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geren Generation“. (2) Gleichzeitig ist von 2013 auf Strategien – Projekte – Erfahrungen 2014 hinsichtlich der Nutzung der Onlinecommu- nitys bei den unter 30-Jährigen eine Stagnation zu erkennen. Von einer Abkehr kann jedoch (noch) nicht Social-Media-Aktivitäten die Rede sein, da neben Facebook andere Kommu- am Beispiel SWR nikationsdienste – speziell Messenger wie Whats- App, aber auch der Microbloggingdienst Twitter – Von Rebecca Knauth* an Attraktivität gewonnen haben.

Trotz der gestiegenen Beliebtheit von Twitter und Bewegtbildnutzung Klassische Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss, wie an- Instagram nimmt die Bewegtbildnutzung im Internet umfasst auch Medien müssen dere Medien auch, auf die Veränderungen reagie- einen wesentlich größeren Stellenwert ein: Drei ­Nutzung von auf Social Media ren, die durch das Internet ausgelöst werden. Es Viertel aller Onliner rufen zumindest gelegentlich ­klassischen Medien ­reagieren beeinflusst alle Lebensbereiche, die öffentlichen Videodateien im Internet ab, davon entfallen 64 via Internet wie die privaten. Für die klassischen Medien ist Prozent auf die gelegentliche Nutzung von Video- das Internet nicht nur ein weiterer Distributionsweg portalen (z. B. YouTube), 35 Prozent schauen sich ihrer Inhalte, sondern ebenso eine inhaltliche wie zeitversetzt Fernsehsendungen oder Videos an, organisatorische Herausforderung: Neue Formen und 32 Prozent nutzen Mediatheken. Bewegtbild- des Journalismus und der Unterhaltung, neue Er- nutzung im Internet bedeutet allerdings nicht auto- zählweisen und nicht zuletzt die Interaktion mit matisch, dass weniger ferngesehen oder Radio den Nutzern müssen erprobt und auf den Weg ge- gehört wird: Bezogen auf die Gesamtbevölkerung bracht werden. Dies geschieht in enger Verzah- ab 14 Jahren liegt die Fernsehnutzung weiterhin nung mit dem Wandel im Mediennutzungsverhal- bei durchschnittlich 240 Minuten täglich. Die Ra- ten der Rezipienten. Eine besondere Rolle spielen dionutzung bleibt ebenfalls stabil auf einem Wert Plattformen und soziale Netzwerke wie Facebook, von täglich 192 Minuten. Bei den 14- bis 29-Jäh- YouTube oder Twitter mit ihren Möglichkeiten der rigen ist allerdings das Internet das am häufigsten Kommunikation, Interaktion und Vernetzung. Hier genutzte Medium (233 Minuten täglich). Diese In- präsent zu sein, ist für die Erreichbarkeit insbe- ternetnutzung kann die verschiedensten Aktivitä- sondere jüngerer Zielgruppen essentiell. Wie der ten, also auch die Nutzung klassischer Medien wie Südwestrundfunk (SWR) hier vorgeht, ist anhand Radio und Fernsehen, umfassen: Fernsehinhalte von Beispielen und Projekten Gegenstand dieses streamen, Video- und Audioportale besuchen oder Beitrags. über Messenger kommunizieren. Auch die Nutzung eines zweiten Bildschirms (Second Screen) sowie Internet- und Social-Media-Nutzung heute: Social-TV (Dialog der User untereinander auf Social- Zentrale Befunde Web-Plattformen über das Fernsehprogramm, ggf. Mehrheit der Das Internet nimmt einen immer bedeutenderen auch Integration der Kommentare ins TV-Bild) ist ­Internetnutzer geht Stellenwert im Leben der Menschen ein: E-Mails bei den 14- bis 29-jährigen Onlinern ein verbreite- täglich ins Netz checken, Informationen recherchieren, Videos tes Szenario. (3) schauen, soziale Netzwerke besuchen – all das ist für einen großen Teil der Bevölkerung bereits Ge- Laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 folgt die Medien- Internet als wohnheit. Laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 sind nutzung „nicht mehr der Entweder-oder-Logik der All-in-One-Medium knapp 80 Prozent der deutschsprachigen Bevölke- analogen Welt, sondern das Internet ist (…) das rung ab 14 Jahren zumindest gelegentlich online, All-in-One-Medium, das jegliche Art der Medien- 58 Prozent sind täglich im Netz unterwegs. Bei den nutzung erlaubt“. (4) Dabei bleibt festzuhalten, dass Onlinern ist jedoch nicht nur die Nutzung an sich das Internet keine Welt für sich ist, sondern in viel- angestiegen, sondern auch die Verweildauer geht fältiger Weise mit den anderen Medien verknüpft seit 2000 kontinuierlich nach oben: Durchschnitt- ist. Auch die Parallelnutzung ist kein neues Phäno- lich 166 Minuten sind die Internetnutzer täglich on- men, da Medien wie der Hörfunk schon immer line, Männer erheblich länger (185 Min.) als Frau- teilweise in Verbindung mit anderen Tätigkeiten en (145 Min.). Jüngere verbringen deutlich mehr genutzt wurden. Zeit mit Onlineanwendungen als Ältere: Durch- schnittlich 248 Minuten täglich sind 14- bis Der öffentlich-rechtliche Rundfunk versucht genau Öffentlich-rechtlicher 29-Jährige im Internet. (1) diesen sich verändernden Nutzungsgewohnheiten Rundfunk muss Rechnung zu tragen. Im Folgenden werden die He- ­Veränderungen Hohe Zuwächse Die höchsten Zuwachsraten sind bei den audiovi- rangehensweisen, Strategien und Erfahrungen des ­Rechnung tragen bei Nutzung von suellen Angeboten sowie den Communitys zu er- Südwestrundfunks (SWR) als ein Beispiel für den ­Bewegtbild und kennen, welche immer mehr in den Medienalltag Umgang öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten ­Communitys integriert werden, und dies „nicht nur bei der jün- mit dem Social Web dargestellt. Dabei muss kons- tatiert werden, dass die Übertragung auf andere Landesrundfunkanstalten aufgrund der Vielfalt an Strategien und Vorgehensweisen nicht möglich und auch nicht Ziel und Zweck dieses Artikels * Südwestrundfunk, SWR.Online, Mainz. ist. Social-Media-Aktivitäten am Beispiel SWR 67 | Media Perspektiven 2/2015

Tab. 1 Die erfolgreichsten Präsenzen des SWR im Social Web

Facebook (Fans) YouTube (Abonnenten) Twitter (Follower) SWR3 (225 916) „Verstehen Sie Spaß?“ (199 207) SWR3.online (74 800) DASDING (153 747) „Eisenbahnromantik“ (18 025) „Verstehen Sie Spaß?“ (25 500) „Verstehen Sie Spaß?“ (125 036) DASDING (17 816) SWR Nachrichten RP (15 100) „Planet Wissen“ (36 435) SWR3 (7 218) SWR Nachrichten BW (13 500) SWR3-Eilmeldung (33 115) „Spätschicht" (4 691) EinsPlus (12 900) Quelle: Eigene Erhebung. Stand: Januar 2014.

Strategien und Initiativen des SWR im Internet zen im Jahr 2014 mit der Anzahl der Angebote SWR zeigt Präsenz Der SWR verfügt insgesamt über rund 150 Präsen- 2011, so stellt man fest, dass hier eine deutliche auf verschiedenen zen auf Drittplattformen. Dabei ist Facebook mit Reduktion stattgefunden hat: Ca. 90 der Präsenzen Drittplattformen ca. 65 Pages derzeit das bedeutendste Netzwerk. wurden innerhalb der letzten Jahre eingestellt und An zweiter Stelle folgt Twitter mit knapp 40 gelöscht, teilweise unter anderen Präsenzen ge- Accounts und YouTube mit etwa 25 Kanälen. Andere bündelt und dort optimiert. Netzwerke wie Google+, Instagram und Sound­ cloud spielen bisher eine eher untergeordnete Rolle, Dies ist auf die Markenstrategie zurückzuführen, die Dynamischer Prozess werden aber vor allem von den jüngeren Marken, Ende 2011 gemeinsam von Vertretern verschiede- wie beispielsweise von SWR3, DASDING und Eins­ ner Direktionen, Programmdirektionen, Hauptab- Plus, bereits stark genutzt. Dabei sind die Strate­ teilung Kommunikation und Hauptabteilung SWR. gien und Herangehensweisen von Marke zu Marke Online entwickelt und von der Geschäftsleitung be­ sehr unterschiedlich. Einige Redaktionen posten schlossen wurde. Diese Markenstrategie konzent- mehrmals täglich, andere mehrmals wöchentlich riert sich auf erfolgreiche und erfolgversprechende auf ihren Social-Media-Kanälen Informationen, Inhalte, aber auch Faktoren wie personelle und fi- Grafiken, Videos und vieles mehr, stellen Fragen nanzielle Ressourcen werden mit einbezogen. Die und gehen mit den Nutzern, Hörern und Zuschau- Strategie besagt außerdem, dass sich weniger er- ern einen Dialog ein. Zusätzlich werden auf YouTu- folgversprechende oder ressourcenstarke Formate be Videos freigeschaltet, auch hier gibt es von an die bereits etablierten Angebote andocken und Format zu Format unterschiedlich viele Reaktionen ihre Inhalte darüber ausspielen sollen. Grundsätz- oder Rückfragen. Twitter wird häufig (aber nicht lich handelt es sich hierbei um einen dynamischen nur) für Echtzeitkommunikation genutzt, speziell Prozess, dessen Umsetzung im Einzelfall gemein- auch für die Begleitung bestimmter Events (z. B. sam mit Redaktionen und dem Distributionsmanage- „Verstehen Sie Spaß“, Festivals). ment der Hauptabteilung SWR.Online evaluiert wird. Entsprechend der bereits skizzierten Alters- Zudem wird die Markenstrategie im Gesamten stets struktur und dem Nutzerverhalten im Social Web weiterentwickelt, denn letztendlich ist entschei- ist es nicht verwunderlich, dass besonders die jun- dend, sich dem Nutzerverhalten im Netz anzupas- gen Formate auf den Drittplattformen zu den er- sen sowie den Bedürfnissen der Nutzer gerecht zu folgreichsten Marken zählen. Doch auch hier gibt es werden. Dies ist nur durch eine dynamische und Unterschiede: Während auf Facebook „Verstehen flexible Weiterentwicklung der Social-Media-Stra- Sie Spaß?“, DASDING und SWR3 besonders erfolg- tegie des SWR gewährleistet. reich sind, wird die Rangliste auf Twitter – neben SWR3 und „Verstehen Sie Spaß?“ – von den zwei Aufgrund der Vielzahl an Präsenzen sowie Forma- Dezentrale Nachrichtenkanälen aus Rheinland-Pfalz und Ba- ten und Standorten des SWR werden die Social- ­Organisationsstruktur den-Württemberg angeführt (vgl. Tabelle 1). Be- Media-Auftritte dezentral organisiert. Dabei bleibt der Social-Media-­ sonders bemerkenswert ist außerdem die starke es jeder Redaktion selbst überlassen, welche Inhalte Aktivitäten Präsenz sowie enorme Userbindung der „Eisen- sie auf welchen Präsenzen publiziert. Auch die Be- bahnromantik“ im Netz: Mit rund 18 000 Abonnen- treuung der Nutzerinteraktionen fällt in den Aufga- ten (5) ist es die zweitstärkste SWR-Marke auf benbereich jeder einzelnen Redaktion. Um die Re- YouTube. Auch auf Facebook ist die Interaktionsrate daktionen auf diese Tätigkeiten ausreichend vor- (Prozentsatz von Nutzern, die einen Beitrag gese- zubereiten und die Kenntnisstände weiterzuent­ hen und ihn geliked, geteilt, angeklickt oder kom- wickeln, bietet das Distributionsmanagement inner­ mentiert haben) mit durchschnittlich 10 Prozent halb der Hauptabteilung SWR.Online gemeinsam (bei 9 500 Fans) außergewöhnlich hoch. mit der Personalentwicklung regelmäßig Schulun- gen, Webinare und redaktionsübergreifende Social- Markenstrategie führt Der Erfolg dieser Präsenzen korreliert natürlich Media-Tage an. Außerdem bildet das Distributions­ zu Reduktion der auch sehr stark mit dem Erfolg im linearen Pro- ­Präsenzen gramm. Dies ist einer der Gründe, weshalb nicht (mehr) alle Formate des SWR auf Drittplattformen zu finden sind. Vergleicht man die Zahl der Präsen- Rebecca Knauth Media Perspektiven 2/2015 | 68

Abb. 1 "Verstehen Sie Spaß" auf Youtube: Zuwachs an Der Kanal zeichnet sich durch kurze Clips aus den Abonnenten und Kommentare im Monat nach der vergangenen Sendungen, Making-Ofs und Exklu- Fernsehausstrahlung siv-Interviews aus. Die gesamte Sendung wird nur 900 20.9.14, Ausstrahlung im TV in der Mediathek, nicht auf YouTube veröffentlicht. Alle Videos enthalten einheitliche Signaturen mit 800 Verlinkungen zu weiteren Social-Media-Präsenzen 700 Zuwachs und verweisen außerdem auf andere Videos im Abonnenten 600 Kanal. Der User findet zudem sowohl thema­tische Kommentare Playlisten (z. B. alle Kurti-Videos) als auch Sen- 500 dungsplaylisten, die alle Inhalte der jeweiligen li- 400 nearen Sendung bündeln. Pro Monat gibt es rund 21 000 Bewertungen, „Verstehen Sie Spaß“: 300 1 000 Shares und etwa 2 500 Kommentare zu den Zusammenhang von 200 „Verstehen Sie Spaß?“-Videos im YouTube-Kanal. TV-Ausstrahlung 100 Ein deutlicher Anstieg der Interaktionsrate sowie und YouTube-Abos der Abonnentenzahl ist an und nach den Sen- 0 dungstagen erkennbar: So hat der Kanal beispiels- 1 6 11 16 21 26 1 6 11 16 21 26 31 weise am 20. September 2014, dem Übertra- Tage gungstag von „Verstehen Sie Spaß?“ in , Quelle: YouTube Analytics, Datenbasis: 1. bis 31. September 2014. Interne Daten. 821 neue Abonnenten hinzugewonnen, am darauf- folgenden Tag waren es 737 neue Abonnenten. Ein ähnliches Bild zeigt sich hinsichtlich der Kommen- tare sowie allen anderen Interaktionsmöglichkeiten management die zentrale Brücke zwischen Redak­ (vgl. Abbildung 1): 273 Kommentare am Tag nach tion und Plattformbetreibern (wie beispielsweise der Sendung bzw. der Sendungsnacht, während Facebook, Google), unterstützt bei Sonderprojek- ansonsten durchschnittlich rund 60 Kommentare ten (z. B. Festivals) und evaluiert neue Programme pro Tag publiziert werden. (8) sowie Distributionskanäle, die möglicherweise für den SWR oder einzelne Redaktionen interessant Ähnlich der Abonnentenentwicklung auf YouTube ist – ähnliche Effekte sein könnten. der Fanverlauf auf Facebook: Deutlicher Gewinn an bei Facebook-Fans Fans sowie Anstieg der Interaktionsrate rund um Beispiel: „Verstehen Sie Spaß“ im Social Web den Sendungstag (20.9.2014), ansonsten gleich- Einen Sonderstatus genießt allerdings das im Ers- bleibendes Niveau von rund 40 neuen Fans pro Tag ten ausgestrahlte und vom SWR produzierte For- bzw. rund 1 000 neuen Fans pro Monat (vgl. Abbil- mat „Verstehen Sie Spaß?“. Die hierzu gehörenden dung 2). Social-Web-Plattformen (Facebook, YouTube, Twit- Dabei darf natürlich nicht nur der reine Fange- ter, Flickr, Vine) werden zentral vom Distributions- winn sowie die Interaktionsrate betrachtet werden: management betreut und dienen häufig auch als Auch die Anzahl der Postings spielt hierbei eine Experimentierfeld für neue Herangehensweisen. gravierende Rolle. Während nämlich rund um die So gehörte „Verstehen Sie Spaß?“ zu den ersten Sendung ausreichend Material (z. B. Fotos der ge- Formaten, in denen Kommentare und Nutzerinter- ladenen Gäste, Trailer und Teaser des Moderators) aktionen innerhalb der Sendung aufgegriffen und zur Verfügung steht, ist die Auswahl während der eingeblendet wurden. Der Erfolg der seit 1980 aus­ zum Teil mehrmonatigen Sendepausen eher ge- gestrahlten Sendung spiegelt sich somit auch im ring. Dennoch besteht der Anspruch, mindestens Netz wider, wie im Folgenden dargelegt wird. einmal pro Woche ein Posting auf Facebook, Twit- ter und Google+ zu publizieren – im besten Fall Erfolgreichster Mit 206 000 Abonnenten ist der YouTube-Kanal von selbstverständlich mehrmals wöchentlich. Bei den YouTube-Kanal aller „Verstehen Sie Spaß?“ der erfolgreichste aller öf- geposteten Inhalten handelt es sich dann häufig öffentlich-rechtlichen fentlich-rechtlichen Anbieter. Im deutschlandweiten um Memes (häufig leicht erschließbare Grafik mit Anbieter YouTube-Gesamtvergleich nimmt „Verstehen Sie bestimmter Aussagekraft/Schrift, die sich viral Spaß?“ Rang 59 ein. (6) Insgesamt wurden die verbreitet), Bildcollagen, Links zu Videos im Kanal, ­Videos im Kanal bereits 150 Millionen Mal aufge- oder es werden Inhalte anderer, aber inhaltlich rufen, durchschnittlich können innerhalb des Ka- passender Seiten, geteilt. nals jeden Monat 5,5 Millionen Videoviews gezählt werden. (7) Erstellt wurde der Kanal im März 2010, Mit diesen “sendungsunspezifischen” Inhalten wer­ Facebookseite von der größte Zuwachs an Abonnenten erfolgte aber den durchschnittlich rund 13 000 Personen täglich „Verstehen Sie Spaß?“ erst ab Mitte 2012, als der Kanal aktiv bestückt erreicht. An Sendungstagen liegt im Vergleich dazu erreicht täglich wurde. Durchschnittlich gewinnt der Kanal jeden die Beitragsreichweite durchschnittlich bei knapp 13 000 Personen Monat rund 5 000 neue Abonnenten hinzu. 105 000 Personen. Ausschlaggebend für diese we- sentlich höhere Reichweite ist natürlich nicht nur die Social-Media-Integration der Kommentare in der Sendung (Einblendungen und Aufgreifen von Fragen aus dem Netz), sondern auch die beschrie- Social-Media-Aktivitäten am Beispiel SWR 69 | Media Perspektiven 2/2015

Abb. 2 Fanzuwachs von "Verstehen Sie Spaß?" auf Facebook 1.9. bis 31.10.2014

20.9.14, Ausstrahlung im TV 1800

1300 "Gefällt mir"

"Gefällt mir nicht mehr" 800

300

-200 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 September Oktober

Quelle: Facebook Analytics. Interne Daten.

Tab. 2 „Verstehen Sie Spaß?“: Plattformvergleich der durchschnittlichen Interaktionen sowie Reichweite in sendungsfreien Monaten Interaktionsrate* Anzahl Reichweite/ Kommentare/ Likes/Bewertungen/ Shares/ in % Aufrufe Antworten Favoriten Retweets Facebook 6,10 410 000 330 3 800 400 YouTube – 5 500 000 2 500 21 000 1 000 Twitter 1,60 58 100 36 204 42 * Interaktionsrate: Prozentsatz von Nutzern, die einen Beitrag gesehen und ihn mit „Gefällt mir“ markiert, geteilt, angeklickt oder kommentiert haben. Quelle: Analytics der jeweiligen Netzwerke. Datenbasis: Dezember 2014.

bene verstärkte Publikation von Postings in allen den Augen des Distributionsmanagements: Opti- sozialen Netzwerken. malerweise würden über das gesamte Jahr ver- Am Sendungstag lag die durchschnittliche Inter­ teilt, unabhängig von der TV-Ausstrahlung, Kurz- aktionsrate bei 9 Prozent, an Nichtsendungstagen Clips, Outtakes, Sonderszenen, Auflösungen, An- ist diese durchschnittlich 6,1 Prozent hoch. In kon- sager etc. gedreht, produziert und publiziert. Dies kreten Zahlen bedeutet das: Etwa 8 000 Likes, 1 200 würde die Zeit bis zur linearen Sendung verkürzen Kommentare und 320 Shares insgesamt am Sen- und noch mehr User langfristig an die Marke „Ver- dungstag. An sendungsfreien Tagen sind es pro stehen Sie Spaß?“ binden. Tag jeweils rund 125 Likes, 11 Kommentare und 13 Shares. (9) Betrachtet man die demografischen Daten der Social-Web-Angebote Im Vergleich zu Facebook und YouTube sind die User, so stellt man deutliche Unterschiede fest: Bei von „Verstehen Sie Interaktionen sowie die Reichweite auf Twitter Facebook verfügt die Seite über knapp 125 000 Spaß“ vor allem deutlich geringer (vgl. Tabelle 2). Dies liegt vor Fans, davon sind 42 Prozent Frauen und 58 Pro- von Männern und allem daran, dass Twitter ein Echtzeitmedium ist zent Männer. 32 Prozent sind 13 bis 17 Jahre und Jüngeren ­genutzt und die Tweets wesentlich kürzer im Nachrichten- 34 Prozent 18 bis 24 Jahre alt. Die junge Zielgrup- strom sichtbar sind als erfolgreiche Postings auf pe ist dementsprechend sehr dominant und ihr Facebook. Zudem sind auf Twitter wesentlich weni­ Anteil bei „Verstehen Sie Spaß?“ höher als der ger Onliner aktiv als auf Facebook und YouTube. (10) Durchschnittswert anderer Facebook-Seiten (vgl. Abbildung 3). Bei YouTube ist der überwiegende Online-Only-Content Beachtlich ist bei diesem Vergleich: Während auf Teil (85 %) der User (d.h. User, die die Videos rezi- für Formate mit Facebook und Twitter trotz der längeren Sendepause pieren, nicht nur die Abonnenten) männlich, ledig- längerer Sendepause regelmäßig (d. h. mindestens einmal pro Woche) wünschenswert neue Inhalte gepostet werden, ist die Publikations- rate im YouTube-Kanal geringer und konzentriert sich vor allem auf die Ausstrahlungstermine im linearen­ Programm. Dies ist ein Kritikpunkt einiger sehr aktiver User und ein Optimierungspunkt in Rebecca Knauth Media Perspektiven 2/2015 | 70

Abb. 3 Altersstruktur der Facebook-Fans* von "Verstehen Sie Spaß?" aus Österreich und 1,2 Millionen aus den USA er- in % zielt. Zu den Top-Ten-Abruforten gehören außerdem Italien, Niederlande, Frankreich, Spanien, Großbri- 21 tannien und Kanada. (11) 19 Auch bei Twitter ist der Anteil der männlichen Follower höher: 66 Prozent der Follower sind Män- Frauen Männer ner, 34 Prozent Frauen. Angaben über die Alters- 13 13 struktur erhält man bei Twitter nicht. Stattdessen ist ersichtlich, dass 53 Prozent nicht nur „Verstehen 8 Sie Spaß?“ folgen, sondern auch RTL.de, 52 Pro- 6 zent Sat.1, 46 Prozent ZDF, 43 Prozent RTL II und 444 3 42 Prozent Circus Halligalli (ProSieben). Es ist also 2 111 da­von auszugehen, dass es sich um eine tenden- ziell eher junge Zielgruppe handelt. (12) 13-17 J. 18-24 J. 25-34 J. 35-44 J. 45-54 J. 55-64 J. ab 65 J. Genau diese junge Zielgruppe wird mit dem * Seit Erstellung der Fanpage im März 2010. Eventangebot von SWR3, DASDING, und EinsPlus ebenfalls angesprochen – nur mit komplett anderen, Quelle: Facebook Analytics. Interne Daten. auf Musik fokussierten Inhalten. Welche Strategien und Vorgehensweisen konkret bei „Rock am Ring“ zugrunde liegen, wird im folgenden Kapitel erläutert.

Abb. 4 Altersstruktur der "Verstehen-Sie-Spaß?"-Nutzer* auf YouTube Beispiel: „Rock am Ring“ als crossmediales in % Eventangebot 33 „Rock am Ring“ ist das größte Musikfestival in SWR Medienpartner Deutschland und wurde 1985 erstmals am Nür- des Musikfestivals burgring in der Eifel durchgeführt. Seit 2006 ist der 25 SWR exklusiver Medienpartner des Events und be- Frauen Männer richtet durch die Marken SWR3, DASDING und Eins­ Plus live vom Festival. Dabei stehen sowohl die Konzerte als auch das Festivalerlebnis im Vorder- 8,3 9,1 grund. 2014 wurden die Konzerte täglich zwischen 5,9 5,3 18.00 und 3.00 Uhr live in EinsPlus sowie im 3,2 2,9 2,4 2 1,4 0,8 0,5 0,2 Stream auf SWR3.de, DASDING.de und .de gezeigt. Daneben gab es auf SWR3.de sowie auf 13-17 J. 18-24 J. 25-34 J. 35-44 J. 45-54 J. 55-64 J. ab 65 J. DASDING.de zahlreiche Bildergalerien, Videobei- träge, Konzertmitschnitte und Multimediablogs rund * Abonnenten seit Erstellung des Kanals im März 2010. um das Festival, außerdem exklusive Konzertüber- Quelle: YouTube-Analytics. Interne Daten. tragungen im Radio sowie das Festivalradio täglich von 8.00 bis 2.00 Uhr.

Im Social Web wurden die Kanäle Facebook, Twit- Vielfältige lich 15 Prozent sind weiblich. Der Schwerpunkt ter, Instagram und YouTube sehr rege bespielt, Distribution liegt mit 72 Prozent auf den Usern im Alter von 18 dabei standen nicht nur die eigenen Präsenzen im der Inhalte bis 24 und 25 bis 34 Jahren. 13- bis 17-Jährige Vordergrund, sondern die Inhalte sowie Hinweise sind nur zu 11 Prozent vertreten (vgl. Abbildung 4). auf die Liveübertragung wurden ebenfalls aktiv auf Vergleicht man diese Altersverteilung mit der der Fanseiten der Bands, in Festivalgruppen etc. ver- linearen Fernsehnutzung, wird über YouTube ein teilt. Die Distribution der Inhalte erfolgte zentral beachtlich jüngeres Publikum erreicht. Im Ver- über das Distributionsmanagement der Hauptab- gleich dazu: 80 Prozent der DASDING-User auf teilung SWR.Online in enger Zusammenarbeit mit YouTube sind zwischen 13 und 34 Jahre alt, eben- den Onlineredaktionen von SWR3 und DASDING. so die Abonnenten von SWR3. YouTube bietet dem- Das Distributionsmanagement kümmerte sich auch entsprechend große Chancen, junges Publikum um die Einblendungen der Kommentare sowie gezielt anzusprechen. Interessant ist außerdem, Fotos von Facebook, Twitter und Instagram wäh- dass ein Großteil der User des „Verstehen Sie rend der Liveübertragung in EinsPlus. Eingeblen- Spaß?“-YouTube-Kanals natürlich aus Deutsch- det wurden dabei nicht nur Meinungsäußerungen land stammt (112 Millionen Videoaufrufe), aber zu den Konzerten, zur Übertragung allgemein und seit Erstellung des Kanals wurden auch über 12 Grüße an Mitschauende bzw. andere User, sondern Millionen Aufrufe aus der Schweiz, 11 Millionen auch redaktionell aufbereitete Inhalte waren Be- standteil der Einblendungen. So wurden im Vorfeld Informationen zu den auftretenden Künstlern, deren Songtexten und Lebensgeschichten recherchiert und als Zusatzservice zwischen den User-Interak- tionen abgebildet. Social-Media-Aktivitäten am Beispiel SWR 71 | Media Perspektiven 2/2015

140 000 Tweets mit Insgesamt wurden in dem viertägigen Festivalzeit- 2014 war dies die bisher höchst frequentierte Texterwähnung raum im Jahr 2014 ca. 140 000 Tweets mit der Text­ ­Sendung mit den meisten Interaktionen aller SWR- „Rock am Ring“ erwähnung „Rock am Ring“ (inklusive Hashtags) Produktionen. (17) publiziert, das entspricht rund 21 000 Postings auf Twitter mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjah- Beispiel Tatort+: Verlängerung des linearen res. Davon waren knapp 65 000 Tweets deutsch- „Tatorts“ in das Netz sprachig, und in knapp 30 000 wurde mindestens Seit einigen Jahren versammeln sich viele Internet­ eine der drei SWR-Marken erwähnt. Die Marke nutzer jeden Sonntag, wenn die neueste „Tatort“- EinsPlus war 2014 in fast jedem fünften Tweet Be- Folge um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt wird, standteil (23 000 Erwähnungen). (13) am "digitalen Lagerfeuer". Mehrere tausend User Die SWR-Marken waren zudem derart präsent kommentieren das Geschehen auf Twitter, Face- auf Twitter, dass einige Bands Bezug auf sie nah- book oder im Social-TV-Tool der ARD Mediathek men: So sendete beispielsweise Iron Maiden “A big (www..de/socialtv). So wurde beispielsweise thank you to @EinsPlus, @DASDING and @swr3 bei einem SWR-„Tatort“ aus (Ausstrah- for bringing the @rockamring stream to us all to- lung am 18.1.2015) auf Twitter rund 10 000-mal night! \m/”. (14) der Hashtag #tatort verwendet. Die drei Postings auf Facebook generierten insgesamt ca. 4 300 10 % aller auf Im Vergleich zu Twitter sind die Interaktionen auf Likes, 1 500 Kommentare und wurden 160mal ge- „Rock am Ring“ Facebook noch deutlich größer: Im angegebenen teilt. (18) ­bezogenen Facebook- Zeitraum wurden von der SWR Medienforschung Interaktionen können 95 öffentliche Facebook-Accounts (darunter SWR- Um dieses Gemeinschaftserlebnis zu verlängern und 2012 erstmals SWR-Marken Marken, Fanseiten der Bands, Festivalseiten etc.) zu intensivieren, entwickelte der SWR 2012 erst- ­interaktiver Tatort+ ­zugeordnet werden beobachtet. Dabei konnten bei den Posts mit Text­ mals einen interaktiven „Tatort“, den so genannten im Netz angeboten erwähnungen zu „Rock am Ring“ 950 000 Interak- Tatort+. Dabei stand die Ludwigshafener „Tatort“- tionen verzeichnet werden. Den mit Abstand größten Folge „Der Wald steht schwarz und schweiget” im Anteil nahmen darunter die Likes ein (ca. 886 000), Mittelpunkt, in der der Fall nicht restlos aufgeklärt darauf folgten Shares (knapp 40 000) und Kom- wurde. Dieses bereits im Drehbuch angelegte of- mentare (50 000). Die SWR-Marken beanspruchten fene Ende war Ausgangspunkt für die Überlegun- davon etwa 110 000 Interaktionen für sich, was gen, einen interaktiven „Tatort“ zu entwickeln. Ziel einem Anteil von knapp 10 Prozent entsprach. (15) war es, den Nutzern die Möglichkeit zu bieten, Den erfolgreichsten Post aller beobachteten Ka- gemeinsam mit dem „Tatort“-Team virtuell zu er- näle konnte die Band Metallica für sich verbuchen: mitteln. Hierbei sollten die Nutzer die gesicherten Mit dem Verweis auf die Übertragung des Konzerts Spuren (in Form von Fotos und Videos vom Tatort live von Rock am Ring (“Streaming live NOW from sowie Gegenständen, Aktennotizen, Protokollen, Rock am Ring in !”) wurden 123 000 Inter­ Obduktionsbefunden etc.) sichten, analysieren und aktionen generiert. Der Fanzuwachs war im Vergleich ihre Erkenntnisse zu einer schlüssigen Beweisket- zu anderen Events ebenfalls beachtlich hoch: Auf te zusammensetzen.­ Außerdem konnten sie zu Facebook wurden rund 17 000, auf Twitter 6 500 festgelegten Zeiten Verhöre mit Verdächtigen oder und auf Instagram ca. 450 neue Fans hinzugewon- Zeugen führen. Kriminalistische Objektivität war nen. Dabei konnte EinsPlus den größten Gewinn stets gefragt, denn nicht jede Spur war gleich erzielen, was auch auf die starke und dauerhafte wichtig, so manche führte auch bewusst in die Präsenz im Fernsehen zurückzuführen ist. (16) Irre. Das Spiel konnte sowohl im Single-Player- Modus als auch im Team gelöst werden. Der Tat- Integration von rund Die Einblendungen von Kommentaren sowie Fotos ort+ 2012 startete direkt nach dem Abspann des 10 000 Nutzerinter­ im Stream und TV-Bild in EinsPlus erfolgte mittels Films im Fernsehen, die Spieldauer war auf einen aktionen in der eines Programms, das alle Tweets und Postings einwöchigen Zeitraum (13. bis 20. Mai 2012) be- ­Livesendung mit bestimmten Keywords aggregiert und dann im grenzt. entsprechend vorgegebenen Template abbildet. Alle Trotz technischer Startschwierigkeiten (Über- Kommentare werden dabei manuell ausgewählt lastung des Servers) wurde das Spiel insgesamt und redaktionell geprüft. Ziel ist es, nicht nur Mei- 110 000-mal gespielt, und auf tatort.de wurden nungsäußerungen, sondern auch zusammenhän- 1,6 Millionen Page Impressions erzielt. (19) gende Dialoge abzubilden. Hiermit können die In- teraktionen gesteigert und die Zuschauer- sowie Aufgrund der positiven Erfahrungen wurde 2013 Tatort+ 2013 bezog Userbindung verbessert werden. Nicht selten ver- ein weiterer Tatort+ entwickelt, bei dem das Stutt- User bereits im meldeten User, dass sie sich “extra wegen der garter „Tatort“-Team im Fokus stand. Das Gemein­ ­Vorfeld der Sendung Liveübertragung und den Einblendungen einen schaftserlebnis sollte in diesem Jahr nicht nur im ein Twitter-Account angelegt haben”. Kritik aufgrund Nachgang des linearen Tatorts verlängert werden, der Einblendungen gab es nur in ganz geringem sondern die User erhielten auch im Vorfeld bereits Maße. die Möglichkeit, in die Welt des Krimispiels einzu- An den vier Tagen wurden insgesamt rund tauchen und erste Ergebnisse zu ermitteln. 10 000 Tweets, Facebook-Kommentare und Insta- gram-Fotos eingeblendet. Neben der Social-Media- Integration während des Eurovision Song Contest Rebecca Knauth Media Perspektiven 2/2015 | 72

Während es sich bei dem Tatort+ 2012 um ein 2014 wurden diese Erfahrungen für einen dritten Tatort+ 2014 Point-and-Click-Adventure handelte, das sich durch Tatort+ genutzt, der sich ein weiteres Mal mit den zum 25-jährigen ein freies Bewegen durch verschiedene Räume Ludwigshafener Kommissaren befasste und kon- ­Dienstjubiläum und das Entdecken bestimmter Gegenstände aus- kret Lena Odenthal sowie die Feier ihres 25-jähri- von Kommissarin zeichnete, wurde für den Tatort+ 2013 eine Ermitt- gen Dienstjubiläums in den Mittelpunkt rückte. Im Lena Odenthal lerplattform in Form eines fiktiven Polizeicompu- Gegensatz zu den vorherigen Tatort+ -Angeboten ters angeboten. Auf der Oberfläche befanden sich bestand 2014 das Bestreben nicht nur darin, den E-Mail-Postfach, Aktenarchiv, Asservatenkammer, Usern die Möglichkeit zu bieten, selber aktiv zu Dialogtool, ein Tool für Anfragen an die Kriminal- werden und gemeinsam mit den Protagonisten technische-Untersuchungsstelle (KTU), Erkenntnis- einen Fall zu lösen, sondern es standen auch viel liste und vieles mehr. stärker die Filmfiguren und deren (fiktionale) Er- lebniswelt im Vordergrund. Der User konnte in Lenas Drei Phasen: Die Onlineerweiterung zur Stuttgarter „Tatort“-Folge Vergangenheit eintauchen und die letzten 25 Prolog, Second “Spiel auf Zeit” gliederte sich in drei Phasen: Pro- Dienstjahre Revue passieren lassen. Dafür wurde Screen und Epilog log, Second Screen und Epilog. Während des ge- umfangreiches Video- und Bildmaterial aus den samten Spielzeitraums waren die Fans eng mit vergangenen 25 Jahren des Ludwigshafener „Tat- dem Stuttgarter „Tatort“-Team verbunden. So er- orts“ in die Erlebniswelt integriert. hielten die User jeden Tag Video-Briefings von der Auch 2014 gliederte sich der Tatort+ wieder Kriminaltechnikerin Nika Banovic, untersuchten in einen Teil vor und einen nach Ausstrahlung der Audiodateien, lösten Suchbilder und führten Befra- „Tatort“-Folge im linearen Programm. Auf den Aus­ gungen durch. Über den „Flurfunk“ konnten sich bau der Second-Screen-Begleitung wurde hingegen die Fans zudem rund um die Uhr mit ihren Mitspie- verzichtet, es erfolgte eine „normale” Begleitung lern austauschen. Die Ermittlungen im Prolog waren des „Tatorts“ auf den Social-Media-Präsenzen – im Gegensatz zu denen im Epilog – chronolo- sowie im „Flurfunk“ innerhalb des Krimispiels. gisch aufgebaut, pro Tag gab es eine begrenzte Anzahl an Informationen und Aufgaben zu bewälti- Vor Ausstrahlung des „Tatorts“ hatte der User die Im Vorfeld der gen. Die Auflösung der ersten Ermittlungsphase Möglichkeit, in Form eines Point-and-Click-Adven- ­Sendung Erlebniswelt erfolgte während der Fernsehausstrahlung. Inwie- tures (vergleichbar dem Tatort+ 2012) das Lud- zum Krimi fern das Onlineangebot im Vorfeld die TV-Quote wigshafener Kommissariat zu besuchen, sich dort (positiv) beeinflusste, kann an dieser Stelle nicht frei zu bewegen, Akten zu wälzen und zu sortieren, eindeutig geklärt werden. Auffällig war jedoch, dass Glückwünsche zum Dienstjubiläum zu lesen und viele “Heavy User”, die sich bereits in der Prolog- vieles mehr. Ziel war es, dem User eine Erlebnis- phase im „Flurfunk“ austauschten und an den Er- welt zu bieten, die sich auch, aber nicht nur um mittlungen teilnahmen, auch während der „Tatort“- das Ermitteln eines Krimifalls drehte. Ausstrahlung im linearen Programm das Second- Screen-Angebot rege nutzten. Dabei mussten par- Im Nachgang der Ausstrahlung wurde dem User Krimispiel nach der allel zur Sendung Fragen beantwortet werden, es ein Krimispiel angeboten, das in einem Stück zu- Ausstrahlung gab für das Krimispiel hilfreiche Hinweise, und sämt­ sammenhängend durchgespielt werden konnte. liche Schritte der TV-Kommissare konnten auf einer Auch hier war es keine Voraussetzung, die Prolog- eigens erstellten und mit lokalen Daten gepflegten phase mitgemacht oder den „Tatort“-Film verfolgt zu Karte (Crime-Map) verfolgt werden. haben. Das Spiel war erneut als Point-and-Click- Nach der Ausstrahlung ging es übergangslos in Adventure aufgebaut. Um das Angebot für mög- die Epilogermittlungsphase über. User, die im Vor- lichst viele unterschiedliche Nutzergruppen attrak- feld das Krimispiel nicht verfolgt hatten, konnten tiv zu gestalten, wurden verschiedene „Levels of ebenso problemlos einsteigen wie die bereits er- Engagement" integriert. Hierbei wurde dem User probten Spieler. Im Epilog konnten Hinweise aus die Entscheidung selbst überlassen, wie intensiv dem Prolog (erneut) untersucht werden, aufgrund er sich mit der fiktiven Welt von Lena Odenthal be- der aktuellen Geschehnisse boten diese wiederum schäftigen möchte und auch, womit. So kamen wertvolle (neue) Erkenntnisse. Aber auch weitere User, die lediglich Inhalte rezipieren und eher pas- Indizien kamen zum Vorschein, Befragungen muss­ siv in die Erlebniswelt eintauchen wollten, ebenso ten durchgeführt und der „Flurfunk“ konnte erneut auf ihre Kosten wie Nutzer, die sich aktiv am Krimi- für Hilfestellungen und Ermittlungen im Team ge- spiel beteiligen und selbst ermitteln wollten. nutzt werden. Im Gegensatz zu den Angeboten Tatort+ 2012 und Tatort+ 2014 steht Große Resonanz auf Mit dem Tatort+ 2013 wurde eine mehr als doppelt 2013 steht der Tatort+ 2014 unter www.tatortplus. ein Jahr lang zur Tatort+ 2013 so große Resonanz erzielt wie 2012: Ca. 4,4 Milli- de ein Jahr online zur Verfügung. Die Online-Er- ­Verfügung onen Page Impressions, 252 000 Visits, 60 000 an- weiterung ist frei zugänglich und auch ohne An- gemeldete Spieler und 30 000 Userkommentare meldung spielbar. Da die Plattform nach wie vor frei konnten verzeichnet werden. (20) genutzt wird, stehen noch keine endgültigen Zah- len zur Verfügung. Bis Ende 2014 wurden 1,8 Mil- lionen Page Impressions und eine durchschnitt­ liche Verweildauer von etwas mehr als 13 Minuten registriert. (21) Social-Media-Aktivitäten am Beispiel SWR 73 | Media Perspektiven 2/2015

Auch Angebote mit älterer etwa dreimal höheren Zahlen am Wiederholungs- Zuschauerschaft­ rege genutzt­ termin sind außer auf die Dauer der Ausstrahlung Beispiel: Serie Die bereits aufgeführten Beispiele richten sich vor allem auf die Einblendungen der Nutzerkom- „Die Kirche bleibt tendenziell eher an eine junge, online-affine Ziel- mentare und die Hinweise auf das Facebook-An- im Dorf“ gruppe. Doch auch Angebote innerhalb des SWR gebot zurückzuführen. Fernsehens mit einer eher älteren Zuschauer- schaft erfreuen sich im Web immer größerer Be- Als weiteres Beispiel für die Social-TV-Integration Beispiel: liebtheit. So wird beispielsweise das Serienformat im SWR Fernsehen ist das neu aufgelegte und Trimediales Format „Die Kirche bleibt im Dorf“ im Netz sehr rege ge- konzipierte Format “Pro und Contra” zu nennen. „Pro und Contra“­ nutzt, die einzelnen Folgen gehören zu den erfolg- Die Besonderheit des Formats liegt in der trimedi- reichsten Videos innerhalb des YouTube-Kanals alen Konzeption: Am gleichen Tag der Sendungs- des SWR. Dies hängt auch sehr stark mit der ei- ausstrahlung wird das entsprechende Thema im gens für YouTube produzierten Verpackung (Hin- Hörfunk (SWR1 BW und SWR1 RP) platziert. Be- weistafel am Ende des Videos mit Verweis auf reits hier erhalten die Zuhörer und Nutzer Hinter- weitere Folgen und Zusatzmaterial) sowie mit den grundinformationen und können sich an der Dis- zusätzlichen Clips, Interviews und Hintergrundin- kussion on-air sowie online beteiligen. Während formationen, die den Nutzern im Netz zur Verfü- der Livesendung ab 22.00 Uhr können die Zu- gung gestellt werden, zusammen. Das Format wird schauer weiterhin auf der Webseite mitdiskutie- außerdem auf dailyme, einer App, die kostenlos ren, Meinungen und Fragen fließen in die Sendung Serien und Filme zur Rezeption (auch offline) zur mit ein und werden direkt von den jeweiligen Pro- Verfügung stellt, angeboten und erfreut sich auch tagonisten beantwortet. Zum Thema “Burka-Ver- dort großer Beliebtheit. bot” wurden auf der sendungsbegleitenden Web- seite knapp 1 500 Kommentare gepostet, es gab Sozial-TV- Zum Wiederholungstermin der zweiten Staffel von insgesamt 800 Likes und 1 800 Votes in der Ab- Experiment: „Die Kirche bleibt im Dorf“ hat die Redaktion ge- stimmung. (24) Einblendung von meinsam mit dem Distributionsmanagement zudem­ Deutlich wird hierbei auch, dass die User und Nutzerkommentaren ein Social-TV-Experiment gewagt, das es in der Zuschauer des SWR inzwischen mit den Mecha- in TV-Sendung Form bisher noch nicht zu einem fiktionalen For- nismen und der Onlinebeteiligung durchaus ver- mat im SWR Fernsehen gab: In der Nacht vom 1. trauter sind als es beispielsweise 2013 zur Bun- auf den 2. Januar 2015 wurde die zweite Staffel destagswahl der Fall war. Denn auch dort gab es der Serie am Stück im SWR Fernsehen wiederholt. die Möglichkeit, sich zu beteiligen und Fragen zu Da die Fangemeinde im Social-Web stets sehr schicken. Dies wurde aber in deutlich geringerem aktiv ist, wurde dieser Wiederholungstermin ge- Maße genutzt, als es bei der Sendung „Pro und nutzt, um Nutzerkommentare von Facebook im TV- Contra“ der Fall ist. Bild einzublenden. Dabei wurden die Einblendun- gen nicht durchgängig am Stück vorgenommen, Grundsätzlich muss man festhalten, dass die Be- Beteiligung im Netz sondern pro Folge drei bis vier Blöcke mit jeweils teiligung im Netz natürlich immer nur einen Bruch- bei Sendungen des fünf Kommentaren. Auf dieses erstmalig im fiktio- teil der linearen Fernsehnutzung darstellt. Ein der- SWR Fernsehens nalen Bereich durchgeführte Experiment wurden artiger Vergleich unterläge aber auch gänzlich fal- steht noch am Anfang im Netz überwiegend begeisterte Stimmen laut, schen Maßstäben und entspricht keineswegs dem aber auch einige kritische Zuschauer, die sich von Ziel einer solchen Integration von Onlineinhalten. den Einblendungen gestört fühlten, meldeten sich Zielsetzung ist es, den Usern ein Angebot zur Inter- zu Wort. Insgesamt wurden während der Ausstrah- aktion und zum Meinungsaustausch zu liefern – lung rund 500 Kommentare und knapp 400 Likes diese Interaktion bedarf gewisser Voraussetzungen erzielt, der Post kurz vor Sendungsbeginn erreich- (z. B. Verfügbarkeit Computer, Laptop, iPad und te etwa 15 000 Personen. Motivation zur aktiven Nutzung), die speziell bei dem Publikum des SWR Fernsehens, das größten- Positive Sehr positiv hat sich außerdem die Gesamtzahl der teils sich nicht derart selbstständig im Netz bewegt Entwicklung der Fans entwickelt. Die Facebookpage mit aktuell 13 wie die Digital Natives, nicht als gängig betrachtet sendungsbezogenen 500 Fans hatte bereits seit Beginn der Bewerbung werden dürfen. Deutliches Steigerungspotenzial ist Facebookseite und Ausstrahlung deutlichen Zuwachs, trotzdem somit noch vorhanden. brachte der Wiederholungstermin noch einmal ein deutliches Plus von 789 Fans in der Nacht vom 1. Fazit auf den 2. Januar und rund 160 neue Fans am 2. Die Nutzungsgewohnheiten der Zuschauer und User Social-Media-Aktivi- Januar. Dies ist deutlich höher als der Durchschnitt haben sich in den letzten Jahren gewandelt, was täten als Ergänzung, von 26 neuen Fans an sendungsfreien Tagen. (22) von den Medienunternehmen ein Umdenken sowie Bereicherung und Interessant ist aber auch hier die Parallele zu be- eine größere Offenheit gegenüber neuen Plattfor- weitere Distributions- reits skizzierten Entwicklungen hinsichtlich des men und Interaktionsmöglichkeiten verlangt. Fa- form Ausstrahlungstages (vgl. „Verstehen Sie Spaß?“): cebook, Twitter, YouTube und weitere Social-Web- So kann auch bei der Fanentwicklung der Face- Angebote bieten eine Option zur Interaktion und bookpage „Die Kirche bleibt im Dorf“ an jedem Ausstrahlungstag ein deutlicher Gewinn von 250 bis 300 neuen Fans verzeichnet werden. (23) Die Rebecca Knauth Media Perspektiven 2/2015 | 74

zum Dialog, denn hier kann die klassische Einweg- Anmerkungen: kommunikation des linearen Fernsehprogramms 1) Vgl. Eimeren, Birgit van/Beate Frees: 79 Prozent der durch die reziproke Zweiwegkommunikation im Deutschen online – Zuwachs bei mobiler Internet­ Social-Web ergänzt werden. Betonen muss man nutzung und Bewegtbild. Ergebnisse der ARD/ZDF-­ an dieser Stelle: Der SWR verfolgt mit seinen Soci- Onlinestudie 2014. In: Media Perspektiven 7-8/2014, S. 378-396. al-Media-Aktivitäten nicht die Absicht, das lineare 2) Ebd., S. 386. Fernsehprogramm zu ersetzen. Stattdessen soll- 3) Vgl. Busemann, Katrin/Florian Tippelt: Second Screen: ten sie als sinnvolle Ergänzung, Bereicherung und Parallelnutzung von Fernsehen und Internet. Ergebnisse weitere Distributionsform angesehen werden. der ARD/ZDF-Onlinestudie 2014. In: Media Perspektiven 7-8/2014, S. 408-416, hier S. 410. Letztendlich besagt der Grundversorgungsauftrag, 4) Van Eimeren/Frees (Anm. 1), S. 394. dass alle Bevölkerungsgruppen mit den für sie re- 5) Nutzer, die sich bewusst für einen Kanal entscheiden levanten Inhalten versorgt werden müssen. Diese und somit zum Beispiel über neue Uploads benachrich- Inhalte können sowohl linear als auch online auf tigt werden. Die Anzahl der Aufrufe beinhaltet allerdings nicht nur die Aufrufe seitens Abonnenten, sondern aller Webseiten, in sozialen Netzwerken oder anderen Onliner. Um Videos zu rezipieren, ist ein Abonnement Plattformen publiziert werden. Hauptziel ist, dass keine Voraussetzung. sie den User erreichen. 6) Vgl. Social Blade: http://socialblade.com/youtube/top/ country/DE/mostviewed, Stand Januar 2014. Diese Ansicht vertritt nicht nur der SWR, son- 7) Vgl. YouTube Analytics. dern beispielsweise auch Studien, die im Zusam- 8) Vgl. YouTube Analytics, Datenbasis: 1.-31. September menhang mit verändertem Mediennutzungsverhal­ 2014. Interne Daten. ten konstatieren, dass klassische Medien ein wich­ 9) Vgl. Facebook-Analytics, interne Daten, Tabelle 2. 10) Vgl. Van Eimeren/Frees (Anm. 1), S. 386ff. tiger Bestandteil der “sozialen Mundpropaganda” 11) Vgl. YouTube Analytics. Interne Daten. seien und deshalb ihre Rolle in Communitys aktiv 12) Vgl. Twitter Analytics, interne Angaben. wahrnehmen müssten. (25) Auch der ehemalige 13) SWR Medienforschung, Endbericht Rock am Ring 2014. Internes Dokument. ZDF-Intendant Markus Schächter war bereits 2008 14) Vgl. Twitter, 5.6.2014. der Ansicht, dass der öffentlich-rechtliche Rund- 15) Vgl. SWR Medienforschung (Anm. 15). im Netz eine verantwortungsvolle Vorreiterrolle 16) Vgl. ebd. einnehmen solle. (26) 17) Vgl. Interne Erhebung des Distributionsmanagements, SWR.Online. 18) Vgl. ebd. Weiterer An der einen oder anderen Stelle gibt es sicherlich 19) Vgl. SWR Medienforschung. Interner Bericht. Optimierungsbedarf, noch Optimierungsbedarf. Niemand kann mit Be- 20) Vgl. ebd. 21) Vgl. SWR Medienforschung. Interner Bericht. Entwicklungsrichtung stimmtheit sagen, in welche Richtung sich die Ak- 22) Vgl. Facebook Analytics, interne Daten. Zeitraum: 1.12.- offen tivitäten entwickeln und welchen Stellenwert die 31.12.2014. sozialen Netzwerke, mobilen Messenger oder Ähn- 23) Vgl. ebd. liches in fünf oder zehn Jahren tatsächlich einneh- 24) Vgl. Interne Auswertung. Sendung am 28.1.2015 um 22.00 Uhr im SWR Fernsehen. men werden. Schlussendlich müssen Chancen er­ 25) Vgl. Frees, Beate/Martin Frisch: Veränderte Mediennut- griffen, Erfahrungen gesammelt sowie der Aus- zung durch Communitys? Ergebnisse der ZDF-Studie tausch zwischen den jeweiligen Landesrundfunk- Community 2010 mit Schwerpunkt Facebook. anstalten vorangetrieben werden, die Angebote platt­ In: Media Perspektiven 3/2011, S. 154-164. 26) Vgl. Schächter, Markus: Die Digitalisierung als Chance. formgerecht aufbereitet werden, sodass möglichst Das ZDF auf dem Weg in die neue Fernsehwelt. optimal die Bedürfnisse der User befriedigt werden In: Kaumanns, Ralf/Veit Siegenheim/Insa Sjurts (Hrsg.): können. Auslaufmodell Fernsehen? Perspektiven des TV in der digitalen Medienwelt. Wiesbaden 2008, S. 147-161.