Lucas Lypp Die Europäisierung Des Auswärtigen Handelns: Deutsche
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Lucas Lypp Die Europäisierung des auswärtigen Handelns: Deutsche und EU-Außenpolitik im südlichen Kaukasus Hamburg, Oktober 2008 von der Universität Hamburg - Institut für Politische Wissenschaft als Promotion im Fach Politikwissenschaft angenommen Datum der letzten mündlichen Prüfung: 8. Januar 2010 eingereicht im Wintersemester 2008 / 2009 Erstgutachter: Prof. Dr. Stefan Brüne Zweitgutachterin: Prof. Dr. Christine Landfried Inhalt Einleitung 5 I. Die Europäisierung der Außenpolitik 10 Das Entstehen einer gemeinsamen außenpolitischen Identität der Europäischen Union als stärkster Ausdruck der Europäisierung 12 Begriff der Europäisierung 26 Erscheinungsformen der Europäisierung 28 Intensität der Europäisierung 31 Orte der Europäisierung 33 Hohe EU-Kompatibilität deutscher Außenpolitik 39 II. Der südliche Kaukasus: ein Zielgebiet internationaler Politik 41 Historischer Hintergrund, geografische Zusammensetzung 42 Fragmentierte Region 42 Energiedrehscheibe 43 Krisenregion 44 Geopolitischer Kontext 52 Hohe Erwartungen an den Westen 54 Die Politik der großen Mächte: Interessen, Strategien, Konkurrenz 58 2 III. Deutsche und europäische Politik im südlichen Kaukasus 62 Gründe des deutschen Engagements in der Region 62 Institutionelle Ressourcen 70 Handlungsfelder, Prinzipien und Instrumente der deutschen Kaukasuspolitik 79 Anfänge, Grundlagen 80 Breites Politikspektrum 82 Multilateraler und regionaler Ansatz 84 Schwerpunkt Entwicklungshilfe 86 Außenwirtschaftspolitik, wirtschaftliche Hilfe 90 Energieaußenpolitik, Entwicklung des Energiesektors 93 Staatsaufbau 96 Sicherheitspolitik, Konfliktbearbeitung 98 Die Europäische Union als spezifischer Akteur im südlichen Kaukasus 103 Der Südkaukasus als EU-Nachbarregion 105 Grundidee der Nachbarschaftspolitik als spezifisches Handlungsfeld 107 Ziele der EU-Politik im südlichen Kaukasus 108 Logik, Prinzipien, Methoden der ENP 110 Schwierige Abgrenzung zum EU-Erweiterungsprozess, unklare Finalität 115 Rechtliche und konzeptionelle Grundlagen, Entwicklungsschritte der ENP 119 Akteure in der ENP 121 Handlungsfelder 125 Instrumente 133 Europäisierung des auswärtigen Handelns im südlichen Kaukasus 141 Dokumente, Literatur 158 3 4 Einleitung Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der internationalen Rolle der Europäischen Union, insbesondere mit dem spezifischen Zusammenwirken von EU und Mitgliedstaaten in der internationalen Politik. Die Problematik des zusammengesetzten Akteurs gewinnt angesichts der zunehmenden Komplexität des europäischen Außenhandelns – aufgrund weltweiter aber auch eigener institutioneller Herausforderungen – stetig an Bedeutung. Lässt sich bereits von einem einheitlichen Akteur EU sprechen oder handelt es sich eher um ein Nebeneinander zweier Ebenen und separat agierender Akteure? Wie viel gemeinsame Außenpolitik ist zur Zeit überhaupt möglich? Und schließlich: Von welcher Kohärenz ist die Politik der EU selbst? Um diese Problematik neu aufzugreifen, wird exemplarisch die deutsche und die EU-Politik in der Region des südlichen Kaukasus untersucht, unter der Fragestellung, inwieweit beide aufeinander Bezug nehmen. Ausgangspunkt der Analyse ist eine Zwischenbilanz der europäischen Integration im Bereich der Außenpolitik. Seit dem Beginn der europäischen Integration wurde eine eigenständige EU-Außenpolitik gefordert; sie bildet sich, entsprechend der Zunahme weltweiter Anforderungen sowie gemäß der EU-Integrationslogik, seit Jahrzehnten schrittweise heraus. Das Projekt erlebte Rückschläge, gewinnt aber dennoch immer mehr an Konturen. Dazu trägt nicht zuletzt die Neukonzeption der EU-Politik in den Nachbarräumen (ENP) bei. EU-Außenpolitik hat sich mittlerweile als genuine Ebene neben der traditionellen staatlichen Politik und als gemeinsames EU- mitgliedstaatliches Werkzeug in wichtigen Teilbereichen etabliert; die Union ist dabei gleichermaßen selbständiger Akteur und gemeinsamer Rahmen. Trotz der Unabgeschlossenheit des EU-Projekts hat sich auch auf außenpolitischem Gebiet bereits ein umfangreicher Acquis an Gemeinsamkeiten sowie eine beträchtliche Routine gebildet. Es ist eine eigene außenpolitische Tradition entstanden und das EU-System entfaltet bereits eine Dynamik, die wiederum auf die mitgliedstaatliche Politik zurück wirkt. 5 Bis heute sind die Nationalstaaten die Schlüsselakteure europäischer Außenpolitik, aber als Mitgliedstaaten teilen sie sich das Handlungsfeld in vielfältiger Weise mit der Union. Die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Union und Mitgliedstaaten ist von Beginn an konstitutiv für die EU-Außenpolitik und entscheidend für ihr Funktionieren. Dabei geht es um nichts Geringeres als um eine historische Neuorganisation auswärtigen Handelns. Sie erfordert die Überwindung starker Traditionen und bedeutet zudem generell den Wandel bisheriger Formen von Staatlichkeit, gehört die Außenpolitik doch zum klassischen Kernbestand staatlicher Souveränität. Das Phänomen der sich zunehmend verdichtenden Verbindung zwischen EU und Mitgliedstaaten lässt sich mit dem Begriff der „Europäisierung“ erfassen. Unter Berücksichtigung der Fülle und Vielfalt bestehender Ansätze 1 wird in dieser Studie ein eigener, für den Bereich der gemeinsamen europäischen Außenpolitik brauchbarer, umfassender Europäisierungsbegriff entworfen, der zwischen verschiedenen Formen und Orten der Europäisierung differenziert und auch nach der Intensität der Europäisierung fragt. Als stärkste Form der Europäisierung kann demnach die Entstehung des gemeinsamen Handlungssystems der EU gelten. Die Überlegungen zur Europäisierung konzentrieren sich insbesondere auf die Frage, welchen Grad der Europäisierung die deutsche Außenpolitik aufweist. Seit Jahrzehnten europäisieren die Mitgliedstaaten der EU sich und werden europäisiert, was mehr und mehr die gesamte Bandbreite staatlichen Handelns betrifft. Verschiedene Formen der Europäisierung lassen sich dabei voneinander abgrenzen: die Abgabe und Zusammenlegung staatlicher Kompetenzen, die Institutionenbildung, die Aufgabenteilung, die ständige Wechselwirkung zwischen EU und Mitgliedstaat und die zunehmende Konvergenz und Interdependenz; Europäisierung vollzieht sich außerdem institutionell – auf supranationaler und intergouvernementaler Ebene – aber auch informell, direkt oder indirekt, kooperativ oder einseitig, deklaratorisch oder in konkretem Handeln. Die Europäisierung ist je nach Form, Zeitpunkt oder Ort unterschiedlich stark. Sie wird darüber hinaus sichtbar an einer Vielzahl von Schnittstellen, Verknüpfungspunkten zwischen nationaler und EU-Außenpolitik. Im deutschen Fall manifestiert sie sich an besonders vielen Orten: 1 Einen aktuellen Überblick über die Verwendung des Europäisierungsbegriffs bietet Heinz-Jürgen Axt (2007). Siehe auch Börzel (2006), Deger (2007), Leibfried (2005), Olsen (2002), Wong (2005). 6 an der geografischen Lage Deutschlands mitten in Europa, der historischen Bedeutung der europäischen Integration für die Bundesrepublik, bei Staatsräson und Interessen, in der nationalen Rechtsordnung und Verwaltung, auf de facto allen Politikfeldern, bis hin zu der ausgeprägten Europäisierungshaltung deutscher Akteure. Die zunehmende mitgliedstaatliche Europäisierung zeigt sich vor allem bei einem Vergleich der nationalen und der EU-Politik. Der südliche Kaukasus mit den Staaten Armenien, Aserbaidschan und Georgien ist gemeinsames Zielgebiet sowohl der deutschen als auch der EU-Außenpolitik. Bei dem Raum zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer handelt es sich gleichermaßen um eine Krisenregion, eine Energiedrehscheibe sowie um eine Region, in der externe Akteure ihre eigenen Interessen verfolgen, darunter insbesondere Russland und die USA. Die Darstellung kann sich auf eine Vielzahl aktueller Analysen und eine Reihe von Expertenauskünften zu der Region stützen. 2 Auf dem noch jungen internationalen Aktionsfeld des südlichen Kaukasus werden die mitgliedstaatliche sowie die kommissionsgetriebene Politik einzeln und in ihren Berührungspunkten untersucht. Die EU bedient sich im Südkaukasus vor allem ihres neuesten Außenpolitikprodukts: der so genannten „Europäischen Nachbarschaftspolitik“. Das Konzept der Bundesregierung heißt „Kaukasusinitiative“. Ziel der Arbeit ist es, anhand der vergleichenden Analyse dieser beiden Politiken Europäisierung zwischen Berlin und Brüssel zu erkunden, aber auch Duplizierungen oder Widersprüche freizulegen. Als wie kompatibel – oder sogar: wie kohärent – erweisen sich deutsche und EU-Außenpolitik im betrachteten Fall? Eine starke Europäisierung mitgliedstaatlichen Handelns bedeutet noch keine tatsächliche geschweige denn kohärente EU-mitgliedstaatliche Politik. Sie zeigt jedoch das Potenzial einer künftigen gemeinsamen Außenpolitik. Die Bundesregierung verfolgt im Südkaukasus schwerpunktmäßig einen regionalen und entwicklungspolitischen Ansatz; wichtige Bereiche, die noch über den Aspekt der Hilfeleistung hinaus gehen, sind Außenwirtschafts-, Energieaußen- und Sicherheitspolitik. Insgesamt repräsentiert das Beispiel der Südkaukasuspolitik die allgemein zu beobachtende Europäisierung der deutschen Außenpolitik, die 2 Hervorzuheben sind Dieter Boden (OSZE) und Uwe Halbach (SWP). 7 innerhalb eines stärker werdenden EU-Rahmens agiert. Dabei manifestiert sich die Europäisierung weniger auf der institutionell-operativen Ebene als vielmehr im konzeptionellen Bereich, also in grundlegenden Gemeinsamkeiten, was eine hohe Kompatibilität beider Akteure bedeutet. Der Bogen der Untersuchung spannt sich von ausschließlich mitgliedstaatlichen über europäisierte Maßnahmen bis hin zur rein gemeinschaftlichen Politik