edition suhrkamp 2490

Das Paradies der Ungeliebten

Ein Schauspiel

Bearbeitet von Robert Menasse

Originalausgabe 2006. Taschenbuch. 115 S. Paperback ISBN 978 3 518 12490 1 Format (B x L): 10,8 x 17,7 cm Gewicht: 114 g

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Leseprobe

Menasse, Robert Das Paradies der Ungeliebten

Ein Schauspiel

© Suhrkamp Verlag edition suhrkamp 2490 978-3-518-12490-1 edition suhrkamp 2490 Das Stück spielt in »Dänemark«, also »hier«, im Biotop staatspo- litischer Fäulnis. Die Politik hat abgedankt, die Politiker haben keine Macht mehr, sondern nur noch ihre Ämter. Die Figuren, der hilflose Regierungschef, der besessene Vize, der demago- gische Oppositionsführer, der ehrgeizige gescheiterte Shake- speare-Schauspieler, der in die Politik gewechselt ist, aber auch einen Politiker nicht glaubhaft darstellen kann, sie alle tragen die Namen jener dänischen Fußballer, die die Europameisterschaft gewonnen haben. Es ist das erste Stück, in dem lauter »Europa- meister« spielen. Aber sie meistern Europa nicht. Sie lassen sich in politische Verantwortung wählen – um dann, lethargisch oder eitel, ihre Verantwortung auf die »Sachzwänge« abzuwälzen. Ein politischer Fieberkopf, der die politischen Phrasen mit dem ver- wechselt, was sie einst bedeutet hatten, plant ein Attentat. Aber was ist ein politischer Mord, wenn die Politik längst tot ist? Ein historisches Zitat? Eine Farce? Vielleicht ein Märchen? Obwohl sie schon gestorben sind, leben sie noch immer. Robert Menasse, geboren 1954 in Wien, studierte Germani- stik, Philosophie und Politikwissenschaft in Wien, Salzburg und Messina. Er lebt als Romancier und Essayist in Wien und Amsterdam. 2001 erschien sein Roman Die Vertreibung aus der Hölle (st 3493), 2005 Das war Österreich. Gesammelte Essays zum Land ohne Eigenschaften (st 3691) und 2006 Die Zerstörung der Welt als Wille und Vorstellung. Frankfurter Poetikvorlesun- gen (es 2464). Foto: Marko Lipuš/www.literaturfoto.net

Robert Menasse Das Paradies der Ungeliebten Ein Schauspiel

Suhrkamp edition suhrkamp 2490 Erste Auflage 2006 © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2006 Originalausgabe Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, der öffentlichen Aufführung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Druck: Druckhaus Nomos, Sinzheim Umschlaggestaltung nach einem Konzept von Willy Fleckhaus und Rolf Staudt Printed in Germany ISBN 3-518-12490-0 ISBN 978-3-518-12490-1

123456–111009080706 Das Paradies der Ungeliebten Personen: , Führer der rechtspopulistischen Partei LdU achmed, Schmeichels Haushälter , Journalist, Herausgeber der Zeit- schrift »Agora« , Laudrups Freund und Redakteur der »Agora« claus christiansen, Vizekanzler und Parteivorsit- zender der Christlichsozialen dr. pia piechnik, Büroleiterin von Vizekanzler Christiansen , Kanzler und Parteivorsitzender der Sozialdemokraten hanni vilfort, seine Sekretärin , Berater des Kanzlers kim christofte, Laudrups Schwiegervater , ehemaliger Schauspieler, Abgeordneter der Christlichsozialen møller nielssen, Polizeipräsident

Ein alter Mann, eine Frau, zwei Kinder, Fotograf mit Assistenten, Polizisten, Passanten, Bettler, Volk

Das Stück spielt in »Dänemark«

Dauerregen 1. Szene

Peter Schmeichel, Achmed. Schmeichels Haus. peter schmeichel mit nacktem Oberkörper; nimmt eine Pistole von einem Tisch, wiegt sie in der Hand; ruft Achmed! Nimmt eine Patrone, betrachtet sie. Einführen! Und man ist schmerzfrei! Lädt die Pi- stole; zielt auf eine Scheibe; erblickt sich seitlich in einem großen Spiegel, beobachtet sich, wie er die Waffe langsam sinken läßt und wieder hebt, übt zwei, drei Varianten des Anlegens und Zielens, wäh- rend er sich im Spiegel selbst beobachtet. Achmed! Anziehen! achmed tritt auf Ohh! Sie sollten was nehmen oben, Monsieur. Geht zum Schrank, nimmt einen Gehör- schutz aus einer Lade, setzt ihn Schmeichel auf. Sonst werden Sie taub. Hören nicht mehr Volkes Stimme. Wen wollen Sie jetzt treffen? peter schmeichel Vizekanzler Claus Christiansen! Schießt. achmed Also konservativer Anzug, Krawatte. peter schmeichel Was? achmed schreit. Konservativer Anzug. Krawatte. peter schmeichel Nein. Heute ist doch dieses Ten- nisturnier. Prominente spielen zugunsten der Hoch- wasseropfer. Keine Krawatte. Informell. achmed untersucht die Zielscheibe. Lässig! Mitten ins Schwarze! peter schmeichel nimmt den Gehörschutz ab. Ach- med, du kannst doch Dänisch! 10 1. Szene achmed Dänisch, Französisch, Englisch und Mutter- sprache, Monsieur! peter schmeichel Eben! Was ist im Dänischen der Unterschied zwischen Wohltätigkeit, Benefiz und Charity? achmed Kein Unterschied, ist nur nicht alles dänisch! peter schmeichel Der Unterschied ist: Charity sa- gen die Sozis. Die Christlichsozialen sagen Benefiz. Also was soll ich anziehen zu der Wohltätigkeits- veranstaltung? achmed Lässig. – Tennis mit Vizekanzler. Spielen Sie mit ihm oder gegen ihn? peter schmeichel Mit ihm. Ich werde ein bißchen nachhelfen bei der Auslosung. achmed Seit wann wollen Sie Zweiter werden? Vize- kanzler Christiansen wird immer Zweiter. Geht zum Schrank, nimmt drei, vier Hosen auf Kleider- bügeln heraus, betrachtet sie, hängt sie wieder zu- rück. peter schmeichel Heute nicht. Das wird er jetzt ler- nen: Mit mir im Doppel ist er unschlagbar. Hebt die Waffe, schießt. achmed geht mit einer Hose über dem Arm zur Ziel- scheibe. Ich sehe nicht mehr schwarz. Sie haben es weggeschossen. Bringt Schmeichel die Hose. Weiße Hose für weißen Sport, Monsieur. Lässig, und doch klassisch. peter schmeichel zieht seine Hose aus, zieht die weiße Hose an, betrachtet sich im Spiegel. Weißt du, was der Kanzler unlängst zu mir gesagt hat? achmed Kanzler Lemming? peter schmeichel Achmed! Er heißt Flemming. Flemming Povlsen. 1. Szene 11 achmed Ja, Monsieur. peter schmeichel Notier das für meine nächste Rede. Die Sozis sind Lemminge, angeführt von Lemming Povlsen. Sehr gut. – Sagt er also zu mir: Früher habe ich auch so ein Waschbrett da vorn ge- habt, aber dann habe ich es rausgenommen – es hat mich beim Sitzen gestört. – So ein Idiot! achmed Ja, Monsieur. peter schmeichel Konnte sich kaum halten vor La- chen. Es fehlte nur noch, daß ihm die Hemdknöpfe aufgesprungen sind. Welches Hemd, Achmed? achmed Idiot, Monsieur. Wird fett und sein Gesicht wird immer roter vom Rotwein, aber rote Fahne wird immer bleicher und blasser, bald ist sie so weiß wie die Fahne, wenn man sich ergibt. peter schmeichel lacht. Notier das, Achmed. Nein, nicht dieses Hemd, das ist doch viel zu förmlich. Lieber ein Polo-Shirt. achmed Nein, Monsieur. Ist nicht förmlich. Hilft ihm ins Hemd. Nicht mit Schalkrawatte. Sehen Sie, jetzt der Seidenschal, so, Moment, so! Und drüber den Blazer mit dem Blockstreif. Holt den Blazer. Das Kanzler kommt auch? Hilft Schmeichel in den Bla- zer, richtet noch einmal die Schalkrawatte. Na? peter schmeichel Der Kanzler, Achmed, es heißt: Der Kanzler. Obwohl – Ja, er kommt auch. achmed Tasche mit Tennissachen stelle ich ins Auto. peter schmeichel Ist gut. Betrachtet sich im Spiegel, nimmt dann die Waffe, legt an. So, Herr Vizekanz- ler, lieber Freund Christiansen! Wir haben ein Ziel, und ich werde es treffen. – Achmed! achmed geht ab. 12 1. Szene peter schmeichel Achmed! Die Schuhe! Welche Schuhe! achmed kommt zurück. Die Penny-Loafers? Setzt ihm den Gehörschutz wieder auf. peter schmeichel Nein! Du weißt, ich hasse sie. Die sind – für Kinder, die sind einfach nicht trittfest. achmed Dann schlage ich vor die zweifarbigen Half- Brogues. Sind genagelt. Da können Sie gut treten, Monsieur! Ihre Gutgeh-Schuh! peter schmeichel zielt, schießt Achmed nimmt die Schuhe aus dem Schrank, stellt sie Schmeichel hin. Schmeichel betrachtet sich im Spiegel, posiert. Dann setzt er sich und zieht die Schuhe an. achmed Wenn der Vizekanzler das Turnier mit Ihnen gewinnt, wird er Hände falten und sagen Danke – Lieber Gott! Grinsend ab. peter schmeichel nimmt den Gehörschutz ab. Was? 2. Szene

Brian Laudrup, Herausgeber der Zeitschrift »Agora«, sein Mitarbeiter Torben Frank. Laudrups Zimmer in der Redaktion. Ein Sandsack für Box-Training. torben frank Sie haben ihm die Hände zertrüm- mert. brian laudrup Hände zertrümmert? Wem? torben frank Ich rede von Morten. Von unserem Kollegen ! brian laudrup Morten? Die Hände gebrochen? Wie hat er sich – torben frank Er liegt auf der Intensivstation. Ich komm gerade von dort. brian laudrup Was erzählst du da? torben frank Morten ist nicht vernehmungsfähig. Es ist ein Glück, daß er lebt. Oder ein Pech. Schlägt Laudrup die Hand auf die Stirn. Geht es jetzt lang- sam da hinein? Morten! Im Koma! Begreifst du? Koma – das Wort sagt dir etwas? Ja? So! Und jetzt vergiß dein Stretching nicht! Sonst bekommst du womöglich noch eine Muskelverkürzung. Will ge- hen. brian laudrup He! Warte! Das ist doch – torben frank Ja. Weißt du, was Morten recherchiert hat? Gestern hat er mir noch aufs Handy gesagt: Titelgeschichte! Er will Cover und fünf Seiten, hat er gesagt! Und jetzt: Intensivstation. brian laudrup Hör auf zu schreien! torben frank Ich habe Angst. 14 2. Szene brian laudrup Ich auch. Ich. Auch. Okay? Wann ist das passiert? torben frank Gestern abend. brian laudrup Gestern abend hatte ich ein Gespräch mit der Gewerkschaft, Öffentlichkeitsarbeit, mit diesem Jensen. Er hat unsere Zeitung – mit einem Schlag ... Aber Morten – torben frank Ja. Aber was hat dieser Gewerkschaf- ter damit zu tun? brian laudrup Sie zahlen nicht mehr. Ende der Zeit- schrift. Wir sind pleite. torben frank – brian laudrup Keine Finanzierung mehr. Weder di- rekt noch über Inserate. Pleite. Komm, wir fahren ins Spital. Ich muß Morten sofort sehen. torben frank Vergiß es. Wir können im Moment gar nicht zu ihm. brian laudrup Koma? Scheiße! Schlägt mit der Rechten auf den Sandsack. Scheiße! Mit der Linken. Scheiße! Betrachtet seine Hände. Zertrümmert? Diese Schweine! Schlägt ein paarmal auf den Sand- sack. Faschistische Schweine! torben frank Oder Rowdies. Das wird sich noch herausstellen. brian laudrup Rowdies! Ja? Du weißt, daß Morten in der Schmeichel-Partei recherchiert hat? Und ge- nau da wird er rein zufällig von unpolitischen Row- dies zusammengeschlagen, denen gerade langweilig war? Ja, das wird sich herausstellen – wie vor ein paar Wochen, als der jüdische Friedhof geschändet worden ist. Da hat sich auch herausgestellt: die Tat hatte keinen politischen Hintergrund. Sagt die Po- lizei. 2. Szene 15 torben frank Es ist auf der Straße passiert. Morten kam aus einem Gasthaus. Wir wissen noch nicht, wen er dort getroffen hatte. Die Gewerkschaft. Was hat der Typ gesagt? brian laudrup Die sagen ja nichts mehr. Die strei- chen nur noch. Wir haben doch von den Sozial- demokraten über die Gewerkschaft diese Basis- finanzierung bekommen. Und die haben sie jetzt gestrichen. In den letzten Jahren haben sie schon ihre Parteipresse eingestellt. Und wenn sie schon kein Propagandablatt haben, wollen sie auch kein Feigenblatt mehr. Diese geistig Nackten begreifen einfach nicht, wie dringend sie ein Feigenblatt brau- chen. Sollen wir eingehen? Habe ich zu Jensen ge- sagt. Die neuen Rechtspopulisten in Europa. Ob ihm das bitte klar sei, was das bedeutet, habe ich zu Jensen gesagt. Die LdU, die Schmeichel-Partei, ob ihm die Gefahr bewußt sei, habe ich ihn gefragt. Ge- rade jetzt, wo Peter Schmeichel gelbe Gewerkschaf- ten gründen will, jetzt, da er nach der Macht im Staat greift, gerade jetzt, im Kampf gegen den neuen Faschismus, können sie uns doch nicht auf den Misthaufen – torben frank Bitte, Laudrup! Die LdU ist popu- listisch, aber du darfst nicht überall Faschismus – brian laudrup Darf ich nicht. Aha! Ich darf also nicht? Jetzt darf ich dies nicht, bald darf ich jenes nicht, dann – schlägt schreiend den Sandsack – gar nichts mehr, aber es ist kein Faschismus? Und Mor- ten Bruun? Ins Koma geprügelt, ganz demokratisch oder was! torben frank Wir wissen noch nicht, wer es getan hat. 16 2. Szene brian laudrup Vielleicht waren wir für die Sozialde- mokraten nur ein Feigenblatt. Aber ein Feigenblatt verdeckt nicht nur etwas Nacktheit, es zeigt auch die Scham, die der Nackte empfindet. Und jetzt steht der Nackte saturiert da im Pelzmantel und sagt: Ist eigentlich wärmer als so ein Blatt! Macht einige wütende Schläge gegen den Sandsack. Aber der Schmeichel wird ihnen, uns allen das Fell über die Ohren ziehen – und dann? torben frank Wir müssen jetzt ruhig reden! Kannst du bitte damit aufhören? brian laudrup Ich muß das machen! Sagt mein The- rapeut. Wegen meiner Aggressionen. Seit ich dieses Ding da hängen habe, geht es mir wirklich besser. Eindeutig. Umarmt den Sandsack, läßt sich an ihm abrutschen, gleitet zu Boden. 3. Szene

Lars Olsen, zu Hause. lars olsen einige Blatt Papier in der Linken, einen Bleistift in der Rechten. Wer wollte nicht der be- dankte Gott einer Schöpfung sein, die so erschöpft ist, daß sie nicht einmal mehr Verdacht schöpfen kann? Wohl nur einer, der allergisch gegen Weih- rauch ist! Ja, die Menschen sind Bauchrednerpup- pen, die sich freuen, wenn der Bauchredner ihnen ein »Nein!« in den Mund legt. Onanisten, Sadisten, Choristen, Puristen, Parasiten, Sodomiten, Trans- vestiten, Konvertiten, Querulanten, Dilettanten, Ignoranten, Ministranten – sag ihnen, daß sie zün- deln sollen, und sie zünden dir den Weihrauch an. Mein Dänemark! Ich habe deine Sitten durchaus studiert wie eine fremde Sprache. Doch diesen Wortschatz will ich jetzt begraben. Faschisten? Doch nur ein Wort! Rechtsruck? Eine choreogra- phische Anweisung auf der politischen Bühne – uuund reeechts Ruck! Linkszweidrei. Geht auf und ab, dabei in seinen Papieren blätternd. Rollenstu- dium! Wie in alten Zeiten. Jetzt endlich eine große, meine größte Rolle – die will perfekt einstudiert sein. Setzt sich, macht eine Unterstreichung. Regel eins für Fernsehinterviews: Beantworte nie eine Frage, sondern sage sofort, was du sagen willst! Die richtigen Fragen folgen dann automatisch! Setzt ein freundlich konzentriertes Gesicht auf, fingiert Zu- hören, nickt zweimal. Ich habe mich vom National- 18 3. Szene

theater beurlauben lassen, um auf einer größeren Bühne eine Rolle zu spielen, auf der Bühne des Fol- keting, des Parlaments. Und von dort auf die größte Bühne des Landes: in die Regierung. Lächelt, senkt den Blick wieder auf die Papiere, macht eine Unter- streichung. Regel zwei: Wende dich der Person, die das Interview führt, konzentriert zu, sprich sie mit ihrem Namen an, damit schaffst du eine komplizen- hafte Einigkeit mit dem Medium. Bei einem Kame- rawechsel aber von der Totale zur Stirnkamera, schaue sofort in die Kamera, um deine zentrale Bot- schaft direkt an die Zuschauer zu richten! Beugt sich vor. Natürlich ist es beglückend, Frau Krogh, Kul- tur zu machen, aber noch reizvoller erscheint es mir heute, alles für die Kultur zu machen, Anwalt der Kultur zu sein, mit all meinen Erfahrungen als Kul- turschaffender. Hebt den Kopf, neigt ihn etwas nach links, schiebt das Kinn vor. Mir geht es vor allem um die Erweiterung des Kulturbegriffs! – Nein! Das muß ich griffiger sagen, pointierter! – Ich habe Shakespeare gespielt. Den Coriolan. – Notiert. Wichtig! An dieser Stelle vereinbaren: Einspielen von Clip Ich im Coriolan! – Ich werde Ihnen ein Geheimnis verraten, Frau Krogh, – Ja! Das ist gut: Ein Geheimnis verraten! – Mein Ehrgeiz war nie, gut zu spielen, nein, mein Ehrgeiz war – mein Ehr- geiz war – mein Ehrgeiz war ja: dem Schicksal ein Gesicht, der Wahrheit – der menschlichen Wahrheit einen Körper zu geben. Der Schauspieler spielt nicht, der Schauspieler ist – der Ausdruck der Wahrheit. Ja. So! Wahrheit! Macht eine Notiz. Und deshalb, Frau Krogh, bin ich – jetzt direkt in die Ka- 3. Szene 19

mera! – bin ich als Schauspieler ein authentischer Politiker für die Menschen! – Ja! – Sehr gut! – Wa- rum bei den Konservativen? Nun – beugt sich vor, fingiert Zuhören, lächelt, nickt. Ja, Frau Krogh, Sie haben recht: Bisher haben sich Künstler immer nur bei den Sozialdemokraten engagiert, das stimmt. Aber warum? Weil sie eine Verbesserung der Situa- tion nur für die Künstler selbst wollten. Sozialde- mokratische Politik ist im Grunde gewerkschaftli- che Interessenspolitik. Sie engagierten sich für mehr Subventionen, mehr Stipendien, mehr Geld für die Kunst. Aber ich bin in der Politik kein Vertreter für meine Künstlerfreunde, sondern für die Kunst. Und das größte Kunstwerk ist der Mensch. – Notieren! Da werden sich die Linken anmachen, ha! Das größte Kunstwerk ist der Mensch! Macht eine Notiz. Was noch? Vereinbarungen. Erstens: Ein- spielung Ich als Coriolan. Klar. Zweite Einspielung: Ich als Punksänger. Bei Stichwort Erweiterter Kul- turbegriff. Steht auf, nimmt ein fiktives Mikrophon in die Rechte, stößt die Linke in die Höhe. Femini- sten, Publizisten, Stalinisten, Zivilisten /schnallt euch an, haltet euch fest/Jetzt seid ihr dran, jetzt kriegt ihr den Rest/Wir scheuern euch die Gehirne klar/so kla-ha-har wie unsichtbar/Globaler Wahn- sinn von früh bis spät/die Macht macht in der Nacht, daß er noch steht/Der Mensch ist schlecht, die Schlächter siegen/und ist dann erst die Hölle los/dann kommst auch du auf meinen Schoß/ Duuu! Wos glüht und brennt! – Und willst mich lieben! Ab. Nach dem Abgang noch einmal kurz zurück. Mich! Lieben! Ab. 4. Szene

Brian Laudrup, Torben Frank. In der Redaktion

Laudrup und Frank sitzen am Computer. brian laudrup Schmeichel im Nadelstreif, als Red- ner im Parlament. Schmeichel mit nacktem Ober- körper, motorbootfahrend. Schmeichel mit Leder- jacke im Porsche. Schmeichel in traditioneller Tracht bei einem Volksfest. Und? torben frank Jetzt klick den Link »Aktionen« an. brian laudrup »Privilegienabbau statt Sozialabbau«. torben frank Geh auf »Nächste«. brian laudrup »Dichte Grenzen gegen Dealer«. torben frank Nächste. So, noch einmal Nächste. brian laudrup »Freie Medien für freie Bürger«. torben frank Öffnen! brian laudrup liest, murmelt. Na und? Das kennen wir doch alles. Das Fernsehen von Linken unter- wandert, alle Zeitungen im direkten Einflußbereich der traditionellen Interessengruppen, und da – was ist das? Lügenliste, eine Auflistung aller angeb- lichen Falschmeldungen, die über den armen Schmeichel verbreitet worden sind – torben frank Geh ans Ende. Letzter Satz! brian laudrup »Hier wird es mit neuen gesetzlichen Bestimmungen nicht getan sein!« Ja, und? torben frank Da bin ich stutzig geworden. Wenn eine Partei sagt, sie will nicht nur andere Gesetze – ja, was will sie denn sonst? Andere Medien! Ja gut.