... 42 Bosch, Robert...... 66 Föttinger, Hermann...... 31 Horlamus, Wolfgang...... 43, 58 Bölkow, Ludwig...... 33, 54, 82 Franzius, Ludwig...... 31 Jedlik, Anyos...... 12 Boetticher, Heinrich von...... 13 Fraunhofer, Joseph von...... 31 Junkers, Hugo...... 33, 36, 68 Braun, Ferdinand ...... 73 Freitag, Georg...... 29, 39, 44, 49 Kaske, Karlheinz ...... 54 Braun, Wernher von...... 33, 52, 84

104 Kersten, Martin...... 49, 50, 51 Menges, Dietrich Wilhelm von...... 49 Rothschild...... 16 Kind, Dieter...... Meurer, Joachim Siegfried...... Röchling, Hermann...... 4, 29, 46, 47, 49, 54, 55, 56, 58 ...... 33, 50, 54, 80, 81 ...... 33, 43, 44, 45, 46, 70 Kirdorf, Karl...... 25 Maurer, O...... 24 Röntgen, Wilhelm Conrad...... 25 Kittler, Erasmus...... 25 Meyer, Bernhard...... 33, 96 Rubens, Heinrich...... 25 Klingenberg, Georg...... 27 Miescher, Friedrich...... 59 Schaefer, Helmut...... 53 Kloss, Gerhard...... 35 Miller von, Oskar.3,19, 20, 21, 22, 23, Schäfer, Fritz Peter...... 33, 54, 88 Kloss, Max...... 27, 39 .....25, 27, 29, 30, 32, 33, 49, 67, 71, 73 Scheel, Walter...... 49, 53, 54, 55 Knoblauch, Karl-Hermann...... 9 Mühe, Walter...... 105 Seidler, Franz W...... 40, 59, 105 König, Wolfgang...... 4, 21, 58 Nedeß, Christian...... 28 Scherenberg, Hans...... 33, 54, 87 Kraus, Elisabeth...... 26, 58 Nernst, Walther ...... 29, 49, 78 Schlaich, Jörg...... 33, 94 Kruckenberg, Franz...... 31 Neufeld, Michael J...... 53, 59 Schlink, Wilhelm...... 41 Krupp von Bohlen und Halbach, Oberth, Hermann...... 84 Schmitz-Berning, Cornelia...... 40, 59, Gustav...... 16, 23 Oechelhäuser, Wilhelm von...... 68 Scholl, Hermann...... 33, 98 Kuhnke, Hans-Helmut...... 54 Oesterhelt, Dieter...... 33, 34, 93 Schott, Otto...... 25 Küpfmüller, Karl...... 33, 50, 51, 52, 80 Ohm, George Simon...... 9 Schottky, Friedrich...... 78 Laitko, Hubert...... 14, 58 Ohm, Martin...... 9 Schottky, Walter...... Lange, Sebastian ...... 49 Ohnesorge, Wilhelm...... 40 ...... 31, 32, 33, 48, 55, 77, 78 Langen, Eugen...... 31 Ossietzky, Carl von...... 40 Schrödter, Emil...... 22 Laue, Max von ...... 78 Ostwald, Wilhelm...... 66 Schuckert, Siegmund...... 67 Lehmann, Friedrich Wilhelm...... 49 Otto, Nikolaus...... 31 Schulten, Rudolf...... 33, 49, 54, 55, 89 Lehmann, Nikolaus...... 47 Paschen, Friedrich...... 36, 49 Schütz, Erhard...... 39, 59 Leibinger, Berthold ...... 33, 95 Petersen, Otto...... 16 Siebertz, Paul...... 42 Lenard, Philipp...... 37, 39 Petermann, Klaus...... 28 Siemens, Arnold von...... 30 Leonard, Fritz...... Petri, Carl Adam...... 33, 92 Siemens, Carl von...... 10, 36 ...... 33, 48, 49, 54, 77, 82, 94 Pflaum, Walter...... 28, 49 Siemens, Friedrich...... 9 Lewald, Theodor...... 19, 26 Planck, Max...... 26, 38, 66, 78 Siemens, Hans...... 9 Lieben, Adolf...... 65 Pohle, Heidi...... 48, 59 Siemens, Otto...... 9 Linde, Carl von...... 27, 29, 33, 64 Pott, Alfred...... 39 Siemens, Peter von...... 54 Ludwig, Karl Heinz...... 9 Queisser, Hans Joachim ...... 28 Siemens, Sophie...... 9 Ludwig III. (König von Bayern)...... 25 Quincke, Georg...... 25 Siemens, Walter...... 9 Lübbe, Hermann...... 54, 56 Rammler, Erich...... 47 Siemens, Wilhelm...... 10 Lübke, Heinrich...... 47, 51, 77, 78, 80 Rasch, Manfred...... 4 Siemens, Wilhelm von...... 24, 30 Lüst, Reimar...... 28, 54 Raschen, Hermann...... 42 Siems, Sabine...... 4 Lynen, Feodor...... 93 Rathenau, Emil...... 67 Simon, Jens...... 4 Maas, Jörg...... 49 Rausch, Heike...... 19, 59 Slaby, Adolf...... 68 Magnus, Gustav...... 9, 12 Redtenbacher, Ferdinand...... 42 Sommerfeld, Arnold ...... 69 Maier-Leibnitz, Heinz...... 54 Reinhard, Wolfgang...... 58 Speer, Abert ...... 70, 84 Maiman, Theodore...... 88 Reißner, Hans ...... 68 Spieker, Friedrich Albert ...... 19 Manna, Gloria ...... 4 Reppe, Walter...... 33, 75 Springborum, Friedrich...... 22 Mannesmann, Reinhard...... 25 Reuleaux, Franz...... 64 Strachwitz, Rupert Graf...... 59 Martinek, Sven...... 59 Richter...... 27 Stark, Johannes...... Matschoß, Conrad...... Riedler, Alois...... 16 .....35, 36, 37, 38, 39, 40, 45, 49, 69, 70 ...... 16, 20, 21, 22, 27, 29, 32, 41, 49 Riess, Paul...... 23 Steenbeck, Max...... 47 Mauersberger, Heinrich...... 47 Rohr, Moritz von...... 59 Steinbeis, Ferdinand von...... 42

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 100 Jahre Stiftung Werner-von-Siemens-Ring 105 Stille, Ulrich ...... 49 Stoiber, Edmund...... 54 Stolze, Franz...... 31 Stroof, Ignatz...... 42 Stutz, Rüdiger...... 42 Teufel, Erwin...... 90 Todt, Fritz..... 33, 34, 35, 39, 41, 45, 70 Ude, Hans...... 49 Ullrich, Joachim...... 3, 4, 49, 56, 62 Urban, Knut...... 41 Urban, Wilhelm...... 40 Varley, Samuel...... 12 Vieweg, Richard...... 43, 44, 49 Victoria, (Deutsche Kaiserin)...... 16 Voigt, Woldemar...... 25 Wagemann, Hans-Günther...... 28 Wandschneider, Wilhelm ...... 18 Warburg, Emil...... 25, 49 Weizsäcker, Richard von...... 55, 56, 88 Weitkemper, Franz-Josef...... 49 Wernicke, Karl...... 42 Wette, Wolfgang...... 23 Weule, Hartmur...... 49 Wheatstone, Charles...... 12 Wiedemann, Gustav Heinrich...... 9 Wien, Wilhelm...... 78 Wilhelm II. (Deutscher Kaiser und König von Preußen)...... 16, 25 Willstätter, Richard...... 25 Winnacker, Karl...... 33, 83 Wirtz, Karl...... 89 Witte, Helmut...... 51 Wolf, Max...... 71 Zemlin, Hans...... 43, 49 Zenneck, Jonathan ...... 33, 34, 35, 44, 73, 86 Zeppelin, Ferdinand Graf...... 25, 26 Zeuner, Gustav...... 64 Ziegler, Karl...... 33, 34, 48, 51, 76 Zimmermann, Johann von...... 42 Zöllner, Georg...... 42 Zuse, Konrad...... 31, 32, 33, 47, 48, 77, 79, 92

106 ieter Hoffmann (*1948) ist seit 1995 wissen- schaftlicher Mitarbeiter des Max-Planck-Insti- tuts für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, seit D2014 im Ruhestand; als apl. Professor lehrte er an der Humboldt-Universität. Dort hat er auch von 1967 bis 1972 Physik studiert und auf dem Gebiet der Wissen- schaftsgeschichte promoviert (1976) sowie habilitiert (1989). Von 1976 bis 1990 forschte er als Wissen- schaftshistoriker an der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin und war danach u. a. Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung und Mitarbeiter der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Er ist Mitglied der International Academy of the History of Science (2001), der Leopoldina, Nationale Akade- mie der Wissenschaften (2010) und wurde mit der Ehrennadel der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (2010) ausgezeichnet. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Wissenschafts- und Physikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, insbesondere die wissenschaftshis- torische Biografik und die Genese wissenschaftlicher Institutionen. Berlin als herausragendes Zentrum von Wissenschaft und Technik spielt dabei eine zentrale Rolle. Ein anderer Forschungsfokus betrifft die gesell- schaftlichen Rahmenbedingungen wissenschaftli- cher Forschung in totalitären Regimen, insbesondere während des Dritten Reiches und in der DDR.

ainer Scharf (*1956) ist promovierter Physiker. Nach dem Studium in Düsseldorf führten ihn seine wissenschaftlichen Lehr- und Wander- Rjahre nach Essen, Mailand und Los Alamos. Er lebt mit seiner Familie auf einem Bauernhof im Wes- terwald und arbeitet als freier Wissenschaftsjour- nalist u. a. für die F. A. Z., das Physik Journal und das Internetportal pro-physik.de. Er hat die von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft herausgege- bene Denkschrift zum Jahr der Physik redaktionell betreut. Neben der aktuellen Forschung gilt sein Interesse der Geschichte und der Philosophie der

Naturwissenschaften. privat Foto:

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Printed in Germany ISSN 0030-834X Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, das nationale Metrologieinstitut, ist eine Die fachlichen Aufsätze aus dieser Ausgabe der wissenschaftlich-technische Bundesoberbehörde PTB-Mitteilungen sind auch online verfügbar unter: im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für doi: 10.7795/310.20180199 Wirtschaft und Energie. PTB-Mitteilungen Heft 1/ 2018 1/ Heft PTB-Mitteilungen Braunschweig und Berlin Braunschweig

 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Bundesanstalt Physikalisch-Technische Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, das nationale Metrologieinstitut, ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.

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