Der Diplomatische Komponist: Friedrich Von Flotow“ (5)

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Der Diplomatische Komponist: Friedrich Von Flotow“ (5) SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde „Der diplomatische Komponist: Friedrich von Flotow“ (5) Von Thomas Rübenacker Sendung: Freitag, 27. Februar 2015 9.05 – 10.00 Uhr Wiederholung aus dem Jahr 2012 Redaktion: Norbert Meurs Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert.Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 2 MUSIKSTUNDE mit Trüb Freitag, 27. 2. 2015 „Der diplomatische Komponist: Friedrich von Flotow“ (5) MUSIK: INDIKATIV, NACH CA. ... SEC AUSBLENDEN So. Heute würde der Mecklenburger Komponist Friedrich von Flotow, der Meister der „Martha“, zum 200. Male geboren werden. Und man fragt sich unwillkürlich, was so ein Jubiläum eigentlich bedeutet. Flotow war ja kein Mozart, Beethoven oder Wagner. Er war eher ein George Gershwin oder Jerome Kern des 19. Jahrhunderts, und das ist ja auch schon eine Menge. Aber wenn wir in der heutigen Musikstunde seinen 200. Geburtstag feiern, warum machen wir das? Er ist ja nicht mit Musik auf die Welt gekommen. Schätzungsweise dürfte er erst einmal völlig unmusikalisch gekräht haben; Babies, deren erste Verlautbarung nach der Geburt (Ode an die Freude) da-da-da-da-daa-da-da- da ist, dürften rar gesät sein. Was also feiern wir heute? Ganz einfach: den Mann, der das krähende Baby später wurde. Am Anfang und am Ende sind wir alle irgendwie gleich; was dazwischen kommt, entscheidet darüber, ob wir auch später noch gefeiert werden. MUSIK: FLOTOW, WILHELM VON ORANIEN IN WHITEHALL, TRACK 11 (3:06) FLOTOW, Wilhelm von Oranien in Whitehall (Bühnenmusik); Pilsen Philharmonic Orchestra, Hans Peter Wiesheu; Sterling CDS-1077-2 (LC 2103) Eine der Stärken des Komponisten Friedrich von Flotow: bekannte Weisen zu zitieren, sie per Arrangement und/oder Variation einzubauen in einen dramatischen Kontext, so diesen steigernd, aber auch das Quellenmaterial selbst. Hier war es Thomas Augustin Arne's „Rule Britannia“, aus der Bühnenmusik zum Schauspiel „Wilhelm von Oranien in Whitehall“, das der Dichter Gustav Edler Gans zu Putlitz 1860 geschrieben hatte. Und auch hier zeigt sich ein besonderes Faible Friedrich von Flotows; seine Musik zwar ist durchtränkt von der französischen Tradition eines Auber, Adam, Gounod, Meyerbeer oder Halévy, aber seine Sujets sind überwiegend angelsächsische: neben Wilhelm von Oranien in Whitehall noch Rob Roy, Lady Harriet, Lady Melvil, Martha oder der Markt von Richmond, Shakespeares Wintermärchen – und so fort. Auch ein großes Opernsujet von 1852 entstammt dem britischen Kulturkreis, wenn man bedenkt, dass der Subkontinent Indien damals verwaltet wurde von der East India Company, bevor er nach deren Entmachtung die wichtigste Kronkolonie des viktorianischen Zeitalters wurde, mit einem Raj als Statthalter wie im Alten Rom. „Indra“ heißt das Werk, von dem es nur noch die Ouvertüre gibt. Und man kann sich gut vorstellen, dass der mythenbeschwerte, geradezu New-Age-haft lastende Stoff Flotows spielerisch-leichte Kunst überforderte. Indra, ein Wort aus dem Sanskrit, das „mächtig“ oder „stark“ bedeutet, war eine vedische Gottheit, ähnlich vor-hinduistisch wie bei uns Gottvater Odin vor-christlich war. Indra wird überliefert als der „König der Götter“, ein 3 Sohn von Himmel und Erde, die er aber gleich nach der Geburt für immer trennte. Indra ist der höchste Krieger, Gott des Sturmes und des Regens, damit zugleich einer der Verwüstung – und der Fruchtbarkeit. Er ist der menschenähnlichste der alten vedischen Götter, eine überlebensgroße Figur, mit der sich allenfalls noch Zarathustra messen kann; „ohne ihn“, heißt es, „ist kein Sieg im Kampfe möglich“, und seine Statur wird als so gewaltig geschildert, dass er als Bogen den Regenbogen benutzt (und seine Pfeile sind die Blitze). Schon Zarathustra war ein wenig zu groß für Richard Straussens damaliges Talent; erst recht ist es Indra für Friedrich von Flotows. MUSIK: FLOTOW, INDRA (OUVERTÜRE), FUNKBAND (4:55) FLOTOW, Ouvertüre zur Oper „Indra“; Gr. UO d. SWF, Emmerich Smola; Funkband GO-2783 Mit Charme allein lassen sich altindische Gottheiten kaum fassen: Das Große Unterhaltungsorchester des Südwestfunks spielte, unter Leitung von Emmerich Smola, die Ouvertüre zur Oper „Indra“ von Friedrich von Flotow, komponiert 1852 und somit drei Jahre, bevor er Intendant in Schwerin wurde. Die Uraufführung fand zwar an der Wiener Hofoper statt, war aber kein Erfolg; heute wird, wenn überhaupt, nur noch die Ouvertüre gegeben. Jede gute Sache hat zwei Seiten – und die sind in den seltensten Fällen beide gut. Was die Engländer eine win-win-situation nennen, nämlich dass man gewinnt, egal wie eine Sache ausgeht, wurde gerade erst in den USA statistisch erfasst: Danach kommt es einmal vor in 100.000 Fällen. Und so war eben auch Friedrich von Flotows Schweriner Intendanz gleichzeitig Segen und Fluch. Ohne Zweifel tat der Großherzog von Mecklenburg, Friedrich Franz II., gut daran, Flotow zu bestallen, nachdem der Gründungsintendant, Hofrat Karl Zöllner, sich das Leben genommen hatte. Unter Zöllner war das Dreispartentheater schon über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden, unter Flotow wuchsen ihm offenbar Flügel. Als er 1855 übernahm, ließ der Komponist das Haus erst einmal von Grund auf renovieren; er installierte Dinge, die heute eine Selbstverständlichkeit sind, es damals aber offenbar noch nicht waren: beheizbare Garderoben, inhäusige Toiletten oder eine Restauration – selbst der Adel brachte damals seine Vesperpakete für die Pause noch von zuhause mit. Es war ergo ein Hauch Paris, den der Paris-verwöhnte Flotow mit Champagner und Canapés ins tiefste Mecklenburg importierte. Aber natürlich machten Flotows Neuerungen bei den Canapés nicht Halt. Er band berühmte Sänger und Sängerinnen an das Haus, auch gastweise, engagierte als Hofkapellmeister Alois Schmitt, der damals ein so faszinierender Musiktheater-Dirigent gewesen sein muss, wie's in unserer Zeit Carlos Kleiber war. Als Chefdramaturgen und Oberspielleiter in Personalunion gewann Intendant Flotow den Dichter Gustav Edler Gans zu Putlitz, und nunmehr produzierte das Haus auch hochangesehene Aufführungen der Werke Schillers, Goethes oder Shakespeares. Aber gibt es ein noch so erfolgreiches Theater – und manchmal sind es gerade die erfolgreichen -, wo nicht im 4 Untergrund ständig ein Sumpf von Intrigen gärt? Wo sozusagen nicht „Marthas“ letzte Neurose blüht? Berichtet Flotows letzte Witwe, Rosa Svoboda, und diesmal darf man ihr wohl Glauben schenken: „(Er machte) die unangenehme Wahrnehmung, dass sich hauptsächlich auch sein unterstehendes Personal mit kleinlichen Intrigen befasste, Spitzen gegen ihn richtete ... Es kam schließlich so weit, dass er bereits eine alltägliche Erkrankung wie den gemeinen Schnupfen willkommen hieß, so er ihn vom Hause fernhielt ...“ Im Jahr 1863 reichte Friedrich von Flotow seine Demission ein: „wegen sich immer neu häufender Uneinigkeiten“, wie er seinem Arbeitgeber Friedrich Franz II. schrieb. Doch zuvor trumpfte er noch einmal mächtig auf. Damals war es ja noch nicht üblich, als festes Theater auf Tournee zu gehen, womöglich nach Übersee; aber als die reiche Hansestadt Lübeck ihr neues Theater einweihen wollte, wen luden sie ein? Das komplette Opernensemble aus Schwerin. Und das hatte einen phänomenalen Erfolg mit drei Werken: Flotows eigener „Martha“, Mozarts „Hochzeit des Figaro“ - und vor allem mit Carl Maria von Webers „Freischütz“, den Gustav zu Putlitz mit der ganzen Dämonie der Theatermaschinerie angerichtet hatte, wie sie seit Emanuel Schikaneders Tagen offenbar nicht mehr so suggestiv gesichtet wurde. MUSIK: WEBER, DER FREISCHÜTZ, CD 2, TRACK 1 (16:26) WEBER, Der Freischütz; Adam, Schreier, Rundfunkchor Leipzig, Staatskapelle Dresden, C. Kleiber; DG 457 736-2 (LC 0173) Carl Maria von Weber, der Beginn der Wolfsschluchtszene aus der Oper „Der Freischütz“, worin der Teufel als Jäger „Samiel“ auftaucht und zwei ambitionierten Jägersburschen Schneid für Seele abkaufen will. In der Darstellung der Schweriner Theatercompagnie um 1860 wurden hierfür offenbar sämtliche Register der Bühnentechnik bzw. -Magie gezogen – ein Autor verglich die Aufführung mit denen Emanuel Schikaneders im Jahrhundert zuvor. Schikaneder übrigens, auch der Textdichter von Mozarts „Zauberflöte“, hat im September 200. Todestag; er wird das Sujet meiner übernächsten Musikstundenwoche sein. Doch noch zu unserer „Freischütz“-Aufnahme: Theo Adam und Peter Schreier sowie der Rundfunkchor Leipzig sangen, die Staatskapelle Dresden spielte, der Dirigent war Carlos Kleiber. Dass Flotow den Intendantenposten in Schwerin aufgab, hätte ein Sprung von der Klippe sein können, denn auf der Opernbühne wollte ihm so gut wie nichts mehr gelingen. Aber der „Alessandro Stradella“ und, vor allem, die „Martha“ warfen so gute Tantiemen ab, dass er keinen neuen Bühnenerfolg mehr brauchte: Der Komponist heiratete ein drittes Mal und lebte ab 1863 abwechselnd in Paris, bei Wien und natürlich
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