G. A. E. BOGENG * DIE GROSSEN BIBLIOPHILEN Les Pages Intermédiaires Sont Blanches G
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G. A. E. BOGENG * DIE GROSSEN BIBLIOPHILEN Les pages intermédiaires sont blanches G. A. E. BOGENG DIE GROSSEN BIBLIOPHILEN GESCHICHTE DER B Ü C H E R S A M M L E R UND IHRER SAMMLUNGEN I. BAND LEIPZIG MCMXXII VERLAG VON E.A. SEEMANN Copyright 1922 by E. A. Seemann, Leipzig Druck von Ernst Hedrich Nachfolger, G. m. b. H., Leipzig ERSTER BAND: DIE GESCHICHTE Les pages intermédiaires sont blanchespagesLessont intermédiaires I. ABENDLÄNDISCHE BUCHHANDSCHRIFTENZEIT m Altertum waren Archive und Bibliotheken anfangs nicht unter I schieden, weil der Begriff einer Bibliothek als der einer auf gestellten Büchersammlung, die Literatur ordnete, von dem einer Literatur, als der Schrifttumsentwicklung, nicht zu trennen war. Alltagsbedürfnissen diente die Anwendung einer Schrift zuerst ; nach und nach nur wurden die schriftlichen Aufzeichnungen zu Trägern geistiger und seelischer Schöpfungen, die in einer Buchform ihre dauerndere Verkörperung als Schrifttumswerke suchten. Die ägyp tischen Papyrusrollen in frühester Zeit waren Archive der Behörden, vornehmlich der Steuerbehörden; sie bildeten die äußere Einrich tung der Bibliotheken vor, zumal da die äußere Form der Buch handschriften und Urkundenhandschriften sich nicht erheblich unterschied. Vielleicht ist der ägyptische König Osymandyas, von dem Diodorus Siculus [I, 49, 3] berichtet, er hätte, der älteste benannte Bibliophile, seiner die Aufschrift hrift gegeben, nur eine Sage. Aber Bedeutung und Bezeichnug der Bibliothek, die aus dem Ägyptischen von den Griechen entlehnt zu sein scheinen, haben höchstwahrscheinlich schon im Nillande den Begriff einer Sammlung von Schriftwerken gewonnen, der seit der hellenistischen Zeit allgemein üblich wurde und der sich dann weiter auch auf die Buchtitel ausdehnte, die den Inbegriff einer Schatzkammer des menschlichen Geistes mit einem einzigen Worte nennen wollten. Doch bereits vor den Ägyptern und lange vor den Griechen hatten andere morgenländische Völker Anlagen, in denen ihre schriftlichen Aufzeichnungen bewahrt wurden. Ob man mit den darüber erhaltenen Nachrichten und mit den diese Archiv-Bibliotheken bezeugenden Resten, so mit den im Palast des assyrischen Königs Assurbanipal [7. Jahrhundert v. Chr.] in Ninive ausgegrabenen, in das British Museum gelangten, Keil¬ schrifttontäfelchen und mit den auf Kreta gemachten Tontafel funden, die, allerdings ohne daß sie bisher gelesen werden konnten, die Bibliothek des Königs Minos genannt worden sind, auch den BOGENG 1 1 ALTERTUM Beginn der Bibliophiliegeschichte rechnen will, ist eine Frage, der die Antwort zu finden der Phantasie überlassen bleiben muß. Reichen doch auch die ersten Nachrichten über Altgriechenlands Bücher- sammlungen kaum über einzelne Namen hinaus. Allmählich erst war dem Altertum das Buch zu einem Kultur¬ element und Kulturrepräsentanten geworden. Die Antike, auch im Bereiche der klassischen Literatur, bedurfte für die Ausbreitung ihrer Bildung weit weniger der Buchvermittlung als der des gesprochenen Wortes. Von Anfang an wendeten sich die Dichter an die Hörer, nicht an die Leser. ,Selber die Muse lehrt sie den hohen Gesang und waltet über die Sänger' (Homer). Der Notbehelf schriftlicher Aufzeichnungen blieb jahrhundertelang nur ein solcher. Die Ausgestaltung des Bühnenwesens, der Redekunst, des geselligen Vortrages, des wissen- schaftlichen Zwiegespräches schuf die Formen einer Überlieferung, die zum Schrifttum wurden, ohne daß deshalb die weitere Wir¬ kung des Wortes aufgehört hätte. Und auch den Philosophen be- wegten Zweifel, ob das Buch ein Geschenk der Götter sei. Man höre Platos Meinung: Durch Bücher werde, infolge der Vernachlässigung des Gedächtnisses, in der Seele der Lernenden Vergessenheit her¬ vorgerufen, da diese sich an die Schrift halten und sich mehr von außen her durch fremde Zeichen als innerlich aus sich selbst erinnern werden . Sie kommen so wohl zu Meinungen, aber nicht zur Wahr¬ heit; denn vieles mögen sie aufnehmen und deshalb glauben, Viel¬ wisser zu sein, während sie doch nichts gelernt hätten und Schein¬ weise geworden seien, nicht Weise . Etwas Arges sei an Bild und Schrift. Beider Hervorbringungen zeigten sich, als ob sie lebendig wären. Frage man sie, so antworteten sie mit vornehmem Schwei¬ gen . Sei das Wort niedergeschrieben, verbreite es sich überall hin, unter die, die es verständen, ebenso wie unter die, an die es nicht gerichtet wäre, und es habe dann keine Macht mehr darüber, mit wem es sprechen wolle, mit wem nicht. Werde es mißbraucht oder fälschlich gescholten, bedürfe es immer des Beistandes seines Vaters, selbst sei es nicht fähig, sich zu wehren oder sich sonst zu helfen. — Die Bedeutung des Buches und der Bücher, die das Ge¬ dächtnis der Menschheit werden— in bibliothecis loquuntur de- 2 ALTEETUM functorum immortales animae [Plinius maior] — erkannten nüch- ternen, praktisch-realistischen Sinnes die Römer. Derart bezeich- nete das Buch, die Bürgschaft menschlicher Ünsterblichkeit, der ältere Plinius [hist. nat. XIII. 70], den Papyrus einen Erhalter ins¬ besondere der geschichtlichen Erinnerung nennend, so die Begriffe Buch und Urkunde nicht mehr als etwas ganz und gar gleichartiges verbindend. Derart erschien auch dem Diodorus Siculus das Auf¬ bewahren des Aufgeschriebenen für den Menschen und die Menschheit wichtig: ,,Wer wäre imstande, der Schreibkunst eine würdige Lob¬ rede zu halten? Denn nur durch die Schrift erhalten sich die Toten in dem Andenken der Lebenden und verkehren die Entfernten mit¬ einander als ständen sie sich zur Seite. Nur das zuverlässige Zeugnis des schriftlichen Wortes verburgt den Bestand der im Krieg zwischen Königen und Völkern geschlossenen Verträge. Nur die Schrift allein bewahrt die köstlichen Gedanken der weisen Männer und die Aussprüche der Götter, ja selbst alle Philosophie und Wissenschaft, und übergibt sie immer von Jahrhundert zu Jahrhundert den kom¬ menden Geschlechtern. Darum müssen wir wohl die Natur als die Quelle unseres physischen Lebens anerkennen, aber als die Quelle unseres edlen, unseres geistigen Lebens die Schrift." [Übersetzt von L. Feuerbach.] In solchen Äußerungen von Autoren einer verhält¬ nismäßig schon späteren Zeit läßt sich vielleicht am besten die Stellung des antiken Menschen zum Buche erkennen. Es war ein Verständigungsmittel, ein geistiges Werkzeug geworden, das Raum und Zeit uberwinden ließ. Aber es blieb doch immer nur ein Ersatz fur den persönlichen Verkehr. Nirgends begegnet, selbst bei den begeistersten alten Lobrednern des Buches, ein Ausspruch wie der eines modernen Philosophen, der ihren Verfassern deren Werke vorzieht, weil sie allein in diesen ihr bestes geleistet hätten, die Früchte ihrer Lebensarbeit ihm anvertraut hätten, die höchsten Leistungen ihrer Persönlichkeit. Das erst gibt dem Umgang mit Büchern seine Vollendung, daß ein kurzes Menschenleben, aus- genutzt, ausreicht, sich mit den größten Menschen aller Völker und Zeiten, soweit sie Schrifttumswerke hinterließen, unterhalten zu konnen. Dem Altertum war der Begriff des Buches weit weniger 3 ALTERTUM eng mit dem des Schrifttums verwachsen, weil beides, Buch und Schrifttum in ihrem Gegenwartssinne, in ihm sich erst langsam aus¬ bildeten. Als ein Mittel der Politik zeigten sich die Anfänge griechi¬ scher Bibliophilie und Bibliotheken.Ausbreitung der geistigen Hegemonie, Glanz der Hofhaltung, Nationalbewußtsein mochten das Bedürfnis der Tyrannen nach eigenen Büchersammlungen, die zu Mittelpunkten geistigen Lebens wurden, geweckt haben. [Und die Entwicklungsrichtung führte von diesem Ausgangspunkte weiter; bis in die Neuzeit entstanden die großen Büchersammlungen zuerst in den großen absolutistischen Monarchien, nicht in den Demo¬ kratien.] Polykrates von Samos [Athenaeus I, 3 A] und der athe¬ nische Herrscher Peisistratos [Gellius N. A. VII, 17; Isidor.VI, 3,3] sollen über Bibliotheken verfügt haben.Die Verdienste, die sich Peisistratos um das griechische Schrifttum erwarb, indem er die epischen Dichtungen sammeln und damit vor der Rhapsodenwillkür sichern ließ — auch die Herstellung eines Homertextes wird ihm zugeschrieben — ließen ihn, mit seinen Söhnen Hippias und Hip¬ parchos, die Begründung von Athens geistiger Vorherrschaft durch Buchpflege gewinnen. Die Bedeutung seiner Büchersammlung er- weist ihr Schicksal, sie soll von Xerxes nach Persien entführt, von Seleukos Nikanor den Athenern zurückgegeben sein.Doch hat sie nach der Pisistratidenzeit in der aufblühenden literarischen Pro¬ duktion kaum noch ihren Rang einer beispielgebenden Sammel¬ stelle behalten.Die literarischen Interessen vervielfachten sich in dem unter atheniensischer Führung sich gestaltenden geistigen Weltkampf der hellenischen Staaten; und im fünften Jahrhundert v. Chr. war bereits der Buchhandel zu einem Geschäftszweig, die Auslese der Bücher, die Bücherwahl des einzelnen, zu einer Ver¬ feinerung der Sammlung aller vorhandenen Werke geworden. Die Literaturkritik, schon vor Platon sich regend, begann die festeren wissenschaftlichen Formen einer Philosophie anzunehmen. Ja dieser Philosoph selbst gilt manchen als derjenige Grieche, der als erster griechische Handschriften planmäßig gesammelt hat. Indessen wird der Anspruch des Aristoteles, der die Betriebsverfahren derWissen- 4 ALTEETUM schaften konzentrierte und organisierte, auf den Ruhm begründeter sein, zuerst mit bibliographischer Methodik in Griechenland eine Handschriftensammlung zusammengestellt zu haben. Der Poly¬ graph, der Polyhistor brauchte nicht allein die Bücher für die Ver¬ folgung der von ihm bestimmten Zwecke. Ihm konnte auch ein um¬ fangreicher Büchervorrat nicht