Heft 3/2010 · www.uni-.de/journal

Zwischen Nildelta und Kap der Guten Hoffnung Wissenschaft rund um Afrika 2 journal Universität Leipzig 3/2010 Afrika ist fast überall

An Anlässen, über Afrika zu schrei- ben, herrscht in diesen Zeiten kein Liebe Leserinnen Mangel. Als ich 1980 in Mali zum ersten Mal afrikanischen Boden be- und Leser, trat, interessierte Afrika meist als Krisen- und Katastrophenkontinent – und war jedenfalls dunkel. Das hat sich geändert. Politisch sind sei- Afrika – ein Titel fürs Journal, der ne Staaten stabiler geworden; wirt- zum Jahr der Fußball-WM in Süd- schaftlich kann der Kontinent auf sei- ne stärkste Wachstumsphase seit der afrika ebenso passt wie zu den be- Unabhängigkeit zurückblicken und ist eindruckend vielen wissenschaft- erstaunlich gut durch die globale Fi- lichen Projekten zwischen diesem nanzkrise gekommen. Kontinent und der Universität Heute vergeht kein Tag, ohne dass Leipzig. Schwierig war es, aus einer Medien die neue Konkurrenz mit so großen Anzahl von Themen eine China,­ Indien oder Brasilien auf afri­ relativ kleine Auswahl treffen zu kanischem Boden beleuchten, zum müssen! Immerhin präsentiert sich Teil in grellen Farben. Das erinnert an unser Titel nun aber doch auf zehn den »Scramble for Africa« in den 1880er Jahren, dem die Afrikanistik ihre Seiten. Entstehung mitverdankt. Die Fußball-Weltmeisterschaft, die in diesem Jahr in Südafrika stattfindet, ist nur der i-Punkt auf diesem neuen Interesse für Auf seine Art mindestens ebenso unseren Nachbarkontinent. Heute ist es eine gute Investition, sich mit Afrika zu beschäftigen, und eine spannende Herausforderung, seine immensen spannend ist der Start der zwei- Probleme von Armut bis Klimawandel mitzudenken. ten Runde der Exzellenzinitiative Das langjährige Gravitationszentrum der Afrikawissenschaften an unserer von Bund und Ländern. Zum 30. Universität ist das Institut für Afrikanistik. Es konzentriert sich auf den sub- April 2010, Stichtag für die Abga- saharischen Raum. Es wird in diesen Tagen fünfzig Jahre alt, und auch die be der Absichtserklärungen, hat Gründung im Oktober 1960 war nur eine Wiedergeburt nach Expeditio- die Universität Leipzig bekannt nen und Arbeiten, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Die hiesige gegeben, dass sie sich in allen drei Afrikanistik hat im Vergleich mit anderen Universitäten eine außergewöhn- Förderlinien bewerben wird. Mehr liche fachliche Breite – Gesellschaft, Geschichte, Kultur, Politik, Wirtschaft, zur Teilnahme und vor allem zur Sprachen und Literaturen. Sie ist in Schwerpunktprogrammen und Gradu- 2006 im Rahmen der ersten Runde iertenkollegs der DFG federführend engagiert und berät große deutsche eingeworbenen Graduiertenschule Unternehmen bei der Ausweitung ihrer Aktivitäten südlich der Sahara. lesen Sie ab Seite 24. Aber das Nachdenken und Arbeiten über Afrika verteilt sich viel breiter an dieser Universität. Die Ägyptologie, Orientalistik, Altorientalistik und Ethnologie haben einen Schwerpunkt auf Geschichte und Gegenwart des Viel Spaß bei der Lektüre wünscht nördlichen Teils. Von den Juristen über die Politologen zieht sich der Faden all derer, die über Afrika arbeiten, bis hin zu den Medizinern und klassi- schen Naturwissenschaftlern. Am neugegründeten Centre for Area Studies Manuela Rutsatz , (CAS) wird der Kontinent regionalwissenschaftlich quer gedacht. Leipzig Leiterin der Pressestelle pflegt Partnerschaften mit einem halben Dutzend Hochschulen von Kairo bis Stellenbosch. Afrika ist gegenwärtig, auch jenseits der Tore der Universität, fast überall. Prof. Dr. Helmut Asche Direktor des Instituts für Afrikanistik

journal Universität Leipzig 3/2010 1 UniVersum Südafrika vor 150 Jahren Leibniz- Diese in den 1860er Jahren am Kap aufgenommenen Porträts gehören zu Professor 4 den zirka 5.000 historischen Fotogra- Philosophierender fien aus Afrika, die seit 2003 unter der : Igor Primoratz. Leitung von Prof. Dr. Adam Jones vom Bewegung im Tanzarchiv 6 Institut für Afrikanistik in den Missions- Lebendige Auseinandersetzung archiven von Hermannsburg, Herrnhut Universitätsorchester mit . und Leipzig ausgesucht und nach den Impressum 7 Richtlinien des Internet Mission Photo- blickt auf graphy Archive veröffentlicht wurden. red. Mitteilungen und Berichte für die An- gelungene erste Konzertreise. gehörigen und Freunde der Universität 600 Jahre Musik Leipzig http://digitallibrary.usc.edu/impa UniversitätWas hinter dem Leipzig Umschlag von 8 Herausgeber: „ an der (Signaturen v.l.n.r.: FS-FA 1.28, FS- Rektor der Universität Leipzig, “ steckt. FA1.5, NMF_Foto_50, Fotos: Unitätsar- Ritterstraße 26, 04109 Leipzig chiv Herrnhut) Chefredaktion und V.i.S.d.P.: Kennt technisch jeden Raum der Dr. Manuela Rutsatz Wieland Flick 9 Alma Mater Lipsiensis: Redaktion: Dipl. Journ. Katrin Henneberg Kabinettausstellung Robert Telefon: 0341 97-35024 . Telefax: 0341 97-35022 Schumanns 200. Geburtstag 10 E-Mail: [email protected] ehrt Ein Bäumchen für Bigl. Namentlich gekennzeichnete Beiträge­ . geben die Meinung der Autoren wieder. Afrika Elisabeth / Wie Afrikas urbane Ballungszentren ebenso Gestaltung, Herstellung und Anzeigen: Karg-Gasterstädt.Leipzigs planmäßig erste Profes- 11 wpunktw kommunikation und wie verschiedene Naturschauplätze die sorin: die Germanistin ­Wissenschaftler der Uni Leipzig beschäftigen. werbung gmbh Kustodie-Verwaltung Telefon: 0341 2267070 15-23 E-Mail: [email protected] 12 residiert Studienin- Druck: wieder im Kroch-Haus. Messedruck Leipzig GmbH formationstag Auflage: 10.000 FamilienangebotEhrenpromotion beim 13 . / Steffen Heitmann Titelbild: wpunktw erhält . Das Journal kann gegen Übernahme der Versandkosten bezogen werden bei: Titelthema Leipziger Universitätsverlag GmbH Afrika Oststraße 41, 04317 Leipzig Telefon/Fax: 0341 9900440 15 ist fast überall ein E-Mail: [email protected] DFG-Schwerpunkt- Thema. Die Redaktion behält sich vor, eingesand- programm te Artikel zu redigieren und zu kürzen. Neues Bei unverlangt eingesandten Manu- 16 unterstützt inter­ skripten besteht keine Gewähr für einen Centre for Area Studies Abdruck. disziplinäre­ Kooperationen. Der Nachdruck von Artikeln ist gestattet, 17 sofern die Quelle angegeben wird. Ein eröffnet Belegexemplar an die Redaktion wird Außenstelle in Kamerun. erbeten. medizinischen Krieg und Armut steigern die Redaktionsschluss dieser Ausgabe: Herausforderungen 18 07.05.2010 Der Ärzteaustausch ISSN 1860-6709 . hybrider Kul-

turraum. braucht Ideale.19 Foto: Xenia Dwertmann / Der Maghreb bleibt Staub aus der afrikanischen

Wüste Wie 20 die Atmosphäre beeinflusst.

2 journal Universität Leipzig 3/2010 Inhalt

Stumpfkrokodile

Auch haben ein Zuhause: Genforscher finden die 21 Heimatdressen der in Europa Fossile Flusspferdzähne gehaltenen Tiere heraus. 22 verraten Geheimnisse des Nils. Erkundetder bereits Ethnologe über 40 Bernhard Jahre StreckWesen und Weisheit afrikanischer23 Völker: . Forschung Xhosa-Frau Der Xhosa-Häuptling Kreli, Johannes Frans, Aufseher der auch Sarhili genannt Herrnhuter Brüdergemeinde BuildMoNa in Goedverwacht 24 Graduiertenschule Uni Leipzig zieht Zwischenbilanz. Exzellenzinitiative 25 wieder bei Schlumberger dabei. Stipendium TeilchenDoktorandin gefährdet erhält Erbgut. 26 . / Neu entdecktes Elfmeterschießen –

27 Verkehrsinfrastruktur- reine Nervensache? finanzierung 28 Service prüft Zellkulturen auf dem Prüfstand. 29 . Fakultäten und Institute

Foto: Waltraud Grubitzsch LIFE 30 Die Neuen bei . / Der Neue BuildMoNa Opfer und Täter in der Informatik. Prof. Marius Grundmann (Mitte), stellvertreten- der Sprecher der Graduiertenschule finden BuildMoNa – dem erfolgreichen Projekt 31 sich in vielen Wirtschafts- innerhalb der Exzellenzinitiative des Bundes – Cochlea-Implantat-Zentrum sagt auch zur Halbzeit: „Wir nehmen nur die unternehmen. Besten.“ 32 24 Das macht die Welt wieder hörbar.

Schumannausstellung In der Albertina illustrieren wenige Einzel- stücke Leben und Schaffen des Komponisten Robert Schumann anlässlich seines 200. Geburtstages. Gesichter der Uni 11 10 Kurz gefasst 33 Personalia 34 Foto: UB Leipzig Nomen 35

journal Universität Leipzig 3/2010 3 UniVersum

Der in Australien lebende, 64-jährige Igor Primoratz philosophiert als derzeitiger Leibniz-Professor über die Moral von Sex und Terrorismus. Foto: Katrin Henneberg

In Belgrad, Jerusalem und Melbourne hat Prof. Dr. Igor »Es ist nicht Primoratz bereits gearbeitet. Seine aktuelle wissenschaft- liche Tätigkeit am »Centre for Applied Philosophy and ­Public Ethics« an der Charles Sturt Universität von Canber- akzeptabel, dass ra unterbricht der Philosoph derzeit für die Besetzung der Leibniz-Professur im Sommersemester 2010. Der gebürtige Moskauer­ beschäftigt sich vor allem mit moralischer und alles erlaubt ist« politischer Philosophie. Katrin Henneberg sprach mit dem 64-Jährigen über moralische Fragen und seine Tätigkeit an Für den Philosophen Igor Primoratz, Leibniz- der Universität Leipzig. Professor im Sommersemester 2010, heiligt der Zweck nicht immer die Mittel

4 journal Universität Leipzig 3/2010 Frage: Herr Prof. Primoratz, Sie stellen Patriotismus, Ter- rorismus oder Sex ehtisch-moralischen Wertvorstellun- gen gegenüber. Das sind weite Themenfelder. Wo setzen ten oder erpressen. Deshalb braucht sexuelles Verhalten Re- Sie da an? geln und ist ein Feld moralischer Beurteilung. Am konkreten Beispiel ergeben sich Fragen wie: Wie ist der moralische Status einer Institution wie der Ehe? Oder noch spezifischer: Sollte sie Zunächst natürlich bei einer Art Analyse des Konzepts, das bleiben, wie sie ist, oder sollten wir homosexuelle Ehen erlau- heißt zum Beispiel: Was ist Terrorismus? Wenn der Begriff er- ben? Das heißt, sollten Gesetze aus moralischen Gründen geän- klärt ist, kann man mit der Diskussion der moralischen Stand- dert werden, weil dies sonst eine Art ungerechtfertigter Dis- punkte weitermachen. Mein Hauptgebiet ist die Ethik, deswe- kriminierung ist? Moralische Fragen werfen auch Ehebruch, gen bin ich an der Moral verschiedener Aktivitäten, Praktiken WasProstitution wäre denn oder eine Vergewaltigung Regel für sexuelles auf. Verhalten? Wasoder genauInstitutionen interessiert interessiert. sie beispielsweise an der »Praktik« Terrorismus? Es gibt keine pauschale Formel. Aber eine wichtige Richtlinie ist: »Verletze den anderen nicht!« Außerdem muss sexuelle In- Gewalt ist moralisch faszinierend. Terrorismus ist wahr- Interaktion Ihrer Antrittsvorlesung auf dem Konzept gegenseitiger haben Sie über Einwilligung den Zusammen basieren.- scheinlich die am schwierigsten zu rechtfertigende Art von hang zwischen Patriotismus und Ethik referiert, wo liegt Gewalt, weil sie Unschuldige angreift, sie sind Opfer. Man muss der? also darüber nachdenken, warum bestimmte Menschen Terro- rismus unterstützen, warum sie so wütend sind, dass sie gegen die Grundlage verstoßen, dass Unschuldige geschützt werden Ein Großteil meiner Forschungsarbeit dreht sich um die Gibtmüssen. es darauf Die moralische überhaupt Frage eine ist: eindeutige Kann diese Antwort? Gewalt durch ir- Wechselwirkungen von Ethik und Politik und diskutiert mo- gendwelche Umstände überhaupt gerechtfertigt sein? ralische Probleme. Die Antwort auf die ethische Frage nach Patrio­tismus differenziert nach dem speziellen Typ. Er kann Einige derer, die Terrorismus durch krude Ideen kollektiver moralisch inakzeptabel und gefährlich sein, ebenso neutral Verantwortung rechtfertigen, argumentieren, dass die Opfer, oder moralisch verpflichtend.Wie sieht gefährlicher Patriotis- auch wenn sie Zivilisten oder normale mus aus? Bürger sind, nicht wirklich unschuldig sind. Andere rechtfertigen Terrorismus mit seinen Folgen und behaupten, er sei Er hindert Menschen daran, das einzige Mittel für einen politischen »Es gibt keine pauschale Sachverhalte abzuwägen, und oder sozialen Wandel, der um jeden Preis bringt sie dazu, Dinge für ihr erreicht werden müsse. Beides lehne ich Formel. Aber eine Land zu tun, die sie nicht tun ab. Meiner Meinung nach ist Terrorismus wichtige Richtlinie ist: sollten. Es heißt zwar: »Der fast absolut falsch und verwerflich. Mir Zweck heiligt die Mittel.« Aber fällt kein einziges historisches Beispiel Verletze den anderen es ist nicht akzeptabel, dass al- Sieein, das haben moralisch im damaligen zu rechtfertigen Jugoslawien wäre. nicht!« les erlaubt ist, um einen Staat studiert und gelehrt, später in Israel zu befördern oder zu verteidi- gearbeitet. Beides Länder, denen Terrorismus nicht fremd Was wäre im patriotischen Sinnegen. Das moralisch gilt für alles richtig? und jeden. ist. Wie hat das ihre Forschung beeinflusst?

Ethischer Patriotismus, der sogar verbindlich sein kann, In beiden Ländern ging es um ethnische Säuberungen: In Is- strebt danach, die moralische Integrität des eigenen Staates, rael/Palästina im Krieg 1948/49, im ehemaligen Jugoslawien Gerechtigkeit und Humanität innerhalb des Landes und über in den 90er Jahren. Der Konflikt zwischen Israel und Palästina seine Grenzen hinaus zu fördern. Das Problem ist natürlich, schließt bis heute Terrorismus von beiden Seiten ein. Er ist eine dass Patriotismus, wie wir ihn aus Erfahrung und Geschichte der offensichtlichsten Methoden für ethnische Säuberungen: kennen, nur selten hier zuzuordnen ist. Hier geht es um groß Das Töten der einen schürt die Angst der anderen, die darauf- und stark sein, darum zu dominieren und eine führende Rolle hin flüchten. Ich habe angefangen, mich damit zu beschäftigen, in der Welt zu spielen. Das hat sicher keine moralische Ausprä- als ich Anfang der 80er Jahre nach Israel gegangen bin. Denn Wasgung. aber hat diese moralische Ausprägung? wie könnte ich mich nicht für ihn interessieren, wenn der Ter- Einesrorismus Ihrer und Seminareseine Folgen am mir Institut ins Gesicht für starren? Philosophie heißt »Sexuelle Ethik”. Geht es auch hier um Opfer und Täter, Wenn beispielsweise das eigene Land einen aggressiven wenn ja inwiefern? Krieg führt, sich aber Menschen zusammenfinden, um dagegen Vielenzu protestieren. Dank für das Ein Gespräch! charakteristischer Slogan für ethischen Patriotismus ist »Nicht in meinem Namen!” Beim Sex, ebenso wie in anderen Lebenssituationen, können sich Menschen verletzen, Leid zufügen, manipulieren, ausbeu- journal Universität Leipzig 3/2010 5 UniVersum Foto: Stefan Malzkorn Fotos: Stefan Malzkorn

Die Szene »Ausloten« aus der Aufführung »Der Neue Mensch« der Hamburger Gruppe LIGNA. Das Tanzarchiv Leipzig setzt Wissen in Bewegung

as verbindet die choreographischen Ideen von so unter- nomene von Tanz und Bewegung auch einem größeren Kreis schiedlichen Künstlern wie Rudolf von Laban, ­Wsevolod von Interessenten erfahrbar machen. So gibt es seit Frühjahr Meyerhold, Bertolt Brecht und Charles Chaplin? In der Auf- 2009 die Reihe »Tanz – Archiv – Labor«, bei der regelmäßig führung »Der Neue Mensch« von der Hamburger Gruppe Künstler, Experten und Wissenschaftler mit ihrer Arbeit vor- LIGNA werden Bewegungsfolgen, die alle aus der Zeit der spä- gestellt werden. In diesem Kontext stand auch die internatio- Wten Zwanziger Jahre stammen, durch die Teilnehmer selbst nale Tagung »ARCHIVE / PRACTICE«, die das Tanzarchiv Ende ausprobiert. Dabei gibt es keine Zuschauer mehr – alle Beteilig- 2009 in Kooperation mit der Universität, dem Theater LOFFT ten können sich über kleine Radioempfänger und Ohrhörer die und dem Festspielhaus Hellerau veranstaltet hat, mit Vorträ- entsprechenden Bewegungsfolgen aneignen und ausführen, je- gen, Gesprächsrunden und Aufführungen. Dabei ging es vor der für sich und doch gemeinsam. Diese Arbeit wird am 24. Juni allem um die gegenwärtige Auseinandersetzung von Tänzern am Schauspiel Leipzig zu erleben sein, im Rahmen eines vom und Choreographen mit Techniken der Dokumentation und Re- Tanzarchiv Leipzig veranstalteten internationalen Festivals. konstruktion. Seit seiner Gründung 1957 hat sich das Tanzarchiv als Doku- Vom 24. bis 26. Juni veranstaltet das Tanzarchiv erneut eine mentations- und Forschungseinrichtung für alle Aspekte von internationale Konferenz, verbunden mit dem Festival »play! Tanz- und Bewegungskultur verstanden. So ist es heute eine LEIPZIG – Bewegung im Stadtraum«, mit speziell für Leipzig Institution der lebendigen Auseinandersetzung mit dem Tanz erarbeiteten Performances und Aktionen zu Erinnerungsorten und seinen vielfältigen Kontexten in Geschichte und Gegen- im Stadtraum, in Kooperation mit der Universität, dem Cent- wart. Mit dem Teilnachlass von Rudolf von Laban (1879-1958), raltheater, der Statens Teaterskole Kopenhagen und der Schau- dem Erfinder einer international verbreiteten Tanznotations- bühne Lindenfels, gefördert durch die Kulturstiftung des Bun- form, verfügt das Archiv über einen herausragenden Bestand, des. Begleitend dazu läuft im Sommersemester eine Reihe von grundlegend für die aktuell viel diskutierte­ Rekon­struktion Lehrveranstaltungen, in denen Studierende an die theoreti- moderner Tanzaufführungen. Neben den über 30 weiteren schen und praktischen Aspekte des Programms herangeführt Nachlässen von Tanzkünstlern und -wissenschaftlern, etwa werden. Ein weiteres Beispiel dafür, wie das Tanzarchiv auch der des Leipziger Choreographen Uwe Scholz, 1958-2004, um- in Zukunft für Forschung und Lehre der Universität genutzt fasst das Archiv auch Vorlässe von gegenwärtig aktiven Künst- Prof.werden Dr. Patrickkönnte, Primavesi, noch über die Fakultät für Geschichte-, Kunst- lern, wie dem renommierten Choreographen Thomas Lehmen Institutund Orientwissenschaften für Theaterwissenschaften hinaus. (*1963). www.tanzarchiv-leipzig.de Dem Austausch über die Sammlungsbestände und ihre kul- www.playLEIPZIG.de turellen, ästhetischen und zeitgeschichtlichen Kontexte dient eine Vielzahl von Veranstaltungsreihen und Tagungen, die Phä- 6 journal Universität Leipzig 3/2010 Universitätsorchester erstmals auf Reisen Im Zusammenspiel mit musikalischen Kooperationspartnern aus drei Städten sammelten die 79 Musiker wertvolle Erfahrungen

rstmals auf Reisen, hat sich das Universitätsorchester Ende besuchern und in Anwesenheit des Rektors Prof. Häuser und März in München, Bologna und Mailand mit Werken von seiner Frau brachte man in der Aula Magna di Santa Lucia zwei Schumann, Bartók und Brahms präsentiert. Die 79 Leipziger Chorwerke von Schumann und Brahms zur Aufführung. »Für Musiker, unterstützt durch das Münchener Abaco-Orchester, das Universitätsorchester und unseren künstlerischen Leiter sorgten für einen gelungenen Auftakt. Wertvolle Erfahrungen Kiril Stankow war es das erste Projekt mit Chor überhaupt und Esammelten die Mitglieder des Universitätsorchesters dann hat den Wunsch geweckt, verstärkt diese Zusammenarbeit zu auch mit den Mailänder Austauschpartnern: »In der Sala Verdi­ suchen«, sagt Binder. »Durch die gemeinsamen Proben, aber des Konservatoriums erwartete uns ein großes Publikum auch durch das Rahmenprogramm, das der Chor aus Bologna – und das trotz eines vielfältigen musikalischen Abendange- für uns gestaltet hat, konnten wir vielfältige neue Kontakte bots in der Stadt«, erzählt Anna Maria Binder vom Organisa- knüpfen und einen regen Austausch unter den Musikern genie- tionsteam. »Das Musikleben schien der ausgeprägten Mode- ßen«, schwärmt Sarah Niebergall, die ebenfalls dabei war. kultur, für die die zweitgrößte italienische Metropole bekannt Der Coro dell’Università di Bologna und sein Orchester wer- ist, in Nichts nachzustehen.« Der Auftritt sei eine inspirierende den am 18. Juli 2010 um 20.00 Uhr ein Konzert in der Peters- Herausforderung gewesen. Nun freue man sich auf den Gegen- kirche geben. »Unsere Reise ist also nicht vorbei – mit diesem besuch des Orchestra dell’Università di Milano im April kom- Gegenbesuch geht das Projekt weiter und die Freude am ge- menden Jahres. redmeinsamen Musizieren wird auch in Leipzig hörbar«, so Nie- Den Höhepunkt der Reise bildete das Kooperationskonzert bergall. mit dem Coro dell’Università di Bologna. Vor über 900 Konzert- In München, Bologna und Mailand zeigten die Leipziger ihr Können. Foto: Valerio Camarda

journal Universität Leipzig 3/2010 7 UniVersumForschung

Reigen der Musen im Brunnen der Weisheit Die Buchumschlaggestaltung des Bandes »600 Jahre Musik an der Universität Leipzig« atmet den Stil und Geist der Renaissance

in imposanter Sammelband mit dem Titel »600 Jahre Mu- und beeren- und blütenbesetztem Akanthusrankenwerk wur- sik an der Universität Leipzig« belegt seit kurzem, dass die de im ausgehenden 14. Jahrhundert in Böhmen entwickelt und Universität seit ihrer Gründung auf eine unvergleichlich viel- verbreitete sich im 15. Jahrhundert im gesamten deutschen Be- fältige Musikgeschichte zurückblickt und bis zum heutigen reich, doch das Binnenfeld des D-Buchstabens ist schon ganz Tage einen wichtigen Anteil am musikalischen Geschehen der im Sinne der Renaissancekunst als ein Fenster zur Welt aufge- EStadt leistet. Für den Buchumschlag wurde ein Motiv aus dem fasst, durch das der Blick auf eine seltsame Szenerie fällt: Neun Archiv der Universität gewählt, dessen genauere Betrachtung nackte Frauen sitzen in einer gewaltigen Brunnenschale inmit- Spannendes offenbart. ten einer hügeligen Landschaft, die meisten von ihnen halten Im ersten Matrikelbuch der Universität werden die Einträ- Musikinstrumente in der Hand. ge zum Wintersemester 1512/1513 mit einer aufwändig ge- Die architektonische Form des Brunnens, der perspektivisch stalteten Schmuckseite eröffnet, die der Wahl des Magisters aufgefasste Naturraum und nicht zuletzt die Wiedergabe des Johannes Beuschel/Tuberinus aus Rothenburg/T. zum Dekan nackten weiblichen Körpers: All das atmet Stil und Geist der der Philosophischen Fakultät gewidmet ist. Die sorgfältig aus- Renaissance. Passend zu dieser Bildsprache ist das inhaltliche geführte Buchmalerei beleuchtet schlaglichtartig die huma- Programm der Darstellung von humanistischer Verehrung der nistische Aufbruchsstimmung an der Universität im frühen 16. griechisch-römischen Antike getragen. Wie die Aufschrift auf Jahrhundert. Zwar ist die Form der Prachtinitiale stilistisch der Brunnenschale besagt, sehen wir hier den Quell Hippokre- noch spätmittelalterlichen Vorbildern verpflichtet – der Typus ne, der dem Hufschlag des Pegasus entsprungen ist, die Heim- der Feldinitiale mit dreidimensional-vegetabilem Ornament statt der Neun Musen. Griechische Beischriften – frühe Zeugnisse für die Grie- chisch-Pflege an der Alma mater Lipsienis – kennzeichnen die Frauengestalten als die Musen. Es handelt sich um Zitate aus Hesiods Theogonie (Vers 104), wie die Stelle Chairete tekna dios ('Heil Euch, Töchter des Zeus') auf dem Schriftband unter dem Brunnen. Umlaufende Inschriften auf dem Initialen-Rah- men, ausgeführt in der feierlichen Schriftart der römischen Capitalis, versammeln Verse aus Dichtungen Vergils, in denen ebenfalls auf die Musen Bezug genommen wird, zum Beispiel den Musenanruf aus Georgica (Buch 2, Vers 475) Dulces ante omnia Musae ('lieblich vor allem, Ihr Musen'). Die Philosophi- sche Fakultät stellte sich damit im Semester von Beuschels De- kanat ganz unter ein humanistisches Programm. Die ersten beiden Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts waren auch eine Phase, in der eine vertiefte Pflege von Musikkunde und -praxis im Umkreis der Leipziger Universität festzustellen ist. Die Bedeutung der Alma mater als Stätte, an der sich musi- kalische Begabungen trafen und entwickelt wurden, wie dies für die folgenden Jahrhunderte kennzeichnend werden sollte, scheint in dieser Zeit ihren Anfang genommen zu haben. Und es ist, als ob die auf ihren zeitgenössischen Instrumenten mu- Foto:Universitätsarchiv Dr. Christoph Mackert sizierenden Musen hierzu die Ouvertüre spielen. Brunnen der Weisheit 600 Jahre Musik an der Universität Leipzig . Aufsatzsammlung Blatt aus dem ersten Immatrikulationsbuch, und Nachschlagewerk von 28 renommierten Autoren, Hrsg. Eszter Wintersemester 1512–1513. Fontana. 512 Seiten, 158 meist farbige Abbildungen, 39,80 €

8 journal Universität Leipzig 3/2010 Der gute Geist Schaltet und waltet bis in den letzten Winkel von rund 280 Gebäudeteilen

ein Blick ist schwärmerisch, er lächelt: Während Wieland Flick von der Uni Leipzig – damals in der jungen DDR oder der Zeit nach der politischen Wende – erzählt, blüht er auf. Wie sehr er doch die Frauenstatuen im bewundert hat Von der ersten Stunde in den 70ern an in der Gebäudeleittechnik und wie gut er sich an den Kuss seiner ersten Liebe hinter den S beschäftigt, kennt er – zumindest grafisch – jeden Raum der Universität: Säulen des alten Haupteingangsportals erinnern kann. Wieland Flick. Dem Leipziger ist die Alma Mater Lipsiensis in Fleisch und Blut übergangen, auch beruflich. Seit 37 Jahren an ihr tätig, gehört der Schichtleiter der Gebäudeleittechnik selbst zur Historie. Schon als er im Juni 1973 als Klempner/Installateur begann, wusste er, dass die Arbeit ihn begeistern würde. Die Übernahme des „Uni-Riesen“ stand unmittelbar bevor, als er in den Tiefen des Kellers Räume bezog. »Der Neubau hat mich von Anfang an inspiriert«, erzählt der Flick. Auch die historischen Gebäude hätten ihm immer gefal- len. Die Sprengungen von 1968 sah er mit eigenen Augen – neu- gierig wie traurig darüber, »dass dieser wunderschöne Sak- was zu tun ist, wenn es zu Bränden, Explosionen, einer Bom- ralbau, der den Krieg überstanden hatte, jetzt zerstört wird.« bendrohung oder einfach nur einem stecken gebliebenen Auf- HeuteFoto: erlebt Flick die dritte wechselnde Kulisse am Campus: zug kommt. »Das Neue in Anlehnung an das Alte gefällt mir eigentlich am Ans Aufhören denkt Flick noch nicht. Eher daran, was tech- besten, aber wegen der Vorgänger habe ich mich um eine An- nisch noch erweitert wird, wenn Augusteum und Paulinum stellung beworben.« Als es 1974/75 darum ging, eine Leittech- einmal fertig sind: »Allein, was klimatechnisch notwendig nikzentrale zu entwickeln »wie sie sonst nur der Palast der Re- wird, wenn die Kustodie mit all ihren Kunstschätzen ein- publik und die Uni Jena hatten«, wollte er unbedingt dabei sein, zieht.« Spannend sei es immer gewesen: »Heute wie damals zu um »von einem zentralen Ort aus die gesamte Haustechnik – Zeiten des Neubaus oder als es 1993 mit der Modernisierung Heizung, Lüftung, Sanitär, Elektrotechnik« mit zu steuern. Der richtig losging.« 24-Stunden-Schichtdienst stört ihn bis heute nicht. Immer noch schwärmerisch und lächelnd blättert Flick in Aus einem klobigen Schaltpult wurde nach und nach ein einem Hefter voller Weiterbildungszertifikate und erzählt Computer-Arbeitsplatz mit 2200 grafischen Bildern zum Ein- von der »Zeit des Umdenkens nach der Wende«. Zum 40-jäh- wählen in alle rund 280 Gebäudeteile der Universität: Mit rigen Dienstjubiläum in drei Jahren hegt er einen besonderen 34.000 Datenpunkten, wie Luftfeuchtigkeit, und allein 3.000 Wunsch: eine Freikarte für alle Einrichtungen der Universität zu überwachenden Rauchmeldern arbeitet Flick tagtäglich. – wie das Grassi Museum, den Botanische Garten, die Kustodie »Heute sitze ich vor acht Bildschirmen, an denen alle Daten zu- oder den Sportcampus – und die Zeit, alles einmal zu nutzen. sammenfließen, wo restlos alles geregelt wird.« »All die Räume, von denen man so oft gehört hat, voller Kunst- Ausnahmesituationen, »wie der Wintereinbruch am Silves- schätze, Pflanzenpracht und Historie zu bewundern«, die er terabend 1978/79, der flächendeckende Stromausfälle und »so oft nur als grafische Darstellung kennt«, sei sein Traum. All wochenlange Reparaturarbeiten nach sich zog«, sind seltener die Säle, Zimmer und Labore zu besuchen, in denen er sein Be- geworden. Auch die Demonstrationen und Studentenproteste, Katrinrufsleben Henneberg lang für gute Arbeitsbedingungen der Studenten und während derer Flick »viele lachen und weinen gesehen« hat. Mitarbeiter sorgte. Und die so genannte »Havariebenachrichtigungskette« regelt, journal Universität Leipzig 3/2010 9 UniVersumPersonalia

In die Ehe prozessiert Zum 200. Geburtstag Schumanns zeigt die UB einige bemerkenswerte Originale

ahlreiche Ehrungen begleiten in diesen Tagen ein großes rich Wieck« von 1839/40, die besondere Beachtung verdient. historisches Jubiläum: Robert Schumanns 200. Geburts- Der mit der Partnerwahl seiner Tochter unzufriedene, spätere­ tag am 8. Juni 2010. Der in erster Linie als Musiker bekannte Schwiegervater des Musikers hatte seine Zustimmung zur gebürtige Zwickauer, der gerade mal 46 Jahre alt wurde, war Heirat des Paares zunächst verweigert, so dass tatsächlich ge- weit mehr als nur ein gefeierter Komponist mit romantischer richtliche Schritte notwendig waren, um das väterliche Einwil- ZWeltanschauung. Literarisches Talent und die unbedingte ligungsrecht aufzuheben. Verehrung des Geniekults prägten ebenso die Persönlichkeit Aus dem Jahre 1851 stammen die Drei Fantasiestücke, op. Schumanns schon in jungen Jahren wie seine Neigung zum 111, von denen eine handschriftliche Stichvorlage eines Düs- Irrationalismus beziehungsweise seine ablehnende Haltung seldorfer Kopisten mit Korrekturen von Robert Schumann zu gegenüber jedweder Wissenschaftlichkeit. Am Rande bemerkt betrachten ist. Die Exposition enthält außerdem einen origi- umso erstaunlicher, dass er 30-jährig von der Universität Jena nalen Programmzettel des Gewandhauskonzertes vom 1. Ja- einen Doktor honoris causa erhielt. nuar 1846 mit einer frühen Aufführung des Klavierkonzertes Die Universitätsbibliothek Leipzig widmet eine kleine Ka- a-Moll, op. 54. Bewundernswert war übrigens auch die Solistin binettausstellung unter anderem Schumanns Privatleben. Im khdes Abends selbst: Clara Schumann, die als eine der exzellen- Eingangsbereich zum Ausstellungsraum in der Bibliotheca »Roberttesten Pianistinnen Schumann zum ihrer Gedenken«. Zeit galt. Kabinettausstellung zum Albertina werden einige Einzelstücke präsentiert. Unter den 200. Geburtstag. Noch bis 15. Juni 2010, täglich 10 bis 18 Uhr. seltenen Originalen befindet sich auch die Prozessakte zum Verfahren »Robert Schumann und Clara Wieck gegen Fried-

Unter den Seltenheiten der Kabinettausstellung befindet sich die »acta privata«, welche das väterliche Einwilligungsrecht zur Hochzeit von Schumann und Clara Wieck aufhob. Foto: UB Leipzig.

10 journal Universität Leipzig 3/2010 Ehrung Gesichter der Uni für Volker Bigl Elisabeth Karg-Gasterstädt (1886-1964)

reunde und Verwandte von Prof. Volker Bigl fanden sich am 13. Im Jahr 1952 wurde die Germanistin April im Friedenspark ein, um des Klara Elisabeth Karg-Gasterstädt zur fünften Todestages des ehemaligen Professorin mit vollem Lehrauftrag an Rektors der Universität Leipzig und der Universität Leipzig ernannt. Sie war FDirektors des Institutes für Hirnfor- damit die erste planmäßige Professorin schung zu gedenken. Ihm zu Ehren der Alma mater Lipsiensis. Drei Jahre pflanzten sie eine Winterlinde, ein später wurde die mittlerweile eme- Baum, der für seine Langlebigkeit ritierte Hochschullehrerin zudem als bekannt ist. Bei der kleinen Gedenk- ordentliches Mitglied in die Sächsische veranstaltung waren auch seine Wit- Akademie der Wissenschaften aufge- we, Dr. Marina Bigl, und seine Kinder nommen. Doch ihr Werdegang ist nicht Benjamin und Gunther anwesend. Es nur eine Erfolgsgeschichte, er spiegelt wurden die wissenschaftlichen und auch die Abhängigkeiten und begrenz- hochschulpolitischen Leistungen, ten Karrieremöglichkeiten von Akade- aber vor allem die große Menschlich- mikerinnen bis in die zweite Hälfte des keit des Altrektors hervorgehoben, 20. Jahrhunderts. der seine ganze Kraft in den Dienst Geboren wurde Karg-Gasterstädt 1886 bader Wissenschaft und der Universi- in Gröditz bei Riesa. Ihre Studienzeit tät Leipzig gestellt hat. war geprägt vom Ersten Weltkrieg, in dung. Dieser übertrug ihr auch – nach dem Studentinnen erstmals die Chan- ihrer Scheidung 1934 – die Bearbeitung ce erhielten, auch wissenschaftlich zu des Althochdeutschen Wörterbuchs. Die arbeiten. So wurde Karg-Gasterstädt maßgebliche Arbeit an diesem Werk ist vom Institutsdirektor Eduard Sievers als ihre wichtigste wissenschaftliche zur Bibliothekarin ernannt. Sie blieb es Leistung anzusehen. auch nach der Rückkehr der männlichen Erst 1946 konnte Frings sie an das Insti- Kommilitonen aus dem Krieg. Die Ger- tut zurückholen. In Anerkennung ihres manistin promovierte 1920 und wurde Wirkens wurde sie zur Professorin er- Institutsassistentin. Karg-Gasterstädt nannt – durchaus ein Höhepunkt ihres jedoch habilitierte sich nicht. Die be- Lebens. Doch zeigt sich auch hier die ruflichen Perspektiven für Akademike- strukturelle Abhängigkeit. So erfolg- rinnen blieben weiter schlecht, und es te die Ernennung erst spät, zwei Jahre genügte wohl, wenn ihr Mann, der Ger- vor ihrer Emeritierung, und konnte nur manist Fritz Karg, den unsicheren Kar- durch Frings erreicht werden, der neben riereweg des Privatdozenten ging. ihren fachlichen Fähigkeiten ihr »be- Nach der nationalsozialistischen Macht- scheidenes überlegenes frauliches We- ergreifung 1933 wurde sie als »Dop- sen« schätzte. Insofern ist das Jahr 1952 pelverdienerin« entlassen. Diese Maß- kein Symbol der Gleichberechtigung an nahme war in den wirtschaftlichen der Universität, zu groß waren die ge- Krisenjahren der Weimarer Republik schlechtsspezifischen Abhängigkeiten. vorbereitet worden und richtete sich Doch der Werdegang der Germanistin gegen arbeitende verheiratete Frauen. steht exemplarisch für eine allmähliche Nach ihrer Entlassung blieb Karg-Gas- AnnaFeminisierung Lux, Historisches der Wissenschaft, Seminar die terstädt jedoch mit dem Germanistik- nicht mehr aufzuhalten war.

Fotos: Randy Kühn professor Theodor Frings in Verbin-

Zu Ehren des ehemaligen Rektors der Universität steht jetzt eine Winterlinde im In der Reihe »Gesichter der Uni« sollen neben den berühmten »großen Friedenspark. Köpfen« der Alma Mater auch weniger bekannte Universitätsangehö- rige vorgestellt werden. Dunkle Kapitel der 600-jährigen Universitäts- [email protected] bleiben dabei nicht ausgespart. Anregungen und Manuskripte (mit Bildvorschlägen) richten Sie bitte an:

journal Universität Leipzig 3/2010 11 UniVersum

Kustodie-Verwaltung zurück im Kroch-Haus

ach anderthalb jährigem Interim in der Hainstraße ist die Verwaltung der Kustodie wieder ins Kroch-Haus zurück- gekehrt. Wechselausstellungen der Kustodie wird es dort nicht mehr geben, denn in diesen Räumen eröffnet das Ägyptische Museum im Sommer seine Dauerausstellung. Ab voraussicht- Nlich 2011 steht der Kustodie ein neuer Galerieraum auf dem modernen Universitätscampus am Augustusplatz, angrenzend an das große Foyer im Hauptgebäude, zur Verfügung. Alle Leihgaben sind inzwischen aus der Jubiläumsausstel- lung "Erleuchtung der Welt" zurückgekehrt, und können in der Dauerausstellung im Rektoratsgebäude in neuem Glanz be- sichtigt werden. Gezeigt werden Kunstschätze aus sechs Jahr-

hunderten, vom Mittelalter bis zur Gegenwart: Malerei, Plas- Foto: Marion Wenzel tik, Grafik und Kunsthandwerk, wertvolle Insignien aus der Blick in die Sammlung. Gründungszeit der Universität, Bildwerke und Stadtansichten aus verschiedenen Jahrhunderten, kostbare Porträts berühm- Öffnungszeiten: Studiensammlung, Ritterstraße 26, montags ter Persönlichkeiten und bedeutender Wissenschaftler. Eine von 11.00 bis 15.00 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung. Kabinettausstellung widmet sich Porträts von Frauen aus der Anmeldungen für Führungen unter 97 30 170 oder kustodie@ redGeschichte der Universität. Zum Herbstsemester wird es eine uni-leipzig.de. Sonderöffnung mit erweiterten Öffnungszeiten geben. Anzeige

Schnelllinienbus +++ täglich +++ preisgünstig +++ schnell Schnelllinienbus +++ täglich +++ preisgünstig +++ schnell

W-Lan s im Bu W-Lan s im Bu ko s tenlos ko s tenlos

14 Cent/min 14 Cent/min Hotline 01805 999 182 12Hotlinejournal Universität Leipzig 3/2010 01805 999 182

14 Cent/min

s

u B

o

l

m

n

i

e

t

n

a s

o

k s L - W Schnelllinienbus +++ täglich +++ preisgünstig +++ schnell Schnelllinienbus +++ täglich preisgünstig Hotline 01805 999 182 Studieninformationstag spricht die ganze Familie an

xzellente Beratung und Informationsangebote zur Vielfalt des Studienangebots der Universität Leipzig, außerdem ein buntes Rahmenprogramm in der Stadt und auf dem neu- en Campus genossen beim Studieninformationstag (SIT) am 8. Mai nicht nur potentielle zukünftige Studenten, sondern auch E»ältere Semester«. »Erstmals gab es ein spezielles Kennenlernpaket für Eltern & Co. Denn wie wir aus wissenschaftlichen Untersuchungen Foto: Jan Woitas wissen, sind sie bei der Wahl des Studienortes wichtige Ent- scheidungsträger«, erklärt Dr. Solvejg Rhinow von der Zent- Zahlreiche an einem Studium in Leipzig interessierte Schüler machten beim SIT von der Möglichkeit Gebrauch, gemeinsam mit ihren Eltern die ralen Studienberatung. Die Resonanz auf das Pilotprojekt sei vielfältigen Angebote zu nutzen. durchweg positiv gewesen.

Foto: Marion Wenzel Auf Zuspruch stießen neben umlagerten Ständen und gut besuchten Veranstaltungen vor allem die »Besichtigungsmög- lichkeiten für Wohnheime des Studentenwerks und erstmals auch für Studentenwohnungen der LWB«, so Rhinow. Dichte »Für das kommende Jahr werden wir auf alle Fälle darum Trauben bildeten sich um den eigens eingerichteten Shuttle- kämpfen, dass wir das Sonderangebot für Eltern im Rahmen service. Ein weiteres Highlight für die rund 2600 bis 3000 in- deskh SIT der Universität Leipzig verstetigen und weiter ausbau- teressierten Schüler und Eltern waren die Trabi-Entdeckungs- en können«, blickt Rhinow in die Zukunft. fahrten im Rahmen der Kampagne »Abenteuer FernOst«.

Ehrenpromotion für Steffen Heitmann

ie Juristenfakultät der Universität Leipzig verlieh die Eh- rendoktorwürde an Steffen Heitmann (Foto Mitte), Sächsi- scher Staatsminister für Justiz a.D., »in Würdigung seiner Ver- dienste um die Wiederherstellung einer unabhängigen Justiz im Freistaat Sachsen sowie um die Errichtung der Verfassung Ddes Freistaates Sachsen«, sagte Prof. Dr. Franz Häuser (rechts), Rektor der Universität Leipzig. Die Laudatio hielt Prof. Profes- sor Dr. Christoph Degenhart. Prof. Dr. D. h.c. Merle, Vizepräsi- dent des evangelischen Siedlungswerks e.V., würdigte in seiner Rede das sozialpolitische Engagement Heitmanns insbesonde- re in seiner Eigenschaft als Präsident des Evangelischen Sied- lungswerkes. Der 1944 in Dresden geborene Steffen Heitmann studierte Theologie und Altphilologie in Leipzig, und absolvierte eine Ausbildung als Kirchenjurist. Er arbeitete zunächst als Pfarrer und juristischer Referent bei der ev.-luth. Landeskirche Sach- sen. 1982 wurde er Leiter des Bezirkskirchenamts Dresden. 1990 bis 2000 war er Sächsischer Justizminister, 1993 kan- Foto: Wolfgang Zeyen badidierte er für das Amt des Bundespräsidenten. Mitglied des Sächsischen Landtages war Heitmann bis 2009.

journal Universität Leipzig 3/2010 13

14 Cent/min

s

u B

o

l

m

n

i

e

t

n

a s

o

k s L - W Schnelllinienbus +++ täglich +++ preisgünstig +++ schnell Schnelllinienbus +++ täglich preisgünstig Hotline 01805 999 182 Titelthema Carlos aus Serrekunda, dem urbanen Ballungsgebiet Gambias. Ein Kaugummi färbte ihm die Zunge blau.

Afrikaner an der Universität Leipzig

+ Insgesamt gibt es 184 afrikanische Studierende – Tendenz steigend. + Am häufigsten kommen sie aus Ägypten (43), Marokko (38), Kenia (13), Äthiopien (12), Sudan (10). + Ihre meistgewählten Fächer sind Sportwissenschaft (Trainerkurs), Informatik, Sept (Small Enterprise Promotion and Training), Medizin und Konferenzdolmetschen Arabisch. + Hauptberuflich beschäftigt sind zwei Professoren und zehn wissenschaftliche Mitarbeiter mit afrikanischer Staatsbürgerschaft – in den Fächern Afrikanistik, Physik, Informatik, Arabistik, und Erziehungswissenschaft.

+ An der Hochschulmedizin (Fakultät und Uniklinikum) arbeiten drei Foto: Christian Hüller/Panoflex afrikanische Ärzte. 14 journal Universität Leipzig 3/2010 Foto: Fabian Kegel

Hörsaal an der University of Dar es Salaam. Lehren und forschen mit Afrika

ie Lehre und Forschung über – und zunehmend auch mit – dierende aus acht Ländern eingeschrieben, im so genannten Afrika haben in Leipzig eine Tradition, die über 110 Jahre Trainerkurs 26 aus 16 Ländern. Auch im European Master zurückreicht. In einer wechselvollen Geschichte, in der sich die »Global Studies« sind regelmäßig Teilnehmer aus Afrika zu fin- Zeitläufe und unterschiedlichen Wissenschaftsverständnis- den. An den beteiligten Instituten für Afrikanistik beziehungs- se dieser Jahre brechen, stand seit der zweiten Hälfte des 20. weise Global Studies promovieren derzeit zehn Doktoranden DJahrhunderts die Institutionalisierung eines modernen Ver- aus Afrika; umgekehrt werden zwei Leipziger Doktorandinnen ständnisses von Afrikawissenschaften sowie die Sprachausbil- in einer Doppelbetreuung auch in Stellenbosch betreut. dung von afrikanischen Studenten am Herder-Institut an der Im Zuge der Studentenmobilität haben sich in den letzten Philologischen Fakultät im Vordergrund der Beziehungen zu Jahren Dar es Salaam und Stellenbosch als besonders attraktiv Afrika – sowohl unter DDR- wie auch unter Gesamtdeutschen erwiesen, wobei diese Mobilität wegen der notleidenden Finan- Vorzeichen. Am Institut für Afrikanistik der Fakultät für Ge- zen der Partneruniversitäten leider häufig eine Einbahnstraße schichte, Kunst- und Orientwissenschaften (GKO) wird heute darstellt. Die Dozentenmobilität konzentriert sich auf Stellen- zu Gesellschaft, Politik und Wirtschaft Afrikas, zur Kulturge- bosch (in beide Richtungen), auch dank der Mobilitätsoptionen schichte und Religion des Kontinents sowie zu Linguistik und im »Global Studies«-Konsortium, dem Stellenbosch angehört, Sprachen Afrikas gelehrt und geforscht. und die es erlaubt, dass Kollegen zu Lehre und Forschung nach Die Universität Leipzig unterhält Partnerschaften mit drei Leipzig kommen. Universitäten in Afrika: Addis Abeba University (Äthiopien), Der Stellenbosch-Schwerpunkt bildet sich auch in der For- Dar es Salaam (Tanzania) und Stellenbosch (Südafrika). Fa- schung ab. Prof. Dr. Evamarie Hey-Hawkins vom Institut für kultätsvereinbarungen bestehen zwischen der GKO und der Anorganische Chemie (BuildMoNa) kooperiert eng mit dorti- Nairobi University (Kenya) beziehungsweise der Makerere gen Kollegen zum Thema »Neuartige Malariamittel«; Prof. Dr. University (Uganda); die Philologische Fakultät pflegt eine Claus Altmaier (Herder-Institut) arbeitet mit dem Department Partnerschaft mit der Ain-Shams University Kairo (Ägypten), of Modern Foreign Languages zusammen; und Prof. Dr. Ulf En- die Fakultät für Physik und Geowissenschaften kooperiert gel (Afrikanistik) koordiniert eine Gruppe von Kollegen aus mit der Kenyatta University (Kenya) und der University of mehreren Fakultäten, die gemeinsam mit Stellenbosch eine the Free State (Südafrika); und die Medizinische Fakultät hat Doktorandenschule »Germany and South Africa in the new eine Partnerschaft mit dem Gondar College of Medicine (Äthi- world order« gründen wollen. Durch die Aktivitäten des DFG- opien). Unter dem DAAD-Sonderprogramm »Germanistische Schwerpunktprogramms »Adaptation and Creativity in Afri- Institutspartnerschaft« arbeitet das Herder-Institut mit der ca« (siehe Seite 16) sowie der Außenstelle des neuen Centre for Ain-Shams University Kairo und der Stellenbosch University Area Studies in Yaoundé in Kamerun (siehe Seite 17) besteht zusammen. Prof.die berechtigte Dr. Ulf Engel, Hoffnung, Institut für dass Afrikanistik die Forschung & Fellow mit des Afrika Stellen - in In Leipzig sind gerade die internationalen Studiengänge für Leipzigbosch Institute künftig for noch Advanced breiter Studies,aufgestellt STIAS ist. Studenten aus Afrika attraktiv: Im Aufbaustudiengang »Small Enterprise Promotion and Training« sind 13 afrikanische Stu- Foto: Christian Hüller/Panoflex

journal Universität Leipzig 3/2010 15 Titelthema Foto: Christian Hüller/Panoflex

Auf dem „Social Market“ in der Nahe von Serrekunda im Stadtteil Kanifing Estate geht es etwas ruhiger zu als in den urbanen Ballungszentren.

Interdisziplinärer Blick auf große Herausforderungen

Neues DFG-Schwerpunktprogramm fördert die Kooperation der Afrikawissenschaften

n Deutschland ist die Wissensproduktion um Afrika gut nung und Unordnung«. Ab Herbst 2010 sollen über einen Zeit- verankert. Dabei hat die Institutionalisierung der Afrika- raum von sechs Jahren jeweils zehn bis 15 Projekte für zwei wissenschaften mit Wurzeln um 1900 zur Ausprägung lokal Jahre gefördert werden. Das Programm wird von den Professo- sehr unterschiedlicher Lösungen geführt. An sechs deutschen ren Ulf Engel (Leipzig) und Richard Rottenburg (Halle) koordi- Universitäten werden heute auf Afrika bezogene Bachelor- und niert. Diesen Monat entscheidet eine internationale Gutachter- IMasterstudiengänge angeboten, unter anderem in Leipzig. kommission über die 38 für den ersten Förderzeitraum 2010 Auch außerhalb des Universitätsbetriebes wurden Institute bis 2012 eingereichten Anträge. gegründet, die sich speziell mit Afrika befassen – etwa das Ger- Thematisch wird ein erneuter tiefgreifender Wandel in man Institute of Global and Area Studies mit seinem Institut Afrika aufgegriffen: Politische und wirtschaftliche Liberali- für Afrikastudien (Hamburg). sierung, veränderte Beziehungen von Staat und Gesellschaft Die wesentlichen Förderformate im Bereich der Forschung sowie beschleunigte Globalisierungsprozesse stellen weitrei- stellten in der Vergangenheit Sonderbereiche der Deutschen chende Herausforderungen dar. Der Kontinent erlebt eine der Forschungsgemeinschaft (DFG) oder Rahmenprogramme wie prekärsten Perioden seiner postkolonialen Geschichte, in der die »Knowledge for Tomorrow«-Initiative der VolkswagenStif- die Verteilung von Souveränität und die Herstellung von Ord- tung dar. Vor dem Hintergrund einer stärkeren Betonung von nung neu ausgehandelt werden. Die Kapazitäten afrikanischer standort-gebundenen Binnenperspektiven, wie sie der Bolog- Gesellschaften zur Bewältigung dieser Veränderungen sind na-Prozess und die Exzellenzinitiative des Bundes befördert von ausschlaggebender Bedeutung, doch deren Bestimmungs- haben, wollen die Afrikawissenschaften in Deutschland nun faktoren weitgehend unerforscht. Die wichtigsten teilnehmen- wieder verstärkt auch standortübergreifend kooperieren. den Disziplinen sind Ethnologie, Wirtschaftswissenschaften, Die DFG unterstützt dieses Anliegen mit dem Schwerpunkt- Prof.Geografie, Dr. Ulf Engel Geschichte, komparative Literaturwissenschaft, programm (SPP 1448) »Adaptation und Kreativität in Afrika Politikwissenschaft und Soziologie. – Technologien und Bedeutungen in der Herstellung von Ord- 16 journal Universität Leipzig 3/2010 Dies war der Ausgangspunkt für den ehrgeizigen Plan, ein Deutsch-Afrikanisches Forschungszentrum in Yaoundé einzu- richten, das Partner für eine gemeinsame Master- und Dokto- randen-Ausbildung in den Geistes- und Sozialwissenschaften sein soll. Das Vorhaben fand offene Ohren bei der Fritz-Thys- sen-Stiftung, die inzwischen die Förderung übernommen hat. Ein interdisziplinäres Kursangebot macht die Universität von Yaoundé zu einem wichtigen Partner in einem Konsortium europäischer, australischer, nordamerikanischer und südafri- kanischer Universitäten, das einen Promotionsstudiengang im Fach Global Studies anbietet. Damit entsteht auch ein institutioneller Partner für das 2009 gegründete Centre for Area Studies (CAS) an unserer Universität. Das CAS vereint die regionalwissenschaftlich ausgerichteten Institute mit Vertretern der historischen und systematischen Wissenschaften in den benachbarten Fächern. Sein Forschungsprogramm »Cultural encounters and political orders in a global age«, das für vier Jahre vom BMBF mit einem Gesamtvolumen von 3 Millionen Euro gefördert wird, zielt auf die Untersuchung jener vielen neuen Elemente, die die heutige Raumordnung prägen: internationale Organisationen staatli- cher und nichtstaatlicher Akteure, transnationale Netzwerke, Von Leipzig Unternehmen und Wertschöpfungsketten, großregionale Zu- sammenschlüsse wie Mercosur, AU oder EU, politisch-kulturell nach Yaoundé und geprägte Blöcke wie den Commonwealth oder die Frankopho- nie, aber auch Autonomiebestrebungen von Indigenen und eth- nischen Minoritäten. zurück Die Welt hat jene klare Hierarchie verloren, in deren Zent- rum der Nationalstaat stand – diese intellektuelle Herausfor- derung anzunehmen, macht das Absetzen der eurozentrischen Brille notwendig. Eine der Voraussetzungen dafür ist die For- m Anfang stand eine Tagung in Paris zu europäisch-afri- schung mit Kollegen aus allen Weltteilen statt des alleinigen kanischen Kulturtransfers, in deren Folge der Germanist Forschens über die jeweiligen Regionen. Mit der engen Koope- David Simo, Direktor der Germanistisch-Kulturwissenschaftli- ration zwischen dem CAS und dem Zentrum in Yaoundé exis- chen Abteilung der Universität Yaoundé I, eine Einladung nach tiert eine vorzügliche Basis. Ähnlich der Zusammenarbeit mit Leipzig annahm. Hier unterrichtete er Studierende zum Ver- Stellenbosch, die ein ganzes Netzwerk von Kontakten im süd- Ahältnis von postkolonialen Theorien und westafrikanischer lichen Afrika mobilisiert, stellt Yaoundé einen Fokuspunkt für Realität, lud seinerseits Studierende der Frankreichstudien, das französischsprachige West- und Zentralafrika dar und er- Kulturwissenschaften und Afrikanistik nach Kamerun ein, wo laubt Kontakte vom Senegal bis zu den beiden kongolesischen sie eine ebenso exzellente Ausbildung wie Betreuung genossen. Staaten und legt sogar die Idee nahe, bestimmte Westafrika Er kam als Leibniz-Professor nach Leipzig zurück, wo sein bezogene Lehraktivitäten vor Ort zu unternehmen. Angesichts Schüler Hyacinthe Ondoa inzwischen das Graduiertenstudi- der vielfältigen Beziehungen, die Fakultäten unserer Universi- um am ZHS absolviert hatte und von Prof. Stockinger am In- Prof.tät nach Dr. MatthiasKamerun Middell, unterhalten, lässt sich zugleich ein Impuls stitut für Germanistik promoviert worden war. Es folgten Direktorfür fächerübergreifende des Global and European Aktivitäten Studies erhoffen. Institute und Sprecher Tagungen in Yaoundé und anderen afrikanischen Hochschul- des Centre für Area Studies orten, die gemeinsam mit dem Masterprogramm Global Stu- dies ausgerichtet wurden. Diese tatsächlich gleichberechtigte Die feierliche Eröffnung des Centre for Area Studies findet am 3. Zusammenarbeit, in deren Verlauf inzwischen mehr als 20 Juni 2010 im Beisein von Vertretern des Bundes- und Landesmi- Nachwuchswissenschaftler eine bilaterale Ausbildung erhiel- nisteriums statt, den Festvortrag hält Prof. Dr. Shalini Randeria ten, fand ihre Anerkennung in der Verleihung des Reimar-Lüst- von der Universität Zürich zu »Empire and Imperialism« Preises der Humboldt-Stiftung an David Simo. Für diesen For- schungspreis wählte er 2008 erneut Leipzig.

journal Universität Leipzig 3/2010 17 Titelthema

Riesenkontinent mit medizinischen Herausforderungen

Krieg und Armut stehen gedeihlicher Entwicklung in Afrika entgegen

ie weite Verbreitung von schwerwiegend verlaufenden Krankheiten in Afrika ist in einer einfachen, aber fatalen Kausalkette begründet. Armut ist der Hauptauslöser, so Prof. Stefan Schubert vom Fachbereich Tropen- und Infektionsme- dizin an der Leipziger Medizinischen Fakultät. Armut bedeutet DUnterernährung und somit auch Resistenzschwäche. Erschwe- rend kommt hinzu, dass ein Großteil der Bevölkerung unter schlechten hygienischen Verhältnissen in Slums lebt, aufgrund mangelnder Schulbildung Wissen über Schutzmaßnahmen nicht vorhanden ist und Millionen Menschen schlichtweg kei- nen Zugang zu ärztlicher Versorgung haben. Ärzte, die nicht abgewandert sind, beschäftigen sich oft nur mit einer Krank- heit wie Aids, so dass alltägliche Fälle wie Lungenentzündun-

gen sowie Komplikationen im geburtshilflichen oder chirurgi- Foto: Universität Leipzig schen Bereich oft unnötig dramatisch beziehungsweise tödlich verlaufen. Darüber hinaus sind zahlreiche Krankheitsausbrü- Erreger der afrikanischen Schlafkrankheit. che kriegsassoziiert. Das wurde am Beispiel der afrikanischen Schlafkrankheit besonders deutlich. Der Erreger wird von der Tsetse-Fliege übertragen. Die Krankheit äußert sich durch Hautrötung an der Einstichstelle, Lymphknotenschwellungen und Fieber- kenhäuser mit international vergleichbarer Medizin. Der Zu- schübe, verläuft in allen unbehandelten Fällen tödlich. Zum gang ist jedoch nur einer privilegierten Oberschicht möglich. Ende der portugiesischen Kolonialzeit wurden in Angola fast Deutlich unterschieden werden müsse in diesem Zusammen- keine Fälle mehr registriert, dann kam die Entdeckung der Bo- hang zwischen Reise- und Tropenmedizin. Krankheiten also, denschätze, darauf der Bürgerkrieg, erfahrungsgemäß Zeiten, die ausschließlich die arme Bevölkerung in den Tropen betref- in denen Überwachungsprogramme für Krankheiten zusam- fen. In unserem Tourismus hingegen sind die Gefahren verhält- menbrechen. Die Folge: 1990 gab es etwa genauso viele Schlaf- nismäßig sehr gering, auch Dank guter Vorbeugungsmöglich- krankheitsfälle wie vor 100 Jahren und die Menschen starben keiten wie Malariaprophylaxe. wieder zu tausenden. Seit ungefähr zehn Jahren herrscht Frie- So gut es sei, dass der Fußball die Aufmerksamkeit nach Süd- den im Land und durch internationale Anstrengungen sinkt afrika lenkt, sagt der Arzt, dem seit Jahrzehnten der gesamte die Rate wieder, während die Schlafkrankheit nun in Kongo Kontinent am Herzen liegt, aus medizinischer Sicht bräuchten aktuell zugenommen hat. Ein zweites Beispiel ist Tuberkulose sie andere Länder dringender. Kontinuierliche Unterstützung – derzeit die häufigste bakterielle Todesursache im Weltmaß- durch internationale Hilfsorganisationen ist ebenso unerläss- stab. Eigentlich heilbar, aber bei Millionen Erkrankten ohne lich wie Hilfe zur Selbsthilfe, wie sie auch im universitären Be- Arzt tödlich. Ein drittes Beispiel die Malaria … reich geleistet wird. Mit Leipziger Unterstützung wurde seit Dennoch darf bei Afrika nicht nur an Elend und Unterent- Dianalängerem Smikalla medizinisches Personal in den Ausbildungsstätten wicklung gedacht werden, betont Prof. Schubert. Selbst in den in Gondar und Addis Abeba geschult. ärmsten Ländern gibt es zumindest in den Hauptstädten Kran-

18 journal Universität Leipzig 3/2010 Ärzteaustausch – ein Tropfen auf den heißen Stein

eit Jahrzehnten bekannt und bis heute gelebt ist der Ärz- man auch erwarten, wenn dort ein Pfleger mehr verdient als teaustausch zwischen der Universität Leipzig und den Me- ein Arzt in Äthiopien?« dizinischen Universitäten in Äthiopien: Addis Abbeba ist eine Dennoch lassen sich Prof. Alexander und seine Mitstreiter strategisch wichtige Adresse in Afrika und mindestens für nicht unterkriegen: »Aber ich denke, man kann nicht immer Ostafrika die zentrale Drehscheibe, die sicherlich auch für eine nur nehmen, sondern muss auch geben. Natürlich hoffe ich, Suniversitäre Zusammenarbeit hinaus relevant ist. Addis und dass steter Tropfen den Stein höhlt.« Er sieht zumindest kleine Gondar sind die Städte in denen seit Generationen von Leip- Lichtblicke, die zeigen, dass Ärzte auch in Äthiopien Entwick- ziger Medizin-Studentenund Lehrenden ein intensiver Aus- lungschance haben. Wie zum Beispiel viele private Kliniken, tausch stattfindet. Seit 1982 beteiligt sich auch Prof. Henry die am Rande der äthiopischen Hauptstadt Addis Abbeba aus Alexander an diesen Programmen. dem Boden sprießen. Bedauerlich ist nur, das in ländlichen Er schaut mit Stolz aber auch mit einiger Skepsis auf das Er- Gebieten nach wie vor akuter Ärztemangel herrscht. Dennoch reichte: »Wir haben uns in all den Jahren sehr engagiert und hofft er, dass eines Tages der Faden des idealistischen Einsat- die Zusammenarbeit mit Äthiopien sogar in einen Universitäts- zes deutscher Ärzte weitergesponnen wird und sich aus deren vertrag münden lassen. Die Entwicklung des Gesundheitswe- Solidarität so eine Art Patriotismus vor Ort ergibt. Insofern sens scheint aber nur Schneckentempo vor sich zu gehen,« sagt setzt er auch auf eine Vorbildwirkung dieser Arbeit. Prof. Alexander. Dieses hat vor allem mit der Gesamtentwick- Besonders freut Prof. Alexander sich darüber, dass seine- lung des Landes zu tun, die mit sich bringt, dass kaum einer Arbeit durch den Studentenaustausch lebendig bleibt: »Nach der bestens ausgebildeten äthiopischen Ärzte in Gondar oder wie vor gibt es Medizinstudenten, die mit viel Idealismus nach sonstwo in Äthiopien arbeiten will: »Mindestens Addis, aber Äthiopien oder ein anderes Land der Dritten Welt gehen.« Sein möglichst die USA sind das Ziel der Träume. Inzwischen heißt mrgrößter Wunsch ist aber, dass die Universität Leipzig diesen es ja nicht allein scherzeshalber, dass es in Washigton D.C. lange aufgebauten Austausch weiter pflegt. mehr äthiopische Ärzte gibt als in Äthiopien selbst. Was soll

Der Maghreb als postkolonialer hybrider Kulturraum

en Maghreb ist aus einer kulturtheoretischen Perspekti- seines ganzen Werkes bildete (Amour Bilingue 1983, Maghreb­ ve nicht ausschließlich als eine frankophone Welt-Region Pluriel 1983, Penser le Maghreb 1993). Im Anschluss an Nietz- zu betrachten, sondern als einen postkolonialen und hybri- sche, Heidegger, Blanchot und Derrida entwirft er eine meis- den Kulturraum im Sinne bleibender Differenzen, als einen terhaft gelungene, kulturtheoretisch und sprachphilosophisch unübersetzbaren Rest von Kultur und zwar in beidseitigen fundierte Strategie, die auf zwei kategorialen Begriffen fußt: DRichtungen, sowie als Translationsgebilde, das nicht für einen auf einer ‚pensée–autre’ (das andere Denken), im Sinne einer bestimmten (einseitig frankophonen/arabischen) Kulturraum grundsätzlichen Bereitschaft die Differaenz gegenüber sich vereinnahmt werden kann, sondern vielmehr als Netzgeflecht, selbst und dem anderen zu denken und zu durchleben als Sub- als Kulturgeflecht, als Passagen zu begreifen ist, in denen die jekt mit verschiedenen Ichs und Sprachen, und einer ‚double­ spanische und die hebräische Kultur, die Berberkulturen, in de critique’ (die doppelte Kritik) im Sinne des Aushandelns kon- Gegenwart auch noch die chinesische Kultur, beheimatet sind, kreter heterogener Begegnungen. Es handelt sich dabei um wie die Mehrheit von Autoren und Intellektuellen den Maghreb eine Dekonstruktion sowohl des arabisch-muslimisch als auch denken und sehen. des christlich-okzidentalen Subjekt- und Identitätsbegriffs Abdelkebir Khatibi (1938-2009), Philosoph, Soziologe, Ro- bzw. um das Abstandsnehmen von einer rein orientalen, mus- mancier und Literatur- und Kulturwissenschaftler, leitete­ von limischen kulturellen Konstruktion hin zur Bildung einer ma- La mémoire tatouée (1971) an eine grundlegende Auseinan­ ghrebinischen Identität, die als Pluralität zu entwerfen ist, die derset­zung mit bestimmten Epistemen im Islam und im Prof.binäre, Dr. totalisierendeAlfonso de Toro, und Frankophnoes fundamentalistische Forschungsseminar/Ins Dichotomien- Christen­tum, im Orient und Okzident ein, welche er an Sub- titutüberwindet. für Romanistik jektivität, Kör­per, Sexualität und Begehren gekoppelt, völlig neu interpretiert und auf ein verän­­dertes Fundament stellt: das der Differaenz und des Aushandelns, was das Fundament

journal Universität Leipzig 3/2010 19 TitelthemaForschung

Aufgewirbelter Wüstensand beeinflusst die Atmosphäre.

Dem Saharastaub auf der Spur

Die Forschergruppe SAMUM untersucht verblüffende Effekte weit reichender Wolken

iele Menschen hier in Leipzig haben schon einmal Staub »Der Staub verhindert, dass ein Teil des Sonnenlichts die Erde aus der Sahara von ihrem Auto gewischt, nur – sie haben erreicht, weil die Staubschicht die Sonnenstrahlung reflek- nicht gewusst, dass dieser Staub aus der Sahara kommt.« Prof. tiert«, so Wendisch. Nun könnte man annehmen, dass deshalb Dr. Manfred Wendisch vom Institut für Meteorologie der Fa- die bodennahe Lufttemperatur unter der Staubschicht sinkt. kultät für Physik und Geowissenschaften freut sich sichtlich, Doch das Gegenteil ist der Fall, zumindest über Landflächen: »Vwenn er sein Gegenüber mit solchen Aussagen verblüffen kann. Atmosphäre und Boden erwärmen sich, da sie die Strahlungs- Dass er es kann, liegt vor allem daran, dass er ein ausgespro- energie der Sonne teilweise auch absorbieren. chener Spezialist für die Effekte von Staub aus der Sahara auf In einer zweiten Projektphase wurde dann untersucht, wie die Atmosphäre ist, der sich aus den afrikanischen Gefilden sich derselbe Staub, aus dem größere Partikel im Lauf der Zeit über den Globus verteilt. Und so ist es denn auch nicht ver- herausgefallen sind, über den Kapverdischen Inseln (also über wunderlich, dass Wendisch gemeinsam mit seinem Kollegen Meeresflächen) auswirkt. Die Messungen ergaben, dass sich Prof. Dr. Andreas Macke vom Leibniz-Institut für Troposphä- die Zusammensetzung der Staubwolken mit der Zeit verändert, renforschung und weiteren sechs Wissenschaftlergruppen aus dem reinen Mineralstaub Marokkos mischte sich zum Beispiel Deutschland an einer von der Deutschen Forschungsgemein- Ruß aus Biomassenbränden bei. Und dieser Staub reflektierte schaft (DFG) geförderten Forschergruppe teilnimmt, in deren zwar Sonnenlicht ebenfalls, da aber das Meer darunter dunkler Rahmen untersucht werden soll, wie sich der Staub in der At- als der afrikanische Boden ist, »schluckte« es Energie mit dem mosphäre auswirkt. Ergebnis, dass sich die Staubwolke über dem Wasser abküh- »SAMUM ist die Forschergruppe überschrieben, deren För- lend auswirkte. derung gerade um ein Jahr verlängert wurde, was sehr unge- »Dies konnten wir jetzt erstmals durch unsere Experimen- wöhnlich ist, da ProjekteSA dieserM Art in deru Regel nichtm über te detailliert nachweisen«, sagt der Meteorologe. Nun werden mehr als sechs Jahre bewilligt werden«, berichtet Wendisch. anhand der Ergebnisse verschiedene Theorien diskutiert, wie Für das SAMUM, das haran ineral D st Experi ent, gin- etwa die, dass der Saharastaub möglicherweise die Entstehung gen die Wissenschaftler während der ersten drei Jahre der Jörgvon HurrikanenAberger behindert. »Das ist allerdings sehr, sehr spe- Laufzeit des Projektes in Marokko im wahrsten Sinne des Wor- kulativ«, unterstreicht Wendisch. tes in die Luft. Mit zwei Messflugzeugen flogen sie in, unter und über den Staubwolken, die häufig aus der Wüste in die Atmo- sphäre getragen werden, wo sie sich dann über lange Strecken weiter verbreiten.

20 journal Universität Leipzig 3/2010 Geplante Heimkehr der Stumpfkrokodile

Biologen erforschen die genetische Adresse von Vertretern einer bedrohten Tierart

ie beiden im Zoo Leipzig lebenden Stumpfkrokodile haben Erhalt der bedrohten Art zu organisieren.« Bei Reptilien, so schon so manches Ei miteinander produziert. Insgesamt Schmidt, sei Auswilderung relativ problemlos möglich. Die Ex- schlüpften 55 kleine Reptilien. Ob das erfolgreiche Zuchtpaar emplare sind bereits nach dem Schlupf überlebensfähig und jedoch auch genetisch die optimale Kombination darstellt, folgen ihrem Jagdinstinkt. wird erst eine Studie zeigen, die derzeit an der Fakultät für Die Fäden der Studie »Genetische Differenzierung beim Af- DBiowissenschaften, Pharmazie und Psychologie läuft. Die bei- rikanischen Stumpfkrokodil basierend auf molekularen Un- den Leipziger sind nur zwei von europaweit rund 150 lebenden tersuchungen« laufen bei Franziska Franke zusammen, die – Stumpfkrokodilen, deren stammesgeschichtliche Verwandt- betreut von Professor Dr. Martin Schlegel – zu diesem Thema schaftsverhältnisse untersucht werden. ihre Masterarbeit schreibt. »Basis für meine Forschung sind Ziel ist es, einen genauen Stammbaum möglichst vieler der Studien, die amerikanische Forscher direkt in der Wildnis Stumpfkrokodile zu erstellen. Dieser ist wichtig für die Ent- durchführten. Sie nahmen in mehreren Verbreitungsgebieten scheidung, welche Tiere – oder die Nachfahren welcher Tiere Stumpfkrokodilen Blut ab und stellten mit Hilfe des Genmate- – wo in Afrika ausgewildert werden könnten. Denn auch wenn rials die Verschiedenartigkeit der Tiere dar. Ich bekomme über sich alle der auch als Zwergkrokodile bezeichneten Exemplare das Zuchtbuchnetzwerk Blutproben von in europäischen Zoos äußerlich ziemlich ähneln, in deren Genen, so der Ausgangs- lebenden Exemplaren. Mit den Proben von bisher 65 Tieren punkt der Biologen, sind Unterschiede feststellbar. Diese rich- habe ich fast 90 Prozent des europäischen Gen-Bestandes er- ten sich vor allem nach der Region, in der die Tiere – oder ihre fasst, denn bei Geschwistern herrscht Deckungsgleichheit, so Vorfahren – gefangen wurden. Optimale Auswilderung würde dass ich nur ein Exemplar testen muss.« voraussetzen, dass beispielsweise kein ursprünglich aus dem Wenn die Ergebnisse der Studie formuliert sind und der Senegal stammendes Tier im nördlichen Angola angesiedelt Stammbaum seine Zweige entfaltet hat, kann fast allen werden dürfte. So wird die Zucht von Hybriden vermieden, Stumpfkrokodilen der europäischen Zoos eine Heimatadresse welche die biologische Vielfalt verwischen würden. zugeordnet werden. Für einige ihrer Nachkommen wird das Dass diese Studie durchgeführt wird, resultiert zum einen Auswilderung unter Verwandten bedeuten. Für andere hinge- daraus, dass Ökologie und Biodiversität zu den Forschungs- gen, dass sie sich mit ihren Zoo-Gefährten doch nicht weiter schwerpunkten der Fakultät gehören. Zum anderen führt der ungeniert fortpflanzen dürfen. Was mit dem Leipziger Pärchen Zoo als enger Partner der Uni-Biologen seit 2006 das europä- wird? »Das weiß ich erst im Herbst«, so Franke. »Wenn die ische Zuchtbuch für Stumpfkrokodile. »Je genauer ich weiß, Marlisnicht von Heinz einer Art sind, dann werden wir sie jeweils passen- welches Tier optimal mit welchem verpaart werden könnte«, den Artgenossen zuführen.« so Kurator Fabian Schmidt, »desto gezielter vermag ich den Ob dieses Stumpfkrokodil-Pärchen aus dem Leipziger Zoo wirklich zusammenpasst, wird derzeit erfoscht.

journal Universität Leipzig 3/2010

Foto: Fabian Schmidt, Zoo Leipzig 21 Titelthema Fotos: Sybille Roller

Backenzahn eines fossilen Flusspferds (Alter 7 Millionen Jahre). Fast immer in Wolken: Das über 5000 m hohe Rwenzori-Massiv galt Kaiso/Albert See. noch in historischer Zeit als das Quellgebiet des Nils.

Was alte Flusspferdzähne über die Quellen des Nils berichten

er Nil ist einer der mächtigsten Ströme Afrikas und stellt lässt sich für paläoklimatische Rekonstruktionen nutzen, denn die Existenzgrundlage hundertausender Menschen in den die Beschaffenheit des Wassers und der Nahrung wird in Form Wüstengebieten Nordafrikas dar. Es ist daher verständlich, chemischer Daten in Biomineralen, wie zum Bespiel dem Apa- dass schon früh systematische Pegelmessungen durchgeführt tit des Zahnschmelzes, archiviert. Unterschiedlich alte Zähne und nach den Nilquellen gesucht wurde. Doch welche Faktoren dokumentieren somit die Variabilität des Wasserhaushalts Dkontrollieren die Wasserführung und wie verhielt sich der Nil oder der Vegetation bzw. des Klimas. in vormenschlicher Zeit? Im Rahmen der DFG-Forschergruppe Daher gibt uns die chemische Zusammensetzung des Zahn- RIFTLINK untersuchen wir gemeinsam mit Wissenschaftlern schmelzes Auskunft über die Herkunft des Trinkwassers der der Universität Mainz die erdgeschichtliche Entwicklung der Flusspferde, also den Quellen des Nils. Am Grabenbruch kom- Einzugsgebiete des Nil in Zusammenhang mit klimatischen Än- men zwei grundsätzlich verschiedene Gesteinsarten vor, die derungen. sich in ihrem isotopenchemischen Fingerabdruck deutlich un- Geologisch gesehen liegen die Quellgebiete des Weißen Nil terscheiden: Junge Vulkangesteine im Graben, und Urgesteine im Afrikanischen Grabenbruch, einer 6000 km langen, akti- der afrikanischen Erdkruste in seiner Peripherie. Wir haben ven Bruchzone in der Erdkruste. Tektonische Bewegungen diese unterschiedlichen chemischen Fingerabdrücke genutzt, führten zur Hebung von Gebirgsmassiven und zur Einsenkung um zu zeigen, dass vor 2,3 Millionen Jahren eine grundsätzliche von Gräben im Bereich der heutigen großen Seen, zum Beispiel Änderung in den Einzugsgebieten des Nils eingetreten ist. Die dem Albertsee. Durch Verwitterung und Erosion lagerten sich bekannte Verdrängung kongolesisch-westafrikanischer Tier- mächtige Sedimentpakete am Boden des Sees ab und stellen und Pflanzenarten am Albertsee durch nilotische Faunen an ein Archiv der erdgeschichtlichen Entwicklung des Grabensys- diesem Datum muss somit die Folge dramatischer tektonischer tems und seines Wasserhaushaltes dar. Umwälzungen im ostafrikanischen Grabensystem darstellen. Warum Flusspferdzähne? Mit den Sedimenten wurden Auch der Nil bekam eine neue Quelle: das Victoriasee-Becken. gleichzeitig Tiere und Pflanzen »beerdigt« und die Analyse Die klimatischen Begleiterscheinungen bilden sich ebenfalls in dieser Fossilien liefert Belege für die Art und Entwicklung der den Flusspferdzähnen ab, denn sie waren mit einer Änderung früheren Umwelt. Obwohl Schneckengehäuse, Fischknochen in der Wasserbilanz des Sees und seiner randlichen Vegetation und Krokodilzähne die häufigsten Fossilien sind, haben wir verbunden. Chemische Daten aus Flusspferdzähnen liefern so- uns auf das Aufsammeln von Flusspferdzähnen verlegt, denn mit ein vollständiges Bild der Geschichte des Nils. Die Untersu- sie sind für die Untersuchung des Klimas und der Wasserbi- chungen können neuerdings mit einem Massenspektrometer lanz außerordentlich wichtig. Tagsüber vorwiegend im Was- Prof.durchgeführt Dr. Thomas werden, Brachert, dass über einen Großgeräteantrag des ser, sind sie nachts am Ufer auf Suche nach ihrem pflanzlichen InstitutInstituts für für Geophysik Geophysik und und Geologie Geologie beschafft werden konnte. Lieblingsfutter, tropischen Gräsern, wenngleich auch andere Pflanzen nicht verschmäht werden. Dieses Verhaltensmuster 22 journal Universität Leipzig 3/2010 Bleche sammeln auf der Müllhalde

Professor Bernhard Streck, Leiter des Instituts für Ethnologie, geht im September in Pension

ernhard Streck greift hinter seinen Schreibtisch, holt eine Wie sieht er die Entwicklung seiner Wissenschaft? »Auch große Kanne aus Altmetall hervor und erzählt von deren Ethnologie ist immer an die Gesellschaft gebunden, in der sie Entstehung: »Als ich für meine Forschung bei Zigeunern am Nil lebt. Der Epoche des Bestaunens ferner Welten folgte die Le- lebte, kletterte ich mit ihnen über die Müllhalden. Wir such- gitimierung von Eroberung, Missionierung, Ausbeutung, zum ten geeignete Bleche, schleppten sie in die Werkstatt und ich Teil auch Vernichtung. Heutzutage geht es vor allem darum, Bschaute zu, wie sie daraus etwas fertigten, was irgendwie ver- der modernen Gesellschaft verunsichernde Denkanstöße zu kaufbar war.« Jetzt steht das Stück im Büro des Leiters des In- geben. Warum ist man so sehr von sich, der eigenen Rationa- stituts für Ethnologie der Universität Leipzig, weil es gerade lität und den maschinellen Lösungsansätzen überzeugt? Wa- aus einer Ausstellung zurückkommt. Einer der letzten, die der rum bevormundet die Entwicklungspolitik der Industrielän- Professor mitorganisiert. Im September geht er in Pension, der die gesamte übrige Welt?« Ein Beispiel für blindes Helfen nach über 40 Jahren auf der Suche nach Wesen und Weisheit sei die Brunnenbohrung in den Trockengebieten Afrikas. Die anderer Völker. Viehherden saufen, werden größer, fressen und trampeln die Warum er damals Ethnologe geworden ist? »Ich hatte viele letzten Halme nieder. »Jahrtausendelang hat es im Sudan keine Begabungen, aber nicht das eine hervorstechende Talent. So mechanischen Brunnen gegeben. Aber jetzt gerät mit diesem konnte ich mich nicht entscheiden. Also wählte ich die meiner Fortschritt das ökologische Gleichgewicht in Gefahr.« Die Eth- Ansicht nach vielfältigste Wissenschaft, studierte in Basel und nologie der Zukunft? »Sie wird erforschen müssen, wie die ‚pe- Frankfurt, reiste in die Wüste und den Regenwald.« Seither riphere’ Menschheit mit Mangelsituationen umgeht. Ihr Thema ist der Nordosten von Afrika sein Forschungsschwerpunkt – Marliswird die Heinz Überlebenswirtschaft sein – oder der informelle Sek- einen zeitweiligen Abschied von der offiziellen Wissenschaft tor weltweit.« eingeschlossen, als er auf klapprige Geländewagen stieg, um Reisegruppen den Sudan zu zeigen. Professor Bernhard Streck im Jahr 1977 Mitte der Neunziger kam Streck nach Leipzig und vor etwa mit Kindern am Blauen Nil. zehn Jahren war er bei der Gründung des DFG-Sonderfor- schungsbereichs zur Interaktion zwischen sesshaften und nomadischen Lebensformen dabei. Zigeuner-Gruppen sind dafür besondere Beispiele. »Zigeuner ist übrigens der einzi- ge ethnologisch saubere Sammelbegriff«, betont der Experte und erläutert die Vielfalt der mobilen Kleingruppen rund ums Schwarze Meer, er erzählt von Zelten, Wagen und Hütten der vielen Armen und den Villen der wenigen Reichen unter ihnen Foto: Institut für Ethnologie … Gemeinsam mit Kollegen und Studenten gründete er an sei- nem Institut das Forum Tsiganologische Forschung. Rund 110 Studienanfänger hatte der Professor dieses Jahr, eine Menge, die ihm nicht behagt. »Wer hunderte Klausuren le- sen muss, kann sich keine neuen Themen ausdenken und kann mit den jungen Leuten nicht individuell arbeiten.« Doch bei künftigen Master-Studenten darf er vor Studienantritt testen, ob ihnen die Ethnologie liegt: Haben sie wirklich eine Anten- ne für kulturelle Vielfalt? Vermögen sie Perspektivwechsel zu vollziehen? Und sind sie offen für außereuropäische Sprachen, so dass sie wirklich fremde Weltsichten verstehen können? »Ein Fundamentalist – gleich welcher Art – kann schwer Eth- nologe werden. Man muss die Lösungen, die andere Völker für ihre Probleme gefunden haben, ernst nehmen und zu verstehen suchen, sich sogar darauf einlassen, wenn es schmerzt.« Als Beispiele für solche »Schmerzen« nennt er blutige Opfer oder Körperverstümmelungen. Sitten, die der moderne Mensch als Grausamkeiten verurteilen muss.

journal Universität Leipzig 3/2010 23 Forschung Foto: Waltraud Grubitzsch

Am Institut für Anorganische Chemie dis- kutiert Prof. Evamarie Hey-Hawkins (Mitte) mit der polnischen Doktorandin Martyna Madalska (links) und dem indischen Doktoranden Souvik Pandey über Ausgangs- Halbzeit bei BuildMoNa verbindungen von leitfähigen Polymeren.

Graduiertenschule zieht Zwischenbilanz

Seit zweieinhalb Jahren forschen junge Wissenschaftlerinnen Ihre Arbeiten waren so gut, dass sie sich erfolgreich für ein und Wissenschaftler in der Leipzig Graduate School of Natu- Stipendium an der Graduiertenschule bewerben konnte. »Ein ral Sciences »Building with Molecules and Nano-objects«, kurz mindestens zweimonatiges Praktikum bei einem der Senior- BuildMoNa genannt, dem erfolgreichen Projekt innerhalb der wissenschaftler von BuildMoNa ist in der Regel für externe Exzellenzinitiative des Bundes an der Universität Leipzig. Bewerber Voraussetzung für eine Aufnahme in die Graduier- »Wir nehmen nur die Besten«, sagen Prof. Dr. Evamaria Hey- tenschule«, sagt Prof. Hey-Hawkins. Das Steering Committee Hawkins und Prof. Dr. Marius Grundmann, Sprecherin und der Graduiertenschule entscheidet, welcher Promovend für ein Stellvertretender Sprecher der Graduiertenschule. bestimmtes Thema am besten passt oder – manchmal – ob ein Inzwischen arbeiten rund 100 Doktorandinnen und Dokto- vorgeschlagenes Projekt mit in BuildMoNa aufgenommen wer- randen aus aller Welt bei BuildMoNa, die, nach strengen Kri- den kann. terien ausgewählt, an Forschungsprojekten mehrerer Fakul- Klara Rusevova gehört jetzt zu den Glücklichen, die alle An- täten beteiligt sind: der Fakultät für Chemie und Mineralogie, gebote der strukturierten Doktorandenausbildung bei Build- der Fakultät für Physik und Geowissenschaften, der Fakultät MoNa nutzen können, die da heißen: exzellente Betreuung von für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie sowie der mindestens zwei Seniorwissenschaftlern, Heranführung an StipendiatinFakultät für Mathematik bei BuildMoNa und Informatik. Veröffentlichungen in hochrangigen wissenschaftlichen Jour- nalen, oder Besuch internationaler Konferenzen in aller Welt. »Und das heißt bei uns nicht nur einfach Teilnahme«, erklärt Klara Rusevova aus Tschechien ging nach ihrem Studium in Prof. Grundmann. »Da muss schon ein Poster vorgestellt oder Prag zu einem zehnmonatigen Praktikum an das Helmholtz- Überblickein Vortrag und gehalten Netzwerke werden.« Zentrum für Umweltforschung Leipzig-Halle an das Depart- ment Technische Umweltchemie von Prof. Dr. Frank-Dieter Kopinke. Hier forscht sie an Nanoteilchen, die für die Wasser- Martin Rothermel aus Westfalen Lippe kennt den Unterschied. reinigung eingesetzt werden können. Sie will dazu beitragen, Er begann eine ganz normale Promotion bei Prof. Tilman Butz die Mechanismen, die dabei eine Rolle spielen, aufzuklären und von der Abteilung Nukleare Festkörperphysik, bevor er mit die Grundlage für die Entwicklung ganz neuer Technologien zu Arbeitsbeginn von BuildMoNa in der Graduiertenschule anfan- legen. gen konnte. »Man bekommt einen ganz anderen Überblick über sein Fach, wenn man Konferenzen besuchen kann«, meint er. 24 journal Universität Leipzig 3/2010 Uni Leipzig beteiligt sich »Und natürlich sind die Netzwerke, in die man nahezu auto- matisch integriert wird, nützlich.« Martin Rothermel arbeitet erneut an Exzellenzinitiative mit für den Laien unvorstellbar kleinen Proben an einem spezi- ellen Tomografen. »Eine halbe Haaresbreite ist da schon viel«, sagt er. Dennoch kann er damit nicht nur feststellen, welche Elemente die Probe enthält, sondern auch wie sie dreidimensi- onal verteilt sind. Wenn es gelingt, diese Untersuchungen auch Die Universität Leipzig beteiligt sich auch an der an organischem Material durchzuführen, könnte man mit die- zweiten Phase der Exzellenzinitiative von Bund ser Methode zum Beispiel feststellen, wo sich bestimmte Medi- und Ländern zur Förderung der Spitzenforschung. Ohnekamente RAL anlagern. kein Neuantrag Bereits bei der letzten Runde 2007 konnte sie sich mit der Graduiertenschule »Leipzig School of Natural Sciences – Building with Molecules and Jetzt werden die Grundlagen für einen erfolgreichen Fortset- Nano-objects« (BuildMoNa) durchsetzen. Damit zungsantrag in der dritten Runde der Bundesexzellenzinitia- gehört sie zu den 35 Universitäten deutschland- tive gelegt. Hey-Hawkins und Grundmann rechnen sich gute weit, die bisher durch die Exzellenzinitiative von Chancen aus. »Wir in Leipzig können mit unserer Research Deutscher Forschungsgemeinschaft (DFG) und Academy Leipzig (RAL) auf eine Organisationsstruktur zu- Wissenschaftsrat gefördert werden. rückgreifen, die beste Voraussetzungen für die Einbindung Auf die bisherigen Erfolge aufbauend hat die von BuildMoNa in die Universität bietet und für die Doktoran- Universität fristgerecht zum 30. April bei der DFG dinnen und Doktoranden bestmögliche Rahmenbedingungen und dem Wissenschaftsrat ihre Absicht erklärt, schafft«, erklären beide Wissenschaftler übereinstimmend. sich in allen drei Förderlinien zu bewerben. »Das Konzept für die neue Förderperiode haben wir in groben Insgesamt stehen deutschen Hochschulen hierfür Zügen schon im Kopf. Jetzt gilt es, die inhaltlichen, strukturel- über fünf Jahre insgesamt 2,7 Milliarden Euro in Dr.len Bärbelund personellen Adams Voraussetzungen für den Fortsetzungsan - Aussicht. trag festzulegen.« »Natürlich haben wir auch an unserem Zukunfts- konzept intensiv weitergearbeitet. Auch in dieser dritten Förderlinie werden wir als Universität Leipzig in der Exzellenzinitiative antreten«, erklärt der Prorektor für Forschung und Wissen- schaftlichen Nachwuchs Prof. Martin Schlegel. In Winzig und hilfreich – Film zur der Förderlinie »Graduiertenschulen« wird ein Fortsetzungsantrag für BuildMoNa gestellt. Hier Nanotechnologie werden bereits 100 Nachwuchswissenschaft- lerinnen und -wissenschaftler, die an der Ent- wicklung neuer, maßgeschneiderter Materialien aus Molekülen und Nanoteilchen arbeiten, auf n einem im April 2010 erschienenen Film über die Gradu- höchstem Niveau ausgebildet. iertenschule BuildMoNa in Leipzig werden aus der Fülle In der Förderlinie »Exzellenzcluster« will sich interessanter Projekte exemplarisch einzelne Forschungs- die Universität um die Unterstützung von zwei gebiete vorgestellt. Wo das bloße Auge längst nichts mehr Forschungsnetzwerken bewerben. Damit sollen erkennen kann, liegt eine der aufregendsten Welten, die Wis- international sichtbare und konkurrenzfähige Isenschaftler derzeit entdecken: In dieser Welt der Nano-Teil- Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen chen – Atome, Moleküle und komplexen Partikelstrukturen etabliert werden, die eine intensive Vernetzung – finden die Forscher der Leipzig School of Natural Sciences mrund Kooperationen zwischen Disziplinen und »Building with Molecules and Nano-objects (BuildMoNa)« Forschungseinrichtungen ermöglichen. neue Möglichkeiten, um viele Lebensbereiche zu verbessern. Die Doktorandinnen und Doktoranden der Graduiertenschule­ BuildMoNa sind ein wichtiger Teil dieser Forschungsarbeit. Neben ihrer strukturierten Ausbildung in Chemie, Physik, Biochemie und Materialwissenschaften arbeiten sie in For- baschungsprojekten mit. Deren Ziel ist es, neue, maßgeschnei - derte Materialien aus Nanoteilchen aufzubauen.

journal Universität Leipzig 3/2010 25 Forschung

Witri Lestari erhält Schlumberger-Stipenium

iese Auszeichnung kann schon stolz machen: Witri Lestari­ (Foto), Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Evamarie Hey-Hawkins am Institut für Anorganische Chemie der Fakultät für Chemie und Mineralogie der Universität Leip- zig, ist die einzige Studentin in ganz Deutschland, die in die- Dsem Jahr von der renommierten FFTF (Faculty for the Future) der Schlumberger Foundation mit einem Stipendium gefördert wird. Doch nicht nur für die junge Indonesierin bedeutet die Förderung eine Auszeichnung, auch die Alma mater Lipsiensis kann sich stolz in die Brust werfen. Der Grund: Die geförder- ten Studentinnen müssen den Kriterien der Stiftung entspre- chend an einer Top-Universität studieren. Und so hat die Leip- jaziger Universität indirekt bestätigt bekommen, dass sie in der obersten Liga internationaler Hochschulen mitspielt.

Für Erbgut gefährliches Teilchen entdeckt

eipziger Forscher haben erstmals die Bindungsenergie ei- nes Elektrons in wässriger Lösung gemessen und einen neuen Mechanismus für Strahlenschäden der Erbsubstanz durch Hochenergiestrahlung entdeckt. Diese Entdeckung hat möglicherweise Auswirkungen auf die Dosierung der Strah- Llentherapie von Krebs. Die Forschungsergebnisse wurden im März 2010 in der Zeitschrift Nature Chemistry veröffentlicht. »Wenn Hochenergiestrahlung auf die DNA einer Zelle trifft, dann kann sie damit gespalten und zerstört werden, ein Mecha- nismus der bei der Radiotherapie von Krebs ausgenutzt wird«, erklärt Prof. Dr. Bernd Abel vom Wilhelm-Ostwald-Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Leip- zig und Seniorautor des Papers. »Aber auch gesunde Zellen können durch Hochenergiestrahlung geschädigt werden.« »Lange Zeit hat man angenommen, dass Strahlungsschä- So wurde nun 45 Jahre nach der Entdeckung des freien ge- den der DNA durch Hochenergiestrahlung wie etwa Röntgen- lösten Elektrons in Wasser seine bisher unbekannte Bindungs- oder Partikelstrahlung besonders durch das Auftreten von energie gemessen. Prof. Abel: »Dass es dabei auch noch eine sogenannten OH-Radikalen (O steht für Sauerstoff und H für bisher unbekannte Spezies gibt - das teilweise gelöste Elektron Wasserstoff) hervorgerufen werden. Nun sieht es so aus, als an einer Grenzfläche - ist neu. Seine Existenz und seine Lebens- ob ein weiteres Teilchen aus der Spaltung des Wassers durch dauer wurden mit einer neuen Ultrakurzzeitapparatur (einer Hochenergiestrahlen – das teilweise von Wassermolekülen um- schnellen Kamera auf der Basis von Lasern für kurzlebige re- gebene Elektron an Grenzflächen – ein noch viel gefährlicheres aktive Teilchen) aufgenommen.« Teilchen für das Erbgut von Lebewesen ist«, erklärt Abel weiter. Durch die nun vorliegenden neuen Ergebnisse der Leipzi- Zunächst schädigt die Primärstrahlung das Erbgut durch Io- ger Arbeitsgruppe in Kooperation mit Wissenschaftlern aus nisation und Spaltung. Die Primärstrahlung erzeugt außerdem Göttingen und Berlin zeigen, dass die Elektronen in Wasser eine Reihe von weiteren Teilchen – so zum Beispiel das teil- an Grenzflächen - wie z. B. an Membranen oder Grenzflächen weise in Wasser gelöste Elektron, das komplett abgebremste­ von Biomolekülen eine besonders schädigende Wirkung haben hydratisierte Elektron in Wasser und freie Radikale wie das können. Wie die Forscher zudem nachweisen konnten, leben OH-Radikal, die ebenfalls erbgutschädigend sind. »Und das badiese Teilchen auch besonders lange, so dass sich ihre schädi- OH-Radikal galt eben bisher als das gefährlichste Teilchen in gende Wirkung besonders gut entfalten kann. diesem Teilchenzoo« so Prof. Abel weiter. 26 journal Universität Leipzig 3/2010 Foto: Randy Kühn

Es ist nicht nur Können, sondern auch Kopfsache, ob das Runde ins Eckige geht. Das ewige Duell Wissenschaftler erforscht die Psychologie des Elfmeterschießens

ch bin kein begnadeter Elfmeterschütze«, bekennt Georg sich schon als Sieger wähnten, sind dieser Situation weniger Froese, Fußballer in der Berliner Landesliga. In der The- gut gewachsen.« orie hingegen darf er sich als Spezialist bezeichnen, denn der Der nächste Schritt der Forschung waren Interviews mit er- Diplom-Psychologe erarbeitet am Lehrstuhl Sozialpsychologie fahrenen Fußball-Profis, die beschrieben, was ihnen bei die- am Institut für Psychologie ein Programm zur Optimierung sem »Spiel im Spiel« durch den Kopf geht. Wie genau macht sich »Ider Leistungen beim Elfmeterschießen. der Druck bemerkbar? Inwieweit spielt die eigene Persönlich- Von derzeit rund 75 auf über 80 Prozent glaubt Froese mit keit eine Rolle? Wie beeinflusst Angst die Trefferquote? Daraus einem gezielten Training der Schützen die Trefferwahrschein- entstanden erste Hypothesen: »Ich vertrete beispielsweise die lichkeit zu erhöhen. Wobei er dieses Training weniger aus Auffassung, dass Menschen, die unter Druck starke körperli- der sportwissenschaftlichen Perspektive sieht und Faktoren che Reaktionen zeigen, in Duellsituationen angehalten wer- wie den eigentlichen Zielschuss unbeachtet lässt. Ihm geht es den sollten, eine ganz klare Strategie unbeirrt durchzuziehen. um die psychologische Duellsituation zwischen Torwart und Also beispielsweise in eine vorher festgelegte Ecke zu schie- Schützen in den Augenblicken vor dem Schuss. »Mich fasziniert ßen, ohne auf den Torhüter zu achten. Jene hingegen, die unter daran die Einfachheit einerseits und die Kompliziertheit ande- Druck flexibel bleiben und ihre Ressourcen bewahren, können rerseits«, so Froese. es riskieren, den Torhüter zu verladen.« Auf dieses Thema kam der seit 25 Jahren leidenschaftliche Wenn ein Trainer diese Überlegungen bewusst anwendet und Fußballer zum einen durch die eigene sportliche Erfahrung mit seine Spieler entsprechend einzuschätzen vermag, wird es ihm dieser speziellen Drucksituation und zum anderen durch Prof. möglich, ihr Elfmeter-Potential differenzierter auszuschöpfen. Henning Plessner, der die Professur für Sozialpsychologie in- »Das könnte auch dazu führen, dass nicht mehr automatisch nehat und zu dessen Forschungsschwerpunkten das Urteilen die Spieler mit dem höchsten Prestige – also beispielsweise der und Entscheiden im sportlichen Kontexten zählt. Kapitän – an den Elfmeterpunkt treten, sondern auch relativ Froese begann seine Studien mit einer gründlichen Analy- unscheinbare Sportler, die aber über spezielle Elfmeter-Fertig- se der Fachliteratur und aller verfügbaren Statistiken zu Elf- keiten verfügen.« meterschießen der vergangenen Jahrzehnte, unter anderem Als ein wichtiges Ziel seiner Forschungsarbeit sieht Froese der rund 4.000 Elfmeter in der Bundesliga-Historie. Hieraus die Übertragung seiner Ergebnisse in die Praxis: »Ich möch- konnte er erste Ergebnisse ableiten: »Wir haben herausgefun- te einen klaren und wissenschaftlich fundierten Eindruck den, dass jene Mannschaft im Elfmeterschießen einen Vorteil vermitteln, wie man Elfmeterschützen erfolgreicher machen hat, die das letzte Tor im Spiel erzielt. Die Spieler zeigen sich Marliskann.« Heinz Später einmal soll sich die Psychologie auch dem Tor- treffsicherer und ihre Mannschaft gewinnt mit einer höheren wart-Training zuwenden. Wahrscheinlichkeit. Die Schützen jener Teams hingegen, die journal Universität Leipzig 3/2010 27 Forschung Foto: Klugschnacker

Strelasundbrücke nach Rügen (2007), als Betreibermodell gescheitert und aus Steuermitteln finanziert.

Neue Gesetzeswege für Fernstraßen? Aktuelle Studie prüft die Erfolgsaussichten der Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur durch Mautgebühren

ie Verfügbarkeit von qualitativ guten und vernetzten Ver- senschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Sicht die Taug- kehrswegen ist ein wichtiger Standortfaktor für das Tran- lichkeit des Mautgebühren-Ansatzes zur Realisierung privat sitland Deutschland. Angesichts leerer öffentlicher Kassen finanzierter Verkehrsprojekte anhand der konkreten Praxi- und immenser Mittelbedarfe allein für die Erhaltung der Ver- serfahrungen der letzten 15 Jahre. Eine kritische Analyse der kehrsinfrastruktur werden private Finanzierungsmodelle für Leistungsfähigkeit des herrschenden Gebührenrechts für pri- Dden Fernstraßenbau immer wichtiger. Mit dem Fernstraßen- vate Mautsysteme, eine konkrete Hemmnisanalyse der bishe- bauprivatfinanzierungsgesetz (FStrPrivFinG) wurde 1994 die rigen F-Modelle sowie betriebswirtschaftlich-kalkulatorische gesetzliche Grundlage zur Anwendung eines Betreibermodells Empfehlungen für ein rentables Mautsystem stehen im Mittel- (F-Modell) im Bundesfernstraßenbau gelegt. Danach können punkt der Untersuchung. der Bau, die Erhaltung, der Betrieb und die Finanzierung an Die Arbeit macht deutlich, dass die bisherigen Instrumente Private übertragen werden. Zur Refinanzierung erhalten diese der Privatfinanzierung von Verkehrsinfrastruktur in Deutsch- das Recht zur Erhebung von Mautgebühren. land bei weitem nicht ausreichen. Aufgrund der leeren Kassen Die bisherigen Erfahrungen mit F-Modellen sind jedoch er- der öffentlichen Hand müssen hierzulande aber privatwirt- nüchternd. Nach über fünfzehn Jahren wurden bisher erst zwei schaftliche Lösungen zunehmen. Das Gesetz muss daher auf Projekte auf der Grundlage des FStrPrivFinG durchgeführt, die den Neu- beziehungsweise Ausbau von Teilstrecken und Teil- zudem beide kurz nach Inbetriebnahme der Strecken mangels netzen erweitert werden. Auslastung in finanzielle Schieflagen gerieten; die private Fi- Der Weg in eine allgemeine Fernstraßen-Maut benötigt je- nanzierung der Strelasundquerung nach Rügen ist darüber hi- doch nicht nur politischen Mut, er muss auch durch Verbesse- naus spektakulär gescheitert. Da F-Modelle laut FStrPrivFinG rungen im Mautgebührenrecht sowie in der Risikoallokation derzeit auf den Bau von Brücken, Tunnel und Gebirgspässen zwischen Staat und privaten Investoren begleitet werden. Die begrenzt sind, handelt es sich um kaum mehr als einen Pilot- im Mai 2010 erschienene Studie »Finanzwissenschaftliche Ansatz. Probleme der Gebührenfinanzierung von Verkehrsinfrastruk- Vor diesem Hintergrund analysiert eine jüngst erschiene- Prof.tur Dr. nach Erik dem Gawel, Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz« Institut für Infrastruktur und ne Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Erik Gawel, Direktor Ressourcenmanagement(Dunker & Humblot) weist hierzu den Weg. des Instituts für Infrastruktur und Ressourcenmanagement der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, aus finanzwis- 28 journal Universität Leipzig 3/2010 Prüfservice für Zellkulturen

ine Styroporkiste, gefüllt mit Trockeneis. Darin kleine co- diert beschriftete Plastikröhrchen mit einem tief gefro- renen, weißlichem Zellsubstrat: So sieht die typische Zelllie- ferung an ein Forschungslabor aus. Doch woher wissen die Forschenden, ob die Zellen qualitativ das sind, was sie sein sol- Elen? Ein Blick durchs Mikroskop genügt nicht, um diese Frage Foto: TRM Leipzig zu beantworten. Erst eine Chromosomenanalyse kann Gewiss- heit bringen. Dr. Heidrun Holland am Mikroskop. Diesen Prüfservice hält das Translationszentrum für Rege- nerative Medizin (TRM) der Universität Leipzig für Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit Zellkulturen arbei- ten, bereit. Um Veränderungen an Zellen zu ermitteln, werden standardisierte Verfahren, wie zum Beispiel die Karyotypi- sierung, eingesetzt. Dr. Heidrun Holland, die am TRM Leipzig eine Arbeitsgruppe zur Zellauthentifizierung leitet, überprüft auf diese Weise die Anzahl der Chromosomen und deren gro- be Struktur. So kann sie feststellen, ob Chromosomen fehlen Neue Gesetzeswege für Fernstraßen? oder doppelt vorhanden sind, und ob grobe Abweichungen in Anzeige Aktuelle Studie prüft die Erfolgsaussichten der Finanzierung von der Chromosomenstruktur vorliegen. Bei Mauszellen sind im Verkehrsinfrastruktur durch Mautgebühren Gegensatz zu menschlichen Zelllinien häufig Veränderungen und Instabilitäten zu beobachten.« Um kleinere chromosomale Abweichungen zu identifizie- ren, gibt es die so genannten FISH-Techniken, bei denen fluo- reszenzmarkierte DNA-Sonden direkt auf Chromosomen und/ oder Zellen gebracht werden. Nach entsprechenden Wasch- schritten und einer Gegenfärbung kann das Material dann 2x in Leipzig! schließlich unter dem Fluoreszenzmikroskop ausgewertet werden. Mit der so genannten SKY-Technik, die auf der simul- tanen Fluoreszenzmarkierung der Autosomenpaare und Go- nosomen basiert und jedes Chromosomenpaar in spezifischen Spektralfarben zeigt, lassen sich vor allem komplexere chro- mosomale Umbauten besser erkennen. z.B. den Opel Corsa inkl. »Die Ursachen für Veränderungen können ganz verschieden aller gefahrenen km und sein,« erläutert Dr. Heidrun Holland. »Mutationen, genetic drift MwSt und mikrobiologische Verunreinigungen sind bei Zellkulturen pro Tag ein bekanntes Risiko. Haben die Zellen durch die Veränderung 29,- Euro einen Anpassungsvorteil, gewinnen sie schnell die Oberhand oder den Fiat Ducato in der Kulturschale.« Das kann wiederum das Verhalten der inklusive 100 km und MwSt Zellen in vitro und in vivo und damit die Forschungsergebnisse z.B. den VW Polo pro Tag nur erheblich beeinflussen. Erkennt man diese zellulären Mängel erstinklusive 100 km und MwSt 69,- Euro nach einigen Forschungsjahren ist viel Arbeit umsonst gewesen.pro Tag Für die Erstellung und Interpretation der zytogenetischen Sichern Sie sich Ihren Studenten-Rabatt telefonisch Befunde gibt es das »ISCN«, das »International System for Hu- oder unter www.buchbinder.de! man Cytogenetic Nomenclature«. Darin sind die internationa- len Bewertungskriterien und Richtlinien für zytogenetische Kuchengartenstr. 3 Georg-Schumann-Str. 335 und molekular-zytogenetische Analysen verbindlich festge- 04315 Leipzig 04159 Leipzig Tel: 0341-9105710 legt. Dr. Holland geht davon aus, dass es nur noch eine Frage Tel: 0341-33383610 Fax: 0341-33383620 Fax: 0341-9105720 Manuelader Zeit ist,Lißina-Krause bis Bestimmungen für verbindliche Zellprüfungen verabschiedet werden.

journal Universität Leipzig 3/2010 29 Fakultäten und Institute

Nachwuchs bei LIFE

Seit dem Frühjahr verstärken zehn Nachwuchswissen- In das hohe technische Niveau des einzigartigen Programms schaftler aus Nepal sowie allen Teilen Deutschlands das bis- flossen allein 4,7 Millionen Euro für Analysegeräte – darunter lang 60-köpfige Team von LIFE (Leipziger Interdisziplinärer ein 3D-Bodyscanner und eine Biobank, die bei minus 140 Grad Forschungskomplex zu molekularen Ursachen umwelt- und le- Celsius optimale Lagerbedingungen für empfindliches Proben- bensstilassoziierter Erkrankungen) bei der Erforschung häu- material bietet. Weil die untersuchten Erkrankungen so häufig figer Zivilisationserkrankungen – drei Jahre finanziert mit 1,3 sind, werden weltweite Verwertungsnachfragen und Indust- Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds. riekooperationen ebenso erwartet wie weitere Arbeitsplätze Im Projekt der Landesexzellenzinitiative untersuchen Ärzte vor Ort. Nicht zuletzt deshalb fördern die Europäische Union mit Naturwissenschaftlern und IT-Spezialisten das Erbmateri- Sebastianund der Freistaat Späthe Sachsen bis 2013 das Projekt mit 38 Millio- al sowie die Lebensumstände von etwa 15.000 Leipzigern, um nen Euro. herauszufinden, warum sie auf Umweltbelastungen verschie- den reagieren. Oder um zu erforschen, wieso Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes, Gefäßverkalkung und Herzinfarkt, Depressionen, Demenz, chronische Bauchspeicheldrüsenent- zündung, Kopf- und Halstumore sowie Allergien entstehen. Das LIFE-Team erwartet neue Ansätze für Diagnose und The- rapie der Krankheitsbilder.

Großrechner sorgt für Arbeitsplätze

ie Wirtschaft sucht dringend Experten, die sich mit dem Mainframe auskennen. Und so war die feierliche Übergabe eines als »Mainframe« bezeichneten Großrechners durch die Firma IBM an das Institut für Informatik der Universität Leip- zig Anlass zu großer Freude. Dieser Rechner wird ausschließ- Dlich für die studentische Ausbildung sowie für die Forschung

genutzt und bringt für künftige Absolventen der Informatik Foto: Institut für Informatik, Abt. Technische Informatik mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt. »Auf Grund der bereits bestehenden Beziehungen zu IBM Projekt-Mitarbeiter Nils Michaelsen präsentiert den Mainframe z9. Deutschland und anlässlich des 600-jährigen Bestehens der Universität Leipzig ist es uns nun gelungen, ein aktuelles Mo- dell der z-Series von IBM zu erhalten, nämlich den z9«, erklärt Prof. Dr. Wilhelm Spruth, der als emeritierter Professor des Institutes durch seine Kontakte zu IBM wesentlich zu dem Obwohl den Mainframes als ‚Dinosaurier‘ der Informatik wertvollen Geschenk beigetragen hat. (Das »z« im Namen steht schon mehrfach das Aussterben vorausgesagt wurde, setzen für Zero-Downtime). Der derzeitige Marktwert des Großcom- weiterhin fast alle großen deutschen Unternehmen, besonders puters, einschließlich Software, beträgt über zwei Millionen aber Banken und Versicherungen, auf die Ausfallsicherheit der Euro. »Wir könnten uns den Mainframe gar nicht leisten, des- Mainframes, insbesondere der Mainframes von IBM. Main- halb freuen wir uns besonders über das großzügige Geschenk baframes enthalten Spitzentechnologie, die nirgendwo anders zu von IBM«, sagt der Professor für Technische Informatik Martin finden ist. Bogdan vom Institut für Informatik der Universität Leipzig.

30 journal Universität Leipzig 3/2010 Foto: privat

Prof. Hendrik Schneider beschäftigt sich mit Wirtschaftskriminalität in Unternehmen. Im Fokus strafrechtlicher Analysen Die Rolle des Compliance Officers wird zunehmend zum juristischen Forschungsfeld

as Bewusstsein für Wirtschaftskriminalität ist in den rechtlichen Kontext entstehen durch die Compliance-Maßnah- letzten Jahren in deutschen Unternehmen erheblich ge- men neue Probleme, die an der hiesigen Juristenfakultät aus wachsen. Zunehmend wird erkannt, dass Unternehmen Opfer einem arbeitsrechtlichen, strafrechtlichen und kriminologi- krimineller Handlungen ihrer eigenen Mitarbeiter oder der schen Blickwinkel erforscht werden. Wettbewerber werden können und dass eigene Mitarbeiter Seit der grundlegenden Entscheidung des Leipziger Straf- DStraftaten zum wirtschaftlichen Vorteil ihres Arbeitgebers be- senats des Bundesgerichtshofs vom 17. Juli 2009 (Az.: 5 StR gehen. Empirische Untersuchungen belegen, dass an bedeuten- 394/08) ist der Compliance Officer selbst in den Fokus straf- den Fallkonstellationen von Wirtschaftskriminalität auch das rechtlicher Analysen gerückt. Trifft ihn eine Mitschuld an der Management beteiligt ist. In einer Studie der Universität Leip- Tat eines Mitarbeiters, wenn er die ihm bekannt gewordene zig und der Rölfs WP Partner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Tat eines Kollegen nicht verhindert? Wenn ja, welche Maßnah- aus dem Jahr 2009 waren es 18 Prozent der untersuchten Tä- men sind von ihm zu ergreifen? Muss er gar gegen Vorgesetzte ter, die dem Bereich des Top-Managements zugeordnet werden einschreiten und gegebenenfalls Sachverhalte auch dann zur konnten. Die notwendige Prävention von Wirtschaftskrimina- Anzeige bringen, wenn er damit Geheimnisse des Unterneh- lität ist daher nicht mehr alleine eine Aufgabe des Staates, son- mens offenbart? Anwendungsbezogene Forschung in diesem dern auch der Wirtschaftsunternehmen selbst. neuen Feld der Wirtschaftskriminologie und des Wirtschafts- Dreh- und Angelpunkt der als Compliance bezeichneten un- strafrechts setzt Kommunikation mit der Praxis voraus. Ge- ternehmensinternen Maßnahmen der Kriminalitätsprophylaxe­ meinsam mit der Leipziger Akademie für Angewandtes Wirt- ist die Person des Compliance Officers, die für die Einhaltung schaftsstrafrecht werden von der Universität Leipzig deshalb von unternehmensinternen und gesetzlichen Regelungen Prof.regelmäßig Dr. Hendrik einschlägige Schneider Fachtagungen , Lehrstuhl für Strafrecht,unter Beteiligung von sorgt; kriminalitätsanfällige Abläufe im Unternehmen, wie Strafprozessrecht,Referenten aus Justiz Kriminologie, und Wirtschaft Jugendstrafrecht abgehalten. und Bilanzaufstellungen, überprüft; normabweichendes Verhalten Strafvollzugsrecht aufdeckt und Schulung von Mitarbeitern bezüglich der einzu- www.laaw.de haltenden Vorschriften durchführt. Über die Effizienz derar- www.uni-leipzig.de/~prozess/ tiger Maßnahmen ist bislang noch wenig bekannt und auch im journal Universität Leipzig 3/2010 31 Fakultäten und Institute

Das Cochlea-Implantat-Zentrum bietet hochgradig Hörgeschädigten neue Be- handlungsmethoden.

it der Eröffnung des Cochlea-Implantat-Zentrums (CI-Zen- trum) Ende April wurde am Universitätsklinikum eine neue Anlaufstelle für hochgradig Hörgeschädigte etabliert. Ziel ist es, die Behandlung und Versorgung dieser Patienten in der Region zu verbessern. Um eine möglichst individuelle MBetreuung zu gewährleisten, arbeitet das CI-Zentrum eng mit Hirnforschern der Universität Leipzig oder – bei Kindern – mit dem Förderzentrum Samuel Heinicke zusammen. »Ein CI ist eine elektronische Innenohrprothese, mit der sich das Hörvermögen ertaubter und hochgradig Schwerhöriger deutlich verbessern lässt. Dazu wird mittels einer Operation ein kleiner Elektrodenträger in die Hörschnecke des Innenohrs eingesetzt. Das Implantat umgeht die inaktiven Sinneszellen und die Schallsignale werden direkt elektrisch an den Hörnerv übertragen«, erklärt der Ärztliche Leiter des Zentrums, Prof. Dr. Michael Fuchs, das Verfahren. Doch mit der OP allein ist es nicht getan­: Sie macht nur etwa 20 Prozent der gesamten Therapie aus. Entscheidend für den Behandlungserfolg ist vor allem auch die Phase danach. Der Patient muss erst lernen, mit den neuen Gegebenheiten umzu- gehen. In einem längerfristigen Prozess wird das CI in kleinen

Foto: CI-Zentrum. Schritten so lange an die individuellen Hörsituationen ange- passt, bis der Träger wieder hören kann. Nach Einsatz der Innenohrprothese werden die Kinder nicht nur von Ärzten, Audiologen und Therapeuten betreut. Durch die Zusammenarbeit des CI-Zentrums mit der ältesten pädago- gischen Einrichtung für Hörgeschädigte, dem Samuel Heinicke Förderzentrum, werden sie unter hörbehindertenspezifischen Bedingungen umfangreich sonderpädagogisch therapiert und Die Welt wieder gefördert. Für die ständige Verbesserung von Hörsystemen spielt das grundlegende Verständnis für die Funktionen Hören, Wahr- hören können nehmen und Verarbeiten eine entscheidende Rolle. In Leipzig Cochlea-Implantat-Zentrum in Leipzig eröffnet existiert eine ausgeprägte Forschungslandschaft, die sich auch mit diesen Themen beschäftigt. So erforscht man etwa die Auditive (Hör-) Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) bei Kindern, eine zentrale Hörstörung, bei der die Wei- terleitung und Verarbeitung des Gehörten im Gehirn gestört ist. Patienten mit einer AVWS haben zum Beispiel Probleme, in lauter Umgebung einen einzelnen Sprecher zu verstehen, die Richtung einer Schallquelle zu bestimmen oder auch sprachli- che Anweisungen schnell aufzunehmen und zu verstehen. »Die wissenschaftlichen Arbeiten helfen auch, die zentrale Hörverarbeitung bei CI-Patienten besser zu verstehen bezie- hungsweise deren Diagnostik weiterzuentwickeln. In diesem Bereich existiert bereits eine langjährige Kooperation mit Prof. Rudolf Rübsamen, der im Bereich der zentralen Hörbahnfor- Kathrinschung weltweiteWinkler Anerkennung genießt.«, sagt Prof. Dr. Andre- as Dietz, Direktor der HNO-Klinik.

32 journal Universität Leipzig 3/2010 Kurz gefasst

Prof. Karen Nieber im Floorball. Tim Hoidis Prof. Dr. rer. pol. Ulrich Spie

, Institut für Phar- schaften er- ist vom mazie, wurde für zwei Jahre zur 1. Vor- reichte mit neun Toren und neun Assists Rektor der Universität Leipzig zum Ho- sitzenden des Deutschen Pharmazeutin- einen ungefährdeten ersten Platz in der norarprofessor für Betriebliche Bildung Prof.nen Verbandes Dr. Arwid e. DaugschiesV. gewählt. Scorerwertung der Mixedteams Die Ver- und Personalführung bestellt worden. anstaltung wurde durch das Zentrum Spie hat Wirtschafts- und Rechtswissen- , Dekan der für Hochschulsport der Universität orga- schaften sowie Volkswirtschaftslehre in Veterinärmedizinischen Fakultät, wurde nisiert. Freiburg und Essen studiert und 1984 an zum Vorsitzenden des Veterinärmedizi- der Fernuniversität Hagen promoviert. nischen Fakultätentages gewählt. We- An der VeterinärmedizinischenProf. Fakultät Dr. Er war im Personalmanagement bei der sentliche Aufgaben des Fakultätentages Dr.übergab h. c. die Dr. Matrikel h. c. Herbert 1950 in Gürtler einer feier- Mannesmann AG, später bei der E.ON sind u. a. die Definition einheitlicher Stu- lichen Stunde einProf. Portrait Dr. Dr. von h. c. Horst Ruhrgas AG tätig. Seit 2009 ist er Senior dienziele und die ständige Optimierung Meyer . Die Vice President bei der E.ON AG und Mit- des tierärztlichen, auf der Einheit von For- Festrede hielt Prof. Gotthold Gäbel glied im Vorstand der Berufgenossen- schung und Lehre beruhenden Studiums. , der anschließend das Portrait schaft Energie Textil Elektro Mediener- dem Prodekan, zeugnisse (BG ETEM). Die Gründungsakademie für Nanowis- übergab. Das Bild wird zukünftig seinen senschaftlerinnen zeichnete im Rahmen Platz im Herbert-Gürtler-Haus, finden. WissenschaftlicheAn der Wirtschaftswissenschaftlichen Beirat »Energie- der Bundesinitiative NEnA (Nano-Ent- Tanja Fakultätwirtschaftliche (WiFa) Bildung«wurde im April der repreneurship-Academy) als erfolgver- StrohAls eine von sieben Startern des Zent- sprechendstes Gründungskonzept das rums für Hochschulsport belegte gegründet, von Team 7 mit dem NamenHeike »Gena Schön Nano- einen hervorragenden zweiten der Beirat ist auf die Einrichtung und herrFibers« aus.Charlotte Dem Preisträger-Team Enkisch ge- Platz in der Damenwertung des Leipzig Ausgestaltung sowie die Qualitätssiche- hören die Chemikerinnen Marathon. rung energiewirtschaftlicher Bildungs- und vom Insti- Venkatesh Sai Sud- angebote an der WiFa gerichtet. Neben Prof.tut für Eugenijus Organische Lesinskas Chemie an. hirAm Institut für Organische Chemie wird dem Dekan, Professor Ringel, und den ab September 2010 Professoren Bruckner und Klauser gehö- , Direktor der von der Alexander-von-Humboldt- ren dem Beirat Führungskräfte aus dem HNO-UniversitätsklinikPD Dr. Gero Strauß Vilnius, war zu Stiftung im Rahmen eines 12-monatigen Bundesverband der deutschen Energie- Gast an der Hals-, Nasen-, Ohren-Klinik Forschungsstipendiums als Postdokto- und Wasserwirtschaft, von Vattenfall Leipzig. sieht dar- rand im Arbeitskreis von Prof. Christoph Europe, Gazprom Germania, RWE Rhein- in eine Chance, die in Leipzig am Inno- Prof.Schneider Wieland tätig sein.Kiess Ruhr, E.ON AG, GASAG aus Berlin und der vationszentrumProf. Dr. Tim für Lüthcomputergestützte TabeaVerbundnetz Kießling Gas AG Leipzig an. Chirurgie (ICCAS) und der TU München , Direktor der Uni- von entwickelten versitätsklinik und Poliklinik für Kinder (Jg. 1984) studiert chirurgischen Assistenzsysteme weiterProf. und Jugendliche, ist als einziger europä- Kunstpädagogik an der Universität Leip- Dr.zu verbreiten Andreas Dietzund einem größeren Pati- ischer Pädiater in das externe wissen- zig und hat ein dreijähriges Stipendium entenkreis zugänglich zu machen. schaftliche Beratungsgremium der Uni- des BDK e.V. Fachverband für Kunstpäd- , Direktor der Klinik, versitätskinderklinik der Universität Tel agogik und der Siemens Stiftung gewon- konstatiert, dass die Klinik sich zu einem Aviv, Israel, berufen worden (Schneiders nen. Mithilfe der vergebenden Stipendi- wichtigen internationalen Standort für Children’s Hospital). Darüber hinaus ist en soll die Vermittlung aktueller Kunst die computergesteuerte Chirurgie ent- er in das Herausgebergremium (Editorial an Schulen gefördert werden. In ihrem wickelt hat. Board) der Zeitschrift »Frontiers in Pedi- Projekt wird die Leipziger Stipendiatin Prof.atric Endocrinology« Dieter Burdorf berufen worden. mit dem Künstler Jakob Kolding zusam- Bei den Sächsischen Hochschulmeister- menarbeiten und Unterrichtsideen für schaften imSächsischer Basketball Hochschulmeis 2010 errangen- (Institut für Ger- ein Praktikum an einer Schule umsetzen. terdie Herren- im Basketball und die Frauenmannschaft manistik) ist in den Beirat des »Archivs den Titel Bibliographia Judaica« (Frankfurt am Die Quality of Life Group der internatio- . Damit qualifizierte Main) berufen worden. Das Archiv ist nal tätigen Organisation »European Or- sich die Männermannschaft zugleich für u. a. Träger des renommierten, auf 20 ganisation for Research and Treatment das Finale der Deutschen Hochschul- Bände angelegten »Lexikons deutsch-jü- of Cancer«PD Dr. (EORTC)Susanne hat Singer auf ihrer Tagung meisterschaften. Das Frauenteam2. Platz muss discher Autoren«. Prof. Burdorf wird im am 9. April 2010 die Leipziger Psycholo- noch bei der DHM-Vorrunde in Berlin Beirat besonders das »Börne-Projekt« gin einstimmig erfolgreich sein. Den errang beraten und betreuen, in dem die Edition in ihren Vorstand gewählt. das Mixedteam der Universität Leipzig des Briefwechsels zwischen Ludwig Bör- bei den Sächsischen Hochschulmeister- ne und Jeannette Wohl erarbeitet wird. journal Universität Leipzig 3/2010 33 Personalia

Neu berufen

»Schweinekrankheiten« heißt die neu telsicherheit dar«, erklärt Prof. Schmoll. eingerichtete Professur an der Veteri- Um Krankheitsausbrüchen vorzubeu- närmedizinischen Fakultät, die Fried- gen, setzt er sich vermehrt mit Impfstof- rich Schmoll seit dem 1. April 2010 inne fen und entsprechenden Studien ausein- hat. Der gebürtige Österreicher absol- ander. vierte bereits Stationen an den Univer- Auch Tierschutz ist ein wichtiges Thema: sitäten Wien und Bonn, war auch schon »Ein großer Erfolg ist die Mitentwick- wissenschaftlicher Mitarbeiter in Leip- lung und Zulassung eines Impfstoffes, zig. »Schweinekrankheiten« sind das der die qualvolle Praktik des Wegschnei- zentrale Thema seiner Lehr- und For- dens der Hoden (Kastration) von männ- schungsarbeit, ein nicht zu übersehen- lichen Mastferkeln ohne Schmerzaus- des gesamtgesellschaftliches Thema, schaltung ersetzt.« wie man an der vorhergesagten Schwei- Ebenso aktiv ist der 46-jährige »Schwei- negrippe-Welle sehen konnte. ne-Professor« in der Diagnostik. Beim Wenn Schweine krank sind, birgt dies Finden und Bekämpfen neuer Erreger nicht nur für die Tiere selbst, sondern arbeitet er eng mit heimischen Schwei- teilweise auch für den Menschen Ge- neorganisationen und Pharmaunterneh- fahren. »Sei es bloß durch den Kontakt men zusammen. Wichtig ist ihm, dass zu den Tieren oder durch den Verzehr seine Probanden als »schlaue, saubere Prof. Dr. Friedrich Schmoll von Schweinefleisch. In Deutschland mrTiere« wahrgenommen werden, die »in beträgt der Pro-Kopf-Verbrauch etwa ihrer Intelligenz den Hund übertreffen«. 55 Kilogramm im Jahr. Tierärzte, die Nutztierbestände betreuen, stellen eine wichtige Schaltstelle in der Lebensmit-

Seit 10 Jahren in Leipzig, trägt Prof. Dr. chemischen und zellbiologischen Mitteln Daniel Teupser stets die Berge seiner erforscht er die zugrundeliegenden Me- Heimat München in sich. Wann immer es chanismen. In enger Zusammenarbeit seine ehrgeizigen Forschungsvorhaben mit dem Herzzentrum wird dabei auch erlauben, sucht er ihre Schönheit und auf Patientenkohorten gesetzt, um aus Weite, fährt Ski oder Mountainbike. Da- dem Vergleich von Patienten mit Gesun- nach könne er Leipzig wieder viel mehr den bessere Schlüsse ziehen zu können. genießen, sagt er. »Die perfekte Stadt, Insofern ist es nur folgerichtig, dass nicht zu groß, keineswegs provinziell, der Mediziner von Beginn an beteiligt schön gemacht und alles gut erreich- an LIFE war, dem interdisziplinären bar.«, schwärmt der Mediziner. Forschungskomplex zu molekularen Im übertragenen Sinne sucht er auch Ursachen umwelt- und lebensstilasso- in seinem Arbeitsgebiet die Weite. »Es ziierter Erkrankungen. Die Leipziger spornt mich an, Dinge zu sehen, die nie Labormedizin biete beste Bedingungen jemand vorher gesehen hat. Das hat et- und sei somit zu Recht Spitze, meint er. was von Entdeckertum.« Bis er den Ruf »In Leipzig hatte ich von Anfang an das erhielt, war der 42-Jährige als Oberarzt Gefühl viele Freiheiten zu haben, um Ide- am Institut für Laboratoriumsmedizin, en umzusetzen. Wie beim Bergsteigen Klinische Chemie und Molekulare Dia- braucht es Durchhaltevermögen. Dann gnostik tätig. Seine neue Professur für ist es aber wieder erstaunlich, was sich Prof. Dr. Daniel Teupser »Klinische Chemie und Funktionelle Ge- entwickeln kann, selbst wenn es anfangs netik« erhält Mittel aus der Landesexzel- illusorisch erschien.« Neue Wege ist er lenzinitiative LIFE. auch mit Prof. Joachim Thiery gegangen, Prof. Teupsers Spezialgebiet sind die als sie das Münchner Modell des praxiso- genetischen Faktoren von Stoffwechse- rientierten Lernens (POL-Kurs) einführ- lerkrankungen und atherosklerotischen dsten – inzwischen ein Aushängeschild der Gefäßerkrankungen als Ursache von Medizinischen Fakultät. Herzinfarkt und Schlaganfall. Mit bio- 34 journal Universität Leipzig 3/2010 Mit der Professur »Spezielle Botanik und An der Universität Leipzig sieht er es funktionelle Biodiversität« verbunden als besondere Aufgabe an, nicht nur das ist die Leitung des Botanischen Gartens, Erbe seiner Vorgänger Müller und Mo- zu dem auch der Duft- und Tastgarten rawetz zu pflegen, sondern den Bota- sowie der Apothekergarten gehören: nischen Garten mit seinem Institut und Von einem »wahren Juwel« spricht Prof. der Lehre zu einer Einheit zu verbinden. Christian Wirth, wenn er an seine neue Dabei hat er die verschiedenen Gesichter Aufgabe denkt – und ist glücklich, »nach des Gartens im Auge: Für die Uni-Leitung vielen Jahren der Grundlagenforschung stehe seine Funktion als »Großgerät der die Vielfalt der Tätigkeiten als Forscher, Forschung« im Mittelpunkt, für die Stu- Hochschullehrer und Direktor eines Bo- dierenden und Schüler die »botanischen tanischen Gartens leben zu können«. Aha-Erlebnisse« und für die Leipziger Der in Tripolis (Libyen) geborene Biolo- Öffentlichkeit die »ästhetischen Anla- ge ist bei Bremen aufgewachsen, hat in gen, die beliebten Ausstellungen und Bayreuth studiert und schon früh sei- die fachkundige Beratung«, erklärt Prof. ne Forschung auf Themen rund um den Wirth. Wald ausgerichtet: So untersuchte er das Ausschlaggebend für die Annahme sei- Wechselspiel von Populationsdynamik nes Rufes nach Leipzig war das attrak- und Kohlenstoffkreislauf in den Wäldern tive Forschungsumfeld: »Vor allem mit von Zentralsibirien, Alaska, China und Prof. Dr. Christian Wirth dem Helmholtzzentrum für Umweltfor- Thüringen. Zuletzt leitete Wirth eine schung, aber auch mit dem äußerst ko- Forschergruppe am MPI für Biogeoche- mroperativen Stadtforst Leipzig finde ich mie in Jena, mit der er den Zusammen- hier sehr gute Partner«. hang zwischen Biodiversität und Öko- systemfunktionen untersuchte. Die Kolumne von Nomen Namenforscher Prof. Dr. Jürgen Udolph

Anmerkungen zum Familiennamen Teupser

Teupser zu Deyptz Teypczk Deps Deyptzk Deüptzig Unter 40 Millionen Telefonteilnehmern mit vor. Nur wenige Kilometer … , 1441 von , 1499 (Stand: 1998; neuere CD-ROMs sind aus nördlich von Bayreuth liegt der Ort , , 1570Teupser zu . Datenschutzgründen schlecht zu verar- so dassDepser man ohne große Probleme dar- Somit kann gefolgert werden: Der Fami- beiten) ist der Name in Deutschland nur auf schließen kann, dass der FamilienTeupser - lienname geht mit Rundung aus 13 Mal bezeugt. Er besitzt einen Schwer- name von diesem Ortsnamen ab- ei- zu Deps –eu- auf eine spätmittelalterlich-Deupz Teupz. punkt in Thüringen und Franken. stammt. Aber hilft das auchDeps für ? frühneuhochdeutsche Form des Ortsna- Da der Name relativ selten ist, darf ange- Wahrscheinlich ja, denn die historischen mens zurück, auf oder nommen werden, dass er Varianten neben Belege des Ortsnamens , die jetzt in Der Ortsname selbst ist slavischer*Divic Her- sich hat, die für die Deutung herangezo- ausreichender Anzahl in dem Buch Bei- kunft*Divica (ausführlich oder *Divici behandelt im oben gen werden könnenpser und wahrscheinlich träge zur slavisch-deutschen Sprachkon- genannten Buch). Er geht auf - müssen. Bei der SucheDepser nach Familienna- taktforschung: Bd. 2 – Siedlungsnamen ( ) zurück. Es *Divicabesteht men, die aufToepser – enden, kommen zwei im oberfränkischen Stadt- und Landkreis entweder ein Zusammenhang mit einer Namen in Betracht: Depser (40-mal be- Bayreuth, bearb. v. E. Eichler, A. Greule, slavischen Örtlichkeit, *Divici etwa , zeugt) und (5-mal bezeugt). W. Janka, R. Schuh, Heidelberg 2006, S. zu div- »wild«, vielleicht »wilde Stätte, Die Kartierung der -Varianten 80f. eingesehen werden können, weisen Wildnis«, oder aber*divo als zu einem zeigt, dass der Name ein eindeutiges Zen- Formen auf, die auch für den FamilienDeÿpcz- Personennamen, der an dieses slavische trum in Franken, vor allem bei Bayreuth, namen Teupser von Bedeutung sind und Wort oder an »Wunder« ange- besitzt. Damit liegt eine gewisse Deckung zur Lösung beitragen: (ca. 1398) schlossen werden kann. journal Universität Leipzig 3/2010 35 Personalia

Nachruf Prof. Leistner

m 22. März 2010 ist Prof. em. Dr. engagiert. Von 1963-1965 bekleidete med. vet. Werner Leistner im Alter er das Amt des Dekans der Veterinär- von 90 Jahren nach langer Erkrankung medizinischen Fakultät. Prof. Leistner verstorben. Prof. Leistner, der in Berlin war ein beliebter Hochschullehrer; noch und Leipzig Tiermedizin studiert hatte, heute erinnern sich viele ehemalige Mit- Awar 1957 zum Professor für Lebensmit- arbeiter und Studenten gern an seine telhygiene an die Veterinärmedizinische humorvolle Art. Wir trauern um einen Fakultät in Leipzig berufen worden. In lieben Kollegen, einen angesehenen und den 28 Jahren seiner Tätigkeit als Leiter verdienstvollen Hochschullehrer – sein des Instituts für Lebensmittelhygiene Prof.Andenken Dr. Dr. werdenh. c. Karsten wir Fehlhaber stets in Ehren bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1985 Prof.halten. em. Dr. Dr. h. c. Hans Schleiter Foto:: privat hat er sich vielfältig in der Forschung, Lehre und in berufspolitischen Fragen

seiner Familie und trauern um ihn. Herr Bartz war der führende Wissenschaftler in der Programmentwicklung der com- puterassistierten Chirurgie. Ohne seine Kompetenz und internationales Ansehen wäre die erfolgreiche Evaluierung und Weiterförderung des Innovationszent- rums für computergestützte Chirurgie (ICCAS) nicht möglich gewesen. ICCAS wird immer mit seinem Namen verbun- den bleiben.«, ergänzt Dekan Prof. Dr Joachim Thiery. »Wir sind ihm dankbar,

Foto: Wolfgang Zeyen auch für seinen aktiven Einsatz im Fa- kultätsrat, dem er seit 2008 als gewähl- Prof. Dirk Bartz bei einem Vortrag im Februar dieses Jahres. tes Mitglied angehörte.« Prof. Bartz wurde im Juli 1967 im Hunsrück geboren. Er studierte Infor- matik an der Universität Erlangen-Nürn- Prof. Dr. Dirk Bartz berg mit den Schwerpunkten Kommuni- kationssysteme, Computer Graphik und verstorben Chirurgie ICCAS an der Medizinischen Medizin. Forschungsstipendien führten Fakultät berufen. »Als international an- ihn 1996 an die State University und Sto- erkannter Hochschullehrer erwarb er ny Brook University New York. Er pro- sich hohes Ansehen bei seinen Kollegen movierte 2001 und habilitierte 2005 in ie Universität Leipzig erreichte die in der Universität und außeruniversitär, Tübingen, wo er bis zu seiner Berufung schmerzliche Nachricht, dass Prof. den Mitarbeitern, Doktoranden und Stu- nach Leipzig Vorlesungen zu virtuellen Dr. Dirk Bartz von der Medizinischen dierenden.«, sagt der Rektor der Univer- Umgebungen und Mensch-Maschine- Fakultät plötzlich und unerwartet ver- sität Leipzig, Prof. Dr. Franz Häuser. Sein Schnittstellen hielt. Als international storben ist. Universität und Medizini- Buch »Visualization in Medicine - The- gefragter Dozent für Medical Imaging Dsche Fakultät sind zutiefst betroffen und ory, Algorithms and Applications« das and Virtual Medicine war er auch an der sprechen der Familie des erst 42-jähri- 2007 erschien, stellt einen herausragen- Universitat Polytècnica de Catalunya, gen Wissenschaftlers ihr tief empfunde- den Beitrag für sein Forschungsgebiet Barcelona und an der Universität Giro- nes Beileid aus. dar. na, Spanien, tätig. Prof. Bartz ist am 28. Er wurde 2007 als erster Professor für »Der plötzliche Tod von Prof. Bartz hat baMärz während seiner Teilnahme am Ber- Computerassistierte Chirurgie am Inno- die Medizinische Fakultät tief erschüt- liner Marathon verstorben. vationszentrum für Computergestützte tert. Es ist schrecklich. Wir fühlen mit 36 journal Universität Leipzig 3/2010 Anzeige

Unideal.de – der knallharte Schnäppchen- und Gutscheinblog von und für Studenten

Ein Studentenleben besteht nicht nur aus Lernen: Ständig knapp bei Kasse zu sein, gehört zu den unangenehmen Erfahrungen des Studiums. Damit Studenten im Alltag mehr von ihrem Geld bleibt, wurde im Dezember 2009 Unideal.de von den Machern von Uniturm.de gegründet. Das Blog liefert jeden Tag aktuelle Schnäppchen, studentenfreundliche Sonderangebote und Rabatt-Aktionen und testet sie knallhart auf Herz und Nieren. „Von Beginn an haben wir das Angebot kontinuierlich um alle Daniel Hübner Themen, die Studenten wichtig sind, ausgebaut und ständig neue Features integriert: Unideal.de vergleicht jetzt Konten, Handy-, DSL-Anbieter und Notebookshops; der integrierte Stromrechner berechnet für jeden den individuell passenden Tarif“, sagt Alexander Reschke, der Gründer des Schnäppchenblogs. „Unideal.de­­ checkt außerdem Tarife von Versicherungen und Lifestyle- Gemeinsam mit dem TGFS - Technologiegründerfonds Sachsen Produkten, damit die Studenten nicht abgezockt werden.“ (www.tgfs.de) konnte bereits Uniturm.de deutschlandweit in über Das Portal zeigt so auf einem Blick, wie Studenten mit einfachen 170 Städten als größtes Wissensnetzwerk für Studenten etabliert Schritten viele Scheine jeden Monat einsparen. Die Studenten werden. Mit der Unterstützung des TGFS soll Unideal.de sukzessiv haben auch die Möglichkeit die Angebote zu kommentieren ausgebaut und weiter verbessert werden, um alle Lebensbereiche und selbst Anregungen und Tipps einzusenden, mit denen alle eines Studenten vollständig abzudecken. Studenten sparen können. Als Belohnung winkt sogar ein Preis. www.unideal.de, www.uniturm.de

journal Universität Leipzig 3/2010 37 38 journal Universität Leipzig 3/2010