Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik

Prozess Entwicklungen in der Presselandschaft Schweiz

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK Impressum

Herausgeber

Année Politique Suisse Institut für Politikwissenschaft Universität Bern Fabrikstrasse 8 CH-3012 Bern www.anneepolitique.swiss

Beiträge von

Ehrensperger, Elisabeth Müller, Eva Rinderknecht, Matthias

Bevorzugte Zitierweise

Ehrensperger, Elisabeth; Müller, Eva; Rinderknecht, Matthias 2021. Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik: Entwicklungen in der Presselandschaft Schweiz, 1991 - 1999. Bern: Année Politique Suisse, Institut für Politikwissenschaft, Universität Bern. www.anneepolitique.swiss, abgerufen am 02.10.2021.

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK I Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Chronik 1 Bildung, Kultur und Medien 1 Medien 1 Presse 1

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK II Abkürzungsverzeichnis

GDP Gewerkschaft Druck und Papier, später Comedia/Syndicom SZV Schweizerischer Verband der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger

SLP Syndicat du livre et du papier ASEJ Association suisse des éditeurs de journaux et périodiques

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 1 Allgemeine Chronik

Bildung, Kultur und Medien

Medien Presse

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE In der Deutschschweiz kaufte die Curti Medien AG nach dem Zusammenbruch der Omni DATUM: 31.12.1991 MATTHIAS RINDERKNECHT Holding Werner K. Reys das in sie eingegliederte Medienunternehmen Jean Frey AG auf. Mit der Einverleibung von Publikationen wie "Die Weltwoche", "", "Sport", "Katapult" und verschiedener Fachzeitschriften wurde damit die Curti Medien AG zur dritten Kraft in der schweizerischen Verlagsbranche. Allerdings redimensionierte Curti sein Unternehmen wieder durch die Einstellung resp. den Verkauf einiger Fachzeitschriften. Ausserdem wurde der defizitäre "Sport" zur Hälfte an die "" und das Wirtschaftsmagazin "Bilanz" zur Hälfte an das deutsche "Handelsblatt" der Holtzbrinck-Gruppe veräussert.

Auch die Neue Zürcher Zeitung AG vergrösserte ihr Imperium durch eine Mehrheitsbeteiligung von 60% an der Freien Presseholding St. Gallen, welche ihrerseits 60% am Druck- und Verlagsunternehmen Zollikofer AG besitzt; durch letztere kontrolliert die NZZ AG künftig indirekt das "St. Galler Tagblatt", die mit über 70 000 Exemplaren auflagenstärkste Tageszeitung der Ostschweiz. Im übrigen lancierte die NZZ im August eine neue Monatsbeilage namens "Folio" mit Schwerpunktthemen.

In der stark umkämpften Presselandschaft der Innerschweiz fusionierten die beiden ehemaligen Erzrivalen, das liberale (freisinnige) "Luzerner Tagblatt" und das christlichdemokratische "Vaterland", zur neuen "Luzerner Zeitung". Die konfessionell ausgerichtete politische Presse verlor ausserdem mit der Einstellung der katholischen Tageszeitung "Neue Zürcher Nachrichten" ihr einziges Organ im Kanton ; sie war seit 1972 als Kopfblatt der St. Galler "Ostschweiz" herausgegeben worden.

Ähnliche Tendenzen in Richtung Konzentration liessen sich auch in der Westschweiz feststellen. Die Printmedien verspürten den Inserateeinbruch noch stärker als in der Deutschschweiz. Ausserdem sorgte die Ankündigung einer neuen überregionalen Tageszeitung durch die Edipresse und Ringier für einen verstärkten Wettbewerb sowohl um Leser- und Abonnentenzahlen als auch um Inserenten. Das "Journal de Genève" fusionierte mit der "Gazette de Lausanne" und erschien noch vor der Erstausgabe des "Nouveau Quotidien" in neuer Aufmachung; das neue gemeinsame Blatt erreicht eine Auflagenzahl von über 30 000. Die Genfer Zeitung "La Suisse" schloss sich aus finanziellen Überlegungen dem 1990 gegründeten Inseratepool "Swiss Combi" (TA, BZ und LNN) an, der damit über 1,3 Mio potentielle Leser erreicht.

Edipressé lancierte mit einer Minderheitsbeteiligung von Ringier (20%) und der französischen Tageszeitung "Libération" (10%) ihre neue, allseits mit Spannung erwartete, überregionale Tageszeitung "Le Nouveau Quotidien" unter der Leitung des ehemaligen "Hebdo"-Chefredaktors Jacques Pilet. Die neue Tageszeitung, welche von Dienstag bis Sonntag erscheint, unterscheidet sich deutlich von den Boulevardzeitungen "" und "La Suisse", und wendet sich an ein eher jüngeres und offenes Publikum mit Interesse für Europafragen.

Gegen Ende des Berichtsjahres gründeten Edipresse und Publicitas ein Gemeinschaftsunternehmen, wobei Edipress 75% und Publicitas 25% an Kapital einbrachten. Sämtliche Presseerzeugnisse der beiden Gesellschaften und das Druckereizentrum Bussigny gingen in einen einzigen Pool ein, womit Edipresse die "Tribune de Genève" und einen grösseren Anteil des "Nouvelliste" von Sion und des "Démocrate" von Delémont zusätzlich zu "", "Le Matin" und "Le Nouveau Quotidien" kontrolliert. 47% der welschen Tagespresse befinden sich somit in den Händen von Edipresse.

Der harte Konkurrenzkampf hatte auch seine Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den Sozialpartnern. Die drei Grossunternehmen Ringier, Tages-Anzeiger und die Druckerei Winterthur (im Besitze der Curti-Medien) traten aus dem Verband graphischer Unternehmen aus und demonstrierten damit ihre Absicht, die Anstellungsverhältnisse in Zukunft flexibler und individualistischer zu gestalten. Ringier und die Tages-Anzeiger AG kündigten zudem an, auf Ende Jahr auch aus dem Verband der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger auszutreten. Damit werden diese Unternehmen

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 2 nicht mehr an die Gesamtarbeitsverträge ihrer Branchen gebunden sein. Der Tages- Anzeiger – mit einer Auflage von über 260 000 Exemplaren zweitgrösste Tageszeitung der Schweiz – sorgte aber auch mit der Entlassung von Chefredaktor Viktor Schlumpf für Aufsehen. Die Angestellten, Medienverbände und die Gewerkschaft GDP protestierten gegen eine offensichtliche Verletzung des Kollektivvertrags, da bei der Entlassung das Anhörungsrecht des Redaktionspersonals nicht gewährt worden war. Bereits zuvor hatte die Geschäftsleitung das arbeitnehmerfreundliche Redaktionsstatut aus dem Jahre 1973 revidiert und die Mitspracherechte des Redaktionspersonals abgebaut. Die internen und externen Proteste gegen die Entlassung Schlumpfs, gegen den Austritt aus den Kollektivverträgen und gegen eine marktgerechtere Ausrichtung der Zeitung gestalteten sich heftiger als es das Unternehmen wohl erwartet hatte; Direktionspräsident Heinrich Hächler gab auf Jahresende die operative Führung des Unternehmens ab. 1

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE Die beiden grössten Verlagshäuser der Schweiz, Ringier AG und Tages-Anzeiger AG, DATUM: 31.12.1992 MATTHIAS RINDERKNECHT traten im Berichtsjahr dem Schweizerischen Verband der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger (SZV) wieder bei; der 1991 vollzogene Austritt konnte aufgrund der an der Generalversammlung genehmigten, neuen Verbandsstrukturen, welche gemäss den beiden Verlagshäusern die hauptsächlichen Differenzen zwischen ihnen und dem Verband ausräumten, wieder rückgängig gemacht werden.

Ringier als grösstes Schweizer Medienunternehmen, das im Berichtsjahr mit der Acquisition der "Zuger Nachrichten" und der Übernahme von 41% des Aktienkapitals am Berner "Bund" expandierte, konnte seine Position auch im Ausland, insbesondere in der ehemaligen Tschechoslowakei, verbessern. Mit 49% Anteil am Aktienkapital beteiligte sie sich zusammen mit dem deutschen Medienunternehmen Leo Kirchs an einer tschechischen Boulevardzeitung namens "Blesk" (Blitz). Medienunternehmer Kirch ist übrigens auch Ringiers Partner beim Schweizer Abonnementsfernsehen Euroclub.

In der Region Basel stellten zwei traditionsreiche Blätter ihr Erscheinden ein: die ursprünglich katholische "Nordschweiz" (NoZ) und die sozialdemokratische "Basler AZ". Die NoZ (Auflage rund 11 000) wurde von der "Basellandschaftlichen Zeitung" übernommen. Die "Basler AZ" hatte am Schluss nur noch eine Auflage von 3300 Exemplaren erreicht und stand schon seit längerer Zeit vor dem finanziellen Ruin; Ideen überein Nachfolgeprodukt in der Form einer "Neuen Zeitung (NeZ)" konnten sich bis am Ende des Berichtsjahres mangels des nötigen Aktienkapitals von rund 4 Mio Fr. nicht konkretisieren.

Die Einstellung dieser Presseerzeugnisse in der Nordwestschweiz kann als symptomatisch für die Situation der parteinahen Lokalzeitungen der Schweiz angesehen werden; insbesondere die der CVP nahestehenden Blätter kämpften in letzter Zeit an verschiedenen Orten ums Uberleben; neben der NoZ musste in Baden auch das "Aargauer Volksblatt" (Auflage rund 7000) Ende Oktober sein Erscheinen,einstellen.

Die christlichdemokratische Tageszeitung "Popolo e Libertà" musste ihr Erscheinen im August einstellen, wobei aber schon Pläne für eine Neugestaltung in Form einer Wochenzeitung bestanden. Auch das Organ der Tessiner FDP, die seit 1878 erscheinende Tageszeitung "Il Dovere" (Auflage 22 000), fusionierte aus wirtschaftlichen Gründen mit dem "Eco di Locarno" (Auflage 12 000) zum neuen Titel "La Regione". Praktisch gleichzeitig lancierte die FDP jedoch ein neues Parteiorgan namens "Opinione liberale" als Wochenzeitung. Als Antwort auf die tiefgreifenden Veränderungen und Fusionen, von welchen die früheren Parteipresseorgane betroffen waren, lancierte das dem Bistum Lugano gehörende "Giornale del Popolo" eine neue Tageszeitung mit dem Titel "Il Giornale di Locarno" (Auflage 17 000), welche teilweise zusammen mit der Hauptausgabe des Giornale del Popolo (Auflage nach eigenen Angaben 45 000) herausgegeben wird. Die verstärkte Konkurrenz sowie die Herausforderung, einen Teil der bisherigen Leserschaft von "Dovere" einzubinden, veranlasste den liberalen "Corriere del Ticino", welcher übrigens eine neue äussere Aufmachung erhalten hat, eine massive Auflagenerhöhung auf über 60 000 Exemplare vorzunehmen und wie das Giornale del Popolo eine breitgestreute Gratiszustellung zu betreiben, um seine Spitzenposition im Tessiner Pressemarkt zu behaupten.

In der Tessiner Presselandschaft – das Tessin ist die Region mit der höchsten Zeitungsdichte und einer bisher grossen inhaltlichen Presseausdifferenzierung – fand eine tiefgehende Restrukturierung und Neuausrichtung der verschiedenen

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 3 Presseorgane statt, die zum Teil parallel zu den parteipolitischen Veränderungen verliefen. Die seit den 60er Jahren in zwei verschiedene Lager gespaltenen Sozialisten hatten bisher auch zwei Parteiorgane; das Organ für die offizielle Sektion der SPS, den Partito socialista ticinese (PST), war die seit 1913 bestehende "Libera Stampa", während der abgespaltene "Partito socialista unitario (PSU)" die Wochenzeitung "Politica nuova" herausgab. Mit der Wiedervereinigung der Tessiner Linken wurde auch eine neue, gemeinsame Tageszeitung, die "Nuova libera Stampa", geschaffen. Das neue Blatt erhebt den Anspruch, ein von der Partei unabhängiges Medium für ein breites, fortschrittliches Publikum zu sein.

Auch die Presselandschaft in der Romandie litt vermehrt an den Folgen der Wirtschaftskrise und dem damit verbundenen Inseraterückgang; rund 80% der welschen Tageszeitungen sind defizitär. Insbesondere auf dem hart umkämpften Platz Genf, auf dem vier Tageszeitungen um die Gunst der Leserschaft kämpfen, machte sich die Rezession durch Kurzarbeit und Restrukturierungen bemerkbar. Mittels einer Verlängerung der Subventionen durch die katholische Kirche konnte die Einstellung der kleinsten Genfer Tageszeitung, des "Courrier" (Auflage 5600), nochmals um mindestens eineinhalb Jahre aufgeschoben werden. Nachdem die "Tribune de Genève" 1991 durch Edipresse übernommen worden war, wechselte sie im Berichtsjahr erneut die äussere Aufmachung, im Gegensatz zur letzten Erneuerung im Jahre 1990 änderte sie gleichzeitig auch die redaktionelle Struktur, da fortan eine enge Zusammenarbeit im Inlandteil mit der zur selben Pressegruppe gehörenden "24 Heures" in Lausanne besteht. Die im September 1991 lancierte Tageszeitung "Nouveau Quotidien" konnte mit der Eroberung von 13,3% Marktanteil in der Westschweiz, einer Auflage von 35 000 Exemplaren und 158 000 Leserinnen und Lesern einen Erfolg verbuchen.

In Zürich wandelte sich das seit 1898 bestehende sozialdemokratische "Volksrecht" zur offenen links-grünen Tageszeitung "DAZ". Die Bedeutung des Kürzels — vorgeschlagen wurde "Die andere Zeitung", "Die alternative Zeitung", "Das andere Zürich", "Die Argumentations-Zeitung" und ähnliches mehr — wurde von der Redaktion bewusst offen gehalten. Im übrigen haben alle dem sogenannten "Mantaz"-Ring angeschlossenen sozialdemokratischen Zeitungen (ausser Solothurner AZ) ein neues, einheitliches Layout erhalten.

Das Projekt einer rätoromanischen Tageszeitung namens "Quotidiana" wurde von der romanischen Dachorganisation Lia Rumantscha (LR) gutgeheissen und an eine Trägerorganisation zur Realisierung weitergegeben. Wie eine gesamtromanische Tageszeitung nach den Vorstellungen der LR im Erscheinungsbild aussehen könnte, illustrierte eine Nullnummer am 1. Mai in einer Auflage von 25 000 Exemplaren. Die sprachpolitische Frage, wieviel Platz die künstliche Standardsprache Rumantsch Grischun in der neuen Zeitung bekommen sollte, wurde allerdings noch nicht beantwortet; Leserschaft und Redaktion sollten gemeinsam die Grundlinien eines Modells ausarbeiten. Ebenso sind die Probleme der Finanzierung sowie die Auswirkungen einer zukünftigen "Quotidiana" auf die bestehende romanische Presse noch offen. 2

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE Aus wirtschaftlich-strategischen Gründen rückten das "Aargauer Tagblatt", das DATUM: 31.12.1993 MATTHIAS RINDERKNECHT "Zofinger Tagblatt" sowie das "Oltner Tagblatt" näher zusammen und beschlossen, auf Anfang 1994 als "Mittelland-Zeitung" im überregionalen Bereich und im Inseratesektor eng zusammenzuarbeiten. Innerhalb der Dreier-Gruppe erhält das Aargauer Tagblatt die stärkste Stellung, da es in Zukunft den Mantel resp. den überregionalen Teil mit den Rubriken Inland, Ausland, Wirtschaft und Sport produzieren wird. Die Synergieeffekte sollen den drei Tageszeitungen, welche in Zukunft immer noch unter dem eigenen Namen auftreten, zusammen aber eine Auflage von rund 100 000 Exemplaren erreichen wollen, dazu verhelfen, langfristig die Eigenständigkeit zu sichern.

Unter argen Druck geriet erneut die rot-grüne Presse; die zürcherische "DAZ" und die "Berner Tagwacht" konnten zwar genügend Neuabonnenten finden, um das Uberleben zu sichern. Die "Solothurner AZ", welche schon 1991 vom bürgerlichen Verlagshaus Dietschi übernommen worden war, überlebte jedoch nicht. Die im Mai lancierte sozialdemokratische Wochenzeitung der Romandie, "Jet d'Encre", musste schon im Dezember aus finanziellen Gründen wieder eingestellt werden.

Als Antwort auf die Mehrheitsbeteiligung Ringiers beim Berner "Bund" und die dadurch entstandene Konkurrenzsituation unter Publicitaspartnern auf dem Inseratemarkt Bern ergaben sich bei den Inseratekombis diverse Verschiebungen. Der bisherige

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 4 Inseratepool "Swiss Combi" (TA, BZ, LNN, La Suisse) wurde durch den neuen Inserateverbund "Swiss Pool" (BaZ, LZ, SGT, 24 Heures, TG, TA, BZ) ersetzt, welcher Anzeigen in einer Gesamtauflage von 820 000 Exemplaren ermöglicht und eine Leserschaft von über 2 Mio erreicht. Zusätzlich entstand im westlichen Mittelland ein Kleinverbund zwischen "", "Solothurner Zeitung" und "" namens "Presse 99", der an den "Swiss Pool" angedockt werden kann. Ringier kündigte daraufhin als Gegenmassnahme für 1994 einen eigenen Inserateverbund unter dem Namen "Ringier Media Tools" an. Ebenso antworteten diverse Tageszeitungen der Romandie (L'Express, L'Impartial, , La Liberté, Le Quotidien jurassien, Le Journal du Jura) mit der Gründung des "Romandie Combi" auf die neue Herausforderung.

Bei der 1992 neu gegründeten, aus der Fusion des "Eco di Locarno" und "Il Dovere" entstandenen Tageszeitung "La Regione" hatte die Berichterstattung über den Mailänder Schmiergeldskandal sowie eine Stellungnahme Ständerat Salvionis (fdp, TI) zur Stempelsteuer direkte Drohungen aus Bankenkreisen zur Folge; der verantwortliche Redaktor wurde fristlos entlassen. Schon ein Jahr nach der Fusion "Politica nuova- Libera Stampa" musste die einzige linke Tessiner Tageszeitung "Nuova libera Stampa" ihr Erscheinen aus wirtschaftlichen Gründen wieder einstellen. Eine neue Konkurrenz erhielten die bestehenden Tessiner Presseerzeugnisse durch die von Lega-Nationalrat Maspoli lancierte Tageszeitung "L'altra notizia", die in einer Auflage von 35 000 Exemplaren gedruckt wird.

Die Curti Medien AG haben sich mit der National-Zeitung und Basler Nachrichten AG — Herausgeberin der Basler Zeitung — zur drittgrössten Mediengruppe der Schweiz zusammengeschlossen. Das Projekt für eine zweite Tageszeitung der Region Basel mit dem Titel "Neue Zeitung (NeZ)" — geplant war die Herausgabe der neuen Zeitung ab April in einer Auflage von 15 000 — kam mangels ausreichenden Kapitals nicht zustande.

Auf dem hart umkämpften Pressemarkt Genf musste das Journal de Genève im technischen Bereich Entlassungen vornehmen, um gegen seine Konkurrenten weiter bestehen zu können. Mit ernsthaften Schwierigkeiten sah sich auch die "La Suisse" konfrontiert. Bis Ende des Berichtsjahres konnte noch keine Lösung zur langfristigen Sanierung der Gesellschaft gefunden werden.

Wie in der Innerschweiz ein Jahr zuvor, haben auch im Kanton Jura die zwei parteipolitisch gefärbten Regionalblätter, der seit 116 Jahren erscheinende freisinnige "Démocrate" und das 120 Jahre alte christlichdemokratische "Le Pays", fusioniert, um ab Juni des Berichtsjahres in neuer Aufmachung als "Quotidien jurassien" in einer Anfangsauflage von 35 000 (spätere Normalauflage soll ca. 26 000 sein) zu erscheinen. 3

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE Die schweizerische Presselandschaft blieb in Bewegung. Zwar zeigte die DATUM: 31.12.1994 EVA MÜLLER "Medienanalyse Schweiz 93/94" auf, dass Leserzahlen und Reichweiten der Schweizer Presseerzeugnisse in den letzten zwei Jahren relativ konstant geblieben sind. Im Rahmen von Restrukturierungen kam es aber zu diversen Zusammenschlüssen im Inserate-, und vermehrt auch im redaktionellen, administrativen und technischen Bereich.

Als neue Grösse hat sich mit einer Startauflage von 96 000 Exemplaren die "Mittelland- Zeitung" im schweizerischen Zeitungsmarkt etabliert. Unter diesem Namen kooperieren seit Anfang 1994 die Verlage von "Aargauer Tagblatt", "Oltner Tagblatt" und "Zofinger Tagblatt" im Inserate- und überregionalen Bereich. Im Berner Oberland treten das "Thuner Tagblatt", die "Berner Oberländer Nachrichten" und das "Oberländische Volksblatt" nun mit dem Untertitel "Berner Oberland Zeitung" gemeinsam in Erscheinung. Geplant sind neben einem gemeinsamen nationalen Inserateteil auch administrative, redaktionelle und technische Kooperationen.

Synergieeffekte erhofft sich auch die "BauernZeitung", neues offizielles Wochenblatt der bäuerlichen Organisationen der Schweiz. Unter diesem Namen haben sich der "Landwirt", die "Innerschweizer Bauernzeitung" und das "Zentralblatt der Land-und Milchwirtschaft" zusammengeschlossen. Die Startauflage betrug 76 000 Exemplare. Das Blatt will eine verbesserte Information innerhalb der Landwirtschaft und eine grössere Wirkung nach aussen erreichen. Ebenfalls fusionieren wollen 1995, quasi als Pendant zur deutschschweizerischen Bauernzeitung, die beiden welschen Wochenzeitungen "Agri-Hebdo" und "Le Producteur de Lait".

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 5 Aus wirtschaftlich-strategischen Gründen rückten mit dem Romandie-Combi auch sechs Westschweizer Tageszeitungen zusammen: "L'Impartial", "Le Journal du Jura", "Express", "Le Quotidien jurassien", "La Liberté" und "Le Nouvelliste et Feuille d'avis du Valais" arbeiten seit diesem Jahr als Inserateverbund, aber auch redaktionell zusammen. Die sechs Zeitungen wollen auch ein gemeinsames Korrespondentennetz im In- und Ausland unterhalten. Zum ersten grenzüberschreitenden Inserateverbund Europas ist es zwischen drei Tessiner und zwei italienischen Zeitungen gekommen: Im Werbepool Ti-laghi in Lugano haben sich der "Corriere del Ticino", "La Regione" und das "Giornale del popolo" mit zwei italienischen Zeitungen zusammengeschlossen.

Nach 96jährigem Bestehen musste die Genfer "La Suisse" im März ihr Erscheinen einstellen, nachdem sich mehrere Sanierungsofferten von ausländischen Geldgebern und Rettungsversuche von Verleger Jean-Claude Nicole, wie etwa der Vorschlag einer Fusion von "La Suisse" und "Le Matin", als unrealistisch erwiesen hatten. Nachfolgeprojekte, wie "Nouvelle Suisse" oder "Suisse dimanche" wurden diskutiert, aber nicht lanciert. Mit dem Ende der einst führenden Tageszeitung der Romandie ist es auf dem welschen Pressemarkt zu einer weiteren Konzentration gekommen, und die Lausanner Edipresse konnte ihre Marktstellung mit dem Aufkauf der Abonnentenkartei und des Titels der eingegangenen Zeitung nochmals ausbauen. Ausserdem entfachte Edipresse in der Romandie einen Preiskampf, dem andere Zeitungen nicht folgen konnten. Mit einer Startauflage von 15 000 Exemplaren erscheint seit November neu die englischsprachige Tageszeitung "The Geneva Post", welche die internationale Bevölkerung Genfs ansprechen will.

Auf dem Markt der Magazine orten Verleger noch Marktlücken. Auf den Frühling 1995 haben die beiden grossen Verlagshäuser Ringier und TA-Media AG je ein*Nachrichtenmagazin angekündet.

Der Verleger Beat Curti ist, nach Verdächtigungen im Zusammenhang mit einer Zürcher Bestechungsaffäre, innerhalb seiner Mediengruppe ins zweite Glied zurückgetreten. Verwaltungspräsident der Curti Medien AG wurde Hans-Erich Fischer, an die Spitze des Tochterunternehmens Jean Frey AG trat Hans-Rudolf Hagemann, Herausgeber der "Basler Zeitung". Ab 1995 wird die "Basler Zeitung" ausserdem ein weiteres Aktienpaket von 15% von der Curti-Medien-Gruppe übernehmen und somit 50% des Aktienkapitals kontrollieren. Zu einer Aktienverschiebung ist es auch beim Berner "" gekommen: Ringier trat seine Mehrheitsbeteiligung ab und behält noch 45%. Die "Neue Zürcher Zeitung" übernahm 45% und wird ab 1. April 1995 auch die operative Führung und verlegerische Verantwortung bei der Traditionszeitung übernehmen. Damit ist es nicht zu einer Kooperation mit der Berner Zeitung gekommen, welche wohl über kurz oder lang zur Fusion geführt hätte.

Das Projekt einer rätoromanischen Tageszeitung, welches von der Arbeitsgruppe Rätoromanische Tageszeitung (ART) während Jahren unter dem Titel "Quotidiana" verfolgt wurde, musste redimensioniert werden. Nachdem das Bundesamt für Kultur im Frühling schwere Bedenken angemeldet hatte, weil die Zeitung kantonal und von Verlegerseite her zu wenig abgestützt und auch der Finanzbedarf nicht gedeckt sei, wurde das Projekt überarbeitet. Das neue Modell sah als Ergänzung zu den bestehenden romanischen Zeitungen eine zweimal wöchentlich erscheinende Zusatzzeitung mit dem Titel "La Vusch" vor. Damit sollte gewährleistet werden, dass praktisch täglich ein romanisches Presseprodukt in Graubünden erscheint. Ausserdem war der Aufbau einer romanischen Medienagentur geplant; beide Projekte zusammen hätten von Bund und Kanton mit 1,8 Mio Fr. unterstützt werden sollen. Ende Dezember ist das Projekt "La Vusch" jedoch vom Kanton Graubünden abgelehnt worden, unter anderem mit der Begründung, dass sich nicht alle Verleger von romanischen Presseprodukten für das neue Blatt begeistern konnten. Weiterverfolgt wird indessen von der ART der Aufbau einer romanischen Nachrichtenagentur.

Die 1976 gegründete rechtsextreme Zeitschrift "Eidgenoss" von Verleger Max Wahl hat ihr Erscheinen auf Ende Jahr eingestellt. Die Zeitschrift hat unter anderem mehrfach die Massenvernichtung von Juden in den Konzentrationslagern Nazi-Deutschlands bestritten. Das am 1.1.1995 in Kraft tretende Antirassismus-Gesetz ist einer der Hauptgründe für die Einstellung des Monatsblatts. 4

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 6 GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE Die beglaubigten Auflagezahlen der Schweizer Presse, wie sie alljährlich von der AG für DATUM: 31.12.1995 EVA MÜLLER Werbemittelforschung (Wemf) eruiert werden, wiesen für 1995 eine stabile Presselandschaft mit stagnierenden Zeitungauflagen aus. Eine Ausnahme bildete der Westschweizer Zeitungsmarkt, wo vor allem die beiden Genfer Blätter "Tribune de Genève" (+31,3%) und "Journal de Genève" (+25%) markant vom Untergang der Traditionszeitung "La Suisse" profitierten.

Die Basler Zeitung stockte ihre Beteiligung an der Curti Medien AG auf 65% auf, nachdem sie sich im letzten Jahr zunächst mit 50% beteiligt hatte. Damit sicherte sich die Basler Zeitung hinter Ringier und TA Medien AG ihre Position unter den drei grössten Schweizer Verlagen und etablierte sich mit der Kontrolle über Medienerzeugnisse wie "Weltwoche" oder "Beobachter" auch auf dem Zürcher Medienplatz.

Auf den 1. Mai traten bei der defizitären Berner Traditionszeitung "Der Bund" die im Dezember 1994 ausgehandelten neuen Besitzverhältnisse in Kraft. Die Verlagshäuser NZZ und Ringier halten künftig je 45% des Aktienkapitals, wobei die operative Verantwortung für die Bund Verlag AG kommerziell und publizistisch bei der NZZ liegt. Die NZZ lancierte eine Anzeigekombination NZZplus, die es NZZ-Inserenten erlaubt, ihre Anzeige zum halben Preis auch im "Bund" erscheinen zu lassen.

Die "Luzerner Neuste Nachrichten" (LNN) und die "Luzerner Zeitung" (LZ) haben auf den 1. Januar 1996 ihre Fusion angekündigt. Die LNN mit den zugehörigen "Zuger Nachrichten" werden mit der LZ und deren fünf Regionalausgaben in Zug, Schwyz, Uri, Nidwalden und Obwalden zur "Neue Luzerner Zeitung" (NLZ) zusammengelegt. Gemäss den beiden an der neugegründeten Luzerner Medien AG beteiligten Verlagen, der Ringier-Tochter C. J. Bucher (49%) und der Luzerner Zeitung (51%), ist der Innerschweizer Pressemarkt zu klein für zwei Tageszeitungen. Damit wird dieser innert nur vier Jahren von drei auf eine Tageszeitung schrumpfen; 1991 hatten das christlichdemokratische "Vaterland" und das freisinnige "Luzerner Tagblatt" zur LZ fusioniert. Die LNN-Redaktion, die von der Zusammenlegung stärker betroffen sein wird als diejenige der LZ, zeigte sich in einer Pressemitteilung überzeugt, dass sie einen Ringier-Fehlentscheid - den Kauf des defizitären Berner "Bund" vor zwei Jahren - ausbaden müsse. Ein weiteres Opfer der Fusion LNN/LZ wird der im 117. Jahrgang stehende "Luzerner Landbote", der von der neuen Luzerner Medien AG an die Surseer Woche AG verkauft wurde. Diese stellte das Erscheinen der Lokalzeitung auf Ende 1995 ein. Die Auflage der NLZ und ihren fünf Regionalausgaben wird rund 125 000 Exemplare betragen, womit sie zur viertgrössten abonnierten Schweizer Tageszeitung avanciert. Auf dem Inserate-Markt wird sie sich dem "Swiss Pool" anschliessen. Die künftige Pressemonopolsituation der Zentralschweiz wurde stark kritisiert. Die NLZ hat deshalb als erste Schweizer Tageszeitung einen Leserrat als eine Art Ombudsstelle eingeführt. Der neu gegründete Verein "Projekt Zeitung" liess die Chancen einer Alternativzeitung, die das linksliberale Spektrum abdeckt, prüfen. Im November gründete er die "Pro Zeitung Verlags AG", welche ab dem 26. Januar 1996 eine zweite Luzerner Tageszeitung unter dem Titel "Luzern heute" herausgeben wird. Die Startauflage soll 2500 Exemplare betragen. Auch im Kanton Zug wurde die Herausgabe einer zweiten Zeitung neben dem Fusionsprodukt "Neue Zuger Zeitung" geprüft.

Mit einer Startauflage von rund 60 000 Exemplaren erschien ab April "Facts" aus dem Hause der TA Media AG. Damit verfügt die Deutschschweiz erstmals seit 1982 wieder über ein Nachrichtenmagazin. Der Verlag Ringier hatte sein als Konkurrenzprodukt geplantes Projekt "Reflex" im Januar aufgrund von Marktüberlegungen zurückgezogen.

Die einzige englischsprachige Schweizer Tageszeitung, "The Geneva Post", die die internationale Bevölkerung Genfs ansprechen wollte, musste ihr Erscheinen nach nur sieben Monaten mangels genügend Interessenten einstellen.

Aus dem sozialistischen Magazin "Bresche" und dem gewerkschaftlichen Forum "Diskussion", die eingestellt wurden, ging auf Beginn des Jahres 1995 das rot-grüne Monatsmagazin für neue Politik "MOMA" hervor. In der Romandie ersetzte die der PdA nahestehende Wochenzeitung "" die seit 1944 bestehende Parteizeitung "Voix ouvrière".

In Bern kam es zu einem eigentlichen "Anzeiger-Krieg" zwischen der Berner-Tagblatt- Medien (BTM), welche die Berner Zeitung herausgeben, und dem Bund Verlag. Die bisherigen Herausgeber des amtlichen Publikumsorgans "Stadtanzeiger Bern", die Vereinsdruckerei Bern und die BTM, hatten den Vertrag mit der Stadt Bern per Ende

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 7 1995 gekündigt, da sie die jährliche Abgabe von 2,2 Mio Fr. als zu hoch empfanden. Die Stadt betraute deshalb im September den Bund Verlag mit der Herausgabe des "Stadtanzeigers". Anfang November warfen die Vereinsdruckerei und die BTM einen eigenen, nicht-amtlichen Anzeiger "Tagblatt für die Stadt Bern" auf den Markt, der in seiner Aufmachung dem "Stadtanzeiger" glich. Gleichzeitig gestalteten sie den "Stadtanzeiger", den sie noch bis Ende Jahr herausgeben mussten, dünner und unattraktiver, und im Impressum fehlten wichtige Inserateadressen. Der Berner Gemeinderat warf der BTM unlauteren Wettbewerb und irreführende Werbung vor. Die Vereinigung für kritische Mediennutzung Arbus verklagte die BTM auf Verletzung der Impressumspflicht und rief zum Boykott auf. Nach einer superprovisorischen Verfügung des Berner Richteramts mussten die "Tagblatt"-Herausgeber zumindest das Erscheinungsbild ihres Gratisblatts so ändern, dass es nicht mit dem "Stadtanzeiger" verwechselt werden kann. Ende November kündigte die Berner Stadtregierung den Vertrag mit der Vereinsdruckerei fristlos und liess den "Stadtanzeiger" vorzeitig beim Verlag des "Bund" herstellen. 5

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE Zu Beginn des Jahres erschien in der Zentralschweiz erstmals das Fusionsprodukt von DATUM: 31.12.1996 EVA MÜLLER "Luzerner Neuste Nachrichten" (LNN) und "Luzerner Zeitung" (LZ), die "Neue Luzerner Zeitung" (NLZ) mit fünf Regionalausgaben für die Kantone Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug. Noch im Januar kam ausserdem die als Alternative zur NLZ konzipierte Tageszeitung "Luzern heute", auf den Markt, die vor allem die Agglomeration Luzern abdecken will und dreimal wöchentlich erscheint. Auch im Kanton Zug wurde ein Konkurrenzblatt zur NLZ aus der Taufe gehoben: im August debutierte die "Zuger Presse", die sich auf das Geschehen in der Region Zug beschränkt und ebenfalls dreimal wöchentlich erscheint.

Im Aargau kam es ebenfalls zu einer Konzentration in der Presselandschaft. Die beiden grössten aargauischen Tageszeitungen "Aargauer Tagblatt" und "Badener Tagblatt" fusionierten zur "", die mit einer Startauflage von 120 000 Exemplaren im November als sechstgrösste Schweizer Tageszeitung erstmals erschien. Am neuen Unternehmen sind die Aargauer Tagblatt AG und die Badener Tagblatt Holding AG zu je 50% beteiligt. Anders als letztes Jahr in der Innerschweiz fielen die Reaktionen zur Zeitungsfusion im Aargau moderat aus, da beide Tageszeitungen eine ähnliche, bürgerlich-konservative Linie verfolgten. Opposition gegen die Fusion regte sich jedoch anfänglich von Teilen der Aktionäre des "Aargauer Tagblatts" um die beiden SVP- Parlamentarier Maximilian Reimann und Christian Speck, die eine Vormachtstellung der Badener Tagblatt Holding und insbesondere von deren Besitzer Peter Wanner befürchteten.

Die Aargauer Zeitungsfusion hatte auch Konsequenzen für die seit Anfang 1994 bestehende "Mittelland-Zeitung", der das "Aargauer Tagblatt", das "Oltner Tagblatt" und das "Zofinger Tagblatt" angehörten. Der Verleger der neuen "Aargauer Zeitung" kündigte die Kooperation des "Aargauer Tagblatt", das bis dahin den gemeinsamen Mantelteil der "Mittelland-Zeitung" geliefert hatte. Nachdem die beiden verbliebenen Partner mit rechtlichen Schritten wegen Vertragbruchs drohten, zog die Aargauer Zeitung AG die Kündigung zwar zurück. Die in Zugzwang geratenen "Oltner Tagblatt" und "Zofinger Tagblatt" fanden aber mit der "Solothurner Zeitung" eine neue Partnerin und schlossen sich zu dritt zur "Neue Mittelland-Zeitung" zusammen. Damit entstand im Kanton Aargau wieder eine zweite grössere Tageszeitung, dem Kanton Solothurn ging jedoch seine zweite Pressestimme verloren. Neu liefert die "Solothurner Zeitung" den überregionalen Mantelteil. Die vorerst auf fünf Jahre befristete, am 4. November begonnene Kooperation soll den drei Zeitungen - Gesamtauflage 85 000 Exemplare - den Zugang zum nationalen Inseratemarkt sichern. Die drei Verlage sind bereits gemeinsam am Solothurner Lokalsender "Radio 32" beteiligt.

Zu einem Zweititelsystem unter einem Verlagsdach ab 1. November entschieden sich das "Bündner Tagblatt" und die "Bündner Zeitung". Die Gasser Media AG, Herausgeberin der "Bündner Zeitung", übernahm die operative Führung beider Tageszeitungen, die neu einen gemeinsamen Inserateteil, aber weiterhin getrennte Redaktionen haben werden. Ab 1997 werden sich die beiden Blätter inhaltlich stärker unterscheiden: Während die "BZ" einen liberalen Kurs fährt und sich der vertieften Information verschreibt, wird das "Bündner Tagblatt" einen pointiert konservativen Kurs fahren und sich auf die kurze, schnelle Information konzentrieren. Das im 144. Jahrgang erscheinende "Bündner Tagblatt" war vor zehn Jahren vom Zürcher SVP-Nationalrat übernommen und von ihm seither jährlich mit Millionenbeträgen über Wasser gehalten worden. Nun leitete Blocher seinen Rückzug aus dem

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 8 Graubündner Zeitungsmarkt ein. Kritische Stimmen gaben dem Bündnerischen "wirtschaftlichen Zeitungsmonopol mit Pressevielfalt" keine längerfristigen Überlebenschancen.

Dem jahrelangen Feilschen um eine romanische Tageszeitung in Graubünden setzte die Gasser Media AG Anfang November überraschend ein Ende und kündigte die Lancierung von "La Quotidiana", der ersten romanischen Tageszeitung, auf Januar 1997 an. Im Gegensatz zu früheren Projekten wird die Tageszeitung nicht in Zusammenarbeit mit den romanischen Sprachorganisationen, sondern im Alleingang herausgegeben. Das Zweititelsystem von "BZ" und "BT" mutiert damit zum Dreititelsystem. Der Lia Rumantscha und der Pro Svizra Rumantscha warf der Gasser-Verlag vor, dass sie eine "rätoromanische Staatszeitung" produzieren und diese zu einem Mittel der Sprachenpolitik ausbauen wollten. Die Sprachorganisationen begrüssten die neue Tageszeitung grundsätzlich. Mit der Realisierung von "La Quotidiana" verbunden ist ein Kahlschlag in der romanischen Presselandschaft: Die "Gasetta Romontscha" aus Disentis, bereits seit längerer Zeit in der Hand der Gasser AG, wird ebenso in der neuen Tageszeitung aufgehen wie die kleineren romanischen Blätter "Casa Paterna/La Punt" und "Fegl ufficial da Surselva". Auch das bisher zweimal wöchentlich erscheinende Engadiner Lokalblatt "Fögl Ladin" wird in die "Quotidiana" integriert werden. Die Engadin Press AG verkaufte der Gasser AG ihre Verlagsrechte, da sie neben der neuen Konkurrenz keine Überlebenschancen mehr sah. "La Quotidiana", deren Auflage 10 000 Exemplare beträgt, soll unabhängig und politisch neutral sein und will grundsätzlich jedem Idiom Platz einräumen.

Auch bei den beiden Neuenburger Tageszeitungen "L'Express" und "L'Impartial" kam es ab November zu einer Konzentration der Kräfte. Die beiden Zeitungen beschlossen eine enge Zusammenarbeit in Redaktion und Druck, neu werden lediglich noch die Regional- und Lokalredaktionen selbständig bleiben. Den beiden Blättern wurde seit Jahren die baldige Fusion prognostiziert. Die Option einer Fusion der beiden defizitären welschen Blätter "Le Nouveau Quotidien" und "Journal de Genève" prüften auch die beiden Verlagshäuser Edipresse und Journal de Genève. Das vom Journal de Genève initierte Projekt scheiterte jedoch nicht zuletzt am Streit um die Meinungsführerschaft.

Die katholische Kirche entzog dem links-katholischen Genfer "" ihre finanzielle Unterstützung von bisher jährlich 250 000 Fr., weil dieser sich weigerte, seinen gemäss der Kirche zu wenig linientreuen Chefredaktor zu entlassen. Unterstützung erhielt die kleinste Genfer Tageszeitung daraufhin von neuen Abonnenten aus linken Kreisen sowie von Edipresse, die ihr 150 000 Fr. schenkte.

Die einzige noch verbliebene linksgrüne Tageszeitung in der Ostschweiz, die im 92. Jahrgang stehende "Ostschweizer Arbeiterzeitung", musste ihren Betrieb einstellen. Damit verschwand das fünftletzte Organ der einst 19 Titel zählenden sozialdemokratischen Presse in der Schweiz. Dem AZ-Ring gehören nun noch die Berner "Tagwacht", die Zürcher "DAZ", die "Winterthurer AZ" und die "Schaffhauser AZ" an; neu dazu kam "Luzern heute".

Das älteste Presseerzeugnis der italienischen Schweiz, die "Gazzetta Ticinese", musste sein Erscheinen ebenfalls einstellen.

Im Kanton Genf lehnten die Stimmberechtigten eine Volksinitiative für die Pressevielfalt, die nach dem Untergang der "La Suisse" eingereicht worden war, deutlich ab. Der Initiativtext hatte verlangt, dass der Staat Massnahmen zur Förderung von Medien und zur Verhinderung von Medienmonopolen ergreife. 6

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE Die rätoromanische Nachrichtenagentur "Agentura da Novitads Rumantscha" (ANR) DATUM: 31.12.1997 EVA MÜLLER nahm Anfang Jahr ihren Betrieb auf. Weil die rätoromanische Tageszeitung "La Quotidiana" ihre Meldungen wegen eines letztjährig vorausgegangenen Streits bei der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) bezog, stand die ANR zuerst aber ohne eigentliche Aufgabe da. Ende Januar kam es zu einer Einigung zwischen "La Quotidiana" und der ANR. "La Quotidiana" wie auch Radio Grischa äusserten danach jedoch Kritik an der qualitativen Leistung der neuen Nachrichtenagentur. Viele Texte sind keine redaktionellen Eigenleistungen, sondern Übersetzungen aus dem Deutschen.

Zu Beginn des Jahres erschien im Kanton Graubünden neu "La Quotidiana" aus dem Churer Verlagshaus Gasser Media AG, womit die rätoromanische Sprachgemeinschaft erstmals in ihrer Geschichte über eine Tageszeitung verfügt. Die neue Zeitung, der

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 9 mehrere Regionalblätter zum Opfer fielen, stiess aber in den einzelnen Sprachregionen nicht nur auf Begeisterung; die Auflage sank im ersten Halbjahr von 10 000 auf rund 8000. Ab August liess Gasser deshalb unter dem Kopftitel "La Quotidiana" die alten Regionalblätter wieder aufleben. Bei einem gemeinsamen Mantelteil mit kantonalen und nationalen Themen berichtet die "Gasetta Romontscha/La Casa Paterna" zu lokalen Themen im Dialekt Sursilvan, "Fögl Ladin" im Idiom Ladin und "La Punt" im Dialekt Sutsilvan. Für Oberhalbstein, die Region bei Savognin, wurde neu der Titel "La Vousch da Surmeir" geschaffen.

Im Berichtsjahr kam es nicht zuletzt aus Gründen eines sich verändernden Werbe- und Inseratemarktes zu einem noch nie dagewesenen Konzentrationsprozess in der Schweizer Presse. Insgesamt verschwanden 16 Tageszeitungstitel. Nach dem Vollzug der angekündigten Fusionen und Kooperationen im April 1998 wird es in der Schweiz noch 82 Tageszeitungen geben, die sechsmal in der Woche erscheinen. 8 (Ende 1996: 9) von insgesamt 228 (242) Zeitungstiteln werden vier- bis fünfmal pro Woche, 53 (53) zwei- bis dreimal pro Woche und 85 (82) Titel noch einmal wöchentlich erscheinen. Nur noch 40 der 228 Zeitungen werden über eine vollausgebaute Redaktion verfügen. Ab April 98 werden acht Kantone (AR, AI, GL, NW, OW, SZ, UR, ZG) über keine eigenständige Tageszeitung mehr verfügen.

Nur einen Tag nach der Ersterscheinung der "La Quotidiana" gab das Gasser Verlagshaus den Schulterschluss - später sprach man offen von Übernahme - mit der Glarner Tschudi Druck und Verlag AG bekannt und kündigte an, das neu geschaffene Bündner Dreititelsystem ("Bündner Zeitung" samt Kopfblatt "Oberländer Tagblatt", "Bündner Tagblatt" und "La Quotidiana") ab Juni um die "Glarner Nachrichten" sowie die sankt-gallischen "Gasterländer" und "Seepresse" aus dem Hause Tschudi zu ergänzen. Im April konnte Gasser diesen Titeln noch drei Schwyzer Zeitungen, der "Bote der Urschweiz", das "Höfner Volksblatt" und der "March-Anzeiger" anfügen; diese bleiben jedoch im Besitz ihrer Verleger. Im neuen Zeitungsverbund "Südostschweiz" schlossen sich damit insgesamt zehn Tageszeitungen der Kantone Graubünden, Glarus, St. Gallen und Schwyz zusammen. Ab 2. Juni trat die "Südostschweiz", die rund einen Drittel der Fläche der Deutschschweiz abdeckt, mit einer Gesamtauflage von rund 110 000 Exemplaren neu auf dem nationalen Werbemarkt auf. Während fünf Kerntitel ("Bündner Zeitung", "Glarner Nachrichten", "Der Gasterländer", "Seepresse" und "Oberländer") den neuen Haupttitel übernahmen und die alte Bezeichnung nur noch im Untertitel tragen, fungieren der "March-Anzeiger", das "Höfner Volksblatt" und der "Bote der Urschweiz" nur im Untertitel als "Südostschweiz". Das "Bündner Tagblatt" und "La Quotidiana" treten mit einem eigenen Erscheinungsbild auf. Jedes Blatt produziert einen eigenen Regionalteil, während die übergreifenden Teile von der Zentralredaktion in Chur beigesteuert werden. Die Machtballung des Churer Verlagshauses Gasser, die im letzten Jahr mit der Übernahme des "Bündner Tagblatt" von Christoph Blocher begonnen hatte, stiess auf Kritik. Der Ostschweizer Verein der Journalistinnen und Journalisten rief die Kartellkommission an, da für Medienschaffende insbesondere in Graubünden und Schwyz kaum noch Wege an Gasser vorbeiführten. Die Kartellkommission segnete den Zusammenschluss, der der erste seit Inkrafttreten des neuen Kartellgesetzes ist, jedoch ab. Als elfter Regionaltitel reihte Gasser im Oktober ausserdem noch das "Liechtensteiner Volksblatt" in die "Südostschweiz" ein.

In der Region St. Gallen/Appenzell konnten sich bisher noch verschiedene Tageszeitungen eigenständig behaupten. Dem Vormarsch des Konkurrenten Gasser Richtung Norden mochte die grösste Ostschweizer Zeitung, das "St. Galler Tagblatt" - seinerseits im Besitz der NZZ - aber nicht tatenlos zusehen und blies zum Gegenangriff. Im September vereinbarte es mit dem "Volksfreund", der "Wiler Zeitung" und der "Gossauer Zeitung" ab Anfang 1998 eine enge Kooperation. Damit verlor die "Appenzeller Zeitung", die diesen drei Zeitungen die überregionalen Seiten geliefert hatte, wichtige Verbündete. Und die finanziell ohnehin serbelnde St. Galler Zweitzeitung "Ostschweiz", die mit den drei Blättern und der "Appenzeller Zeitung" in einem Inserateverbund liiert war, verlor wichtige Inseratepartner. Damit kam es zum Dominoeffekt, der der bisherigen Pressevielfalt in der Ostschweiz ein jähes Ende setzte: Die bald 125jährige "Ostschweiz" (Auflage 21 000) gab auf und verkaufte ihre Abonnentenkartei auf Ende Jahr dem "St. Galler Tagblatt". Ihr Ende bedeutet zugleich das Ende der katholisch geprägten Presse in der deutschen Schweiz. Gleichzeitig gaben das "St. Galler Tagblatt" und die "Appenzeller Zeitung" (Auflage 15 000) ihre Kooperation bekannt; ersteres wird der im 169. Jahrgang stehenden "Appenzeller Zeitung" ab Frühjahr 1998 den überregionalen Teil liefern. Damit hat Appenzell Ausserrhoden keine unabhängige Zeitung mehr. Das "Appenzeller Tagblatt", seit knapp zwei Jahrzehnten Regionalausgabe des "St. Galler Tagblatt", wird eingestellt. Noch im

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 10 November vereinbarte das "St. Galler Tagblatt" ausserdem mit dem "Rheintaler" (Auflage 11 000) und dem "Toggenburger" (Auflage 6000) eine enge Zusammenarbeit auf Frühjahr 1998. Beide Regionen hatten bisher eine eigene Ausgabe des "St. Galler Tagblatt" erhalten. Für dieses ging die Rechnung auf: Wie die "Südostschweiz" wird es neu mit einer Auflage von über 100 000 auf dem nationalen Werbemarkt auftreten können. Seine Exemplarzahl wird insgesamt bei rund 120 000 liegen.

Im Raum Zürichsee/Sihltal/Linthgebiet kam es ab Oktober zum überkantonalen Presseverbund "Zürichsee-Zeitung" von sechs Zeitungstiteln (Auflage rund 53 000). Eingebunden sind um die bisherige "Zürichsee-Zeitung" der "Sihltaler", die "Grenzpost" und die "Linth Zeitung". Während diese Titel ihre Namen behielten, gingen der "Anzeiger des Bezirkes Horgen" und der "Allgemeine Anzeiger vom Zürichsee" in der "Zürichsee-Zeitung" auf. Anlass zu Kritik gab, dass all jene, welche die bisherigen, nicht täglich erscheinenden Lokalblätter mit teilweise Amtsblattcharakter nur als Ergänzung genutzt hatten, plötzlich mit zwei Tageszeitungen zu entsprechend höheren Kosten bedient wurden. Der neue Zeitungsverbund ist mehrheitlich im Besitz der Zürichsee Medien AG und minderheitlich der Orell Füssli Werbe AG.

In der Westschweiz wird die Fusion zwischen "Le Journal de Genève" und "Le Nouveau Quotidien", die im letzten Jahr scheiterte, ab Frühjahr 1998 doch noch Realität. Die Aktionäre segneten die Fusion zu "" im November ab. Mit dem über 170 Jahre alten "Journal de Genève" (Auflage 32 000) geht dem Genferseeraum nicht nur ein liberales Traditionsblatt verloren, sondern auch die letzte überregionale Tageszeitung, die nicht vom Imperium des Lausanner Verlagshauses Edipresse kontrolliert wurde. "Le Nouveau Quotidien" (Auflage 38 000), ein Produkt der Edipresse, war erst 1991 gegründet worden. Auch die angerufene Wettbewerbskommission gab im Dezember grünes Licht für die Fusion, mit der Begründung, dass diese zwar die schon bestehende marktbeherrschende Stellung von Edipresse noch verstärke, dass der Markt in der Westschweiz aber zu klein sei für zwei überregionale Tageszeitungen. Immerhin machte die Wettbewerbskommission die Auflage, dass alle Veränderungen der Kapitalstruktur einer Bewilligung durch sie bedürfen, um eine ausgeglichene Verteilung der Kräfteverhältnisse zwischen den Gruppen der neuen Gesellschaft (je 47% für JdG und Edipresse, 6% für die Redaktion) sicherzustellen. Weiter muss der Verwaltungsrat der neuen Zeitung von einer unabhängigen Person geleitet werden. Das Urteil der Wettbewerbskommission stiess trotz diesen Auflagen auf breite Kritik.

Dem Spektrum der Arbeiterpresse gehörten einst 19 Tageszeitungen an. Im Berichtsjahr ging auch den letzten vier Vertretern der linken Tagespresse der Schnauf aus: Die Zürcher "DAZ", welche die Flucht nach vorne ergreifen und neu als einzige Schweizer Abendzeitung erscheinen wollte, machte Konkurs, nachdem ein wichtiger Geldgeber ausgestiegen war. Die in "Stadtblatt" umbenannte "Winterthurer AZ" und die "Schaffhauser AZ" reduzierten ihre wöchentliche Ausgabenzahl auf drei. Am längsten hielt sich die im 105. Jahrgang stehende "Berner Tagwacht" über Wasser. Als letzte linke Tageszeitung wird aber auch sie ab 1998 den Neuanfang als Wochenzeitung unter dem Titel "Die Hauptstadt" wagen. Das 1996 neu zur Linkspresse gestossene, dreimal wöchentlich herausgegebene Alternativblatt "Luzern heute" erschien bereits ab August nur noch als Wochenblatt. 7

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE Im Pressebereich schritten die Konzentrationsprozesse voran. Nach Erhebungen des DATUM: 31.12.1998 ELISABETH EHRENSPERGER Verbandes “Schweizer Presse” gab es Ende 1998 noch 232 Zeitungstitel (Ende 1997: 238). Davon waren 85 (93) Tageszeitungen und 147 (145) Nichttageszeitungen.

Im März gab die “Südostschweiz” (SO) aus dem Churer Verlagshaus Gasser AG ihre Kooperation mit zwei neuen Partnern in St. Gallen und im Fürstentum Liechtenstein bekannt. Neu erschienen die Tageszeitungen “Werdenberger + Obertoggenburger” in Buchs und der “Sarganserländer” in Mels unter dem Titel “Südostschweiz”. Diese beiden Blätter stellen den Regionalteil für ihr Gebiet nach wie vor selbständig her, beziehen aber die überregionalen Seiten von der SO-Zentralredaktion. Alle SO-Titel verfügen über einen gemeinsamen Inserateteil. Auch das “Liechtensteiner Vaterland” arbeitete neu auf redaktioneller Ebene sowie im Inseratebereich eng mit der “Südostschweiz” zusammen. Dagegen stellte Gasser die Herausgabe des "Oberländer Tagblatts" ein. Somit wuchs seit dem Start der “Südostschweiz” im Juni 1997 und der daraus hervorgegangenen, zum Teil heftig kritisierten Machtballung der Gasser AG die Zahl der beteiligten Titel auf 13 an. Die "Südostschweiz" deckte den gesamten Kanton Graubünden, den Kanton Glarus und das Fürstentum Liechtenstein sowie weite Teile der Kantone St. Gallen und Schwyz ab. Die tägliche Gesamtauflage der SO wurde auf

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 11 total 146 000 Exemplare gesteigert.

Das "St. Galler Tagblatt" unter Führung der ihrerseits wieder zur NZZ-Gruppe gehörenden Zollikofer AG mochte dem Vormarsch Gassers nicht tatenlos zusehen. Zu Beginn des Berichtsjahres erschien die 1874 gegründete "Ostschweiz" zum letzten Mal; das "St. Galler Tagblatt", seine Regionalausgaben und zwei zuvor via Inseratekombination mit der "Ostschweiz" verbundenen Blätter ("Der Rheintaler", "Wiler Zeitung" / "Volksfreund") präsentierten sich daraufhin in neuem Kleid. Die über- und gesamtregionalen Mantelseiten werden in St. Gallen, die Lokalseiten dezentral produziert. Ende März kam mit der Aufgabe des "Appenzeller Tagblatts" und der Integration der "Appenzeller Zeitung" samt ihrem bisherigen Partnerblatt "Der Toggenburger" in den "Tagblatt"-Verbund eine Umbruchphase im Ostschweizer Pressewesen zum Abschluss, wie es sie in vergleichbarer Weise noch nie gegeben hatte. Die "Appenzeller Zeitung" – nunmehr einzige Tageszeitung für Ausserrhoden – trägt unter dem angestammten Titel und mit weiterhin selbständig gestaltetem Appenzeller Teil künftig den Mantel des "St. Galler Tagblatts". Seit April existierte damit in acht Kantonen (AR, AI, GL, NW, OW, SZ, UR und ZG) keine eigenständige Tageszeitung mehr. Die Auflage aller Zeitungen mit "Tagblatt"-Mantel erreichte total über 120 000 Exemplare.

Mit der Fusion der beiden Tageszeitungen "Journal des Genève" (JdG) und "Nouveau Quotidien" (NQ) ging eine Zeitungsepoche und zugleich eine rund siebenjährige Umbruchphase in der Westschweizer Presselandschaft zu Ende. “Le Temps”, die neue Westschweizer Qualitätszeitung, erschien am 18. März zum ersten Mal. Die Redaktionen der beiden Vorgängerzeitungen verschmolzen zu einer Hauptredaktion in Genf. Mit dem Verschwinden des JdG ging die einzige überregionale, nicht vom Lausanner Verlagshaus Edipresse kontrollierte Zeitung der Romandie verloren. Die Entwicklung des Westschweizer Pressewesens blieb aber das ganze Jahr über von zahlreichen Turbulenzen begleitet. In den Chefetagen der Edipresse setzte ein Sesselrücken ein. Angesichts der Entlassung des Chefredaktors der "Tribune de Genève", Guy Mettan, erreichten im Februar Empörung und Verunsicherung bezüglich der Restrukturierungspolitik von Edipresse einen Höhepunkt. Mettan hatte sich kritisch gegen die Fusion geäussert und sich vehement gegen eine Abwertung der "Tribune" zum Lokalblatt zugunsten von "Le Temps" gewehrt. Im weiteren gelangte die Vereinigung "Amis du Jounal de Genève et Gazette de Lausanne" bis an den Europäischen Gerichtshof in Strassburg, um den Entscheid der Wettbewerbskommission rückgängig zu machen, mit welchem die Fusion im Dezember 1997 bewilligt worden war. Der Zeitungszusammenschluss gab schliesslich Anstoss zu einer neuen Genfer Sonntagszeitung. Knapp zwei Monate nach dem Start von "Le Temps" erschien die erste Ausgabe von "Info Dimanche". Das Blatt mit einer Auflage von 50 000 stellte den ersten Versuch dar, das Monopol der Edipresse-Gruppe zu brechen, deren "Le Matin Dimanche" bis anhin den sonntäglichen Pressemarkt der Romandie beherrscht hatte. Angesichts fehlender Werbeeinnahmen und zu wenig Abonnenten drohte "Info Dimanche" im Dezember der Untergang. Das zu 37% von öffentlichen Geldern gespiesene Startkapital war aufgebraucht, doch konnten wider Erwarten neue Mittel aufgetrieben werden. Unklar blieb bis Ende Jahr, woher die finanzielle Hilfe zur Existenzsicherung des Blattes stammte.

Eine weitere Sonntagszeitung erhielt auch das Tessin: "Il Caffè della Domenica" erschien erstmals Mitte November mit einer Auflage von 42 000 Exemplaren. Herausgegeben wird sie von der "2R Media SA", an welcher der Locarneser Verleger Rezzonico und der Ringier-Verlag zu je 45% und die Gastrosuisse zu 10% beteiligt sind. Keine Freude an diesem Gemeinschaftsprodukt zeigten angesichts des befürchteten Verlustes von Werbemarktanteilen die drei Tessiner Tageszeitungen "Corriere del Ticino", "La Regione" und "Giornale del popolo" sowie das Gratisblatt "Mattino della domenica" von Lega-Chef Giuliano Bignasca. Nach einer gehässigen Kampagne zu angeblichen Konflikten zwischen öffentlichen und privaten Interessen, welche in der Tessiner Presse rund um die angekündigte Zusammenarbeit zwischen Ringier und Rezzonico geführt worden war, trat "Caffè"-Verwaltungsratsvorsitzender und Ringier- Direktor Marco Solari von seinem Posten als Präsident des Tessiner Verkehrsvereins zurück.

Auf dem Berner Medienmarkt lastete der Konkurrenzdruck besonders schwer. Zu Jahresbeginn erwarb die Berner Tagblatt Medien AG (BTM), Herausgeberin der "Berner Zeitung" (BZ), eine Zweidrittelmehrheit an der Schaer Thun AG, die das "Thuner Tagblatt" herausgibt. Infolge einer Intervention der eidgenössischen Wettbewerbskommission, die eine Wettbewerbsverfälschung in der Berner Oberländer

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 12 Presselandschaft befürchtete, sah die BTM von einer Übernahme der Aktienmehrheit am “Thuner Tagblatt” ab. Stattdessen übernahm sie 49% an der Schaer Thun AG. Das "Thuner Tagblatt", das mit einer Auflage von knapp 19 000 eine traditionsreiche Lokalzeitung im Berner Oberland darstellt, soll weiterhin als eigenständige Zeitung erscheinen – in Konkurrenz zur Oberländer Regionalausgabe der BZ, die knapp 17 000 Exemplare absetzt. Die Intervention der Wettbewerbskommission gab Anlass zu kritischen Diskussionen; auf Verlegerseite herrschte die Ansicht, die Kommission nehme keine blosse Fusionskontrolle nach wirtschaftlichen Kriterien, sondern eine eigentliche Struktursteuerung vor. Die BTM bot zudem – nach einem gescheiterten Versuch, in Biel mit einer BZ-Regionalausgabe Fuss zu fassen – dem Bieler Verlag Gassmann eine Kooperation an und liefert seither redaktionelle Texte an das "Bieler Tagblatt". Unter Zugzwang eröffnete im September die Berner Tageszeitung "Bund" eine eigene Lokalredaktion in Biel. Zwei Monate später übernahm die NZZ-Gruppe die bisherige 45%-Beteiligung der Ringier Gruppe an der “Bund Verlag AG”. Die NZZ hatte bereits auf Anfang 1995 einen gleich grossen Anteil von Ringier übernommen und hält nun eine Beteiligung von 90%.

Wenig Erfolg war den linksalternativen Blättern in der Deutschschweiz beschieden. Die zu Jahresbeginn als Nachfolgeprojekt der bereits im November 1997 eingegangenen Tageszeitung "Berner Tagwacht" lancierten Wochenzeitung “Hauptstadt" fiel bei SP- Mitgliedern ebenso durch wie bei der übrigen Leserschaft. Die Abonnementszahl von 4500 Exemplaren blieb weit unter den Erwartungen. Die "Hauptstadt" wurde Ende Juli eingestellt. Die linke Zürcher Zeitung "P.S.", die dreimal wöchentlich erscheinende Nachfolgezeitung von "Volksrecht" resp. "DAZ", wurde nach nur zweimonatigem Bestehen eingestellt. Statt der angestrebten 2000 Abonnemente waren seit ihrer Lancierung im September nur deren 1700 erreicht worden. Die ehemaligen Arbeiterzeitungen "Schaffhauser AZ" und das Winterthurer "Stadtblatt" erschienen aufgrund eines anhaltenden Inseratenschwundes ab Februar nicht mehr dreimal, sondern nunmehr einmal in der Woche. Zu dieser Umstellung wurden die Partnerblätter nicht zuletzt durch den Absprung des Grossverteilers und Hauptinserenten Coop gezwungen. 8

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE Die Wettbewerbskommission (Weko) nahm die Tessiner Presselandschaft ins Visier, DATUM: 31.12.1999 ELISABETH EHRENSPERGER nachdem der Verdacht aufgekommen war, die dort bis anhin vor Fusionsstürmen verschont gebliebenen Zeitungen hielten sich mit Preisabsprachen am Leben. Laut Weko war es nicht Ziel der Untersuchung, auf die Anzahl der Zeitungstitel Einfluss zu nehmen, sondern die Abonnements- und Inseratepreise zu überprüfen. So haben die drei grossen Tageszeitungen „Corriere del Ticino“, „La Regione“ und „Giornale del Popolo“, die den südschweizerischen Inseratemarkt via Publigroup im Pool „Tre Top Ticino“ bewirtschaften, ihre Verkaufspreise seit 1993 (mit Ausnahme von 1995) immer gleichzeitig und um den gleichen Betrag angehoben. Praktisch identisch waren bei allen drei Titeln auch die Inseratepreise.

Gemäss den durch die AG für Werbemedienforschung (Wemf) erhobenen Daten konnten die Schweizerischen Tageszeitungen trotz der Turbulenzen auf dem globalisierten Medienmarkt weiterhin auf die Treue ihrer Leserschaft zählen. Selbst im Mehrjahresvergleich über sechs Jahre ergab sich ein Bild stabiler Verhältnisse. Nur bei wenigen Blättern waren Gewinne oder Verluste auszumachen; Bewegungen ergaben sich aber dort, wo Fusionen oder Übernahmen von Zeitungstiteln erfolgten – ein Hinweis darauf, dass der Konzentrationsprozess in der Schweizer Presse noch nicht zu Ende war. Der „“ musste vor allem in der zweiten Hälfte der 90er Jahre einen starken Schwund hinnehmen. Eine leichte Erholung war bei der arg gebeutelten „Weltwoche“ auszumachen. Hingegen konnte „Le Temps“ als Fusionsprodukt aus „Nouveau Quotidien“ und „Journal de Genève“ nicht die Leserschaft seiner beiden Vorgänger halten.

Eine vierte Verhandlungsrunde über einen neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für Journalistinnen und Journalisten wurde anfangs des Berichtsjahres abgebrochen, da die Forderungen der Verlegerorganisation Verband Schweizer Presse, die Lohnverhandlungen seien von den Verbänden an die Betriebe zu delegieren, und die nur gelegentlich freischaffenden Journalistinnen und Journalisten vom Vertrag auszuschliessen, bei der Gewerkschaft Comedia und dem SVJ auf Ablehnung stiessen. Erst im Dezember – nach über einjährigen Verhandlungen – einigten sich Gewerkschaften sowie Zeitungs- und Zeitschriftenverleger auf einen neuen, für Journalistinnen und Journalisten der Deutschschweiz und des Tessins geltenden GAV. Der ab Mai 2000 in Kraft tretende Vertrag enthält regional abgestufte Minimallöhne und

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 13 honorare, neue Kompensationsregelungen für regelmässige Nacht- und Sonntagsarbeit sowie Weiterbildungsmassnahmen. Neu wurde dem GAV auch das technische Personal der Redaktionen unterstellt. Eine Zustimmung der beteiligten Verbände stand Ende Jahr noch aus.

Ab Dezember warb die Gratiszeitung „“ allmorgentlich um die Gunst der Pendlerinnen und Pendler auf dem Netz der Zürcher S-Bahn und der städtischen Verkehrsbetriebe. Die Pendlerzeitung aus dem norwegischen Verlagshaus Schibsted entspricht einer Schnelllesezeitung, bilderreich und vierfarbig aufgemacht. Mit einer Startauflage von 100 000 Exemplaren wurde die Zeitung vorerst von 200 Handverteilerinnen und -verteilern unter die Leute gebracht, welche mittelfristig durch Zeitungsboxen ersetzt werden sollten. Die Eile, mit welcher die ursprünglich erst für Februar 2000 angekündigte Erstausgabe von „20 Minuten“ auf den Markt geworfen wurde, stand im Zusammenhang mit der Absicht des schwedischen Medienkonzerns Modern Times Group, wie schon in mehreren anderen europäischen Städten ab 2000 auch in Zürich die Pendlerzeitung „Metro“ herauszugeben. Der schwedische Konkurrent konnte einen erheblichen Vorteil für sich verbuchen, da er sich per Vertrag mit der SBB das exklusive Recht gesichert hatte, auf den Bahnhofarealen das Gratisblatt zu verteilen. Zusätzliche Konkurrenz erwuchs „20 Minuten“ durch den von der TA Media AG und der NZZ gemeinsam herausgegebenen „Zürich-Express“, der seit Ende August in trendiger Aufmachung das „Tagblatt der Stadt Zürich“ ersetzte. Ob der Raum Zürich genügend Platz für drei Gratiszeitungen bietet, blieb Ende Jahr noch unklar.

Ein jähes Ende fand im Mai der Gratisanzeiger „Züri Woche“, welcher wegen ungenügender Rentabilität eingestellt wurde. Das 1982 aus dem „Züri-Leu“ hervorgegangene Blatt mit einer Auflage von 250 000 hatte als Flaggschiff unter den Deutschschweizer Gratiszeitungen gegolten [18]. Nicht wirklich glücken wollte der Aufstieg der „Aargauer Zeitung“ (AZ) zu einem der führenden Titel der Schweiz, den diese seit ihrer Gründung im Jahre 1996 anstrebte. Die heterogenen, stark föderalistischen Strukturen des Kantons hatten verhindert, dass sich die aus einer Fusion von „Aargauer Tagblatt“ und „Badener Tagblatt“ hervorgegangene Tageszeitung mit einer Auflage von knapp 120 000 zur verbindenden Klammer entwickeln konnte. So versuchte die AZ dank regionalen „Zeitungen in der Zeitung“ die Leser und Inserentinnen im Kanton zurückgewinnen: Mit einer Investition von 15 Mio Fr. strukturierte sie im Berichtsjahr ihr Angebot neu und erhöhte die Anzahl Regionalausgaben von fünf auf neun. Der Ausbau der Regionalteile bescherte den Regionen Brugg-Windisch, Lenzburg-Seetal, Wynental-Suhrental und Bremgarten- Mutschellen eine Zeitung mit einem eigenen regionalen Bund. In der Region unteres Aaretal lancierte die AZ im November ihre zehnte Splitausgabe.

Ein Genfer Versuch, das Sonntagsblatt „Info Dimanche“ als zweite, vom Verlagshaus Edipresse unabhängige Westschweizer Sonntagszeitung neben „Le Matin Dimanche“ zu etablieren, scheiterte. Edipresse hielt mit dem auflagenstarken „Le Matin Dimanche“ (200 000 Exemplare) seit dem Verschwinden von „La Suisse“ im Jahre 1994 die einzige Sonntagszeitung in der Romandie. Das im Mai 1998 gegründete „Info Dimanche“ musste nach knapp einem Jahr trotz finanzieller Mitwirkung von Kanton und Stadt Genf Konkurs anmelden. Die Überschuldung der Zeitung wurde auf zwei Mio Fr. geschätzt. Eine zweite Sonntagszeitung erhielt die Westschweiz Ende Jahr aber doch noch: „dimanche.ch“ aus dem Hause Ringier startete mit einer Auflage von 50 000 Exemplaren und einer schmal besetzten Redaktion. Zuweilen wurden Zweifel daran geäussert, ob der preislich und redaktionell im Billigsegment arbeitende „dimanche.ch“ mit einem Team von nur 13 Mitarbeitenden als alleiniger Konkurrent zu „Le Matin Dimanche“ mehr als blosses Weiterverarbeiten von bestehendem Material anderer Ringier-Redaktionen bieten könne.

Einem harten Überlebenskampf mussten sich einige unabhängige Pressetitel stellen: Im Dezember erschien die Luzerner Wochenzeitung „Luzern heute“ zum letzten Mal. Gegründet als Antwort auf die Fusion von „Luzerner Zeitung“ und „Luzerner Neuste Nachrichten“ zur „Neuen Luzerner Zeitung“, hatte sich das vor allem von rot-grünen Politikerinnen und Politikern sowie Gewerkschaftsvertretern getragene Blatt zur eigenständigen Zweitzeitung entwickelt. Die Auflage blieb weit unter den angestrebten 5000 Exemplaren, und das Defizit belief sich im Berichtsjahr auf 200 000 Fr. Die „Zuger Presse“, welche ein halbes Jahr nach „Luzern heute“ als dreimal pro Woche erscheinendes Blatt gestartet war, verzeichnete ebenfalls hohe Verluste und eine stagnierende Auflage. Obwohl der Weiterbestand für 2000 gesichert schien, äusserte sich Herausgeber Josef Speck pessimistisch zum langfristigen Fortbestehen der parteiunabhängigen Forumszeitung.

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 14 Ende Dezember schien das Überleben des Genfer „Le Courrier“ als einzige linke Tageszeitung der Schweiz vorerst gesichert zu sein: Die 400 für das Blatt existentiell wichtigen Neuabonnenten hatten vor Jahresende doch noch gefunden werden können. „Le Courrier“ war in den 90er Jahren zur Plattform der Genfer Linken geworden. Unter der Leitung von Chefredaktor Patrice Mugny, der im Juni des Berichtsjahres die Zeitung verliess, um als Nationalratskandidat der Genfer Grünen voll in die Politik einzusteigen, hatte „Le Courrier“ seine Abonnentenzahl verdoppeln können. Mugnys Nachfolger, Manuel Grandjean, trat nun kein einfaches Erbe an: Mit einer Auflage von 10 000 Exemplaren, einem Budget von 3,3 Mio Fr. und einem Defizit von 650 000 Fr. im Jahr 1998 stand dem Blatt seit längerem das Wasser bis zum Hals. Aus Kostengründen kündigte „Le Courrier“ unter Grandjean die Zusammenarbeit mit der Freiburger „Liberté“ im redaktionellen und drucktechnischen Bereich auf.

Die Neuenburger Tageszeitungen “L’Express“ und „L’Impartial“ schlossen sich auf juristischer und finanzieller Ebene zur „Société Neuchâteloise de Presse SA“ zusammen. Damit wurde die im Sinne einer schrittweisen Fusion bereits 1996 auf technischer und redaktioneller Basis eingeleitete Kooperation der beiden Blätter abgeschlossen.

Definitiv eingestellt wurde die Wochenzeitung „Sport“. Die Basler Mediengruppe hatte als Herausgeberin gemäss eigenen Angaben keine Lösung gefunden, um die arg defizitäre Zeitung am Leben zu halten. 9

1) 24 Heures, 24.9.91; Presse vom 25.9.91; Klartext, 1991, Nr. 5.; BaZ, 15.8.91.; Presse vom 1.5.91; BaZ, 7.8.91; NZZ, 28.8.91.; Presse vom 15.1 1.91; NQ, 17.11.91 und SHZ, 12.12.91.; Presse vom 20.2.91; JdG, 2.9.91.; Presse vom 28.2.91 (Übernahme); TA, 3.8.91; NZZ, 5.8.91 (Folio). ; TA, 26.1.91.; TA, 4.4.91; Presse vom 20.4.91; SJU news, 1991, Mai (Kauf Jean Frey AG); Presse vom 4.5.91 und NZZ, 18.5.91 (Sport); NZZ, 6.5. und 3.7.91 sowie SGT, 4.7.91 (Fachmagazine); NZZ, 6.7.91 und Klartext, 1991, Nr. 3 (Bilanz).; Verbandsaustritte: Presse vom 21.6.91; Klartext, 1991, Nr. 4; SJU news, 1991, September, Oktober und Dezember. Schlumpf: Presse vom 17.9.91; Ww, 26.9.91; Klartext, 1991, Nr. 5; SJU news, 1991, Oktober. Redaktionsstatut: TA, 7.6.91; NZZ, 8.6.91; Klartext, 1991, Nr. I ; SJU news, 1991, März. Hächler: Presse vom 7.1 1.91 ; Klartext, 1991, Nr. 6. Siehe auch Ww, 11.7.91 (Hintergrundartikel zu Hächler vor dessen Rücktritt); Politik und Wirtschaft, 1991, Nr. 11, S. 69 ff. 2) BaZ, 27.2.92 (NoZ); NZZ. 26.8.92.; TA, 24.4.92; BaZ. 1.9.92; Ww, 3.9.92; Klartext, 1992, Nr. 6. Siehe auch Lit. Blum. Eine Nullnummer der "NeZ" ist am 16.11.92 erschienen.; Bund. 15.4.92 (Allgemeines zu Ringier); Klartext, 1992, Nr. 2 (Ringier Osteuropa) und Nr. 6 (Bund-Beteiligung): NZZ, 19.12.92.; BüZ und NZZ, 4.5.92.; CdT, 14.9. und 30.9.92; NZZ, 2.10.92.; JdG, 11.9.92; L’Hebdo, 1.10.92; Klartext, 1992, Nr. 6.; NZZ, 21.3.92.; NZZ, 28.7.92; Klartext, 1992, Nr. 5. Siehe auch Lit. Blum.; Tribune: JdG und 24 Heures, 29.9.92. Courrier: Lib., 6.3. und 12.6.92. Vgl. auch BZ, 16.3.92; Express, 24.9.92.; Vgl. dazu SGT und TA, 15.9.92; Lib. und NZZ, 16.9.92.; Volksrecht: TA, 28.2.92; NZZ, 3.3.92; Klartext, 1992, Nr. 3. Neues Layout: BZ und Bund 29.2.92; TW, 2.3.92. 3) BaZ und NZZ, 18.3.93; WoZ, 19.3.93; BaZ, 29.4.93. Siehe auch Sonderseite "Letzte Ausgabe der 'NeZ'" in BaZ, 30.4.93.; CdT, 1.7.93; BZ, 5.7.93 (Regione); NZZ, 29.10.93 (Nuova libera Stampa); NZZ und NQ, 3.11.93; WoZ, 5.11.93 (altra notizia).; DAZ: DAZ, 14.5.93; TW: TW und Bund, 17.6.93; TW, 1.7. und 28.8.93; Klartext, 1993, Nr. 3, S. 21.; JdG, 7.4.93; QJ, 1.6.93; Presse vom 2.6.93. Siehe auch TA, 20.9.93.; JdG: NQ, 27.5.93. La Suisse: L'Hebdo, 10.9. und 21.10.93; NF, 3.11.93; JdG, 17.12.93; NQ, 21.12.93.; NZZ und TA, 15.1.93; Presse vom 22.4.93; WoZ, 23.4.93 (Swiss Combi, Swiss Pool); Presse vom 27.7.93 (Presse 99); BaZ, 6.9.93; Klartext, 1993, Nr. 5, S. 27 f. (Ringier Media Tool); Express, 30.9.93 (Romandie Combi).; NZZ, 18.1.93; Presse vom 26.6.93; BZ, 12.7.93; Bund, 31.7.93.; TA, 19.7.93.; Presse vom 26.5.93; Klartext, 1993, Nr. 3, S. 18.; Presse vom 3.6.93. 4) BüZ, 25.3., 30.3., 9.6., 7.9. und 1.12.94; BZ, 31.12.94.; Curti: NZZ, 14.7.94. BaZ: BaZ, 23.12.94. Bund: Presse vom 24.12.94.22; LNN, 3.1.94; LZ, 6.1. und 8.1.94; 24 Heures, 12.7.94.; LZ, 31.12.94.; La Suisse: Presse vom 10.1., 28.2., 8.3. und 13.3.94 (letzte Ausgabe). Preiskampf: Presse vom 14.3. und 24.3.94; JdG, 1.3.94. Geneva Post: 24 Heures, 15.11.94.; Mittellandzeitung: AT, 6.1. und 8.9.94. Berner Oberland Zeitung: Presse vom 4.1.94.; NZZ, 23.9.94.; Presse vom 4.1.94.; Presse vom 8.9. und 9.9.94. 5) JdG, 16.6.95; NZZ, 19.6.95.; Presse vom 13.9.95.; Presse vom 15.9., 16.9. und 30.12.95 sowie 4.1.9695; SoZ, 17.9.95. Luzern heute: BaZ, 22.9.95; TA, 2.10.95; Presse vom 18.10.95; LNN, 30.12.95. Alternativprojekt Zug: Presse vom 27.12.95.16; Presse vom 22.11.95 6) BüZ und NZZ, 6.11.96.; "Fögl Ladin": BüZ, 21.11. und 17.12.96.; BüZ, 17.9., 18.9. und 31.12.96; NZZ, 17.9.96; WoZ, 20.9.96.; CdT, 30.10.96.; Lib, 14.6., 17.6. und 12.12.96; Klartext, 1996, Nr. 3, S. 28 f.16; NZZ und JdG, 2.12.96; Presse vom 1.6.96.; NZZ, 30.11.96.; Presse vom 3.1., 4.1., 27.1. und 23.8.96; Presse vom 8.6. und 6.11.96. Zu NQ/JdG: NQ, 6.12.96; TA, 7.12.96. 7) DAZ: TA, 10.7.97.; NZZ, 24.4.97. SAZ: SN, 2.7.97.; TW, 25.9.97; WoZ und Bund, 26.9.97.; NLZ, 19.6.97.; Ww, 20.11.97.; Presse vom 10.9.97.; NZZ, 18.12.97; Presse vom 25.6., 14.10., 16.10. und 2.12.97.; Presse vom 3.1.98.; TW, 27.11.97.; Presse vom 7.1.97; TA, 30.7.97.; SGT, 18.9., 22.11. und 24.11.97; Presse vom 5.11.97.; TA, 30.1.97; BüZ, 23.5.97; Klartext, 1998, Nr. 1, S. 28 ff. 8) Bund, 1.9.98; Presse vom 2.9.98.; Bund, 14.1.98; BaZ, 22.7.98; Presse vom 5.8.98; WoZ, 6.8.98.; Bund, 4.1.99.; JdG, 31.1.98; Presse vom 7.1., 25.2., 28.2., 18.3. und 19.3.98; NZZ, 8.1.99. Lit. Flaux resp. Maurice.20; JdG, 6.2.98; LT, 3.10.98; Lib. 8.10.98; TG, 23.10.98.22; NZZ, 12.1. und 14.1.98; SN, 6.2.98; TA, 17.2.98.; NZZ, 12.2.99.; NZZ, 5.1. und 30.3.98; SGT, 6.2.98.; Presse vom 1.12.98.; Presse vom 22.1., 19.6., 30.6., 18.7. und 15.8.98; Bund, 29.1.98; BaZ, 2.2.98.; Presse vom 23.2., 11.5., 3.12. und 9.12.98; 24 Heures, 7.12., 14.12. und 19.12.98; LT, 12.12. und 15.12.98.23; Presse vom 30.9., 28.10. und 30.10. sowie 11.-16.11.98; CdT, 27.10., 29.10., 2.11., 12.11., 17.11. und 19.11.98.; Presse vom 7.1.98; BüZ, 2.3.98; Presse vom 9.-11.2.98; NZZ, 14.2.98.21; TA, 12.2., 13.11. und 27.11.98; Presse vom 4.9. und 5.12.98. 9) AZ, 24.2. und 25.2.99; Presse vom 27.2.99; NZZ, 1.3., 2.3. und 29.11.99; SHZ, 31.3.99.; H, 6.1.99; LT, 7.1. und 27.3.99; Presse vom 5.3., 6.3., 29.4. und 23.6.99.; NZZ, 22.10.99.; NZZ, 30.1., 30.8. und 15.12.99.; Presse vom 14.7.99; BaZ, 29.7.99; SN, 13.8.99.; Presse vom 14.9. und 15.9.99; NZZ, 20.4.00.; Presse vom 16.12.99; AZ, 17.12.99.; Presse vom 16.9., 28.10. und 1.12.99; Lib., 20.9.99; TG, 18.9. und 2.10.99; WoZ, 2.12.99.; Presse vom 18.2.99; NZZ, 20.2.99; Express, 24.7.99.; Presse vom 20.5.99; TA, 22.5.99; NZZ, 28.5.99.; Presse vom 28.4. und 9.12.99; WoZ, 29.4.99; TA, 28.6.99; LT, 3.7. und 16.11.99; TG, 6.7. und 16.11.99; Lib., 15.11.99; 24 h, 2.12.99; Express, 7.12.99; NZZ, 10.12. und 21.12.99.; Ww, 27.5.99; Presse vom 24.7. und 13.12.99; NZZ, 27.7., 28.8., 25.9., 18.11., 11.12. und 14.12.99; BaZ, 18.8. und 30.8.99; SHZ, 1.9. und 13.10.99; LT, 15.12.99; SGT, 18.12.99; Bund, 20.12.99.

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