Sprachrohr 4/2015
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SPRACHROHR mitgliederzeitung des fachbereiches Medien, 25. jahrgang nr. 4 Kunst und Industrie berlin-brandenburg Dezember 2015 Inhalt Seite 3 Offene Tür – MedienGalerie mit Zeichnungen von Flüchtlingskindern Seite 4 Babylonische Ver(w)irrungen Seite 7 Freispielen – Flüchtlingsbegegnungen im Playbacktheater Mittelseiten Lesen und laufen – Marathon im Doppelpack in Berlin Seite 16 Mindestlohn fürs Zeitungszustellen – unter Umständen »Mir auch ein Stück, bitte!« Geburtstagskuchen im TAP-Ausweichquartier Prater Foto: Chr. v. Polentz / transitfoto.de lem junge Besucher auf diese Phan- Wenn ich will, ist mein tasiereisen ein, gefesselt von Klassi- kern wie »Schneekönigin«, »Romeo und Julia« oder Uraufführungen mit neuen Stoffen. Das Theater ist Part- Nachbar ein Pferd ner von Koproduktionen im In- und Ausland, von Projekten mit Museen TAP – 65 Jahre Theaterkunst für Kinder und Jugendliche oder Wohnungsbaugesellschaften. Und derzeit ist es selbst auf Reisen, er Geburtstagskuchen ist ange- Ensemble. Inszenierun gen von Horst blikum und Förderern verhindert, die weil gebaut wird. Nachdem der Neu- Dschnitten, die jungen Zuschauer Hawemann begründe ten die künst- Stellenreduzierung auf 81 allerdings bau von Bühne 3 Ende Oktober mit reißen sich nach der Vorstellung um lerische Autonomie des Kinder- und nicht. der Premiere von Otfried Preußlers ihn. Zu feiern war Mitte November Jugendtheaters in der DDR, namhaf- 2005 schließlich bekam das Haus »Kleine Hexe« eröffnete, wird jetzt der 65. Geburtstag des THEATERS te Autoren schrieben Stücke, Gäste den heutigen Namen und das Profil das Innenleben des Haupthauses auf AN DER PARKAUE (TAP), zu erzählen zeigten sich beeindruckt von der als Zentrum künstlerischer Vielfalt. den Kopf gestellt. Technik, Bestuh- war die wechselvolle Geschichte des Qualität der Aufführungen. Gast- lung, Heizung, Garderoben, Brand- Jungen Staatstheaters in Berlin. spielreisen führten in die BRD und schutz werden erneuert. Deshalb er- 1911 als Höhere Knabenschule in europäische Staaten, die internati- Phantasie macht alles obert das Theater in seiner 66. Spiel- Lichtenberg gebaut, überstand das onale Anerkennung folgte. zeit Berlin: den Prater im Prenzlauer Haus den 2. Weltkrieg, bekam 1948 Nach der Wiedervereinigung be- möglich Berg, die Tischlerei an der Deutschen vom sowjetischen Militärkomman- gann ein hartes Ringen um das The- Oper, das Kulturhaus Karlshorst und danten Tschuikow den Befehl zur Um- ater. 1991 wurde die Beschäftigten- »Das TAP ist ein Spielraum der Träu- das Haus der Kulturen der Welt – Er- gestaltung in ein »Haus der Kulturen zahl von 240 auf 151 abgeschmol- me und Wünsche«, sagt Intendant satzspielstätten bis Ende 2016 für die der Sowjet union, Filiale für Kinder«. zen, mit der Phase als »carrousel Kay Wuschek. »Wenn ich will, steht »Träume«, die wir auch weiterhin Am 16. November 1950 eröffnete Theater an der Parkaue« folgten zur am Nordpol ein Schloss. Wenn ich »keimen, aufblühen, anecken, stür- es unter der Leitung von Hans Ro- Jahrtausendwende Strukturänderun- will, habe ich fünf Brüder. Wenn ich zen, brechen und sich neu erfinden denberg als »Theater der Freund- gen und Stellenabbau. Die Pläne des will, ist mein Nachbar ein Pferd. Es sehen werden«, wie Intendant Wu- schaft« mit »Du bist der Richtige«. Senats 2004, Zuschüsse um die Hälf- ist wahrhaftig erstaunlich, was Phan- schek versichert. »Dafür arbeiten wir 1959 übernahm Ilse Rodenberg die te zu kürzen, wurden durch heftige tasie alles kann.« Seit Anbeginn lie- mit ganzer Leidenschaft.« Leitung und verpflichtete ein junges Gegenwehr von Beschäftigten, Pu- ßen sich rund 10,5 Millionen vor al- R. WEBER/ B. ERDMANN 2 Meinung sprachrohr 4 | 15 ie Entgelttarifverträge in der bereitschaft der Kolleginnen und träge und was zu tun ist, nämlich rungen, bedingt durch zunehmende DDruckindustrie werden Anfang Kollegen in der Druckindust rie ab- gemeinsam mit ihrer Gewerkschaft Arbeitsverdichtung, erhöhte Anfor- des Jahres 2016 gekündigt und lau- gewehrt und trotz alledem akzepta- für ihre Interessen zu kämpfen und derungen sowie gestiegene Verant- fen somit zum 31. März 2016 aus. ble Lohnsteigerungen durchgesetzt den Angriffen der Arbeitgeber Pa- wortung für Qualität, Geschwindig- Es ist im Rahmen dieser Tarifausein- werden. roli zu bieten. keit, Termintreue und Flexibilität er- andersetzung damit zu rechnen, warten und fordern. Das wird sich dass es – wie auch in denen der letz- im Februar beim Aufstellen der For- ten Jahre – zu einem Angriff auf die derungen in der Tarifkommission wi- Einkommen und Arbeitsbedingun- derspiegeln. gen der Beschäftigten in der Druck- Doch bereits jetzt müssen wir uns industrie kommt. Es wird für die im Auf ein Wort im Vorfeld auf diese Tarifrunde vor- transitfoto.de / Bundesverband Druck und Medien bereiten und uns die Frage stellen: e.V. (bvdm) organisierten Arbeitge- »Was sind die Voraussetzungen für ber wieder im Kern darum gehen, eine erfolgreiche Tarifauseinander- die Arbeitsbedingungen der tarifge- Uns wird setzung«. Dazu gehört vor allem, die bundenen Betriebe im bvdm auf das (noch) nicht in ver.di organisierten Niveau der nichttarifgebundenen Polentz v. Chr. Foto: Beschäftigten für ver.di zu gewinnen. Unternehmen zu drücken. Wobei nichts Und der Tarifflucht von Arbeitgebern völlig außer Acht gelassen wird, dass in die Ohne-Tarif-Mitgliedschaft oder hierdurch der Preis-Unterbietungs- geschenkt Austritt aus dem Verband mit der wettbewerb erst recht beschleunigt Forderung nach Anwendungstarif- wird. verträgen zu begegnen, um sie in Seit rund zwanzig Jahren ist die Alfons Paus, VDP Fachgruppensekretär, die Auseinandersetzungen einzube- Druckindustrie von Beschäftigungs- ver.di Berlin -Brandenburg ziehen. abbau, extremer Preiskonkurrenz und Klar ist – uns wird nichts geschenkt. einem hohen Maß an Tarifflucht ge- Nur gemeinsam können wir unsere kennzeichnet. Mehrere Angriffsver- Interessen formulieren und durchset- suche des bvdm auf die Einkommen Was sagt uns das über uns selber? Aus dieser Erkenntnis heraus kön- zen. Also, an die Arbeit. Eine Mit- und die im Manteltarifvertrag gere- Die Gewerkschaftsmitglieder und nen wir auch in der nächsten Tarif- gliedschaft bei ver.di? Macht immer gelten Arbeitsbedingungen konnten Beschäftigten in der Druckindustrie runde selbstbewusst eine Honorie- Sinn! Sagt es weiter, liebe Kollegin- nur durch die Solidarität und Kampf- wissen um den Wert ihrer Tarifver- rung für erhebliche Leistungssteige- nen und Kollegen. ner, Afrikaner im Hungerstreik für ihr schrieben hat. Kommt zu den Reise- Westen sind. Richard hat die wich- Buchtipp Recht auf Asyl. Wobei dieser Haupt- beschreibungen eines Ibn Battuta tigsten Jahre seines Lebens in der gedanke gegenwärtig eine drängen- aus dem 14. Jh., die von Marokko DDR verbracht. 1990 war er plötzlich dere Aktualität erhalten hat, als es über Mittelasien bis China führen. Bürger eines anderen Landes gewor- der Autorin beim Verfassen des Bu- Mit dem Leser durchstreift er die Hei- den. Er überlegt, »wann der Über- ches vorstellbar gewesen sein kann. matländer und Hauptstädte seiner gang passierte, der aus ihm, dem mit Jenny Erpenbeck Die Männer wecken vorerst das neuen Bekannten, erkennt die Viel- Interesse des Sprachwissenschaftlers, falt Afrikas. Vertieft sich schließlich weil er sich fragt, woher sie kamen, in die Landnahme an der Südwest- Sprache ist niemals welche Sprachen sie sprechen. Mit küste Afrikas durch den deutschen nur zufall GEHEN, GING, einem Fragenkatalog ausgerüstet, Händler Lüderitz – der Autorin ge- GEGANGEN wird er – mit ihm die Lesenden – lingt es, auf einer knappen Buchsei- Schritt für Schritt mit Menschen aus te die Geschichte der gewaltsamen den großen Hoffnungen für die verschiedenen Gebieten des großen Gründung dieser deutschen Kolonie Menschheit, einen Almosengeber Knaus 2015 Kontinents Afrika bekannt. Jeder hat darzustellen. Auf gleich engem Raum gemacht hat«. Der nun im Kleinen ein eigenes schweres Erleben, mit werden Inhalte des Islam und ande- versucht, diese Ideale nicht einfach Toten am Rande des Fluchtwegs. Aus rer Religionen beschrieben. beiseite zu legen. vorsichtiger Annäherung wird im »Sprache ist niemals Zufall«, hat Bei der Profession der Hauptper- Laufe der Begegnungen freund- Richard seinen Studenten vermittelt. son liegt es nahe, dass die Autorin eit und Zeiten. Jenny Erpenbeck schaftliches Einverständnis mit den Er denkt über Gegenwartssprache als Stilmittel Zitate aus der klassi- Zwidmet sich der Aufgabe von Li- jungen Männern, die nicht arbeiten schen Literatur benutzt – Goethes teratur, Probleme der Gegenwart zu dürfen, jedoch die deutsche Sprache Iphigenie als Emigrantin auf Taurus, durchleuchten, sie befördern zu hel- erlernen. Was freilich schwer ist, Himmelsrichtungen sind Dantes Göttliche Komödie, auch fen. Ins Zentrum der Erkenntnisse wenn man nicht weiß wozu: gehen, Faust: Habe nun, ach… Ihr eigenwil- jetzt alle West stellt sie Richard, emeritierter Profes- ging, gegangen. liger, sprachlich genauer Stil ermög- sor, Fachgebiet klassische Philologie, Aber es handelt sich nicht um ei- licht, Gedanken zwischen den Wor- kinderlos, verwitwet. Nach seinem nen gutgemeinten »Flüchtlingsro- nach, über das »blondgescheitelte ten zu lesen und weiter zu denken. letzten Arbeitstag im Institut hat er man«. Ein Strang der Erzählung führt Deutsch« des Senatsvertreters. Auch Also Eigenschaften, die gute Literatur viel Zeit. Kann nun tun, was ihm in die Weiten des schwarzen Konti- »Ostzeiten« erscheint ihm ein inte- auszeichnen. ANNEMARIE GÖRNE Freude macht: Nachdenken. Lesen. nents. Richard liest – bei Herodot,