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Montag, 1. Oktober 2012 / Nr. 227 Neue Luzerner Zeitung Neue Urner Zeitung Neue Schwyzer Zeitung Neue Obwaldner Zeitung Neue Nidwaldner Zeitung Neue Zuger Zeitung Szene 32 Abgehört Herausgeputzt Drei Highlights des Herbsts sc. Die Inner- PoP und schweizer Dusty Boots grizzly Bear setzen mit neuen wandeln auf Alben den Standard, der Pop- den staubi- gen Pfaden, musik von heute auszeichnet: die ihnen die rock-Folk- zugänglich, aber komplex. blues-Country-tradition vorgespurt hat. Dieses versammelt akustisch herausgeputzte Covers: Pirmin BoSSArt Alte trad.-Schlachtrösser («Jacobs [email protected] Ladder», «Dirty Old town») mar- schieren auf, aber auch Perlen von Grizzly Bear aus New York haben nach Altmeistern wie John Fogerty oder «Veckatimest» (2009) mit Shields ein John hiatt. Mandolinen zirpen, das weiteres Album vorgelegt, das man bei Akkordeon schwelgt, Männerstim- jedem Hören wieder neu entdecken men werden kehlig. etwas brave, kann. Ihre kunstvoll verwobene Arran- aber schwer korrekte roadmusic. gierkunst ist noch ambitionierter und Dusty Boots: Acoustic tendiert mit ihren orchestralen Ausbrü- (www.dustyboots.ch) ••••• chen manchmal fast ins Prog-Rockige. Gerade auf den letzten zwei Songs fährt die Band so episch-hymnisch aus, dass Rosi Reloaded man schon den Stadion-Kitsch spürt, in den diese Ambitionen zu kippen drohen. mg. Blu- mentopf Feinheiten sind eine der Noch ist es nicht so weit. Folkige Konstanten Schlichtheit, jazzige Harmonien, Pop- des intelli- Gebrause und Kunstrock-Attitüden we- genten deut- ben so schöne wie nahrhafte Songs, die schen raps. man kaum kategorisieren kann. Die Mit witzigen Musik wird Popfreunde begeistern, die hintergründigen texten feiern sie neben Melodien und eindrücklichen auf «Nieder mit der gbr» jetzt Stimmführungen auch komplexe Arran- auch ihr 20-jähriges Jubiläum. Sie gements und klangliche Feinheiten ent- erfinden das rap-rad dabei nicht decken wollen. Handkehrum sind die neu, setzt aber viele liebevolle Ak- Songs immer genug eingängig, wie das zente. grossartig die Single «bin am ohrenfälligsten «Yet Again» demons- dann mal weg» und «rosi». Dieser triert. Der Song hat jene Frische und track ist eine (melancholische) jenes Timbre, mit denen uns hierzu- Weiterspinnung vom track der Spi- lande sonst nur Alvin Zealot begeistern. Die two gallants machen verschwommene der Murphy gang. Die singen auch Grizzly Bear öffnen musikalische Räu- Fotos, dafür jetzt klarere Musik. grad den refrain. me, in denen die Geister der Rock-Ver- PD Blumentopf: Nieder mit der GBR gangenheit mit den zeitgenössischen (Virgin) ••••• Pop-Errungenschaften eine zwanglose Einheit bilden. Dieser Bär hat das Gesängen und seinem exzentrischen phorischen Stimmen und noisigen der sich als schlicht erzählte Story auf Rock’n’Roll-Gebrüll abgelegt, dafür him- Geschwirre die herkömmliche Singer- Schnipsels und Samples. Folkgitarre und Stimme reduziert. Gitarren-Klassik meln jetzt die jugendlichen Chorstim- Songwriter-Gitarrenmusik mit Elektro- Vom Sog her fühlt man sich bisweilen Auf dem neuen Album fährt das Duo men, wie sie zum dominanten Merkmal puls und Innovation bereicherte. an die Sechziger-Psychedelikband 13th seine raue Dynamik noch rockiger als mat. Die vieler Indie-Popbands geworden sind. Floor Elevators erinnert. Technisch-mu- bisher aus und überschlägt sich manch- «beschwö- Der Wechsel von Opulenz und Intimität Endlos-Jukebox sikalisch mögen Animal Collective fort- mal fast vor Inbrunst («Winter’s Youth»). rung» führt auf «Shields» macht die Emotionalitäten Auch auf dem aktuellen «Centipede geschrittener sein. Dafür lassen sie das Der heiser aufgeraute Gesang gibt dem die CD im so fragil wie kontrolliert. Unter dem Hz» schwirren und flirren die Bruch- Betörende und Wilde vermissen, das die Sound die passende Note, und die fett titel, und schöngeistigen Körper dieser Band vib- stücke aus Samples, Gitarren und Stim- Elevators lieferten und das auch die produzierten Refrain-Ausbrüche sorgen beschwö- riert eine melancholische Unruhe. men zu einer aufgekratzten Mixtur, als frühen Animal-Collective-Alben als at- für die hymnische Würde. Wo Grizzly rend ist ihre ob der ganze Informationsüberfluss der mosphärisches Gemunkel geprägt hatte. Bear und Animal Collective mit ihren Musik. Der Geschwirre modernen Welt in diese Musik verquirlt schillernden Klang-Outfits den Hipster- Schwede Mattias Jacobsson Zu den mit Spannung erwarteten würde. Dennoch ist das weit entfernt Heisere Rocker Faktor der urbanen Schickeria markie- spielt eine fast schon transzenden- Indiepop-Alben dieses Herbstes gehört von zufälligen Zwirbel-Jams. Es gibt Im Vergleich geradezu konventionell ren, kümmern sich Two Gallants eher tal reine gitarre. In Stücken, die das neue Werk von Animal Collective. klare Themen und Melodielinien, die und bodenständig hört sich das vierte um die frisch gebohnerten Holzfäller- um das Werk Francisco de Asís Die Band aus hat jahrelang mit pulsierend drängenden Rhythmen Album «The Bloom And The Blight» von hemden der Feierabend-Rocker. tárrega kreisen, Wegbereiters der einem experimentell-verschrobenen dieses laut girrende Sound-Karussell in Two Gallants an. Gitarrist Adam Ha- Grizzly Bear: Shields (Warp/MV) modernen gitarre, zeigt er die und faszinierenden Psychedelik-Folk Bewegung halten. worth Stephens und Schlagzeuger Tyson Animal Collective: (Domino/MV) Schönheit dieser romantischen gehuldigt, bevor sie mit den letzten zwei «Centipede Hz» erscheint eine Spur Vogel aus San Francisco machen eine Two Gallants: The Bloom And The Blight (Fargo/ Welt. technisch versiert – oft Alben einen geradlinigeren, wenn auch geradliniger und bodennäher als der Melange aus Old Time Folk Songs und Irascible) glaubt man zwei gitarren zu hören verpixelten Pop-Kurs einschlugen. Vorgänger. Die kreiselnden Gesänge und rockigen Eruptionen, manchmal auch – und mit emotionalität ist dies Das letzte Werk «Merriweather Post submarinen Stimmungen sind nicht innerhalb eines Songs. «Halcyon Days» eine CD für den Kerzenschein. Pavilion» (2009) katapultierte die Band mehr dominant. Aber noch immer oder «Ride Away» sind mainstreamige Invocación: Mattias Jacobsson (git) sofort in die obersten Begeisterungs- strömt diese Musik wie ein Strudel aus Kracher, die beinahe schon radiotaug- www... spielt Tárrega & Chopin ••••• Ränge der Indie-Szene. Es war ein Al- einer irrlichternden Loop-Jukebox, er- lich sind. Handkehrum gibt es einen Hörproben aller Alben finden Sie auf bum, das mit seinen zirkulierenden füllt von elektronischem Gefiepe, eu- akustischen Song wie «Broken Eyes», www.luzernerzeitung.ch/bonus

Zwei Augen gegen zwei millionen Als Paul Simon nichts einfiel ls Kind spielte ich sehr gerne «Ich imon & Garfunkel gehören zu den Text unglaublich stark: Es geht um Asehe was, was du nicht siehst». Serfolgreichsten Popduos. «The Bo- Angst, Demut, Hoffnung, Verlassen- Der Clou bei diesem Spiel besteht xer» schrieb Paul Simon 1968, der heit, Heimatlosigkeit, wobei man den- darin, etwas zu sehen, was der ande- Song erschien auf ihrem Kult-Album noch nie aufgibt. Und um den Jungen, re übersieht – entweder weil es so der die Quartiere der Armen aufsucht, offensichtlich oder so versteckt ist. Ich wo nur die zerlumpten Leute hingehen war nicht sonderlich gut darin, spätes- SongS mAchen (« ...seeking out the poorer quarters tens nach drei Fragen war mein Ding where the ragged people go ...»). jeweils enttarnt. geSchichten Inspiriert habe ihn damals die Lek- Ich wäre wohl kein guter Schieds- türe der Bibel, berichtete Paul Simon. richter geworden. Die müssen immer Er war mit Art Garfunkel für den alles sehen: das Offensichtliche, das epochalen Song von über 5 Minuten Dauer mehr als 100 Stunden im Stu- Michel Richter dio. Ich habe die beiden mehrfach live über «The gesehen und bekomme jedes Mal eingeSchAltet Boxer» (Simon Gänsehaut, wenn ich den Song höre, Michael Graber über Fehlent- & Garfunkel, auflege oder das schwarz-weisse Bild scheidungen und Besserwisser. 1968) meines Vaters als Boxer ansehe. Simon & Garfunkel, die weitere «Bridge Over Troubled Water», davor Nummer-1-Hits wie «The Sounds Of Versteckte und eine ganze Menge an- als Single, aber nur auf der Rückseite Silence», «Mrs. Robinson» oder «El dere Dinge, die ausser ihnen in diesem von «Baby Driver». Zum Glück dreh- Condor Pasa» hatten, trennten sich Moment gerade niemand sieht. Schiedsrichter Stephan Studer beim ten die Radio-DJs die Platte um, so 1969, kamen aber immer wieder zu- Spiel Yb gegen basel. wurde der Song zum Megahit. sammen. So etwa 1981 für das legen- Depp der Nation Key Sein wichtigstes Markenzeichen ist däre «Concert im Central Park». Und wenn sie es nicht sehen, dann der unter die Haut gehende Refrain sind sie die Deppen der Nation. So «Li-la-li». Geplant war der allerdings HINWEIS kürzlich beim TV-Live-Spiel Young Boys man die strittige Szene in Slow Motion nicht mit einer Trillerpfeife auf dem nicht. Paul Simon fiel für den Refrain  «The Boxer» hören Sie heute um 14.55 Uhr gegen Basel, als Schiedsrichter Stephan dutzendfach gesehen hat. Studer da- Platz stehen. Vielleicht hätten wir die- einfach kein passender Text ein. Aus bei Radio Pilatus im «Popkeller». Studer einen glasklaren Penalty «über- gegen hatte eine Millisekunde Zeit, um sen Penalty gesehen, viele andere Sze- der Notlösung wurde Popgeschichte. Der Luzerner Michel Richter (59) ist DJ und auf die sah». Die Fussballschweiz schüttelt seit- seine Entscheidung zu treffen. nen dagegen nicht. Und sowieso: Wäre Mich berührt der Song, der in New grössten Hits und Oldies ab Original-Vinylplatten her den Kopf und diskutiert einmal Wir auf dem Sofa sind immer im der Fussball wirklich noch so lustig, York spielt und von einem Verlierer spezialisiert. Infos: www.musicmagicians.com. mehr über angebliche Fehlleistungen Vorteil und sollten uns dieser Position wenn wir uns nicht über Fehlentschei- handelt, nicht zuletzt, weil mein Vater Am kommenden Sonntag startet er eine neue und fordert teilweise gar den Video- auch bewusst sein. Es gibt diverse de ärgern könnten? ein erfolgreicher Amateurboxer war. Reihe von Auftritten im Hotel Montana beweis. Immer aus der Position, dass Gründe, weshalb wir dort sitzen und [email protected] Ausserdem sind sowohl Melodie wie Luzern. Infos: www.hotel-montana.ch/gos 