Blitz-Referendum Zur Corona-Politik Das Volk Stimmt Erneut Über Das Covid-19-Gesetz Ab
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Gastgewerbe: Zürich zeigt sich in der Pandemie grosszügig – weshalb tut es das nicht immer? Seite 17 Freitag, 9. Juli 2021 ∙ Nr. 156 ∙ 242. Jg. AZ 8021 Zürich ∙ Fr. 4.90 ∙ € 4.90 Blitz-Referendum zur Corona-Politik Das Volk stimmt erneut über das Covid-19-Gesetz ab Im Juni erst ist das Referendum Impfentscheid», «Aktionsbündnis Ur- gegen das Gesetz für Sonder- kantone» und «Freunde der Verfas- sung». Auch die Junge SVP half bei der massnahmen im Kampf gegen Unterschriftensammlung mit. Die auf die Pandemie klar gescheitert. der Website der Gesetzesgegner dekla- Doch die Gegner haben sofort rierte Kernbegründung für das neuer- ein neues Referendum gestartet liche Referendum: «Das Covid-Zertifi- kat und ein umfassendes Contact-Tra- und 187 000 Unterschriften cing sind Experimente am Menschen zusammengebracht. mit sensiblen Daten, welche Stigmati- sierung und Diskriminierung ermög- HANSUELI SCHÖCHLI lichen.» Das sind allerdings keine neuen Argumente. Die Gesetzesgegner hatten Die Corona-Krise hat in der politischen auch schon im Vorfeld des Urnengangs Arena die Zeit verdichtet. Beschlüsse vom Juni die «Massenüberwachung mit zu drastischen Einschränkungen des umfassendem Contact-Tracing» und Lebens und zu Milliardenhilfen wurden die «Diskriminierung» von Ungeimpf- innert Wochen durchgepeitscht.Am An- ten kritisiert, und dennoch stimmte das fang handelte der Bundesrat direkt auf Volk der Vorlage zu. Basis der Verfassung und damit sozu- Das Ergreifen eines neuen Referen- sagen per Notrecht. Seit September 2020 dums zum praktisch gleichen Thema hat die Schweiz ein offizielles Gesetz zu sofort nach einem verlorenen Urnen- dieser Krise: das Covid-19-Gesetz. Auch gang erscheint wie ein Lehrbuchbei- mit diesem Gesetz geht vieles rasant. Es spiel für Zwängerei. Diese Lesart wol- ist erst gut neun Monate alt, wurde aber len die Angesprochenen aber nicht gel- schon dreimal revidiert – im Dezember ten lassen: Es gehe in der neuen Refe- 2020 sowie im März und Juni 2021. rendumskampagne zwar zum Teil um Das Parlament hat das Gesetz für dieselben Themen wie vor dem Urnen- dringlich erklärt. Das heisst, es konnte gang, doch gewisse Themen hätten sich sofort in Kraft treten, unabhängig von mit dem Volksentscheid vom Juni er- allfälligen Referenden. Das Gleiche ledigt. Zudem könne der Bundesrat nun gilt für jede Revision des Gesetzes. Im nicht mehr sagen, dass bei einem Volks- Grundsatz ist das Covid-19-Gesetz bis Nein viele Wirtschaftshilfen nicht mehr Ende 2021 befristet, doch einige Bestim- fliessen würden. mungen gelten länger – bis Ende 2022, Offiziell richtet sich die Kritik der Ende 2023 und in einem Fall gar bis Gegner vor allem gegen vier Gesetzes- Ende 2031. Weitere Verlängerungen ein- bestimmungen, die das Parlament im zelner Bestimmungen sind in der kom- März eingefügt hatte. Diese betreffen menden Herbstsession des Parlaments das Covid-Zertifikat, die Kontaktrück- gut möglich. verfolgung, die generellen Kompeten- zen des Bundesrats und die Befreiung Hohes Tempo gefordert Geimpfter von der Quarantänepflicht. Bei der Gesetzesrevision vom März Die hohe Kadenz führte zu Kuriositä- spielten die Wirtschaftshilfen in der ten. Eine Gruppe von Kritikern der bun- Tat eine zentrale Rolle. Diese Revision desrätlichen Corona-Politik, die sich als brachte einen erheblichen Ausbau der Verfassungsfreunde und Freiheitskämp- Hilfen und führte zudem einen neuen ADRIENNE SURPRENANT / BLOOMBERG fer sehen, ergriff im Herbst das Referen- «Schutzschirm» für Grossveranstaltun- dum: Formal richtete sich dieses «nur» gen ein. Das Thema Wirtschaftshilfen Ein junges Land, Vor zehn Jahren hat der Südsudan die Unabhängigkeit erlangt – nach Jahrzehnten gegen die Gesetzesversion vom Sep- dürfte daher auch im kommenden Ab- blutiger Konflikte zwischen den grossen Stämmen. Doch Grund zum Feiern (im Bild tember 2020, doch bei einem Volks- stimmungskampf entgegen den Hoff- gezeichnet vom Krieg eine religiöse Zeremonie in der Hauptstadt Juba) gibt es wenig. Denn der Macht- Nein wären mangels Basisgesetz auch nungen der Referendumsführer aufs Ta- kampf um die Kontrolle des Erdölgeschäfts ging zunächst weiter. Inzwischen schwei- die Erweiterungen von Dezember 2020 pet kommen. gen die Waffen, aber die Not ist geblieben. International, Seite 4, 5 bis Juni 2021 dahingefallen. Das Volk nahm im Juni das Gesetz mit gut 60 Pro- Bis März 2022 wie gehabt zent Ja-Stimmen an. Aber noch am Ab- stimmungssonntag kündigten die Geg- Im Vergleich zum ersten Abstimmungs- ner ein weiteres Referendum an – die- kampf relativiert die Zeit beim kom- ses Mal gegen die Gesetzesrevision vom menden Urnengang vieles. Die Volks- Virus als Mitbringsel aus den Ferien März 2021. abstimmung ist auf den 28. November Dies ist rechtlich zulässig, doch die angesetzt. Sagt das Volk Nein zur Ge- Im Kanton Zürich verbreitet sich Sars-CoV-2 bei unter 30-Jährigen rasch Gegner mussten aufs Tempo drücken. setzesrevision vom März, bleiben die Die 100-tägige Referendumsfrist für betroffenen Bestimmungen noch bis die Gesetzesrevision vom März ist am ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten gül- jhu. · Im Kanton Zürich sind die Corona- virus aus den Ferien mitgebracht. Meist cher mit dem Coronavirus angesteckt Donnerstag abgelaufen. Obwohl die Ge- tig – bis zum 19. März 2022. Bis dann, Fallzahlen in den letzten Tagen wieder handle es sich um Personen im Alter von hat. Gerade bei den Klubs stehen die setzesgegner nur gut drei Wochen Zeit so ist zu hoffen, dürften sich viele Mass- deutlich angestiegen. Während sie vor 18 bis 30 Jahren, die Partydestinationen Virendetektive aber vor einem Problem: hatten, übersprangen sie die Hürde von nahmen einschliesslich der Wirtschafts- zweiWochen noch zwischen 5 und 28 pro in Spanien und zum Teil auch in Grie- Die Veranstalter müssen ihre Besucher 50 000 Unterschriften bei weitem. Das hilfen erübrigt haben. Tag schwankten, wurden am Donners- chenland besucht hätten. heute nicht mehr registrieren. Für das Komitee hat der Bundeskanzlei laut Das gilt aber nicht unbedingt für alle tag bereits 76 Infizierte gezählt. Auch Mit den Massnahmenlockerungen Contact-Tracing ist es deshalb fast un- eigenen Angaben rund 187 000 Unter- Elemente dieser Krise. So könnten zum der 7-Tage-Schnitt hat sich seit demTief- steigt auch die Gefahr, dass die Infi- möglich, herauszufinden, wer alles an schriften eingereicht. Ironischerweise Beispiel gewisse Hilfen für Arbeitneh- stand am 28. Juni mehr als verdoppelt. zierten das Virus, das sie aus den Ferien einer Party war, an der es zu einem Aus- half das Gesetz seinen Gegnern: Es er- mer und Grossveranstalter sowie die Den Grund für den steilen Anstieg mitgebracht haben, zu Hause weiterver- bruch gekommen ist. Der Verzicht auf möglicht nämlich in der Krise auch die Option auf selektive Zugänge zu Ver- orten die Behörden bei Personen, die breiten. Grössere Ausbrüche an Public die Registrierung möge aus politischen Einreichung von noch nicht beglaubig- anstaltungen über den März 2022 hin- von Auslandreisen zurückkehren. Ge- Viewings sind der Gesundheitsdirek- Gründen zwar gerechtfertigt sein, sagt ten Unterschriften; diese Beglaubigun- aus noch eine Rolle spielen. Doch das mäss Beat Lauper, der bei der Zürcher tion noch nicht bekannt. Das Contact- Andreas Juchli vom Zürcher Contact- gen werden nun ausserhalb der Referen- hängt von der künftigen Pandemie-Ent- Gesundheitsdirektion für das Contact- Tracing ist jedoch auf einen Fall gestos- Tracing, «aber wir nehmen damit natür- dumsfrist durch die Behörden eingeholt. wicklung ab. Und diese ist wie üblich Tracing zuständig ist, haben mehr als sen, bei dem ein Rückkehrer aus Spa- lich auch gewisse Risiken in Kauf». Absender des Referendums sind Be- höchst ungewiss. die Hälfte der Infizierten das Corona- nien in einem Klub wohl weitere Besu- Zürich und Region, Seite 11 wegungen mit den Namen «Netzwerk Schweiz, Seite 7 Redaktion und Verlag: Neue Zürcher Zeitung, Falkenstrasse 11, Postfach, 8021 Zürich, Telefon: +41 44 25811 11, 21156 Leserservice/Abonnements: +41 44 25810 00, www.nzz.ch Wetter/TV/Radio: 29, Traueranzeigen: 28, Impressum: 18 9772297 322004 2 International Freitag, 9. Juli 2021 Der Afghanistan-Krieg Massive Stromausfälle schwappt über die Grenze in Iran und im Irak Wachsender Konsum ist einer der Gründe für die Knappheit Der Eroberungszug der Taliban führt zur Flucht von Soldaten und Zivilisten INGA ROGG, JERUSALEM ten über Stunden hinweg der Strom aus- fiel. In mehreren Städten versammelten Kaum steigen die Temperaturen, fällt sich in den letzten Tagen wütende Iraner MARKUS ACKERET, MOSKAU im Irak der Strom aus. Die Iraker kön- vor den örtlichen Elektrizitätswerken nen schon fast die Uhr danach stellen. und blockierten Strassen. In Teheran und Das Video ist undatiert und zeigt einen Mit der gleichen Regelmässigkeit protes- der zentraliranischen Stadt Shiraz mach- Grenzübergang im Norden Afghanistans. tieren sie gegen das Versagen der Regie- ten sich Bürgerinnen und Bürger mit Ein Lastwagen rollt auf die Brücke zu, rung, die Stromversorgung während der nächtlichen Protesten Luft, indem sie von die das Land vom nördlichen Nachbarn heissen Sommermonate – wenn die Tem- Balkonen oder aus geöffneten Fenstern Tadschikistan trennt. Der Filmer gibt sich peraturen mittlerweile auf fünfzig Grad in Parolen gegen den Revolutionsführer als Talib zu erkennen, wechselt einige die Höhe steigen – sicherzustellen. Zwar Ayatollah Khamenei wie «Tod dem Dik- Worte mit dem Chauffeur und gibt die- hat der Irak in den letzten Jahren in den tator» oder «Nieder mit Khamenei» in sem den Weg frei über die Grenze. Zuvor Stromsektor