DIE RING-TRILOGIE

Pressegespräch 8. November 2017

Ihre GesprächspartnerInnen sind:

Intendant Roland Geyer

Constantin Trinks Musikalische Leitung

Tatjana Gürbaca Inszenierung

Bettina Auer Dramaturgie

Henrik Ahr Bühne

Barbara Drosihn Kostüme

Stefan Bolliger Licht

DIE RING-TRILOGIE wird unterstützt vom Hauptsponsor Theater an der Wien

DIE RING-TRILOGIE

Musik und Text von (1848-74) In einer Fassung von Tatjana Gürbaca, Bettina Auer und Constantin Trinks (2017)

Neuproduktion des Theater an der Wien - Uraufführung

Premiere HAGEN: 1. Dezember 2017 Premiere SIEGFRIED: 2. Dezember 2017 Premiere BRÜNNHILDE: 3. Dezember 2017

Sein Opus magnum, die Ring-Tetralogie, hat Richard Wagner ganze 26 Jahre seines Lebens beschäftigt, gemartert und enthusiasmiert: Vom ersten Entwurf eines Siegfried-Dramas mit dem Titel Siegfrieds Tod im Revolutionsjahr 1848 bis zur Vollendung der Götterdämmerung-Partitur 1874 verging – wenn auch mit beträchtlichen Unterbrechungen – ein Vierteljahrhundert. Wagner hat seine Nibelungen-Erzählung also kurioserweise vom Ende her begonnen, dem dann immer mehr notwendige Vorgeschichte bis hin zum Rheingold zugewachsen ist. Kein Wunder, dass bei dieser langwierigen, mäandernden Entstehung Sprünge, Brüche und Lücken im komplexen Handlungsgewebe auftauchen, die viel Raum für Interpretation lassen. Der Ring ist Weltendrama, Menschheitsgeschichte und Kapitalismuskritik; er erzählt von Machthunger und Machtmissbrauch, von Geldgier, Zerstörungslust und vom ewigen Kreislauf der Gewalt sowie nicht zuletzt von einer Familientragödie, welche die Geschichte dreier Generationen umspannt.

Die Ring-Trilogie, die eigens für das Theater an der Wien von der Regisseurin Tatjana Gürbaca, der Dramaturgin Bettina Auer und dem Dirigenten Constantin Trinks entwickelt wurde, geht der Frage nach, wie Handeln und Schuld der Großvätergeneration, sprich Wotan und Alberich, das Leben der folgenden Generationen – auf politischer wie privater Ebene – bestimmt; wie die Jüngeren den Folgen dieser Taten nicht entkommen, auch wenn sie sich verzweifelt dagegen stemmen und aufbegehren; wie sie sich umso mehr verstricken, je mehr sie kämpfen.

Deshalb wagt diese Ring-Version etwas völlig Neues: Um die Geschichte des Rings aus der Perspektive der Jüngeren zu erzählen, so dass Hagen, Siegfried und Brünnhilde ins Zentrum rücken, wurden einige Szenen gestrichen und andere Teile des Rings neu zusammengesetzt. Jeder Abend beginnt – wie ursprünglich bei Wagner selbst – mit der finalen Katastrophe, dem Mord an Siegfried, um anschließend in die Erinnerungen der verschiedenen Figuren einzutauchen.

Das Leadingteam dieses außergewöhnlichen Großprojekts setzt sich wie folgt zusammen: Constantin Trinks zeichnet für die musikalische Leitung verantwortlich, die Inszenierung stammt von Tatjana Gürbaca und das Bühnenbild wird von Henrik Ahr gestaltet; Lichtdesigner ist Stefan Bolliger und die Dramaturgie liegt in den Händen von Bettina Auer.

THEATER AN DER WIEN Pressegespräch DIE RING-TRILOGIE 08.11.2017

In den drei Premieren Hagen, Siegfried und Brünnhilde führen folgende Sängerinnen und Sänger das Ensemble an: Bassbariton Samuel Youn, der zuletzt 2015 als fliegender Holländer am Theater an der Wien zu hören war, singt den Hagen. Siegfried wird von Daniel Brenna und seine Brünnhilde von Ingela Brimberg, die 2015 als ausdruckstarke Senta im Der fliegende Holländer am Theater an der Wien reüssierte, gegeben. Aris Argiris übernimmt den Wotan, Alberich ist Martin Winkler und Marcel Beekman ist als Mime zu erleben. Im Siegfried sind Liene Kinča als Sieglinde und Daniel Johansson als Siegmund zu hören. (Anm.: Die gesamte Besetzung entnehmen der später folgenden Besetzungsseite.)

Es singt der Arnold Schoenberg Chor (Ltg. Erwin Ortner). Das Wagner-Orchester der Ring-Trilogie ist das ORF Radio-Symphonieorchester Wien.

Termine:

HAGEN

Premiere: 1.12.2017 Aufführungen: 7. / 17. / 29. Dezember 2017, 19.00 Uhr Werkeinführungen: 18.00 Uhr vor jeder Hagen-Vorstellung

SIEGFRIED

Premiere: 2.12.2017 Aufführungen: 9. / 18. / 30. Dezember 2017, 18.30 Uhr

BRÜNNHILDE

Premiere: 3.12.2017 Aufführungen: 10. / 19. / 31. Dezember 2017, 18.30 Uhr

Sendetermine im ORF-Hörfunk Ö1:

08.12. um 19:30 „Hagen“ 09.12. um 19:30 „Siegfried“ 10.12. um 19:30 „Brünnhilde“

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HAGEN Erster Abend

Am Anfang steht ein Mord. Hagen, der Halbbruder der Gibichungen und Chefstratege an deren Hof am Rhein, tötet Siegfried hinterrücks, während Brünnhilde zuschaut. – Wie hat es dazu kommen können? Hagen erinnert sich, wie sein Vater Alberich ihn nächtens heimgesucht und ihm den Auftrag eingeflüstert hat, den Ring, d. h. die Weltherrschaft, für seinen Vater zurückzugewinnen. Eine düstere, traumatische Szene, in der Alberich offen bekennt, dass er seinen Sohn nur aus dem Grund gezeugt und „zu zähem Hass erzogen“ hat, um ihn für seine eigene Rache zu instrumentalisieren. Weiter noch taucht Hagen, der Freudlose, in seine Erinnerung und somit in den Urschlamm der Geschichte des Rings ein: Alberich raubte, endgültig auf die Liebe verzichtend, das Rheingold, damit er daraus den Ring schmieden konnte. Im Kampf um die absolute Macht versklavte Alberich die Nibelungen und missbrauchte seinen Bruder Mime, bis er eines Tages von seinem Konkurrenten Wotan samt dessen windigem Berater Loge überlistet wurde. Diese nahmen ihm alles – Macht, Würde und Vermögen. Gedemütigt konterte Alberich mit einem fürchterlichen Fluch: Alle sollten nach dem Ring gieren, doch jedem, der ihn besäße, würde er den Tod bringen. Die Blutspur des Ringes wird lang werden.

Für diese Enteignung seines Vaters soll nun der Sohn Hagen Rache nehmen an Wotans Nachkommen Siegfried. Hagen zettelt unter dem Vorwand, seinen unverheirateten Halbgeschwistern Gunther und Gutrune zu den besten Ehegatten zu verhelfen, eine schreckliche Intrige an, um Siegfried schließlich den Ring entreißen zu können. Gutrune soll den „stärksten Helden Siegfried“ heiraten und Gunther „das herrlichste Weib der Welt“, Brünnhilde. Dafür zieht Hagen alle Register, er lügt, betrügt und manipuliert sämtliche Beteiligten. Als schließlich Brünnhilde und Gunther begreifen, dass sie alles, sogar ihre Selbstachtung, verloren haben, schwören sie Rache und Siegfrieds Tod.

Die Geschichte des ewigen Kampfes um die Macht aus der Verliererperspektive verbindet Szenen aus Wagners Rheingold und Götterdämmerung, also von Anfang und Ende seines Bühnenfestspiels .

Bettina Auer

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SIEGFRIED Zweiter Abend

Siegfried, der Drachentöter und „stärkste Held“, Siegfried, der seine Eltern nie kennengelernt hat, wird von Hagen ermordet. Brünnhilde schaut zu. Im Sterben denkt Siegfried an seine Jugend zurück. Fern der Zivilisation ist Siegfried bei Mime aufgewachsen. Je älter er wird, umso drängender wird für Siegfried die Frage nach seiner Identität. Schließlich zwingt er Mime, ihm endlich von seinen wahren Eltern zu erzählen: Sieglinde und Siegmund trafen sich unter schrecklichen Umständen. Sie lebte, mit Hunding zwangsverheiratet, in unglücklicher Ehe, er war in Todesgefahr auf der Flucht. Magisch zu einander hingezogen entdeckten sie insgeheim ihre gemeinsame Vergangenheit: dass sie Zwillinge sind, Kinder von Wotan (Wolfe), die früh getrennt worden sind. Hingerissen bekannten sie sich ihre Liebe. Als sie vor Hunding flohen, wollte die Walküre Brünnhilde Siegmund und die inzwischen schwangere Sieglinde schützen. Doch Wotan entschied den Kampf schweren Herzens zugunsten von Hunding und ließ Siegmunds Schwert zerschellen. Brünnhilde konnte nur Sieglinde retten, die später sterbend ihr Kind in Mimes Obhut gab.

Nun, da er seine Herkunft kennt, will Siegfried in die Welt hinaus. Er besiegt den Drachen Fafner und nimmt sich aus dem Nibelungen-Schatz, den dieser bewacht, lediglich Tarnhelm und Ring. Als er die bösen Absichten Mimes durchschaut, der mittels Siegfried an Gold und Macht kommen wollte, tötet er ihn. Ohne ihn zu erkennen, trifft Siegfried seinen Großvater Wotan (Wanderer), der weiterhin seinen Masterplan verfolgt, Weltherrschaft und Schatz zurückzugewinnen. Wotan will Siegfried aufhalten. Doch dieser rebelliert gegen den „Alten“, ihn drängt es, „das herrlichste Weib Brünnhilde“ zu finden. Gemeinsam entdecken Brünnhilde und Siegfried die Liebe. Ein kurzer Moment der Utopie.

Eingebettet in die Entwicklungsgeschichte Siegfrieds, der den tödlichen Strukturen auch in der dritten Generation nicht entkommen kann und den ewigen Kreislauf der Gewalt weitertreibt, liegen Szenen aus der Walküre.

Bettina Auer

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BRÜNNHILDE Dritter Abend

Brünnhilde schaut zu, wie Siegfried – der Mann, den sie liebt – von Hagen ermordet wird. Sie erinnert sich an die letzte Auseinandersetzung mit ihrem Vater Wotan, die ihr Leben so grundlegend verändert hat. Die wilde Walküre und ausgesprochene Lieblingstochter ihres Vaters hatte sich seinem Befehl widersetzt und das Liebespaar Siegmund und Sieglinde im Kampf gegen Hunding retten wollen. Weil Wotan ihr diesen emanzipatorischen Ungehorsam nicht verzeihen konnte, wollte er Brünnhilde grausam bestrafen. Sie sollte, von allen isoliert, in Schlaf versetzt werden – jedem Manne, der sie fände, wehrlos ausgeliefert. Erst als Wotan erfuhr, dass Sieglinde mit dem nächsten Helden Siegfried schwanger wäre, wandelte er die Strafe: Die schlafende Brünnhilde sollte von einem Feuerkreis geschützt sein, den nur ein „furchtlos freiester Held“ durchschreiten könnte. Dies konnte nur Siegfried sein.

Brünnhilde fühlt sich Siegfried in Liebe untrennbar verbunden und treibt ihn „zu neuen Taten“ an. Zum Abschied schenkt er ihr den Ring. Waltraute, eine Walküren- Schwester von Brünnhilde, sucht sie heimlich auf, um ihr vom desaströsen Zustand Wotans und der Welt zu berichten. Brünnhilde soll den Rheintöchtern den Ring zurückgeben, doch diese weigert sich, für Wotans alte Fehler einzustehen. Sie besteht auf ihrem Liebespfand. Ein Fremder taucht auf, überwältigt sie und entreißt ihr den Ring. Es ist Siegfried in Gunthers Gestalt, der Brünnhilde als Braut für seinen Blutsbruder Gunther holen will. Als die neuen Paare Siegfried-Gutrune und Gunther- Brünnhilde später zur Doppelhochzeit schreiten, wird der grausame Betrug offenbar. Brünnhilde erhebt Anklage, Hagen sät Zwietracht. Nachdem er Siegfried ermordet hat, bricht alles zusammen. Brünnhilde packt die alte Welt auf den Scheiterhaufen, die Götter haben ausgedient. – Ist nun etwas Neues möglich?

Der letzte Abend der Trilogie, in dem alte Strukturen und Machtverhältnisse überwunden werden, erzählt die Geschichte aus weiblicher Perspektive. Musikalisch wird eine Szene aus der Walküre mit großen Teilen der Götterdämmerung verknüpft.

Bettina Auer

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DIE RING-TRILOGIE BESETZUNG

Musikalische Leitung Constantin Trinks Inszenierung Tatjana Gürbaca Bühne Henrik Ahr Kostüme Barbara Drosihn Licht Stefan Bolliger Dramaturgie Bettina Auer

ORF Radio-Symphonieorchester Wien Arnold Schoenberg Chor (Ltg. Erwin Ortner) Statisterie des Theater an der Wien

Neuproduktion des Theater an der Wien - Uraufführung

HAGEN

Hagen Samuel Youn Alberich, sein Vater Nibelungen Martin Winkler Mime, dessen Bruder Marcel Beekman

Wotan Götter Aris Argiris Loge Michael J. Scott Woglinde Mirella Hagen Wellgunde Rheintöchter Raehann Bryce-Davis Flosshilde Ann-Beth Solvang Gunther, König der Gibichungen Kristján Jóhannesson Gutrune, seine Schwester Liene Kinča Siegfried Daniel Brenna Brünnhilde Ingela Brimberg Die Mannen Arnold Schoenberg Chor Hagen als Kind Jonathan Fleming / Niklas Schönhofer

Premiere: Freitag, 1. Dezember 2017 Aufführungen: 7. / 17. / 29. Dezember 2017, 19.00 Uhr Werkeinführungen: 18.00 Uhr vor jeder Hagen-Vorstellung

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SIEGFRIED

Siegfried Daniel Brenna Siegmund, sein Vater Daniel Johansson Sieglinde, seine Mutter Liene Kinča Hunding, Sieglindes Gatte Stefan Kocan

Mime Marcel Beekman Wotan / Wanderer Aris Argiris Brünnhilde, seine Tochter Ingela Brimberg Fafner Stefan Kocan Waldvogel Mirella Hagen

Premiere: Samstag, 2. Dezember 2017 Aufführungen: 9. / 18. / 30. Dezember 2017, 18.30 Uhr

BRÜNNHILDE

Brünnhilde Ingela Brimberg Wotan, ihr Vater Aris Argiris Waltraute, ihre Schwester Ann-Beth Solvang

Siegfried Daniel Brenna Hagen Samuel Youn Gunther, König der Gibichungen Kristján Jóhannesson Gutrune, seine Schwester Liene Kinča Woglinde Mirella Hagen Wellgunde Rheintöchter Raehann Bryce-Davis Flosshilde Ann-Beth Solvang Die Mannen Arnold Schoenberg Chor Brünnhilde als Kind Leonie Brandel / Madeleine Bull Hagen als Kind Jonathan Fleming / Niklas Schönhofer

Premiere: Sonntag, 3. Dezember 2017 Aufführungen: 10. / 19. / 31. Dezember 2017, 18.30 Uhr

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Ererbte Schuld Regisseurin Tatjana Gürbaca und Dramaturgin Bettina Auer im Werkstattgespräch

Ein Vierteljahrhundert hat Richard Wagner an seiner Ring-Tetralogie gearbeitet. „Der Ring ist die Dichtung meines Lebens, all dessen was ich bin und all dessen was ich fühle“, schrieb er an seinen Verlag. Als er das Werk beendet hatte, schrieb er auf die letzte Seite der Partitur: „Vollendet in Wahnfried, ich sage nichts weiter!! R.W.“ Seit der Uraufführung hat das Musikepos Regisseure und Dirigenten unablässig zu individuellen Interpretationen inspiriert. Die komplexe Handlung, die Dauer der Geschichte über drei Generationen und die Vielschichtigkeit der Figuren aus Göttern, Halbgöttern und Menschen ließen den Strom der Deutungen niemals abreisen. Regisseurin Tatjana Gürbaca, Dramaturgin Bettina Auer und Dirigent Constantin Trinks haben für das Theater an der Wien eine spezielle Fassung des Rings für drei Abende erstellt, die sich auf drei Figuren fokussiert. Die Ring-Trilogie des Theater an der Wien erzählt die Geschichte am ersten Abend aus der Sicht des Mörders Hagen, dann aus der Sicht des Opfers Siegfried und endet mit der Sicht Brünnhildes.

Richard Wagner polarisiert als Mensch und Komponist über Klischees und Floskeln hinaus. Wie und wann kam es zur Idee, Wagners Der Ring des Nibelungen für das Theater an der Wien zur Ring-Trilogie zu bearbeiten? Tatjana Gürbaca. Eine eigene Fassung der Tetralogie zu entwerfen, ist ein großes, sehr lohnendes Abenteuer, wobei wir beileibe nicht die erste Bearbeitung des Rings erstellen. Ich fand die Idee von Roland Geyer erfrischend, eine Ring-Fassung für das Theater an der Wien zu erarbeiten. Die grundsätzliche Idee vor mittlerweile drei Jahren war es, einen kürzeren Ring zu realisieren, der neue Perspektiven ermöglicht. Das war in erster Linie eine inhaltliche und dramaturgische Überlegung. Der Ring des Nibelungen ist ein besonderes Werk, das einerseits versucht, die gesamte Welt zu erklären, und andererseits eine lange Familiengeschichte erzählt. Ich habe diesen Ansatz als Herausforderung, aber auch als tolle Möglichkeit empfunden, den Ring inhaltlich selbst zu gewichten und den Fokus neu legen zu können.

Wofür haben Sie sich entschieden, für die Erklärung der Welt oder für die Familiengeschichte? Tatjana Gürbaca. Als ich mich mit den unterschiedlichen existierenden Fassungen des Rings beschäftigt habe, wurde mir klar, dass man den Ring nicht auf die bekannten Actionmomente verkürzen sollte. Daher musste ich darüber nachdenken, was mich persönlich an Wagner interessiert, was ist der Kern des Rings und der anderen Wagner-Opern? Was macht diese Opern so dauerhaft erfolgreich, und warum nehme ich sie als modern und brennend wahr?

Haben Sie eine Antwort gefunden? Tatjana Gürbaca. Was ich an Wagner grundsätzlich spannend finde, ist, dass Geschichte immer im Krebsgang stattfindet. Wir haben uns diesen Ansatz bei Wagner abgeschaut. Die Figuren blicken zurück. Aus allem, was sie erlebt und erfahren haben und daraus, wie sie ihre Vergangenheit bewerten, entstehen Gegenwart und Zukunft. Gerade im deutschen Raum konnten wir durch die Teilung Deutschlands sehen, wie unterschiedlich Geschichte erzählt wurde und zu anderen

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Resultaten geführt hat. Dieses Nebeneinander von verschiedenen Wahrheiten, die aufeinanderprallen, ist das Moderne an Wagner und seinen Opern.

Wagners Werk nimmt in Ihrer Arbeit einen immer größeren Stellenwert ein? Bettina Auer. Angefangen mit , haben wir jetzt etliche Wagner-Opern erarbeitet. Je tiefer man in diesen ungeheuren Kosmos eintaucht, umso mehr thematische Verbindungen und Parallelen in den Charakteren der verschiedenen Werke entdeckt man. Tatjana Gürbaca. Ich genieße diese Entwicklung sehr und halte Wagner für einen wunderbaren Komponisten. Auf dem Papier mag einem zunächst manche Szene zeitlich lang vorkommen. Aber beim Inszenieren stelle ich immer wieder fest, wie unglaublich organisch Wagner geschrieben hat. Ich kann keinen überflüssigen Ton und kein überflüssiges Wort hören. Deswegen war es beim Erstellen unserer eigenen Fassung des Ring besonders wichtig, unsere Spielregeln genau zu definieren und von einer subjektiven Erzählweise auszugehen. Bettina Auer. Auch wenn es unsere Aufgabe war, eine kürzere Ring-Fassung zu erstellen, wollten wir keine Reader’s Digest-Version, keine auf bekannte Höhepunkte zugeschnittene Fassung erarbeiten. Die meisten Ring- Produktionen stellen Wotans Tragödie ins Zentrum. Wir haben uns die Freiheit genommen, zu überlegen, was eigentlich passiert, wenn die Geschichte aus der Sicht einer anderen Figur erzählt wird? Wohin führt es, wenn die Generation der Großeltern und Eltern Schuld auf sich lädt? Was passiert, wenn die Vorfahren Dinge tun, unter deren Folgen die Nachfahren zu leiden haben? Vielleicht werden unsere Kinder uns auch eines Tages die Frage stellen, warum wir nicht rechtzeitig etwas gegen die Klimaerwärmung oder den Rechtsruck in Europa unternommen haben? Tatjana Gürbaca. Von diesen Fragen ausgehend haben wir uns dafür entschieden, den Ring in Flashbacks zu erzählen. Es war uns schnell klar, dass wir dort ansetzen wollen, wo auch Wagner sein Mammutwerk begonnen hat. Siegfrieds Tod ist im Ring der Moment, auf den alles zuläuft, inhaltlich wie musikalisch. Daraus haben sich die drei Figuren ergeben, anhand derer wir die Geschichte erzählen können: der Mörder Hagen, das Opfer Siegfried und die Dritte im Bunde, die sowohl Geliebte als auch Verräterin ist, Brünnhilde.

Das heißt, Sie beginnen mit dem Teil der Nibelungensage, mit der auch Wagner begonnen hat? Bettina Auer. Ja, Wagner hat im Revolutionsjahr 1848 den ersten Entwurf eines Siegfried-Dramas mit dem Titel Siegfrieds Tod (der später zur Götterdämmerung wurde) geschrieben und währenddessen erkannt, dass er die komplexe Vorgeschichte nicht nur erzählen lassen kann, sondern auf die Bühne bringen muss. So kamen schließlich drei Opern vor Siegfrieds Tod hinzu und Der Ring entstand. In unserer Version wird an jedem der drei Abende Musik aus zwei Teilen der Ring- Tetralogie erklingen: Am ersten Abend Hagen gehen wir an Anfang und Ende des Bühnenfestspiels, verbinden also Szenen aus Rheingold und Götterdämmerung. In Siegfried liegen, eingebettet in Siegfrieds Entwicklungsgeschichte, Szenen aus Walküre und am letzten Abend Brünnhilde wird eine Szene aus der Walküre mit großen Teilen der Götterdämmerung verknüpft. Tatjana Gürbaca. Die Abende werden aus der Perspektive der zweiten und dritten Generation erzählt, welche die Schuld ihrer Vätergeneration noch immer auf den Schultern trägt. Hagen, Siegfried und Brünnhilde übernehmen die Last der Vergangenheit der ursprünglichen Antagonisten Alberich und Wotan.

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Um den Ring eifern Götter, Nibelungen, Menschen, Riesen, Alben und Naturwesen. Im Rheingold kommen noch keine Menschen vor. Erst Hunding, Siegmund und Sieglinde in Die Walküre sind Menschen. Wie haben Sie sich Wagners Figuren genähert? Bettina Auer. Die Götter im Ring sind vergleichbar mit den antiken Göttern und ihren menschlichen Eigenschaften, es sind quasi Menschen, die über mehr Macht verfügen. Mit der christlichen Vorstellung einer übergeordneten geistigen Instanz, die frei von unseren menschlichen Fehlern und Unzulänglichkeiten ist, haben diese Götter nichts zu tun. In der Ring-Trilogie sind diese Götter eher Machthaber der menschlichen Welt und mit der dazugehörigen großen Machtgier ausgestattet. Tatjana Gürbaca. Generell spielt bei Wagner der Kampf, die Natur der Zivilisation zu unterwerfen, eine große Rolle. Den Ausgang nimmt alles am Grunde des Rheins mit den drei Naturwesen, den Rheintöchtern. Ihre ersten Verse wie „Wallala, weiala weia“ stellen noch keine Worte dar – das ist eine semantische Ursuppe. Wie kleine Kinder lallen die Rheintöchter noch, sie brabbeln vor sich hin. Ein spielerischer Zustand, in dem noch keine Sprache existiert. Der Kampf, die Natur zu urbanisieren, scheitert immer wieder und findet immer wieder statt. Der Ring ist voller Hüttenbauer und Bauherren. Wotan lässt Walhall erbauen, Nibelheim ist ebenfalls der Versuch, die Natur zu bebauen. Mime ist ein Häuschenbauer im Wald, Hunding bewohnt die nächst größere Hütte und die Gibichungen errichten ihre Halle am Rhein. Alle wollen der Natur ein Stück Wohnlichkeit abringen, sie sich unterwerfen.

Der Ring ist von Wotans Speer über Notung bis zu den Äpfeln der Freia oder der Weltesche voll von mystischen Symbolen. Tatjana Gürbaca. Wir haben uns viel mit der Bedeutung der heiligen Gegenstande im Ring beschäftigt: Speere, Schwerter, Tarnkappen, Ring. Ich mochte in der Ring- Trilogie gerne erzählen, dass das Heilige nicht in den Gegenständen selbst liegt, sondern im Glauben der Figuren in die Gegenstände. Das Heilige beginnt im Menschen selbst, im Grunde genommen ganz mit Ludwig Feuerbach gedacht. In der Zeit der dritten Generation im Ring ist allerdings das alte Wissen um das Heilige verlorengegangen: Siegfried zum Beispiel weiß zunächst nicht um die Wirkung des Tarnhelms, die Macht des Rings interessiert ihn nicht, er zerbricht Wotans Speer, der alle Gesetze enthält, ohne Bedenken – Notung hingegen schafft er sich neu, für ihn ist dieses Schwert, da es das einzige Erbe seines Vaters ist, mit Bedeutung aufgeladen.

Kommen wir zu den drei Protagonisten der Trilogie: Ist Hagen ein Intrigant aus Überzeugung? Ein typischer Bösewicht? Tatjana Gürbaca. Bei Wagner tritt Hagen erst am vierten Abend auf, daher wird er nicht immer sofort als präsent und entscheidend wahrgenommen. In Wahrheit ist er der große Gegenspieler von Wotans Sippe. Hagen spinnt die weitreichenden Intrigen und führt die Geschichte ihrem Ende zu. Er ist neben Brünnhilde eine der Figuren des Rings, die der zweiten Generation angehören, während Siegfried als Enkel Wotans bereits dritte Generation ist. In Hagen steckt immer noch das einsame Kind, er fühlt sich unfähig, Freude zu erleben. Selbst in dem Moment, in dem seine lang gesponnene Intrige gegen Wotans Erben greift, kann er keinen Triumph empfinden. Sein Leben hatte sich ganz auf diesen Punkt verengt. Was soll nach der Rache kommen? Bettina Auer. Hagen, der sich selbst als „frühalt, fahl und bleich“ beschreibt, wurde spät gezeugt, aber als direkter Nachkomme Alberichs erfüllt er dessen Rachepläne

THEATER AN DER WIEN Pressegespräch DIE RING-TRILOGIE 08.11.2017 nicht nur, sondern wurde auch nur dafür erzogen. Alberichs Beziehung zu Hagens Mutter war kein Liebesbündnis, vielleicht hat er dafür bezahlt. Tatjana Gürbaca. Ein Kind lässt sich auch ohne Liebe zeugen. Bettina Auer. An einer Familie war Alberich sicher nicht gelegen. Interessant ist doch, dass wir alle von den Erwartungen unserer Vorfahren geprägt sind, meist allerdings ohne uns dessen bewusst zu sein. Hagen gegenüber wird diese Erwartung in der Traumszene in Götterdämmerung (II,1), in der ihm sein Vater Alberich erscheint und den Rache-Auftrag gibt, ganz klar ausgesprochen. Hagen wird von seinem Vater instrumentalisiert, genau wie auch Siegmund, Sieglinde, Siegfried und Brünnhilde von ihrem Vater bzw. Großvater Wotan instrumentalisiert werden.

Inwieweit ist Siegfried bei Wagner der klassische deutsche Held? Tatjana Gürbaca. Auch Siegfried ist ein armes, verlassenes Kind. Wotan hat zuvor schon seine Kinder Siegmund und Sieglinde im Stich gelassen und der arme Siegfried wächst bei einem Fremden auf, kennt seine Eltern nicht und weiß nichts von der Liebe und von der Furcht. Die urmenschlichsten Emotionen sind ihm unbekannt. Siegfried ist ein Junge, der ständig aus der Welt zu kippen droht und existentiell verloren ist. Immer wieder gerät er in dem Stuck in Zusammenhänge, die er nicht durchschaut, fühlt sich fremd in einer feindlichen Welt. Dabei ist er wissbegierig und lernfähig, auf der Suche nach Freundschaft und Liebe. Es ist tragisch, dass er erst kurz vor seinem Tod anfängt, Zusammenhänge zu ahnen. Bettina Auer. Das Bild von Siegfried als dem deutschen Helden stammt aus der Nibelungensage. Wagner stellt einen ganz anderen Siegfried vor, der vieles erreichen möchte, emotional aus allen Nähten platzt und dennoch seine Identität nicht findet, weil seine existentiellen Fragen lange nicht beantwortet werden.

Und Brünnhilde? Tatjana Gürbaca. Auch Brünnhilde ist durch das Handeln ihres Vaters bestimmt, hatte allerdings, bevor Wotan sie zur Strafe auf einem Felsen in Schlaf versetzte und damit jedem Mann, der sie fände, schutzlos ausgeliefert hat, ein ganz anderes Leben. Sie war nicht nur Walküre, also ein unabhängiges, freies Wesen, das die toten Krieger vom Schlachtfeld nach Walhall geleitete, sondern auch die Lieblingstochter ihres Vaters. Ihr wurde Vertrauen geschenkt, sie genoss Freiheiten. Ihre neue Rolle als hingebungsvolle, sich aufopfernde Liebende anzunehmen, fällt Brünnhilde nicht leicht. Umso mehr wehrt sie sich in der Szene mit ihrer Schwester Waltraute, ein weiteres Mal für Wotans Fehler einzustehen. So verweigert sie selbst dann die Rückgabe des Rings, als sie hören muss, dass Wotan kurz davorsteht, die Welt in Brand zu setzen. Erst nachdem Brünnhilde alles verloren hat, ist sie bereit, mit überkommenen Strukturen abzuschließen, das Alte zu zerschlagen, damit eine neue Welt erwachsen kann. Falschen Verträgen und ungerechten Hierarchien stellt sie eine alles verzeihende, umfassende Liebe entgegen.

Die ersten Entwürfe zur Nibelungensage verfasste Wagner bereits im Revolutionsjahr 1848. Wie gesellschaftskritisch ist Der Ring des Nibelungen? Bettina Auer. Wagner war von der politischen und künstlerischen Entwicklung im 19. Jahrhundert zutiefst enttäuscht. Alle seine Opern und besonders Der Ring spiegeln die politischen, gesellschaftlichen und sozialen Probleme der Moderne. Denn Wagner ging es darum zu zeigen, dass der Zustand der Welt fürchterlich sei und wir ihn ändern müssen. Gegen diesen Zustand schrieb er an, weil er die Utopie von einer Welt hatte, in welcher die Kunst (ganz besonders natürlich seine eigene) Veränderung und Versöhnung herbeifuhren könne.

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Tatjana Gürbaca. In einem Brief an Theodor Uhlig fantasiert Wagner von einer Revolution, die mit dem Niederbrand von Paris beginnen solle und an deren Ende der neue, freie Mensch stehe. Paris war ihm Inbegriff der Dekadenz und des Kapitals. Schon in Rienzi hat er diesen Gedanken verarbeitet, den man auch im Fliegenden Holländer finden kann und der im Ring im von Schopenhauers Philosophie geprägten Schluss kulminiert (Wagner hatte zuvor mehrere andere Varianten eines Schlusses geschrieben und ausprobiert).

Wagner hat sich viel mit den Möglichkeiten eines Opernhauses beschäftigt. In seiner Gesamtheit ist Der Ring des Nibelungen für Bayreuth entstanden. Welche Möglichkeiten sehen Sie im Theater an der Wien? Tatjana Gürbaca. Das Theater an der Wien ist eine intime Bühne, bestens geeignet fur den Ring, der im Grunde genommen aus kleinen und intimen Szenen besteht. Wagner nimmt sich die Zeit, genau und im Detail auf die Ereignisse und die Beziehungen zwischen den Figuren zu schauen, wie sich ihre Verhältnisse entwickeln und fortspinnen. Die Chance im Theater an der Wien besteht darin, auf einer kleineren Bühne das Publikum nahe am Geschehen teilhaben zu lassen.

Am Ende brennt Walhall und die Rheintöchter ziehen sich in die Tiefe zurück. Wie deuten Sie das Ende des Rings und das Scheitern von Wotans Plänen? Bettina Auer. Der Mediävist und Wagner-Kenner Peter Wapnewski nannte Wotan den traurigen Gott. Er steht normalerweise im Mittelpunkt, während die anderen Figuren als unvermeidbare Kollateralschäden gezeigt werden. Doch Wotan geht am Ende unter. Tatjana Gürbaca. Wotan mit all seiner Schuld, sein Reich und sein System gehen unter und schaffen damit Platz für etwas Neues. Am Ende gibt es wenige Überlebende, die eine neue Welt gründen, die vielleicht besser und gerechter sein wird.

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„Wagner ist schuld daran, dass ich Dirigent geworden bin“

Constantin Trinks über Wagner, den Ring und die Fassung für das Theater an der Wien

Von 2009 bis 2012 war Constantin Trinks Generalmusikdirektor am Staatstheater Darmstadt, wo er 2011 Wagners Der Ring des Nibelungen dirigierte. „Ich wiederhole immer wieder gerne, dass Wagner im Prinzip schuld daran ist, dass ich Dirigent geworden bin. Seine Musik hat mich schon als Kind extrem fasziniert, seit ich mit elf Jahren zum ersten Mal mit in Berührung kam. Ich war hingerissen von dieser mystischen Atmosphäre, und im Laufe der folgenden Jahre habe ich fast nur Wagner gehört. Ich war fast ein bißchen besessen davon. Heute würde ich vorsichtig sagen, dass Mozart noch ein bißchen weiter vorne steht. Aber Wagner blieb immer im Fokus meiner Tätigkeit und wird es auch bleiben. Mozart, Wagner und Strauss bilden den Kern meines Opern-Repertoires.“ 2015 leitete Constantin Trinks mit Heinrich Marschners Hans Heiling ein Schlüsselwerk der romantischen Oper. „Neben den erwähnten drei Komponisten übernehme ich aber immer wieder gerne ausgefallenere Werke wie vor zwei Jahren im Theater an der Wien Hans Heiling. Marschner war ja musikalisch ein Wegbereiter Wagners.“ Wie kaum ein anderer Komponist von seinem Rang hat Richard Wagner als Mensch und Künstler polarisiert, und tut es bis heute. Der Mensch Wagner sei auch für den Dirigenten höchst faszinierend, die Aspekte seiner Biographie, die in sein Werk eingeflossen seien, verfolge er mit Spannung. „Ich nehme an, es ist über keinen anderen Komponisten so viel geschrieben worden wie über Wagner, sein Werk und die Rezeptionsgeschichte. In meiner Arbeit fokussiere ich mich aber natürlich auf die Musik selbst.“

Die von Constantin Trinks erstellte musikalische Fassung folgt der inhaltlichen Idee von Regisseurin Tatjana Gürbaca und Dramaturgin Bettina Auer. „Die neue Perspektive von Tatjana und Bettina, den Fokus auf die jüngere Generation zu legen und Hagens, Siegfrieds und Brünnhildes Geschichte zu erzählen, hat mich überzeugt. Wir haben die neue Abfolge dann gemeinsam erstellt und besprochen, und ich konnte meine musikalischen Bedenken und Anregungen einbringen. Die Vorgabe war natürlich dramaturgisch schwierig zu bewältigen, denn bei Wagner ist kein Takt zu viel. Die Geschichte der Vätergeneration, vor allem der beiden Gegenspieler Wotan und Alberich, wird aber nicht ausgeklammert, sondern dann erzählt, wenn sie für die Geschichte ihrer Nachfahren von Bedeutung ist. Daher war es plötzlich logisch, dass Wotan in dieser Fassung eine etwas weniger große Rolle spielt.“ Kürzungen waren notwendig, um der Vorgabe einer neuen, dreiteiligen Ring- Fassung gerecht zu werden. Von einer kurzen Trilogie könne aber keine Rede sein, meint Trinks: „Der Ring in Originalgestalt dauert um die fünfzehn Stunden, unsere Fassung für drei Abende wird ungefähr neun Stunden dauern. Das ist immer noch viel Musik, aber in der Tat fällt natürlich einiges weg.“ Musikalische Grundlage war die Abbass-Fassung, benannt nach dem Bearbeiter Alfons Abbass, Bratschist der Meininger Hofkapelle, der 1905 eine reduzierte Ring- Bearbeitung für das Herzogliche Sächsische Hoftheater Coburg-Gotha erstellt hat. Wagner wollte gespielt werden, meint Constantin Trinks: „Wagner war es recht, dass seine Werke bearbeitet und so häufig wie möglich gespielt werden. Auch in kleineren

THEATER AN DER WIEN Pressegespräch DIE RING-TRILOGIE 08.11.2017

Theatern, in denen der Orchestergraben nicht das Fassungsvermögen für ein großes Orchester hatte, sollten Wagner- Werke gespielt werden können. Da die einzelnen Szenen für Die Ring-Trilogie umgestellt worden sind, ist der Ablauf in unserer Fassung völlig neu. An jedem Abend erklingt Musik aus jeweils zwei verschiedenen Ring- Opern. Die Orchestrierung basiert auf der Abbass- Fassung, und wir haben an dieser Vorlage kaum etwas verändert.“ Das Orchester ist mit drei Flöten, ansonsten zweifachem Holz, vier Hörnern, zwei Trompeten, drei Posaunen und Kontrabasstuba besetzt, beschreibt Trinks die reduzierten Bläser: „Die Farbe der Basstrompete, die bei Abbass nicht vorkommt, ist mir so wichtig, dass der Soloposaunist des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien bereit war, zwischen Posaune und Basstrompete zu wechseln. Die Wagner-Tuben, nach denen immer gefragt wird, werde ich ebenfalls, aber behutsam einsetzen. Das heißt, die Bläser sind in etwa halb so groß besetzt wie in der Originalfassung. Das ist der Größe des Grabens geschuldet.“

Die Umstellung der Szenen verursachte neue Anschlüsse, wie sie in dieser Form im Ring noch nie zu hören waren und von Wagner natürlich auch nicht gedacht wurden. „Ich hatte am Anfang meine Bedenken“, sagt Trinks, „konnte dann aber feststellen, dass sich die neue Abfolge der Szenen organisch aneinander fügt. Der zweite Teil zum Beispiel beginnt mit der ersten Szene zwischen Siegfried und Mime und dann folgt eine Rückblende in den ersten Akt der Walküre. Das ergibt folgenden Ablauf: Siegfried fragt Mime nach seinen Eltern, dann folgt ein fast filmischer Schnitt und wir blenden zurück in die Walküre. Diesen Übergang erlebe ich als so überzeugend, dass ich mich selbst über diesen erzählerischen Effekt freuen kann.“ Neu arrangierte oder komponierte Passagen waren an einigen wenigen Stellen notwendig. „Das haben wir so behutsam vorgenommen, dass die Grundlage selbstverständlich immer das Originalmaterial von Wagner bleibt.“ Eine neue Abfolge der Geschichte mit Schwerpunkt auf der zweiten und dritten Generation erfordert aber auch, dass die einzelnen Szenen nach dramaturgischer Relevanz und nicht nach Bekanntheit ausgewählt wurden. Constantin Trinks: „Der Walkürenritt ist das einzige orchestrale Highlight, das in der Ring-Trilogie aus erzählerischen Gründen nicht enthalten sein wird. Ansonsten ist vom Rheingold- Vorspiel über Siegfrieds Rheinfahrt bis zum Trauermarsch alles enthalten.“ Der Ring des Nibelungen ist ein komplexes Geflecht aus Leitmotiven, die von Richard Wagner zur Perfektion entwickelt und präzise eingesetzt wurden. „Leitmotive finden sich auch schon vor Wagner“, sagt Constantin Trinks. „Sie wurden und werden auch in der Literatur verwendet, aber sie stammen natürlich aus der Sprache der Musik. Der Ring des Nibelungen ist herausragend, weil kaum in einem Takt nicht mindestens ein, manchmal sogar mehrere Leitmotive erklingen. Ich staune aber selbst immer wieder, mit welcher Meisterschaft Wagner diese Bausteine ineinander verwoben hat, dass es letztlich stets einen symphonischen Fluss ergibt. Manche Motive tauchen an Stellen auf, an denen sie textlich nicht erwähnt sind, wodurch Wagner mehr über die psychologische Situation der Figuren erzählt, als ihnen selbst bewusst ist. In dieser Vielschichtigkeit liegt Wagners erzählerische Kunst. Vom Rheingold bis in die Götterdämmerung erfahren manche Motive auch Abwandlungen, während andere gleich bleiben. Das Siegfried-Motiv verändert sich zum Beispiel stark im Verlauf der Handlung und seiner Entwicklung. Manche Figuren wie Brünnhilde werden durch mehrere Motive charakterisiert, die die Reifung der Figur begleiten und beschreiben.“

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Auf dem Orchester schwimmen

Als Dirigent sei Constantin Trinks zunächst ganz pragmatisch dafür verantwortlich, dass die Sanger gehört werden. „Nur in vereinzelten dramatischen Höhepunkten ist es sinnvoll, zugunsten der musikalischen Architektur und des Aufbaus für wenige Momente auch die Stimme in den Gesamtklang einzubetten. Das mache ich aber nur an den allerwenigsten Stellen.“ Ansonsten bevorzuge der Dirigent es, wenn das Orchester akustisch unter dem Ensemble bleibe: „Die Stimmen müssen auf dem Orchester schwimmen können, aber natürlich niemals untergehen. Viele Zuhörer, die mit Wagner noch wenig Erfahrung haben, kennen oft nur die bekannten, lauten Passagen und halten Wagner für bombastisch und pathetisch. Zu diesem Ergebnis kommt man wahrscheinlich, weil man nur den Walkürenritt aus dem Film Apocalypse Now kennt, der wie auch der Trauermarsch beeindruckend wuchtig ist. Aber denken wir daran, wie der Ring im Rheingold wie aus dem Nichts und ganz piano beginnt. Bei Wagner gibt es mehr leise als laute Stellen, ihm ging es immer um Vielseitigkeit und Kontrastreichtum. Das ist auch dramaturgisch notwendig, denn Höhepunkte kann man natürlich nur dann wahrnehmen, wenn sie in der Dynamik deutlich hervortreten. Wagners Opern sind architektonisch perfekt aufgebaut und variieren von Brutalität bis zu Momenten unglaublicher Zartheit und Zerbrechlichkeit.“ Das Ensemble der Ring-Trilogie setzt sich aus erfahrenen Wagner-Sängern wie Martin Winkler als Alberich oder Daniel Brenna als Siegfried, die beide ihre Partie bereits mehrfach gesungen haben, ebenso zusammen wie aus vielen Wagner- Debütanten. Ingela Brimberg debütiert als Brünnhilde ebenso wie Samuel Youn als Hagen. Dass das Theater an der Wien ein kleinerer Raum ist als klassische Wagner- Häuser und das Orchester kleiner besetzt sei, ändere nichts daran, dass die Sänger vokaltechnisch natürlich für Wagner geeignet sein müssen, sagt Constantin Trinks. „Nur weil der Raum kleiner ist, wird aus einer Pamina keine Brünnhilde. Die Stimmen müssen sich in Wagners Musik wohlfühlen.“ Als Siegfried tritt Daniel Brenna zum ersten Mal an der Wienzeile auf. Der US - amerikanische Tenor studierte Musikwissenschaft an der Boston University, wo er neben einem Masterabschluss auch sein Operndiplom erwarb. Nach seinem internationalen Debüt als Aron in Schonbergs Moses und Aron 2011 im Opernhaus Zürich wurde Wagners Siegfried zu einer der Paraderollen des Tenors. „Daniel Brenna spielt einen wahnsinnig überzeugenden, jungen Siegfried. Er hat mir in den Proben mehrfach Gänsehaut beschert“, sagt Trinks, „seine Rollengestaltung ist ebenso bemerkenswert wie glaubwürdig. Wichtig ist immer die Authentizität in den Beziehungen zwischen den Figuren. Ansonsten ist mir das Alter der Sänger egal, ob ein Wotan-Darsteller nun 35 oder 53 Jahre alt ist, hat keinen primären Einfluss auf die Qualität.“

Das Gleichgewicht zwischen Natur und Menschheit

„Der Ring des Nibelungen enthält viele verschiedene Aspekte und lässt viele Deutungen zu. In jedem Regiekonzept werden andere Aspekte hervorgehoben.“ Der Missbrauch von Macht durch den Liebesverzicht stellt für Constantin Trinks einen ebenso wichtigen Aspekt dar wie jener der Vergewaltigung der Natur: „Im Zeitalter der Industrialisierung weist Wagner auf die Rücksichtslosigkeit der Gier hin. Wenn ich in einem Zug sitze, frage ich mich oft, wie sah die Landschaft vor dem Fenster eigentlich früher einmal aus? Heute sehe ich zementierte Flussbetten, die wieder renaturalisiert werden müssen. Dann werde ich mir wieder ein Stück weit bewusst,

THEATER AN DER WIEN Pressegespräch DIE RING-TRILOGIE 08.11.2017 wie weit wir uns von der Natur entfernt haben. Wagners Naturwesen wie die Rheintöchter, Erda, Loge und der Waldvogel sind hingegen direkt mit den Elementen verbunden, stehen außerhalb persönlicher Schuldfragen und Leidenschaften und wollen das Gleichgewicht zwischen Natur und Menschheit wieder herstellen. Nach dem Weltenbrand am Ende des Rings führt der Rhein die Reinigung herbei, löscht die Vergehen der Menschen und stellt den Zustand vor dem ,Sündenfall‘ wieder her.“ Bertrand d Texte und Interviews für das aktuelle Stagione Magazin #2 von Johannes Penninger

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Ö1 Club-Ermäßigung Ö1 Club-Mitglieder erhalten auf maximal zwei Karten pro Vorstellung eine Ermäßigung von 10%. Die Ermäßigung gilt für alle Eigenproduktionen. Bei Abonnements und Stehplatzkarten sowie Veranstaltungen im Rahmen der Wiener Festwochen ist keine Ermäßigung möglich. Die Ö1 Club-Ermäßigung ist gegen Vorlage der Clubkarte bzw. Angabe der Mitgliedsnummer erhältlich.

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Rückfragehinweis:

Pressebüro THEATER AN DER WIEN Sabine Seisenbacher Pressesprecherin Gabriela Hauk, Iska Imb Pressebüro

Pressebüro Theater an der Wien Corporate Communications/Vereinigte Bühnen Wien GmbH Linke Wienzeile 6, 1060 Wien Tel. +43 1 588 30-1520 E-Mail: [email protected] Internet: www.theater-wien.at

Änderungen vorbehalten | Stand: 07.11.2017

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