Der Herr Der Bilder. Vorstellungslenkung Und Perspektivierung Im „Laurin“*
4 10.3726/92140_487 487 BJÖRN REICH Der Herr der Bilder. Vorstellungslenkung und Perspektivierung im „Laurin“* „Czu Berne waz geseßen / eyn degen so vormeßen /der waz geheysen Dytherich“ 1 (VV. 1 ff.) – so lauten die ersten Verse des Laurin. Dieser Prolog mit der waz gesezzen- Formel und dem anschließenden ‚Heldenvergleich‘, wie er sich ähnlich im Sigenot oder 2 Eckenlied findet, bildet den typischen Textbeginn für die aventiurehafte Dietrichepik. Wie so oft geht es um die Frage nach der Exzellenz Dietrichs von Bern. Diese Exzellenz – wiewohl zunächst im Herrscherlob bestätigt („sie pristen en vor alle man“, V. 19) – wird (ähnlich wie im Eckenlied) sogleich durch Hildebrand in Frage gestellt, der darauf hinweist, dass Dietrich die Aventiure der Zwerge unbekannt sei. Es geht wieder einmal 3 darum, das Heldentum Dietrichs auszuloten oder besser, das ‚Bild‘/die imago, die Vorstel- lung von dem, was bzw. wer ‚Dietrich‘ sei, zu umkreisen, denn die fama Dietrichs sichert ihm nie einen festen Status, immer wieder keimen Zweifel an seinem Heldentum auf.4 Bei der Frage nach dem ‚Bild‘ Dietrichs von Bern, also der Frage danach, ob die positiven Vorstellungen, die man sich von Dietrich macht, gerechtfertigt sind oder nicht, ist der Laurin ein besonders interessanter Text: Dietrich bekommt es hier mit einem Gegner zu tun, der sich als ein wahrer Meister der ‚Bilder‘ und grandioser Manipula- tor von Vorstellungen entpuppt. Im Folgenden soll gezeigt werden, welche bildsteuernde, imaginationsbeeinflussende Kraft der Zwerg Laurin besitzt und wie sie zur Gefahr für Dietrich und seine Gesellen wird (I.). An das Thema der imaginativen Manipulation anschließend, wird die Handlung des Textes einem ständigen Wechsel von Perspek- tivierungen unterworfen (II.).
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