Eindrücke von der Anhörung über den Verkauf von URENCO-Anteilen, 5.Dezember 2013

Am Donnerstagabend den 5.12.2013 führte die Ständige Kommission Finanzen der Zweiten Kammer (das ist das niederländische Parlament, hl) eine Anhörung über juristische und gesellschaftliche Aspekte sowie finanzielle und wirtschaftliche Folgen des geplanten Verkaufs niederländischer (Staats-)Anteile an der URENCO durch. Seitens der Kammer waren Paulus Jansen (SP), (VVD), (PvdA) und Tonny van Dijk (PVV) während der gesamten Anhörung anwesend; (D66) und der Initiator (CDA) waren faktisch nur während der zweiten Runde anwesend (wegen einer anderen Kammerdebatte über Finanzen, die gleichzeitig angesetzt war) und ausgerechnet (GroenLinks) glänzte durch Abwesenheit. Ich weiß nicht, ob ein Fraktionsmitarbeiter von GroenLinks anwesend war. Die erste Runde wurde eröffnet durch Herrn Van Marle, Beigeordneter für Finanzen und Wirtschaft und stellvertretender Bürgermeister von Almelo. Er betonte die Bedeutung von URENCO für Almelo und Twente, insbesondere da das Verschwinden der Textilindustrie in der Region zu einer Umstellung auf innovative Industriezweige geführt habe. URENCO sorgt für 10% der industriellen Arbeitsplätze in Almelo und die Gemeinde befürchtet, dass der Verkauf des Betriebs an ausländische Partner längerfristig zu negativen Entwicklungen führe, so wie wir es früher bei Thales gesehen haben. Er betont auch den Anteil von „Urenco spin off Aeronamics“ an der Produktion von Einzelteilen für den „Joint Strike Fighter“ (zwei militärische Beispiele, mit Absicht genannt, JS). Obwohl er nur Beigeordneter für Finanzen ist und nicht Minister meint Van Marle, dass der finanzielle Vorteil des Staates bei einem Verkauf begrenzt sei, und er plädiert deshalb dafür, einen Anteil in Staatshänden zu behalten und diesen Anteil notfalls sogar zu vergrößern. Roel Kuiper war Vorsitzender der parlamentarischen Untersuchungskommission Privatisierung/Verselbständigung von Staatsbetrieben der Ersten Kammer (Vertretung der Provinzen, vergleichbar mit dem Bundesrat, aber mit deutlich geringeren Befugnissen, hl). Anlass für die Einsetzung dieser Untersuchungskommission waren die vielen negativen Erfahrungen mit der Privatisierung von Staatsbetrieben. Die Untersuchungskommission hat einen Stufenplan entwickelt, den Kuiper auf Urenco anwendete. Er stellt dann fest: 1. Die Verantwortlichen der URENCO haben große Vorbehalten gegen die Privatisierung; das ist etwas, was man bestimmt mit berücksichtigen muss; 2. Die Kommission plädiert für einen „gesellschaftlichen Auswirkungstest“(was auch immer man sich darunter vorzustellen hat, hl), aber der hat noch nicht stattgefunden (Kuiper spricht dann vor allem über Arbeitsplätze und im Anschluss an Van Marle über die wirtschaftliche Situation der Region um Almelo, aber man hätte auch über die Bedeutung für Kernenergie und Kernwaffen reden können, JS). 3. Passt es (gemeint wohl: Der Verkauf, hl) zur generellen Linie der Regierungspolitik? Kuiper weist darauf hin, dass die Note von Dijsselbloem (Finanzminister der Niederlande, PvdA, hl) über Staatsbeteiligungen im allgemeinen gerade die Notwendigkeit betont, diese in relevanten wirtschaftlichen Sektoren beizubehalten; der eventuelle Verkauf von URENCO stünde insofern im Widerspruch zur allgemeinen Linie der Politik. 4. Im Hinblick auf das öffentliche Interesse meint Kuiper, dass dies deutlicher definiert und auch gegenüber gesellschaftlichen Interessen und dem der Arbeitnehmer abgegrenzt werden müsse. Seiner Meinung nach sind die Gründe, die für einen Verkauf sprechen, sehr begrenzt. Er weist darauf hin, dass auch eine Minderheitsbeteiligung von 33% Mitspracherecht für den Anteilseigner mit sich bringt (im Gegensatz zu dem, was Dijsselbloom darüber in seinem Brief behauptet). Des Weiteren sei Eigentum die stärkste Möglichkeit zur Einflussnahme, stärker als durch Gesetzgebung und Aufsicht. Er bezieht sich dabei auf ein Gutachten eines gewissen J. Nijland (Universität Leiden). Zum Schluss stellt er die Frage, ob nicht die Provinz oder eine Gruppe von Gemeinden einspringen und einen Eigentumsanteil erwerben könnten, wenn die Reichsregierung kein Geld hat um Extraanteile zu kaufen. Roland Prins ist Miteigentümer des Betriebs Fox-IT, der sehr sensible IT für die niederländische Regierung anfertigt, darum unter verschärfter Staatsaufsicht steht und faktisch mit denselben Regularien zu tun hat, die Minister Dijsselbloom vorschlägt, um die öffentlichen Interessen im Falle einer Privatisierung von URENCO zu sichern. Fox-IT ist aber, nicht einmal anteilsweise, in staatlichem Eigentum. Er betont, dass für die Gewährleistung einer strengen Staatsaufsicht vor allem die notwendige Sachkenntnis gegeben sein müsse und dass die Zielsetzung des betreffenden Betriebs wohl in Übereinstimmung mit der der Regierung sein muss (in diesem Fall: mit der Förderung der Sicherheit des Staates). Die Tatsache, dass der Betrieb unter starker Staatsaufsicht steht, drückt seiner Meinung nach eindeutig den Verkaufswert des Betriebs. Marten Veraart hat für Andersson Elffers Felix die Privatisierung der niederländischen Elektrizitätsinfrastruktur begleitet. Ebenso wie Kuiper betont er, dass der Begriff „öffentliches Interesse“ sorgfältiger definiert werden müsse; er fungiere jetzt viel zu sehr als Sammelbegriff (unter dem man alles Mögliche verstehen kann, hl). Er unterscheidet vom öffentlichen Interesse das Interesse des Betriebs (worunter seiner Meinung nach auch das Interesse der Arbeitnehmer fallen soll) und das Interesse der Anteilseigner (das also an die Stelle von Kuipers gesellschaftlichem Interesse tritt). Weiter meint er, dass man die Diskussion um Privatisierung vernünftiger Weise erst dann gut führen könne, wenn mehr über den neuen Eigentümer bekannt sei. Im Gegensatz zu Kuiper meint er, dass dem Staat Eigentumsrechte nur wenig nützten, wenn es um Steuerungsmöglichkeiten ginge. Eigentumsei aber wohl ein effektives Schutzinstrument. Aus seiner Sicht sind die Bedingungen Dijsselblooms für einen Verkauf wohl sehr schwer (zu erfüllen, hl). Er bedauert, dass der sogenannte „Goldene Anteil“ abgeschafft worden ist. Ira Helsloot korrigiert erst den Titel, unter dem er eingeladen worden ist. Er sei kein Hochschullehrer für nukleare Sicherheit, sondern für die Steuerung (Überwachung, hl) von Sicherheit. Aus seiner Sicht ist der Besitz von 33% Anteilen vergleichbar mit „ein bisschen schwanger sein“, wenn es um die Ausübung von Eigentumsrechten geht. Wichtiger als das Eigentum sei es aber, dass effektive Aufsicht mit Sachkenntnis verbunden ist, die aber auf Regierungsseite mit der Verschlankung des Kernphysischen Dienstes schlichtweg verschwunden sei. Sein Rat: Entweder den Betrieb ganz abstoßen oder einen Mehrheitsanteil erwerben. Er betont, dass Betriebsgeheimnisse (die größte Sorge, wenn es um Proliferation geht) bei kommerziellen Betrieben in guten Händen seien, weil deren Ausspionieren der Marktposition des Betriebs schadet. Das Ausspionieren von URENCOs nuklearem Wissen durch Pakistan erfolgte ja auch zu einer Zeit, als URENCO ein Staatsbetrieb war (was es immer noch ist, JS). Wim Tukkenberg, emeritierter Hochschullehrer für Naturwissenschaft und Zusammenleben, war der letzte Sprecher in diesem Block. Ebenso wie Dirk Banning während der ergänzenden Anhörung vergangenen Montag betonte er die Beziehung zwischen dem Marktwert von URENCO und den Entwicklungen im globalen Kernenergiesektor. In den Szenarien über diesen Kernenergiesektor gebe es viele Unsicherheiten. Es würden zweifellos noch Kernreaktoren in Betrieb gehen, die mit angereichertem Uran betrieben werden sollen, aber Plutonium und MOX spielten auch eine Rolle als Brennstoff. Weiterhin ist die Rede von massiven Überkapazitäten an angereichertem Uran und müsse mit der Tatsache gerechnet werden, dass das Wachstum von Kernenergie vor allem im Fernen Osten stattfinde. (Dirk sprach aber über eine Stagnation dieses Wachstums, JS) und dass es nicht undenkbar sei, dass man dort selbst Anreicherungsfabriken bauen wolle anstatt abhängig zu bleiben von Anreicherungsfabriken in Europa und Amerika. Schließlich spiele auch das Aufkommen der Laseranreicherungstechnologie eine Rolle. Die Proliferation müsse vor allem verhindert werden durch eine 100%ige Erfüllung der Verträge darüber, wozu der Vertrag von Almelo gehöre. Die Furcht, dass private Eigentümer von URENCO eher geneigt seien, damit zu handeln, ist Turkenburg zufolge reell und die durch Dijsselbloom vorgeschlagenen Garantien seien nicht in der Lage, das zu verhindern. Die Stärke des Vertrages von Almelo liegt Turkenborg zufolge überdies darin, dass darin die Rede ist von 3 Aufsichtsinstanzen, die gemeinsam die Aufsicht ausüben müssen und die sich dadurch in gewissem Sinne auch gegenseitig beaufsichtigten. Paulus Jansen (SP) frug Veraart noch einmal nach den Risiken und Turkenburg nach dem wissenschaftlichen know how, das durch URENCO produziert wird („oder produzieren sie dort nur Maschinen und angereichertes Uran?“). Aukje de Vries (VVD) wollte von Prins wissen, woraus die strenge Aufsicht bei Fox IT bestehe und von Veraart und Helsloot, welche Befugnisse sicher durch den Staat garantiert werden müssten. Mei Li Vos (PvdA) stellte Helsloot die Frage ob man einschätzen könne, ob die zu gewährleistenden Randbedingungen zurückgeschraubt werden könnten falls die weltweite Nachfrage nach angereichertem Uran sinkt und er fragte Prins, was geschehen würde falls sich bei Fox IT ein chinesischer Käufer melden würde. Tonny van Dijk (PVV) wollte von Turkenburg den tatsächlichen Marktwert von URENCO erfahren, von Veraart und Turkenburg wollte er wissen, ob die öffentlichen Belange allen durch Staatseigentum garantiert werden könnten und von allen Sprechern, was man tun sollte (verkaufen, 33% halten oder dazu kaufen). Van Marlo meinte, dass es auch finanziell attraktiv sein könne, Anteile dazu zu kaufen. Wenn der Betrieb durch beschränkende Maßnahmen an Wert verliere, würde so ein Extraanteil ja auch billiger werden. Kuiper betonte, dass der Druck der Anteilseigner, soviel Gewinn wie möglich zu erwirtschaften, größer wäre wenn diese private Eigentümer wären. Er betonte auch noch einmal, dass der Drang nach Deregulierung in der Wirtschaft so langsam kippen würde und dass immer mehr Wert auf starke Aufsichtsinstanzen gelegt werde. Daneben wies er auf das deutsche Beispiel hin, wo insbesondere die Bundesländer sich nur wenig zurückhielten wenn es um allerlei Beteiligungen an industrieller Infrastruktur gehe und dass die Niederlande mit Petten-Almelo einen interessanten nuklearen Industriebereich in Händen hätten. Prins betonte, dass der Staat ungefähr genauso viel Geld ausgegeben habe für die Kontrolle der Produkte von Fox IT als der Betrieb selbst für die Entwicklung derselben. Die Aufsichtsinstanz (in diesem Fall die AIVD) habe genügend eigene Kenntnisse, um dies (die Entwicklung von Produkten, hl)auch selbst zu übernehmen. Außerdem gelten strenge Exportbeschränkungen (Prins zufolge dürfte das nach den NSA-Enthüllungen künftig auch für die USA gelten) und wäre eine Übernahme durch einen chinesischen Betrieb ausgeschlossen. Veraart empfand es als befremdlich, dass Dijsselbloom die Liefersicherheit als öffentliches Interesse anführte, obwohl die Niederlande (mit nur einem AKW) selbst kaum abhängig seien von Uranlieferungen. Auch Deutschland werde in der näheren Zukunft immer weniger Interesse an der Liefersicherheit haben. Dieses Interesse spiele vor allem im Fernen Osten eine Rolle und er erwarte, dass interessierte Geldgeber vor allem aus dem Fernen Osten kommen werden. Hedgefonds u. dergl. dürften nicht interessiert sein wegen der vielen Garantien, die durch den Staat verlangt werden. Die dritte, auch von Dijsselbloom genannte Option wäre ein Börsengang. Das würde aber eine völlig unsichere Entwicklung in der Zukunft zur Folge haben, denn dann könnte man ja fast keinerlei Absprachen mehr mit den Anteilseignern treffen über den Weiterverkauf an einen folgenden Eigentümer. Ein Käufer aus dem Fernen Osten sei daher das Wahrscheinlichste, und der werde in näherer Zukunft die Anreicherungsanlagen lieber im Fernen Osten haben wollen als weiterhin in den Ausbau bestehender Fabriken unter anderem in Almelo zu investieren. Helsloot betont, dass das Proliferationsrisiko bei einem Verkauf weniger groß sein würde als allgemein erwartet. Bezogen auf den Kernenergieaspekt betont er, dass die Niederlande kaum Kernenergie produzierten und es daher sehr seltsam sei, doch im Land eine Anreicherungsfabrik zu haben und zu betreiben. Seiner Meinung nach berührt das Fortbestehen einer nuklearen Anlage nicht die vitalen Interessen unseres Landes. Turkenburg glaubt, dass URENCO selbst keinen interessanten wirtschaftlichen „spin off“ (Nebeneffekt ,hl) hat. Ein solcher läge vor allem in der Tochtergesellschaft ETC: Dort säßen die Kenntnisse und dort werde etwas an Innovation geleistet. URENCO lasse die durch ETC produzierten Zentrifugen nur laufen. Das täten diese übrigens gut, denn URENCO habe 26% der weltweiten Anreicherungskapazität und 30% des Marktes in Händen. Sie hätten also viel weniger Probleme mit den weltweiten Überkapazitäten als ihre Konkurrenten. Er neigeeher dazu, nicht zu verkaufen, und weist darauf hin, dass (ich nehme an, durch Deutschland und Großbritannien, JS) Druck auf die Niederlande ausgeübt werde, weniger strenge Bedingungen an den Verkauf von Anteilen zu knüpfen.

Nach einer kurzen Pause wird die 2. Runde eröffnet durch Huub Rakhorst, Direktor der URENCO- Niederlassung in Almelo. Er betont noch kurz, dass URENCO nicht nur für kerntechnische Anlagen produziere, sondern zusammen mit Petten auch für den medizinischen Sektor. Es sei eine wichtige Industrie für Almelo, für Twente und auch für die Niederlande insgesamt. Weltweit liege der Anteil der Kernenergie an der Stromproduktion bei 12% und da die Stromerzeugung sich in den nächsten Jahren verdoppeln werde, dürfe erwartet werden, dass auch der Kernenergiesektor noch wachsen werde. Als Direktor der niederländischen Niederlassung spricht er nicht über die niederländischen Anteile, aber betont die Bedeutung eines stabilen Anteilseigners für das Vertrauen, das Kunden in den Betrieb setzen, und für die teuren Investitionen, die erfolgen müssten um die Marktposition zu behalten. In den vergangenen Jahren sei die Kapazität von Almelo verdreifacht worden (??, JS) und kürzlich sei noch 1 Mrd.Φ in die Anlage von Almelo investiert worden. Dem Betrieb nütze Stabilität auf der Seite der Eigentümer. George Verberg ist Mitglied des Vorstands der URENCO. Auch dieser internationale Vorstand, der seinen Sitz in GB hat, hat nichts zu sagen über die Anteile, hat aber wohl Wünsche hinsichtlich neuer Anteilseigner. Die Non-Proliferations-Garantie steht bei ihm an vorderster Stelle. Daneben müsse ein neuer Anteilseigner die Bedeutung von langfristigen Verträgen erkennen. Die Kunden (AKWs) erwarten Liefersicherheit, die für mehrere Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte, festgelegt wird. Er bestreitet die während des ersten (Diskussions-)Blocks behauptete Koppelung zwischen der Produktion von angereichertem Uran und dem Verbrauch in ein und demselben Land: Lasst uns froh sein, dass nicht jedes Land, das AKWs betreibt, auch über Anreicherungsanlagen verfügt! Er bestätigt, dass der Betrieb durch einen eventuellen Verkauf unter den vorgeschlagenen Bedingungen bestimmt an Wert verlieren werde. BART DE Blanc war nicht nur vertretungsweise Geschäftsführer (CFO) von URENCO während des Krankenhausaufenthalts von Prinz Friso van Oranje, sondern auch dessen Vorgänger als CFO. Als er seinerzeit im Jahr 2004 sein Amt antrat, wollten die Niederlande ihren Anteil an URENCO verkaufen; ein Jahr später wollten sie genau das nicht mehr. Le Blanc betont dass die andauernde Diskussion über den Umgang mit Eigentumsanteilen (halten oder abstoßen) für ein Unternehmen schlecht sei. Das wichtigste für URENCO sei, dass die Ruhe an dieser Front so schnell wie möglich zurückkehre und dass eine Regelung getroffen werde über das Hinzukommen oder Wegfallen von Anteilseignern. URENCO müsse genug „Fleisch auf den Knochen“ haben, um die notwendigen Investitionen zu bewerkstelligen. Das sei notwendig im Betriebsinteresse, aber auch um neuen gesetzlichen Vorschriften genügen zu können. Bei staatlichen Anteilseignern sei das besser geregelt als bei privaten. Im schlimmsten Fall würde, falls private Anteilseigner die finanziellen Reserven des Betriebs vollständig abgeräumt haben, der Staat sich verpflichtet fühlen, mit Geld des Steuerzahlers die für notwendig erachteten Sicherheitsmaßnahmen im Betrieb zu finanzieren. Einen Verkaufsbeschluss könne man erst dann fassen, wenn alles über den neuen Käufer bekannt sei und die Randbedingungen geklärt seien. Zum Schluss merkt er noch an, dass weltweit alle Anreicherungsanlagen direkt oder indirekt in staatlichen Händen lägen. Es gebe nur eine Ausnahme: USEC, und mit der gehe es ausgesprochen schlecht. Das einzige existierende Beispiel für die Privatisierung einer Urananreicherungsanlage verdiene also keine Nachahmung. Paul Wilke van Clingendael beginnt seinen Vortrag eigentlich schon mit der Schlussfolgerung: besser nicht zu verkaufen, sondern besser selber noch um bis zu 50% dazu zu kaufen. In finanzieller Hinsicht brächte Urenco seiner Meinung nach nicht mehr als das, was wir jetzt schon an Dividende erhielten. Erst recht nicht, wenn man die Steuern in Betracht ziehe, die beim Verkauf an einen anderen Eigentümer möglicherweise aus einem anderen Land anfielen. Im Fall, dass Areva den Betrieb kaufen würde, wäre ETC vollständige in den Händen von Areva und damit auch die sensible Technologie, die jetzt noch in einer Art Black-Box sitze. Damit gäben die Niederlande also auch ein Stück Proliferationskontrolle aus den Händen. Weiterhin müssten die Niederlande auch in Betracht ziehen, dass die Garantiekonstruktionen, die Dijsselbloom vorschlägt, auch Kosten für die Aufsicht mit sich brächten. Zum Schluss warnt Wilke vor den Gegensätzen, die entstehen könnten zwischen den Interessen der Aufsicht und der privaten Eigentümer. Michiel Blijsma vom Zentralen Planungsbüro war der letzte Sprecher im zweiten Block. Von seinen ganzen Darlegungen habe ich vier Dinge notiert: Der Wert des Betriebs werde durch die Privatisierung netto weder zu- noch abnehmen. Von den drei öffentlichen Belangen, die Dijsselbloom nennt, seien Sicherheit und Non-Proliferation in der Tat im öffentlichen Interesse, Liefersicherheit dagegen nicht. Die Garantie dieser öffentlichen Belange erfordere den direkten Zugriff des Staates auf den Betrieb. Und schließlich müssen auch seiner Meinung nach die gesamten Rahmenbedingungen klar sein vor einem möglichen Verkauf. Paulus Jansen (SP) fragt Rakhorst nach der Bedeutung von ETC und URENCO Gronau für die regionale Wirtschaft und Wilke nach dem Stand der Dinge hinsichtlich des Verkaufs von URENCO in Deutschland und in GB. Aukje de Vries (VVD) fragt Verberg, welchen Einfluss die Niederlande tatsächlich als Anteilseigner ausübten, und Le Blanc, was die Folgen wären, wenn Deutschland und GB doch verkaufen. Mei Li Vos (PvdA) fragt Verberg, warum GB verkaufen will (für Deutschland hat sie’s begriffen) , Wilke und Rakhorst, warum Proliferation eine Rolle spiele, falls Russland oder China Anteile kaufen sollten; das seien doch ohnehin Kernwaffenstaaten. Tonny van Dijk (PVV) fragt Rakhorst, warum die ausgeschüttete Dividende dieses Jahr nur die Hälfte vom Vorjahr ausmache, Le Blanc warum zukünftige Eigentümer einen Griff in die Kasse tun sollten und Wilke, was die Hinzunahme von 16,7%-Anteilen uns kosten würde. Wouter Kolmees (D66) fragt Verberg und Le Blanc, ob sie dächten, dass die öffentlichen Belange ohne eigene Besitzanteile gewährleistet werden könnten. Nach Meinung von Eddy van Hijum ist das die Kernfrage der ganzen Debatte. Er selbst fragt Rakhorst noch nach der strategischen Bedeutung der technologischen Kenntnisse, über die URENCO/ETC verfüge, und Verburg nach den Gründen, warum GB verkaufen wolle und ob das noch rückgängig zu machen sei. Rakhorst verweist auf die Bedeutung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschung mit der Universität Twente und der TU Delft und auch mit der NRG Petten und nochmals auf Aeronamics als „Spin off“ von URENCO. Russland und China hätten in der Tat Kenntnisse und Produktionskapazitäten für die Erzeugung von hochangereichertem Uran, aber diese seien nicht so fortgeschritten wie die bei URENCO (da schau her! hl). Er meint, dass das Halten von Anteilen vor allem im niederländischen Interesse läge: wir haben nicht so viele hochwertige technologische Betriebe, also sollten wir das, was wir haben, besser festhalten. Im Gegensatz zu dem, was vorher gesagt wurde, meint er, dass gerade ETC leichter in ein anderes Land verschoben werden könne als die Anreicherungsanlage von URENCO selbst, jedenfalls kurzfristig. URENCO Gronau ist seiner Ansicht nach auch ein „spin off“ von Almelo und die „URENCO-Region“ sei daher sogar noch etwas größer als Twente. Verberg dreht meiner Meinung nach die an ihn gerichtete Frage um und nennt zwei Beispiele, wie der Betrieb seine (niederländischen) Anteilseigner lenkt. Er betont den leichten Zugang, den URENCO zu einflussreichen Beamten in den Ministerien habe, wenn es beispielsweise um Exportgenehmigungen gehe. Das zweite Beispiel ist zugleich eine Antwort auf die Frage nach der Dividende: Die fiele dieses Jahr niedriger aus, weil der Betrieb investieren musste, neben der Milliarde in Almelo auch noch 3 Milliarden in Amerika. Der staatliche Anteilseiger gab dafür auch grünes Licht. Er verdeutlichte übrigens auch, dass die Investitionen in den USA auf Ersuchen der Abnehmer in den USA und Japan erfolgt sei und dass es hierbei um eine marktgesteuerte Frage ging (also ist selbst mit staatlicher Eigentumsbeteiligung die Verlagerung von Produktionskapazitäten ins Ausland nicht ausgeschlossen, weil die Abnehmer das fordern können. Da geht das Argument der Gemeinde Almelo den Bach runter! JS). Aber das Beispiel zeige auch wieder, wie wichtig es für einen Betrieb wie URENCO sei, Anteilseigner mit einer langfristigen Planung zu haben. Was die Niederlande mit ihren 33% Anteilen an Verfügungsrechten hat, ist kaum in den Betriebsstatuten niedergelegt (und also auch nicht im Vertrag von Almelo, um die Diskussion von Montag noch eben fortzusetzen, JS), aber im Falle von neuen Anteilseignern würden die Statuten sowieso verändert werden, also lasse sich darüber nichts sagen. Seiner Ansicht nach sind 3 Vertragsparteien von Almelo intensiv damit beschäftigt, neue Verfügungsstrukturen zu schaffen (schon vorher bemerkte – ich glaube es war Turkenburg - , dass die neuen Strukturen nach dem Sommer oder im November weltöffentlich gemacht werden sollten; so habe ich das auch begriffen, JS). Der Grund, warum GB seine Anteile verkaufen wolle, habe zu tun mit dem politisch-ideologischen Wind, der dort weht. Die neu angetretene konservative Regierung wolle die Staatsbetriebe loswerden, die Thatcher noch nicht verkauft habe. Er verweist dabei auch auf den Verkauf der Royal Mail. Das sei in der Tat eine andere Motivation als die von E.on und RWE, die vor allem Geld benötigen für ihre Investitionen in die Energien, die die Kernenergie ersetzen sollen. Er begann danach, etwas über Betriebsführung zu erzählen, aber da fiel meine Verbindung für einige Minuten aus…(also hier wäre eine Ergänzung wünschenswert, JS). In der Mitte der Ausführungen von Le Blanc hatte ich meine Verbindung wieder stehen und ich konnte notieren, dass er betonte, dass unter den gegebenen Bedingungen ein neuer Anteilseigner ausschließlich finanzieller Anteilshalter wäre und eigentlich nichts über die Betriebsführung zu sagen hätte. Die Anzahl interessierter Käufer werde dadurch ein Stück geringer sein und zu den hierdurch weniger interessierten Käufern gehörten glücklicherweise auch die Hedgefonds. Wilke wiederholte die Ausführungen von Verberg über die Gründe, warum GB bzw. die deutschen EVUs ihre Anteile verkaufen wollen. Das niederländische Interesse am Halten von Anteilen und dafür zu sorgen, dass URENCO in NL bleibt, sei es, dass dank URENCO die NL einen Platz in der AIEA hat; die anderen zwei Anteilseigner hätten dies bereits aufgrund ihrer Bedeutung als politisch-ökonomische Mächte, aber NL verdankt diese ausschließlich ihrer Beteiligung an URENCO. Er bekräftigt die Bemerkung von Vos, dass Russland und China das URENCO know how nicht nötig hätten um Kernwaffen zu produzieren, aber dass die Produktion von hochangereichertem Uran mit der URENCO-Technologie wohl ein bisschen schneller ginge. Der Zukauf von 16,7% würde ihm zufolge 1,5 bis 2 Mrd. Φ kosten. Weiterhin behauptet er, dass falls der Verkauf von URENCO Dijsselbloom zufolge keine Folgen habe für den niederländischen EMU-Saldo (das Staatsdefizit muss unter der EU- Norm von 3% bleiben, JS), dies logischerweise auch gelten müsse für den Kauf von Extraanteilen an URENCO. Bijlsma stellte fest, dass an ihn keine weiteren Fragen gestellt worden seien und damit das Ende der Anhörung gekommen sei.

Jan Schaake, 5. Dezember 2013

(ins Deutsche übersetzt durch Hartmut Liebermann, 9.Dezember 2013, eigene Anmerkungen kursiv gesetzt)