SWR2 Oper Aribert Reimann: „Lear“

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SWR2 Oper Aribert Reimann: „Lear“ SWR2 Oper Aribert Reimann: „Lear“ Sendung: Sonntag, 07. März 2021, 20.03 Uhr Redaktion: Bernd Künzig SWR2 können Sie auch im SWR2 Webradio unter www.SWR2.de und auf Mobilgeräten in der SWR2 App oder als Podcast hören: Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Die SWR2 App für Android und iOS Hören Sie das SWR2 Programm, wann und wo Sie wollen. 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Nach der Vertonung von August Strindbergs „Ein Traumspiel“ und der „Melusine“ nach einem Text von Yvan Goll ist der „Lear“ Reimanns dritter Beitrag für das Musiktheater. Ihm sind bis zu „L’Invisible“ nach Maurice Maeterlinck aus dem Jahr 2017 noch sechs weitere Opern gefolgt nach Texten von Euripides, noch einmal Strindberg, Kaka, Lorca und Grillparzer. Die Domäne Reimanns ist also die sogenannte Literaturoper, die Vertonung eines partiell wörtlich übernommenen literarischen Stoffes für die Opernbühne. William Shakespeare ist dabei singulär im Schaffen Reimanns geblieben. Und mit der späten Tragödie des „König Lear“ hat sich Reimann nicht nur einem der finstersten und abgründigsten Stoffe des Dramatikers gestellt, sondern sich auch an ein Stück herangewagt, an dem ein Komponist wie Giuseppe Verdi im 19. Jahrhundert gescheitert ist. Der Italiener hat diesen Plan zur Vertonung des „König Lear“ lange gehegt und versucht, ihn um 1850 auch zu realisieren. Doch die musikalische Sprache seiner späten Shakespeare-Vertonungen „Otello“ und „Falstaff“ steht ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Verfügung, um der psychologischen Gewalt des Stoffes gerecht zu werden und so gibt Verdi nach einigen Versuchen ernüchtert auf. Einige der Skizzen verarbeitet er aber in seiner Oper „Ein Maskenball“. Für Reimann war „König Lear“ nicht die erste Wahl. Seine beiden vorangegangenen Opern „Ein Traumspiel“ und „Melusine“ sind eher von einem geheimnisvollen bis stillen Lyrismus geprägt. „König Lear“ dagegen ist eine gewalttätige und abgründige Angelegenheit, ein Stück über die Torheit des Alters und eine Reise in Tod und Wahnsinn. Es zählt zu den späten Stücken Shakespeares. Neben „Macbeth“ gilt „König Lear“ als schwärzestes Stück des Dichters. Zu Beginn geht es um eine fast märchenhafte Konstellation. Ein alternder König bittet seine drei Töchter um Zeugnisse ihrer Liebe. Während Regan und Goneril ihm blumige Liebesbekundungen vorsäuseln, gibt ihm Cordelia zur Antwort, sie liebe ihn so, wie es sich für eine liebende Tochter gehört. Der enttäuschte Lear teilt daraufhin sein Reich unter den schmeichelnden Töchtern auf und verbannt Cordelia. Nur sein Narr hält ihm die Torheit seiner Alterseitelkeit vor und ahnt, welche Katastrophe er damit auslöst. Die Töchter werden ihn enteignen, Lear wird in den Wahnsinn abdriften und alle werden sich bis in den Untergang zerfleischen. Das ist harter Tobak, an dem, wie erwähnt, selbst Verdi im 19. Jahrhundert gescheitert ist. Reimanns Zögern wiederum kann man verstehen. Denn neben seiner Komponistentätigkeit ist er ein erfolgreicher Liedbegleiter. Das Dramatische liegt ihm zwar im Blut, aber er wählt dennoch bevorzugt Stoffe, in denen auch eine gewisse Intimität vorliegt. Schließlich ist es der Sänger Dietrich Fischer-Dieskau, den Reimann seit Jahren als Liedsänger begleitet und für den er auch Stücke komponiert, der den Anstoß gibt. Er wünscht sich schon lange eine Oper aus der Feder des Komponisten. Hören wir Aribert Reimann selbst zur Entstehungsgeschichte der Oper. O-Ton: Aribert Reimann zur Entstehung des Lear (2:02) Soweit Aribert Reimann. Ursprünglich ist der „Lear“ ein Auftrag der Hamburgischen Staatsoper unter der Intendanz von Rolf Liebermann. Sein Nachfolger August Everding übernimmt diesen mit großer Begeisterung und als er 1977 als Intendant an die Bayerische Staatsoper in München wechselt, nimmt er den Auftrag mit. So kommt es also am 9. Juli 1978 zur Uraufführung in München. Zehn Jahre hat Reimann bis dahin mit dem Stoff 2 3 verbracht. Der Erfolg der Uraufführung ist überwältigend. Das Stück steht mehrere Spielzeiten auf dem Spielplan der Bayerischen Staatsoper und sehr rasch entschließen sich auch andere Häuser, das Stück nachzuspielen. Im Vergleich mit dem Münchner Haus sind es auch wesentlich kleinere Spielstätten und selbst dort gelingt die Umsetzung des Werks mit großem Erfolg. Denn der Aufwand des Stückes ist erheblich. Die Besetzung des Orchesters ist groß, den Schlagwerkapparat, den Reimann hier zur Darstellung extremer Gewalt und eines Sturms von kosmischen Dimensionen nutzt, ist enorm. In einigen Opernhäusern passt das Schlagwerk nicht in den Orchestergraben und muss in den Seitenlogen positioniert werden. Nichtsdestotrotz wird der „Lear“ zu einem der meistgespielten Opernwerke des 20. Jahrhunderts und gilt neben Alban Bergs „Wozzeck“ und Bernd Alois Zimmermanns „Die Soldaten“ als der bedeutendste Beitrag zum Musiktheater im vergangenen Jahrhundert. Und das liegt nicht zuletzt an der emotionalen Sogwirkung und der bildgewaltigen Direktheit, die das Stück auch beim bloßen Zuhören ausübt. Das hat sich bereits bei der ersten Aufführung mit dem kongenialen Uraufführungsinterpreten Dietrich Fischer-Dieskau in der Titelpartie gezeigt. Wir hören heute Abend deshalb auch die nach der Uraufführung entstandene Aufzeichnung der Münchner Produktion im Oktober 1978. Die Oper hebt sozusagen nackt an. Kein Orchestervorspiel, keine Orchesterbegleitung. Nur die Stimme Lears. Hier entblößt sich der König schon zu Beginn. Und Reimann und sein Librettist Claus H. Henneberg haben den König nicht ohne Grund aus dem Titel gestrichen. Für die ungemein geschickt eingekürzte gewaltige Tragödie Shakespeares greift Henneberg nicht auf die Übersetzung Wolf Heinrich von Baudissins aus der klassischen Schlegel-Tieck- Ausgabe zurück, sondern auf die ältere, Ende des 18. Jahrhunderts entstandene Übertragung von Johann Joachim Eschenburg. Diese Fassung ist wesentlich kantiger, entschlackter, direkter und schonungsloser als der partiell romantisch verklärende Tonfall der Übersetzung Baudissins. Der König ist also herrschaftsmüde und will sein Reich unter seinen Töchtern aufteilen. Es kommt, wie es kommen muss: er hört auf die schmeichlerischen Worte von Regan und Goneril und verbannt Cordelia. Nur der König von Frankreich hat Mitleid mit ihr und nimmt sich ihrer an. Lears Vertrauter Kent kritisiert den König und wird ebenfalls geächtet. Regan und ihr Mann, der Herzog von Cornwall und Goneril mit dem Herzog von Albany teilen sich das Erbstück Cordelias auf. Parallel zur Alterstragödie Lears findet die des Herzogs von Gloster statt. Der hat zwei Söhne. Zum einen den aus seiner Ehe stammenden Edgar und den Bastard Edmund. Der intrigiert bei seinem Vater gegen Edgar mit einem gefälschten Brief. Daraufhin verjagt Gloster seinen Sohn. Edgar beschließt, verkleidet als armer Tom, seine schützende Hand über den Vater zu halten. Der Narr verspottet indes seinen abgedankten König Lear, der immer noch nicht wahrhaben will, dass er töricht gehandelt hat. Sein Diener Kent verdingt sich bei ihm in Verkleidung. Goneril und Regan werden immer herrschsüchtiger. Sie zwingen ihren Vater, sein Personal zu entlassen, da es ihnen zu teuer wird. Kent wird von ihnen in den Stock geschlagen. Als der Vater sich empört, jagen die Töchter ihn aus dem Haus. In der Zwischenzeit zieht ein apokalyptischer Sturm auf, in dem Lear durch die Heide irrt. Sein Verstand beginnt sich einzutrüben. Als der Sturm nachlässt, treffen Lear, der Narr und Kent auf den nackten und klagenden Edgar in der Heide. Er bringt den wahnsinnig gewordenen Lear mit dem Narren und Kent in seiner Hütte unter. Dort findet ihn Gloster, der seinen Sohn Edgar in seiner verwilderten Nacktheit nicht erkennt. Er lässt Lear nach Dover bringen. Wir hören im ersten Teil von Aribert Reimanns Oper „Lear“: König Lear: Dietrich Fischer-Dieskau König von Frankreich: Karl Helm Herzog von Albany: Hans Wilbrink Herzog von Cornwall: Georg Paskuda Graf von Kent: Richard Holm 3 4 Graf von Gloster: Hans Günter Nöcker Edgar, Sohn Glosters: David Knutson Edmund, Bastard Glosters: Werner Götz Goneril, Tochter Lears: Helga Dernesch Regan, Tochter Lears: Colette Lorand Cordelia, Tochter Lears: Julia Varady Narr: Rolf Boysen Chor und Orchester der Bayerischen
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