„Merkel-Putin-Coming-Out“ (Pdf)

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Tiefensee selbst hatte bei der Städtekür auf der Bühne mit dem Cello „Dona nobis pa- cem“ intoniert, die Botschaft der friedli- chen Revolution gegen die Staatsmacht. Eine „schwierige Debatte“, sagte er ver- gangenen Mittwoch, als Thärichen auf zu- nehmenden Druck beschlossen hatte, sein Amt einstweilen ruhen zu lassen. „Eine Entscheidung ist immer in der Situation zu sehen, in der sie gefällt wurde.“ Von heu- te aus betrachtet, deutet Tiefensee damit wohl an, war Thärichens Berufung falsch. Bei dem SPD-Politiker schien zunächst der bewährte Reflex zu funktionieren: Der Spross einer katholischen Bürgerfamilie PETER ENDIG / DPA versteht es, notwendige Reparaturen – Leipziger Olympia-Werbung: „Nationale Aufgabe“ auch nach selbst verschuldeten Unfällen – als gewollte Verschönerung zu verkaufen. Thärichen, beeilte sich also Tiefensee zu OLYMPIA erläutern, sei immer nur „zweiter Ge- schäftsführer“ gewesen. Auf der vakanten Position darüber werde nun – planmäßig, Haar in der Suppe wie er versichert („Auch von Richthofen wurde vorher informiert“) – ein promi- Stasi-Verwicklungen bringen die deutsche Bewerbung nenter Mitarbeiter installiert: Es ist der ehemalige Schwimmer Michael Groß. für 2012 in Bedrängnis. Auch gegen Michael Groß „Eine Wahl erster Güte“ sei getroffen als Geschäftsführer in Leipzig rührt sich Widerstand. worden, sagt Tiefensee. Allerdings habe man nicht ein neues „Gesicht der Bewer- n nimmermüdem Einsatz war Wolfgang bung“ gefunden, wie angenommen wurde, Tiefensee, 48, durch das Sportprogramm sondern „einen ganz normalen ersten Ge- Ides Sommers gejettet. Weltmeisterschaf- schäftsführer“. Der Mann auch seiner Wahl ten der Leichtathletik in Paris, Kunstturnen sei „ein pragmatischer Arbeiter, kein in Anaheim (USA), Universiade in Daegu Sonnyboy“. Die Einstellungsgespräche (Südkorea), Rudern in Mailand, Schwim- wurden heimlich am Dresdner Flughafen men in Barcelona, Bogenschießen in New geführt. York, Wildwasserkanu in Augsburg. Bei Vielleicht etwas zu heimlich. Dass der den Championaten wollte der erste Re- Aufsichtsrat die Personalie Groß am nächs- präsentant der Leipziger Olympia-Bewer- ten Samstag absegnet, ist nämlich keines- bung lernen – und den IOC-Entscheidern wegs sicher. Hermann Winkler, Chef des die Wünsche von den Lippen lesen. Landessportbundes und Generalsekretär Es sei nun mal „Grundphilosophie der der Sachsen-CDU, kündigt Widerstand an: Stadt“, sagt ihr Oberbürgermeister, „sich POINT / PICTURE IMAGO Die kolportierte Jahresgage (300000 Euro) immer mehr vorzunehmen, als man mo- Olympia-Bewerber Thärichen, Tiefensee für Groß sei „einfach zu viel“. Eine CDU- mentan zu leisten vermag“ – um am Ende „Schwierige Debatte“ Gruppe im Aufsichtsrat sähe ohnehin lie- daran zu „wachsen“. ber ein heimisches Gesicht auf dem Posten Vorige Woche bewies Leipzig immensen erfuhr als Aufsichtsratschef erst im ver- – genannt wurde Katarina Witt. Wachstumsbedarf. Der Serie von Pannen – gangenen Juli, als die Akte Thärichen auf Ob Groß geeignet ist, vorausgegangene stockende Marketingprogramme und bizar- dem Tisch lag, von der Brisanz der Perso- Fehler zu kaschieren und Sponsoren zu re Personalquerelen – schloss sich eine nalie, Sportbund-Präsident Manfred von beruhigen, scheint der Oberbürgermeister Stasi-Verstrickung in der Bewerbergesell- Richthofen dieser Tage aus der Zeitung. selbst zu bezweifeln. Nicht umsonst ap- schaft an. Über deren Geschäftsführer Dirk Nach dem Stasi-Wirbel – auch um den pellierte Tiefensee vorige Woche, die Kan- Thärichen, 34, war bekannt geworden, dass Förderer der Rostocker Bewerbung um die didatur müsse endlich „als nationale Auf- er seinen Wehrersatzdienst beim Stasi- olympischen Segelwettbewerbe, den eins- gabe begriffen werden“. Er ahnt: Je länger Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ ableis- tigen IM Harald Lochotzke – bewegt vor die deutsche Öffentlichkeit die „olympi- tete. Ein Sachverhalt, den er mit Korrektu- allem die Frage: Durfte Tiefensee, der sche Seilschaft“ („Frankfurter Allgemei- ren am Lebenslauf offenbar vor der Öf- frühere Bausoldat und Bürgerrechtler der ne“) rügt, desto später ist mit dem Rückhalt fentlichkeit zu verbergen versuchte und über Bewegung „Demokratie Jetzt“, unter Hin- der Bevölkerung im ganzen Land zu rech- den Tiefensee und seine Mitstreiter seit De- weis auf arbeitsrechtliche Unbedenklich- nen. Den aber verlangt das IOC. zember 2001 Bescheid gewusst haben. keit über den Fall Thärichen hinwegsehen? Außerdem behindert die gewachsene Der Aufsichtsrat wurde nicht über Thäri- Schließlich, so konnte er argumentieren, Skepsis die Arbeit der Marketingstrategen. chens Mitgliedschaft in der Stasi-Einheit sei eine Vergangenheit im „Dzierzynski“- Von den 30 Millionen Euro Bewerbungs- informiert. NOK-Chef Klaus Steinbach Regiment allein auch bei Einstellungen im kosten will die GmbH 10 bis 15 Millionen („Eine Frage des Fingerspitzengefühls“) Öffentlichen Dienst nicht meldepflichtig. bei rund 30 Unternehmen eintreiben. Je der spiegel 42/2003 153 Sport weniger sie dort kassiert, desto mehr muss der Steuerzahler beitragen. Bis zur Aufsichtsratssitzung am Sams- tag soll das Finanzkonzept auch für die rund fünf Milliarden Euro teuren Bauvor- haben stehen. 500 Millionen davon wer- den schon bis zum IOC-Entscheid 2005 ge- braucht. Die Bereitschaft des Landes Sach- sen, sich kräftig zu beteiligen, ist nach dem Wandel des Bewerbungskonzepts ge- schwunden. Denn die geplanten Spiele, einst als Olympiade des ganzen Freistaats entworfen, sind längst zum Exklusiv-Event der Heldenstadt mutiert. Als diese Volte erklärt werden musste, half noch Tiefensees Trick, jede Notoperation als beabsichtigte Veredelung umzudeuten. Da- bei hatten schon im November vergangenen Jahres Prüfer des NOK zu lange Transport- wege zwischen den Wettkampfstätten mo- niert. Kandidat Leipzig reagierte: Er nahm den vorgesehenen Wettkampfstätten Chem- nitz und Dresden Radrennen und Volleyball, / BONGARTS HASSENSTEIN ALEXANDER später auch Tennis wieder weg. Nach der Partner Pöker (l.), Lochotzke (r.)*: Mehr als 400 Seiten starke Stasi-Akte nationalen Kür geriet Riesa unter die Räder. Tiefensee nennt die Änderung „gering- Kampagne ableiten, das Logo und der vom vestieren wollte – Rostock sollte nur „die fügig“, eine „konsequente Weiterführung“ Aufsichtsrat jetzt zu beschließende Slogan erforderlichen Grundstücke“ bereitstellen. des vor dem NOK präsentierten Konzepts. werden dieser Idee folgen. Deutschlands Die Bürgerbewegten vom Runden Tisch In Wahrheit hat die Leipziger Offerte seit- IOC-Mitglied Thomas Bach sprach schon ließen die Offerte vom ehemaligen Ham- her einen grundlegend veränderten Cha- von „Spielen der Begegnung“, Tiefensee burger Bürgermeister Peter Schulz, der die rakter – und durchaus etwas, wonach die wählte die Formel „Olympia rund um den Polit-Neulinge als Anwalt beriet, prüfen. Rivalen Paris, London, Madrid, Moskau, Marktplatz“. Und während das Aufsichts- „Mir war sofort klar“, so Schulz, „dass das Istanbul, Rio de Janeiro, Havanna und ratsmitglied Georg Milbradt, der Minister- ein ausgemachter Schwindel sein musste.“ New York angestrengt suchen: ein eigenes präsident und CDU-Mann, seinen Sachsen Besonders Lochotzkes Firma Alpha-Con- Profil. 97 Prozent der Medaillen würden in in Chemnitz oder Riesa erklären muss, dass sult schien ihm fragwürdig. Die habe noch Olympia an ihnen vorbeigeht, ze- nicht einmal eine „Geschäftsadresse, son- mentiert Tiefensee seinen Helden- dern gibt auf ihrem Briefbogen als An- status. Als bekannt wurde, dass schrift ,postlagernd Warnemünde‘ an“. sich Leipzig beim IOC-Kongress im Doch den schon in der Nachwendezeit Juli 2005 in Singapur als zweite der geäußerten Verdacht, er habe damals Gel- neun Städte vorstellen soll, jubelte der aus dem Stasi-Wirtschaftsimperium des der Klassik-Fan, dessen Vater Ka- DDR-Devisenbeschaffers Alexander Schalck- pellmeister an Leipzigs Städtischen Golodkowski waschen wollen, weist Lo- Bühnen war: „Ein Auftakt mit Pa- chotzke von sich: „Ich bin naiv gewesen ris, dann ein Acht-Achtel-Takt! Als und von West-Geschäftsleuten missbraucht Musiker weiß man, dass auf dem worden.“ Nur: Lochotzke arbeitete zu ersten Achtel die Betonung liegt.“ DDR-Zeiten für den „Volkseigenen Betrieb Er hoffe, Leipzigs Auftritt werde Ökonomisches Forschungszentrum des Bin- LORENZ BAADER LORENZ „der Paukenschlag“ sein. nenhandels“. Sein Job war die Entwicklung Funktionäre Groß, Steinbach: „Erste Güte“ Wenn da nur der „Stasi-Krake“ und Beschaffung von Computerprogram- (Tiefensee) nicht wäre, der vorige men. Und der VEB hatte Querverbindungen einem Umkreis von zehn Kilometern, mit- Woche auch Rostock, den Bewerber der zum Bereich „Kommerzielle Koordinie- ten in der Stadt, ausgespielt. Segelwettkämpfe, in Atem hielt. Der Im- rung“ des Stasi-Offiziers Schalck. Solch
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