ÖSTERREICHISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 2015

JAHRESBERICHT 2015

INHALTSVERZEICHNIS

GELEITWORTE 4

VORWORT DES PRÄSIDENTEN 6 DER MENSCH IM MITTELPUNKT

PANORAMA 12 DAS AKADEMIEJAHR IM RÜCKBLICK

STIMME DER WISSENSCHAFT 26 DIE MITGLIEDER UND IHRE AKTIVITÄTEN

IM FOKUS 50 NEUE KOMMISSIONEN GEGRÜNDET

TRÄGER DER FORSCHUNG 56 HIGHLIGHTS AUS DEN FORSCHUNGSINSTITUTEN

IM FOKUS 96 STÄRKUNG DER ARCHÄOLOGIE

FÖRDERER VON TALENTEN 102 STIPENDIEN UND FÖRDERPROGRAMME

IM FOKUS 112 FLÜCHTLINGE FÖRDERN, FLUCHT ERFORSCHEN

ZAHLEN UND FAKTEN 118 DIE WICHTIGSTEN KENNZAHLEN IM ÜBERBLICK

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 130

3 GELEITWORT DES BUNDESPRÄSIDENTEN

Auch im abgelaufenen Jahr war es mir möglich, an mehreren Veranstaltungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften teilzunehmen und mir von den vielfältigen Aktivitäten dieser wichtigen und traditionsreichen Institution selbst ein Bild zu machen. Zu den Highlights zählten zweifelsohne die Jahrestagung der World Academy of Sciences mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus über 60 Ländern sowie – für mich persönlich – mein Besuch beim CeMM gemeinsam mit dem Staatspräsidenten der Italienischen Republik, Sergio Matarella. Darüber hinaus stellt der Start der Initiative „Genom Austria“, über die meine Frau den Ehrenschutz übernommen hat, ein wegweisendes Projekt dar, in dem ganz konkret die gesellschaftliche Bedeutung der modernen Genetik und ihrer Möglichkeiten untersucht werden soll. Exemplarisch wird damit die Foto: Ingo Pertramer Notwendigkeit aufgezeigt, die naturwissenschaftlich-technische Entwicklung mit der Öffentlichkeit zu diskutieren, Transparenz und Mündigkeit zu stärken und so eine auf Wissen gründende Partizipation an heutiger Spitzenforschung zu ermöglichen. Ich erwähne dieses Beispiel von „Genom Austria“ auch deshalb, weil an ihm deutlich wird, in welchem hohen Maße sich die Österreichische Akademie der Wissenschaften als Ort der Wissenschaft und als Ort des gesellschaftlichen Diskurses versteht. Dafür möchte ich allen Beteiligten danken. Wir alle können auf die Österreichische Akademie der Wissenschaften stolz sein. Für die Zukunft wünsche ich weiterhin viel Erfolg, Freude und Anerkennung.

Wien, im Mai 2016

HEINZ FISCHER Bundespräsident der Republik Österreich

ÖAW GELEITWORTE

GELEITWORT DES BUNDESMINISTERS

Die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft, dynamische politische Verände- rungen, demographischer und klimatischer Wandel oder Ressourcenknappheit sind nur ein paar der größten Herausforderungen unserer Zeit. Angesichts der Vielzahl an Frage- und Themenstellungen braucht es, vielleicht mehr denn je, die Antworten der Wissenschaft und den Dialog sowie die Beratungen durch Ge- lehrtengesellschaften. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften steht für diesen Geist der gemeinsamen Problemlösung und das klare Bekenntnis zur stra- tegischen Weiterentwicklung von Wissenschaft und Forschung im Interesse der Gesellschaft. Aber vor allem ist die Akademie ein verlässlicher Träger und Part- ner für leistungsfähige Forschungscluster, Organisator von Wissens- und Know- How-Transfer sowie Forschungsförderer, der Karriereperspektiven für junge Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler ermöglicht. Foto: Hans Ringhofer Diese Exzellenz in den unterschiedlichsten Handlungsfeldern hat die Akademie auch im Jahr 2015 eindrucksvoll unter Beweise gestellt. 79 EU-Projekte wurden an der ÖAW durchgeführt; bei den ERC-Ausschreibungen des Jahres 2015 konnten sechs ERC Starting bzw. Consolidator Grants sowie eine Proof of Concept Zusatzförderung eingeworben werden. Insgesamt wurde in 184 FWF-Projekten geforscht, neben zwei FWF-START-Grants und dem renommierten Wittgensteinpreis des FWF wurden 38 weitere FWF-Grants mit einem Gesamtvolumen von über 9,8 Millionen Euro an der ÖAW eingeworben. Auch was die internationale Sichtbarkeit anbelangt, war 2015 ein sehr erfolgreiches Jahr für die Akademie bzw. ihre Mitglieder. Die von Thomson Reuters 2015 veröffentlichte Liste der weltweit am häufigsten zitierten Wissenschaftspersönlichkeiten enthält 19 Forscherinnen bzw. Forscher, die in enger Verbindung zur ÖAW stehen, von zahlreichen Publikationen in namhaften Journalen und Magazinen nicht zu sprechen. Als zuständiger Ressortminister darf ich den über 780 Mitgliedern und den mehr als 1.450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht nur zu diesen großartigen Leistungen gratulieren, sondern auch zur langfristigen Zukunftsperspektive, die sie dem Wissenschaftsstandort Österreich eröffnen. Die Akademie steht heute mehr denn je in der Mitte der Gesellschaft und demonstriert Jahr für Jahr wie wichtig es ist, dass die neuesten Ergebnisse der Forschung in der Scientific Community aber auch in der Öffentlichkeit diskutiert werden und am Prüfstand stehen. Als zuständiges Ministerium sind wir Teil dieses Dialogs und schaffen darüber hinaus die Rahmenbedingungen für diese Prozesse, die die Gesellschaft voran bringen und neue Ideen und auch längerfristige Produkte und Dienstleistungen entstehen lassen. Das ist angesichts der budgetären Rahmenbedingungen keine leichte Aufgabe, aber gerade die Leistungen der Akademie belegen, dass diese Investitionen und letztlich das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler eine sinnvolle Investition in den Wissensstandort Österreich und die Zukunft sind. Wir wollen nicht nur Gegenwart verwalten, sondern auch Zukunft gestalten. In dieser Situation ist die Wissenschaft, allem voran die Akademie der Wissenschaften, auch weiterhin gefordert, ihre Problemlösungskompetenz einzubringen und Antworten auf die großen Fragen zu erarbeiten. Das ist die große Stärke der Wissenschaft und ein wichtiger Beitrag für die Weiterentwicklung der Gesellschaft.

Wien, im Mai 2016

REINHOLD MITTERLEHNER Vizekanzler und Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

5 Das Hauptgebäude der Akademie am Dr. Ignaz Seipel-Platz in Wien. Foto: Michael Weinwurm/ÖAW VORWORT DES PRÄSIDENTEN DER MENSCH IM MITTELPUNKT DER MENSCH IM MITTELPUNKT

Es war der Humanismus, der den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellte, die Freiheit des Individuums betonte und überzeugt war, dass die in je- dem Menschen angelegten Potenziale durch Bildung, durch Forschung, durch Forderung und Förderung zur Entfaltung gebracht werden können. Das ga- rantiere nicht nur das Vorankommen des Einzelnen, sondern auch das Voran- schreiten der Gesellschaft – zum Wohl jedes Menschen und aller Menschen. Akademien der Wissenschaften bauen auf diesem humanistischen Ideal und den Errungenschaften der Aufklärung auf. Sie leben den Glauben an die geistige Schaffenskraft des Menschen und geben seinem Bedürfnis nach neu- er Erkenntnis Raum. Sie fördern vielversprechende Talente und bieten ihnen Chancen, ihre Gedanken frei zu entwickeln. Sie haben sich der offenen und vor- urteilslosen Suche nach wissenschaftlicher Wahrheit verschrieben. Und sie brin- Foto: Sepp Dreissinger gen sich aktiv in die „res publica“, die öffentlichen Angelegenheiten, ein. Damit tragen sie zum wissenschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Fortschritt bei.

DAS Akademien blicken auf eine lange und ertragreiche wissenschaftliche Tra- LEIBNIZ’SCHE ERBE dition zurück. Der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz brachte im frühen 18. Jahrhundert die Idee der Akademie nach französischem und an- gelsächsischem Vorbild in den deutschsprachigen Raum – und auch nach Österreich. Von Leibniz stammen die Entwürfe für eine österreichische „So- zietät der Wissenschaften“, die er während seiner Tätigkeit in Wien in den Jahren 1712 bis 1714 ausarbeitete. Neben jener in Wien geht die Gründung von drei weiteren Akademien auf ihn zurück: in Berlin, Leipzig und St. Petersburg (heute in Moskau). Leibniz erlebte die Gründung „seiner“ Akademie in Österreich zwar nicht mehr, doch die Österreichische Akademie der Wissenschaften pflegt das geis- tige Erbe des Vordenkers der Aufklärung und ihres Spiritus Rector bis heute und insbesondere in diesem Jahr, da sich Leibniz‘ Todestag zum 300. Mal jährt. Im November wird sich hier in Wien eine internationale Tagung, gemeinsam veranstaltet von den vier von Leibniz initiierten Akademien, mit dem Werk des großen Gelehrten auseinandersetzen.

DIE WELT DER Der letztlich universale Auftrag an Akademien der Wissenschaften und ge- WISSENSCHAFT setzlich ausdrücklich an die Österreichische Akademie der Wissenschaf- IN WIEN ten, „die Wissenschaft in jeder Hinsicht zu fördern“, hat auch eine globale Dimension. Die Konferenz der World Academy of Sciences (TWAS), die im vergangenen November in Wien an der Akademie stattfand, machte dies ein- drucksvoll sichtbar. Die Konferenz versammelte rund 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- ler aus 58 Staaten, vor allem aus Asien, Afrika und Lateinamerika, und bot

ÖAW VORWORT DES PRÄSIDENTEN

diesen Gelegenheit zur internationalen Vernetzung. Im Zentrum der Diskus- sionen standen die Beiträge der Wissenschaft zur nachhaltigen Entwicklung sowie zu Möglichkeiten des Wissenstransfers von Nord nach Süd und vice versa. Die Konferenz stand im Zeichen des offenen Innovationsklimas und der Internationalität der österreichischen Wissenschaftspolitik und ist Beleg der Verortung von Wissenschaft „mitten in der Gesellschaft“ auch in einem weltweiten Sinn: Wir pflegen einen intensiven internationalen Austausch in dem Bewusstsein, dass Forschung keine Grenzen kennt und die Sprache der Wissenschaft universell ist.

Diese Überzeugung drückt sich auch in einer Initiative der Akademie aus, die FLÜCHTLINGE wir im letzten Herbst gestartet und im heurigen Jahr weitergeführt haben: FÖRDERN, FLUCHT „Flüchtlinge fördern, Flucht erforschen“ will Menschen ein Angebot zur In- ERFORSCHEN tegration in Österreich machen, die aufgrund von Krieg, Terror oder Verfol- gung ihre Heimat verlassen mussten und bei uns Schutz suchen. An mehre- ren Forschungsinstituten der Akademie können asylberechtigte Personen mit wissenschaftlicher oder wissenschaftsnaher Ausbildung Praktika absolvieren. Dadurch soll ihnen ein Einstieg in die österreichische Forschungslandschaft ermöglicht werden. Wir sind uns sicher, dass dies nicht nur Chancen für die neu angekommenen Menschen eröffnet, sondern auch für Österreich. Als Wissenschaftseinrichtung sehen wir uns zudem in der Pflicht, zu den Ur- sachen und Auswirkungen von Flucht und Migration zu forschen und die daraus resultierenden Erkenntnisse in den gesellschaftlichen Diskurs einzu- bringen, um zu evidenzbasierten politischen Entscheidungen beizutragen. Unsere Institute für Demographie, Sozialanthropologie, Stadt- und Regional- forschung, Medien- und Kommunikationsforschung sowie die Kommission für Migrations- und Integrationsforschung sind hier federführend und seien stellvertretend für andere genannt, die ebenfalls zu diesen Themen forschen. Mehr zur Flüchtlingsthematik findet sich in einem Fokusbeitrag.

Das Selbstverständnis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ORT DES DIALOGS stützt sich auf vier Pfeiler. Die Mitglieder der Akademie verstehen sich als Stimme der Wissenschaft, mit ihren Instituten ist die Akademie Trägerin der Forschung, mit ihren Preisen, Auszeichnungen und Stipendienprogrammen eine Förderin junger Talente – und sie ist eine Vermittlerin von Wissen. Die- sen vierten Pfeiler haben wir auch 2015 weiter gestärkt – mit Veranstaltungen zu drängenden Fragen unserer Zeit und Menschen, die dazu wissenschaftlich kompetent Auskunft geben können. Die Akademie konnte sich dadurch weiter als Ort des Dialogs etablieren. Drei hochkarätige Veranstaltungen des vergangenen Jahres seien an dieser Stel- le beispielhaft genannt: Im Frühjahr bot die viel beachtete Podiumsdiskussion „Der Euro. Eine Disputation zum Buch ‚The Euro Trap‘“ mit dem deutschen Wirtschaftswissenschaftler k.M.A. Hans-Werner Sinn und dem National- bank-Gouverneur Ewald Nowotny eine spannende Auseinandersetzung mit der Eurokrise unter besonderer Berücksichtigung der Situation Griechenlands. Der Vortrag „The State and Innovation: A Different Narrative“ der US-ame- rikanischen Ökonomin Mariana Mazzucato wies auf die fundamentale, aber

9 allzu gern übersehene Rolle der staatlich geförderten Grundlagenforschung für Innovation und technologischen Fortschritt hin. Die Junge Kurie schließ- lich organisierte unter dem Titel „Gravitation 2015“ eine Veranstaltungsreihe zum 100-jährigen Jubiläum von Einsteins Formulierung der Allgemeinen Re- lativitätstheorie, eröffnet durch einen Festvortrag von Jürgen Renn, Direktor am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und verbunden mit einer sehr gut besuchten Ausstellung in der Aula der Akademie.

AUSBAU Wesentliche Orte der wissenschaftlichen Auseinandersetzung sind die Kom- DER FORSCHUNG missionen der Akademie. Sie stehen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Öffentlichkeit und widmen sich überwiegend interdisziplinären Fragen von wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz. Mit zwei Neugründungen hat die Akademie 2015 geschichtswissenschaftliche Forschungsfelder eröffnet, die wichtige Beiträge zum historischen Selbstverständnis Österreichs verspre- chen. So plant die Kommission für Rechtsgeschichte erstmals, den Vertrag von St. Germain, eines der für die Gründung der Republik Österreich zentralen Dokumente, umfassend zu untersuchen. Die Kommission für die Geschich- te und Philosophie der Wissenschaft wird sich der geschichtlichen Entwick- lung wissenschaftlicher Disziplinen und Methoden in Österreich widmen und ruft damit in Erinnerung, was heute oft vergessen wird: Das Land war in der zweiten Hälfte des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in vie- len Wissenschaftsbereichen international führend. Mehr zur Arbeit dieser und weiterer Kommissionen ist dem Fokusbeitrag mit Klassenpräsidentin Brigitte Mazohl und Klassenpräsident Georg Brasseur zu entnehmen. Erfreulicherweise ist Österreich auch heute wieder in vielen Fächern sehr er- folgreich – eines davon ist zweifellos die Archäologie. Mit der zum 1. Jänner 2016 erfolgten Übertragung des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) an die Akademie wird die österreichische Forschung auf diesem Gebiet nachhaltig und zukunftsorientiert gestärkt. Gemeinsam mit dem Institut für Orientalische und Europäische Archäologie und dem Institut für Kulturge- schichte der Antike wird das ÖAI in der Akademie einen Cluster bilden, der neue Möglichkeiten für die archäologische Grundlagenforschung eröffnet. Die Stärkung des wissenschaftlichen Austauschs und die Nutzung von Synergien sind zwei Beispiele für den Mehrwert, den dieser Cluster für die Arbeit der Forscherinnen und Forscher bedeutet. Die vielversprechende gemeinsame Zu- kunft von Akademie und ÖAI ist auch Thema eines „Im Fokus“-Interviews mit Vizepräsident Michael Alram und ÖAI-Direktorin Sabine Ladstätter.

INNOVATIONEN UND Forschung auf höchstem internationalen Niveau zu unterstützen ist das er- TALENTE FÖRDERN klärte Ziel der Förderprogramme der Akademie. Daher haben wir, nach ei- nem erfolgreichen Start 2014, das Programm „Joint Excellence in Science and Humanities – JESH“ auch im vergangenen Jahr mit zwei Ausschreibungen fortgeführt. JESH ermöglicht, jüngere Postdoktorandinnen und Postdoktoran- den aus ausgewählten Ländern an Forschungseinrichtungen in Österreich zu holen, und gibt im Gegenzug österreichischen Forschenden die Gelegenheit, an Wissenschaftsinstitutionen dieser Länder zu arbeiten. Das Programm rich- tet sich kompetitiv an alle Forschungsinstitute der Akademie und ebenso an

ÖAW VORWORT DES PRÄSIDENTEN

alle Institute österreichischer öffentlicher Universitäten. Jungen Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftlern eröffnen sich dadurch Chancen, internationale Kontakte ohne thematische Vorgaben aufzubauen, der österreichischen Wis- senschaft bieten sich Möglichkeiten, ihr Know-how zu stärken und ihre inter- nationale Sichtbarkeit zu erhöhen.

An der ÖAW tätige Kolleginnen und Kollegen aus verschiedensten Fächern – ANERKENNUNG Geistes- und Kulturwissenschaften, Mathematik, Life Sciences und Physik – UND DANK und junge Talente ebenso wie arrivierte Forscherinnen und Forscher haben im vergangenen Jahr Ehrungen, Preise und hochrangige Grants erhalten. Diese Anerkennungen bestätigen Leistungen, die aus der großen Bandbreite und aus der hohen wissenschaftlichen Qualität der Einrichtungen der Akademie erwachsen sind. Sie gründen sich auf dem Talent, der Leidenschaft und dem Engagement jeder einzelnen Forscherin und jedes einzelnen Forschers. Dafür sage ich hier allen meinen herzlichen Dank. Die Erfolge reflektieren zugleich auch die Rahmenbedingungen, die die Öster- reichische Akademie der Wissenschaften den Menschen, die unter ihrem Dach arbeiten und forschen, insbesondere dank der Unterstützung der öffentlichen Hand bieten kann. Dafür danke ich dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft unter der Leitung von Vizekanzler und Wissen- schaftsminister Reinhold Mitterlehner. Ich danke auch unserem Schirmherrn, Bundespräsident Heinz Fischer, für seine Unterstützung und seine Aufmerksamkeit gegenüber den Anliegen der Akademie – nicht nur im vergangenen Jahr, sondern über die gesamte Zeit seiner Präsidentschaft hinweg. Mein Dank gilt allen, die an der Arbeit und an den Aktivitäten der Akademie teilhaben und sie vorantreiben: unseren Mitgliedern im In- und Ausland, unse- ren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unmittelbar in der Forschung aber auch mittelbar für sie, weiters auch den Mitgliedern der Gesellschaft der Freunde der Akademie und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an Veranstaltungen. Sie alle bestätigen, was wir als humanistisches Erbe pflegen und als unseren Auftrag betrachten: Wissenschaft wird von Menschen für Menschen gemacht. Auf dieser Basis ist die Österreichische Akademie der Wissenschaften auch für die kommenden Jahre gut aufgestellt.

Wien, im Mai 2016

ANTON ZEILINGER Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

11 Das Deckenfresko im Festsaal des Hauptgebäudes der ÖAW. Foto: Klaus Pichler/ÖAW PANORAMA DAS AKADEMIEJAHR IM RÜCKBLICK 2015 – EIN EREIGNIS- REICHES JAHR

OB WELTKONGRESS DER WISSENSCHAFT, DEMOGRAPHIE-JUBILÄUM, WITTGENSTEIN-PREIS ODER NACHWEIS DER „SPUKHAFTEN FERNWIRKUNG“ IN DER QUANTENPHYSIK – 2015 WAR EIN EREIGNISREICHES JAHR AN DER ÖAW. DAS PANORAMA LÄSST NEUE FORSCHUNGSERGEBNISSE, SPANNENDE VERANSTALTUNGEN, HOCHRANGIGE AUSZEICHNUNGEN UND VIELES MEHR REVUE PASSIEREN.

GREXIT ODER REFORM

Die Debatte um einen möglichen „Grexit“, einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone, wurde auch an der ÖAW geführt: Bei einem akademischen Disput legten k.M.A. Hans-Werner Sinn, damaliger Präsident des Münchner ifo-Instituts, und Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny im Jänner 2015 in einem vollen Festsaal die Argumente für und wider den „Grexit“ in die Waagschale. Das Ergebnis: Griechenland und Europa wird die Bewältigung Foto: Michael Weinwurm/ÖAW der Krise noch lange beschäftigen.

VERLÄNGERTE VISIONS OF COMMUNITY

Im Spezialforschungsprogramm „Visions of Community“ untersuchen die ÖAW-Institute für Kultur- und Geistesge- schichte Asiens, für Sozialanthropologie und für Mittelalterforschung gemeinsam mit der Universität Wien seit 2011 den Einfluss von Christentum, Islam und Buddhismus auf die Entstehung religiöser und politischer Vorstellungen im Mittelalter. Der Wissenschaftsfonds FWF bestätigte die hohe Qualität der bisherigen Ergebnisse und verlängerte das Programm 2015 für weitere vier Jahre.

WITTGENSTEIN-PREIS 2015

Für ihre Leistungen auf dem Gebiet der Byzantinistik wurde w.M. Claudia Rapp mit dem Wittgenstein-Preis 2015 des FWF ausgezeichnet. Die Abtei- lungsleiterin am Institut für Mittelalterforschung der ÖAW, die auch Insti- tutsvorstand an der Universität Wien ist, hat damit den mit 1,5 Millionen Euro höchstdotierten Forschungspreis Österreichs erhalten. Über START-Preise des FWF für Nachwuchswissenschaftler/innen durften sich freuen: Marcus Huber und Ben P. Lanyon vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Foto: Barbara Mair (Wien und Innsbruck) sowie ÖAW-APART-Stipendiatin Kristina Stoeckl.

ÖAW PANORAMA

AKADEMIE-TREFFEN IN MOSKAU

Die traditionell engen Beziehungen zwischen der ÖAW und der Russischen Akademie der Wissenschaften fanden mit einer Zusammenkunft in Moskau einen neuen Höhepunkt: Eine von Präsident angeführte Delegation war im Rahmen einer dreitägigen Reise zu Gesprächen mit höchsten Vertreter/inne/n der russischen Wissenschaft, zu Vorträgen sowie an bedeutende Forschungsstätten eingeladen.

NEUES KLANGERLEBNIS

Wie lässt sich ein voller, satter Raumklang auch auf Kopfhörer übertragen? Eine Forschungskooperation zwischen dem ÖAW-Institut für Schallfor- schung und dem Pariser Institut de Recherche et Coordination Acoustique/ Musique fand darauf mit der Entwicklung des Dateiformats SOFA eine Ant- wort, die selbst die Audio Engineering Society überzeugte – sie kürte das Foto: Wikimedia Commons/Public Domain/Moralist Format zum „Groundbreaking New Standard for 3D Audio“.

184 FWF-PROJEKTE

184 Forschungsprojekte an der ÖAW wurden im Jahr 2015 mit Mitteln des Wissenschaftsfonds FWF zur Förderung der Grundlagenforschung in Österreich finanziert. Neu gestartet sind unter anderem Projekte zur archäologischen Erfor- schung der bisher einzigen entdeckten prähistorischen Goldmine Europas in Bulgarien, zu bislang von der Forschung noch unerschlossenen Gebetbüchern aus dem mittelalterlichen Byzanz, zur Nano-Analyse von Kometenstaub oder zur präziseren Niederschlagsmessung von Schneefall im Hochgebirge.

BRUCKNER UND SCHUBERT GEHEN INS NETZ

Die Werke von zwei der berühmtesten österreichischen Komponisten sind nun online und damit für jedermann, jederzeit und weltweit kosten- los zugänglich. Anton Bruckners musikalisches Schaffen findet sich dank des ÖAW-Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen unter www.bruckner-online.at. Und auch „Liederfürst“ Franz Schubert ist ins Netz gegangen. Mehr als 1.000 handschriftliche und gedruckte Quellen sind auf Foto: Musiksammlung der Wienbibliothek im Rathaus www.schubert-online.at zusammengestellt.

15 GEGEN DAS VERGESSEN: 70 JAHRE ENDE ZWEITER WELTKRIEG

DER OPFER GEDENKEN

Foto: Michael Weinwurm/ÖAW

Das Schicksal der von den Nationalsozialisten verfolgten Wissenschaftler/innen rückte die ÖAW 2015 mehrfach in den Fokus: Mit der Enthüllung einer Büste des im KZ Theresienstadt ums Leben gekomme- nen Zoologen Hans Przibram und einer Ausstellung in der ÖAW-Aula, mit der Veröffentlichung eines virtuellen Gedenkbuchs an die Opfer unter den Angehörigen der Akademie sowie mit einer internationa- len Konferenz. Im Wiener Prater wurde zudem am Ort der ehemaligen Biologischen Versuchsanstalt der Akademie eine Gedenktafel im Beisein der Nachkommen vertriebener Forscher/innen enthüllt. Auch in den kommenden Jahren wird sich die ÖAW weiter der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit stellen.

Foto: Daniel Hinterramskogler/ÖAW Foto: Daniel Hinterramskogler/ÖAW

ÖAW PANORAMA

VERTRIEBENER NOBELPREISTRÄGER GEEHRT

Foto: Carina Karlovits/HBF

Die Feierliche Sitzung der ÖAW fand mit dem 8. Mai 2015 an einem besonderen Tag statt: dem 70. Jah- restag der Befreiung Österreichs vom nationalsozialistischen Regime. Und sie konnte an diesem sym- bolischen Datum einen besonderen Gast begrüßen: Den Chemie-Nobelpreisträger Martin Karplus, der 1938 aus Österreich flüchten musste. Er erhielt an der Akademie von Bundespräsident Heinz Fischer das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst. Gleichzeitig wurde Karplus zum Ehrenmit- glied der ÖAW ernannt.

41 TAGE

Für die Zivilbevölkerung standen die letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs im Zeichen einer Intensi- vierung des nationalsozialistischen Terrors. Neue Forschungsergebnisse zu diesen Gewaltexzessen, denen knapp 30.000 Zivilist/inn/en zum Opfer fielen, machten das ÖAW-Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte und das Institut für Geschichte der Universität Graz in Kooperation mit dem Verteidi- gungsministerium in einer viel beachteten Ausstellung am Wiener Heldenplatz sowie im Grazer Joanneums- viertel einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.

17 79 EU-PROJEKTE

Mit Drittmitteln der EU wurden im Jahr 2015 in Summe 79 Forschungsprojekte an der ÖAW realisiert. Diese Fördergelder ermöglichten und unterstützten nicht nur die Durchführung zahlreicher exzellenter Forschungsvorhaben, sondern stärkten auch die internationale Vernetzung der ÖAW-Forscher/innen.

ÄLTESTES MUSIKDOKUMENT ÖSTERREICHS ENTDECKT

Ein Zufallsfund, der in einer Salzburger Bibliothek auf seine Entdeckung wartete: das älteste Musikdokument des Landes. Es handelt sich um ein Notenblatt aus einem gregorianischen Gesangbuch aus dem 10. Jahrhundert, das von Forscher/inne/n des ÖAW-Digital-Humanities-Projekts „Cantus Network“ entdeckt wurde. Die bisherigen österreichischen Rekordhalter Foto: Privat waren Musikschriftstücke aus dem 11. Jahrhundert.

NEUE ERC GRANTS

Bildrechte in der Reihenfolge von links oben nach rechts unten: CeMM, Privat, CeMM, Michael Sazel/IMBA, Markus Knabl/IQOQI Innsbruck, Privat, Michael Sazel/IMBA, Claudia Boerner/RICAM, Oliver Zehner/GMI, Privat, Privat, Daniel Hinterramskogler

Bereits 35 Grants des European Research Council (ERC) konnte die ÖAW seit Beginn der Vergaben einwerben. Auch 2015 wurde die Erfolgsgeschichte fortgesetzt. ERC-Preisträger/innen in diesem Jahr waren: Andreas Bergthaler, w.M. Manfred Bietak, Christoph Bock, M.J.K. Julius Brennecke, M.J.K. Francesca Ferlaino, Grigory Kessel, w.M. Jürgen Knoblich, Karl Kunisch, Michael Nodine, Katharina Rebay-Salisbury, M.J.K. Markus Aspelmeyer und M.J.K. Sascha Martens.

ÖAW PANORAMA

AUSZEICHNUNG DER EUROPEAN PHYSICAL SOCIETY

Über eine besondere Ehrung durften sich das Stefan-Meyer-Institut für subatomare Physik und das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Wien freuen: In einem Festakt verlieh die European Physical Society (EPS) dem Gebäude der beiden ÖAW-Institute, in dem ab dem frühen 20. Jahrhundert das damalige Institut für Radiumforschung beheimatet war, als erstem in Österreich den Titel „EPS Historic Site“.

FORSCHENDE BEWEGUNG

Foto: Martin Lusser/BMWFW

Wissenschaft und Gesellschaft besser vernetzen, das will die neu gestartete „Allianz für Responsible Reseach“, eine Initiative österreichischer Forschungs-, Bildungs- und Sozialeinrichtungen. Auch die ÖAW ist mit an Bord. Klassenpräsidentin Brigitte Mazohl unterzeichnete im Juni ein „Memorandum of Understanding“. Ziel der Initiative, so Wissenschafts-Staatssekretär Harald Mahrer, sei es, eine „forschende Bewegung“ im ganzen Land zu generieren und die Bevölkerung für die Leistungen der Wissenschaft zu begeistern.

75 VERLAGSVERÖFFENTLICHUNGEN

Ob gedruckt oder digital: 75 Werke erschienen 2015 im Verlag der ÖAW. Die Bandbreite der Themen reicht von Demographie und Klimawandel über die Wiener Hofburg im Mittelalter bis hin zu Religion in China oder dem römischen Limes in Österreich.

19 GIPFELTREFFEN DER TEILCHENPHYSIK

Foto: Gregor Schweinester/HEPHY

Wien im Zeichen von Pentaquarks, Higgs-Boson und Co.: Mehr als 700 Physiker/innen diskutierten bei einer der weltweit bedeutendsten Teilchenphysik-Konferenzen die neuesten Ergebnisse ihres Forschungsbereichs. Im Zentrum der Konferenz, federführend organisiert vom ÖAW-Institut für Hochenergiephysik und dem Stefan-Meyer-Institut für subatomare Physik der ÖAW, standen die wieder angelaufenen Experimente am Large Hadron Collider des CERN. Mit ihnen werde „physikalisches Neuland“ betreten, so CERN-Generaldirektor Rolf Heuer bei einer ÖAW-Pressekonferenz.

NEUES AUS DER STEINZEIT

Foto: NHM Wien

Eine rund 32.000 Jahre alte Grabstätte mit zwei Neugeborenen wurde 2005 von Archäolog/inn/en der ÖAW in Niederösterreich entdeckt. Zehn Jahre später kann der Sensationsfund nun mit modernsten Methoden behutsam freigelegt und analysiert werden. Jeder Schritt und jedes Detail wird dabei mit einem Scanner in 3D dokumentiert. Die beteiligten Wissenschaftler/innen des ÖAW-Instituts für Orientalische und Europäische Archäologie und des Naturhistorischen Museums Wien erhoffen sich so neue Erkenntnisse über unsere Vorfahren aus der Steinzeit.

ÖAW PANORAMA

ENTWICKLUNGSSCHUB FÜR QUANTENCOMPUTER

Noch ist er Zukunftsmusik, doch ÖAW-Forscher/innen sind ihm erneut ein Stückchen näher gekommen: dem Quantencomputer. Ein Team um w.M. am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Innsbruck hat eine neuartige Architektur vorgeschlagen, die bestehende Einschränkungen in der Programmierbarkeit von Quantencomputern beseitigt und sie damit vielseitiger einsetzbar machen könnte.

40 JAHRE DEMOGRAPHIE

Ein rundes Jubiläum feierte das Institut für Demographie: 1975 als kleines Forschungsbüro entstanden, ist die Einrichtung mit ihren inzwischen über 40 Mitarbeiter/inne/n zu einer international angesehenen Forschungsstätte avanciert. Grund genug, um aus Anlass des 40. Geburtstags eine Zwischen- bilanz zu ziehen und am neuen Standort am Campus der Wirtschaftsuniver- sität Wien einen erwartungsvollen Blick auf die nächsten vier Jahrzehnte der Foto: WU Wien demographischen Forschung zu richten.

FRISCH, ÜBERSICHTLICH, MODERN

Seit September 2015 zeigt sich die Website der ÖAW in neuem Gewand – am Desktop wie auch mobil. Im Fokus der grafischen Neugestaltung standen eine zeitgemäße Optik und eine verbesserte Benutzerfreundlichkeit. Aber auch inhaltlich hat sich einiges getan: Interviews, Hintergrundstories und News aus der Welt der Akademie bieten spannenden Lesestoff.

21 ALLES RELATIV!

100 Jahre Allgemeine Relativitätstheorie gab es im Herbst bei der Veranstaltungsreihe „Gravitation 2015“ der Jungen Kurie zu erleben. Den Auftakt zum Jubiläum machte ein Festakt mit einem Vortrag des Wissenschaftshistorikers Jürgen Renn. Zahlreiche Public Lectures bekannter Wissenschaftler/innen sowie ein Scientific Workshop konnten in weiterer Folge besucht werden. Die interaktive Ausstellung „Einstein – Wellen – Mobil“ präsentierte spannende Exponate und eine relativistische Fahrradfahrt.

Foto: Universität Tübingen und Max-Planck-Institut für Für Schüler/innen und Jugendliche wurde ein eigenes Vermittlungs- Biologische Kybernetik Tübingen programm angeboten.

EUROPAS HERAUSFORDERUNG

Tausende Menschen kamen im vergangenen Jahr als Flüchtlinge nach Europa – eine Herausforderung für den Kontinent. „Flucht, Migration & Asyl. Herausforderungen für Europa“ lautete denn auch der Titel einer Podiumsdiskussion im Oktober an der ÖAW, die das Ziel hatte, wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten in den öffentlichen Diskurs zur Flüchtlingsthematik einzubringen. W.M. Gerda Falkner, w.M. Andre Gingrich, EM Irmgard Griss und Ulrich H.J. Körtner machten klar: Diese europäische Herausforderung lässt sich nur durch eine gemeinsame europäische Lösung bewältigen.

SPUKHAFTE FERNWIRKUNG NACHGEWIESEN

Foto: Lois Lammerhuber

Hier irrte Einstein: denn die von ihm so bezeichnete „spukhafte Fernwirkung“ in der Quantenphysik gibt es tatsächlich. In einer internationalen Zusammenarbeit rund um Quantenphysiker w.M. Anton Zeilinger gelang es For- scher/inne/n der Universität Wien und des ÖAW-Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation Wien, die von der Quantentheorie behauptete Verschränkung von Teilchen erstmals vollständig nachzuweisen. Damit wurde gleichzeitig die Bestätigung erbracht, dass Quantenkryptographie abhörsicher ist.

AUSGEZEICHNETE JUNGFORSCHER/INNEN

Im Rahmen der Nachwuchsförderprogramme DOC, DOC-team, MAX KADE und ROM wurden 2015 insgesamt 88 Stipendien an junge Nachwuchswissenschaftler/innen vergeben. Besonders eindrucksvoll war der hohe Anteil an Forscherinnen: Fast 60 Prozent der geförderten Personen sind Frauen.

ÖAW PANORAMA

200 JAHRE WIENER KONGRESS

Er gilt als Wendepunkt der europäischen Geschichte: Der Wiener Kongress 1814/1815. Die ÖAW nahm das 200-jährige Jubiläum zum Anlass, um bei einer internationalen Konferenz eine kritische Neubewertung dieser einzigartigen historischen Episode vorzunehmen. Der Blick zurück zeigte zugleich die hohe Relevanz historischer Forschung für das Europa der Gegenwart. Denn erst durch das Verstehen der Vergangenheit lassen sich die langfristigen Foto: Wikimedia/Public Domain Transformationen des Kontinents bis in die heutige Zeit begreifen.

ENTSCHEIDENDE GENE

Ohne sie geht nichts: Etwa zehn Prozent der rund 23.000 Gene menschlicher Zellen sind absolut überlebenswichtig. Das ist das Ergebnis einer niederländisch-österreichischen Studie, die federführend vom CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW durchgeführt wurde Foto: Pixabay und im Oktober 2015 im Fachjournal „Science“ erschien.

GEHIRNMODELLE SIND TOP TEN

Die Technologie zur Herstellung von dreidimensionalen Gehirnstrukturen aus menschlichen Stammzellen wurde 2013 vom IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der ÖAW präsentiert. Im vergangenen Jahr erhielt die Methode, mit der die frühe Entwicklung des Gehirns veranschaulicht werden kann, erneut große Aufmerksamkeit: Sie wurde in die Liste „10 Breakthrough Technologies“ des Massachusetts Institute of Technology aufgenommen, das in seinem Technology Review jedes Jahr die zehn besten Innovationen auswählt.

JUGENDLICHES ONLINESHOPPING

Foto: Christopher Fuchs/BMLFUW

Onlinehandel boomt, besonders bei Jugendlichen. Doch unter welchen Voraussetzungen erfolgt ein Kauf im Internet und welche Folgen hat er? Diese Fragen diskutierten 90 Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren beim Jugendforum „Shopping Um(die)Welt“ des ÖAW-Instituts für Technikfolgen-Abschätzung. Die Schlussfolgerung: Jugendliche shoppen im Web, aber kritisch. Eine Botschaft auch für die Politik: Die Ergebnisse wurden Bundesminister Andrä Rupprechter von den Jugendlichen präsentiert.

23 UND NUN ZU DEN NACHRICHTEN

Wie steht es um die Qualität des tagesaktuellen Informationsangebots der österreichischen Medien? Eine – auch von den Medien selbst – viel beachtete Studie des Instituts für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der ÖAW hat Klarheit geschaffen. Mehr als 25.000 Beiträge aus 36 unterschiedlichen Medien Österreichs an 28 zufällig ausgewählten Tagen im Jahr wurden analysiert – mit überwiegend „good news“ für Österreichs Journalist/inn/en: Die Studie stellt den Medien des Landes insgesamt ein positives Zeugnis aus. Bei den Boulevardmedien bestehe aber bei der Qualität noch Nachholbedarf.

2.143 PUBLIKATIONEN

Jede Menge neues Wissen: 2.143 wissenschaftliche Publikationen wurden 2015 an der ÖAW erarbeitet. Davon stellen mehr als 60 Prozent Beiträge in Fachzeitschriften oder Sammelwerken dar, die einem Peer-Review-Verfahren unterliegen. Allein 69 Monographien und Editionen wurden veröffentlicht.

EIN HARTER BROCKEN

Foto: ESA/Rosetta/NAVCAM

Die Weltraummission der europäischen Raumsonde „Rosetta“ trat mit der Ankunft beim Zielkometen 67P/Churyumov „Tschuri“ Gerasimenko in ihre entscheidende Phase. Nach der ersten Kometenlandung der Geschichte Ende 2014 begannen die Messungen an der Oberfläche des Himmelskörpers. Die umfangreichen Daten zeigten, dass „Tschuri“ viele organische Moleküle enthält, kein eigenes inneres Magnetfeld besitzt und aus hartem Fels besteht. Wichtige Ergebnisse, an deren Erlangen das ÖAW-Institut für Weltraumforschung beteiligt war.

ÖAW PANORAMA

ÖAW HIESS 40 NEUE MITGLIEDER WILLKOMMEN

Bei der jährlichen Mitgliederwahl nahm die Akademie elf Wissenschaftlerinnen und 29 Wissenschaftler in ihre Reihen auf. Fünf herausragende Forscher/innen wurden als wirkliche Mitglieder begrüßt, 26 als korrespondierende Mitglieder. Die Junge Kurie der ÖAW hieß sieben neue Mitglieder willkommen. Gewählt wurden außerdem ein Ehrenmitglied der Gesamtakademie sowie ein neues Ehrenmitglied in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse.

WELT DER WISSENSCHAFT IN WIEN

Foto: Martin Hörmandinger/APA-Fotoservice/ÖAW

Von Afrika bis Europa, von Asien bis Amerika: Rund 300 Wissenschaftler/innen aus aller Welt waren bei der Jahrestagung der World Academy of Sciences (TWAS) im Herbst an der ÖAW zu Gast. Die Veranstaltung diente der Stärkung der internationalen Zusammenarbeit, besonders mit Schwellen- und Entwicklungsländern. Teilnehmer/innen aus 58 Nationen und den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen, darunter 60 Frauen, diskutierten in mehr als 70 Fachvorträgen über globale Herausforderungen wie Nachhaltigkeit, Innovation oder weltweite Ernährungssicherheit.

25 Veranstaltung im Festsaal der ÖAW. Foto: Klaus Pichler/ÖAW STIMME DER WISSENSCHAFT DIE MITGLIEDER UND IHRE AKTIVITÄTEN DIE MITGLIEDER: IDEEN- SCHMIEDE DER AKADEMIE

DURCH IHREN ZUKUNFTSORIENTIERTEN GEDANKEN- UND ERFAHRUNGSAUSTAUSCH, DURCH INNOVATIVE FORSCHUNGEN AUF HOHEM NIVEAU SOWIE DURCH WISSENSCHAFTSBASIERTE STELLUNGNAHMEN ZU AKTUELLEN THEMEN SIND DIE MITGLIEDER DER ÖAW EINE STARKE STIMME DER WISSENSCHAFT UND FÜR DIE WISSENSCHAFT – IN ÖSTERREICH, ABER AUCH DARÜBER HINAUS.

Foto: Reinhard Öhner/ÖAW

ÖAW STIMME DER WISSENSCHAFT

Die ÖAW ist eine über- und internationale Vereinigung von Forschenden. Derzeit zählt sie mehr als 780 renommierte Wissenschaftler/innen aus dem In- wie auch aus dem Ausland zu ihren Mitgliedern. Diese verstehen sich als interdis- ziplinäre Gemeinschaft im Dienst von Wissenschaft und Gesellschaft. Gemeinsam bilden die Mitglieder ein nahezu alle wissenschaftlichen Fachrichtungen umspannendes Diskursforum. Aufgrund ihrer multidisziplinären, überinstitutionellen und internationalen Zusammensetzung haben die Mitglieder der ÖAW einen breiten Überblick über die weltweiten Entwicklungen an Universitäten und außeruniversitären For- schungseinrichtungen. Ihre Expertise macht sie zugleich zu einer wissenschaftlichen Ideenschmiede. Durch die Mitarbeit in Kommissionen der ÖAW betreiben die Mitglieder eigenständige Forschungen. Sie sind geleitet vom Interesse an einer gemeinsamen Fragestellung und der Bereitschaft zu fächerübergreifender Kooperation. Unter dem Stichwort „Science for Policy“ wirken die Mitglieder auch aktiv, etwa durch Beratung politischer Entschei- dungsträger/innen, an der Gestaltung der „res publica“, der öffentlichen Angelegenheiten, mit. Durch die Organisation von hochkarätigen Veranstaltungen bereichern sie zudem gesellschaftliche Debatten.

WISSENSCHAFTLICHE GEMEINSCHAFT: KLASSEN UND JUNGE KURIE

Die wissenschaftliche Gemeinschaft der Mitglieder der ÖAW setzt sich zusammen aus wirklichen Mitgliedern, Ehren- mitgliedern, korrespondierenden Mitgliedern im In- und Ausland sowie aus Mitgliedern der Jungen Kurie. Mit Aus- nahme der Ehrenmitglieder der Gesamtakademie und der Mitglieder der Jungen Kurie gehört jedes Mitglied entweder der mathematisch-naturwissenschaftlichen oder der philosophisch-historischen Klasse an. Die inländischen Mitglieder treffen regelmäßig in Gesamtsitzungen zusammen, die auch einen öffentlichen Teil umfas- sen, bei dem wissenschaftliche Themen von gesellschaftlicher Relevanz behandelt werden. In den Klassensitzungen dis- kutieren und beschließen die Mitglieder Angelegenheiten, die die jeweilige Klasse betreffen, wie etwa die Vorbereitung der Mitgliederwahlen, die Einsetzung von Kommissionen oder die Vergabe von wissenschaftlichen Auszeichnungen. Etablierte Nachwuchswissenschaftler/innen aller Fachrichtungen bilden die Junge Kurie der Akademie. Ihre Mitglie- der werden auf acht Jahre gewählt und sind in der Regel zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme jünger als 40 Jahre. Das fünf- köpfige Direktorium der Jungen Kurie wird einmal im Jahr per Wahl bestimmt. Mit Jahresende 2015 umfasste die Gemeinschaft der Mitglieder 198 wirkliche Mitglieder, 178 korrespondierende Mit- glieder im Inland, 18 Ehrenmitglieder und 66 Mitglieder der Jungen Kurie. Die hohe Internationalität zeigt sich an der Zahl der ausländischen Mitglieder: 322 Personen – und damit mehr als ein Drittel aller Mitglieder – sind außerhalb von Österreich tätig.

DAS PRÄSIDIUM DER AKADEMIE

Das Präsidium ist das Leitungsgremium sowie das oberste Exekutivorgan der Akademie. Die vier Mitglieder des Prä- sidiums werden von der Gesamtsitzung aus der Reihe der wirklichen Mitglieder der Akademie auf vier Jahre gewählt. Seit Juli 2013 bilden Präsident Anton Zeilinger, Vizepräsident Michael Alram, Brigitte Mazohl als Präsidentin der phi- losophisch-historischen Klasse und Georg Brasseur als Präsident der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse das Präsidium der ÖAW.

29 STETIGE ERNEUERUNG: AUFNAHME NEUER MITGLIEDER

DIE AKADEMIE IST SEIT 1847 FEST IN DER ÖSTERREICHISCHEN WISSENSCHAFTSLANDSCHAFT VERANKERT. DIESE LANGE TRADITION FUSST AUF EINER STETIGEN ERNEUERUNG. 2015 WURDEN ELF FORSCHERINNEN UND 29 FORSCHER NEU IN DIE ÖAW AUFGENOMMEN.

Foto: Reinhard Öhner/ÖAW

WAHLEN 2015

GESAMTAKADEMIE EHRENMITGLIED Helga Nowotny (Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich), Soziologie

MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE EHRENMITGLIED Martin Karplus (Harvard University), Theoretische Chemie WIRKLICHE MITGLIEDER Nicola Hüsing (Universität Salzburg), Materialchemie Andreas Kugi (Technische Universität Wien), Regelungstechnik, Systemtheorie

ÖAW STIMME DER WISSENSCHAFT

KORRESPONDIERENDE MITGLIEDER IM INLAND João Alves (Universität Wien), Astronomie László Erdős (IST Austria), Angewandte Mathematik, Mathematische Physik Bernhard Jakoby (Universität Linz), Sensorik Robert Konrat (Max F. Perutz Laboratories), Spektroskopie, Strukturchemie Mathias Walter Rotach (Universität Innsbruck), Dynamische Meteorologie Arndt von Haeseler (Max F. Perutz Laboratories), Bioinformatik Günter Weiss (Medizinische Universität Innsbruck), Innere Medizin KORRESPONDIERENDE MITGLIEDER IM AUSLAND Angelika Amon (Massachusetts Institute of Technology), Zellbiologie Martin Hairer (University of Warwick), Mathematik Ali Mehmet Celâl Şengör (Istanbul Technical University), Geologie Hans-Peter Steinrück (Universität Erlangen-Nürnberg), Physikalische Chemie Wolfgang A. Wall (Technische Universität München), Numerische Methoden in der Kontinuums- und Biomechanik

PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE WIRKLICHE MITGLIEDER Christina Lutter (Universität Wien), Österreichische Geschichte Melanie Malzahn (Universität Wien), Tocharologie, Indogermanistik Ewald Wiederin (Universität Wien), Staats- und Verwaltungsrecht KORRESPONDIERENDE MITGLIEDER IM INLAND Thomas Blaschke (Universität Salzburg), Geographie und Geoinformatik Vincent Eltschinger (Institut für Kultur- und Geistesgeschichte Asiens der ÖAW), Buddhismuskunde, Indologie Johannes Feichtinger (Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der ÖAW, Universität Wien), Geschichte, Kulturwissenschaften Barbara Horejs (Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der ÖAW), Archäologie Christopher F. Laferl (Universität Salzburg), Romanische Literaturwissenschaft, Kulturwissenschaft Paul Oberhammer (Universität Wien), Zivilverfahrensrecht Florian Schwarz (Institut für Iranistik der ÖAW, Universität Wien), Iranistik, Islamwissenschaft KORRESPONDIERENDE MITGLIEDER IM AUSLAND Carlos Alvar (Universität Genf), Romanische Philologie Axel Börsch-Supan (Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, München), Makroökonomie Christopher M. Clark (University of Cambridge), Neuere Geschichte Jacques Le Rider (École Pratique des Hautes Études, Paris), Kulturgeschichte, Kultur- und Literaturwissenschaften Ulrike Müssig (Universität Passau), Rechtsgeschichte Walter Scheidel (Stanford University), Alte Geschichte Stefan Weinfurter (Universität Heidelberg), Geschichte des Mittelalters

JUNGE KURIE Stefan Ameres (IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der ÖAW), Molekularbiologie Anna Artaker (Akademie der bildenden Künste), Bildende Kunst Angela Hancock (Max F. Perutz Laboratories), Evolutionsgenetik Sofia Kantorovich (Universität Wien), Theoretische Physik Georgios Katsaros (Universität Linz), Physik David Keays (Research Institute of Molecular Pathology), Neurobiologie Dagmar Wöbken (Universität Wien), Mikrobiologie/Mikrobielle Ökologie

31 ÖFFENTLICHER DISKURS: VERMITTELN UND BERATEN

DER DIALOG MIT POLITIK UND GESELLSCHAFT IST DER ÖAW EIN WICHTIGES ANLIEGEN. DIE AKADEMIE BRINGT SICH DAHER AKTIV IN DEN ÖFFENTLICHEN DISKURS EIN – IN DER POLITIKBERATUNG, UM KOMPLEXE ENTSCHEIDUNGSFINDUNGEN DURCH WISSENSCHAFTLICHE ERKENNTNISSE ZU UNTERSTÜTZEN, UND IN DER WISSENSVERMITTLUNG, UM DIE ÖFFENTLICHKEIT AN NEUESTEN ENTWICKLUNGEN IN WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG TEILHABEN ZU LASSEN.

Foto: Elia Zilberberg/ÖAW

Wissenschaftliche Expertise kann Grundlagen für evidenzbasierte politische Entscheidungen bereitstellen und die öffentliche Diskussion bereichern. Die ÖAW pflegt daher den aktiven Dialog mit Politik und Gesellschaft, im Verständnis von Politeia als gemeinsame Verantwortung für die öffentliche Sache. Im Mittelpunkt stehen dabei Zukunftsthemen von hoher gesellschaftlicher Relevanz, die an der ÖAW wissenschaftsbasiert diskutiert und der Öffentlichkeit kommuniziert werden. Denn es gilt, Entwicklungen, die sich in der Wissenschaft andeuten und die das Potenzial besitzen, künftig gesellschaftliche Bedeutung zu erlangen, frühzeitig zu erkennen, zu analysieren und das so gewonnene Wissen zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig ist es essenziell, die Vergangenheit nicht aus den Augen zu verlieren und wissenschaftliche Errungenschaften aus mehreren Jahrhunderten für die Gegenwart wie für zukünftige Generationen zu bewahren. Der Erhaltung und Vermittlung unseres gemeinsamen kulturellen Erbes widmet sich die ÖAW in ihren Archiven und der Bibliothek, mit Digitalisierungsinitiativen sowie durch Ausstellungen und Veranstaltungen. Gemeinsam ist dem Blick in die Zukunft und in die Vergangenheit, in der Gegenwart für Wissenschaft und Forschung zu interessieren und zu faszinieren.

ÖAW STIMME DER WISSENSCHAFT

WISSEN ERLEBEN, NEUES ENTDECKEN

Die Mitglieder und Kommissionen der ÖAW veranstalten regelmäßig Symposien, Vorträge und Vortragsreihen für die Scientific Community ebenso wie für alle an Wissenschaft interessierten Menschen.

Foto: Klaus Pichler/ÖAW

Während Symposien und Konferenzen eher an ein Fachpublikum adressiert sind, wenden sich die Vorträge und Vortragsreihen, die auf Initiative von Mitgliedern und Kommissionen veranstaltet werden, auf hohem Niveau und in allgemein verständlicher Form an eine breite Öffentlichkeit. Sie leisten damit nicht nur einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Diskurs, sondern setzen auch bewusst neue wissenschaftliche Themen auf die Agenda, die dadurch in der öffentlichen Debatte stärker in den Fokus rücken.

EDUARD SUESS LECTURES

Vom „Ötzi“ bis zum Klimawandel: Aktuelle Forschungsthemen der Geowissenschaften stehen im Mittelpunkt der „Eduard Suess Lectures“. Benannt ist die Reihe nach dem österreichischen Wissenschaftler, Politiker und Akademie- Präsidenten Eduard Suess, der Anfang des 20. Jahrhunderts die „Wiener Geologische Schule“ begründete, den Bau der ersten Wiener Hochquellwasserleitung initiierte und maßgeblich an der Donauregulierung in Wien beteiligt war. 2015 fanden fünf Vorträge im Rahmen der Reihe statt.

Julie Brigham-Grette, University of Massachusetts-Amherst, USA „Tracing Arctic Climate Evolution: from a Forested Arctic to the Present“ Fritz Schlunegger, Universität Bern, Schweiz „Klimatektonik – ein Versuch, geodynamische Prozesse in der Erdkruste mit klimagesteuerten Oberflächenprozessen zu kombinieren“ Simon Conway Morris, University of Cambridge, Großbritannien „The Cambrian 'Explosion' and the Routes of History“ Wolfgang Müller, Royal Holloway University of London, Großbritannien „Neues vom Ötzi – seine Rolle in der Metallurgie und der Beginn der Almwirtschaft in den Alpen“ Michael Mann, Pennsylvania State University, USA „The Hockey Stick and the Climate Wars: The Battle Continues“

33 KARL VON FRISCH LECTURES

Von denkenden Tieren und komplexen Organismen: Die „Karl von Frisch Lectures“ sind aktuellen Themen organismischer Biologie gewidmet. Ihr Namensgeber ist der Bienenforscher Karl von Frisch, der 1973 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde und Ehrenmitglied der ÖAW war. In der Reihe fanden 2015 zwei Vorträge statt.

M.J.K. Thomas Bugnyar, Universität Wien „Denken Tiere? Konvergente Evolution von Intelligenz“ Ulrich Technau, Universität Wien „Nesseltiere und die Evolution von komplexen Organismen“

Die Suess und Frisch Lectures werden gemeinsam mit der Industriellenvereinigung Wien veranstaltet und in Kooperation mit dem Stadtschulrat für Wien und der NÖ Forschungs- und Bildungsgesellschaft von Angeboten für Schüler/innen begleitet.

LEIBNIZ LECTURES

Die „Leibniz Lectures“ finden einmal jährlich zu Themen aus der Philosophie statt. Eingeladen werden international anerkannte Persönlichkeiten, die – ganz im Sinne des Leibniz'schen Denkens – in ihren Vorträgen das Differenzierungspotenzial des Faches sowohl für die interdisziplinäre Verständigung als auch für die Auseinandersetzung mit öffentlich relevanten Problemstellungen der Gegenwart unter Beweis stellen.

Birgit Sandkaulen, Universität Bochum, Deutschland „Modus oder Monade? Zum Konzept des Individuums bei Hegel“

Zum 300. Todestag von Gottfried Wilhelm Leibniz werden im Jahr 2016 die vier Akademien der Wissenschaften, für die Leibniz konzeptionelle Entwürfe verfasste – das sind neben der ÖAW die Berlin-Brandenburgische, die Russische sowie die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig –, eine gemeinsame Tagung an der ÖAW veranstalten zum Thema „Akademien: Tradition und Wirkung“.

MAIMONIDES LECTURE

Die „Maimonides Lectures“ thematisieren Wechselwirkungen zwischen Religionen und Geisteswissenschaften. Ihr Namensgeber ist der jüdische Gelehrte des Mittelalters Mosche ben Maimon. Die Reihe wird gemeinsam mit den abrahamitischen Religionsgemeinschaften in Österreich, die in der jüdischen, christlichen und islamischen Tradition stehen, veranstaltet.

Symposium: „Geisteswissenschaften und Offenbarung“ Festvortrag von W.M. Hans-Dieter Klein, Universität Wien „Wissenschaft und Offenbarung“

Symposium: „Mental Health: A Dialogue between Clinical Sciences and Faith“ Festvortrag von H. Shmuel Erlich, The Hebrew University Jerusalem, Israel „Will two walk together, except they have agreed? On the encounter between psychoanalysis and religion“

ÖAW STIMME DER WISSENSCHAFT

DISKUSSIONSFOREN

Die öffentlichen Klassen- und Gesamtsitzungen widmen sich ausgewählten Themen, die unter verschiedenen wissenschaftlichen Aspekten beleuchtet und im Plenum diskutiert werden. Dadurch wird nicht nur die Bandbreite der an der ÖAW und von ihren Mitgliedern betriebenen Forschung deutlich, sondern es werden auch der interdisziplinäre Austausch und Wissenstransfer gestärkt.

Die Debatten im Rahmen der Gesamtsitzungen befassten sich 2015 mit aktuellen Herausforderungen für die Forschung, aber auch mit Themen von dauerhafter Relevanz für Wissenschaft und Gesellschaft. Die Mission der Raumsonde „Rosetta“, an der das ÖAW-Institut für Weltraumforschung beteiligt ist, oder der Einsatz von Computern in der personalisierten Medizin wurden ebenso thematisiert wie die Frage, was eine Gesellschaft zusammenhält oder welche Rolle die Wahrnehmung in Wissenschaft und Kunst spielt. Den Jahresabschluss bildete ein Diskussionsforum, bei dem Mitglieder der ÖAW einen Einblick in die Zukunft ihres jeweiligen Faches gaben.

Die Sitzungen der philosophisch-historischen Klasse wurden 2015 begleitet von Diskussionsforen, die sich Forschungsfragen in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften widmeten. Die Entwicklung der österreichischen Verfassungsgerichtsbarkeit, das Gedächtnis aus Sicht von Neuropsychologie und Geschichtswissenschaft, Bürgerkriege im Europa der frühen Neuzeit oder Belletristik und Theater in Südosteuropa von der Renaissance bis in die Moderne wurden diskutiert. Auch die Flüchtlingsthematik wurde aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtet.

Im Mittelpunkt der Diskussionsforen der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse standen 2015 vornehmlich Entwicklungen und Herausforderungen in den Materialwissenschaften. Ob Nanostrukturen unter Spannung, poröse Materialien oder Werkstoffdesign auf der atomaren Skala – ein breites Spektrum an Fragestellungen dieses Fachbereichs wurde diskutiert. Doch auch andere Disziplinen kamen nicht zu kurz: Graph-Algorithmen in der Informatik wurden beispielsweise ebenso thematisiert wie zelluläre Signalwege in der Biologie.

Ein besonderes Ereignis im Akademiejahr, das ebenfalls für den wissenschaftlichen Austausch genutzt wurde, war die Übergabe der Dekrete an die neuen Mitglieder. Diese waren eingeladen, ausgewählte Aspekte aus ihren Forschungen in der Akademie vorzustellen. Mit Vorträgen zur Suche nach extraterrestrischem Leben mit Riesenteleskopen, zu ausgestorbenen indogermanischen Sprachen und zur Frage nach wissenschaftlicher Eindeutigkeit in einer pluralistischen Welt bereicherten die neuen Mitglieder die Akademie mit neuen Ideen.

Auch außerhalb von Klassen- und Gesamtsitzungen sind Mitglieder der Akademie aktiv, um ihre Arbeiten und Erkenntnisse vorzustellen sowie zu diskutieren. So behandelten Symposien an der ÖAW Themen wie die Phänotypisierung in der Biologie, den Wiener Kongress 200 Jahre danach, die klimaschädlichen Auswirkungen von Stickstoffverbindungen, die Anfänge der Mittelmeerökologie oder die Frage, ob wir bereits in einem neuen Erdzeitalter leben, dem Anthropozän.

In Zusammenarbeit mit der Gesellschaft der Freunde der ÖAW wurden ferner öffentliche Diskussionen veranstaltet, bei denen auch Akademiemitglieder mitwirkten. Eine Auswahl der Themen: „Natur und Kultur auf der Donauinsel“, „Ross und Reiter. Symbiose, Schnelligkeit, Eleganz“ oder „Kommunikation in sozialen Medien“.

35 THEMEN IM BRENNPUNKT

Eine Akademie, die mitten in der Gesellschaft steht, nimmt an aktuellen Diskursen teil und gestaltet sie mit. 2015 brachte die ÖAW im Rahmen von drei großen Veranstaltungen wissenschaftliche Erkenntnisse in die öffentlichen Debatten zu drängenden gesellschaftlichen Fragen ein.

„Der Euro. Eine Disputation zum Buch ‚The Euro Trap‘“ Podiumsdiskussion mit k.M.A. Hans-Werner Sinn und Ewald Nowotny

„The State and Innovation: A Different Narrative“ Vortrag von Mariana Mazzucato mit einer Einführung von EM Helga Nowotny

„Flucht, Migration & Asyl. Herausforderungen für Europa“ Podiumsdiskussion mit w.M. Gerda Falkner, w.M. Andre Gingrich, EM Irmgard Griss und Ulrich H.J. Körtner

WISSENSCHAFT UND MUSIK

Der Festsaal der ÖAW ist ein Ort der Wissenschaften und der Künste. Um beides zusammen statt getrennt zu denken – und zu erleben – , hat die Akademie auch 2015 wieder die Pforten ihrer historischen Veranstaltungsstätte für musikalische Aufführungen mit Bezug zur Welt der Forschung geöffnet. So brachte „Architektur hören“ das Hugo-Wolf-Quartett gemeinsam mit dem ÖAW-Schallforscher Peter Balazs auf die Bühne. Im Rahmen der Wiener Vorlesung „Musik, Raum, Aura, Mechanik“ war der unter Beteiligung des ÖAW- Phonogrammarchivs nachgebaute „mechanische Trompeter“ des Erfinders J. N. Mälzels erstmals wieder zu hören – und zwar im selben Ambiente wie bei der Erstaufführung 1813. Ein Wiederhören von Uraufführungen Beethovens im Festsaal gab es auch bei drei Konzerten der Reihe „ReSound“ des Orchesters Wiener Akademie unter Martin Haselböck. Den Auftakt machte dabei ein Konzert zum 650. Geburtstag der Universität Wien.

ÖAW STIMME DER WISSENSCHAFT

POLITIK BERATEN, ÖFFENTLICHKEIT INFORMIEREN

Neues Wissen muss in der Gesellschaft ankommen, damit es wirken kann. Die Akademie berät daher politische Entscheidungsträger/innen und bietet der Öffentlichkeit durch Publikationen und Informationsservices die Möglichkeit, sich über neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu informieren.

Foto: Klaus Pichler/ÖAW

„Science for Policy“ ist für die Akademie nicht bloß ein Schlagwort. So hat die ÖAW im Jahr 2015 erneut das österreichische Parlament beraten und ihre wissenschaftliche Expertise in Nationalkomitees eingebracht. Durch ihre kostenlos zugänglichen Publikationsreihen „Akademie im Dialog“ sowie „Forschung & Gesellschaft“ ebenso wie durch die Publikationen des Verlags der ÖAW erreicht neues Wissen auch die Allgemeinheit. Mit den Informationsservices von „BAS:IS – Bibliothek, Archiv und Sammlungen“ bietet die Akademie zudem eine hervorragende Infrastruktur für Wissenserwerb und Zugang zu Originalquellen.

37 „AKADEMIE IM DIALOG“ UND „FORSCHUNG & GESELLSCHAFT“

Was bei Klassen- und Gesamtsitzungen, bei Konferenzen, Symposien und Vorträgen präsentiert und diskutiert wird, gibt es auch zum Nachlesen. Ausgewählte Veranstaltungen der ÖAW werden in zwei Reihen publiziert, die sowohl gedruckt als auch online auf der Website der ÖAW erscheinen und kostenfrei zugänglich sind. Aktuelle Forschungsergebnisse diskutiert die Reihe „Forschung & Gesellschaft“. Ob europäische Integration, demographische Entwicklungen oder der Wissenschaftsstandort Österreich: Die Reihe deckt ein breit gefächertes Themenspektrum ab und bietet Beiträge aus den Natur-, Kultur-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Den Grundlagen der Forschung und der Rolle von Wissenschaft in der Gesellschaft widmet sich die Reihe „Akademie im Dialog“. Ein Highlight aus dem vergangenen Jahr lässt sich in der aktuellen Ausgabe nachlesen: Gerhard Casper, ehemaliger Präsident der Stanford University, hielt die Festrede zur Feierlichen Sitzung 2015 über die Nützlichkeiten der Universitäten und der Forschung.

WISSEN FÜR DEN NATIONALRAT

Der österreichische Nationalrat steht ebenso wie viele andere Parlamente vor der Herausforderung eines sich rasch wandelnden Gesellschafts- und Innovationssystems, aber auch vor den sogenannten „Grand Challenges“ wie Klimawandel, Ressourcenknappheit oder demographischen Veränderungen. Profundes und nicht von Partikularinteressen geleitetes Wissen kann dazu beitragen, diese Herausforderungen zu bewältigen. Seit Ende 2014 stellt das Institut für Technikfolgen-Abschätzung der ÖAW in einem Pilotprojekt gemeinsam mit dem AIT Austrian Institute of Technology dem Nationalrat seine wissenschaftliche Expertise zur Verfügung. Im Zentrum stehen dabei Fragen zur Abschätzung wissenschaftlicher und technologischer Entwicklungen sowie zu deren gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen. Wie erfolgreich diese Zusammenarbeit bereits im ersten Jahr ihres Bestehens ist, zeigen zwei Studien, die 2015 erschienen sind. So analysiert der Report „Zur Institutionalisierung von Foresight und Technikfolgenabschätzung für das österreichische Parlament“ die Anforderungen von Parlamenten an wissenschaftliche Beratung und erstellt Vorschläge für die zukünftige Einbindung von Wissen aus der Forschung ins Parlament. „Industrie 4.0“ macht „Science for Policy“ konkret und nimmt für den Nationalrat die Möglichkeiten und Grenzen der sogenannten „vierten industriellen Revolution“ wissenschaftlich in den Blick.

EXPERTISE IN NATIONALKOMITEES

Die wissenschaftliche Expertise der ÖAW und ihrer Mitglieder ist auch in zahlreichen Nationalkomitees gefragt. Zusammengesetzt aus renommierten Wissenschaftler/inne/n sowie Vertreter/inne/n von Ministerien und Länderorganisationen, verantworten diese Gremien die wissenschaftliche Ausrichtung der vom BMWFW finanzierten und an der ÖAW verwalteten „Internationalen Forschungsprogramme“. Diese sind gebündelt in der Initiative „Earth System Sciences“ (ESS) und zielen auf die Erforschung des Systems Erde ab. Dabei werden im Rahmen der ESS insbesondere Projekte gefördert, die versprechen, Lücken in der aktuellen Forschung zu schließen. Interdisziplinäre Projekte, Langzeitforschungen sowie Projekte, die auf derzeit noch gering beforschte Bereiche fokussiert sind, werden bevorzugt unterstützt, um innovative Erkenntnisse zu Erdsystemwissenschaften wie

ÖAW STIMME DER WISSENSCHAFT

Geologie, Meteorologie und Ökologie beizutragen. Zuletzt wurden 21 Forschungsprojekte im Jahr 2014 mit einem Gesamtvolumen von fast fünf Millionen Euro bewilligt, die 2017 abgeschlossen werden. 2015 erhielten zudem drei zusätzliche Projekte Anschubfinanzierungen, und zwei Projekte wurden im Rahmen der ESS aus dem UNESCO International Geoscience Programme (IGCP) gefördert.

PUBLIKATIONEN IM VERLAG

International ausgerichtet und mit einem Schwerpunkt in den Geisteswissenschaften publiziert der Verlag der ÖAW im Peer-Review-Verfahren Arbeiten aus der Forschung, macht sie national wie international zugänglich und fördert damit die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Scientific Community ebenso wie in der breiten Öffentlichkeit. Wissenschaftler/innen und wissenschaftlich Interessierte können aus einem stetig wachsenden Gesamtangebot von inzwischen mehr als 3.350 Titeln wählen, die als Monographien, Sammelbände, Zeitschriftenausgaben, Referenz- und Multimediawerke erschienen sind. 2015 wurde eine Vielfalt an aktuellen Forschungsergebnissen publiziert, die von Themen wie Demographie und Klimawandel über Neues zur Baugeschichte der Wiener Hofburg oder zu religiösen Strömungen in China bis hin zu Analysen des Wirtschaftsfaktors Kirche und des Forschungsstand- orts Wien reichen. Zudem wurde die Entwicklung und Etablierung digitaler Services 2015 weiter ausgebaut. Das Publikationsportal „epub.oeaw“, das ÖAW-Forschung im Volltext elektronisch verfügbar macht, gehört inzwischen zu den führenden Open Access-Repositorien in Österreich. Es macht Arbeiten nicht nur zitier- und referenzierbar, sondern auch durchsuchbar – was das Aufgreifen wissenschaftlicher Erkenntnisse für die weitere Forschung erleichtert.

BIBLIOTHEK, ARCHIV UND SAMMLUNGEN

Vom „Etymologiarum Libri“ des Isidor von Sevilla aus dem Jahre 1483 bis zum neuesten wissenschaftlichen Journal: „Bibliothek, Archiv und Sammlungen: Information und Service“ – kurz BAS:IS – bietet Mitgliedern, Mitarbeiter/inne/n sowie externen Benutzer/inne/n Literatur für Recherche und Forschung. So enthält die Bibliothek einen Buchbestand von über 400.000 Bänden, das Archiv verwaltet das Schriftgut aus 150 Jahren Geschichte und Forschung der Akademie, und in den Sammlungen findet sich neben den Gemälden und Büsten der ÖAW auch die einzigartige Sammlung des Wiener Privatgelehrten Erich Woldan. Sie umfasst historische Juridica, Geographica und Kartographica, aus denen 2015 ausgewählte Kostbarkeiten im Mitgliederbereich der ÖAW präsentiert wurden. Im Rahmen des Programms „Digital Humanities: Langzeitprojekte zum kulturellen Erbe“ wurde im vergangenen Jahr zudem mit der Digitalisierung dieser Sammlung sowie der ebenso wertvollen Sammlung Glaser begonnen. „Woldan goes digital“ und „3D-Digitizing of Rare Ancient South Arabian squeezes, 19th Century Glaser Collection“ – so die Titel der beiden Digitalisierungsprojekte – sollen den Bestand in elektronischer Form zugänglich machen. Nach der Neuorganisation des Erwerbs im Rahmen des Schriftentauschs widmete sich die Bibliothek 2015 der Erstellung eines Bestandsprofils, während das Archiv weitere umfangreiche Bestände wissenschaftlich erfassen konnte. Neu seit 2015 an der ÖAW verfügbar sind auch zwei große elektronische Rechercheinstrumente: „InCites“ der Verlagsgruppe Thomson Reuters sowie das Zeitschriftenarchiv „JSTOR“ – eine von Mitgliedern und Mitarbeiter/inne/n bereits viel genutzte Verbesserung der eigenen Forschungsmöglichkeiten.

39 AN DER SCHNITTSTELLE VON WISSENSCHAFT UND GESELLSCHAFT: DIE KOMMISSIONEN

OB DIE ERKUNDUNG UNSERES UNIVERSUMS, NACHHALTIGE MOBILITÄT ODER DER KLIMAWANDEL: DIE KOMMISSIONEN DER ÖAW WIDMEN SICH AKTUELLEN WIE LANGFRISTIGEN FRAGEN WISSENSCHAFTLICHER UND GESELLSCHAFTLICHER RELEVANZ. DIE DERZEITIGEN KOMMISSIONEN IM ÜBERBLICK.

Foto: Wikimedia/Creative Commons/DLR German Aerospace Center

ÖAW STIMME DER WISSENSCHAFT

KOMMISSION FÜR ASTRONOMIE Obmann: k.M.I. Helmut O. Rucker

Die Kommission koordiniert den wissenschaftlichen Austausch und die Forschungskooperation mit nationalen und internationalen Institutionen und Unionen auf den Gebieten der Astronomie, Astrophysik und Weltraumforschung. Eine weitere Aufgabe ist die Vermittlung von Wissenschaft an die Öffentlichkeit, zum Beispiel im Rahmen von Veranstaltungen wie der Tagung „Graz in Space“ oder den „Littrow Lectures“. 2015 erarbeitete die Kommission eine Stellungnahme zur Erhaltung des Sternenlichts.

KOMMISSION FÜR DIE BETEILIGUNG AN INTERNATIONALER GROSSFORSCHUNG Obmann: w.M. Helmut Rauch

Die Kommission widmet sich Fragen der Kooperation österreichischer Wissenschaftler/innen mit internationalen Forschungsinitiativen. Ziel ist die Steigerung und Verbesserung der Beteiligung österreichischer Wissenschaftler/innen an Großforschungsinitiativen. 2015 wurde die Erarbeitung einer Bestandsaufnahme österreichischer Beteiligungen an internationaler Großforschung fortgeführt.

KOMMISSION GEOGRAPHIC INFORMATION SCIENCE Obmann: w.M. Josef Strobl

Die Kommission übernimmt mit ihrem Schwerpunkt auf dem geoinformatischen Segment der Informationsgesellschaft eine wissenschaftlich-beratende Rolle für Gesellschaft, Wirtschaft und akademische Institutionen im In- und Ausland. Sie fördert Forschungskooperationen innerhalb und außerhalb der ÖAW, fungiert als österreichische Schnittstelle zu internationalen Geoinformatik-Programmen und erstellt Gutachten für wissenschaftliche Organisationen. 2015 fungierte die Kommission als Mitveranstalterin des internationalen GI_Forum an der Universität Salzburg.

KOMMISSION FÜR GEOWISSENSCHAFTEN Obmann: w.M. Christian Köberl

Die Kommission versteht sich als interdisziplinäre Plattform zur Vernetzung der österreichischen Forschung auf dem Gebiet der Geowissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf der Koordination des wissenschaftlichen Austauschs und der Forschungskooperation sowie der Wissenschaftsvermittlung. Diese erfolgt durch diverse von der Kommission organisierte Veranstaltungen, im Jahr 2015 etwa im Zuge des Symposiums „Anthropozän – ein neues Erdzeitalter?“

KOMMISSION FÜR INTERDISZIPLINÄRE ÖKOLOGISCHE STUDIEN Obmann: w.M. Gerhard Glatzel

Die Kommission bearbeitet ökologische Fragestellungen, die besondere Relevanz für Österreich haben. Die Tätigkeit ist auf drei Bereiche fokussiert: die Erfassung und Dokumentation der Biodiversität in Österreich, die Beurteilung der Auswirkungen von Landnutzung auf komplexe Ökosysteme (Publikationsreihe „Interdisciplinary Perspectives“) sowie die Beratung von Gesellschaft und Politik zu ökologischen Fragestellungen. Im Rahmen von Veranstaltungen wie den „Kerner von Marilaun Lectures“ werden der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der interessierten

41 Öffentlichkeit aktuelle Themen der interdisziplinären ökologischen Forschung präsentiert, zuletzt etwa beim Symposium „Ludwig Salvator. Erzherzog von Österreich-Toskana“.

KOMMISSION KLIMA UND LUFTQUALITÄT Obfrau: w.M. Marianne Popp

Die Kommission beschäftigt sich mit Fragen der anthropogenen Einflüsse auf die Atmosphäre und deren Auswirkungen auf Menschen und Ökosysteme sowie mit den Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Dies umfasst insbesondere die Themen Klima bzw. Klimaänderung und atmosphärische Spurenstoffe mit Auswirkungen auf die Qualität der Luft. Spezielle Aspekte werden in Arbeitsgruppen zu den Schwerpunkten Aerosole, Geruch, Biomasse und Stickstoffverbindungen diskutiert. In zahlreichen Veranstaltungen werden die Themen regelmäßig einer breiten Öffentlichkeit kommuniziert, 2015 beispielsweise im Rahmen der Tagung „Gesundheitsrelevante Luftverunreinigung durch Holzrauch“.

KOMMISSION NACHHALTIGE MOBILITÄT Obmann: w.M. Georg Brasseur

Ein Grundbedürfnis des Menschen ist die Mobilität, die aber durch das rasante Bevölkerungswachstum, den steigenden Wohlstand und die Technologievielfalt auch negative Auswirkungen auf die Umwelt haben kann. Nachhaltige Mobilität hat den Auftrag, die von der Gesellschaft geforderte Mobilität von Personen und Gütern umwelt- und sozialverträglich sowie ressourcenschonend zu gestalten. Die Kommission bearbeitet das Thema „Nachhaltige Mobilität“ interdisziplinär unter besonderer Berücksichtigung der in Österreich geltenden Rahmenbedingungen. 2015 wurde die Erarbeitung eines Berichts zur Nachhaltigkeit bei Verkehrsmitteln, Verkehrsinfrastruktur, Energie, Umwelt und Sozio- ökonomie fortgesetzt.

KOMMISSION FÜR INTERNATIONALE WIRTSCHAFTS- UND FINANZPOLITIK Obmann: w.M. Erich W. Streissler

Die Kommission, die bis 30. Juni 2015 bestand, hatte zum Ziel, im Rahmen von Symposien hochrangige Ent- scheidungsträger/innen aus den Bereichen der Finanz- und Wirtschaftspolitik, aber auch den Umweltwissenschaften zusammenzubringen. Diskutiert wurden Themen wie die internationale Finanzmarktintegration und ihre Aus- wirkungen auf die Staatsfinanzen, langfristige Wirtschafts- und Umweltprognosen, aber auch langfristige Finanz- und Umweltrisiken sowie Entwicklungen und Zusammenspiel von Kunstmarkt, Finanzmärkten und Sozialstaat.

KOMMISSION THE NORTH ATLANTIC TRIANGLE: SOCIAL AND CULTURAL EXCHANGE BETWEEN EUROPE, THE USA AND CANADA Obmann: w.M. Waldemar Zacharasiewicz

Die Kommission befasst sich auf interdisziplinärer Basis mit den Prozessen der Kontaktnahme und des Austauschs zwischen beiden Seiten des Atlantiks wie auch mit deren Auswirkungen in Bereichen wie Politik, Demographie, Kultur und Gesellschaft. Ein Schwerpunkt widmet sich der Erforschung der demographischen Ströme über den Atlantik im 19. und 20. Jahrhundert sowie den verschiedenen Aspekten der ökonomischen und kulturellen Interaktion. Dazu wurde 2015 u.a. die internationale Konferenz „Exiles, Returnees and their Impact in the Humanities and Social Sciences in Austria and Central Europe“ veranstaltet.

ÖAW STIMME DER WISSENSCHAFT

KOMMISSION FÜR MIGRATIONS- UND INTEGRATIONSFORSCHUNG Obmann: w.M. Heinz Fassmann

Die Kommission stellt eine interdisziplinäre Plattform zur Vernetzung und Bündelung der österreichischen Migrationsforschung und zu ihrer internationalen Anbindung dar. Sie organisiert Jahrestagungen zur Migrations- und Integrationsforschung in Österreich, ist verantwortlich für die Herausgabe regelmäßiger Berichte zu Migration und Integration, fungiert als Kontaktstelle der ÖAW zum europäischen Forschungsnetzwerk „International Migration, Integration and Social Cohesion“ sowie als Plattform für einschlägige Forschungsprojekte. Neben anderen Aktivitäten gab die Kommission das statistische Jahrbuch „migration & integration 2015“ gemeinsam mit Statistik Austria heraus.

KOMMISSION FÜR RECHTSGESCHICHTE ÖSTERREICHS Obmann: w.M. Thomas Olechowski

Rechtsgeschichte ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die von Jurist/inn/en, von Historiker/inne/n, aber auch von eigens darauf spezialisierten Rechtshistoriker/inne/n betrieben wird. Ein ständiger Dialog zwischen allen drei Gruppen ist nötig, um die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Aktualisierung der Forschungsmethoden, aber auch die Veränderungen der Fragestellungen rezipieren zu können. Die Kommission sieht sich als verbindende Plattform für die genannten Wissenschaften und betreibt Forschungsprojekte, die sowohl geschichtswissenschaftliche als auch rechtswissenschaftliche Kenntnisse erfordern. 2015 veranstaltete die Kommission u.a. die internationale Tagung „Gerichtsvielfalt in Wien. Forschungen zum modernen Gerichtsbegriff“.

KOMMISSION FÜR DIE WISSENSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DIENSTSTELLEN DES BMLVS Obmann: w.M. Hans Sünkel

Gemäß dem Übereinkommen zwischen dem Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (BMLVS) und der ÖAW liegt die Aufgabe der Kommission darin, Grundlagenforschung an der ÖAW, die auch für das BMLVS von Interesse ist, zu fördern. Darüber hinaus werden seitens des BMLVS Forschungsaufgaben an die ÖAW vergeben. 2015 organisierte die Kommission die Informationsveranstaltung „Wissenschaft und Militär“.

43 JUNGE KURIE: DIE NÄCHSTE GENERATION IN DER AKADEMIE

DIE JUNGE KURIE BESTEHT AUS HERAUSRAGENDEN, BEREITS ETABLIERTEN NACHWUCHSWISSEN- SCHAFTLER/INNE/N ALLER FACHRICHTUNGEN. SIE DISKUTIEREN, WAS JUNGE WISSENSCHAFT BRAUCHT, UND VERMITTELN DIE PERSPEKTIVEN DER NEUEN WISSENSCHAFTSGENERATION AN DIE ÖFFENTLICHKEIT.

Foto: Klaus Pichler/ÖAW

Das Jahr 2015 stand für die Junge Kurie ganz im Zeichen eines besonderen Jubiläums: Denn 1915 stellte der Physiker Albert Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie vor – eine wissenschaftliche Revolution, die im vergangenen Jahr somit ihren 100. Geburtstag beging und mit zahlreichen Veranstaltungen gefeiert wurde. Noch etwas älter ist eine andere, die Welt nicht weniger prägende Erfindung: der Film. Beim European Science Film Festival, das die Junge Kurie mitgestaltete, wurden Film und Wissenschaft zusammengebracht. Ob Einstein-Jubiläum oder großes Kino – für beides lässt sich im Rückblick sagen: zahlreiche Besucher/innen und begeisterte Gesichter.

GRAVITATION 2015

Dass Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie bis heute nichts an Aktualität und Faszination eingebüßt hat, wurde heuer eindrucksvoll bewiesen: Mit dem Nachweis der Gravitationswellen – Verzerrungen der vierdimensionalen Raumzeit, die sich als direkte Folge aus der Theorie ergeben. Die Feierlichkeiten zum 100. Jubiläum der Einstein’schen Theorie im Vorjahr waren somit am Puls der Zeit. Doch die Suche nach Gravitationswellen war nicht das einzige Thema der

ÖAW STIMME DER WISSENSCHAFT

Veranstaltungsreihe „Gravitation 2015“, mit der die Vielfalt der auf der Allgemeinen Relativitätstheorie aufbauenden Forschungszweige einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wurde. Den Auftakt machte ein Festakt, bei dem der musikalische Rahmen mit einem Auftritt des Chors der Technischen Universität Wien und dem Song „Bohemian Gravity“ passend gewählt war. Festredner Jürgen Renn, Direktor am Berliner Max-Planck- Institut für Wissenschaftsgeschichte, blickte anschließend in die Vergangenheit der Allgemeinen Relativitätstheorie und machte damit deren Entstehungsgeschichte in einem bis auf den letzten Platz besetzten Festsaal wieder lebendig. Mit der Gegenwart der Theorie setzte sich der wissenschaftliche Workshop „100 Years of Curved Space Time“ auseinander. Hier trafen sich Forscher/innen aus verschiedenen Disziplinen, Ländern und Generationen. Zahlreiche Menschen besuchten zudem die öffentlichen Vorträge, bei denen renommierte Wissenschaftler/innen aus dem In- und Ausland über eine breite Palette an aktuellen Themen aus der Welt der Physik referierten – von „Quanten-Gravitation“ über „Raumzeitkrümmung“ bis hin zu „Einsteins größter Eselei“ – ein Vermittlungsangebot, das auch von Schulklassen angenommen wurde, für die eigene Vormittagsvorträge angeboten wurden. Ein weiterer Höhepunkt des Veranstaltungsreigens war die interaktive Ausstellung „Einstein – Wellen – Mobil“, die mehrere Wochen in der Aula der ÖAW bei freiem Eintritt zu sehen war. Dort erwarteten die Besucher/innen mit beeindruckenden Bildern gestaltete Schautafeln, Filmbeiträge, wissenschaftliche Instrumente wie ein Laserinferometer, virtuelle Modelle und eine relativistische Fahrradfahrt. Im Mittelpunkt der Schau standen übrigens die inzwischen berühmten Gravitationswellen. Apropos Wellen: Die von der Jungen Kurie gestaltete Veranstaltungsreihe zu „Gravitation 2015“ schlug tatsächlich Wellen, denn mehr als 3.000 Interessierte besuchten die einzelnen Programmpunkte, und rund 500 Schüler/innen nahmen an Führungen und Vorträgen teil.

EUROPEAN SCIENCE FILM FESTIVAL

„Film ab!“, hieß es im Dezember 2015 beim European Science Film Festival sf2, das herausragende europäische Wissenschaftsfilmproduktionen des vergangenen Jahres in Wien präsentierte. Die Junge Kurie war bereits zum zweiten Mal Kooperationspartnerin des Festivals, bei dem nicht nur Filme gezeigt, sondern auch über sie diskutiert wurde. Unter anderem beteiligte sich die Junge Kurie mit dem von ihr konzipierten Workshop „Meet the Austrian Scientists“. Hier trafen sich Wissenschaftsfilmer/innen und Wissenschaftler/innen und tauschten sich über neue Erkenntnisse aus der Forschung und Möglichkeiten ihrer filmischen Umsetzbarkeit aus. Die Veranstaltung war ein wichtiger Anstoß, um Themen der Wissenschaft einem größeren Publikum zu vermitteln, aber auch um neue Ideen für den Wissenschaftsfilm von morgen zu entwickeln. Dass dieser vielleicht ganz neue Wege geht, um seine Zuseher/innen zu erreichen, zeigte der australische YouTuber Derek Muller. Mit mehr als 200 Millionen Views und drei Millionen YouTube-Abonnent/inn/en gilt dieser mit seinem Wissenschaftskanal „Veritasium“ als Koryphäe dieses Videoportals und zugleich als Maßstab für gegenwärtige Trends im Wissenschaftsfilm. Kein Filmfestival ohne Preis. Mit dem ersten Preis zeichnete eine internationale Jury die Produktion „Rosetta Comet Chaser, a Journey to the Origins of Life“ des französischen Filmemachers Jean-Christophe Ribot aus. Weitere Preise gingen an Jean-Louis Saporito für seinen bildgewaltigen Dokumentarfilm „Space Weather, an Urgent New Science“, an Cat Gale für „Joy of Logic“ sowie an Dennis Rätzel für seinen Film „Undune“, eine fiktive Geschichte der Kolonisierung des Mars.

NEUES DIREKTORIUM

2015 nahm das neue Direktorium, das Leitungsgremium der Jungen Kurie, seine Arbeit auf. Es ist bis Juni 2016 im Amt und besteht aus Julia Budka (ÖAW, Ludwig-Maximilians-Universität München), Daniel Grumiller (Technische Universität Wien), Christian Hellmich (Technische Universität Wien), Kristin Tessmar-Raible (Max F. Perutz Laboratories, Universität Wien) sowie Gregor Weihs (Universität Innsbruck).

45 SPITZENFORSCHUNG: ANERKENNUNG WISSENSCHAFTLICHER LEISTUNGEN

Foto: Reinhard Öhner/ÖAW

AUSZEICHNUNGEN DER ÖAW

Die mathematisch-naturwissenschaftliche und die philosophisch-historische Klasse der ÖAW fördern Forschung durch wissenschaftliche Auszeichnungen und Preise. Die 2015 vergebenen Förderungen im Überblick.

Neben den beiden „großen“ Preisen für das wissenschaftliche Lebenswerk – dem Erwin Schrödinger-Preis (für hervorragende Leistungen in Medizin, Naturwissenschaften oder Technischen Wissenschaften) und dem Wilhelm Hartel-Preis (für hervorragende Leistungen in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften) – werden derzeit 15 Preise an junge Wissenschaftler/innen in verschiedenen Forschungsdisziplinen vergeben.

ÖAW STIMME DER WISSENSCHAFT

Mit dem Erwin Schrödinger-Preis in Höhe von 15.000 Euro wurden 2015 M.J.K. Jiří Friml und k.M.I. Michael Wagner zu gleichen Teilen ausgezeichnet. Friml ist Pflanzengenetiker am IST Austria und untersucht jene Signale aus der Umwelt, mit denen Pflanzen Keimung, Gestaltbildung und Wachstum steuern. Wagner ist Professor für Mikrobielle Ökologie an der Universität Wien. Er wurde für seine Forschungen zu Interaktionen von Mikroorganismen mit Pflanzen, Tieren und dem Menschen ausgezeichnet.

Der ebenfalls mit 15.000 Euro dotierte Wilhelm Hartel-Preis wurde 2015 an den Politikwissenschaftler Emmerich Tálos verliehen. Der Professor emeritus für Politikwissenschaft an der Universität Wien erhielt den Preis für seine umfassenden Forschungsarbeiten zur Sozialpartnerschaft, zur politischen Entwicklung Österreichs und zum Austrofaschismus.

Die am IST Austria forschende Biologin M.J.K. Sylvia Cremer wurde für ihre Arbeiten zur Krankheitsabwehr bei Ameisen mit dem Elisabeth Lutz-Preis ausgezeichnet. Der mit 15.000 Euro dotierte Preis wird an junge Wissenschaftler/innen vergeben, die interdisziplinäre Forschungsansätze in den Naturwissenschaften verfolgen.

Der Ignaz L. Lieben-Preis ist der älteste und am höchsten dotierte Preis der Akademie. Er wird an junge For- scher/innen aus der Molekularbiologie, der Physik oder der Chemie vergeben, die ihre wissenschaftliche Originalität und Unabhängigkeit bereits bewiesen haben. Auch 2015 ging der Preis – wie schon in den vergangenen beiden Jahren – an eine Wissenschaftlerin. M.J.K. Francesca Ferlaino, wissenschaftliche Direktorin am ÖAW-Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Innsbruck, erhielt die mit 36.000 Dollar dotierte Auszeichnung für herausragende Forschungen auf dem Gebiet der Quantenphysik.

In den Geisteswissenschaften wurde der mit 18.000 Dollar dotierte Bader-Preis für Kunstgeschichte Elisabetta Frullini verliehen. Die Kunsthistorikerin untersucht die Zusammenhänge zwischen Malerei und Musik im barocken Rom anhand ausgewählter Musikschaffender und ihrer Gemäldesammlungen.

Neben diesen Auszeichnungen an etablierte Forscher/innen hat die ÖAW 2015 auch Nachwuchspreise und Preise für herausragende Publikationen vergeben. So ging der Alois Sonnleitner-Preis an den Onkologen Thomas Wiesner, der Karl Schlögl-Preis an den Chemiker Hannes Mikula und der Otto Vogl-Preis an die Chemikerin Julia Schörghuber. Mit dem Roland Atefie-Preis wurde die Theologin Dorothee Bauer ausgezeichnet, mit dem Dissertationspreis für Migrationsforschung die Juristin Fabiane Baxewanos und die Soziologin Sabrina Luimpöck. Den Jubiläumspreis des Böhlau Verlags erhielt die Archäologin Birgit Öhlinger. Der Best Paper Award ging an die Quantenphysiker Petar Jurcevic und Ben P. Lanyon sowie an den Molekularmediziner Kilian Huber, während der Byzantinist Christian Gastgeber für die beste Publikation ausgezeichnet wurde. Ein Erich Thenius-Stipendium erhielt der Paläontologe Kristof Veitschegger, das Moritz Csáky-Stipendium der Archäologe Tibor-Tamás Daróczi.

AUSZEICHNUNGEN AN MITGLIEDER

Das hohe Ansehen der Mitglieder der Akademie verdeutlichen zahlreiche nationale wie internationale Auszeichnungen. Eine Auswahl.

W.M. Michael Alram erhielt den Archer M. Huntington Award der American Numismatic Society. M.J.K. Markus Aspelmeyer erhielt einen ERC Consolidator Grant. K.M.A. Zdenĕk P. Bažant wurde zum auswärtigen Mitglied der Royal Society in London gewählt.

47 W.M. Manfred Bietak erhielt einen ERC Advanced Grant. W.M. erhielt den Prize for Research on Fundamental Issues in and their Applications. K.M.A. Ignacio J. Cirac erhielt den Hamburger Preis für Theoretische Physik. W.M. Ulrike Diebold wurde zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina ernannt. W.M. Josef Eberhardsteiner wurde zum Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften gewählt. EM Hubert Christian Ehalt wurde mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse und von der französischen Regierung mit dem Titel eines Chevalier des Arts et des Lettres ausgezeichnet. W.M. Friedrich Ehrendorfer erhielt das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse. K.M.A. Peter Fratzl wurde zum Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sowie der Akademie für Wissenschaft und Literatur/Mainz gewählt. K.M.I. Martin Gerzabek wurde zum Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften ernannt und erhielt das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. W.M. Andre Gingrich erhielt den Preis 2015 der Stadt Wien für Kultur-, Geistes,- Sozial- und Rechtswissenschaften. K.M.A. Barbara Hohn erhielt das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst. EM Martin Karplus erhielt das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst. W.M. Karl Korinek erhielt den Kardinal-Innitzer-Preis 2015. W.M. Bernhard Kräutler erhielt das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse. W.M. Hans Lassmann wurde zum Distinguished (Honorary) Member der Japanese Society of Neurology gewählt und erhielt die Wagner- Jauregg-Medaille der Österreichischen Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie. K.M.A. Ursula Lehr erhielt von der Bundesrepublik Deutschland das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern. W.M. Herbert Mang wurde zum Auswärtigen Mitglied der Chinese Academy of Engineering ernannt. M.J.K. Sascha Martens wurde mit einem ERC Consolidator Grant ausgezeichnet.

ÖAW STIMME DER WISSENSCHAFT

K.M.A. Gero Miesenböck wurde zum Fellow der Royal Society gewählt. K.M.A. Jürgen Mittelstrass erhielt das Große Silberne Ehrenkreuz für Verdienste um die Republik Österreich. W.M. Herta Nagl-Docekal erhielt den Gabriele-Possanner-Würdigungspreis. K.M.I. Magnus Nordborg wurde zum Mitglied der European Molecular Biology Organization (EMBO) gewählt. K.M.A. Onora O’Neill erhielt den Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste und den Internationalen Kant-Preis der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung. K.M.I. Jörg A. Ott erhielt das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien. W.M. Claudia Rapp erhielt den Wittgenstein-Preis 2015 des FWF. W.M. Helmut Rauch erhielt das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst sowie den Walter-Hälg-Preis der „European Neutron Scattering Association“. W.M. Roman Sandgruber hat das Große Silberne Ehrenzeichen der Republik Österreich erhalten. K.M.I. Niyazi Serdar Sariçiftçi erhielt den Academy Prize 2015 der Turkish Academy of Sciences. K.M.I. Jörg Striessnig erhielt den PHOENIX Pharmazie Wissenschaftspreis. W.M. Arnold Suppan erhielt den Kardinal-Innitzer-Würdigungspreis für Geisteswissenschaften. K.M.A. Klement Tockner wurde zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt. W.M. Peter Wiesinger erhielt das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse. W.M. Herwig Wolfram wurde zum korrespondierenden Mitglied im Ausland der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste gewählt. W.M. Rudolf Zechner erhielt den Louis-Jeantet-Preis für Medizin 2015. W.M. Anton Zeilinger erhielt das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und wurde zum Socio Corrispondenti Stranieri der Accademia Galileiana di Scienze Lettere ed Arti in Padua gewählt. K.M.A. Jan Ziolkowski erhielt das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse und wurde zum Fellow der American Academy of Arts and Sciences gewählt.

49 NEUE KOMMISSIONEN GEGRÜNDET IM FOKUS

Blick in das Innere des Detektors des CMS-Experiments am CERN. Das CMS- und das ATLAS-Experiment beobachteten 2012 das Higgs-Boson. Foto: Maximilien Brice/CERN

„ES GEHT UM AKTUELLE FRAGEN VON GESELLSCHAFTLICHER RELEVANZ“

SIE ERKUNDEN NEUE FORSCHUNGSFELDER UND VERMITTELN IHR WISSEN AN DIE ÖFFENTLICHKEIT: DIE KOMMISSIONEN DER ÖAW. MIT DREI NEUZUGÄNGEN AUS GROSSFORSCHUNG, RECHTSGESCHICHTE UND WISSENSCHAFTSPHILOSOPHIE WERDE DAS BREITE THEMATISCHE SPEKTRUM DER KOMMISSIONEN WEITER GESTÄRKT, ERKLÄREN KLASSENPRÄSIDENTIN BRIGITTE MAZOHL UND KLASSENPRÄSIDENT GEORG BRASSEUR.

BRIGITTE MAZOHL

Die Kommissionen bilden die Schnittstelle zwischen Wissen- der Intelligenz in der Zeit des Nationalsozialismus erlitten schaft und Gesellschaft unter anderem durch vielfältige Veran- hat. „Exiles, Returnees and their Impact in the Humanities staltungen. Welche sind Ihnen vom vergangenen Jahr besonders and Social Sciences in Austria and Central Europe“ wur- in Erinnerung geblieben? de von der Kommission The North Atlantic Triangle or- ganisiert. Die Konferenz versuchte anhand ausgewählter Brigitte Mazohl: Am meisten beeindruckt hat mich eine Persönlichkeiten den Einfluss von aus dem Exil zurückge- internationale Konferenz, die sich mit dem Verlust ausein- kehrten Künstler/inne/n sowie Repräsentant/inn/en der andersetzte, den unsere Gesellschaft durch die Vertreibung Geistes- und Sozialwissenschaften auf das kulturelle und IM FOKUS

wissenschaftliche Leben in Österreich zu analysieren. Da- ökologische Studien aus Anlass des 100. Todestags von bei konnte auch gezeigt werden, wie viel Potenzial durch Erzherzog Ludwig Salvator, eines Pioniers der interdiszi- die Vertreibung verloren ging und aufgrund der unterblie- plinären ökologischen Erforschung des Mittelmeerraums. benen Rückholung für die Forschung und den Kulturbe- Die Veranstaltung wurde begleitet von einer Ausstellung trieb in Österreich nicht zur Verfügung stand. in der Aula der Akademie.

Georg Brasseur: Einem Thema, das unseren unmittelba- Das Feld der Kommissionen hat sich zuletzt erweitert. So gibt es ren Lebensraum betrifft, hat die Kommission für Interdis- seit 2014 eine Kommission für die Beteiligung an internationa- ziplinäre ökologische Studien eine Veranstaltung gewid- ler Großforschung. Was soll sie leisten? met: Die „Kerner von Marilaun Lecture“ „The Solutions Underfoot – the Power of Soil“. Anlass war das interna- Brasseur: Es geht darum, eine Plattform zu schaffen für die tionale Jahr des Bodens, zu dem 2015 von der UN-Gene- Diskussion über die Relevanz bestehender Mitgliedschaf- ralversammlung erklärt wurde. Böden sind die Grundlage ten in Großforschungsprojekten und über die Notwendig- für unsere Ernährung und des Lebensraums Erde insge- keiten, neuen Initiativen beizutreten. Zu den wichtigsten samt – und auf diesen wichtigen Umstand hat die Veran- Aufgaben der Kommission zählt auch die Verbesserung staltung aufmerksam gemacht. der Forschungsmöglichkeiten für österreichische Wissen- schaftler/innen an internationalen Großforschungsinitia- Wie gelingt es den Kommissionen, Wissenschaft und Gesell- tiven und die Unterstützung bei deren Nutzung. Natürlich schaft in einen Dialog miteinander zu bringen? verursachen diese Beteiligungen Kosten. Aber dafür ist Österreich unmittelbar beteiligt an neuesten Erkenntnis- Brasseur: Dieser Dialog wird im Rahmen wissenschaftli- sen und profitiert von einem permanenten Wissens- und cher Veranstaltungen geführt, deren Ergebnisse dann der Technologietransfer. Lassen Sie mich zwei Beispiele nen- Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die öffentliche nen: An der Entdeckung des Higgs Bosons am CERN war Aufmerksamkeit wird dadurch gewährleistet, dass sich die das ÖAW-Institut für Hochenergiephysik wesentlich be- Kommissionen mit aktuellen Fragestellungen von gesell- teiligt. Die Entdeckung wurde 2013 mit einem Nobelpreis schaftlicher Relevanz befassen. So beteiligte sich etwa die gewürdigt. Die am CERN entwickelte Beschleunigertech- Kommission für Geowissenschaften im vergangenen Jahr nologie wird zudem in Kürze am MedAustron in Wiener mit dem Symposium „Anthropozän. Ein neues Erdzeital- Neustadt für die punktgenaue Therapie von Krebserkran- ter?“ an einem aktuellen, weltweiten wissenschaftlichen Dis- kungen eingesetzt. Aufgrund solcher Erfolge und Potenzi- kussionsprozess. Dabei geht es um die Frage, ob es gerecht- ale will sich die Kommission auch für eine Erhöhung der fertigt ist, aufgrund der massiven menschlichen Einflüsse auf Mittel einsetzen, damit zukünftig neben Beteiligungs- und die Erdatmosphäre, das Leben und die Geologie von einem Projektkosten auch Infrastrukturkosten gedeckt sind. neuen Erdzeitalter, dem „Anthropozän“, zu sprechen. Dieses Symposium hat breite Resonanz in der Öffentlichkeit hervor- Die Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs wurde 2015 gerufen, zumal es mit Blick auf den Internationalen Geolo- wiedergegründet. Warum? gischen Kongress im August 2016 in Kapstadt stattfand, wo diese Frage voraussichtlich entschieden wird. Mazohl: Die Tradition rechtshistorischer Kommissionen reicht weit zurück, bis in das Jahr 1864. Die nun einge- Mazohl: Ein anderes hervorragendes Beispiel für die Ver- setzte Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs soll mittlung von aktueller wissenschaftlicher Expertise sind zum Teil deren Arbeiten fortführen, etwa durch die He- die Veranstaltungen der Kommission für Klima und Luft- rausgabe rechtshistorischer Quellen in den „Fontes Iu- qualität. Das Symposium „The Nitrogen Cascade“ etwa ris“ und durch die Herausgabe der Zeitschrift „Beiträge beschäftigte sich an der Akademie im Vorfeld des Weltkli- zur Rechtsgeschichte Österreichs – BRGÖ“. Die BRGÖ magipfels 2015 in Paris mit den Umweltwirkungen des – ist übrigens die einzige wissenschaftliche Zeitschrift, die nicht zuletzt stark anthropogen beeinflussten – Stickstoff- explizit die österreichische Rechtsgeschichte in ihren Mit- kreislaufs. Das wurde öffentlich ebenso wahrgenommen telpunkt stellt. Die Kommission soll aber auch durch eigene wie ein Symposium der Kommission für Interdisziplinäre Forschungsprojekte neue Akzente setzen. So sind aktuell ein

ÖAW 53 GEORG BRASSEUR

Projekt zur Digitalisierung der Resolutionsprotokolle des Die Kommission versteht sich daher auch als unabhän- Reichshofrats in Vorbereitung sowie ein rechtshistorischer giges, interdisziplinäres Wissenschaftsforum und wird Kommentar zum Vertrag von St. Germain. Es klingt erstaun- Forschungsprojekte zur allgemeinen Wissenschaftsge- lich, aber dieses für die Gründung der Republik Österreich schichte sowie zur Geschichte der Soziologie, der Natur- zentrale Dokument wurde noch nie umfassend untersucht. wissenschaften, der Medizin und der Wissenschaftsphi- Das soll nun – auch mit Blick auf den 100. Jahrestag der Ver- losophie durchführen. tragsunterzeichnung von 1919 – nachgeholt werden. Mazohl: Den zuletzt genannten Schwerpunkt möchte ich Die neueste Kommission befasst sich mit der Geschichte und aus aktuellem Anlass besonders hervorheben. Er fokus- Philosophie der Wissenschaften – weshalb ist gerade die Akade- siert auf die historische Tradition in der Wissenschafts- mie der richtige Ort dafür? philosophie am Beispiel des Physikers und Philosophen Ernst Mach und seiner Wirkungsgeschichte. Mach hat die Brasseur: Als gesamtösterreichische und disziplinen- naturwissenschaftliche Forschung sowie ihre erkenntnis- übergreifende Forschungsträgereinrichtung ist die ÖAW und wissenschaftstheoretische Einbettung entscheidend in ganz besonderer Weise dazu befähigt, Theorie und mitgeprägt. Für die Verbindung von Wissenschaftstheorie Praxis von Wissenschaft und Forschung in Österreich in und Wissenschaftsgeschichte als zentrales Forschungs- Vergangenheit und Gegenwart kritisch zu reflektieren. anliegen der neueren Wissenschaftsphilosophie ist er ein

ÖAW IM FOKUS

wichtiger Bezugspunkt. Zu seinem 100. Todestag findet naturwissenschaftlichen Klasse und drei Kommissio- daher im Juni 2016 eine internationale Konferenz an der nen der philosophisch-historischen Klasse ist die ÖAW Akademie statt. Aber auch insgesamt ist es für eine Aka- sehr gut aufgestellt und deckt ein breites Themens- demie der Wissenschaften von zentraler Bedeutung, ihr pektrum ab. Aktuell ist zudem die Gründung einer eigenes Tun – gewissermaßen von einer Metaebene aus – Kommission für „Vanishing Languages and Cultural stets (selbst-)kritisch zu reflektieren. Heritage“ in Planung, ebenfalls ein sehr spannendes Forschungsgebiet. Ich würde mir für die Zukunft ein Wenn Sie sich für die Zukunft der Kommissionen etwas wün- noch stärkeres Engagement in beiden Klassen für die schen könnten, was wäre das? Einrichtung neuer Kommissionen wünschen. Vor al- lem zu den viel diskutierten aktuellen Bildungsfra- Mazohl: Mit derzeit drei Kommissionen der Gesamt- gen wäre ein fachübergreifendes Diskussionsforum akademie, sieben Kommissionen der mathematisch- überaus wünschenswert.

DIE KOMMISSIONEN DER ÖAW Die Kommissionen setzen sich aus ehrenamtlich tätigen ÖAW-Mitgliedern verschiedener Disziplinen sowie externen Expert/inn/en zusammen. Diese eint das Interesse an Themenfeldern, die im Rahmen der traditionellen, disziplinär differenzierten Forschung nicht hinreichend bearbeitet werden können. Es ist daher vorrangiges Ziel der Kommissio- nen, innovative Forschungsfelder zu definieren und aufzubereiten und damit Forschungsbereiche zu eröffnen, die über den an Universitäten etablierten Fächerkanon hinausreichen. Eine weitere Aufgabe von Kommissionen ist die Entsen- dung von fachlich qualifizierten Kommissionsmitgliedern in gesetzlich verankerte Beratungsgremien des Bundes und der Länder sowie allgemein die Politikberatung in kommissionsrelevanten Fachbereichen.

55

TRÄGER DER FORSCHUNG HIGHLIGHTS AUS DEN FORSCHUNGSINSTITUTEN

Das Hedy Lamarr Quantum Communication Telescope auf dem Dach des ÖAW-Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation Wien. Foto: Lois Lammerhuber FORSCHUNG AN DER ÖAW

VON ARCHÄOLOGIE ÜBER ZEITGESCHICHTSFORSCHUNG BIS ZU PFLANZENBIOLOGIE UND QUANTENPHYSIK: DIE INSTITUTE DER AKADEMIE BETREIBEN GRUNDLAGENFORSCHUNG IN EINEM BREITEN SPEKTRUM VON FACHBEREICHEN UND DISZIPLINEN. SIE SCHAFFEN NEUES WISSEN UND SIND EIN NÄHRBODEN FÜR INNOVATION.

Foto: Klaus Pichler/ÖAW

ÖAW TRÄGER DER FORSCHUNG

Die ÖAW betreibt 29 Forschungsinstitute in den Geistes-, Kultur-, Sozial-, Natur- und Technikwissenschaften, in der Mathematik sowie den Life Sciences. Die Institute greifen zukunftsweisende Forschungsthemen auf und schaffen neue Erkenntnisse zu den Grundlagen unseres Lebens, unserer Gesellschaft und unseres kulturellen Erbes. Die hohe Qualität dieser Forschungsaktivitäten belegen eine Vielzahl international beachteter Publikationen und kompetitiv eingeworbener Forschungsförderungen, erfolgreiche wissenschaftliche Konferenzen sowie be- deutende Auszeichnungen. Der folgende Überblick über die Forschungsbereiche, die Institute und ihre Themen zeigt die inhaltliche Breite der Forschung an der ÖAW, ein Spektrum, das 2015 im Bereich der digitalen Geisteswissenschaften um ein neues Institut, das Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH-ÖAW), erweitert wurde.

INSTITUTE DER GEISTES-, SOZIAL- UND KULTURWISSENSCHAFTEN

AUSTRIAN CENTRE FOR DIGITAL HUMANITIES – ACDH-ÖAW

ARCHÄOLOGIE UND ALTERTUMSWISSENSCHAFTEN

INSTITUT FÜR KULTURGESCHICHTE DER ANTIKE – IKANT

INSTITUT FÜR ORIENTALISCHE UND EUROPÄISCHE ARCHÄOLOGIE – OREA

ASIENWISSENSCHAFTEN UND SOZIALANTHROPOLOGIE

INSTITUT FÜR IRANISTIK – IFI

INSTITUT FÜR KULTUR- UND GEISTESGESCHICHTE ASIENS – IKGA

INSTITUT FÜR SOZIALANTHROPOLOGIE – ISA

GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN

INSTITUT FÜR MITTELALTERFORSCHUNG – IMAFO

INSTITUT FÜR NEUZEIT- UND ZEITGESCHICHTSFORSCHUNG – INZ

59 KULTURFORSCHUNGEN

INSTITUT FÜR CORPUSLINGUISTIK UND TEXTTECHNOLOGIE – ICLTT

INSTITUT FÜR KULTURWISSENSCHAFTEN UND THEATERGESCHICHTE – IKT

INSTITUT FÜR KUNST- UND MUSIKHISTORISCHE FORSCHUNGEN – IKM

SOZIALWISSENSCHAFTEN

INSTITUT FÜR DEMOGRAPHIE – VID

INSTITUT FÜR EUROPÄISCHES SCHADENERSATZRECHT – ESR

INSTITUT FÜR INTERDISZIPLINÄRE GEBIRGSFORSCHUNG – IGF

INSTITUT FÜR STADT- UND REGIONALFORSCHUNG – ISR

INSTITUT FÜR VERGLEICHENDE MEDIEN- UND KOMMUNIKATIONSFORSCHUNG – CMC

INSTITUTE DER MATHEMATIK, NATUR- UND TECHNIKWISSENSCHAFTEN

LIFE SCIENCES

CEMM – FORSCHUNGSZENTRUM FÜR MOLEKULARE MEDIZIN GMBH

IMBA – INSTITUT FÜR MOLEKULARE BIOTECHNOLOGIE GMBH

GMI – GREGOR-MENDEL-INSTITUT FÜR MOLEKULARE PFLANZENBIOLOGIE GMBH

ÖAW TRÄGER DER FORSCHUNG

MATHEMATIK, PHYSIK, WELTRAUMFORSCHUNG UND MATERIALWISSENSCHAFTEN

JOHANN RADON INSTITUTE FOR COMPUTATIONAL AND APPLIED MATHEMATICS – RICAM

INSTITUT FÜR HOCHENERGIEPHYSIK – HEPHY

INSTITUT FÜR QUANTENOPTIK UND QUANTENINFORMATION – IQOQI INNSBRUCK

INSTITUT FÜR QUANTENOPTIK UND QUANTENINFORMATION – IQOQI WIEN

STEFAN-MEYER-INSTITUT FÜR SUBATOMARE PHYSIK – SMI

INSTITUT FÜR SCHALLFORSCHUNG – ISF

INSTITUT FÜR WELTRAUMFORSCHUNG – IWF

ERICH-SCHMID-INSTITUT FÜR MATERIALWISSENSCHAFT – ESI

WEITERE FORSCHUNGSEINRICHTUNGEN

INSTITUT FÜR TECHNIKFOLGEN-ABSCHÄTZUNG – ITA

PHONOGRAMMARCHIV – PHA

61 AUSTRIAN CENTRE FOR DIGITAL HUMANITIES – ACDH-ÖAW

INNOVATION UND TRANSFORMATION IN DEN GEISTESWISSENSCHAFTEN

Das Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH-ÖAW) fördert die geisteswissenschaftliche Forschung durch den gezielten Einsatz digitaler Methoden und Werkzeuge. Das internationale Team hat sowohl Forschungs- als auch Infrastrukturaufgaben. Thematische Schwerpunkte des ACDH-ÖAW sind „Early Modern Digital Humanities“, „Digital Archaeology & Ancient History“ und „eLexicography“. Die Verbreitung der neuen Paradigmen digitalen Forschens, zu denen sowohl Transdisziplinarität, Kooperation als auch Open Science zählen, ist wesentlicher Bestandteil der Agenda. Die Nachwuchsförderung gehört ebenso zum Aufgabengebiet wie die Interaktion mit der Gesellschaft. Die Zusammenarbeit mit weiteren Forschungseinrichtungen sowie die starke Verankerung in den europäischen Forschungsinfrastrukturkonsortien sind Eckpfeiler des Instituts, das bereits mit vielen Initiativen und Projekten kooperiert und unter anderem im Auftrag des BMWFW die Aktivitäten der österreichischen Partner der europäischen Digital-Humanities-Initiativen DARIAH und CLARIN koordiniert.

HIGHLIGHTS 2015

Das ACDH-ÖAW eröffnete erstmals die Konferenz „Digital Humanities Aus- tria“, die alljährlich die österreichische Digital-Humanities-Community zu- AUSGEWÄHLTE sammenführt. Die Tagung an der ÖAW beschäftigte sich schwerpunktmäßig PUBLIKATIONEN 2015 mit der Bedeutung von Kulturerbe-Institutionen für die digitalen Geisteswis- Declerck T, Wandl-Vogt E, Mörth K. Towards a Pan senschaften sowie mit dem Thema „Semantic Web“. European Lexicography by Means of Linked (Open) Data. In: Kosem I et al. (Eds.). Proceedings of eLex 2015. Ljubljana: Trojina Institute for Applied Slovene Zur Förderung des Nachwuchses wurde ein neues interaktives Format der Studies, 2015: 342–355. Wissensvermittlung etabliert: Die „Tool Gallery“, eine Kombination aus Prä- Go S. Europeana and digital archives of the future – sentationen von Expert/inn/en und praxisorientierten Sessions unter Mit- the past and the future by a founding member of wirkung internationaler Spezialist/inn/en, wurde bereits dreimal veranstal- Europeana. In: Okamoto M, Yanagi Y (Eds.). What are digital archives? – theory and practice. Tokyo: Bensei tet und erfreute sich großen Publikumsinteresses. Publishing Inc., 2015.

Goosen T, Windhouwer M, Ohren O, Herold A, Als erste öffentliche Web-Applikation des ACDH-ÖAW ging das „Austrian Eckart T, Durco M et al. CMDI 1.2: Improvements Baroque Corpus“ (ABaC:us) online. Durch den Einsatz innovativer Texttech- in the CLARIN Component Metadata Infrastructure. Linköping Electronic Conference Proceedings 2015; nologien und das Zusammenwirken von Forschung und Technik konnten 116: 36–53. hier einzigartige historische Quellen für vielfältige Forschungsfragen zu- Mörth K, Romary L, Budin G, Schopper D. Modeling gänglich gemacht werden. Frequency Data: Methodological Considerations on the Relationship between Dictionaries and Corpora. Journal of the Text Encoding Initiative 2015; 8: 1–60. Das ACDH-ÖAW feierte Erfolge beim Einwerben europäischer Drittmittel und bei der Beteiligung an europäischen Initiativen. So wurde im Rahmen von Resch C. Reforming Late Medieval ars moriendi: Changes and Compromises in Early Reformation Horizon 2020 das Projekt „PARTHENOS“ in Angriff genommen, das alle bis- Manuals for Use at the Deathbed. In: Rasmussen T, herigen Digital-Humanities-Forschungsinfrastrukturen zusammenführt, um Flæten J (Eds.). Preparing for Death, Remembering the Dead. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015: die Generierung von Wissen über Disziplinengrenzen hinweg voranzutreiben. 153–172.

Im ÖAW-Programm „Digital Humanities: Langzeitprojekte zum kulturellen Erbe“ setzt das ACDH-ÖAW Traditionsprojekte mit neuen technologischen Ansätzen fort. In Kooperation mit den ÖAW-Instituten INZ und ISR arbeitet das ACDH-ÖAW am Aufbau eines innovativen biographischen Informati- onssystems, in „exploreAT!“ wird eine internationale webbasierte Infrastruk- tur für nicht standardsprachliche Sprachressourcen entwickelt.

ÖAW INSTITUT FÜR KULTURGESCHICHTE DER ANTIKE – IKANT

DIE WISSENSCHAFTLICHE DURCHLEUCHTUNG DES ALTERTUMS

Das Institut für Kulturgeschichte der Antike (IKAnt) deckt ein weit gefasstes Forschungsspektrum innerhalb der Kulturgeschichte der Antike ab, das zeitlich einen Bogen von der Archaik bis in die byzantinische Zeit spannt und geographisch im gesamten Mittelmeerraum, in den römischen Donauprovinzen sowie in Iran, in Zentralasien und Nordwestindien angesiedelt ist. Im Zentrum der Forschung der beiden Institutsabteilungen (Documenta Antiqua und Monumenta Antiqua) stehen die Erfassung, Edition und analytische Auswertung von archäologischen, epigraphischen, literarischen, numismatischen sowie papyrologischen Quellen. Besondere Berücksichtigung finden hierbei kulturhistorische, politische, sozial- und wirtschaftsgeschichtliche sowie rechtshistorische Fragestellungen von überregionaler Reichweite. Zudem ist das Institut in internationale Langzeitprojekte zur systematischen Erschließung und Herausgabe antiken Quellenmaterials in Corpora, Katalogen und Datenbanken eingebunden und beteiligt sich damit an der Wahrung kulturellen Erbes.

HIGHLIGHTS 2015

Das Projekt „A Catalogue of Archaic Electrum Coinage“ im Rahmen des Lise- Meitner-Programms des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF wurde AUSGEWÄHLTE neu aufgenommen. Es untersucht in Kooperation mit der American Numis- PUBLIKATIONEN 2015 matic Society erstmals systematisch die frühesten Münzen der Mittelmeer- Filigenzi A. Art and Landscape. Buddhist Rock welt, die aus einer Gold-Silber-Legierung bestanden und ab dem 7. Jahrhun- Sculptures of Late Antique Swat/Uddiyana. Wien: dert v. Chr. in Kleinasien hergestellt wurden. Verlag der ÖAW, 2015.

Gugl C, Radbauer S, Kronberger M. Die Canabae von Einen neuen inhaltlichen Forschungsschwerpunkt stellt das Projekt „Deir Carnuntum II. Archäologische und GIS-analytische Auswertung der Oberflächensurveys 2009–2010. el-Bachît und das thebanische Pauloskloster“ dar. Im Zentrum der interdis- Wien: Verlag der ÖAW, 2015. ziplinären Studien stehen die archäologische Untersuchung der Sakraltopo- Pillinger R (Hg.). Neue Forschungen zum frühen graphie des oberägyptischen Klosters samt umliegender Eremitagen, sowie Christentum in den Balkanländern. Wien: Verlag der seine Organisation unter Einbeziehung von textlichen Urkunden. ÖAW, 2015.

Pülz A, Gassner V (Hg.). Der römische Limes Spannende Ergebnisse erzielten die vom FWF finanzierten Untersuchungen in Österreich. Führer zu den archäologischen Denkmälern. Wien: Verlag der ÖAW, 2015. zu den antiken Kult- und Weihedenkmälern des Umlands von Carnuntum und von Vindobona, wo durch die Kooperation mit Partnern aus der Geolo- Winter H, Woytek B (Hg.). Numismatik und Geldgeschichte im Zeitalter der Aufklärung. Beiträge gie ein seit Langem bestehendes Forschungsdesiderat nach der Bestimmung zum Symposium im Residenzschloss Dresden, 4.–9. lokaler Gesteinsmaterialien erfüllt wird. Mai 2009. Numismatische Zeitschrift 120/121. Wien: Selbstverlag der Österreichischen Numismatischen Gesellschaft, 2015. Mit Erfolg organisierte das IKAnt den Kongress „Ars Critica Numaria. Jo- seph Eckhel (1737‒1798) and the Development of Numismatic Method“. Im Rahmen eines FWF-Projekts zur Edition des Briefwechsels des „Vaters der wissenschaftlichen antiken Numismatik“ trugen 20 nationale und internatio- nale Spezialist/inn/en für die Geschichte der Geisteswissenschaften neueste Forschungserkenntnisse vor.

Bei der neunten Tagung des österreichischen Corpus Vasorum Antiquorum-Ar- beitskreises widmete sich der Hauptvortrag „Corpus Vasorum Antiquorum. A Future for Ideals of the Past?“ möglichen Perspektiven des unter der Patronanz der Union Académique Internationale stehenden, internationalen Kooperati- onsprojekts zur Erforschung und Publikation griechischer Keramik.

63 Foto: Klaus Pichler/ÖAW INSTITUT FÜR ORIENTALISCHE UND EUROPÄISCHE ARCHÄOLOGIE – OREA

MECHANISMEN UND ENTWICKLUNG FRÜHER MENSCHHEITSGESCHICHTE

Das Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA) deckt den Kulturraum prähistorischer und früher historischer Entwicklungen vom Orient bis Europa ab, der sich derzeit in den drei kulturellen Kernzonen der Abteilun- gen Europa, Ägypten & Levante sowie Ägäis & Anatolien widerspiegelt. Die häufig getrennt voneinander erforschten Räume Orient und Okzident werden in dem 2013 gegründeten Institut bewusst nicht als Kontrapunkte verschiede- ner Welten verstanden, sondern bilden vielmehr eine Klammer für entscheidende Kulturentwicklungen der Mensch- heitsgeschichte. Im Fokus ist der Zeithorizont vom Quartär vor rund 2,6 Millionen Jahren bis zur Transformation der Gesellschaften in historischen Epochen im 1. Jahrtausend v. Chr. Den Kern aller Forschungen am Institut bildet die grundlegende Auswertung und Interpretation früher Kulturen. Die zur Anwendung gebrachten Methoden umfassen archäologische Feldforschungen und Materialstudien, dazu kommen zahlreiche interdisziplinäre Kooperationen.

HIGHLIGHTS 2015

Katharina Rebay-Salisbury wurde für das Projekt „The Value of Mothers to Society: Responses to Motherhood and Child Rearing Practices in Prehistoric AUSGEWÄHLTE Europe“ ein ERC Starting Grant zuerkannt. PUBLIKATIONEN 2015

Alram-Stern E, Dousougli-Zachos A. Die deutschen Für das Forschungsvorhaben „The Hyksos Enigma“ erhielt w.M. Manfred Ausgrabungen 1941 auf der Visviki-Magula/Velestino. Bietak einen ERC Advanced Grant. Die neolithischen Befunde und Funde. Mit Beiträgen von M. Bergner, F. Bertsch, C. Dürauer, A. Galik, H. Kroll, A. Pentedeka, E. Pernicka, G. Schöbel, K. Eine neue Kooperation mit der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften Zachos. Bonn: Dr. Rudolf Habelt GmbH, 2015. zum bronzezeitlichen Goldbergwerk in Ada Tepe in den Zentralrhodopen in Czerny E. Tell el Dab‘a XXII, „Der Mund der beiden Bulgarien wurde im Rahmen eines FWF-Projekts gestartet. Wege“. Die Siedlung und der Tempelbezirk des Mittleren Reiches von Ezbet Ruschdi. Wien: Verlag der ÖAW, 2015. Die langjährigen Grabungen an der paläolithischen Fundstelle Krems-Wacht- Eder B, Pruzsinszky R (Hg.). Policies of Exchange: berg wurden 2015 abgeschlossen, die „Zwillinge vom Wachtberg“ werden Political Systems and Modes of Interaction in the nd als „Ausgrabung im Museum“ am Naturhistorischen Museum Wien mit mo- Aegean and the Near East in the 2 Millennium B.C.E., Proceedings of the International Symposion at dernsten Methoden untersucht. the University of Freiburg, Institute for Archaeological Studies, 30th May – 2nd June 2012. Wien: Verlag der ÖAW, 2015. Das Langzeitforschungsvorhaben „Urnfield Culture Networks“, das sich überregionalen Fragestellungen der späten Bronzezeit bzw. frühen Eisenzeit Horejs B, Milić B, Ostmann F, Thanheiser U, Weninger B, Galik A. The Aegean in the Early 7th in Zentral- und Südosteuropa widmet, wurde mit erfolgreicher Evaluierung Millennium BC: Maritime Networks and Colonization. am OREA etabliert. Journal of World Prehistory 2015; 28: 289–330. Neugebauer-Maresch C, Lenneis E. Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf. Wien: Verlag der ÖAW, 2015.

65 INSTITUT FÜR IRANISTIK – IFI

ERFORSCHUNG EINES TRADITIONSREICHEN UND DYNAMISCHEN KULTURRAUMS

Das Institut für Iranistik (IFI) ist eine auf philologisch-historische und kulturwissenschaftliche Themen ausgerichte- te Forschungseinrichtung. Es betreibt im europäischen Rahmen und mit internationaler Ausrichtung Forschungen zu iranisch geprägten Kulturen Asiens, zu iranisch-europäischen kulturellen Beziehungen und zur iranischen Sprachwis- senschaft. Dem zeitlichen Rahmen von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart kommt besonderes Gewicht zu. Im Fokus stehen der Iran und die heute offiziell persischsprachigen Länder Afghanistan und Tadschikistan sowie Kulturen und Gesellschaften des Kaukasus, Südasiens und Zentralasiens, die durch eine enge historische und kulturelle Verflechtung mit dem Iran geprägt sind. Ebenso erforscht werden iranische Diasporagemeinschaften in der ganzen Welt.

HIGHLIGHTS 2015

Mit dem Vortrag „Was China an Empire?“ wurde im Oktober die erste „JESHO (Journal of the Economic and Social History of the Orient)-Lecture AUSGEWÄHLTE on Asian History“ an der ÖAW veranstaltet. Sie bildete den Auftakt einer PUBLIKATIONEN 2015 jährlichen öffentlichen Vortragsreihe, die in Zusammenarbeit mit Brill Aca- Abdurasulov U. Two Facets of a Soviet Academic. demic Publishers (Leiden, Niederlande) realisiert wird. Journal for Iranian Studies 2015; 48/5: 785–804.

Barbati C. La documentation sogdienne chrétienne et Für neue Monographien in den Publikationsreihen „Veröffentlichungen zur le monastère de Bulayïq. In: Borbone PG, Marsone P. Iranistik“ und „Iranische Onomastik“ zeichneten neben Kolleg/inn/en der (éds.). Le christianisme syriaque en Asie centrale et en Chine. Paris: Geuthner, 2015: 89–120. internationalen Iranistik auch Mitarbeiter/innen des Instituts verantwort- lich. Eine dieser Arbeiten, Christine Noelle-Karimis „The Pearl in its Midst: Rota G. Real, Fake, or Megalomaniacs? Three Suspicious Ambassadors, 1450–1600. In: Eliav-Feldon th th Herat and the Mapping of Khurasan (15 –19 Centuries)“, wurde mit dem M, Herzig T (Eds.). Basingstoke: Palgrave Macmillan, iranischen „World Book Award“ ausgezeichnet. 2015: 165–183.

Sartori P, Shabley P. The Imperial Codification Project Das zweite Symposium „Sharia in the Russian Empire“ untersuchte Fragen and its Own Undoing: Custom and Sharia in the Qazaq Steppe. Ab Imperio 2015; 15/2: 63–105. zur rechtlichen und institutionellen Situation von Muslim/inn/en im Rus- sischen Reich des 19. Jahrhunderts. Die im November in Wien veranstaltete Wentker S. A Visit from the Shah. Vienna and the False Rūznāma of Naṣir-ad-Dīn Shah. In: Szanto I Konferenz mit zahlreichen Expert/inn/en konnte neue Akzente im internati- (Ed.). From Aṣl to Zā'id: Essays in Honour of Éva M. onalen und interdisziplinären Austausch zu dieser Thematik setzen. Jeremiás. Piliscsaba: The Avicenna Institute of Middle Eastern Studies, 2015: 301–321.

Seiner internationalen Reputation trugen das IFI und seine Forscher/innen auch 2015 Rechnung. IFI-Mitarbeiterin Justine Landau erhielt beispielsweise einen Ruf an die Harvard University, dem sie folgte.

ÖAW INSTITUT FÜR KULTUR- UND GEISTESGESCHICHTE ASIENS – IKGA

DIE KULTUREN ASIENS AUS IHRER GESCHICHTE VERSTEHEN

Das Institut für Kultur- und Geistesgeschichte Asiens (IKGA) bezieht sich auf ein Asien, das Ost-, Süd- und Zentralasi- en umfasst, und betreibt kultur- und ideengeschichtliche Forschungen in Buddhismuskunde, Indologie, Tibetologie, Sinologie und Japanologie. Die Forschung geht von Originalquellen in den jeweiligen Sprachen aus und verfolgt mit philologisch-historischen Methoden insbesondere Fragen in den Arbeitsfeldern Philosophie- und Religionsgeschichte, Religionshermeneutik, Begriffs- und Ideenforschung sowie Lexikographie. Neben der Ausarbeitung von Einzelstudien widmen sich Forschungsprojekte vor allem der Edition, Erschließung und historischen Kontextualisierung wichtiger Primärquellen sowie der Erstellung von Spezialwörterbüchern.

HIGHLIGHTS 2015

Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Visions of Community“ (VIS- COM) beteiligte sich das Institut an den zwei internationalen Symposien AUSGEWÄHLTE „Tantric Communities in Context: Sacred Secrets and Public Rituals“ im Fe- PUBLIKATIONEN 2015 bruar sowie „Making Ends Meet: Cross-Cultural Perspectives on the End of Deeg M, Scheid B (Eds.). Religion in China: Major Times in Medieval Christianity, Islam, and Buddhism“ im September 2015. Concepts and Minor Positions. Wien: Verlag der ÖAW, 2015.

Der Kooperationsvertrag zwischen dem China Tibetology Research Center in MacDonald A. In Clear Words. The Prasannapadā, Beijing und der ÖAW wurde für weitere drei Jahre verlängert. Auf Basis der Chapter One. Vol. I: Introduction, Manuscript Description, Sanskrit Text. Vol. II: Annotated über diese Kooperation erschlossenen Sanskrithandschriften aus Tibet wur- Translation, Tibetan Text. Wien: Verlag der ÖAW, den in der Reihe „Sanskrit Texts from the Tibetan Autonomous Region“ seit 2015. 2005 bereits 18 Editionsbände veröffentlicht, darunter zahlreiche bisher nicht McAllister P, Scherrer-Schaub C, Krasser H (Eds.). bekannte Werke. Cultural Flows across the Western Himalaya. Wien: Verlag der ÖAW, 2015.

K.M.I. Birgit Kellner wurde als neue Direktorin des IKGA berufen und leitet Pecchia C. Dharmakīrti on the Cessation of Suffering: A Critical Edition with Translation and Comments of seit 1. Dezember 2015 das Institut. Manorathanandinʼs Vṛtti and Vibhūticandra’s Glosses on Pramāṇavārttika II. Leiden: Brill, 2015: 190–216.

Das internationale Symposium „Mārga: Paths to Liberation in South Asian Silk JA, von Hinüber O, Eltschinger V (Eds.). Brill’s Buddhist Traditions“ fand im Dezember 2015 im Theatersaal der ÖAW statt. Encyclopedia of Buddhism. Volume One. Literature and Languages. Leiden: Brill, 2015. 17 Vortragende konnten für diese Veranstaltung gewonnen werden.

In der Vortragsreihe „Writing the Intellectual History of Asia: Concepts, Cur- rents, Conundrums“ wurden am IKGA von wissenschaftlichen Gästen zwölf Vorträge gehalten. Zusätzlich wurden sechs Workshops ausgerichtet.

67 INSTITUT FÜR SOZIALANTHROPOLOGIE – ISA

KONSENS UND KONFLIKT IN GEGENWART UND VERGANGENHEIT

Am Institut für Sozialanthropologie (ISA) forschen über 20 Mitarbeiter/innen aus dem In- und Ausland zum isla- mischen Nahen Osten, zu tibetisch- und mongolischsprachigen Räumen sowie zu Südostasien und zur Inselwelt im Indischen Ozean. Im Mittelpunkt steht das Thema „Konsens und Konflikt“ in Gegenwart und Vergangenheit, das pri- mär untersucht wird durch ethnographische Feldforschungen vor Ort in einheimischen Sprachen, aber auch durch die Bearbeitung historischer Quellen.

HIGHLIGHTS 2015

Das ISA fungierte als maßgeblicher Mitveranstalter von zwei internationa- len und interdisziplinären Großkonferenzen, die in Anwesenheit von Gästen AUSGEWÄHLTE aus aller Welt im Spätsommer 2015 jeweils im Festsaal der ÖAW eröffnet PUBLIKATIONEN 2015 wurden. Die „11th CHaGS“ (Conference on Hunting and Gathering Societies) Blaikie C. Wish-fulfilling jewel pills: Tibetan medicines war der Erforschung von Jagd- und Sammelwirtschaft betreibenden Gesell- from exclusivity to ubiquity. Anthropology and schaften in Vergangenheit und Gegenwart weltweit gewidmet, die achte Medicine 2015; 1: 7–22.

EuroSEAS-Konferenz der European Association for Southeast Asian Studies Gingrich A, Haas S (Eds.). Southwest Arabia across diente fachübergreifenden Untersuchungen zu den Kulturen und der Ge- History – Essays to the Memory of Walter Dostal. Wien: Verlag der ÖAW, 2015. schichte Südostasiens. Madhavan H. Traditional vs. non-traditional healing for minor and major morbidities in India: uses, Seit dem Ansteigen der Flüchtlingsströme aus Krisenregionen des Nahen cost and quality comparisons. Tropical Medicine & und Mittleren Ostens nach Mitteleuropa ab der Jahresmitte hat das ISA ent- International Health. 2015; 9: 1223–1238. sprechende Forschungs- und Veranstaltungsaktivitäten ins Leben gerufen Six-Hohenbalken M. Transnational Spaces between und vorangetrieben. Mitarbeiter/innen des ISA etablierten unter anderem Dersim and Vienna. In: Şeker G, Tilbe A, Okmen M, Yazgan P, Eroğlu D, Sirkeci I (Eds.). Turkish gemeinsam mit dem Institut für Stadt- und Regionalforschung der ÖAW ein Migration Conference 2015, Selected Proceedings. fach- und institutionenübergreifendes Netzwerk für Forschung und Dialog London: Transnational Press, 2015: 306–314. zur aktuellen Flüchtlingsthematik (ROR Network). Slama M, Munro J (Eds.). From „Stone-Age“ to „Real-Time”: Exploring Papuan Temporalities, Mobilities and Religiosities. Canberra: Australian Die Forschungsleistungen am ISA erfuhren Anerkennung durch mehrere National University Press, 2015. Preise. So wurde Maria Six-Hohenbalken mit dem „Best Paper Award“ der „International Turkish Studies“-Konferenz in Prag ausgezeichnet, ISA-Direk- tor w.M. Andre Gingrich wurde durch die Stadt Wien mit ihrem Preis für Geistes-, Kultur-, Sozial- und Rechtswissenschaften geehrt.

ÖAW INSTITUT FÜR MITTELALTERFORSCHUNG – IMAFO

DAS MITTELALTER ALS SCHLÜSSEL ZUR GEGENWART

Das Institut für Mittelalterforschung (IMAFO) verbindet zwei Forschungsstrategien. Erstens dient eine Vielzahl von Projekten der Erschließung und Aufbereitung des mittelalterlichen Erbes. Zu diesem Zweck werden Originalquellen im Druck oder elektronisch zugänglich gemacht und durch Lexika, Handbücher und Inhaltsangaben erschlossen. Historisch-philologische Quellenforschung bildet die Grundlage für themenorientierte Fragestellungen, zunehmend unter Einsatz von digitalen Methoden. Die zweite Forschungsstrategie ist die Behandlung aktueller Probleme der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage nach der Entwicklung ethnischer, politischer und religiöser Identitäten im mittelalterlichen Europa aus globaler Perspektive.

HIGHLIGHTS 2015

W.M. Claudia Rapp, Leiterin der Abteilung für Byzanzforschung am IMAFO und Vorständin des Instituts für Byzantinistik und Neogräzistik der Universi- AUSGEWÄHLTE tät Wien, erhielt den Wittgensteinpreis des FWF, den wichtigsten wissenschaft- PUBLIKATIONEN 2015 lichen Preis Österreichs. Das Preisgeld wird sie für das Fünfjahresprojekt „Mo- Diesenberger M. Predigt und Politik im bility, Microstructures and Personal Agency“ verwenden. frühmittelalterlichen Bayern. Arn von Salzburg, Karl der Große und die Salzburger Sermones-Sammlung. Berlin, Boston: De Gruyter, 2015. Seit Juli erscheint das halbjährliche Open-Access-Journal „Medieval Worlds“ (www.medievalworlds.net), dessen Startphase vom FWF gefördert wird. Erhart P, Heidecker K, Zeller B. Chartae Latinae Antiquiores 108 – Stiftsarchiv St. Gallen Bd. 9. Die Zeitschrift stellt die europäische Geschichte des Mittelalters in einen Dietikon-Zürich: Urs Graf, 2015. globalen Kontext. Gastgeber C, Kresten O. Das Chartular des Paulos Klosters am Berge Latros. Kritische Edition, Die zertifizierte „univie: Summer School Editions- und Regestentechnik“ Übersetzung, Kommentar und Indices. Wien: Verlag der ÖAW, 2015. vermittelte internationalen Studierenden Arbeitstechniken und Methoden, für welche die IMAFO-Abteilung „Editionsunternehmen und Quellenfor- Rhoby A (Ed.). Inscriptions in Byzantium and Beyond: Methods, Projects, Case Studies. Wien: Verlag der schung“ international anerkannt ist. ÖAW, 2015.

Theisen M. Die Vita des heiligen Wenzel. Vollständige Neben weiteren Kongressen und Workshops wurden die Konferenzen „Making Faksimile-Ausgabe der Handschrift Codex Ser. Ends Meet: Cross-Cultural Perspectives on the End of Times in Medieval Chris- nov. 2633 der Österreichischen Nationalbibliothek. Kommentar/Commentary. Graz: sADEVA, 2015. tianity, Islam, and Buddhism“, „Historiography and Identity in the New Europe, 1000–1300“ sowie eine internationale Tagung der Bearbeiter/innen von Hand- schriften mit mehr als 100 Teilnehmenden veranstaltet.

Die Finanzierung zahlreicher neuer Forschungsprojekte wurde bewilligt, darunter das im Rahmen des europäischen Marie-Skłodowska-Curie-For- schungsprogramms realisierte Projekt „Old and New“ über die gegenseitige Beeinflussung von Handschrift und Druck im frühneuzeitlichen Island, fer- ner das Forschungsvorhaben „Digitising Patterns of Power“ im Rahmen des „Digital Humanities“-Programms der ÖAW sowie das FWF-Projekt „Daily Life and Religion: Byzantine Prayer Books as Sources for Social History“.

69 INSTITUT FÜR NEUZEIT- UND ZEITGESCHICHTSFORSCHUNG – INZ

VON NEUZEITLICHEN MONARCHIEN BIS IN DIE GLOBALISIERTE GEGENWART

Aufgabe des Instituts für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung (INZ) ist die Grundlagenforschung zur Habsburgermonarchie und Republik Österreich, zur Nationalbiographie Österreichs und zur internationalen Geschichte. Zu den Langzeitprojekten des Instituts zählt die wissenschaftliche Herausgabe von Regierungsdokumenten wie den Ministerratsprotokollen der Monarchie 1848–1918 und der Republik Österreich, den „Außenpolitischen Dokumenten“, der Handbuchreihe „Die Habsburgermonarchie 1848–1918“, der „Grazer Nuntiaturberichte“ und des „Österreichischen Biographischen Lexikons 1815–1950“ gedruckt und online. Durch spezifische Forschungsprojekte wird die Sicht auf die Geschichte Österreichs im internationalen Kontext multiperspektivisch erweitert und vertieft.

HIGHLIGHTS 2015

Im April startete das im Rahmen des ÖAW-Programms „Digital Humanities: Langzeitprojekte zum kulturellen Erbe“ bewilligte Projekt „Mapping Histo- AUSGEWÄHLTE rical Networks: Building the New Austrian Prosopographical/Biographical PUBLIKATIONEN 2015 Information System“. Bei der im Oktober veranstalteten Kick-off-Konferenz Bruckmüller E, Gruber C (Hg.). Österreichisches „Europa baut auf Biographien“ diskutierten internationale Fachleute aus Biographisches Lexikon 1815–1950. Band 14: Stulli dem Bereich Biographik und Bibliothekswesen Normen und Standards im Luca – Tuma Karel (Lfg. 63–66). Wien: Verlag der ÖAW, 2015. Hinblick auf eine überregionale Nutzbarkeit großer Datenbestände, beleuch- teten die Perspektiven der Biographieforschung im digitalen Zeitalter und Gehler M. Modellfall für Deutschland? Die Österreichlösung mit Staatsvertrag und Neutralität das Potenzial der Visualisierung von Forschungsergebnissen. 1945–1955. Innsbruck, Wien, Bozen: Studienverlag, 2015.

Die erfolgreiche Einwerbung des FWF-Projekts „Between Sultan and Emper- Godsey WD. The Habsburg Empire during the or. Imperial Legacies, Religion, and Governance in Ottoman-Habsburg Bor- Napoleonic Wars and Congress of Vienna. In: Husslein-Arco A, Grabner S, Telesko W (Eds.). Europe derlands, 1800–1900“ ermöglicht die Untersuchung der Umgestaltung von in Vienna: The Congress of Vienna 1814/15. München: staatlichen und religiösen Herrschaftsstrukturen auf lokaler Ebene im habs- Hirmer, 2015: 28–35. burgisch-osmanischen Grenzgebiet im Laufe des 19. Jahrhunderts. Malfèr S. Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848–1867. Abteilung III: Das Ministerium Buol-Schauenstein Bd. 7 (4. Mai Mit dem siebten Band von „Abteilung III: Das Ministerium Buol-Schau- 1858–12. Mai 1859). Wien: Verlag der ÖAW, 2015. enstein 1858–1859“ wurde die Reihe der Edition der Protokolle des ös- Stekl H, Gruber C, Hye HP, Urbanitsch P (Hg.). terreichischen Ministerrats 1848–1867 in insgesamt 28 Bänden zu einem Österreich – was sonst? Ernst Bruckmüller zum 70. erfolgreichen Abschluss gebracht. Gleichzeitig erfolgte nach positiver in- Geburtstag. Wien: new academic press, 2015. ternationaler Evaluierung der Startschuss zur Folgereihe, der Edition der Protokolle des Ministerrats 1867–1918 in elf Bänden, finanziert zum Teil über Projektmittel des FWF.

Das aus einem mehrjährigen Forschungsprojekt und einer internationalen Konferenz hervorgegangene Handbuch „The Revolutions of 1989“ bietet Analysen über Ablauf, Hintergründe und Kontext dieses Epochenereignisses in Osteuropa und China und wurde im internationalen Peer-Review-Verfah- ren als „by far the best collective work on this subject“ ausgezeichnet.

Die internationale Tagung „Empires to be Remembered“ unternahm einen epochenübergreifenden Vergleich der Staatsformen und Strukturen zum Teil vergessener Imperien auf vier Kontinenten von der Antike bis zur Gegenwart.

ÖAW INSTITUT FÜR CORPUSLINGUISTIK UND TEXTTECHNOLOGIE – ICLTT

SPRACHLICHE FORMEN AUF DEM DIGITALEN SEZIERTISCH

Das Institut für Corpuslinguistik und Texttechnologie (ICLTT) erforscht im Paradigma der Digital Humanities um- fangreiche Textcorpora. Dabei werden die Entstehung und der Gebrauch von Wörtern und komplexen sprachlichen Ausdrücken in Texten, der historische Wandel von Bedeutungen und sprachlichen Formen sowie die Rezeption von Texten in interkulturellen Kontexten, einschließlich Übersetzungen, untersucht. Die texttechnologische Forschungs- arbeit ist der formalen Modellierung von Sprachprozessen und Sprachstrukturen und der Entwicklung integrierter Annotationsverfahren und anderer Texttechnologien gewidmet. Die corpus- und computerphilologische Forschung behandelt literatur- und kulturwissenschaftliche Themen sowie die Erstellung digitaler, auch multimedialer Editionen.

HIGHLIGHTS 2015

Das Twitter-Corpus „tweets made in Austria“ der Arbeitsgruppe „Large Cor- pora & Big Data“ besteht aus digital gesammelten Kurznachrichten, die aus AUSGEWÄHLTE Österreich gesendet wurden oder deren Verfasser/in einen Ort in Österreich in PUBLIKATIONEN 2015 den Twitter-Metadaten angegeben hat. Der aktuelle Umfang beträgt ca. zehn Bergermayer A, Hausner I, Linsberger A, Schuster Millionen Tweets pro Monat, die seit 2015 corpuslinguistisch aufbereitet und E, Wiesinger P (Redaktion). FamOs: Familiennamen digital für wissenschaftliche Untersuchungen zum Österreich-spezifischen Österreichs online (hw.oeaw.ac.at/famos). Wien: Verlag der ÖAW, 2015. Sprachgebrauch in den Social Media nutzbar gemacht werden. Dressler WU, Hliničanová M, Ďurčo M, Mörth K, Korecky-Kröll K. Phonotactic vs. morphonotactic Parallele Textcorpora stellen ein texttechnologisches Produkt dar, das die obstruent clusters in Slovak and German. Italian Möglichkeiten der Literatur- und Sprachwissenschaft vor allem im Bereich Journal of Linguistics 2015; 27/1: 45–60. des Sprachvergleichs stark erweitert. Als empirische Basis für Untersuchun- Glauninger MM. (Standard-)Deutsch in Österreich gen der lexikalischen Semantik mittels der Kookkurrenzanalyse dienen das im Kontext des gesamtdeutschen Sprachraums. Perspektiven einer funktional dimensionierten parallele Textcorpus zu F. M. Dostojewskis Roman „Der Idiot“, das im Rah- Sprachvariationstheorie. In: Lenz AN, Glauninger men des AAC-Austrian Academy Corpus erstellt wurde, sowie deutsch-rus- MM (Hg.). Standarddeutsch im 21. Jahrhundert. Theoretische und empirische Ansätze mit einem Fokus sische und russisch-deutsche parallele Texte des Russian National Corpus. auf Österreich. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015: 11–58.

Eine Gruppe junger Forscher/innen untersucht seit 2015 im ICLTT gemein- Lenz AN, Ahlers T, Werner M. Bairische Syntax im sam mit der Universität Wien das Werk der österreichischen Autorin Ilse Ai- Spannungsfeld regionaler und generationsspezifischer Variation – eine Pilotstudie. Zeitschrift für chinger erstmals mit digitalen Methoden unter dem Titel „:aichinger – Digi- Dialektologie und Linguistik 2015; 81/1: 1–33. tale vergleichende Literaturwissenschaft“. Schrödl C, Korecky-Kröll K, Dressler WU. Pluralmorphologie im österreichischen Deutsch: „Die, Should Sea Be Fallen In“ – Ein mehrsprachiges Übersetzungsprojekt Dialekt und Erstspracherwerb. In: Lenz AN, Ahlers T, Glauninger MM (Hg.). Dimensionen des Deutschen nach Elfriede Jelinek, „Die Schutzbefohlenen“, erarbeitet von Flüchtlingen, in Österreich. Variation und Varietäten im sozialen Übersetzer/inne/n und Künstler/inne/n, wurde im Rahmen des Workshops Kontext. Frankfurt a. M.: Peter Lang, 2015: 165–188. „Compare the Comparatists“ im Theatersaal der ÖAW auf die Bühne gebracht.

71 Foto: Stefan Oláh INSTITUT FÜR KULTURWISSENSCHAFTEN UND THEATERGESCHICHTE – IKT

GEDÄCHTNIS, IDENTITÄT UND WISSEN

Die transdisziplinären Forschungen am Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte (IKT) widmen sich einer zentralen Frage: Wie werden Gedächtnis, Identität und Wissen in komplexen sozialen und kulturellen Konstellationen durch Erzählung, Inszenierung und Übersetzung generiert, repräsentiert und kommuniziert? Die Kooperation von Forscher/inne/n aus unterschiedlichen Disziplinen – Geschichts-, Literatur-, Translations-, Politik- und Theaterwissenschaft – eröffnet neue Perspektiven für die Untersuchung gesellschaftsrelevanter kultureller Prozesse in Europa, insbesondere in Zentraleuropa, und darüber hinaus. Mit einem breiten Veranstaltungsprogramm trägt das IKT zudem maßgeblich zum Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit bei.

HIGHLIGHTS 2015

Im Zuge der internationalen Konferenz „Post-Empire. Habsburg-Zentral- europa und die Genealogien der Gegenwart“ wurde am Beispiel des Herr- AUSGEWÄHLTE schafts-, Erfahrungs- und Handlungsraumes Habsburg-Zentraleuropa das PUBLIKATIONEN 2015 Konzept „Empire“ weitergedacht und weiterentwickelt. Blume H, Leitgeb C, Rössner M (Eds.). Narrated Communities – Narrated Realities: Narration as In der Veranstaltungsserie „ernst mach forum. wissenschaft im dialog“ wur- cognitive process and cultural practice. Leiden: Brill/ Rodopi, 2015. den die Themen „Arbeit 4.0 – Wo bleibt der Mensch im Zeitalter der Auto- matisierung?“ und „Wer bestimmt, was Fortschritt ist? Neue Wege in eine Hecht DJ, Lappin-Eppel E, Raggam-Blesch M. Topographie der Shoah. Gedächtnisorte des zerstörten zukunftsfähige Welt“ beleuchtet. jüdischen Wien. Wien: Mandelbaum, 2015.

Mokre M. Solidarität als Übersetzung. Überlegungen Das EU-Projekt „Transnational Memory Work. Remembering Victims of the zum Refugee Protest Camp Vienna. Wien: transversal, Holocaust in Austria and Bosnia and Herzegovina“ führte zu einer Monogra- 2015. phie, einer Ausstellung sowie zu Abschlusspräsentationen der Forschungser- Radonic L. „People of freedom and unlimited gebnisse in Wien, Sarajevo, Tuzla und Banja Luka. movement“: Representations of Roma in Post- Communist Memorial Museums. Social Inclusion 2015; 3: 64–77. Das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren war Thema mehrerer Ge- Uhl H. Museums as Engines of Identity: „Vienna denkveranstaltungen und Projekte des IKT: Die Ausstellung „41 Tage. Ver- around 1900“ and Exhibitionary Cultures in Vienna – dichtung der Gewalt 1945“ in Wien und Graz dokumentierte die letzten ge- A Comment. Austrian History Yearbook 2015; 46: 97–105. waltsamen Wochen bis Kriegsende. Im Rahmen des Workshops „Biologische Versuchsanstalt (BVA). Geschichte und Gedächtnis“ fanden die Enthüllung einer Gedenktafel, die Aufstellung der Büste des BVA-Gründers Hans Przi- bram und die Eröffnung einer thematischen Ausstellung statt. Mit der Prä- sentation und Eröffnung des virtuellen Gedenkbuchs der Akademie wird der NS-Opfer unter den Wissenschaftler/inne/n gedacht.

Die Ergebnisse der Studie zum „Mythos Prinz Eugen“ wurden mit Vorträgen im In- und Ausland sowie im Rahmen der Ausstellung „Der Krieger, die Wit- we und ihr Sohn“ im niederösterreichischen Schloss Hof präsentiert.

73 INSTITUT FÜR KUNST- UND MUSIKHISTORISCHE FORSCHUNGEN – IKM

VON EINZIGARTIGEN KUNSTWERKEN, GROSSEN KOMPONISTEN UND LEGENDÄREN PERSÖNLICHKEITEN

Das Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen (IKM) widmet sich der Geschichte von bildender Kunst und Musik in Österreich und Zentraleuropa mit dem Fokus auf ihre europäische Vernetzung. Unter Wahrung der methodischen Kernkompetenzen beider Disziplinen bezieht das IKM sein Profil aus der Verbindung von fachspezifischen Projekten der Grundlagenforschung mit inter- und transdisziplinären Fragestellungen. Zu den wichtigsten Projekten zählen neben jenen zur Wiener Hofburg, zur Residenzforschung und zur mittelalterlichen Glasmalerei auch Gesamtausgaben und Dokumentationen zu bedeutenden Komponisten (Johann Joseph Fux, Franz Schubert, Johannes Brahms, Anton Bruckner und Anton Webern) sowie die Onlineversion des „Oesterreichischen Musiklexikons“. Neu als Schwerpunkte etablierte Forschungsvorhaben gelten den teilweise abteilungsübergreifenden Themenkreisen Repräsentationsforschung, Wissenschaftsgeschichte und Musikikonographie sowie der digitalen Musikwissenschaft.

HIGHLIGHTS 2015

Eine internationale Tagung widmete sich im Juni 2015 dem Thema „Die Repräsentation der habsburg-lothringischen Dynastie in Musik, visuellen AUSGEWÄHLTE Medien und Architektur, ca. 1618–1918“ mit Beiträgen aus den Disziplinen PUBLIKATIONEN 2015 Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Geschichte und Theatergeschichte. Boisits B. Briefe Guido Adlers über den zweiten und dritten Bayreuther Ring-Zyklus 1876. In: Bermbach Der Bestandsaufnahme und wissenschaftlichen Bearbeitung historischer Glas- U et al. (Hg.). wagnerspectrum. Schwerpunkt Rienzi. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2015; 2: fenster kommt aufgrund ihrer Gefährdung durch die Schadstoffbelastung der 149–177. Luft Dringlichkeit zu. Ein 2015 gestartetes Forschungsprojekt berücksichtigt Buchinger G, Oberhaidacher-Herzig E, Wais-Wolf C. neben mittelalterlichen Beständen erstmals auch Glasgemälde aus dem 19. Die mittelalterlichen Glasgemälde in Niederösterreich, Jahrhundert, da diese Kunstgattung ein unerwartetes Comeback erlebte. Corpus Vitrearum Medii Aevi, Österreich Band V, 1: Krenstetten bis Zwettl (ohne Sammlungen). Wien, Köln, Weimar: Böhlau-Verlag, 2015. Aus Anlass des 200-jährigen Jubiläums des Wiener Kongresses 1814/15 Kröpfl M, Obert S (Hg.). Der junge Webern. fand im Frühjahr 2015 die Ausstellung „Europa in Wien“ im Belvedere Wien Künstlerische Orientierungen in Wien nach 1900. statt. Diese umfangreiche Schau kam unter maßgeblicher Beteiligung von Wien: Lafite, 2015. w.M. Werner Telesko, Direktor des IKM, zustande, der als Kurator für Kon- Schwarz M (Hg.). Die Wiener Hofburg im Mittelalter. zept und Auswahl der Objekte gemeinsam mit dem Belvedere verantwort- Von der Kastellburg bis zu den Anfängen der Kaiserresidenz. Wien: Verlag der ÖAW, 2015. lich zeichnete. Tammen BR. Zur Wiener Prachthandschrift der Hochzeitsmotette „Gratia sola Dei“ (1568) von Vier Langzeitprojekte – zu Johann Joseph Fux, Franz Schubert, Johannes Orlando di Lasso. Eine Wiederentdeckung – und viele Brahms sowie das „Oesterreichische Musiklexikon“ – wurden einer interna- offene Fragen. Die Musikforschung 2015; 68: 1–21. tionalen Evaluierung unterzogen, die zur Empfehlung führte, diese editori- schen bzw. lexikographischen Unternehmungen über einen Zeitrahmen von zwölf Jahren fortzuführen.

Die Freischaltung des neu geschaffenen Internetportals www.bruckner-online.at sowie der strukturell-technisch aktualisierten und inhaltlich maßgeblich er- weiterten Datenbank www.schubert-online.at sorgte für nationale wie inter- nationale Medienresonanz.

ÖAW INSTITUT FÜR DEMOGRAPHIE – VID

VON ALTERUNG BIS MIGRATION: GESELLSCHAFTLICHE TRENDS ENTZIFFERT

Die Arbeitsschwerpunkte des Instituts für Demographie (Vienna Institute of Demography – VID) sind Forschungen und Prognosen zur Demographie Österreichs, Untersuchungen zu ökonomischen Folgen der Alterung von Gesellschaften sowie international vergleichende Demographie. Gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für demographische Forschung in Rostock betreibt das Institut die „Human Fertility Database“ und die „Human Fertility Collection“, die Beiträge für die internationale Fertilitätsforschung liefern. Das VID ist Teil des Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital, einer Kooperation von ÖAW, IIASA (Internationales Institut für Angewandte Systemanalyse, Laxenburg) und Wirtschaftsuniversität Wien.

HIGHLIGHTS 2015

Die internationale Jahreskonferenz des VID widmete sich dem Themenbe- reich „Education and Reproduction in Low-Fertility Settings“. In Koopera- AUSGEWÄHLTE tion mit dem Consortium Board des Generations and Gender Programme PUBLIKATIONEN 2015 organisierte das VID die internationale „3rd Generations and Gender User Kuhn M, Wrzarczek S, Prskawetz A, Feichtinger Conference“ zu den Themen Familiengründung, dem Leben mit Kindern G. Optimal Choice of Health and Retirement in a und dem Zusammenleben verschiedener Generationen. Über 100 Teilneh- Life-Cycle Model. Journal of Economic Theory 2015 (online); 158A: 186–212. mer/innen aus über 25 Ländern tauschten dabei neueste Erkenntnisse aus. Lutz W, Striessnig E. Demographic aspects of climate change mitigation and adaptation. Population Studies Im September feierte das Institut sein 40-jähriges Forschungsjubiläum mit ei- 2015; 69: 69–76. nem Festakt und Symposium unter dem Motto „Demography That Matters“. Luy M, Wegner-Siegmundt C, Wiedemann A, Spijker J. Life expectancy by education, income and occupation Maria Rita Testa erhielt die Venia Docendi in Demographie und Sozialstatis- in Germany: Estimations using the Longitudinal Survival Method. Comparative Population Studies tik von der Wirtschaftsuniversität Wien. Der Titel ihrer Habilitation lautet: 2015; 40: 399–436. „Multilevel Models in Demography“. Mynarska M, Matysiak A, Rybinska A, Tocchioni V, Vignoli D. Diverse paths into childlessness over the Im Oktober wurde eine Studie begonnen, die die soziodemographischen life course. Advances in Life Course Research 2015; 25: 35–48. Charakteristika der Flüchtlingspopulation, die in der zweiten Jahres- hälfte 2015 Österreich erreichte, untersucht. Sanderson WC, Scherbov S. Are we overly dependent on conventional dependency rations? Population and Development Review 2015; 41: 687–708. W.M. Alexia Fürnkranz-Prskawetz wurde im Dezember zum Mitglied der Nati- onalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina gewählt.

75 INSTITUT FÜR EUROPÄISCHES SCHADENERSATZRECHT – ESR

VERGLEICHENDE FORSCHUNGEN ZU FRAGEN DES SCHADENERSATZRECHTS

Das Institut für Europäisches Schadenersatzrecht (ESR), das von der ÖAW in Kooperation mit der Universität Graz betrieben wird, konzentriert sich auf die rechtsvergleichende Forschung zu Grundfragen des Schadenersatzrechts sowie der angrenzenden Rechtsgebiete. Soweit förderlich, werden interdisziplinäre Aspekte, wie etwa die ökonomische Analyse des Rechts, einbezogen.

HIGHLIGHTS 2015

Das gemeinsam mit dem European Centre of Tort and Insurance Law (EC- TIL) durchgeführte Projekt „European Tort Law“ widmet sich der grundle- AUSGEWÄHLTE genden Aufarbeitung aktueller Entwicklungen im europäischen Schadener- PUBLIKATIONEN 2015 satzrecht. Im Rahmen dieses Projekts wurden die „14th Annual Conference on Karner E, Koziol H. Zur Anwendbarkeit des UN- European Tort Law“ veranstaltet und das Jahrbuch European Tort Law 2014 Kaufrechts bei Werk- und Dienstleistungen. Am herausgegeben. Die maßgeblichen schadenersatzrechtlichen Entscheidungen Beispiel der Maschinen- und Industrieanlagen- lieferungsverträge. Wien: Jan Sramek Verlag, 2015. aus 29 europäischen Rechtsordnungen wurden überdies in der Datenbank „Eurotort“ in englischer Sprache erfasst und dadurch Forscher/inne/n in al- Karner E, Steininger B (Eds.). European Tort Law 2014. Berlin, Boston: De Gruyter, 2015. ler Welt zugänglich gemacht. Karner E, Steininger B. The Recovery of Non- Pecuniary Loss in Austrian Contract Law. In: Palmer Das „Journal of European Tort Law“ (JETL), das von ESR und ECTIL gemein- VV (Ed.). The Recovery of Non-Pecuniary Loss in sam im Peer-Review-Verfahren herausgegeben wird, bietet Raum für detail- European Contract Law. Cambridge UK: Cambridge University Press, 2015: 108–110 und elf weitere lierte rechtsvergleichende Analysen. 2015 befasste sich die Sonderausgabe Beiträge. des JETL mit dem höchst aktuellen Problemkreis „Atomised Losses in Tort Kodek GE (Ed.). Atomised Losses in Tort Law. Journal Law“, also der Frage, wie Streuschäden schadenersatzrechtlich bewältigt of European Tort Law (JETL) Vol. 6/2. Special Issue. werden können. Bei diesen wird zwar eine Vielzahl von Personen geschädigt, Berlin, Boston: De Gruyter, 2015. sodass oft ein enormer Gesamtschaden entsteht, der Schaden der Einzelnen Koziol H (Ed.). Comparative Stimulations for ist dabei aber so gering, dass für sie kein Anreiz besteht, einen Schadenersatz- Developing Tort Law. Wien: Jan Sramek Verlag, 2015. anspruch geltend zu machen.

Das ESR baute 2015 neben der andauernden Mitarbeit an der Überarbeitung der „Principles of European Tort Law“ seine Forschungsperspektive weiter aus. Die von ESR, ECTIL und dem Research Center for Civil and Commercial Jurispru- dence der Renmin University, Beijing, ins Leben gerufene World Tort Law Socie- ty veranstaltete 2015 ihre zweite internationale Tagung in Wien.

Im Rahmen des China-Schwerpunkts des ESR wurde in Kooperation mit der Universität Yantai eine rechtsvergleichende Analyse der Ziele des Schaden- ersatzrechts durchgeführt, die 2015 auch in eine Tagung in Wien mündete. Dieses Projekt befasst sich mit den Aufgaben des Schadenersatzrechts im chi- nesischen und europäischen Recht. Die Kenntnis der Funktionen ist für das tiefere Verständnis des Rechtsgebietes, die teleologische Auslegung, Analo- gieschlüsse sowie die Grenzziehung zu benachbarten Rechtsbereichen, aber auch für die rechtsvergleichende Arbeit unverzichtbar.

ÖAW INSTITUT FÜR INTERDISZIPLINÄRE GEBIRGSFORSCHUNG – IGF

GRUNDLAGEN FÜR EINE NACHHALTIGE REGIONALENTWICKLUNG

Das Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung (IGF) untersucht den globalen Wandel in den Gebirgsräumen der Erde und entwickelt Strategien nachhaltiger Regionalentwicklung. Die den Wandel steuernden Prozesse haben eine mittel- und langfristige Dimension. Das IGF verfügt über weltweit nutzbare Datenbanken, die diesen Wandel in Raum und Zeit darstellen, und zwar in den Bereichen Gletscher und Permafrost, Biodiversität, Naturgefahren, Landnutzung, Demographie (demographischer Wandel, Mobilität und Migration) und Sozioökonomie (Landwirtschaft, Tourismus, Urbanisierung). Diese Daten werden gesammelt, mithilfe von Szenarien und Modellen hypothesengestützt zu Aussagen über die Zukunft verdichtet und zur Grundlage der Entwicklung von Adaptionsstrategien weiterentwickelt.

HIGHLIGHTS 2015

Das EU-Projekt „WIKIAlps“ wurde erfolgreich abgeschlossen. Über die Er- gebnisse zur Raumentwicklung im Alpenraum wurde in verschiedenen Pu- AUSGEWÄHLTE blikationen berichtet. PUBLIKATIONEN 2015

Borsdorf A, Stadel C. The Andes. A Geographical Kay Helfricht erhielt für seine Forschungen zur Verbesserung der Nieder- Portrait. Heidelberg, New York, Dordrecht, London: schlagsmessungen im Hochgebirge den vom FWF ausgeschriebenen Gott- Springer, 2015. fried-und-Vera-Weiss-Preis. Fey C, Rutzinger M, Wichmann V, Prager C, Bremer M, Zangerl C. Deriving 3D displacement vectors from multi-temporal airborne laser scanning data Mit Beteiligung des IGF wurde der fünfte Alpenzustandsbericht der Alpen- for landslide activity analysis. GISscience & Remote konvention veröffentlicht. Sensing 2015; 52: 437–461.

Fischer A, Seiser B, Stocker-Waldhuber M, Mitterer Das Projekt „LEMONADE“ (Landslide Monitoring and Data Integration) wur- C, Abermann J. Tracing glacier changes in Austria from the Little Ice Age to the present using a lidar- de ebenso bewilligt wie das EU-Projekt „AlpES“ (Alpine Ecosystem Services). based high-resolution glacier inventory in Austria. Cryosphere 2015; 9: 753–766.

Mit „The Andes – A Geographical Portrait“ und „Impact of Global Changes Luetscher M, Boch R, Sodemann H, Spötl C, Cheng H, on Mountains“ erschienen zwei Buchpublikationen. Edwards R et al. North Atlantic storm track changes during the Last Glacial Maximum recorded by Alpine speleothems. Nature Communications 2015; 6: 1–6.

Pauli H, Gottfried M, Lamprecht A, Nießner S, Rumpf S, Winkler M et al. The GLORIA field manual – standard Multi-Summit approach, supplementary methods and extra approaches. Wien: GLORIA- Coordination, 2015.

77 INSTITUT FÜR STADT- UND REGIONALFORSCHUNG – ISR

STRUKTUREN UND DYNAMIKEN DER GEGENWARTSGESELLSCHAFT IN STADT UND LAND

Das Institut für Stadt- und Regionalforschung (ISR) befasst sich mit der Analyse von Strukturen und Dynamiken der Gegenwartsgesellschaft im urbanen und regionalen Kontext. Es analysiert dabei – und das unterscheidet das ISR von anderen, ausschließlich sozialwissenschaftlichen Instituten – Bevölkerung und Gesellschaft im Zusammenhang mit der natürlichen, der physisch-bebauten und der sozialen Umwelt. Die Forschung des ISR steht damit an der Schnittstelle von Sozial-, Umwelt- und Raumwissenschaften. Methoden der quantitativen und qualitativen Sozialforschung werden mit jenen der geographischen Datenanalyse kombiniert. Die Forschung ist multiperspektivisch und transdisziplinär.

HIGHLIGHTS 2015

Zuwanderung und Integration von Bevölkerungsgruppen sind, beispielswei- se am Wohn- und Arbeitsmarkt, niemals konfliktfreie Prozesse und werden AUSGEWÄHLTE von zahlreichen Vorurteilen begleitet. Mit empirischen Forschungen in Wien PUBLIKATIONEN 2015 konnte das ISR ein im Bereich des Wohnens gängiges Vorurteil widerlegen: Fassmann H, Rauhut D, Marques da Costa E, Die Ergebnisse zeigten, dass steigende Konfliktpotenziale in der Nachbar- Humer A. Services of General Interest and Territorial schaft keineswegs nur vom Anteil der Zugewanderten abhängen, sondern Cohesion – European Perspectives and National Insights. Göttingen, Wien: V&R Academic/Vienna von einem komplexen Geflecht an Faktoren, die unter anderem das soziale University Press, 2015. Milieu sowie physische Strukturen der Wohngebäude einschließen. Franz Y. Designing social living labs in urban research. info 2015; 17: 53–66. Wissenschaft benötigt Interaktion. In Wien ermöglichen die hohe Dichte Kapeller V, Huemer J. Aktuelle und zukünftige und die gute Erreichbarkeit einen intensiven Austausch unter Wissenschaft- Wohnbauentwicklung im Grenzgebiet Nordburgenland ler/inne/n. Aber wie kann eine weitere Standortpolitik im Detail aussehen? und Bratislava. Wien: Institut für Stadt- und Regionalforschung, 2015. Ist ein an einem Standort gebündelter Wissenschaftscluster vielen kleinen Clustern an mehreren Standorten vorzuziehen? Die Studie „Local Buzz in Kohlbacher J, Reeger U, Schnell P. Place Attachment and Social Ties – Migrants and Natives in Three der Wiener Forschung“ bot dazu am Beispiel der molekularbiologischen und Urban Settings in Vienna. Population Space and Place der informationstechnologischen Forschung in der Bundeshauptstadt empi- 2015; 21: 446–462. risch abgesicherte Antworten. Musil R, Eder J. Local Buzz in der Wiener Forschung. Wissensintensive Cluster zwischen lokaler Einbettung und internationaler Orientierung. Wien: Verlag der In den Sozialwissenschaften hat sich das Instrument der „Living Labs“ eta- ÖAW, 2015. bliert. Naturwissenschaftlichen Laboratorien nachempfunden, werden hier soziale Phänomene in einem kontrollierten Kontext analysiert und gleichzei- tig neue Instrumente der Steuerung von sozialen Prozessen getestet. Das ISR berichtete in mehreren Publikationen über Erfahrungen, die man beim Ein- satz von „Living Labs“ in einem vergleichenden europäischen Projekt über städtische Integrationsprozesse gewinnen konnte.

Die Grenzregion Nordburgenland und Bratislava weist im Hinblick auf Wirtschaft und Bevölkerung eine große Dynamik auf. Die Suburbanisierung Bratislavas macht dabei nicht vor der Staatsgrenze halt, sondern breitet sich seit einigen Jahren in das Nordburgenland aus. Die damit einhergehende Zu- nahme der Bautätigkeit in dieser Region und deren Auswirkungen waren Schwerpunkt des grenzüberschreitenden EU-Projekts „RegioGoes – Regio- nale Potentiale im Grenzgebiet Österreich-Slowakei“.

ÖAW INSTITUT FÜR VERGLEICHENDE MEDIEN- UND KOMMUNIKATIONSFORSCHUNG – CMC

FORSCHENDER BLICK AUF MEDIEN UND ÖFFENTLICHKEIT

Der rasante technologische Wandel verändert Gesellschaft und Öffentlichkeit. Das von der ÖAW und der Alpen-Adria- Universität Klagenfurt gemeinsam getragene Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung (Comparative Media and Communication Studies – CMC) untersucht daher sowohl die sich wandelnde Rolle der traditionellen Massenmedien und des professionellen Journalismus als auch die Auswirkungen des Internets und der neuen sozialen Online-Netzwerke auf Medienangebot, Kommunikationsverhalten und gesellschaftliches Engagement. Eng damit verbunden sind Fragen nach den daraus entstehenden Konsequenzen und Anforderungen an die Akteure in Politik und Medien, an neue Formen der Medienpolitik sowie der unternehmerischen und zivilgesellschaftlichen Verantwortung.

HIGHLIGHTS 2015

Die erste crossmediale Studie zur Qualität der tagesaktuellen Information in den österreichischen Medien rief nationales und internationales Echo hervor. AUSGEWÄHLTE Die Präsentation führte zu einer Einladung der International Communication PUBLIKATIONEN 2015 Association (ICA), anlässlich der Jahrestagung 2016 eine Preconference zum Eberwein T, Porlezza C, Splendore S. Media Thema zu organisieren. as political actors. In: Mazzoleni G (Ed.). The International Encyclopedia of Political Communication. Oxford, Malden: Wiley-Blackwell, Ein vom CMC koordiniertes Forschungsnetzwerk, an dem 33 europäische 2015: 703–711. und außereuropäische Partner beteiligt sind, brachte eine Vergleichsstudie Fengler S, Eberwein T, Bichler K, Karmasin M, zum internationalen Status quo der „Media Accountability“, der öffentlichen Alsius S, Baisnée O et al. How effective is media Verantwortlichkeit von Medien, zu einem erfolgreichen Abschluss. self-regulation? Results from a comparative survey of European journalists. European Journal of Communication 2015; 30: 249–266. Im Rahmen einer internationalen Tagung an der ÖAW, die Verbindungslini- Kosmützky A, Wöhlert R. International vergleichende en zwischen aktuellen medienethischen Fragestellungen und der Mediatisie- Forschung: Eine interdisziplinäre Metaanalyse rungsforschung auslotete, wurde das mit dem CMC kooperierende Interdis- disziplinärer Zugänge. SWS-Rundschau 2015; 55: 496–524. ciplinary Media Ethics Center als erstes österreichisches Zentrum seiner Art ins Leben gerufen. Seethaler J, Melischek G. Phases of mediatization: Empirical evidence from Austrian election campaigns since 1970. In: Strömbäck J, Esser F (Eds.). Making Das CMC baute seine internationalen Kooperationen weiter aus: Neben zwei sense of mediatized politics: Theoretical and empirical perspectives. London, New York: Routledge, 2015: Projekten, die sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit den jour- 114–134. nalistischen und ökonomischen Folgen des gegenwärtigen Medienwandels Seethaler J. Qualität des tagesaktuellen befassen, zeichnen Mitarbeiter/innen des Instituts im Auftrag der EU-Kom- Informationsangebots in den österreichischen Medien: mission für den österreichischen Beitrag zum jährlich erscheinenden „Media Eine crossmediale Untersuchung. Wien: RTR, 2015. Pluralism Monitor“ verantwortlich und arbeiten am Aufbau einer internatio- nalen Forschungsgruppe, die sich mit den Kulturen einer digitalen Medien- ethik auseinandersetzt.

Die Zusammenarbeit mit Ministerien wurde erfolgreich fortgesetzt: Die lang- jährige Kooperation mit dem Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, die sich in gemeinsamen Forschungsprojekten, Tagungen und Publika- tionen dokumentiert, feierte ihr zehnjähriges Jubiläum, und das BMWFW prä- sentierte im Rahmen seiner „Responsible Science“-Initiative den von CMC-Wis- senschaftler/inne/n erarbeiteten Bericht zu Wissenschaft und Öffentlichkeit.

79 CEMM – FORSCHUNGSZENTRUM FÜR MOLEKULARE MEDIZIN GMBH

ERKENNEN DER MOLEKULAREN URSACHEN MENSCHLICHER ERKRANKUNGEN

Das CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin GmbH ist ein interdisziplinäres Forschungsinstitut, angesiedelt am Campus der Medizinischen Universität Wien und des Allgemeinen Krankenhauses, Österreichs größtem Komplex für medizinische Forschung. Das CeMM verbindet Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung mit Wissen aus dem klinischen Alltag mit dem Ziel, eine vorbeugende und patientengerechtere Medizin des 21. Jahrhunderts zu gestalten. Die Forschungsinteressen konzentrieren sich auf Krebs, Entzündungs- und immunologische Erkrankungen sowie seltene und undiagnostizierte Krankheiten. Die Forschungsstrategie basiert auf dem Verständnis der molekularen Ursachen von Erkrankungen und der Wirkungsweise von Arzneistoffen sowie auf dem gezielten Einsatz und der Weiterentwicklung neuer Technologien (z. B. der Genomik). Das CeMM ist außerdem ein Trainings- und Lehrzentrum für eine neue Generation von Wissenschaftler/inne/n im Bereich der Molekular- und Präzisionsmedizin.

HIGHLIGHTS 2015

Eine Forschungsgruppe des CeMM entdeckte in internationaler Zusammen- arbeit einen bislang unbekannten Mechanismus, der bei viraler Hepatitis zu AUSGEWÄHLTE Leberschäden führt, und zeigte in Experimenten, wie man die Leberzellen PUBLIKATIONEN 2015 davor schützt. Bhattacharya A, Hegazy AN, Deigendesch N, Kosack L, Cupovic J, Kandasamy RK et al. Superoxide Erstmals konnte der Minimalsatz an Genen für das Überleben einer mensch- Dismutase 1 Protects Hepatocytes from Type I Interferon-Driven Oxidative Damage. Immunity 2015; lichen Zelle in einer Kollaboration des CeMM mit dem niederländischen 43: 974–986. Krebsinstitut NKI bestimmt werden: Nur etwa zehn Prozent der Gene Blomen VA, Májek P, Jae LT, Bigenzahn JW, sind unabdinglich. Nieuwenhuis J, Staring J et al. Gene essentiality and synthetic lethality in haploid human cells. Science 2015; 350: 1092–1096. Das weit verbreitete ChIP-Seq-Verfahren zur genomweiten Darstellung regu- lierter Gene konnten CeMM-Forscher/innen mit der sogenannten ChIPmenta- Dobbs K, Domínguez Conde C, Zhang SY, Parolini S, Audry M, Chou J et al. Inherited DOCK2 Deficiency tion-Methode entscheidend verbessern, beschleunigen und günstiger machen. in Patients with Early-Onset Invasive Infections. New England Journal of Medicine 2015; 372: 2409–2422.

Ein bisher unbekanntes, allgemeingültiges Organisationsprinzip der Zell- Köberlin MS, Snijder B, Heinz LX, Baumann CL, membran wurde am CeMM aufgeklärt und kann für die Prognose von Ent- Fauster A, Vladimer GI et al. A Conserved Circular Network of Coregulated Lipids Modulates Innate zündungsreaktionen eingesetzt werden. Immune Responses. Cell 2015; 162: 170–183.

Schmidl C, Rendeiro AF, Sheffield NC, Bock C. In einem Projekt zur Erforschung von seltenen Erkrankungen wurden die ChIPmentation: fast, robust, low-input ChIP-seq for genetische Ursache und der molekulare Mechanismus einer bislang unbe- histones and transcription factors. Nature Methods 2015 (online); 12: 963–965. kannten Immunschwäche aufgeklärt, bei der das Zellskelett von Immunzel- len betroffen ist.

ÖAW IMBA – INSTITUT FÜR MOLEKULARE BIOTECHNOLOGIE GMBH

VOM VERSTÄNDNIS MOLEKULARER PROZESSE ZU NEUEN DIAGNOSE- UND THERAPIEMÖGLICHKEITEN

Das IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie GmbH betreibt Grundlagenforschung in den Bereichen der Molekularbiologie und Biomedizin. Die Wissenschaftler/innen interessieren sich für molekulare Prozesse in Zellen und Organismen auf der Suche nach den fundamentalen Ursachen diverser Erkrankungen. Die Erkenntnisse der For- scher/innen am IMBA sind somit ein erster Schritt einer langfristigen Entwicklung, an deren Ende mögliche neue Diagnose- und Therapiemöglichkeiten stehen. Die Forschung konzentriert sich auf grundlegende Fragestellungen aus den Bereichen Stammzellbiologie, molekulare Krankheitsmodelle und Genetik, RNA-Biologie sowie Chromatindynamik und Zellbiologie.

HIGHLIGHTS 2015

Wissenschaftler/innen am IMBA, des Forschungsinstituts für Molekulare Pa- thologie (IMP) sowie der Harvard Medical School entdeckten gemeinsam den AUSGEWÄHLTE lange gesuchten Faktor CAF-1, der die Umwandlung von ausgereiften Zellen PUBLIKATIONEN 2015 in sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) verhindert. Cheloufi S, Elling U, Hopfgartner B, Jung YL, Murn J, Ninova M et al. The histone chaperone CAF-1 Wissenschaftler/innen am IMBA sowie Ärztinnen und Ärzte an der Medi- safeguards somatic cell identity. Nature 2015; 528: 218–224. zinischen Universität Innsbruck konnten erstmals bei einem Säugling die vollständige klinische und funktionelle Regeneration des Herzens nach ei- Haubner B, Schneider J, Schweigmann U, Schuetz T, Dichtl W, Velik-Salchner C et al. Functional Recovery nem akuten Infarkt beschreiben. Das Neugeborene hatte in der ersten Stun- of a Human Neonatal Heart After Severe Myocardial de seines Lebens einen massiven Herzinfarkt erlitten, erholte sich aber sehr Infarction. Circulation Research 2015 (online). schnell. Die Beschreibung erlaubt Rückschlüsse auf Regenerationsprozesse Mohn F, Handler D, Brennecke J. Noncoding RNA. nach einem Infarkt auch erwachsener Herzen. piRNA-guided slicing specifies transcripts for Zucchini-dependent, phased piRNA biogenesis. Science 2015; 348: 812–817. In den Genomen von Pilzen, Pflanzen und Tieren gibt es DNA-Abschnitte – so- Noto T, Kataoka K, Suhren J, Hayashi A, Woolcock K, genannte Transposons – die oft zu schädlichen Mutationen führen. Alle Lebe- Gorovsky M et al. Small-RNA-Mediated Genome-wide wesen entwickelten dagegen Schutzmechanismen wie den piRNA Signalweg. trans-Recognition Network in Tetrahymena DNA Elimination. Molecular Cell 2015; 59: 229–242. Wichtige Eigenschaften dieses Signalwegs konnten nun enthüllt werden. Reimão-Pinto M, Ignatova V, Burkard T, Hung J, Manzenreither R, Sowemimo I et al. Uridylation of Mit „Tailor” wurde ein substanzielles Enzym entdeckt, das die Produktion RNA Hairpins by Tailor Confines the Emergence of von kleinen RNAs in der Fruchtfliege Drosophila reguliert. In einer detail- MicroRNAs in Drosophila. Molecular Cell 2015; 59: 203–216. lierten molekularbiologischen Beschreibung dieses Enzyms konnte gezeigt werden, dass es Nukleotide an das Ende des RNA-Transkripts hängt, was Auswirkungen auf die Stabilität des Moleküls und auch auf dessen Weiter- verarbeitung hat.

IMBA-Forscher/innen wurden mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet. Da- niel Gerlich, Senior Scientist am IMBA, war beim „Life Sciences Call 2014“ des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) un- ter den Sieger/inne/n. IMBA Senior Scientist M.J.K. Julius Brennecke erhielt einen ERC Consolidator Grant, w.M. Jürgen Knoblich, der stellvertretende wissenschaftliche IMBA-Direktor, einen ERC Proof of Concept Grant.

81 Foto: Klaus Pichler/ÖAW GMI – GREGOR-MENDEL-INSTITUT FÜR MOLEKULARE PFLANZENBIOLOGIE GMBH

ORGANISMEN MIT PFLANZEN ENTSCHLÜSSELN

Das GMI – Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie GmbH ist eines der wenigen Grundlagen- forschungsinstitute weltweit, die sich mit der Pflanzenbiologie als integralem Bestandteil der Lebenswissenschaften beschäftigen. Nicht nur, dass Pflanzen von einzigartiger Wichtigkeit für das weltweite Ökosystem und die Hauptproduzenten von Biomasse sind, sie spielen auch eine zentrale Rolle als Modelle für das Verständnis von Organismen. Das GMI forscht dazu in einem breiten Spektrum, das von Umwelteinflüssen auf die Entwicklung der Pflanzen bis hin zu den Mechanismen der DNA-Replikation reicht.

HIGHLIGHTS 2015

K.M.I. Magnus Nordborg, wissenschaftlicher Direktor des GMI, wurde als einer von weltweit 58 Forscher/inne/n im Jahr 2015 zum Mitglied der Eu- AUSGEWÄHLTE ropean Molecular Biology Organization (EMBO) gewählt. Die Aufnahme ist PUBLIKATIONEN 2015 eine große Auszeichnung für Wissenschaftler/innen auf dem Gebiet der mo- Dubin M, Zhang P, Meng D, Remigereau M, lekularen Pflanzenbiologie. Osborne E, Paolo Casale F et al. DNA methylation in Arabidopsis has a genetic basis and shows evidence of local adaptation. eLife Journal 2015 (online); 4: Michael Nodine wurde für sein Projekt „Small RNA Regulation of the Body e05255. Plan in Arabidopsis Embryos“ mit einem ERC Starting Grant ausgezeichnet. Farlow A, Long H, Arnoux S, Sung W, Doak T, Nordborg M et al. The Spontaneous Mutation Rate in Frederic Berger wurde für seine Forschung auf dem Gebiet der Blütenevo- the Fission Yeast Schizosaccharomyces pombe. Genetics 2015; 201: 737–744. lution von ERA-CAPS, einem Zusammenschluss von Förderinstitutionen aus Österreich, Portugal, Großbritannien, Deutschland und den USA, ausge- Kawashima T, Berger F. The central cell nuclear position at the micropylar end is maintained by the zeichnet und wird für drei Jahre mit Fördermitteln unterstützt. balance of F-actin dynamics, but dispensable for karyogamy in Arabidopsis. Plant Reproduction 2015; 28: 103–110. Mit der Publikation „DNA methylation shows evidence of local adaptation“ gelang erstmals der Nachweis, dass es einen direkten Zusammenhang zwi- Kawashima T, Lorković Z, Nishihama R, Ishizaki K, Axelsson E, Yelagandula R et al. Diversification of schen der Anpassung einer Pflanze an ihre Umweltbedingungen und einer histone H2A variants during plant evolution. Trends spezifischen DNA-Modifikation gibt. in Plant Science 2015; 20: 419–425. Sasaki E, Zhang P, Atwell S, Meng D, Nordborg M. Der gemeinsam mit dem Botanischen Garten Wien organisierte „Fascination „Missing“ G x E Variation Controls Flowering Time in Arabidopsis thaliana. PLOS Genetics 2015 (online); of Plants Day 2015“ zum Thema „Das Unsichtbare sichtbar machen“ wurde 11: e1005597. unter großem Publikumsandrang veranstaltet.

83 JOHANN RADON INSTITUTE FOR COMPUTATIONAL AND APPLIED MATHEMATICS – RICAM

ANGEWANDTE MATHEMATIK FÜR VIELFÄLTIGE EINSATZBEREICHE

Das Johann Radon Institute for Computational and Applied Mathematics (RICAM) betreibt Grundlagenforschung in computergestützter und angewandter Mathematik. Für die Wahl der Forschungsthemen greift das RICAM neben Fragen der Mathematik auch auf Anregungen aus anderen Wissenschaftsgebieten und der Industrie zurück. Die anwendungsoffene Forschung am Institut ist in sieben Arbeitsgruppen organisiert und folgt dem theoriebasierten Forschungskonzept „Mathematische Modellierung & Simulation & Optimierung & Inverse Probleme + Transfer (M2SOI+T)“, in dessen Mittelpunkt Systeme von partiellen Differentialgleichungen und Integralgleichungen stehen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsgruppen sowie mit in- und ausländischen wissenschaftlichen Partnern ist Bestandteil aller Forschungsaktivitäten.

HIGHLIGHTS 2015

RICAM-Gruppenleiter Karl Kunisch wurde mit einem ERC Advanced Grant für sein Projekt „From Open to Closed Loop Control“ ausgezeichnet. Ziel der AUSGEWÄHLTE Forschungen sind unter anderem die Entwicklung effizienter Verfahren für PUBLIKATIONEN 2015 nichtglatte Optimalsteuerungsprobleme und die Lösung der Hamilton-Jacobi- Alla A, Falcone M, Kalise D. An efficient policy Bellman Gleichung. Mit der Förderung werden diesbezügliche Forschungen iteration algorithm for dynamic programming am RICAM und am Institut für Mathematik und Wissenschaftliches Rechnen equations. SIAM Journal on Scientific Computing 2015 (online); 37: 181–200. der Universität Graz unterstützt. Constantin A, Kalimeris K, Scherzer O. Approximations of steady periodic water waves in Das Lamellipodium ist eine flache Zellausstülpung, die kriechenden Zellen als flows with constant vorticity. Nonlinear Analysis-Real Fortbewegungsorgan dient. Die Mechanismen, die seiner flachen Form zugrun- World Applications 2015; 25: 276–306. de liegen, waren bisher unbekannt. In einer im „Journal of Theoretical Biology“ Engl HW, Ramlau R. Regularization of Inverse veröffentlichten Arbeit haben RICAM-Forscher/innen eine erste mögliche ma- Problems. In: Engquist B (Hg.). Encyclopedia of Applied and Computational Mathematics. Berlin: thematisch-theoretische Erklärung geliefert, die auf der Interaktion zwischen Springer, 2015: 1233–1241. Zytoskelettdynamik und der Verformung der Zellmembran beruht. Korneev VG, Langer U. Dirichlet-Dirichlet Domain Decomposition Methods for Elliptic Problems: h Integro-Differentialgleichungen und Randwertprobleme sind in Naturwis- and hp Finite Element Discretizations. New Jersey, London, Singapore: World Scientific Publishing senschaften, Technik und angewandter Mathematik allgegenwärtig. Im 2015 Company Incorporated, 2015. gestarteten FWF-Projekt „Algebra und Algorithmen für Integro-Differenti- Niederreiter H, Winterhof A. Applied number theory. algleichungen“ wird die algebraische Theorie solcher Gleichungen unter- Berlin: Springer, 2015. sucht und Software für Computeralgebrasysteme entwickelt. Schmeiser C, Winkler C. The flatness of Lamellipodia explained by the interaction between actin dynamics Das Nationale Forschungsnetzwerk NFN S117 „Geometry + Simulation“ wur- and membrane deformation. Journal of Theoretical Biology 2015; 380: 144–155. de nach Evaluierung durch den FWF um weitere vier Jahre verlängert. Ne- ben RICAM-Forscher/inne/n nehmen Wissenschaftler/innen der Johannes Kepler Universität Linz bzw. der Universität Bonn als Projektleitende teil.

Im Juli fand das internationale „10th IMACS Seminar on Monte Carlo Me- thods“ mit rund 150 Teilnehmer/inne/n unter Beteiligung des RICAM in Linz statt. Die Organisation der Konferenz ist Teil der Aktivitäten im Rahmen des vom FWF finanzierten Spezialforschungsbereichs „Quasi-Monte Carlo Methods: Theory and Applications“, von dem zwei Teilprojekte am RICAM durchgeführt werden.

ÖAW INSTITUT FÜR HOCHENERGIEPHYSIK – HEPHY

DIE ERFORSCHUNG DER BAUSTEINE DER MATERIE

Die Wissenschaftler/innen am Institut für Hochenergiephysik (HEPHY) untersuchen die Eigenschaften der fundamentalen Bausteine der Materie und deren Wechselwirkung. Mit dem Standardmodell der Teilchenphysik wurde eine sehr erfolgreiche Theorie entwickelt, die die derzeit bekannten Bausteine enthält und mit der man die Wechselwirkungen exakt beschreiben kann. Das Standardmodell kann jedoch nur eine vereinfachte Version einer umfassenderen Theorie sein, nach der aktuell gesucht wird. Die Experimente, an denen das HEPHY beteiligt ist, werden an den großen Teilchenphysikzentren weltweit durchgeführt: am CERN in Genf, am KEK-Teilchenphysiklabor im japanischen Tsukuba und am Gran-Sasso-Labor in Italien. Am Institut werden Detektoren und Algorithmen für diese Experimente entwickelt und gebaut, die gewonnenen Daten werden analysiert und für Publikationen aufbereitet. Unterstützt werden die experimentellen Aktivitäten des HEPHY von einer Theoriegruppe.

HIGHLIGHTS 2015

Das HEPHY ist am CMS-Experiment am Large Hadron Collider (LHC) des CERN beteiligt. Dieser nahm 2015 nach zweijähriger Unterbrechung den Be- AUSGEWÄHLTE trieb bei einer erhöhten Kollisionsenergie von 13 Tera-Elektronenvolt (TeV) PUBLIKATIONEN 2015 wieder auf. Huschle M, Kuhr T, Heck M, Goldenzweig P, Abdesselam A, Adachi I et al. Measurement of the (*) - (*) - Das Institut trägt die Gesamtverantwortung für die Entwicklung und den branching ratio of B -> D τ ντ relative to B -> D ℓ νℓ decays with hadronic tagging at Belle. Physical Review Bau des Siliziumstreifendetektors (SVD) des Belle-II-Experiments am KEK D 2015; 92: 072014. in Japan. Hier konnten 2015 die ersten Teile des Detektors erfolgreich fertig- Khachatryan V et al. (CMS Collaboration). 0 + - gestellt werden. Observation of the rare BS -> μ μ decay from the combined analysis of CMS and LHCb data. Nature 2015; 522: 68–72. Bei der Suche nach der dunklen Materie mit dem CREST-II-Experiment am Gran Sasso-Labor wurden zwar keine Hinweise auf diese beobachtet, im Be- Khachatryan V et al. (CMS Collaboration). Precise determination of the mass of the Higgs boson and tests reich niedriger Massen konnte allerdings das beste Limit für den Nachweis of compatibility of its couplings with the standard dunkler Materie gesetzt werden. model predictions using proton collisions at 7 and 8 TeV. European Physical Journal C 2015; 75: 212.

Im Juli 2015 fand erstmals die Konferenz der Europäischen Physikalischen Lucha W, Melikhov D, Simula S. Accurate decay- constant ratios fB* / fB and fBs* / fBs from Borel QCD Gesellschaft im Bereich „Teilchenphysik“ (EPS-HEP2015) mit über 700 Teil- sum rules. Physical Review D 2015; 91: 116009. nehmer/inne/n in Wien statt. Dabei wurden auch Resultate der neuen Ex- Pradler J, Pospelov M, Ritz A. Direct Detection perimentierphase des LHC zum ersten Mal gezeigt. Dem HEPHY oblag die Constraints on Dark Photon Dark Matter. Physics lokale Gesamtkoordination der Konferenz. Letters B 2015; 747: 331–338.

Mit Aktivitäten wie der Organisation der Teilchenphysik-Ausstellung „Spu- rensuche – Die Bausteine des Universums“ im EXPI Gotschuchen in Kärnten, „Physik zum Anfassen“ beim „Kindertag der Industrie“ und der Beteiligung als Aussteller beim „Wiener Forschungsfest“ kommunizierte das HEPHY ak- tuelle Forschungsergebnisse an eine breite Öffentlichkeit. Speziell das reich- haltige Outreach-Programm rund um die EPS-HEP2015-Konferenz weckte öffentliches Interesse an unterschiedlichsten Aspekten der Teilchenphysik, unter anderem mit der Ausstellung „Spurensuche“, Vorträgen und Diskus- sionen, der Filmvorführung „Particle Fever“, den Kunstausstellungen „Art@ CMS“ und „passionate about“ sowie dem Photoessay „Women in Physics in the Palestinian Territories“.

85 INSTITUT FÜR QUANTENOPTIK UND QUANTENINFORMATION – IQOQI INNSBRUCK

WEGWEISENDE ERKENNTNISSE AUS DER WELT DER QUANTEN

Das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Innsbruck (IQOQI Innsbruck) widmet sich der theoretischen und experimentellen Grundlagenforschung auf den Gebieten der Quantenoptik und Quanteninformation. Die Themen der Forschung reichen von den fundamentalen Grundlagen der Quantenphysik bis zu deren Anwendung, unter anderem für die Metrologie, die Sensorik und die Quanteninformationsverarbeitung. Das Institut ist eng mit der Universität Innsbruck verbunden und leistet durch die Ausbildung von Doktorand/inn/en und Masterstudent/inn/en einen wesentlichen Beitrag für die Lehre und zur nachhaltigen Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

HIGHLIGHTS 2015

Theoretiker des IQOQI haben einen Bauplan für einen skalierbaren Quan- tencomputer vorgeschlagen. Das von Wolfgang Lechner gemeinsam mit Phi- AUSGEWÄHLTE lipp Hauke und w.M. Peter Zoller entwickelte neue Modell beseitigt grund- PUBLIKATIONEN 2015 legende Einschränkungen der Programmierbarkeit bisheriger Ansätze und Cetina M, Jag M, Lous R, Walraven JT, Grimm R, öffnet den Weg zur Lösung allgemeiner Optimierungsprobleme mit Hilfe Christensen RS et al. Decoherence of Impurities in a der Quantenmechanik. Fermi Sea of Ultracold Atoms. Physical Review Letters 2015; 115: 135302.

Einen Vorschlag für die Kopplung eines mikromechanischen Oszillators Dalmonte M, Mirzaei S, Muppalla PR, Marcos D, Zoller P, Kirchmair G. Dipolar Spin Models with an einen supraleitenden Quantenschaltkreis präsentierten Physiker/innen Arrays of Superconducting . Physical Review B um Oriol Romero-Isart und Gerhard Kirchmair. Das Experiment soll neue 2015; 92: 174507. Einblicke in die Quanteneigenschaften von makroskopischen mechanischen Frisch A, Mark M, Aikawa K, Baier S, Grimm R, Systemen liefern. Petrov A et al. Ultracold polar molecules composed of strongly magnetic atoms. Physical Review Letters 2015; 115: 203201. Der Experimentalphysiker Ben P. Lanyon wurde mit dem START-Preis Jurcevic P, Hauke P, Maier C, Hempel C, Lanyon BP, des FWF, dem wichtigsten österreichischen Preis für Nachwuchswissen- Blatt R et al. Spectroscopy of interacting quasiparticles schaftler/innen, ausgezeichnet. in trapped ions. Physical Review Letters 2015; 115: 100501.

Der Experimentalphysiker w.M. Rainer Blatt wurde für seine herausragen- Lechner W, Hauke P, Zoller P. A quantum annealing architecture with all-to-all connectivity from local den Leistungen auf dem Gebiet der Quanteninformationsverarbeitung von interactions. Science Advances 2015; 1: 1500838. der Universität Toronto mit dem John-Stewart-Bell-Preis ausgezeichnet. Via G, Kirchmair G, Romero-Isart O. Strong Single- Photon Coupling in Superconducting Quantum Für hervorragende Forschungsleistungen auf dem Gebiet der ultrakalten Magnetomechanics. Physical Review Letters 2015; 114: 143602. Quantengase erhielt M.J.K. Francesca Ferlaino den Ignaz L. Lieben-Preis, die älteste und eine der renommiertesten Auszeichnungen der ÖAW.

ÖAW INSTITUT FÜR QUANTENOPTIK UND QUANTENINFORMATION – IQOQI WIEN

VON DEN GRUNDLAGEN DER QUANTENPHYSIK ZUR QUANTENTECHNOLOGIE DER ZUKUNFT

Das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Wien (IQOQI Wien) ist der Erweiterung des Wissens und der Vertiefung des menschlichen Verständnisses der Natur und ihrer Gesetze verpflichtet. Auch die Vision einer Quanteninformationstechnologie mit ihrer Vielzahl an neuen Anwendungsmöglichkeiten wird nachhaltig verfolgt. In diesem Sinne geht das IQOQI Wien mit einer informationstheoretischen Perspektive an Fragen der Physik heran, führt theoretische und experimentelle Forschung zu den Grundlagen der Quantenphysik und der Physik der Quanteninformation durch und entwickelt neue Quantentechnologien.

HIGHLIGHTS 2015

Forscher/innen des IQOQI erbrachten den theoretischen Nachweis, dass die Gravitations-Zeit-Dilatation in Systemen zur Dekohärenz von Quantensu- AUSGEWÄHLTE perpositionen führt. Die Arbeit wird seit ihrem Erscheinen in der Scientific PUBLIKATIONEN 2015 Community intensiv diskutiert. Giustina M, Versteegh MAM, Wengerowsky S, Handsteiner J, Hochrainer A, Phelan K, Zeilinger A et In Zusammenarbeit mit einem internationalen Konsortium gelang es, so- al. Significant-loophole-free test of Bell's theorem with entangled photons. Physical Review Letters 2015; 115: genannte „Loopholes“ in der experimentellen Überprüfung der Verschrän- 250401. kung von Teilchen mit einem Experiment im Untergeschoß der Wiener Hof- Herbst T, Scheidl T, Fink M, Handsteiner J, burg zu schließen. Wittmann B, Ursin R, Zeilinger A et.al. Teleportation of entanglement over 143 km. PNAS 2015; 112: 14202–14205. Einzelphotonendetektoren spielen bei der Technologienentwicklung eines breiten Spektrums von Anwendungen eine zentrale Rolle. Mit der Entwick- Pikovski I, Zych M, Costa FM, Brukner Č. Universal decoherence due to gravitational time dilation. Nature lung einer einfachen und präzisen Methode zur Kalkulation der Dunkelzähl- Physics 2015; 11: 668–672. rate, der Detektionseffizienz und der Nachimpulse wurde eine vollständige Procopio LM, Moqanaki A, Araújo M, Costa Charakterisierung von Einzelphoton-Detektoren erstmals vorgestellt. FM, Calafell IA, Dowd EG et al. Experimental Superposition of Orders of Quantum Gates. Nature Communications 2015; 6: 7913. Der mit einem START-Preis des FWF ans IQOQI Wien zurückgekehrte Quan- teninformationstheoretiker Marcus Huber untersucht in seinem Forschungs- Krenn M, Handsteiner J, Fink M, Fickler R, Zeilinger A. Twisted photon entanglement through turbulent air programm den Zusammenhang von Quanteneffekten mit Phänomenen der across Vienna. PNAS 2015; 112: 14197–14201. Thermodynamik und erarbeitet neue Methoden der Informationsverarbei- tung mit Hilfe von Quanteneffekten, die in zukünftigen Quantencomputern, aber auch in smarten Nanomaschinen Anwendung finden können.

Mit Miguel Navascués konnte ein herausragender junger Quantentheore- tiker als neuer Juniorgruppenleiter gewonnen werden. Sein bisher größter Forschungserfolg liegt in der Entwicklung der sogenannten Navascués-Piro- nio-Acin-Hierarchie semidefiniter Programme, die die Gruppe der Quanten- korrelationen charakterisieren.

87 Foto: Klaus Pichler/ÖAW STEFAN-MEYER-INSTITUT FÜR SUBATOMARE PHYSIK – SMI

DIE ERGRÜNDUNG FUNDAMENTALER MECHANISMEN DES UNIVERSUMS

Das Stefan-Meyer-Institut für subatomare Physik (SMI) widmet sich grundlegenden Fragen der Teilchenphysik. In Präzisionsexperimenten bei niedrigen Energien wird mit Antiwasserstoff am CERN (Schweiz) die Materie-Antimaterie- Symmetrie untersucht, mit einem Experiment im Untergrundlabor Gran Sasso (Italien) die Gültigkeit des Pauli-Prinzips überprüft und durch das Studium des Neutronenzerfalls am ILL (Frankreich) und FRM-II (Deutschland) die schwache Wechselwirkung erforscht. Die starke Wechselwirkung bei niedrigen Energien, die Einblicke in die Entstehung der Masse der beobachtbaren, aus Quarks bestehenden Elementarteilchen namens Hadronen gibt, wird mithilfe von künstlich erzeugten, sogenannten exotischen Atomen am LN Frascati (Italien) und J-PARC (Japan) untersucht. Die Entstehung und die Struktur der Hadronen wird bei höheren Energien bei BELLE am KEK (Japan), ALICE am CERN sowie in Zukunft mit Antiprotonen im PANDA-Experiment bei FAIR (Deutschland) erforscht.

HIGHLIGHTS 2015

Über die neue „New Frontiers Group“ „Studying the Quark-Gluon Plasma via Low-Mass Dielectrons“ ist das SMI Mitglied der ALICE-Kollaboration am AUSGEWÄHLTE CERN. Im Mittelpunkt der Aktivitäten am SMI stehen, neben der Beteiligung PUBLIKATIONEN 2015 an der Detektorenentwicklung, die Untersuchung der starken Wechselwir- Adam J et al. (ALICE collaboration). Pseudorapidity kung mithilfe von Elektron-Positron-Paaren in ultrarelativistischen Schwer- and transverse-momentum distributions of charged ionenkollisionen und die Teilchenproduktion in Proton-Proton-Kollisionen. particles in proton-proton collisions at √ s=13 TeV. Physics Letters B 2015; 753: 319–329.

Durch genaue Messungen des Neutronenzerfalls kann nach einer Physik jen- Aghion S, Amsler C, Ariga A, Ariga T, Belov A, Bonomi G et al. Positron bunching and electrostatic seits des Standardmodells gesucht werden. Seit Juni 2015 beschäftigt sich die transport system for the production and emission „New Frontiers Group“ „NoMoS – Beyond the Standard Model Physics in of dense positronium clouds into vacuum. Nuclear Instruments & Methods in Physics Research Section Neutron Decay“ mit dem Zerfall freier Neutronen; das SMI ist seither Mit- B: Beam Interactions with Materials and Atoms 2015; glied weiterer internationaler Kollaborationen. 362: 86–92. Hashimoto T, Ajimura S, Beer G, Bhang H, In Experimenten zur Untersuchung der Materie-Antimaterie-Symmetrie mit Bragadireanu M, Busso L et al. Search for the deeply bound K- pp state from the semi-inclusive forward- Antiwasserstoff am CERN wurden große Fortschritte erzielt. In der Kolla- neutron spectrum in the in-flight K- reaction on boration AEgIS ist die zur Erzeugung von Antiwasserstoff nötige starke An- helium-3. Progress of Theoretical Physics 2015; 6: 061D01. regung von Positronium gelungen, bei ASACUSA konnte die Funktion des Messprinzips für Antiwasserstoff bestätigt werden. Lundmark R, Malbrunot C, Nagata Y, Radics B, Sauerzopf C, Widmann E. Towards a precise measurement of the antihydrogen ground state Im Herbst startete an der japanischen J-PARC-Anlage eine neue E15-Experi- hyperfine splitting in a beam: the case of in-flight radiative decays. Journal of Physics B-Atomic mentierphase. E15 sucht nach exotischen gebundenen Zuständen von Kaonen, Molecular and Optical Physics 2015; 48: 184001. den leichtesten Elementarteilchen, die ein „Strange Quark“ enthalten, mit zwei Widmann E, Marton J, Zmeskal J, Bühler P, Suzuki Protonen. Eine erste Analyse von Daten konnte 2015 veröffentlicht werden. K (Eds.). Proceedings of the International Conference on Exotic Atoms and Related Topics (EXA 2014), Vienna, Austria, 15–19 September 2014, PART I/II. Das Institut für Radiumforschung, das Vorgängerinstitut des SMI, wurde im Heidelberg: Springer, 2015. Mai 2015 mit dem Titel „EPS Historic Site“ der European Physical Society aus- gezeichnet. Gefeiert wurde dies durch die Enthüllung einer Gedenktafel am Institutsgebäude in der Wiener Boltzmanngasse sowie mit einem Festsympo- sium an der Akademie. Am Tag darauf wurden mit einem Symposium die ersten zehn Jahre des Stefan-Meyer-Instituts gewürdigt.

89 Foto: Klaus Pichler/ÖAW ÖAW INSTITUT FÜR SCHALLFORSCHUNG – ISF

ENTSTEHUNG, AUSBREITUNG UND WAHRNEHMUNG VON SCHALL

Das Institut für Schallforschung (ISF) betreibt anwendungsoffene Grundlagenforschung im Bereich der Akustik. Es handelt sich um ein interdisziplinäres Forschungsgebiet, das Erkenntnisse zahlreicher Fachrichtungen wie der Physik, Psychologie, Phonetik, Nachrichtentechnik und Mathematik in sich vereint. Viele wissenschaftliche Fragestellungen behandeln die Entstehung, Ausbreitung und Wahrnehmung von Schall. Um präzise akustische Modelle erstellen zu können, ist die Einbindung anwendungsorientierter und numerischer Mathematik und Signalverarbeitung essentiell. Der fächerübergreifende Ansatz des Instituts erlaubt die Entwicklung von Innovationen basierend auf Synergieeffekten der multidisziplinären Forschung, die wiederum die individuellen Forschungsgebiete stimulieren. Methoden, die durch Grundlagenforschung entwickelt wurden, werden zudem direkt in Softwareentwicklungen für die Praxis umgesetzt.

HIGHLIGHTS 2015

Die Arbeitsgruppe „Akustische Phonetik“ veröffentlichte erstmals eine um- fassende phonetische und phonologische Beschreibung der österreichischen AUSGEWÄHLTE Standardaussprache. Die Beschreibung beinhaltet das Konsonanten-, Vokal- PUBLIKATIONEN 2015 und Diphthongsystem, eine Darstellung der Intonation und des Wortakzents Abreu L, Balazs P, de Gosson M, Mouayn Z. Discrete sowie einen Überblick über die wichtigsten phonologischen Prozesse. coherent states for higher Landau levels. Annals of Physics 2015; 363: 337–353.

Nachwuchswissenschaftler Robert Baumgartner wurde für seine Disserta- Balazs P, Stoeva DT. Representation of the inverse of tion mit dem „Award of Excellence 2016“-Staatspreis ausgezeichnet. Mit sei- a frame multiplier. Journal of Mathematical Analysis and Applications 2015; 422: 981–994. nem Projekt „SpExCue“ erhielt er ein Erwin-Schrödinger-Auslandsstipendi- um des FWF, das ihm weitere Forschungen am Hearing Research Center der Chardon G, Kreuzer W, Noisternig M. Design of Spatial Microphone Arrays for Sound Field Boston University ermöglicht. Interpolation. IEEE Journal of Selected Topics in Signal Processing 2015; 9: 780–790.

Eine Analogie zwischen Musik und Physik inspirierte Mathematiker am ISF Marelli D, Baumgartner R, Majdak P. Efficient zu der im Journal „Annals of Physics“ erschienenen Arbeit „Discrete coherent Approximation of Head-Related Transfer Functions in Subbands for Accurate Sound Localization. states for higher Landau levels“. Sie zeigten darin, dass mathematische Grund- IEEE Transactions on Audio Speech and Language lagen, die in der Akustik für die gleichzeitige Verarbeitung mehrerer Audiosig- Processing 2015; 23: 1130–1143. nale verwendet werden, auch in der Quantenmechanik eingesetzt werden kön- Moosmüller S, Schmid C, Brandstätter J. Standard nen, um Modelle aus Elektronen mit verschiedenen Schichten zu behandeln. Austrian German. Journal of the International Phonetic Association 2015; 45: 339–348.

In welchem Format ein voller Raumklang gespeichert und für das 3-D-Hö- ren mit Kopfhörern optimal aufbereitet werden kann, erforschte die Arbeits- gruppe „Psychoakustik und experimentelle Audiologie“ gemeinsam mit dem Pariser Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique. Das Ergebnis ist ein neues Dateiformat, das von der Audio-Engineering Society als Standard publiziert wurde.

Anlässlich des „Internationalen Tags gegen Lärm“ bot das ISF Information und Unterhaltung, um zur Sensibilisierung der Bevölkerung beizutragen. Die Arbeitsgruppe „Physikalische und numerische Akustik“ machte Aspekte wie Entstehung, Wahrnehmung und Reduktion von Lärm erfahrbar.

91 INSTITUT FÜR WELTRAUMFORSCHUNG – IWF

FORSCHENDE BLICKE UND SCHRITTE ZU DEN STERNEN

Das Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) beschäftigt sich seit über 40 Jahren mit der Physik und der Erforschung des Sonnensystems auf Grundlage von Messungen „vor Ort“. Das IWF entwickelt und baut weltraumtaugliche Geräte, deren Messungen am Institut wissenschaftlich analysiert und physikalisch interpretiert werden. Die Schwerpunkte sind der Bau von Magnetometern und Bordcomputern sowie die Laserdistanzmessung zu Satelliten. Die wissenschaftliche Datenauswertung dient vor allem der Untersuchung dynamischer Prozesse in der Weltraumplasmaphysik, der Erforschung der oberen Atmosphäre von Planeten und Exoplaneten sowie der Analyse des Schwerefelds von Erde und Mond. Derzeit ist das IWF an 18 Weltraummissionen beteiligt, die von der Europäischen Weltraumorganisation ESA, der NASA und nationalen Weltraumagenturen in Japan, Russland und China geflogen oder entwickelt werden. Die Missionen reichen von Satellitenflotten im erdnahen Weltraum über die Sonnenbeobachtung und Erforschung von Planeten wie Merkur, Mars, Jupiter, Saturn und extrasolaren Planeten bis zur Landung auf Kometen. Vom Bau der Instrumente bis zur Auswertung der Daten beträgt die Projektlaufzeit zehn bis 30 Jahre.

HIGHLIGHTS 2015

Die NASA-Mission „Magnetospheric Multiscale“ startete 2015 erfolgreich in den Weltraum. Vier Satelliten führen dabei dreidimensionale Messungen in AUSGEWÄHLTE der magnetischen Schutzhülle der Erde durch und untersuchen einen wichti- PUBLIKATIONEN 2015 gen Energieumwandlungsprozess, die sogenannte „magnetische Rekonnexi- Auster H-U, Apathy I, Berghofer G, Fornacon K-H, on“. Das IWF ist der größte nicht amerikanische Partner. Remizov A, Carr C et al. The nonmagnetic nucleus of comet 67P/Churyumov-Gerasimenko. Science 2015; 349: aaa5102. Zur ESA-Mission „Rosetta/Philae“ sind in der Fachzeitschrift „Science“ drei Artikel unter der Koautorenschaft von IWF-Mitarbeiter/inne/n erschienen. Biele J, Ulamec S, Maibaum M, Roll R, Witte L, Jurado E et al. The landing(s) of Philae and inferences Sie berichten, dass der Kern des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko about comet surface mechanical properties. Science nicht magnetisch ist und die Kometenoberfläche von einer ca. –160 °C kalten 2015; 349: aaa9816. und unerwartet festen Schicht bedeckt ist. Kislyakova KG, Fossati L, Johnstone CP, Holmström M, Zaitsev VV, Lammer H. Stellar wind induced soft X-ray emission from close-in exoplanets. Astrophysical In einer „Nature“-Studie geht ein internationales Team unter IWF-Leitung Journal Letters 2015; 799: L15. der Entstehung und Entwicklung von Sonnenstürmen auf den Grund, um Möstl Ch, Rollett T, Frahm RA, Liu YD, Long DM, diese künftig besser vorhersagen zu können. Dazu wurden Daten von sieben Colaninno RC et al. Strong coronal channelling and Raumsonden herangezogen, die die Sonnenkorona, den Sonnenwind und interplanetary evolution of a solar storm up to Earth and Mars. Nature Communications 2015; 6: 7135. Strahlungswerte von der Oberfläche des Mars zeigen. Spohn T, Knollenberg J, Ball AJ, Banaszkiewicz M, Benkhoff J, Grott M et al. Thermal and mechanical Erstmals wurde die sekundäre Röntgenstrahlung, die durch den Ladungs- properties of the near-surface layers of comet 67P/ austausch zwischen dem Sternenwind und Atmosphärenteilchen entsteht, Churyumov-Gerasimenko. Science 2015; 349: aaa0464. für Exoplaneten auf engen Bahnen abgeschätzt. Dabei entdeckte man, dass die emittierte Strahlung von heißen Jupitern eine Million Mal stärker ist als jene, die von Jupiters Aurora produziert wird.

Im Rahmen der Grazer Frühjahrsmesse fand das Symposium „Space Techno- logy 2015“ statt, die Ausstellung „Faszination Raumfahrt“ lockte dabei über 4.000 Besucher/innen an. Das IWF war mit Exponaten zu den Missionen „Bepi- Colombo“, „COROT“, „Venus Express“, „MMS“ und „Rosetta“ vertreten.

ÖAW ERICH-SCHMID-INSTITUT FÜR MATERIALWISSENSCHAFT – ESI

ANALYSE DER MECHANISCHEN EIGENSCHAFTEN VON MATERIALIEN

Ziel des Erich-Schmid-Instituts für Materialwissenschaft (ESI) gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Materialphysik der Montanuniversität Leoben ist, innovative Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Materialwissenschaft zu betreiben. Das Institut legt seinen Fokus auf Forschung im Bereich mechanischer Eigenschaften. Diese sind nicht nur für Strukturwerkstoffe in allen Bereichen unseres Lebens, sondern auch für Funktionswerkstoffe wie Halbleiter, Solarzellen oder Batterien, für die immer eine gewisse mechanische Stabilität erforderlich ist ,wichtig.

HIGHLIGHTS 2015

Im Oktober trat mit Jürgen Eckert ein Experte der Materialphysik die neue Leitung des Instituts an. Der frühere Direktor des Instituts für Komplexe Ma- AUSGEWÄHLTE terialien am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dres- PUBLIKATIONEN 2015 den wird sich mit der Erforschung metastabiler Materialien befassen, die in Hohenwarter A, Pippan R. Fracture and fracture Transport- und Energiesystemen, aber auch in der Medizin- und Kommu- toughness of nanopolycrystalline metals produced by nikationstechnik zur Anwendung kommen – Schwerpunkte, die eine ideale severe plastic deformation. Philosophical Transactions of the Royal Society A: Mathematical Physical and Ergänzung der derzeit am ESI betriebenen Arbeitsthemen darstellen. Engineering Sciences 2015; 373: 20140366.

Ochensberger W, Kolednik O. Physically appropriate th Beim „10 Meeting of ESIS-TC2 on Micromechanisms“ der European Struc- characterization of fatigue crack propagation rate in tural and Integrity Society, das Mikromechanismen des Bruchs behandelte, elastic-plastic materials using the integral concept. International Journal of Fracture 2015; 192: 25–45. konnte das ESI im April Dutzende Teilnehmer/innen aus zwölf europäischen Ländern begrüßen. Im Rahmen von drei Sessions zu den Themenbereichen Schuh B, Mendez-Martin F, Völker B, George EP, Clemens H, Pippan R et al. Mechanical Ermüdung, Modellierung und neue Materialien sowie Nanomaterialien und properties, microstructure and thermal stability of a atomistisches Modellieren wurden die neuesten Trends zur Beschreibung nanocrystalline CoCrFeMnNi high-entropy alloy after severe plastic deformation. Acta Materialia 2015; 96: und Vorhersage von Materialversagen diskutiert. 258–268.

Wang Z, Qu RT, Scudino S, Sun BA, Prashanth KG, Junge Wissenschaftler/innen des ESI wurden auch 2015 mit bedeutenden Louzguine-Luzgin DV et al. Hybrid nanostructured Auszeichnungen gewürdigt, u. a. erhielt Megan Cordill den „Young Leader aluminum alloy with super-high strength. NPG Asia Materials 2015; 7: e229. Professional Development Award“, Daniel Kiener wurde mit dem Adolf- Martens-Award ausgezeichnet. Zhang Z, Long Y, Cazottes S, Daniel R, Mitterer C, Dehm G. The peculiarity of the metal-ceramic interface. Scientific Reports 2015; 5: 11460.

93 INSTITUT FÜR TECHNIKFOLGEN-ABSCHÄTZUNG – ITA

CHANCEN UND RISIKEN TECHNOLOGISCHEN WANDELS

Bei der Gestaltung von Technik sollten sowohl Chancen als auch Risiken berücksichtigt werden, um Potenziale nachhaltig wahrnehmen zu können. Die wissenschaftliche Technikfolgenabschätzung (TA) untersucht Auswirkungen des technischen Wandels auf Gesellschaft, Wirtschaft, Umwelt und Gesundheit. Das Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) hat das Ziel, mit seiner interdisziplinären Forschung zu einem besseren Verständnis der gesellschaftlichen Relevanz von Technik beizutragen. Das multidisziplinäre Team betreibt TA zu einer Reihe von Themen – aktuell etwa zu Nanotechnologie, Überwachung, nachhaltigem Konsum oder Energie. Ein weiteres Ziel ist die methodische Weiterentwicklung der TA, etwa bei partizipativen Verfahren. Die Ergebnisse werden sowohl in wissenschaftlichen Publikationen verbreitet als auch gezielt für Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit aufbereitet, um der Orientierung und Entscheidungsfindung zu dienen.

HIGHLIGHTS 2015

Das ITA erstellte 2015 zwei Studien für das österreichische Parlament. In der einen wurde gemeinsam mit den Abgeordneten ausgelotet, wie Expertise im AUSGEWÄHLTE Bereich TA und Foresight bedarfsgerecht in die parlamentarischen Abläufe PUBLIKATIONEN 2015 eingebracht werden kann. In der ergänzenden Pilotstudie zu Industrie 4.0 Bogner A, Decker M, Sotoudeh M (Hg.). Responsible Innovation. Neue Impulse für die wurden Auswirkungen der sogenannten vierten Revolution der industriellen Technikfolgenabschätzung? Baden-Baden: Nomos/ Fertigung untersucht und mit einem Schwerpunkt auf Fragen der zukünfti- edition sigma, 2015. gen Ausbildungserfordernisse sowie von Sicherheitsaspekten mit den Abge- Gazsó A, Fuchs D, Greßler S, Gruber I, Part F, ordneten diskutiert. Huber-Humer M. Environmentally Relevant Aspects of Nanomaterials in Products at the End-of-life Phase. European Journal of Risk Regulation 2015; 6: Das vierjährige EU-Projekt „PACITA“ (Parliaments and Citizens in Technology 638–645. Assessment) wurde mit einer großen internationalen Konferenz in Berlin und Nentwich M, Schaper-Rinkel P, Biegelbauer einem an die interessierte Öffentlichkeit gerichteten Buch abgeschlossen. Das P, Fröhlich J, Gudowsky N, Peissl W et al. Zur Institutionalisierung von Foresight und ITA trug zu beidem mit zahlreichen Inhalten bei und festigte damit seine Technikfolgenabschätzung für das österreichische internationale Reputation als wissenschaftliche Beratungseinrichtung. Das Parlament. Endbericht zum Projekt F&TA. Wien, 2015. Projekt förderte in mehreren europäischen Ländern maßgeblich eine infor- Sinozic T, Tödtling F. Adaptation and Change in mierte und produktive Debatte über parlamentarische und außerparlamen- Creative Clusters: Findings from Vienna’s New Media Sector. European Planning Studies 2015; 23: tarische Technikfolgenabschätzung. 1975–1992.

Strauß S. Datafication and the Seductive Power of Ende 2015 erschien der Sammelband „Evaluating e-Participation. Frame- Uncertainty – A Critical Exploration of Big Data works, Practice, Evidence“, der auf Basis des abgeschlossenen internationa- Enthusiasm. Information 2015; 6: 836–847. len Projekts „e2democracy“ autoritative Beiträge zum Thema „elektronische Partizipation“ beinhaltet. Der Schwerpunkt wurde dabei auf die Frage ge- legt, welche Rolle elektronische Partizipation im Rahmen von Strategien für nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz auf lokaler Ebene spielen kann.

ÖAW PHONOGRAMMARCHIV – PHA

BEARBEITUNG UND BEWAHRUNG DES AUDIOVISUELLEN ERBES

Die zentralen Aufgaben des Phonogrammarchivs (PhA) bestehen in der Herstellung, Sammlung, Erschließung, der langfristigen Bewahrung und einer damit zu erzielenden dauernden Verfügbarkeit von Schall- und Videoaufnahmen aller wissenschaftlichen Disziplinen ohne regionale Einschränkungen. Besonderes Augenmerk legt das PhA seit jeher auf die Annotierung der archivierten Aufnahmen, wodurch jener Mehrwert geschaffen wird, der eine weitere und möglichst vielfältige Auswertung der gesammelten audiovisuellen Aufnahmen gestattet. Zur Erfüllung seiner Aufgaben treibt das PhA seit seiner Gründung 1899 methodische und technische Entwicklungen zur Aufnahme, Wiedergabe und Speicherung von Audio- und Videoaufnahmen voran. Darüber hinaus wird die Verfügbarkeit der Sammlungen unter anderem durch die laufende Gesamtedition seiner historischen Bestände wesentlich befördert.

HIGHLIGHTS 2015

Gemeinsam mit der Fondation AfricAvenir International, der Gerda Henkel Stiftung und dem Institut für Afrikawissenschaften der Universität Wien or- AUSGEWÄHLTE ganisierte das PhA das internationale Symposium „African Testimonies and PUBLIKATIONEN 2015 Oral Literature as Sources to Colonial History – Methodological Approach“, Fennesz-Juhasz C, Heinschink MF. Selbstzeugnisse von Roma zu ihrer (Kultur-)Geschichte. In: Thurner E, zu dem das PhA mit mehreren Vorträgen zu Fragen der Überspielung, Siche- Hussl E, Eder-Jordan B. (Hg.). Roma und Travellers. rung und Edition historischer Tondokumente Beiträge leistete. Identitäten im Wandel. Mit einem Vorwort von Karl- Markus Gauß. Innsbruck: innsbruck university press, 2015: 135–158. Aus dem Wiener Dokumentationsarchiv zur Erforschung der Geschichte des Kowar H (Ed.). International Forum on Audio-Visual Funkwesens und der elektronischen Medien wurden 91 Schallplatten aus den Research – Jahrbuch des Phonogrammarchivs 6. Wien: 1930er- bis 1960er-Jahren digitalisiert und zur Sicherung übernommen. Die Verlag der ÖAW, 2015. großteils unikalen Platten sind von Bedeutung für die politische Geschichte Liebl C. Le registrazioni storiche delle lingue italiane e Österreichs und die österreichische Unterhaltungsmusik. romanze dell'Italia e dell'Istria al Phonogrammarchiv di Vienna. In: Ghirardini C. (Ed.). Le ricerche di Friedrich Schürr in Romagna nel 1914. Imola: Editrice 2015 wurde das PhA als erste Einrichtung Österreichs zu einem „Know- La Mandragora, 2015: 53–64. ledge-Centre“ des europäischen Sprachdaten-Verbunds CLARIN erklärt. Mit Remmer U. Vedisches aus dem Phonogrammarchiv: der Teilnahme an den europäischen Netzwerken für digitale Infrastrukturen Brahmanische Techniken zur Memorisierung der Texte. In: Krisch T, Niederreiter S, Crombach M. CLARIN und DARIAH bringt das PhA seine Expertise auf dem Gebiet der (Hg.). Diachronie und Sprachvergleich. Beiträge audiovisuellen Forschung und Dokumentation ein. aus der Arbeitsgruppe „historisch-vergleichende Sprachwissenschaft“ bei der 40. Österreichischen Linguistiktagung 2013 in Salzburg. Innsbruck: In Kooperation mit dem Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien Institut für Sprachen und Literaturen der Universität Innsbruck, Bereich Sprachwissenschaften, 2015: und der Universität für angewandte Kunst wurde ein „Remake“ des be- 278–288. rühmten Mälzel'schen Trompeterautomaten von 1807/1808 hergestellt und Wallaszkovits N, Engel F. A Digitalização da Coleção die Musik dieses Automaten rekonstruiert. Das tönende Resultat wurde im Armando Leça: Revelando Tesouros Escondidos da Rahmen der „Wiener Vorlesungen“ und eines Konzerts im Festsaal der ÖAW Música Popular Portuguesa / The Digitisation of the Collection Armando Leça: Revealing Hidden Treasures sowie in Folgeveranstaltungen der Öffentlichkeit vorgestellt. of Portugese Folk Music. In: Pestana M (Ed.). Alentejo: Vozes e Estéticas em 1939/40. Edição crítica de Registos Sonoros de Armando Leça / The Alentejo: Das PhA beteiligte sich an insgesamt sieben Ausstellungen in Österreich, da- Voices and Aesthetics in 1939/40. A Critical edition runter „Romane Thana – Orte der Roma und Sinti“ im Wien Museum. Bei of Armando Leça’s Sound Recordings. Vila Verde: Tradisom, 2015: 46–69. der Ausstellung wurden Ton- und Videoaufnahmen aus den umfangreichen Beständen zur Roma-Kultur, ergänzt durch entsprechende Objekttexte und Übersetzungen, bereitgestellt.

95 STÄRKUNG DER ARCHÄOLOGIE IM FOKUS IM FOKUS

Hadrianstempel entlang der Kuretenstraße im antiken Ephesos. Foto: Niki Gail/ÖAI/ÖAW „ERÖFFNEN NEUE MÖGLICHKEITEN FÜR ARCHÄOLOGISCHE FORSCHUNG“

VIZEPRÄSIDENT MICHAEL ALRAM UND SABINE LADSTÄTTER, DIREKTORIN DES ÖSTERREICHISCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS (ÖAI), ZUR INTERNATIONALEN STELLUNG DER ÖSTERREICHISCHEN ARCHÄOLOGIE, ZUR INTEGRATION DES ÖAI IN DIE ÖAW UND ZUM EINFLUSS DER ZEITGESCHICHTE AUF DIE ARCHÄOLOGISCHE THEMENWAHL.

MICHAEL ALRAM IM FOKUS

Die archäologische Wissenschaft in Österreich genießt einen titut für Kulturgeschichte der Antike forscht an der ÖAW. Das exzellenten Ruf. Was zeichnet sie aus? Was ist ihr spezifischer Institut für Orientalische und Europäische Archäologie ent- Beitrag zur internationalen Archäologie? stand 2013. Nun wird auch das ÖAI in die ÖAW integriert. Was bedeutet dieser Schritt für das Institut? Sabine Ladstätter: Das Spezifische an der Archäologie in Österreich ist, dass es – seit sie sich als Wissenschaft Ladstätter: Das ist natürlich eine große Herausforderung, konstituierte – nie eine Trennung der unterschiedlichen denn die Integration in die Akademie ist für uns auch archäologischen Disziplinen gab. Alexander Conze, der verbunden mit einer notwendigen Strukturreform. Es ist erste Lehrstuhlinhaber für Archäologie an der Universi- ja ein Schritt von einer Verwaltungseinheit, zuletzt des tät Wien, legte in seiner Antrittsvorlesung zur Mitte des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und 19. Jahrhunderts darauf größten Wert: Alles gehört hin- Wirtschaft, zu einem Forschungsinstitut. In der gemeinsa- ein. Auf dieser Basis wurde seither der österreichische men Konstellation mit den anderen beiden mit Archäolo- Weg beschritten. Das erweist sich als großer Vorteil, da gie befassten Instituten an der ÖAW sehe ich gleichzeitig etwa in der klassischen Archäologie Kunstgeschichte und ein großes Potenzial. Denn was wir als ÖAI einbringen, Grabungsarchäologie nicht getrennt waren, sondern zu- sind große Forschungsinfrastrukturen wie Grabungen. Da sammen mit Komplementärwissenschaften wie Epigra- kommt Komplementäres zusammen, und das ist eine Be- phik oder Numismatik immer als eine Altertumskunde reicherung für alle. verstanden wurden. Dazu kam dann in den vergangenen Jahrzehnten der Beitrag der Naturwissenschaften. Die Was bedeutet der Schritt der Integration für die ÖAW? österreichische Archäologie war dadurch viel offener als in anderen kontinentaleuropäischen Ländern und konn- Alram: Wir haben jetzt unter dem gemeinsamen Dach te sich interdisziplinär aufstellen. Das macht sicher auch der ÖAW drei auf Archäologie spezialisierte Institute, unsere Führungsrolle aus, die wir heute in der internatio- die sich in ihrer wissenschaftlichen Ausrichtung her- nalen Szene haben. vorragend ergänzen. Das Institut für Orientalische und Europäische Archäologie ist vor allem auf die Prähis- Welche Bedeutung hat das Wissen über vergangene Gesellschaf- torie ausgerichtet, das Institut für Kulturgeschichte der ten für unsere Gesellschaft heute? Antike spannt einen Bogen von der Archaik bis in die byzantinische Zeit, und das ÖAI widmet sich Ägyp- Michael Alram: Das ist natürlich die Gretchenfrage: ten sowie dem griechisch-römischen Kulturraum. Es Was kann man aus der Geschichte lernen? Für mich ist bringt zudem seine Expertise ein mit den Grabungen, das Faszinierende an den Altertumswissenschaften, he- unter anderem im bekannten Ephesos, aber auch beim rauszufinden, wie die Menschen damals gelebt haben, Thema „Cultural Heritage“ und bei neuen Feldern des in welche soziokulturellen Strukturen sie eingebettet Faches wie Bioarchäologie und Archäometrie. Know- waren, welche politischen Prozesse zu grundlegenden how und Infrastrukturen werden nun im gegenseitigen Entscheidungen geführt haben. Hier spielt die Archäo- Austausch nutzbar, gleichzeitig kann jedes der Institute logie für die frühen Epochen natürlich eine entschei- seine Spezialisierung weiterentwickeln. Es wird sicher dende Rolle. Im Zusammenspiel mit den verschiede- auch verstärkten Wettbewerb geben – und das belebt. nen Disziplinen der Altertumsforschung fügt sich das Ich sehe in der Integration daher für die österreichische dann zu einem großen Geschichtsbild zusammen. Da Archäologie insgesamt einen Mehrwert. Es eröffnen sich zeigt sich etwa, dass schon im 4. Jahrtausend die Welt neue Möglichkeiten. erstaunlich vernetzt war und Verbindungen von Ana- tolien über die Ägäis bis in den Balkanraum bestanden. Die drei Institute werden in der ÖAW einen archäologischen Solche Erkenntnisse sind auch für die Analyse heutiger Forschungscluster bilden. Warum hat man sich zu einem sol- Entwicklungen relevant. chen Cluster entschlossen?

Archäologie und Altertumsforschung haben in der Akademie Ladstätter: Ich glaube, dass diese Clusterbildung dringend ihren angestammten Platz und eine lange Geschichte. Das Ins- notwendig war, vor allem was die Abstimmung betrifft.

ÖAW 99 SABINE LADSTÄTTER

Es geht uns allen darum, den Forschungsstandort Wien Alram: Es gibt an der ÖAW beispielsweise bereits in der zu stärken, um international unsere Leadership-Funktion Physik einen Cluster mit vier Instituten. Zudem gibt langfristig behaupten zu können. Das ÖAI hat Ephesos es das Vienna Center for Quantum Science and Tech- daher auch zu einer internationalen Forschungsplattform nology (VCQ), in dem die TU Wien, die Universität umstrukturiert und für Partner geöffnet. Sie können jetzt Wien und die ÖAW unter einem Dach zusammenarbei- die Infrastruktur nutzen, um mit uns gemeinsam ihre For- ten. Das funktioniert hervorragend, und ich bin über- schungsprojekte durchzuführen. Die Folge ist ein echter zeugt, dass das auch in der Archäologie so sein wird. wissenschaftlicher Austausch. Die Institute sind exzellent aufgestellt und gehen ihren

ÖAW IM FOKUS

Weg sehr erfolgreich, was mehrere ERC Grants ein- schungsort stellen und lösen kann. Das lässt sich nicht drucksvoll belegen. generell beantworten.

Zum Abschluss ein Blick nach vorn: Wo liegen die großen Fra- Alram: Mit der Frage nach den Zukunftsthemen bin ich gen der Archäologie in der Zukunft? in meiner Tätigkeit als Vizepräsident oft konfrontiert, etwa wenn wir neue Projekte ausschreiben und nach Ladstätter: Über mehrere Generationen beobachtet, innovativen Ansätzen und sogenanntem „Blue Sky Re- erkennt man, dass die Archäologie immer stark auf search“ suchen. Das ist für die Naturwissenschaften zeitgeschichtliche Entwicklungen reflektiert. Als ge- meist einfacher als für Geisteswissenschaften. Für sie ist bürtige Unterkärntnerin habe ich mich etwa in meiner es viel schwerer zu sagen: „Das ist völlig neu.“ Dissertation mit dem Thema „Migration“ beschäftigt. Die eigene Biographie, aber auch gegenwärtige Ent- Ladstätter: Und das liegt daran, dass bei uns in den Geis- wicklungen finden da ihren Widerhall. Aber man muss teswissenschaften der Erkenntnisprozess oft umgekehrt ist: aufpassen, dass man sich nicht zum Werkzeug der Ta- Wir brauchen viel solide Vorarbeit, eigentlich traditionelles gesaktualität machen lässt. Für mich ist entscheidend, Handwerk, das eben nicht innovativ ist, um dann zu einem welche spezifische Frage ich an einem spezifischen For- Punkt zu kommen, an dem man den Geistesblitz hat.

DAS ÖAI AN DER ÖAW Das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) ist seit 1. Jänner 2016 Teil der ÖAW. Zuvor war es dem Bundesministe- rium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft unterstellt. 1898 gegründet, ist das ÖAI vor allem für seine Grabungen in Ephesos bekannt: Die zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärte westtürkische Stadt, die eines der sieben Weltwunder der Antike beherbergte, wird von Wissenschaftler/inne/n aus über 20 Nationen unter der Leitung des ÖAI erforscht.

101 FÖRDERER VON TALENTEN STIPENDIEN, FÖRDERUNGEN UND INTERNATIONALE PROGRAMME

Junge Forscher/innen der Digital Humanities am ACDH-ÖAW. Foto: Klaus Pichler/ÖAW

ANSPORN UND BESTÄTIGUNG: STIPENDIEN

JUNGE TALENTE AUF IHREM WEG ZU EINER KARRIERE IN DER FORSCHUNG ZU UNTERSTÜTZEN – DAS MACHEN DIE STIPENDIENPROGRAMME DER AKADEMIE MÖGLICH. DAMIT LEISTEN SIE EINEN WESENTLICHEN BEITRAG ZUR FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES IN ÖSTERREICH.

Foto: Klaus Pichler/ÖAW

Mit sieben Stipendienprogrammen für den wissenschaftlichen Nachwuchs zählt die ÖAW zu den wesentlichen Fördereinrichtungen in Österreich. Die Förderungen richten sich an junge Forschende, die ihr Doktorat oder ein mehrjähriges Forschungsprojekt durchführen wollen. Finanziert werden die Förderungen sowohl aus Mitteln des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft als auch mithilfe von Sponsoren und privaten Stiftungen, darunter die Stadt Wien, die Max Kade Foundation, L’ORÉAL Österreich sowie der Springer Verlag Wien.

ÖAW FÖRDERER VON TALENTEN

In ihren Förderprogrammen fokussiert die Akademie auf individuelle Personenförderung – im Auswahlverfahren werden sowohl die persönliche Exzellenz bzw. das wissenschaftliche Potenzial der Antragsteller/innen als auch die Qualität des Forschungsprojekts evaluiert.

FÜR DEN KARRIERESTART: PRAE-DOC-STIPENDIEN

Die Möglichkeit der Selbstantragstellung für Doktorand/inn/en ist ein Alleinstellungsmerkmal der Programme DOC und DOC-team. Auf diese Weise lernen junge Wissenschaftler/innen in einem frühen Karrierestadium, eigenverantwortlich und selbstständig Forschungsanträge zu schreiben und sich damit dem internationalen Wettbewerb zu stellen. Sie sind selbst für Kooperationen im In- und Ausland verantwortlich und bereiten sich so auf die Einwerbung von Drittmitteln und die Konkurrenz um qualifizierte Arbeitsplätze im In- und Ausland vor.

FORSCHEN IM TEAM: INTER- UND TRANSDISZIPLINARITÄT

Seit 2004 sind im Rahmen von DOC-team-Stipendien 26 Gruppen von drei bis fünf Doktorand/inn/en aus unterschiedlichen Fachbereichen der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften gefördert worden, die gemeinsam („bottom-up“) eine komplexe Fragestellung entwickelten und bearbeiteten, die nur fächerübergreifend beantwortet werden kann. Damit soll bei jungen Wissenschaftler/inne/n der Austausch zwischen den Disziplinen gefördert und die Entwicklung von neuen wissenschaftlichen Arbeits- und Organisationsprinzipien unterstützt werden.

FÖRDERUNG FÜR FORTGESCHRITTENE: POST-DOC-STIPENDIEN

Auch bei APART steht die wissenschaftliche Qualifikation der Antragstellerin oder des Antragstellers im Mittelpunkt. Das Programm richtet sich an junge Wissenschaftler/innen, die mit der eigenverantwortlichen Durchführung eines mehrjährigen Forschungsprojekts ihre wissenschaftliche Unabhängigkeit erreichen oder ausbauen wollen. Als flexibles Förderprogramm dient es sowohl zur Intensivierung von Forschungskontakten im Ausland als auch zur Rückkehr von Wissenschaftler/inne/n nach einem längeren Auslandsaufenthalt. Das große Interesse an diesem Programm, das sowohl für Antragsteller/innen in der frühen Post-Doc-Phase als auch für bereits fortgeschrittene Post-Docs offen ist, hat in den vergangenen Jahren zu einer steigenden Anzahl von ausgezeichneten Bewerbungen geführt, die bei gleich bleibenden finanziellen Mitteln die Zuerkennungsquote zuletzt auf rund 14 Prozent gesenkt haben. Im Jahr 2015 wurde APART ausgesetzt, eine Refokussierung des Post-Doc- Programms ist in Überlegung.

FORSCHUNG IST WEIBLICH: FRAUENFÖRDERUNG

Mehr als die Hälfte der Nachwuchswissenschaftler/innen, die im Rahmen der ÖAW-Stipendienprogramme bisher gefördert wurden, sind Frauen, wiederum mehr als die Hälfte von ihnen forscht in Bereichen der technischen Wissenschaften, der Natur- und Biowissenschaften, der Medizin oder der Mathematik. Um Frauen gezielt zu fördern, vergibt die ÖAW gemeinsam mit L’ORÉAL Österreich und der Österreichischen UNESCO-Kommission seit 2007 Stipendien an junge Forscherinnen in den sogenannten MINT-Fächern, die am Beginn ihrer Karriere Übergangsphasen überbrücken müssen – dabei geht es zum Beispiel um die Finanzierung für den Abschluss der Dissertation, die Ausarbeitung eines Drittmittelantrags oder die Rückkehr in die wissenschaftliche Karriere nach der Elternkarenz.

105 IM INTERNATIONALEN WETTBEWERB BESTEHEN: MOBILITÄTSFÖRDERUNG

Alle Programme unterstützen längere Forschungsaufenthalte im Ausland und tragen so zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Stipendiat/inn/en bei. Drei Förderlinien – MAX KADE, ROM und die Stipendien der „Monatshefte für Chemie“ – finanzieren ausschließlich Forschungsaufenthalte im Ausland.

MEHR DOC-STIPENDIEN, MEHR FRAUEN: ANTRÄGE UND BEWILLIGUNGEN

Im Jahr 2015 wurden 88 Stipendien aus den öffentlich finanzierten Programmen DOC, DOC-team und ROMan ausgezeichnete Nachwuchsforscher/innen vergeben. Zusätzlich wurden sechs Stipendien der Max Kade Foundation und vier L’ORÉAL-Österreich-Stipendien verliehen. Erstmals wurden Stipendien für Forschungsaufenthalte im Ausland im Rahmen einer Diplom-/Masterarbeit oder einer Dissertation aus dem Bereich der Chemie vergeben, finanziert aus den Erträgen der Fachzeitschrift „Monatshefte für Chemie – Chemical Monthly“, die im Springer Verlag Wien erscheint. Durch die Erhöhung der finanziellen Mittel ist es 2015 gelungen, mehr DOC-Stipendien als in den Vorjahren zu vergeben und damit auch die Bewilligungsquote auf 29 Prozent zu steigern. Aufgrund der konstant hohen Antragszahlen bleibt die Zuerkennungsquote für L’ORÉAL Österreich bei zehn Prozent. Die Zahl der Bewerbungen für MAX KADE ist im Vergleich zu 2014 wieder gestiegen, für DOC-team wurden etwas weniger Anträge eingereicht als im Jahr zuvor. Der Anteil der Frauen bei den Bewerbungen für die Programme DOC und DOC-team ist im Jahr 2015 im Vergleich zu den Vorjahren leicht gesunken und liegt bei 55 Prozent; bei den Bewilligungen stieg der Frauenanteil auf 59 Prozent.

300

256 250

200

150

100 75

50 41 20 15 15 9 6 4 4 3 2 0 MAX KADE DOC DOC-team ROM L'ORÉAL Chemical Monthly

Anträge

Stipendien

ÖAW FÖRDERER VON TALENTEN

GEISTESWISSENSCHAFTEN HOLEN AUF: BEWILLIGUNGEN NACH DISZIPLINEN

Im Vergleich zu den Vorjahren ist der Anteil der Stipendien in den Fachbereichen der Geisteswissenschaften und auch der technischen Wissenschaften gestiegen, während der Anteil der Zuerkennungen in den Sozialwissenschaften und den Naturwissenschaften gesunken ist. Erstmals seit mehreren Jahren waren 2015 Antragsteller/innen im Bereich der Veterinärmedizin erfolgreich.

40 % Geisteswissenschaften 33 % Naturwissenschaften

4 % Technische Wissenschaften 9 % Medizin 12 % Sozialwissenschaften Veterinärmedizin 2 %

Die Grafik erfasst alle Stipendienprogramme, im Einzelnen: MAX KADE, DOC, DOC-team, „Monatshefte für Chemie“, L’ORÉAL Österreich, ROM.

107 INNOVATION UND INTERNATIONALITÄT: FÖRDERPROGRAMME

INNOVATIVE FORSCHUNG BRAUCHT FÖRDERUNG. DIE ÖAW BIETET DAFÜR MEHRERE PROGRAMME, DIE NATIONAL UND INTERNATIONAL AUSGERICHTET SIND. GEMEINSAM IST IHNEN DAS ZIEL, ZUR ZUKUNFT DES FORSCHUNGSSTANDORTS ÖSTERREICH BEIZUTRAGEN.

Foto: Klaus Pichler/ÖAW

ÖAW FÖRDERER VON TALENTEN

Die ÖAW hat in den vergangenen Jahren eine bedeutende Anzahl von Förderprogrammen entwickelt, die sich an hervorragende Wissenschaftler/innen aus dem In- und Ausland, an Mitarbeiter/innen, Mitglieder und Institute der ÖAW richten, die spezifische Projekte wissenschaftlich und finanziell unabhängig umsetzen oder dafür benötigte Forschungsinfrastrukturen etablieren wollen. Seit 2012 wurden im Rahmen von sieben Ausschreibungen 158 Anträge bearbeitet, jeweils kompetitive Auswahlverfahren auf Basis von internationalen Fachbegutachtungen und Juryempfehlungen durchgeführt und 26 Projekte zur Finanzierung ausgewählt. Finanziert werden die Förderungen durch die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung und das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. In ihren Förderprogrammen fokussiert die Akademie auf individuelle Personenförderung, auf den Aufbau von Infrastrukturen und die Entwick- lung von Methoden.

FORSCHUNGSNACHWUCHS STÄRKEN: „NEW FRONTIERS“-PROGRAMM

Das „New Frontiers“-Programm verbindet die individuelle Förderung von besonders begabten jungen Wissenschaftler/inne/n mit der Stärkung der infrastrukturellen Situation der ÖAW-Forschungseinrichtungen. Insgesamt fanden bisher vier Ausschreibungen zum „New Frontiers“-Programm statt, jeweils zwei zu den „New Frontiers Groups“ und zu den „New Frontiers Research Infrastructures“. Acht „New Frontiers Groups“ gingen aus 35 Anträgen hervor. Die vier Gruppenleiterinnen und vier Gruppenleiter sind in den Bereichen Physik, Mathematik, Life Sciences, Kunstgeschichte und Sozialanthropologie an der ÖAW tätig und erweitern mit ihrer For- schung das Forschungsportfolio der Akademie. Drei Gruppen starteten bereits 2013/2014, fünf Gruppen im Jahr 2015. Sechs Infrastrukturprojekte wurden im Rahmen der zwei Ausschreibungen zu den „New Frontiers Research Infrastructures“ ausgewählt.

DIGITAL HUMANITIES: DIGITALISIERUNGSPROGRAMME FÜR DIE GEISTESWISSENSCHAFTEN

Mit zwei Förderschienen im Bereich der Digital Humanities baut die ÖAW Infrastrukturen und Methoden zur Verknüpfung geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschung auf und stellt die daraus gewonnenen Erkenntnisse sowohl inhaltlicher als auch methodologischer Natur der Wissenschaft zur Verfügung. Im Rahmen von zwei Ausschreibungsrunden wurden aus 59 Anträgen insgesamt zwölf Projekte innerhalb und außerhalb der ÖAW ausgewählt. Sechs Wissenschaftlerinnen und sechs Wissenschaftler leiten durch diese Förderungen seit 2014/2015 Digitalisierungsprojekte in der Archäologie, der Literaturwissenschaft, der Corpuslinguistik, der Zeitgeschichtsforschung, der Mittelalterforschung, der Musikwissenschaft und der Architekturwissenschaft.

NEUE IDEEN ZÄHLEN: ÖAW-INNOVATIONSFONDS

Die ÖAW hat 2015 erstmals einen Innovationsfonds „Forschung, Wissenschaft und Gesellschaft“ eingerichtet, um außergewöhnlich innovative Vorhaben aus allen Bereichen der Akademie zu unterstützen. Dadurch sollen unter anderem die Bearbeitung neuer Forschungsrichtungen, die bisher noch nicht verfolgt wurden und mit einer über das übliche Maß hinausgehenden Ergebnisoffenheit eingestuft werden, aber auch die Entwicklung innovativer Methoden der Zusammenarbeit oder die Erstellung neuer Konzepte der Nachwuchs- und Frauenförderung unterstützt werden. Die eingelangten Einreichungen werden international begutachtet. Auf Basis der Bewertungen erfolgt die Vergabe durch das Präsidium der ÖAW.

109 Foto: Klaus Pichler/ÖAW ÖAW FÖRDERER VON TALENTEN

STÄRKUNG DES WISSENSCHAFTSSTANDORTS: STADT-WIEN-FÖRDERUNGEN

Die Stadt Wien fördert jährlich ausgesuchte Forschungsprojekte der ÖAW, die einen Bezug zu Wien aufweisen. 2015 konnten 29 Projekte in diesem Rahmen durchgeführt werden, wobei fast die Hälfte der Projektleitenden Frauen waren. Neben langfristig angelegten Editions-, Datenerhebungs- und Quellenerschließungsprojekten wurden auch mehrere Publikationen und vielfältige Veranstaltungen gefördert, darunter öffentlichkeitswirksame Symposien und Ausstellungen. Die geförderten Projekte kommen aus den Bereichen der Digital Humanities, der Demographie, der Stadt- und Regionalforschung ebenso wie aus den Kulturwissenschaften, den Musikwissenschaften, der Mittelalterforschung und der Alltags- und Umweltgeschichte. Die Stadt Wien unterstützt auf diese Weise ganz wesentlich die geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Forschungen an der Akademie.

„BRAIN CIRCULATION“ STATT „BRAIN DRAIN“: JOINT EXCELLENCE IN SCIENCE AND HUMANITIES

Die ÖAW treibt ihre Internationalisierung voran. Ein wichtiger Baustein dabei ist das Programm „Joint Excellence in Science and Humanities“, kurz: JESH. Es bietet jungen Wissenschaftler/inne/n auf Basis eines wechselseitigen Einladungs- bzw. Entsendungsprinzips die Möglichkeit, internationale Kontakte themenoffen und auf hohem wissenschaftlichem Niveau zu etablieren. Dadurch wird der Aufbau von Know-how, aber auch die internationale Sichtbarkeit der österreichischen Wissenschaft nachhaltig gefördert. Finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft richtet sich das Programm kompetitiv an alle Forschungsinstitute der ÖAW und ebenso an alle Institute österreichischer öffentlicher Universitäten. Die Dauer der Forschungsaufenthalte liegt zwischen zwei und sechs Monaten. Im Rahmen der ersten JESH-Ausschreibung wurden 2015 insgesamt 22 Projekte bewilligt. Davon haben sieben Gastforscher/innen noch im selben Jahr ihren Forschungsaufenthalt in Österreich absolviert. Die zweite „JESH Incoming“-Ausschreibung sowie die erste „JESH Outgoing“-Ausschreibung erfolgten Ende 2015.

111

FLÜCHTLINGE FÖRDERN, FLUCHT ERFORSCHEN IM FOKUS

Weltweit sind Menschen auf der Flucht. Die ÖAW forscht zu den Ursachen und Auswirkungen von Migrationsbewegungen. Bild: graphcriver.net/Bildbearbeitung: Zwischen Den Hirschen Grafik „ENTSCHEIDEND IST, DER SEGREGATION ENTGEGENZUSTEUERN“

W.M. HEINZ FASSMANN, DIREKTOR DES ÖAW-INSTITUTS FÜR STADT- UND REGIONALFORSCHUNG, ÜBER DIE ÜBERFORDERUNG DER POLITIK IN DER FLÜCHTLINGSFRAGE, DIE BEDEUTUNG DER STÄDTE FÜR DIE INTEGRATION UND KERNPUNKTE FÜR DEREN GELINGEN.

Foto: Elia Zilberberg/ÖAW

HEINZ FASSMANN

Die Politik in Europa zeichnet sich in der gegenwärtigen Vergleich geht, außerdem die Geographie, die Soziologie, Flüchtlingssituation durch Ratlosigkeit aus. Kann die Migra- die Anthropologie und die Demographie. Aber es geht noch tions- und Integrationsforschung hier helfen? weiter: Durch Migration geschaffene, neue Realitäten im Klassenzimmer erfordern beispielsweise von der Bildungs- Die Politik zeigt deutliche Zeichen von Überforderung. Die wissenschaft neue didaktische Konzepte. Oder denken wir Situation ist in dieser Massivität aber auch neu. Denn man an die Theologie: Was bedeutet es für das Zusammenleben, hat ein gemeinsames europäisches Asylsystem, von dem wenn sich eine neue multireligiöse Struktur in Österreich das Dublin-Regime ja nur ein Element war, außer Kraft ge- verbreitet? Migrations- und Integrationsforschung ist ein setzt. Seitdem ist die Politik auf der Suche nach einem neu- ausgeprägt interdisziplinäres Forschungsfeld. en Weg, dahinter ist aber noch kein überzeugender Plan zu erkennen. Das ist auch ein Grund für die Verängstigung der Entscheidet sich Integration in den Städten? Menschen: Wenn Politik einem bei der Bewältigung von Unsicherheit nicht mehr helfen kann, wird sie einer ihrer Absolut, ja. Integration findet bekanntlich vor Ort statt. ureigenen Aufgaben nicht mehr gerecht. Was die Forschung Und diese Orte sind im Wesentlichen städtische Orte. beitragen kann, ist aufgrund ihrer Kenntnisse von Integra- Städte können in der Regel damit auch gut umgehen, da tionsprozessen klar zu machen, wohin bestimmte Maßnah- sie über Jahrhunderte hinweg Integrationserfahrung ge- men führen. Welche Optionen dann gewählt werden, ist sammelt haben. Natürlich ist das aber auch eine Frage der aber Aufgabe der Politik – und muss es auch bleiben. Quantität. Wir beobachten etwa, dass Flüchtlinge nach po- sitivem Asylbescheid schnell weiter nach Wien ziehen, weil Was umfasst Migrations- und Integrationsforschung? es hier Netzwerke der ethnischen Gemeinschaften gibt und die Arbeitschancen größer sind. Wien muss daher aufpas- Zunächst einmal die Rechtswissenschaften, wenn es etwa sen, nicht in einen zu großen Wachstumsstress zu geraten, um die gesetzlichen Rahmenbedingungen im europäischen etwa hinsichtlich des notwendigen Ausbaus von Wohnun- IM FOKUS

gen, Schulen, Kindergärten oder Arbeitsplätzen. Wird die der Bevölkerung, gibt. Das Miteinander und das Lernen Wachstumsgeschwindigkeit zu groß, wird das für die Städ- voneinander unterstützen Integrationsprozesse, die ja te zu einer immensen Herausforderung. Wenn das bewäl- darauf abzielen, etwas Größeres, etwas Gemeinsames tigt wird, ist Wachstum aber etwas Positives. darzustellen. Das ist eine Herausforderung, weil wir faktisch mit einer Zunahme der Segregation zu rechnen Wie kann Integration gelingen? haben: Neuzuwanderer ziehen dorthin, wo die gleiche Community schon lebt. Wir haben außerdem auch eine Entscheidend für die Stadt ist die Frage, wie mit Segre- Differenzierung der Wohnstandorte nach Mietpreisen. gationsprozessen umgegangen wird. Integration gelingt Dem muss man gegensteuern – Wien war da bisher aber leichter, wenn es einen urbanen Mix, eine Durchmischung durchaus erfolgreich.

„DAS WERDEN ÖSTERREICHS IST OHNE ZU- UND ABWANDERUNG NICHT ZU VERSTEHEN“

W.M. ANDRE GINGRICH, DIREKTOR DES ÖAW-INSTITUTS FÜR SOZIALANTHROPOLOGIE, ÜBER ÖSTERREICHS LEISTUNGEN IN DER INTEGRATION VON FLÜCHTLINGEN, ÜBER MIGRATION UND SOZIALEN ZUSAMMENHALT SOWIE DIE URSACHEN VON NEONATIONALISMUS IN EUROPA.

Foto: Elia Zilberberg/ÖAW

ANDRE GINGRICH

Mit den aktuellen Flüchtlingsbewegungen gehen auch Neo- gegeben – einem Bündel von europaweiten Zentrifugal- nationalismen und Abschottungstendenzen in Europa einher. kräften, die das Projekt der EU insgesamt mutwillig in- Welche Gründe gibt es dafür? frage stellen. Das ist nicht neu. Aus Sicht der Kultur- und Sozialanthropologie habe ich – etwa in dem von Marcus Tendenzen zur Abschottung erwachsen aus Stimmungs- Banks und mir 2005 herausgegebenen Buch „Neo-natio- lagen der Überforderung und des Alleingelassenwerdens. nalism in Western Europe and Beyond: Perspectives from Problematisch ist, wenn aus medialen oder politischen Social Anthropology“ – immer wieder unterstrichen, Einzelinteressen heraus versucht wird, diese Stimmungs- dass soziale Abstiegsängste und kultureller Pessimismus lagen für die eigene Sache anzuheizen und zu instrumen- entscheidende Grundlagen sind für die Sorge, mit den talisieren. Hier sind Schnittflächen zum Neonationalismus Flüchtlingsströmen nicht zurechtzukommen.

ÖAW 115 Europa war immer ein Kontinent von Zu- und Abwanderun- brochen, sondern es wurde zu einem der wohlhabendsten gen. Was wissen wir aus der Vergangenheit über die Folgen für Länder der Welt. Die geschichtlichen Erfahrungen sprechen den sozialen Zusammenhalt? klar dafür, dass die soziale Kohärenz nicht darunter leidet, wenn man nacheinander Zehn- und Hunderttausende katho- Die Geschichte des österreichischen Raums und seiner Bevöl- lische und antikommunistisch gesinnte Frauen und Männer kerung kann gar nicht vollständig verstanden werden, wenn aus Ungarn und Polen, sozialistische und kommunistische man ausblendet, dass in modernen Zeiten Auswanderungs- Chileninnen und Chilenen sowie muslimische Menschen aus und Vertreibungsbewegungen von hier und von anderswo Bosnien und dem Kosovo aufzunehmen verstanden hat. hierher geradezu ein Definitionsmerkmal des regionalen Wer- dens darstellen. Nach 1945 sah sich die Republik praktisch in Gibt es dennoch einen Unterschied zur heutigen Flüchtlingssituation? jeder Dekade mit Flüchtlingsströmen konfrontiert – die „Dis- placed Persons“ der Nachkriegszeit, die Ungarn-Flüchtlinge Es ist keineswegs so, dass die Flüchtlinge heute grundsätz- 1956, die Flüchtlinge nach der Niederschlagung des Prager lich „anders“ wären als in früheren Zeiten. Was neu ist, sind Frühlings 1968, nach dem Putsch Pinochets in Chile 1973, jene vor allem drei Faktoren: Erstens, wir alle hatten uns von der Polen-Krise Anfang der 1980er- Jahre oder die Flüchtlinge, EU-Europa qualitativ Anderes im Umgang mit dem Flücht- die im Zuge der Bürgerkriege im früheren Jugoslawien zu uns lingsthema erwartet. Zweitens, es ist immer noch unabseh- kamen. Zumindest die ungarischen, polnischen und exjugo- bar, wann und wie die eigentlichen Ursachen der aktuellen slawischen Ströme betrafen, ähnlich wie heute, eine jeweils Flüchtlingsströme effektiv eingedämmt werden können sechsstellige Anzahl an Menschen. Kaum ein anderes westli- – nämlich im Irak und in Syrien selbst. Drittens, Österreich ches Land Europas hat in Flüchtlingsfragen pro Kopf derart und viele andere EU-Länder sind heute wohlhabender als viel geleistet wie Österreich. Es ist daran nicht zusammenge- früher – deshalb sind wohl auch die Verlustängste größer.

„ES IST HOCH AN DER ZEIT FÜR EINE RATIONALE, LANGFRISTIGE MIGRATIONSPOLITIK“

W.M. WOLFGANG LUTZ, DIREKTOR DES ÖAW-INSTITUTS FÜR DEMOGRAPHIE, ÜBER GLOBALE DIMENSIONEN VON MIGRATION, DIE ZENTRALE ROLLE DER BILDUNG FÜR ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVEN UND DIE LANGFRISTIGE PROGNOSE VON MIGRATIONSBEWEGUNGEN.

Foto: Elia Zilberberg/ÖAW

WOLFGANG LUTZ

ÖAW IM FOKUS

Wie lässt sich die gegenwärtige Migration von Menschen nach ländern mehr Kinder in die Schulen gehen, so dauert es Europa global einordnen? zwei Jahrzehnte oder länger, bis das Einfluss auf Wirt- schaft, Gesellschaft oder Politik hat. Bildungsinvestitionen Für Deutschland, Österreich und Schweden sind die können also keine Lösung für aktuelle Krisen sein, aber Migrationsströme sicher statistische Ausreißer, die höher mit Blick auf die kommenden Jahrzehnte sind sie ein ganz liegen als der Durchschnitt der letzten Jahre. Aber Wan- entscheidender Faktor. derungsbewegungen sind generell sehr volatil, besonders wenn sie durch politische Ereignisse verursacht werden. Wird sich Europa auch langfristig auf eine höhere Zuwande- Zum globalen Vergleich wurde an unserem Institut kürz- rung einstellen müssen? lich die erste globale Matrix der bilateralen Migrations- ströme geschätzt: Demnach wanderten im Zeitraum von Die Bevölkerung Afrikas wird sich in den nächsten Jahr- 2005 bis 2010 rund 41,5 Millionen Menschen in andere zehnten aufgrund der hohen Geburtenraten mehr als ver- Länder aus. Das sind 0,6 Prozent der Weltbevölkerung. doppeln, vielleicht sogar verdreifachen. Da besser gebil- Dieser Anteil hat sich im Übrigen seit 1995 kaum verän- dete junge Frauen deutlich weniger Kinder haben, führt dert. Es gab also global gesehen in den letzten zwei Jahr- eine raschere Ausbreitung der Bildung langfristig auch zu zehnten keinen massiven Anstieg der Migration. einem geringeren Bevölkerungswachstum. Dennoch wird in den nächsten Jahrzehnten der Bevölkerungsdruck noch Welche Rolle spielt Bildung für die Erklärung von Migrations- deutlich zunehmen. Die Bevölkerungen Afrikas sind sehr bewegungen? jung; rund die Hälfte der Menschen ist unter 20 Jahre alt. Jedes Jahr drängen Millionen auf den Arbeitsmarkt, und Bildung befähigt Menschen, besser für sich selbst und für die Zahl der Jobs wächst langsamer als die Zahl der jun- andere zu sorgen. Im Prinzip kann jeder gesunde Mensch gen Menschen. Gleichzeitig wissen diese Menschen über im Erwerbsalter unter guten Bedingungen mehr leisten, die modernen Medien mehr darüber, wie das Leben in als er selbst zum Leben braucht. Je besser die Bildung und Europa ist. Dazu kommen noch die höhere Wahrschein- je effizienter die Technologie, umso höher ist die Produk- lichkeit von regionalen Konflikten unter solchen Bedin- tivität. Langfristig führt bessere Bildung auch mit hoher gungen und die Folgen des Klimawandels. All das lässt Wahrscheinlichkeit dazu, dass Länder sich besser entwi- eine weitere Zunahme von Migration erwarten. Es ist also ckeln, effizientere Institutionen haben und sich in Rich- hoch an der Zeit, dass wir nicht nur auf akute Krisen re- tung Demokratie bewegen. Allerdings braucht Bildung agieren, sondern eine rationale, langfristige Migrations- Zeit, um zu wirken. Wenn morgen in den Entwicklungs- politik entwickeln.

DIE FLÜCHTLINGSINITIATIVE DER ÖAW Tausende Menschen kommen seit dem Sommer 2015 als Flüchtlinge nach Österreich. Die ÖAW hat daher die Initiative „Flüchtlinge fördern, Flucht erforschen“ gestartet. Sie ermöglicht asylberechtigten Personen mit wissenschaftlicher oder wissenschaftsnaher Ausbildung Praktika an Forschungseinrichtungen der ÖAW. Damit sollen Menschen, die flüchten mussten, bei ihrer Integration in Österreich unterstützt werden. Gleichzeitig verstärkt die ÖAW im Rahmen der Initiative ihre Forschungen zu Flüchtlingsbewegungen, den Ursachen und den Auswirkungen in Herkunfts- wie Ankunftsländern. Die Ergebnisse und ihre breite Expertise zur Flüchtlingsthematik bringt die Akademie durch Veranstaltungen, Stellung- nahmen und Kommentare in Öffentlichkeit und Politik ein.

117 ZAHLEN UND FAKTEN DIE WICHTIGSTEN KENNZAHLEN IM ÜBERBLICK Wissenschaftler/innen des ÖAW-Instituts für Schallforschung. Foto: Klaus Pichler/ÖAW SENSCH WIS AF S TL STITUT CH ER IN E U /I BEITER/I W N AR NN H N IT EN C E M A N N

683 -PROJEK FWF TE IENVER U-PROJEKTE 1.451 END GA E IP BE ST N

100 79 184 E VERÖ ICH FFE RC-GRANTS TL N E AF TL H IC C H S U N N E S G S E I N

W 21 SENSCH WIS AF S TL STITUT CH ER IN E U /I BEITER/I W N AR NN H N IT EN C E M A N N

ROJ WF-P EKTE 29 ROJEK 1.451 F EU-P TE IM IN- UN ER D D AU E S LI L G A T N I D M

184 782

CHE VERÖFF TLI EN AF TL H IC C H S U N N E S G S E I N

W 2.143

121 ORGANIGRAMM

Kommissionen MN-Klasse Vergabe- GESAMTSITZUNG PH-Klasse komitees Junge Kurie

Delegierte der Wirkliche Wirkliche korrespondierenden Delegierte der Mitglieder der Mitglieder der Mitglieder beider Jungen Kurie MN-Klasse PH-Klasse Klassen

PRÄSIDIUM Senat Akademierat Forschungskuratorium Finanzkuratorium Zentrale Verwaltung

Wissenschaftliche Beiräte INSTITUTE Institutsdirektorenkonferenz

ÖAW ZAHLEN UND FAKTEN

BUDGET

MITTELVERBRAUCH 2015 (IN TEUR)

aus Basisfinanzierung 100.420

aus Drittmittelfinanzierung 35.059

Forschung 113.217

davon MNT1 85.292

Basisfinanzierung 54.649

EU 6.392

FFG 1.133

FWF 7.259

Länder und Gemeinden 221

Nationalstiftung 620

Weitere Mittelgeber2 4.377

Sonstige3 10.641

davon GSK4 27.925

Basisfinanzierung 18.986

EU 2.202

FFG 251

FWF 4.189

Länder und Gemeinden 421

Nationalstiftung 419

Weitere Mittelgeber2 1.457

Gelehrtengesellschaft 394

Zentrale Services, BAS:IS 11.951

Stipendien und Preise5 5.055

Beauftragungen und Weiteres 4.862

Darüber hinaus kamen der ÖAW-Forschung 2015 rund EUR 3,1 Mio. an FWF-Sachmitteln und EUR 0,5 Mio. aus bei der European Space Agency (ESA) eingeworbenen Mitteln zugute.

1 Mathematik-, Natur- und Technikwissenschaften inkl. Institut für Technikfolgen-Abschätzung 2 Bundesministerien, Stiftungen, Private, Firmen, nationale und internationale Fördergeber 3 Sonstige Erträge, Forschungsprämien, Steuerprämien, Weiterverrechnungen, sonstige Erlöse 4 Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften inkl. Phonogrammarchiv 5 Inkl. Verwaltungskosten Stipendien

123 MITGLIEDER

3 Ehrenmitglieder der Gesamtakademie 15 66 Ehrenmitglieder der Klassen Junge Kurie 198 Wirkliche Mitglieder

322 Korrespondierende 178 Mitglieder im Ausland Korrespondierende Mitglieder im Inland

Gesamt davon MN-Klasse davon PH-Klasse

m w m w m w 782 360 353

Alle Mitglieder (zum 31.12.2015) 676 106 337 23 290 63

Gesamt davon MN-Klasse davon PH-Klasse

m w m w m w

Wirkliche Mitglieder 198 174 24 94 6 80 18

Korrespondierende Mitglieder im Inland 178 153 25 88 6 65 19

Korrespondierende Mitglieder im Ausland 322 286 36 146 11 140 25

Junge Kurie 66 47 19 - - - -

Ehrenmitglieder der Gesamtakademie 3 2 1 - - - -

Ehrenmitglieder der Klassen 15 14 1 9 0 5 1

ÖAW ZAHLEN UND FAKTEN

MITARBEITER/INNEN

davon Institute davon Verwaltung, 2015 Gesamt davon MNT davon GSK BAS:IS, Verlag (im Jahresdurchschnitt) m w m w m w m w 1.451 853 460 138

Personen 814 637 540 313 218 242 56 82 56 % 44 % 63 % 37 % 47 % 53 % 41 % 59 %

Vollzeitäquivalente 1.216 473 264 177 179 51 72

davon:

eigenfinanziert 762 294 156 106 98 42 66

drittmittelfinanziert 421 177 108 64 71 0 1

dienstzugewiesene 33 2 0 7 10 9 5 Bundesbedienstete

wissenschaftlich 839 352 162 166 154 4 1

nicht wissenschaftlich 377 121 102 11 25 47 71

GASTWISSEN- SCHAFTLER/INNEN

davon Institute 2015 Gesamt MNT GSK (im Jahresdurchschnitt) m w m w

Anzahl der im Rahmen von ÖAW-For- schungsprojekten tätigen Gastwissen- 437 162 48 131 96 schaftler/innen

125 WISSENSCHAFTLICHE PUBLIKATIONEN

Publikationstyp MNT GSK

Monographien oder Editionen 8 61

Peer-reviewte Beiträge in Fachzeitschriften oder Sammelwerken 808 548 A davon in indizierten oder weiteren herausragenden Fachzeitschriften 672 131 des Fachbereichs

Herausgeberschaften 3 109 B Längere Beiträge ohne Peer-Review in Fachzeitschriften oder Sammelwerken 55 227

C Sonstige wissenschaftliche Publikationen 88 236

D Populärwissenschaftliche Publikationen 46 111

Weiters wurden 2015 im Bereich der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften 278 Lexikonartikel erarbeitet und veröffentlicht, die in obiger Tabelle nicht als eigenständige Publikationen aufgelistet sind. PUBLIKATIONEN IM WEB OF SCIENCE

291 40 % Dargestellt werden alle Publikationen, die 2015 an der ÖAW erschienen und in einem 227 der folgenden Indices im Thomson Reu- 30 % ters Web of Science™ indiziert sind: SCI, SCI-Expanded, SSCI. Die Klassifizierung der Journals erfolgte anhand des JCR-Im- pact-Factor-Rankings wie folgt: 20 % 122 A Das Journal zählt zu den besten zehn 82 Prozent seines Fachbereichs. 10 % B Das Journal zählt zu den besten elf bis 25 Prozent seines Fachbereichs. C Das Journal zählt zu den besten 26 bis 50 0 % Prozent seines Fachbereichs. A B C D D Weitere Journals.

ÖAW ZAHLEN UND FAKTEN

WISSENSCHAFTLICHE VORTRÄGE UND PRÄSENTATIONEN

Publikationstyp MNT GSK

Eingeladene wissenschaftliche Vorträge 541 951

davon auf internationalen Veranstaltungen 442 669

Sonstige wissenschaftliche Vorträge 598 391

davon auf internationalen Veranstaltungen 386 293

Wissenschaftliche Posterpräsentationen 219 87

davon auf internationalen Veranstaltungen 108 58

Populärwissenschaftliche Vorträge 49 98

978 auf nationalen Veranstaltungen

1.956 2.934 auf internationalen Veranstaltungen

Vorträge und Präsentationen insgesamt

127 HOCHWERTIGE GRANTS

AN DER ÖAW LAUFENDE GRANTS 2015

MNT GSK

ERC Advanced Grants 6 1

ERC Starting Grants 8 5 ERC ERC Proof of Concept 0 0

ERC Consolidator Grants 1 0

Wittgenstein-Preise 2 2 FWF START-Preise 5 4

AN DER ÖAW 2015 NEU EINGEWORBENE GRANTS6

MNT GSK

ERC Advanced Grants 1 1

ERC Starting Grants 2 2 ERC ERC Proof of Concept 1 0

ERC Consolidator Grants 2 0

Wittgenstein-Preise 0 1 FWF START-Preise 2 0

PATENTE

2015 aktiv geführte Patentregistrierungen 41

6 Die Zuordnung der eingeworbenen Grants zum entsprechenden Berichtszeitraum erfolgte bei den ERC-Grants auf Basis des Datums des Vertragsab- schlusses, bei den FWF-Preisen auf Basis des Termins der FWF-Kuratoriumssitzung.

ÖAW ZAHLEN UND FAKTEN

NACHWUCHSFÖRDERUNG

STIPENDIAT/INN/EN 2015 NACH FACHBEREICH7

Fachbereich Gesamt m w

Naturwissenschaften 75 42 33

Technische Wissenschaften 7 4 3

Medizin 15 6 9

Veterinärmedizin 1 0 1

Sozialwissenschaften 41 17 24

Geisteswissenschaften 67 29 38

Gesamt 206 98 108

Im Jahr 2015 führten rund 80 Prozent der Geförderten ihr Forschungs- oder Dissertationsprojekt an einer Universität im Inland durch, zehn Prozent waren an einer außeruniversitären Forschungseinrichtung in Österreich tätig, die übrigen forschten im Ausland.

Gesamt 206

Frauen 108

Männer 98

0 50 100 150 200

BEWILLIGUNGSQUOTE8 2015

Anteil Anteil Anträge Bewilligungen Gesamtbewilligungsquote m w m w

Prae-Doc 315 41 % 59 % 92 38 % 62 % 29 %

Post-Doc 35 26 % 74 % 8 50 % 50 % 23 %

Gesamt 350 40 % 60 % 100 39 % 61 % 29 %

7 In dieser Aufstellung sind die Stipendiat/inn/en erfasst, die im Jahr 2015 im Rahmen der Programme APART, DOC, DOC-fFORTE und DOC-team finanziert wurden. 8 Erfasst sind hier für 2015 die Programme MAX KADE, DOC, DOC-team, L'ORÉAL, ROM, Stipendien der „Monatshefte für Chemie“. APART-Stipendien wurden 2015 nicht vergeben.

129 WICHTIGE ABKÜRZUNGEN

ACDH ÖAW-Institut Austrian Centre for Digital Humanities AIT Austrian Institute of Technology ALICE A Large Ion Collider Experiment APART Austrian Programme for Advanced Research and Technology BAS:IS Bibliothek, Archiv und Sammlungen der ÖAW BMLVS Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport BMWFW Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft BVA Biologische Versuchsanstalt CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin GmbH der ÖAW CERN Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire = Europäische Organisation für Kernforschung ChIP-Seq Chromatin ImmunoPrecipitation DNA-Sequencing CLARIN Common Language Resources and Technology Infrastructure CMC ÖAW-Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung CMS Compact Muon Solenoid Experiment DARIAH Digital Infrastructure for the Arts and Humanities DNA Desoxyribonukleinsäure DOC Doktorand/inn/enprogramm der ÖAW DOC-team Doktorand/inn/engruppen für disziplinenübergreifende Arbeiten in Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften ECTIL European Centre of Tort and Insurance Law Ed./Eds. Editor/s EM Ehrenmitglied der ÖAW EPS European Physical Society EPS-HEP European Physical Society Conference on High Energy Physics ERC European Research Council ESA European Space Agency ESI Erich-Schmid-Institut für Materialwissenschaft der ÖAW ESR ÖAW-Institut für Europäisches Schadenersatzrecht ESS Forschungsinitiative Earth System Sciences EU Europäische Union FAIR Facility for Antiproton and Ion Research FFG Forschungsförderungsgesellschaft FRM-II Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz FWF Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung GMI Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie GmbH der ÖAW GSK Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften HEPHY ÖAW-Institut für Hochenergiephysik Hg. Herausgeber/in ICLTT ÖAW-Institut für Corpuslinguistik und Texttechnologie IFI ÖAW-Institut für Iranistik IGF ÖAW-Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung IIASA Internationales Institut für angewandte Systemanalyse, Laxenburg IKAnt ÖAW-Institut für Kulturgeschichte der Antike IKGA ÖAW-Institut für Kultur- und Geistesgeschichte Asiens

ÖAW ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

IKM ÖAW-Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen IKT ÖAW-Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte ILL Institut Laue-Langevin IMAFO ÖAW-Institut für Mittelalterforschung IMBA Institut für Molekulare Biotechnologie GmbH der ÖAW INZ ÖAW-Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung IQOQI ÖAW-Institut für Quantenoptik und Quanteninformation ISA ÖAW-Institut für Sozialanthropologie ISF ÖAW-Institut für Schallforschung ISR ÖAW-Institut für Stadt- und Regionalforschung IST Austria Institute of Science and Technology Austria ITA ÖAW-Institut für Technikfolgen-Abschätzung IWF ÖAW-Institut für Weltraumforschung JCR Journal Citation Reports J-PARC Japan Proton Accelerator Research Complex JESH Joint Excellence in Science and Humanities JETL Journal of European Tort Law k.M.A. korrespondierendes Mitglied der ÖAW im Ausland k.M.I. korrespondierendes Mitglied der ÖAW im Inland KEK High Energy Accelerator Research Organization M.J.K. Mitglied der Jungen Kurie der ÖAW MAX KADE Programm der Max Kade-Foundation MINT Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik MN mathematisch-naturwissenschaftlich MNT Mathematik, Naturwissenschaften und Technik NASA National Aeronautics and Space Administration NÖ Niederösterreich ÖAI Österreichisches Archäologisches Institut ÖAW Österreichische Akademie der Wissenschaften OREA ÖAW-Institut für Orientalische und Europäische Archäologie PANDA Antiproton Annihilations at Darmstadt PH philosophisch-historisch PhA Phonogrammarchiv der ÖAW PNAS Proceedings of the National Academy of Sciences RICAM Johann Radon Institute for Computational and Applied Mathematics der ÖAW RNA Ribonukleinsäure ROM Stipendien des BMWFW am Historischen Institut beim Österreichischen Kulturforum in Rom SCI Science Citation Index SMI Stefan-Meyer-Institut für subatomare Physik der ÖAW TA Technikfolgenabschätzung TEUR Tausend Euro UN United Nations UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization VCQ Vienna Center for Quantum Science and Technology VID ÖAW-Institut für Demographie w.M. wirkliches Mitglied WWTF Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds

131 IMPRESSUM

HERAUSGEBER Präsidium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Dr. Ignaz Seipel-Platz 2, 1010 Wien www.oeaw.ac.at

REDAKTION Sven Hartwig, Stefan Meisterle, Angelika Eckel Öffentlichkeit & Kommunikation der ÖAW

GESTALTUNG Zwischen Den Hirschen Grafik, Wien

DRUCK Gröbner Druckgesellschaft m.b.H.

Alle Rechte vorbehalten Copyright © Mai 2016 Österreichische Akademie der Wissenschaften