Inhalt

1 Einleitung

2 Unsere Experten im Kurzporträt

3 Von gestern bis heute - ein Überblick

4 Steuerungsmethoden früher und heute

5 Moderne Steuerungsoption: Erweiterte Realität

6 Steuerungsmethoden der nahen Zukunft

7 Spielprinzip 0815

8 Neue Vertriebsmethoden

9 Neue Finanzierungsmethoden

10 Ein Blick in die Zukunft

11 Fazit

Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 1 1 Einleitung „Niemand klaut unsere Mädchen… und kommt lebend davon!“ Duke Nukem

Nach dem Feierabend eine spannende Partie Call of Computerspiele sind in der Mitte der Gesellschaft Duty, in der Pause ein wenig Tower Defense - was angekommen. Gespielt wird per Smartphone, heute alltäglich ist, war noch vor etwa 60 Jahren Tablet, PC und Konsole, bei jeder Gelegenheit und pure Science-Fiction. Computerspiele haben in mit sehr unterschiedlichen Ansprüchen an die den vergangenen Jahrzehnten eine unglaubliche jeweiligen Spiele. Vom Browsergame bis zur ernst- Wandlung vollzogen, die Technik hat sich in fast haften Simulation findet sich auf dem Markt so unvorstellbar großen Schritten entwickelt. ziemlich alles, was sich zum Spielen eignet.

Zwei Schläger, eine gestrichelte Linie und ein Ball Und auch wenn Computerspiele vor allem in galten in den 1970ern als spielerische Revolution, Deutschlands Boulevardmedien noch einen eher mittlerweile berechnet der PC eindrucksvolle Phy- schlechten Ruf haben, gelten immer mehr Spiele sikeffekte und grafisch anspruchsvolle Szenarien nicht mehr nur als Zeitvertreib, sondern als ernst- quasi nebenher. hafte Kunstform.

Welche Technologien haben das Potenzial um kommende Spiele nachhaltig zu beeinflussen?

Welche Spielprinzipien scheinen keine Zukunft zu haben und von welchen versprechen sich Programmierer, Publisher, Journalisten und nicht zuletzt die Spieler die meisten Vorteile?

Was bedeuten die aktuellen Entwicklungen in den Bereichen Cloudgaming, Crowdfounding und Free2Play für die Branche und für den Spieler?

Lassen Sie sich mitnehmen auf eine Reise von der Vergangenheit in die Zukunft der Computerspiele - mit Zwischenstopp in der aktuellen Zeit und bei vielen wichtigen Stationen des immer noch recht jungen Mediums.

Auch wenn vieles in der Zukunft noch unsicher ist, ein kleiner Blick in die mit vergangenen und aktuellen Trends gefütterte Kristallkugel kann nicht schaden. So beginnt unsere Reise durch die Welt der Computer- spiele in den 1950er Jahren und endet in der nahen Zukunft mit einem Ausblick auf kommende Steuerungs- methoden, Finanzierungsmöglichkeiten und Vertriebsmethoden.

2 Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 2 Unsere Experten im Kurzporträt „Zu leben... das heißt nicht für immer zu leben oder unsterblich zu sein. Sich gegenseitig zu helfen und beizustehen, das ist der wahre Sinn des Lebens.“ Final Fantasy IX

So wie ein gutes Spiel nicht von nur einer Person entwickelt wird, sorgen auch in diesem eBook einige Größen der Videospielszene für ein facettenreiches Bild von der Zukunft der Computerspiele.

Chris Roberts später dann als Redaktionsleiter für den Hard- warebereich und aktuell zusätzlich als Mitglied Kaum ein anderer Softwareentwickler wird in der Chefredaktion der Gamestar. Aufgrund von Spielerkreisen für seine mutigen Ausflüge an die zahlreichen Tests, Previews und exklusiven Einblic- Grenzen der Leistungsfähigkeit aktueller Hard- ken in die Hardwarelabore der großen Hersteller ware so sehr geschätzt wie Chris Roberts. Für verfügt Visarius über einen sehr guten Blick über das legendäre Studio Origin des -Erfinders die Hardwareszene und die generelle Videospiele- Richard „Lord British“ Garriott entwickelte Roberts Landschaft. in den 1990er Jahren Meilensteine wie Wing Com- mander und Strike Commander - und zeigte damit Tassilo Rau die Leistungsfähigkeit moderner Computer. Mit Star Citizen will Roberts nun wieder für Aufsehen Der leidenschaftliche Gamer Tassilo Rau konnte im Spielebusiness sorgen. Sein neues Projekt soll nach einigen Jahren der Arbeit für die Werbebran- erneut bislang kaum verbreitete Hardware unter- che sein Hobby zum Beruf machen und arbeitet stützen und wird ohne den klassischen Publisher- mittlerweile seit mehr als zehn Jahren als freibe- vertrag finanziert. ruflicher Grafiker in der Spielebranche. Sein neu gegründetes Studio Bumblebee entwickelt aktuell Gunnar Lott das an alte NES- und Japano-RPGs angelehnte Rol- lenspiel Days of Dawn. Trotz der Möglichkeit, das Bekannt wurde Gunnar Lott als Redakteur des Spiel von einem Publisher finanzieren zu lassen, Computerspiel-Magazins Gamestar, bei welchem er ging Bumblebee bewusst den risikoreichen Weg des auch lange Jahre als Chefredakteur tätig war. Mit Crowdfounding - unter anderem, um Days of Dawn dem Making Games Magazin (ehemals GameStar/ nicht zu einem Free2Play-Titel werden zu lassen. dev) gründete er zudem ein Magazin für Entwickler von Computerspielen. Auch die Spiele-Entwickler- Dennis Ziesecke Konferenz Making Games (aktuell: Making Games Talents) wurde von Lott ins Leben gerufen. Nach Der Autor dieses eBooks arbeitete mehr als zehn seinem Abschied beim IDG-Verlag ging Gunnar Lott Jahre lang als PC-Techniker und Verkäufer im zu Gameforge, wo er die mit einem International Busi- EDV-Einzelhandel. Seit einigen Jahren ist Ziesecke ness Award ausgezeichnete Webseite Gameforge. als freiberuflicher Autor und Journalist für sein com führte. Aktuell arbeitet Lott als PR-Mitarbei- eigenes Unternehmen „Frei Geschrieben“ tätig. ter bei Flaregames, einem Anbieter von innovati- Im Gamestar-Sonderheft „Hardware“ erschienen ven mobilen Spielen für Smartphones und Tablets, mehrere Jahre in Folge seine Ausblicke auf die die unter anderem auch Augmented Reality nutzen. Hardware des kommenden Jahres. Bei Jörg Lan- gers Onlinemagazin GamersGlobal wirft er zudem Daniel Visarius in der Rubrik HW-News einen regelmäßigen Blick auf aktuelle und kommende Entwicklungen. Spie- Seit dem Jahr 2001 arbeitet Daniel Visarius bereits lerisch startete Dennis Ziesecke in den 1980er beim Spielemagazin Gamestar - anfangs als Trainee, Jahren mit einem Sharp MZ-800 und einem C64.

Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 3 3 Von gestern bis heute - ein Überblick „Würden Computerspiele tatsächlich Kinder beeinflussen, dann würden wir jetzt alle in abgedunkelten Räumen herumrennen, magische Pillen einwerfen und monotone elektronische Musik hören.“ Marcus Brigstocke über PacMan

Stellt eine neue technische Entwicklung an eine Universität und sie wird unter Garantie spielerisch genutzt werden.

Beweise für diese Theorie liefert die Vergangenheit Tennis for Two allerdings erlangte in Form eines der Computerspiele: Sündhaft teure Rechenma- Spielautomaten Berühmtheit: Pong läutete die Ära schinen wurden in der Nacht zu Spielemaschinen der elektronischen Spielautomaten ein und zog umfunktioniert. Selbst ansonsten wenig spiele- neugierige Jugendliche in Supermärkte, Kioske und risch veranlagte Oszillographen ließen sich zu Pommesbuden. Spielegeräten umbauen - wie der Physiker William Higinbotham im Jahr 1958 bewies: Sein „Tennis for Einige Zeit lang waren Videospiele somit eine sehr Two“ gilt als das erste Videospiel und nutzt einen öffentliche Tätigkeit, ein Kräftemessen mit Freun- Analogcomputer und besagten Oszillographen. den und Herumstehenden, die Jagd nach dem High- score. Und auch wenn es nicht lange dauerte, bis Noch früher gab es Spiele nur ohne bewegte gra- Spielekonsolen das heimische Wohnzimmer erober- fische Ausgabe, das erste namentlich bekannte ten, wurden stationäre Spielautomaten noch viele dürfte das 1952 erschienene OXO gewesen sein. Jahre lang immer weiter entwickelt.

Computerspiele fanden seinerzeit primär an Uni- Mit der Zeit wechselten immer mehr Automa- versitäten statt, dort also, wo Großrechner des ten vom Eingangsbereich des Supermarktes oder Nachts von experimentierwilligen Studenten für aus dem Pub in Spielhallen, sodass Kinder keinen spielerische Zwecke zweckentfremdet werden Zugriff mehr auf die zunehmend realistischer wir- konnten. kenden Spiele hatten.

Die wohl berühmteste Retro-Heimkonsole der Welt: Ataris VCS 2600.

4 Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 3 Von gestern bis heute - ein Überblick

Wohnzimmer-Spielereien Nichtsdestotrotz erfreuten sich die ersten Kon- solen einige Jahre lang großer Beliebtheit – auch Bis zum Erscheinen der ersten Videospiel-Konsolen wenn Spiele wie Pong nach einiger Zeit auch für war Computerspielen daher ein Hobby für Privile- Kinder der 1970er Jahre langweilig wurden. gierte – sei es durch ein Studium an der mit der richtigen Technik ausgestatteten Universität oder Deutlich flexibler wurden die Spieler dann mit durch einen reichhaltigen Fundus an Kleingeld. der zweiten Generation der Spielekonsolen.

Das änderte sich zumindest teilweise im Jahr 1972 Das wohl berühmteste Modell, Ataris VCS 2600, mit dem Erscheinen der ersten kommerziell ver- gilt auch heutzutage noch als Referenz für 8-Bit- triebenen Spielekonsole Magnavox Odyssey. Diese Konsolen der beginnenden 1980er Jahre. Neben der Konsole ließ sich an handelsübliche Fernsehgeräte Möglichkeit, wechselnde Spiele zu spielen, boten die anschließen und holte ein wenig des Automaten- ersten „modernen“ Konsolen auch eine deutlich Spielgefühls ins eigene Wohnzimmer. fortschrittlichere Grafikausgabe – im Vergleich zur Odyssey wirkten sogar die aus heutiger Sicht sehr Wechselbare Spielmodule nutzte die Odyssey wie bescheidenen Spezifikationen des VCS 2600 modern. auch der Coleco Telstar und Ataris Home-Pong In den Jahren zwischen 1977 und 1987 erschienen indes nicht, die Spiele waren in Form von fest ver- mehr als 1200 Spiele für das Atari VCS 2600 und drahteten Schaltkreisen auf den Platinen der Kon- auch die Nachfolgemodelle 5200 und 7800 blie- solen realisiert worden. ben kompatibel zu den beliebten Spielen des 2600.

Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 5 3 Von gestern bis heute - ein Überblick

Konsole + Keyboard = Heimcomputer Vollversionen zum Abschreiben

Im Jahr 1983 allerdings schien die Zukunft der Dabei boten sowohl der Verlag „Markt und Technik“ Spielekonsolen trotz Nintendos zu dieser Zeit als auch der Tronic-Verlag Hefte mit integrierten erscheinendem NES besiegelt: Heimcomputer wie Vollversionen für alle gängigen Heimcomputersy- der Apple II oder Commodores VC20 ebneten den steme an. Diese wurden seinerzeit allerdings nicht Weg für preiswerte aber flexibel einsetzbare Heim- auf Kassette oder Diskette ausgeliefert, sondern computer. Die weiterhin oft jugendlichen Com- befanden sich als Listing abgedruckt im Heft. Wer puterspieler erhielten mit den Möglichkeiten der eines der Programme nutzen wollte, musste zuerst Heimcomputer zugleich auch ein praktisches Argu- schier endlose Zahlenkolonnen abtippen. Am Ende ment für die Anschaffung eines solchen: Während ließ sich das Programm dann dauerhaft auf einem mit einer Konsole ausschließlich gespielt werden Datenträger sichern und jederzeit nutzen. kann, ließ sich ein Heimcomputer auch für seri- öse Anwendungen wie Textverarbeitung und für In vielen Fällen war aber der Weg das Ziel: Nicht das Erlernen einer Programmiersprache nutzen. wenige Nutzer haben damals durch das Abschrei- ben der Listings ihre Begeisterung am Program- Vor allem der 1982 erschienene Commodore C64 mieren entdeckt. Vor allem in der Anfangszeit der fand nicht zuletzt aufgrund dieser Argumentati- Heim- und Personal Computer entwickelten die onshilfe seinen Weg in mehrere Millionen Haus- neugierigen Besitzer teilweise komplette Bürolö- halte. Ungeachtet aller guten Vorsätze wurden sungen inklusive Textverarbeitung. C64, Amiga und Atari ST dann aber doch oft nur für schnöde Computerspiele genutzt. Doch was für Mangels Softwareangebot auf dem freien Markt welche! Mit der gestiegenen Rechen- und Spei- und mangels Softwareecke im örtlichen Elektro- cherkapazität realisierten die Entwickler immer nikgeschäft blieb ihnen teilweise schlicht nichts neue Spielprinzipien und bis heute legendäre Com- anderes übrig. puterspiele. Schnell jedoch entwickelte sich ein reger Markt um Wer sich seinerzeit einen modernen Heimcompu- die aufstrebenden Computer und ihre Programme. ter wie den C64 oder einen Amstrad CPC gekauft Textverarbeitungen, Grafikprogramme und vor allem hat, verfügte nach dem Erwerb oft über nur noch auch Spiele ließen sich bald schon in den Elektro- rudimentäre Geldreserven. Doch nützt der beste nikabteilungen der Kaufhäuser bequem erwerben. Computer nichts ohne Software - allerdings war Anfangs preiswert auf Kassetten oder teurer auf das Softwareangebot vor allem zum Verkaufs- 5,25 Zoll großen Disketten, später auch auf 3,5 Zoll beginn einer neuen Computergeneration zumeist Disketten. eher zurückhaltend, von den fehlenden Vertriebs- wegen einmal ganz zu schweigen. Wer sich über Mitte der 1990er Jahre setzten sich dann auch neue Spiele informieren wollte, ließ sich zumeist CD-ROMs durch und erweiterten die Speicherka- eine „Sicherheitskopie“ auf dem Schulhof oder im pazität gewaltig. In Zeiten von gerade einmal 500 Bekanntenkreis übergeben. Oder er las sich sein bis 1000 Megabyte fassenden Festplattenlaufwer- Wissen in einer der aufstrebenden Computer- ken waren die 600 Megabyte einer CD-ROM eine zeitschriften wie der Happy Computer an. Dort beachtliche Größe. Der Schritt von der CD-ROM hin erfreute sich vor allem der Spiele-Sonderteil in der zur DVD war dann nur ein evolutionärer, die große Heftmitte so großer Beliebtheit, dass die Redak- Revolution blieb aus. teure bald ihr eigenes Heft gestalten durften: Die Powerplay war geboren und sollte in den kom- Konsolen nutzen mittlerweile auch Blu-ray-Discs menden Jahren bevorzugt mit der im Tronic-Verlag als Speichermedium, für PC-Spiele blieb dieser erschienenen ASM konkurrieren. Schritt zumindest für Spiele bislang aus.

6 Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 4 Steuerungsmethoden früher und heute „Aber nichts mit den Lippen berühren!“ Gemischtwarenhändler, Monkey Island

Fast jedes Spiel verlangt von seinem Spieler mehr Zwar gab es immer noch Flightsticks für Flugsimu- oder weniger sinnvolle Eingaben Ob diese nun wie lationen und Lenkräder für Autorennen – später bei einem Textabenteuer direkt per getipptem auch mit effektvoller Kraftrückkopplung (Force Befehl erfolgt, per Maus, WASD/Pfeiltastensteue- Feedback) – die Innovationsfreude versiegte aber rung, per Joystick, Paddle, Gamepad oder mittels offenbar mit dem Streben nach Gewinnmaximie- Bewegungssteuerung ist daher erst einmal egal. rung bei den großen Publishern. Erst Nintendo zeigte sich mit der Wii mutig: Eine Bewegungs- Knifflig wird es nur, wenn das Spiel eine Steue- steuerung ersetzte das ansonsten obligatorische rungsmethode nicht oder nur halbherzig unter- Gamepad und machte zahlreiche neue Spiele über- stützt. Vor allem in der Anfangszeit der Heimcom- haupt erst möglich. puter- und Telespiele waren die meisten Video- spiele Umsetzungen von Spielautomaten wie Pong, In eine Plastikarmbrust eingelegt verwandelt sich Pacman, Asteroids oder später Afterburner oder die Wiimote in eine moderne Lightgun, sie kann als Outrun. Einige dieser Automaten jedoch versuch- Schwert geschwungen werden oder in der Hosen- ten sich von der Masse durch kreative Eingabe- tasche Joggingbewegungen erkennen. Höhepunkt geräte abzuheben – anstelle des meist üblichen der Wii-Steuerungsmöglichkeiten ist sicherlich das Joysticks trat dann beispielsweise ein mit vielen Balance Board des Spieles Wii-Fit, eine Art Waage zusätzlichen Buttons versehener Flightstick, ein mit Sensoren für die Füße mit deren Hilfe sich Lenkrad, Paddles, Lichtpistole oder eine Anord- auch halbwegs komplexe Fitnessübungen vollzie- nung aus mehreren Joysticks, die gleichzeitig hen lassen. bedient werden mussten. Am Heimcomputer oder der Konsole wurde die Steuerung dann oft auf den Während Sony mit Playstation Move dem Wii-Con- üblichen Joystick umgelegt, was nicht in jedem Fall troller nacheifert, ist Microsoft mit Kinect einen zufriedenstellend funktionierte. Schritt weiter gegangen und hat eine vollwertige Bewegungserkennung mit verschiedenen Kameras und Mikrofonen für die Xbox360-Konsole ent- Es ist ein Gewehr. Mit Licht! wickelt. Einzig den Softwareherstellern fehlt es noch am Mut, Kinect auch adäquat zu unterstüt- Als oft teuer zu erwerbendes Zubehör fanden zen, sodass sich das verfügbare Softwareangebot sich einige kreative Eingabegeräte aber auch im größtenteils aus wenig aufwendigen Casual-Games Wohnzimmer wieder. So kamen vor allem für die zusammensetzt. zahlreichen Heimkonsolen vom VCS 2600 bis hin zum Sega Mega Drive Lightguns genannte Pistolen Ausnahmen wie das Rollenspiel Fable 3 konnten auf den Markt. Mit diesen ließen sich die zumeist indes spielerisch nicht überzeugen oder nutzen doch recht simplen Schießspiele mit einem gefühlt die Kinect-Steuerung nur mangelhaft. Für die etwas höherem Realismusgrad spielen. Generell kommende Generation der Xbox-Konsole plant wurde für Spielekonsolen einiges an ungewöhn- Microsoft allerdings schon vor: Gerüchteweise soll lichem Eingabegerät entwickelt und verkauft eine Videobrille entsprechende Spiele mit Aug- – selbst die Steuerpulte japanischer Eisenbahnen mented-Reality-Funktionen erweitern. wurden für die entsprechende Zielgruppe nach- gebildet. Je populärer das Hobby „Videospiele“ In Verbindung mit der Bewegungssteuerung wären aber wurde, desto seltener schienen die Hersteller so neue Spielmethoden möglich – theoretisch ließe bereit, Eingabegeräte abseits des Mainstream zu sich sogar die Wohnzimmereinrichtung in das Spiel entwickeln und anzubieten. mit einbeziehen.

Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 7 5 Moderne Steuerungsoption: Erweiterte Realität „Haben Sie einen Schwarm weiße Schwäne gesehen?“ Bobbin Threadbear, Loom

Augmented Zombie-Reality

Eine spannende Mischung aus sinnvollem und spielerischem Nutzen ist beispielsweise die Smart- phone-App „Zombies, Run!“. Bei dieser wird der Spieler als Läufer für ein von Zombies umring- tes Camp eingesetzt. Über die Kopfhörer bleibt der Spieler in virtuellem Funkkontakt zur Basis während er Aufträge für das Camp erfüllt. Dabei müssen allerdings keine Tasten gedrückt werden, da der Spieler als Läufer eingesetzt wird, muss tatsächlich gelaufen werden. Die App verbindet sehr gut den unterhaltenden Faktor eines Mit- mach-Hörspiels und die körperliche Betätigung des Joggens – noch nie war Jogging so beängsti- gend und motivierend.

Für einen Videospiel-Fan der 1970er Jahre muss ein Hier wird zwar keine visuelle aber eine auditiv aug- Wii-Spieler mit seiner Wii-Mote recht futuristisch mentierte Reality erschaffen, was der Bedienung wirken. Dabei gab es in den vergangenen Jahren während des Laufens aber sehr zugutekommt. In bereits moderner wirkende – aber aufgrund techni- Zukunft sind auch Crossover-Lösungen mit popu- scher Begrenzungen oft nur mangelhaft funktionie- lären „stationären“ Spielen denkbar: Während rende – Eingabemöglichkeiten. Unscheinbarerer als der Sohn an der Konsole eine Basis aufbaut und Kinect und Wiimote wirkt beispielsweise Augmented verteidigt, könnte die Tochter beim Joggen über- Reality. Diese „erweiterte Realität“ zeigt auf einem lebenswichtige Teile sammeln. Companion-Apps Display zur ebenfalls sichtbaren Umgebung zusätz- dienen dann als Motivationsverstärker für das liche Informationen an. Mit dem Aufkommen von herkömmliche Spiel. Mit der zunehmenden Ver- Smartphones und Tablets wurde auch Augmented breitung von mobilen Überallcomputern mit dau- Reality hoffähig und sinnvoll nutzbar. Smartpho- erhafter Internet- und GPS-Verbindung werden nes, von Haus aus bereits mit GPS, Gyroskop und in Zukunft auch weitere Hersteller ähnliche und diversen Kameras und Mikrofonen ausgestattet, sicherlich noch weiter ausgearbeitete AR-Spiele bieten ideale Voraussetzungen für AR-Anwendun- auf den Markt bringen. Vor allem in Verbindung gen. Dabei dominieren noch „seriöse“ Anwendun- mit den von Unternehmen wie Google bereits ent- gen, bei denen beispielsweise Informationen über wickelten AR-Brillen, bei denen ein kleines Display Denkmäler in die von der Kamera des Telefons Informationen direkt in das Sichtfeld des Nutzers aufgezeichnete Umgebung eingeblendet werden. einblendet, wird der Bereich der AR-Spiele einen immer größeren Faktor im Spielebereich darstel- So lassen sich auch Spiele in der echten Welt rea- len. Nintendo macht die Verknüpfung mit dem 3DS lisieren: es werden beispielsweise zu fangende bereits vor: Die mobile Konsole kann beim Shop- Gegner in das Bild der echten Umgebung ein- pingbummel automatisch Kontakt zu anderen 3DS geblendet. Gegner die auf der Übersichtskarte aufnehmen um so Punkte zu sammeln oder Infor- gefunden und gejagt werden müssen während das mationen auszutauschen. AR-Anwendungen zum Smartphone die eigenen GPS-Daten zur Positions- Sammeln von Extras in der realen Welt sind da nur bestimmung auswertet. ein kleiner Schritt.

8 Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 6 Steuerungsmethoden der nahen Zukunft „Prepare for unforeseen consequences“ GMan, Half Life 2

Für das stationäre Gaming an PC und Konsole stehen bereits einige neue Technologien bereit.

Während PC-Gamer mit eigener Konsole immer mehr von der klassischen Kombination „Tastatur/Maus“ auf das Gamepad umsteigen, konnten sich andere Steuerungsoptionen bislang nicht durchsetzen.

Gehirnwellensteuerung – in der Realität eher eine Stirnrunzel-Steuerung – ist nicht zuverlässig genug für komplexe Eingaben, Touchdisplays am PC ermü- den die Arme zu schnell und kreative Mausformen in Quader- oder Ringformat sind bestenfalls eine Lösung für Nischenmärkte. Selbst bei Gamepads stagniert die Entwicklung, nachdem mit den Pads von Xbox360 und Playstation 3 sehr ergonomische und beliebte Formgebungen und Tastenanordnun- gen gefunden wurden.

Welche Steuerung bevorzugt wird, hängt auch immer vom favorisierten Spielegenre ab.

So schwören PC-Spieler zu Recht auf die bis- lang einzigartige Genauigkeit von Tastatur und (Gamer-) Maus, während sich 3rd-Person-Spiele und Jump‘n‘Runs deutlich besser mit einem Game- pad steuern lassen. Rennspiele erfordern beispiels- weise nicht zwingend ein Lenkrad - auch wenn ein solches den Realismusgrad etwas weiter erhöht, reits eine sehr gute Steuerungsmethode etabliert. lassen sie sich ebenfalls sehr gut per Gamepad Das sieht auch Daniel Visarius, Verantwortlicher für steuern. Rundenstrategiespiele hingegen eignen den Hardwarebereich des Spielemagazins Game- sich gut für die Computermaus, lassen sich aber star, ähnlich. auch perfekt auf eine Touchsteuerung anpassen. Einen Schwertkampfsimulator jedoch mag kaum Die klassischen Steuerungskonzepte haben sich jemand per Touch, Keyboard oder Maus steuern bewährt, der viel zitierte Core-Gamer wird auch - hier bieten sich Bewegungskonzepte wie Kinect in der näheren Zukunft nicht von seinem Gamepad oder die Wiimote an. oder seiner Maus abweichen.

Bewegungssteuerungen wie die Wiimote oder Gamer sind Gewohnheitstiere Kinect eignen sich laut Visarius sehr gut für Casual- Games - viele Spieler jedoch sehen seiner Meinung Neue Steuerungsmethoden, die in Zukunft die nach im Spiel aber eher ein Hobby zur Entspan- Videospiele erobern wollen, haben es daher recht nung, anstrengende Bewegungen vor dem Fernse- schwer auf dem Markt - für fast jedes Genre ist be- her eignen sich daher weniger für Core-Games.

Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 9 6 Steuerungsmethoden der nahen Zukunft

Auch Gunnar Lott, Mitbegründer der GamePro und Mit Microsofts Smartglass lassen sich Tablets als ehemaliger Chefredakteur der Gamestar, aktuell Sekundärbildschirm für die Xbox360 einsetzen. Communications Director bei Flaregames, sieht die So lässt sich das Inventar im Spiel auf das Tablet Zukunft der Eingabegeräte verhalten: auslagern - vergleichbar mit der Funktion der WiiU. Microsoft hat allerdings die Latenzen zwischen „Ich sehe nicht, dass ein Trend kommt, der alles Konsole und Tablet noch nicht im Griff, sodass andere ersetzt. Ich denke, man wird mit den sich Smartglass aktuell primär langsam und unbe- Händen spielen, weil das eben am besten funktio- quem anfühlt. Und so zieht auch Daniel Visarius niert - und die Technik wird dem Rechnung tragen, zu Tablets das Fazit: durch Touch-Oberflächen, durch spezialisierte Con- troller. Ob diese Geräte jetzt an Konsolen hängen, „Als Tastaturersatz um bei einem Konsolenspiel an PCs oder einfach so mit eigenem Prozessor.“ einen Text zu verfassen sind Tablets ideal und bieten einen größeren Komfort als die Eingabe Mit Nintendos aktueller Spielekonsole WiiU hat per Gamepad. Auch als Fernbedienung für die erstmals ein Tablet Einzug ins Konsolengaming zunehmenden Mediencenter-Funktionen moderner erhalten. Das primäre Eingabegerät der zur Wii Konsolen sind Tablets hervorragend geeignet. Als abwärtskompatiblen Konsole ist ein Gamepad mit reiner Sekundärbildschirm zur Auslagerung von mittig angebrachtem Touchdisplay. So lässt sich Anzeigen werden sich Tablets aber kaum in Spielen ein neues, asynchrones, Spielprinzip ausprobieren: durchsetzen. Da müssen erst die richtigen inhaltli- Ein Spieler kann beispielsweise von Mitspielern chen Konzepte her.“ unbeobachtet per Splitscreen in einem Geister- schloss auf die Jagd nach den anderen Spielern gehen - wie in Nintendos Minispiel-Sammlung Nin- Gestensteuerung und Headtracking tendo Land. Doch es gibt auch andere Ansichten bezüglich der Bei anderen Titeln wie Darksiders 2 oder Zom- Zukunft der Eingabegeräte. Chris Roberts, in den bieU wird das Tablet allerdings hauptsächlich als 1990er Jahren durch Spiele wie Wing Comman- Anzeige für Landkarten und das Inventar genutzt. der und Strike Commander in der Spieler-Szene Für solche Funktionen sieht Daniel Visarius Tablets berühmt geworden, kündigte jüngst eine für das auch primär geeignet: Jahr 2014 geplante Space-Sim namens Star Citizen an. Das Spiel soll entgegen aller Branchentrends „Problematisch ist das Umschauen vom großen für den PC erscheinen und zudem eine Vielzahl Fernseher zum Tablet-Controller. Für das Inventar neuer Hardwareentwicklungen wie Leap Motion im Spiel ist eine Tablet-Ansicht sicherlich okay, und Oculus Rift unterstützen. lenkt aber dennoch vom eigentlichen Spiel ab. Bis- lang nutzt nur der Multiplayer-Titel Nintendo Land Bei Leap Motion handelt es sich um eine Bewe- den Tablet-Controller wirklich innovativ, indem ein gungssteuerung für den PC – eine unscheinbare Spieler auf dem Tablet spielt und die anderen seine Box findet Platz vor dem Monitor und erkennt die Schritte somit nicht verfolgen können, während er Bewegungen von in der Nähe befindlichen Händen. aber die anderen sieht. Die WiiU selbst ist technisch So lassen sich per Finger oder Hand Fenster ver- allerdings wenig innovativ, der neue Controller im schieben, Eingabegeräte simulieren und ohne den Lichte von iPad & Co deutlich weniger bahnbrechend Touch-Zwang die Metro-Oberfläche von Windows als damals die Bewegungssteuerung WiiMote.“ 8 bedienen. Oculus Rift hingegen ist eine per Kick- starter finanzierte VR-Brille. Dank integriertem Auch Android-, WindowsRT- und iOS-Tablets und Headtracker setzt Oculus Rift zudem die Bewe- -Smartphones lassen sich mittlerweile als Erwei- gungen des Kopfes in entsprechend vorbereiteten terung für Konsolenspiele einsetzen. Programmen um.

10 Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 6 Steuerungsmethoden der nahen Zukunft

Nach dem überraschenden Erfolg der Crowd- Vor allem in Verbindung mit Headtracking sind für founding-Kampagne für Star Citizen – es kamen Roberts Videobrillen und Bewegungssteuerun- anstatt der geplanten 2 Millionen US-Dollar mehr gen wie Leap Motion die Zukunft des Gamings. Er als 6 Millionen US-Dollar zusammen – gilt auch die spricht aber auch die Probleme mit der mangeln- Implementierung von Steuerungsmethoden wie den Softwareunterstützung an: Leap Motion und Anzeigegeräten wie Oculus Rift in Roberts Star Citizen als gesichert. Roberts zeigt „Leap Motion eignet sich sehr gut als Ergänzung sich im Interview als großer Freund dieser Tech- für Oculus Rift und die Oculus-Entwickler sind auch nologien: sehr an Leap Motion interessiert. Du wärst dann beispielsweise in der Lage deine Hände im Spiel, „Ich finde es sehr spannend mit all den verschiede- in der VR-Brille, vor deinen Augen zu sehen und nen Eingabemethoden zu experimentieren. Einige bewegen zu können. Wir leben momentan in einer davon können die Spielerfahrung deutlich verbes- sehr spannenden Zeit, aktuell erscheinen so viele sern. Kinect allerdings finde ich nicht so gut – ich coole technische Neuentwicklungen, die bald zum habe das PC-Kinect ausprobiert. Leap Motion finde Mainstream werden könnten. Allerdings benötigen ich da deutlich interessanter, weil es sehr gut auf diese Geräte Software, mit der man sie sinnvoll die Nutzung am PC abgestimmt ist. Man kann in benutzen kann. Und du brauchst Leute, die daran seinem Stuhl vor dem Monitor sitzen bleiben und interessiert sind, die Geräte mit der entsprechen- mit einfachen Bewegungen arbeiten. Kinect zwingt den Software zu benutzen. Ich hingegen bin daran dich dazu, deutlich mehr Raum zwischen Kamera interessiert, dass meine Software genutzt wird und Nutzer zu lassen, während die Leap-Motion- – im Idealfall ergänzt sich das also sehr gut. Wir Box direkt vor dem Monitor angebracht wird.“ werden sehen wie es weitergeht.“

Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 11 7 Spielprinzip 0815 „Another visitor... Stay a while, stay forever“ Alvin Atombender, Impossible Mission

Vorsprung durch Technik

Das Ende der Heimcomputer läutete dann in den 1990er Jahren der PC ein – VGA-Grafikkarten und 386-Prozessoren sorgten für ausreichend Lei- stung. Spiele wie Wing Commander dienten als Kaufanreiz für begeisterte Computerspieler. Mit der immer weiter steigenden Leistung von PC und später auch Konsolen wie der Playstation stan- den den Entwicklern immer mehr Möglichkeiten offen, um ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. So entstanden Spiele mit offenen Spielwelten wie Grand Theft Auto 3 und – bedingt durch preis- werter gewordene Internetzugänge – auch MMOs In den vergangenen Jahren haben Videospiele eine wie und später World of Warcraft. primär technisch bedingte Entwicklung durch- gemacht. Waren zur Anfangszeit der Videospiele Plötzlich populäre Genres wie Jump‘n‘Runs, Shoo- Speicher und Rechenkapazitäten noch stark ein- ter oder jüngst MMOs zogen und ziehen zudem geschränkt, stehen heutzutage schier unendliche schnell mehr oder weniger erfolgreiche Epigonen Ressourcen zur Verfügung. Auch der Wandel vom heran. Auf Mario folgte eine wahre Schwemme kleinen Nischenmarkt hin zum Milliarden-Dollar- ähnlicher Spiele. Am bekanntesten davon war wohl Business hat zur Wandlung einiger Spielegenres und der recht dreiste aber ebenfalls sehr spielbare sogar zum Entstehen neuer Genres beigetragen. Mario-Klon Giana Sisters – ein Spiel, das erst vor wenigen Jahren eine neue Version auf den aktu- Mit nur wenigen Kilobyte Hauptspeicher, 16 gleich- ell populären Smartphones und nun auch ein per zeitig darstellbaren Farben und langsamen Daten- Crowdfounding finanziertes Remake für den PC trägern war die Programmierung aufwendiger bekommen hat. Hier zeigt sich, dass das Spiel- Spiele zur Zeit der Heimcomputer eine nicht zu prinzip eines Klassikers sich sehr gut auch für die unterschätzende Leistung. Dennoch arbeiteten moderne Spielewelt eignet. Mit ein paar Zusatz- seinerzeit oft nur kleine Teams an den Spielen funkionen, aktueller Grafik und sanft überarbei- – und teilweise hauptsächlich an der Optimierung teter Klangkulisse können auch Hits von Früher des Codes an die jeweils genutzte Hardware. zu modernen Klassikern umgearbeitet werden.

Damit ein Spiel wie Elite auf dem Ursprungs- Generell lässt sich beobachten, dass mit dem System BBC-Micro oder später auf dem C64 über- Aufkommen der in Leistung und Speicherkapa- haupt funktionieren konnte, mussten die beiden zität begrenzten Smartphones auch alte Spiele Programmierer David Braben und Ian Bell tief in und Spielprinzipien wieder aufleben. Was auf die Trickkiste greifen. dem Amiga oder C64, dem NES oder dem Mega Drive funktioniert hat, lässt sich oft auch gut Oft aber ordnete sich das Spielprinzip der Hardware auf Smartphones umsetzen. Einzig die Steuerung unter – Spiele mit offener Welt, vielen Freiräumen per bereitet vielen Entwicklern noch und grandioser Grafik ließen sich nicht auf Rech- immer starke Probleme. Tablets mit integriertem nern realisieren, deren Megahertzzahlen einstellig Gamecontroller wie Razers Projekt Fiona oder das und deren Disketten nur langsam auslesbar waren. Gamepad versprechen hier aber Abhilfe.

12 Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 7 Spielprinzip 0815

Retro-Rückbesinnung und F2P

Beliebt sind Retro-Anleihen auch im Genre der Mit Forge of Empires hat ein ernst zu nehmen- Browsergames. Da diese Spiele auf möglichst des Strategiespiel Platz unter den Browsergames vielen Rechnern laufen sollen und zudem per gefunden und Age of Empires Online setzt sogar Browser dargestellt werden müssen, sind die Ent- das Prinzip eines Echtzeitstrategieklassikers in wickler in den technischen Möglichkeiten stark Knuddelgrafik und mit Free2Play-Prinzipien um. eingeschränkt. Es ist daher naheliegend, sich an Auch Chris Roberts sieht Free2Play unter gewissen bereits bewährten Spielprinzipien zu orientieren Umständen positiv: und diese dann für die Zielgruppe der Browserga- mer umzuschreiben. Titel wie Die Stämme, Kapifari „Ich denke, dass Free2Play funktionieren kann, ich oder Wurzelimperium hätten ohne große Änderun- bin nicht gegen F2P. Als Betreiber sollte man sein gen auch auf dem Amiga funktioniert. Der Einfluss Publikum aber unbedingt ernst nehmen. Es gibt einiger Klassiker auf moderne Browsergames ist viele F2P-Titel, mit denen ich nicht glücklich bin. indes nicht zu leugnen. Diesen Spielen sieht man an, dass das Gameplay nicht im Vordergrund steht und dass das Spiel die Viele Spieler sind durch die Schwemme immer Spieler „zwingt“, Geld auszugeben. […] Pay2Win ist gleich aufgebauter Browsergames allerdings ein schwieriger Ansatz, da es viele Spieler frustrie- bereits abgeschreckt. Der zehnte Farmville-Klon ren kann. Free2Play hingegen kann gut funktio- lockt dann kaum noch zahlungswillige Kundschaft nieren, wenn der Einsatz von Geld im Spiel hilft, an – etwas Neues muss her. Browsergames ent- Zeit zu sparen. Anstelle von Geld können die Spieler wickeln sich aktuell von einfachen und repeti- also auch Zeit einsetzen – das Problem von vielen tiven Simpel-Spielen zu teils mehr als ernst zu F2P-Spielen ist aber, dass du diese eingesetzte nehmenden Alternativen für Vollpreisspiele. Titel Spielzeit keinen Spaß bringt. Es sollte also das Ziel wie Drakensang Online oder Battlestar Galactica sein, die Zeit im Spiel möglichst unterhaltsam zu Online locken zudem mit bekannten Marken und gestalten und dennoch einen kleinen Anreiz für die Spielerfahrungen abseits der oft noch üblichen bezahlte Abkürzung zu bieten. Allerdings ohne die „warten-Attributverbesserung-warten-kämpfen“- nicht zahlenden Spieler zu sehr zu benachteiligen Prinzipien. – ein schmaler Grat.“

Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 13 8 Neue Vertriebsmethoden „Ich verkaufe diese tollen Lederjacken.“ Indiana Jones

Vor noch gar nicht allzu langer Zeit war das Normale Versionen wurden in Pappboxen unter- Erscheinen eines neuen Spieles von zum Elektro- schiedlicher Größe auf den Markt gebracht – später nikmarkt wandernden Jugendlichen geprägt. Spiele dann einigte sich der Markt auf die sogenannten wurden lange Zeit in teils aufwendig gestalteten Euroboxen mit eindeutig festgelegten Maßen. Um Boxen angeboten – beim Ladenbummel setzte Kosten zu minimieren gingen die Hersteller kurz so teilweise schlagartig der Quengel-Reflex des nach der Etablierung der DVD als Datenträger dazu männlichen Videospielers ein, sodass die genervt über, Spiele in einfachen DVD-Hüllen, wie sie anson- dreinschauende weibliche Begleitung nicht anders sten von Filmen bekannt waren, auszuliefern. konnte als den Kauf des Spieles gutzuheißen. Dabei muss es sich nicht einmal um die Freundin Handbücher und weitere Extras blieben späte- gehandelt haben, auch Mütter haben so den Kauf stens mit diesem Schritt zum Leidwesen vieler der skurrilsten Spiele unterstützen müssen. Spieler aber auf der Strecke – viele Gamer erin- nern sich wohl noch wohlig an die Extras einiger Berühmt war die sargförmige Verpackung der Spe- Infocom-Adventures. So lag dem Adventure „The cial Edition des Spieles „Vampires: The Masquer- Hitchhikers Guide to the Galaxy“ unter anderem ade“, aber auch das in einer Filmrolle ausgelieferte eine mikroskopisch kleine Raumflotte (in einer Wing Commander 3 (ebenfalls in der Special Edi- augenscheinlich leeren Plastiktüte) bei. tion) gehört zur eindrucksvolleren Quengelware. Besonders aufwendige Verpackungsdesigns waren Der Verzicht auf gedruckte Handbücher wurde jedoch fast immer den teureren Special Editions später sogar mit fadenscheinigen Umweltschutz- vorbehalten. argumenten begründet.

14 Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 8 Neue Vertriebsmethoden

Digital auf dem Vormarsch Vorteil für Indie-Entwickler

Nachdem bereits die Verpackungen auf ein Mini- Vor allem Entwickler kleinerer Indie-Spiele mum reduziert wurden, scheint es kein großer Ver- scheinen von Steam zu profitieren. lust, dass sich der Vertrieb von Videospielen immer stärker ins Internet verlagert. Microsoft und Sony Ein Spiel in den stationären Handel zu bekommen pflegen für ihre Heimkonsolen aufwendige digitale ist eine aufwendige und teure Aufgabe und ohne Marktplätze, in denen sich neben Demo-Versionen Publisher kaum zu realisieren. aktueller Spiele auch komplette Spiele und mehr und mehr auch Unterhaltungsmedien wie Filme Ein digitaler Vertrieb über Steam, GoG und andere und Musik kostenpflichtig herunterladen lassen. Dienste jedoch erfordert deutlich weniger Auf- Angesichts der starken Prägung als Medienzen- wand und sorgt zudem für niedrigere Preise und trale im heimischen Wohnzimmer ergibt eine solche weniger Verkaufsdruck: Bei einem Misserfolg blei- Shopauswahl durchaus Sinn für die Hersteller. ben keine vorfinanzierten Verpackungen im Lager liegen. Zudem lässt sich über Sonderaktionen das Auch Apple und Google bieten in ihren iOS- und Interesse der Spieler auf bestimmte Produkte Android-Stores nicht nur Anwendungsprogramme, lenken. sondern ebenfalls Musik, Filme und eBooks, an. Dank der stets mit der Kunden-Kreditkarte ver- Berühmt sind hier die regelmäßigen Steam-Deals bundenen Accounts sind kleine Spontankäufe mit Preisreduzierungen von teils mehr als 75%. schnell und bequem möglich. Ein Trick, auf den Nicht uninteressant sind in diesem Zusammenhang auch Microsoft mit Windows 8 und Windows RT auch die „Humble Bundles“: Spielesammlungen, bei setzt: Erstmals bietet der Softwarehersteller in denen der Käufer sich frei für den zu zahlenden einem neuen Betriebssystem Apps über einen zum Preis entscheiden kann. Betriebssystem gehörenden Store selbst an – und verdient an jedem Verkauf mit. Entgegen aller Befürchtungen, die Mehrheit der Käufer würde nur wenige Cent bezahlen, machen Auf dem PC buhlen zudem weitere Anbieter der diese Bundles regelmäßig große Umsätze. Die digitalen Distribution um das Geld potenzieller Nutzer scheinen die Freiheit der eigenen Preisge- Kunden. Erster und bislang erfolgreichster Anbie- staltung nicht übermäßig auszunutzen und geben ter ist Steam des Spieleentwicklers Valve. Gab es oft mehrere Dollar oder Euro. zum Start von Steam noch wütende Boykottauf- rufe erboster Spieler, gilt Steam mittlerweile nicht Von den Umsatzzahlen eines Steam sind die mitt- zuletzt aufgrund zahlreicher werbewirksamer lerweile zahlreich gewordenen alternativen digi- Rabattaktionen als etabliert und wird von den PC- talen Distributionskanäle noch weit entfernt. Spielern sehr gut angenommen. Dabei dient Steam nicht nur als Verkaufsplattform, sondern auch als EA verpflichtet Spieler populärer Titel wie Batt- digitaler Kopierschutz (DRM) für die dort erwor- lefield 3 oder Mass Effect 3 zur Nutzung des benen Spiele. Mehrwert liefert Steam hingegen hauseigenen Origin – einer Plattform, die Steam durch zahlreiche Community-Features wie Chats durchaus ähnlich ist, bislang aber noch einen eher und Gruppen sowie einige Cloud-Integrationen schlechten Ruf in Spielerkreisen genießt. um beispielsweise Spielstände ins Internet aus- zulagern. Inzwischen beginnt Steam sich auch von Weitere Konkurrenz könnte Steam zudem den seiner PC-only-Vergangenheit zu lösen und expan- Wohnzimmerkonsolen machen: Angeblich plant diert nicht nur auf Spielekonsolen, sondern auch Valve bereits mit der Steam Box eine eigene auf zum Mac und zu Linux. PC-Technik basierende Konsole.

Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 15 8 Neue Vertriebsmethoden

Spiele verkaufen sich also nur noch im Internet, klassische Distributionskanäle sind dem Aus- sterben geweiht?

Daniel Visarius sieht das anders:

„Tatsächlich sind längst nicht alle Xbox360-Konso- len im Internet. Zumindest in diesem Bereich wird es also auch weiterhin die klassischen Datenträger geben. Auch weil die Spiele immer umfangreicher werden.“

Gunnar Lott sieht in der „offline“-Distribution auf Datenträgern hingegen keine Zukunft:

„Nein, das ist irgendwann vorbei. Es gibt natür- lich eine Reihe von Leuten, die sich gerne Packun- gen ins Regal stellen, für die wird der Markt eine Lösung finden. Ansonsten: Der Offlinevertrieb wird verschwinden. Zusammen mit den Videotheken.“

Auch Tassilo Rau, Gamedesigner und Project-Leader bei Bumblebee, deren „Days of Dawn“ per Crowd- founding nach finanzieller Unterstützung sucht, sieht die Online-Distribution auf dem Vormarsch:

„Obgleich ich mich wohlig an die vielen Stunden erinnere, die ich als Jugendlicher zwischen Regalen Free2Play bei EA der Video-Spielläden verbrachte, muss man wohl erkennen, dass dieses Konzept in Zeiten sozialer Mit hat einer der großen Publis- Netze und Reviews, Play-It-Videos und Online- her angekündigt, in Zukunft verstärkt oder sogar Shops mit Userbewertungen ausgedient haben ausschließlich auf Free2Play-Spiele zu setzen, dürfte. Der Mehrwert dieser neuen Vertriebswege das kommende Command & Conquer Generals II ist einfach um so vieles größer, für den Publisher soll den Startschuss für die neue F2P-Welle von wie auch den Spieler, dass ich bezweifle, dass das AAA-Spielen geben. Sollte sich der Trend zu Free- klassische System sich noch lange auf dem ohne- 2Play fortführen, ist eine rein digitale Vertriebs- hin schon schwächelnden Niveau halten wird. möglichkeit fast schon vorgegeben. Es lässt sich zwar vorstellen, dass in Zukunft auch F2P-Titel mit Die Elektrohandelsketten werden auch in vielen beiliegenden Ingame-Extras oder einer gewissen Jahren noch – vermutlich übersichtlichere – Summe an Spielwährung auch im Laden zum Kauf Gamesregale für die kurzentschlossene Laufkund- angeboten werden, rein offline funktioniert das schaft bieten. Aber der Schwerpunkt wird sich Free2Play-Spielprinzip aber generell nicht. Es muss sicher, wie es sich in den USA schon abzeichnet, immer der virtuelle Kontostand des Spielers über- auf den Online-Markt bewegen. Das große Sterben prüft werden, es muss die Möglichkeit bestehen, der spezialisierten Gamesretailer wird vermutlich Extras zu verkaufen. Offline-Spieler könnten es in nicht zu stoppen sein.“ Zukunft daher zunehmend schwer haben.

16 Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 8 Neue Vertriebsmethoden

Der Überzeugung ist auch Gunnar Lott. Den Trend zum reinen Online-Gaming sieht Rau hingegen bereits fast gebrochen. „Derzeit gilt Multiplayer als unverzichtbar, um Spieler an eine Marke zu binden. Und das Free- „Ich staune nicht schlecht, wenn ich sehe, dass in 2Play-Modell funktioniert ja bei Solo-Spielen auch Spielankündigungen Offline-Kampagnen als Her- signifikant schlechter. Daher zeigt alles in Richtung ausstellungsmerkmal angeführt werden. Aber ich Online-Spiel.“ habe das Gefühl, die Gegenbewegung hat bereits eingesetzt. Eine weitere Marktwellenbewegung, Tassilo Rau sieht auch, dass sich die Publisher neu die sich früher oder später auf Mittelwerte ein- strukturieren müssen. spielt und ein Sättigungsgefühl auf Spielerseite erreichen wird.“ „Im Moment tummeln sich, ich weiß nicht genau, sicher zehn verschiedene Vertriebskonzepte, alle Daniel Visarius sieht allerdings noch andere Gründe mit mehr oder minder großem Erfolg. Verschiedene für eine möglichst flotte Internetverbindung. Zielgruppen erfordern verschiedene Herangehens- weisen. Im Casualmarkt könnte ich mir noch am „Gamer sind immer stärker auf das Internet ange- ehesten einen vollständigen Umstieg auf Browser- wiesen. Am PC wird eine dauerhafte Internet- spiele vorstellen, der Coregamer wird sicher noch verbindung schon aus DRM-Gründen weiterhin viele Jahre das installierbare Vollpreisspiel vorzie- gefordert bleiben. Doch auch die Konsolen sollten hen. Der Indie-Markt wird sich auffächern müssen mit dem Internet verbunden sein, viele Spiele und – im Moment fällt bereits zu vieles unter das eine auch die Konsolen selbst benötigen mittlerweile große Wort Indie. Unabhängige Entwicklungen regelmäßige Updates und Patches, ganz ähnlich werden dank neuartiger Finanzierungskonzepte dem PC.“ stärker werden – ob die Ergebnisse massentauglich sein werden, muss sich zeigen. Indie wird meines Erachtens schon bald kein Begriff für Garagenkunst mehr sein. Vielmehr werden wir eine Loslösung von althergebrachten Strukturen erleben, Publis- her werden sich gewaltig umstrukturieren müssen. Hier muss eindeutig mehr Dienstleistung in den Vordergrund gestellt werden – vor allem gegen- über der Developer. Derzeit stehen die Publisher recht zentral zwischen Entwickler und Konsumen- ten, da erwarte ich eine Bewegung in Richtung der Developer. Der Direktkontakt Entwickler-Spieler wird zunehmen. Spieler wollen integriert werden in den Entwicklungsprozess, teilhaben.“

Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 17 9 Neue Finanzierungsmethoden „Zahle nie mehr als 50 Mark für ein Computerspiel.“ Guybrush Threepwood, Monkey Island

Konnten viele Programmierer ihre Spiele für frühe Aktuelle Spiele könnten unter Umständen ein Viel- Heimcomputer teils noch alleine oder im kleinen faches ihrer Entwicklungskosten wieder einspielen. Team quasi „nebenher“ entwickeln, verwandelten Bestes Beispiel dürfte Blizzards World of Warcraft sich Videospiele mit der Zeit immer mehr zum sein, das Jahr für Jahr seit dem Release im Jahre Multi-Millionen-Dollar-Business und Spiele zu 2004 jährlich bis zu einer Milliarde US-Dollar durch professionellen Entwicklungen mit hohen Budgets Spiel-Abos und weitere Verkäufe an Umsatz gene- und teils gigantischen Teams. riert. Der Aufwand, den die Publisher für einen zu erwartenden Publikumshit betreiben, ist allerdings Staunten Spieler Mitte der 1990er Jahre nicht ebenso gigantisch wie die Entwicklungskosten schlecht über Entwicklungskosten von 13 Millionen einiger neuer Produktionen. Dollar für Wing Commander IV – ein Großteil der Kosten wurde von den aufwendigen Filmaufnah- So setzen viele Publisher mittlerweile bevorzugt men für die Zwischensequenzen verursacht – sind auf bewährte Standardkost. Fortsetzungen belieb- heute Budgets von 200 Millionen US-Dollar für ein ter Spielreihen gelten als Selbstläufer, das jährli- Call of Duty: Modern Warfare 2 durchaus etabliert. che Call of Duty verkauft sich fast automatisch.

18 Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 9 Neue Finanzierungsmethoden

Teurere Experimente hingegen finden sich immer einen guten Namen in der Spiele-Szene machen seltener, sodass einige Spieler bereits laut über konnte, wurde sein Thorvalla-Kickstarter auf- mangelnde Innovationen und eine eingefahrene grund von Erfolglosigkeit frühzeitig abgebrochen. Branche klagen. Eine neue Entwicklung ist das indes nicht - schon in der 8-Bit-Zeit folgten auf ein erfolgreiches Spiel schnell zahlreiche Nachahmer. Crowd statt Publisher

Chris Roberts, dank Wing Commander, Strike Com- Geldgeber gesucht mander und Freelancer eine weitere durchaus schillernde Entwickler-Persönlichkeit, sah seine Entwickler finden aktuell immer schwieriger Vision von einem modernen Space-Shooter im Stile einen Publisher, bei dem sie ihre Vorstellungen von Wing Commander am ehesten ohne Publisher, vom Spiel durchsetzen können. aber nur zum Teil per Crowdfounding realisierbar.

Nach dem großen Erfolg des von Tim Schafer initi- Einige private Investoren verknüpften ihre Zusage ierten Crowdfounding für das kommende Double- zu einem Investment aber an eine erfolgreiche Fine-Adventure – der Macher von Klassikern wie Crowdfounding-Kampagne. Monkey Islands und Day of the Tentacle konnte innerhalb der Spendenphase beim Crowdfounding- Chris selbst sieht Crowdfounding daher auch als Portal Kickstarter mehr als 1,2 Millionen US-Dollar sinnvollen Schritt zur Evaluierung einer IP (intel- sammeln – versuchten sich auch andere Entwick- lectual property, geistiges Eigentum). Es lässt sich ler am Crowdfounding. recht schnell absehen, ob eine gewisse Menge potenzieller Spieler bereits lange vor dem Release Bei Crowdfounding ersetzt der zukünftige Spieler eines Spieles bereit ist, Geld zu investieren. den Publisher als Geldgeber – den Spielern werden dafür ein früherer Zugriff auf das Spiel und teil- Roberts ging mit einem Ziel von 2 Millionen US- weise auch exklusive Extras wie Artbooks oder Dollar in die Crowdfounding-Phase – einen Monat Entwickler-Gespräche versprochen. Allerdings später endete die Kampagne mit einer Gesamt- handelt es sich um ein riskantes Unterfangen für summe von mehr als 6 Millionen US-Dollar. Da den Spender: Ist das Crowdfoundingziel erreicht, interessierte Spieler noch bis zum Release von garantiert niemand dafür, dass das unterstützte Star Citizen in das Projekt investieren können, geht Spiel letzten Endes jemals fertiggestellt wird. Roberts von einer noch höheren Endsumme aus.

Die Aufteilung einer größeren Summe auf viele War die Planung zu Beginn noch, einen Großteil der kleine Spendensummen minimiert das Risiko für den Entwicklungskosten durch Investoren abseits des „Backer“, so wird der Geldgeber beim Crowdfounding Crowdfounding einzuspielen, sieht Roberts dank genannt, allerdings auf wenige Euro oder Dollar. der erfolgreichen Kampagne die Quote inzwischen bei etwa 50:50. Chris Roberts: Vor allem bekannte Namen wie eben Tim Schafer oder auch Chris Roberts locken dabei viele potenzielle „Es gab einige Gründe, die für Crowdfounding Geldgeber an – den Branchengrößen trauen viele Per- gesprochen haben. Zum einen habe ich die volle sonen eher einen Erfolg zu als unbekannten Teams. Kontrolle über meine Ziele. Ich muss also während der Entwicklung nicht zum Publisher gehen, der Dass ein bekannter Name aber kein Selbstläufer mir dann sagt, dass ich die Dinge anders machen sein muss, durfte jüngst Guido Henkel mit seinem soll und ich muss mich nicht den Wünschen des Projekt „Thorvalla“ feststellen: Obwohl Henkel Publishers unterwerfen, was die Wahl der Platt- sich mit dem Rollenspiel Planescape Tornment form angeht.

Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 19 9 Neue Finanzierungsmethoden

Ich muss keine Kompromisse eingehen, von denen Aus Singleplayer-Offline-Spielen werden so ganz ich denke, dass sie meinem Spiel nicht gut tun – ich schnell Multiplayer-Free-to-play-Spiele mit In- habe die volle Kontrolle über meine IP. Zudem hilft App-Purchases. Nimmt man die geringe Gewinn- das Crowdfounding bei der Unternehmensbewer- beteiligung vor Recoupment hinzu, kann sich aus tung für die Investoren. solchen Verträgen rasch eine unbefriedigende, mitunter gefährliche Position des Developers ent- Es ist natürlich auch nicht unpraktisch, dass wir so wickeln. Damit will ich aber nicht alle Publisher weniger Geld bei den Investoren aufnehmen müssen über einen Kamm scheren und es gibt sicher eine und wiederum mehr Kontrolle über unser Projekt Vielzahl von Projekten, in denen dieser Weg auch erhalten. Ich möchte nur ungern in der Situation weiterhin ein sinnvoller oder gar der einzig gang- sein, dass ein Investor meine IP, mein Unterneh- bare sein kann.“ men übernimmt. Crowdfounding ermöglicht es mir also, meine Marke „Star Citizen“ zu kontrollieren Für den Entwickler spricht trotz der gegebenen – was mir sehr wichtig ist, da ich Wing Commander Risiken bei einem Crowdfounding vor allem auch, an Electronic Arts verloren habe als Origin über- dass ein erfolgreich finanziertes Projekt kein wirk- nommen wurde. licher Flop werden kann.

Ich würde gerne ein neues Wing Commander Flop bedeutet allgemein, dass ein Spiel weniger machen, kann es aber nicht, weil es nicht mehr einspielt, als die Entwicklung gekostet hat – bei meine IP, meine Marke ist. Daher ist es für mich einem erfolgreichen Kickstarter und vernünftiger sehr wichtig in einer Lage zu sein, in der ich meine Kalkulation nach dem Crowdfounding ist so etwas IP und meine Ziele kontrollieren kann.“ ausgeschlossen, da das Geld ja bereits eingespielt ist und alle zur Finanzierung nötigen Kopien des Roberts Sicht stellt die gängige Meinung infrage, Spieles bereits in der Finanzierungsphase abge- Crowdfounding sei nur für kleinere Projekte inter- setzt wurden. Es kann allerhöchstens ein kom- essant – also für Spiele, die eh keinen Publisher merzieller Flop werden – indem nach dem Release finden würden, da deren Erfolgsaussichten gene- keine weiteren Kopien mehr verkauft werden. rell zu gering sind. Tassilo Rau sieht dennoch auch die Risiken des Tassilo Rau von Bumblebee, deren Days of Dawn per Crowdfounding: Kickstarter abschlussfinanziert wird, hat sich aller- dings bewusst gegen einen Publishervertrag ent- „Eine der größten Gefahren im Crowdfounding ist schieden. Auf die Frage, was gegen einen klassischen sicher die Unberechenbarkeit und der potenzielle Publishervertrag gesprochen hat antwortete er: Schaden an der IP. Spielt etwa die Presse nicht mit, steht das gesamte Unterfangen schnell auf „Grundsätzlich spricht nichts gegen Publisher- sehr wackligen Beinen. Und scheitert eine Crowd- verträge. Wir waren mit einigen Publishern im founding-Kampagne, so ist – zumindest gegenüber Gespräch, die uns überaus interessante Konditionen potenziellen Geldgeber wie etwa Publishern – mit anbieten konnten – leider sehen sich diese meist einem deutlichen Wertverlust der Marke bzw. des kleineren Publisher verständlicherweise oft nicht Produkts zu rechnen. imstande, die Entwicklungskosten derart komple- xer Spiele zu tragen. Die Finanzstärkeren jedoch Was die Aufsichtsperson angeht, so verlangt der knüpfen ihre Unterstützung an unterschiedliche Alleingang natürlich nach einer Menge Disziplin, Kompromisse; da soll oftmals die IP an den Publis- sauberer Planung und dem Willen, Milestones her übertragen, die Entscheidungsfreiheit der Ent- gegenüber der Spielerschaft ebenso strikt einzu- wickler eingeschränkt, mitunter das Spielkonzept halten wie einem Publisher gegenüber. Ein dedizier- auf den Kopf gestellt werden. ter Producer sollte in jedem Team vertreten sein.“

20 Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 9 Neue Finanzierungsmethoden

Wird der Weg über den Publisher gewählt, schei- Free2Play oder Free2Pay? nen momentan vor allem kleinere Projekte in den Free2Play-Markt gedrängt zu werden. Mit diesem Von der Spielerschaft wird Free2Play vor allem Konzept verringert der Publisher sein Risiko, auf deshalb kritisch gesehen, weil einige Anbieter zu einer größeren Menge teurer Spiele sitzen zu blei- einem Pay2Win-Modell umgeschwenkt sind: Nur ben – gezahlt wird bei vielen Titeln für zusätzli- wer bezahlt, gewinnt. che Items im Spiel, für optische Anpassungen des Spieler-Avatars, zusätzliche Karten und Zeiter- Ohne kostenpflichtige Upgrades lassen sich bei sparnisse im Spiel. einigen Spielen spätere Aufgaben nicht mehr lösen. Geschickt eingesetzt kann Free2Play den Auch Chris Roberts plant eine Free2Play-Kom- Markt der Zukunft darstellen: Beispielsweise ponente für Star Citizen – bereits in der Crowd- indem Spielinhalte wie Demoversionen angeboten founding-Phase konnten interessierte Spieler sich werden– und sich weitere Inhalte in Episodenform mächtige Raumschiffe für bis zu 1.000 US-Dollar kaufen lassen. kaufen. Diese Schiffe sollen sich im Spiel auch regulär erwerben lassen, allerdings für eine ent- Ein solches Prinzip wäre zudem für den Spieler sprechend große Menge Ingame-Credits, was eine erstrebenswert, könnte er so kostenlos in das Spiel längere Spielzeit voraussetzt. hineinschnuppern und nur solange neue Episoden erwerben, wie er noch aktiv am Spiel teilhaben will. Für Tassilo Rau kam ein Free2Play-Modell für Days Nicht jeder Spieler spielt ein Spiel auch durch – so of Dawn hingegen nicht infrage. Die aktuelle Ent- ließe sich für Wenigspieler sogar Geld sparen. Geld, wicklung zu F2P-Spielen findet Rau im Gegenteil das der Publisher allerdings schon gerne verdie- sehr kritisch. nen würde. Angespornt durch Erfolge wie World of Tanks sprechen erste Publisher schon von einem „Diese Monetarisierungskonzepte laufen unseres kompletten Umschwung zu Free2Play-Spielen. Erachtens am Spieler vorbei – was neue Zahlen wieder einmal belegen: Ein Großteil der Spieler legt Was die Zukunft in diesem Punkt bringt ist ohne Free2Play-Spiele bereits nach einem Tag wieder ad funktionsfähige Kristallkugel nur schwer vorher- acta. Unser Ziel war es immer, mit Leidenschaft zusagen – Daniel Visarius beispielsweise weist von Spielern für Spieler zu entwickeln. Aus kauf- darauf hin, dass Free2Play und Freemium durch- männischer Sicht mag man das natürlich als Irr- aus funktionieren kann – aber eben nicht in mit sinn bezeichnen. Ich mache mir damit jetzt keine Garantie und auch nicht für alle Anbieter: Freunde, aber für mich liegt der psychologische (in einigen Fällen auch der statistisch ablaufende) „Free2Play ist ein sehr weites Geschäftsfeld und es Arbeitsbereich der Free2Play-Entwicklung nahe wird nicht in jedem Modell funktionieren können. an der Sittenwidrigkeit. Das mag man Marketing- Spiele wie World of Tanks finanzieren sich sehr maßnahmen im Allgemeinen unterstellen, doch gut per Free2Play, allerdings handelt es sich bei manch ein Extrembeispiel sollte uns die Risiken diesem Überraschungshit auch um ein geschick- verdeutlichen: Wenn eine Aquarium-App für Kinder tes Crossover aus Core- und Casual-Game. Die mit süßen, bunten Fischchen, die ohne teures Echt- treue Fangemeinde haben die Entwickler auch geld-Futter elendig krepieren, über den Umweg nicht zuletzt durch die Vermeidung von Pay2Win- weinender Kinderaugen zur Kreditkarte gelangt, Situationen. Free2Play funktioniert aber nicht für dann ist der Grad der Geschmacklosigkeit erreicht. alle Marktteilnehmer – einige werden mit diesem Ich erinnere mich an die Zeiten verschuldeter Modell weniger Geld verdienen als wenn sie auf Jugendlicher im Handywahn und will den Ruf der klassische Modelle setzen würden. In Zukunft Gamesbranche mit einer solchen Entwicklung nicht wird Free2Play aber mit Sicherheit ein wichtiger gefährdet sehen.“ Bestandteil der Gaming-Szene sein.“

Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 21 10 Ein Blick in die Zukunft „All your base are belong to us!“ Zero Wing, Intro

Betrachtet man die Welt der Videospiele, dann riskante Neuerungen wird sich angesichts dieser hat sich in den vergangenen Jahren ein massiver Zahlen fast jeder Publisher verkneifen. Das betrifft Wandel weg vom belächelten Hobby, hin zum viele aber nicht nur innovative Spielprinzipien, sondern Milliarden Dollar produzierenden Profi-Business auch den Support neuartiger Eingabegeräte. Das stattgefunden. betrifft aber nicht nur innovative Spielprinzipien, sondern auch den Support neuartiger Eingabegeräte. Auch die Spiele haben sich im Zuge dieses Wandels geändert – zwar gibt es noch immer kleine Projekte Nun ist es aber glücklicherweise nicht so, dass sich und einfache, aber oft dennoch sehr motivierende neue Eingabetechniken nie durchsetzen können. Spiele, die großen Spieleserien wie Halo, Assassin‘s Creed oder Call of Duty jedoch lenken die meisten Der durchaus beeindruckende Siegeszug der Smart- Blicke auf sich. Teams aus teilweise mehreren Hun- phones und Tablets, angeführt von Apples iPhone dert Mitarbeitern, viele Millionen US-Dollar oder und iPad, etablierte innerhalb weniger Jahre die Euro Entwicklungsbudget und ein entsprechendes Touchbedienung fest auch im PC-Bereich. Micro- unternehmerisches Risiko begleiten diese Spiele – softs Windows 8 fühlt sich nur mit Touchsteuerung

22 Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 10 Ein Blick in die Zukunft wirklich gut an – und dennoch lässt es sich am PC Die Produktionskosten sollen niedrig genug liegen mit Maus und Tastatur noch am besten arbeiten um die Brille für etwa 300 US-Dollar anbieten zu und oft auch spielen. Konsolen hingegen nutzen können – das war jedenfalls der Preis, für den bei seit Jahren Gamepads als Standard-Eingabegeräte. Kickstarter ein montiertes Dev-Set angeboten Doch auch hier zeigt sich ein vorsichtiger Wandel wurde. Dazu kommt ein latenzfreier Headtrac- in Richtung Touch. Vorreiter hier sind Nintendo ker für die Kopfbewegungen und ein perfekter mit der WiiU, der ein Tablet-Controller beiliegt und 3D-Effekt durch zwei tatsächlich voneinander Microsoft, deren Smartglass-App das Tablet oder getrennte Bilder. Smartphone als Zweitdisplay ins Spiel einbinden soll. Noch sind aber einige Kinderkrankheiten zu beheben. Chris Roberts stellt fest, dass gute Hardware auch entsprechende Software braucht, um sich durch- Dazu kommt, dass die Spieleentwickler sich erst auf zusetzen. Dieses Henne-Ei-Problem haben viele die neue Technik einstellen und mit ihr experimen- theoretisch sehr sinnvolle Entwicklungen – einige tieren müssen. Nur so können innovative neue Spiele werden erst Jahre später wieder aus der Motten- abseits der momentan bekannten Eingabe- und kiste der Spielentwicklung gekramt, andere blei- Ausgabegewohnheiten entstehen. Zudem wächst ben verschollen. momentan eine neue Generation späterer Video- spieler mit Touchsteuerung auf – wer jetzt als Daniel Visarius, schon beruflich als leitender Kind auf dem Tablet der Eltern verärgert drein- Redakteur des Hardwarebereiches bei der Game- schauende Vögel auf fiese Schweine schleudert, star durchaus mit neuen Technikprodukten ver- wird auch als Jugendlicher spielerisch mit der traut, sieht die Zukunft von Oculus Rift und Leap Touchbedienung umgehen. Ein Tastatur/Gamepad- Motion hingegen deutlich weniger optimistisch: Dogma entsteht so eventuell gar nicht erst. „Die meisten Spieler wünschen sich weder Videobril- len noch Headtracker. Die Technik überzeugt noch Videobrille als Monitorersatz nicht die Masse, auch nicht in den ideal dafür geeigneten Genres wie Rennspielen. Bislang ist für Nachdem sich 3D im Spielebereich wieder einmal das PC-Gaming noch niemandem etwas nachhaltig nur als Strohfeuer zu erweisen scheint, könn- Besseres als Maus und Tastatur eingefallen.“ ten Videobrillen ein Trend in den kommenden Jahren werden. Dass ein Nischenspiel wie Chris Roberts Star Citi- zen eine ausreichende Marktmacht erlangt, um als Zwar leiden Produkte wie die Cinemizer von Carl Verkaufsargument für Oculus Rift und Leap Motion Zeiss noch unter einigen störenden Macken – so zu fungieren, bezweifelt auch Gunnar Lott: erweckt die Brille aufgrund der sehr kleinen Bild- schirme den Eindruck, aus zu hoher Entfernung „Ich glaube schon, dass Spiele Hardware verkaufen, auf einen zu kleinen Bildschirm zu schauen – mit das war schon immer so und das bleibt auch so. einem hochwertigen und zudem halbwegs preis- Star Citizen allerdings wird, bei aller Begeisterung, werten Produkt jedoch könnten Videobrillen für ein Nischenspiel bleiben. Das kurbelt gar nichts an.“ Spieler problemlos den Monitor ablösen. In Ver- bindung mit einem Headtracker lassen sich Kopf- Ähnlich kritische Worte fielen jedoch auch in der bewegungen im virtuellen Raum abbilden, eine Anfangszeit der Smartphones und Tablets – und Bewegungssteuerung wie Kinect oder Leap Motion mittlerweile sind diese Geräte nicht mehr aus dem sorgt für eine natürliche Interaktion mit der virtu- Alltag wegzudenken. Sie verdrängen gar auf Spiele ellen Welt. Das per Kickstarter finanzierte Oculus optimierte Handhelds wie Sonys Playstation Vita Rift beispielsweise könnte ein solcher Game-Chan- vom Markt und passen sich der Situation mit inte- ger werden: grierten Gamepad-Controllern an.

Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 23 10 Ein Blick in die Zukunft

Spiele werden hier nicht mehr im Laden, sondern Dazu kommt, dass viele Computerspieler bereits im App-Store verkauft – zu Preisen von teilweise Kinder haben oder eine Familie planen. Der Nach- unter einem Euro. wuchs allerdings wächst heutzutage eher mit als mit der Maus in der Hand auf - und Zwar mangelt es den Mobilgeräten noch an lang- verinnerlicht diese Steuerungsmethode für sein fristig motivierenden Spielen, bis sich Smartpho- späteres Leben und kommende Spieleerfahrungen. nes und vor allem auch Tablets aber als ernsthafte Konkurrenz zu Nintendos 3DS und anderen Hand- helds auch im Vollpreismarkt beweisen, wird es Cloudgaming nicht mehr lange dauern. Eine weitere ebenfalls durch energiesparende Wobei „Vollpreis“ in diesem Falle nicht die von Sony Prozessoren wie sie in Smartphones eingesetzt gewohnten 30-50 Euro bedeutet, sondern eher werden begünstigte Entwicklung sind Set-Top- 10 bis maximal 20 Euro. Hier brillieren dann auch Boxen für den heimischen Fernseher. Inzwischen Free2Play-Modelle, In-App-Käufe und Freemium, wandern die Funktionalitäten dieser ehemals noch während viele Spieler ihren PC nicht für derar- dedizierten Boxen direkt in die Fernseher und Blu- tige Spiele aufgerüstet haben, sondern sich Core- ray-Player – plötzlich können auch Fernseher und Games wie Call of Duty oder Diablo III wünschen. Abspielgeräte Apps ausführen und einfache Spiele wiedergeben. Bei aller Abscheu selbst ernannter Pro-Gamer gegenüber Casual-Games und Smartphone-Apps: Kleine Android-Sticks können direkt in den HDMI- Ein Smartphone befindet sich dennoch im Besitz Port des TV gesteckt werden und lassen sich via vieler dieser Spieler. USB-Kabel mit Strom versorgen – die Leistung dieser preiswerten Sticks reicht für Spiele wie Max Sinnvoll eingesetzt kann der mobile Begleiter auch Payne oder GTA III. Mit einer weiteren aktuellen den PC praktisch erweitern. Als Zweitdisplay bei- Technik jedoch könnte die Leistung auch für Hard- spielsweise, um im Inventar des Spielehelden zu warefresser wie Battlefield 3 oder Crysis 3 aus- kramen, um Handelslisten per Touch zu verwalten, reichen: Cloudgaming macht auch aus schwachen für Minispiele im eigentlichen Spiel. Einen kleinen Rechnern Spielemaschinen. Schritt in diese Richtung geht Chris Roberts mit Star Citizen, Mobilgeräte sollen mit einer kosten- Dabei wird das Spiel auf einem Server im Rechen- losen Companion-App im Spiel genutzt werden zentrum des Anbieters berechnet und als inter- können: aktiver Videostream zum Fernseher des Spielers gesendet. Mit einem Gamepad, Maus oder Tasta- „Wir entwickeln für Star Citizen eine App, mit der tur lässt sich das Spiel dann steuern, als wenn es du von unterwegs nachsehen kannst, wie sich das vor Ort berechnet werden würde. Universum entwickelt, mit der du nach Missionen schauen und mit anderen Spielern chatten kannst. Theoretisch ist Cloudgaming mit jedem End- Um unser Spiel damit zu spielen, sind Tablets aber gerät realisierbar, das in der Lage ist einen HD- noch lange nicht leistungsfähig genug.“ Videostrom flüssig wiederzugeben. Ob das ein altes Notebook, ein Tablet oder ein Fernseher mit der Und auf Tablets als Sekundärbildschirm angespro- entsprechenden App ist wäre dem Spiel dann egal. chen: So spielt ein 30-Euro-Rechner wie der jüngst vor- „Genau – unsere Companion-App für Star Citizen gestellte Raspberry Pi auch moderne Spiele wie nutzt Tablets als zusätzliches Display. Mittelfristig Assassin‘s Creed 3 flüssig ab - bei nur wenigen wird es so kommen.“ Watt Energiebedarf.

24 Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 10 Ein Blick in die Zukunft

Zahlreiche Nachteile für den Gamer

Cloudgaming ist der Traum eines jeden Publi- All diese Probleme sieht auch Chris Roberts bei der shers: Raubkopien und Cheater sind technisch Frage, ob Cloudgaming eine Alternative zum klas- nicht mehr möglich, Spiele ließen sich nicht nur sischen Vertrieb sein könnte: einmalig verkaufen, sondern vermieten. „Momentan ist es das nicht, zumindest nicht für Dieses Prinzip hätte zwar auch für den Spieler mich. Auf lange Sicht könnte es zumindest optional Vorteile, müsste ein Singleplayer-Shooterfan doch sein. Problematisch sind die Latenzprobleme vor nicht gleich das ganze Spiel erwerben, sondern allem bei der Eingabe. Die Serverhardware ist aber könnte sich das Spiel für ein paar Tage mieten, schon sehr leistungsfähig, viel leistungsfähiger als um die Singleplayerkampagne durchzuspielen. Im die Hardware von Smartphones oder PCs – wenn Endeffekt jedoch erwirbt der Spieler beim Cloud- sie die Latenzprobleme in den Griff bekommen: gaming ein Spiel selbst dann nicht, wenn er es zum warum nicht. Wer keine Lust hat, Geld für einen vollen Preis kauft. Die Nutzungsrechte grenzen die schnellen PC auszugeben, kann damit sicherlich Anbieter in ihren AGBs oft stark ein – nach einigen glücklich werden. Den PC wird es aber nicht erset- Jahren kann das Lieblingsspiel unter Umständen zen, die Hardware wird immer preiswerter und sang- und klanglos abgeschaltet werden. warum sollte ein Spieler sich dann mit der schlech- teren Bildqualität von Cloudgaming abgeben?“ Dazu kommt, dass eine schnelle Internetleitung für einen hochauflösenden und ruckelfreien Spielge- Auch Daniel Visarius ist von Cloudgaming nicht nuss vonnöten ist. Angesichts des stockenden Breit- überzeugt, sieht es bestenfalls als potenzielle bandausbaus in Deutschland dürfte Cloudgaming Verbreitungsmöglichkeit für Sony, um Playsta- daher für viele Spieler nur ein Traum bleiben – die tion-Inhalte plattformübergreifend anbieten zu Freivolumen von LTE- und UMTS-Verträgen jeden- können. Tassilo Rau hofft sogar auf einen Auf- falls sprengt ein Spiele-Stream recht schnell. Aller schrei der Gamer und wünscht sich das Scheitern Bedenken zum Trotze hat Sony jüngst das Cloud- von Cloudgaming: gaming-Unternehmen Gaikai erworben. Es bleibt daher zu erwarten, dass kommende Sony-Fernse- „Ich glaube und hoffe, dass die Spieler das nicht her und Blu-ray-Player Spiele der Playstation 3 zulassen werden. Schon heute ist „DRM-free“ eine und eventuell auch Spiele der für 2013 erwarte- Forderung, die immer wieder sehr laut vorgetra- ten Nachfolgekonsole mit dem Codenamen „Orbis“ gen wird. Schau Dir die Musikbranche an. Dort gibt abspielen könnten. es nun schon eine Weile Dienstleister, die dir die Verwaltung deiner Musik abnehmen und dich aus Ein weiteres Problem beim Cloudgaming sind die der Cloud lauschen lassen wollen. Aber welcher Eingabeverzögerungen, die durch die Laufzeit der Nutzeranteil will das? Ich kann mir nicht vorstel- Daten durch das Internet entstehen. Das Rechen- len, dass sich dieses Konzept im Vollpreissegment zentrum darf nicht zu weit vom Spieler entfernt etablieren kann. Aber vielleicht will ich es auch sein, um diese Latenzen nicht zu stark ansteigen bloß nicht.“ zu lassen.

Doch selbst unter Idealbedingungen eignet sich Cloudgaming aktuell noch nicht für reaktions- schnelle Spiele und Multiplayerpartien von Shoo- tern wie Battlefield 3. Dazu kommt eine, aufgrund der nötigen Videokompression, etwas matschige Bildqualität.

Ein Blick in die Zukunft der Spiele - Die Trends der Branche 25 11 Fazit „Ich habe nachgedacht“ - „Das kann nicht einfach gewesen sein.“ Eran und Joshua, Diablo III

Alles bleibt beim Alten? mit der Augenbraue: Tastatur, Maus und maximal ein Gamepad dürften „ernsthaften“ Spielern auch Nicht unbedingt, der Videospielmarkt ist stetig im in den kommenden Jahren als Eingabegerät genü- Wandel. Neue Technologien setzen sich aber oft gen. Es sei denn, es kommt eine Killer-App, ein nur schwer durch - den letzten großen Sprung Spiel, dass die Spielerschaft so stark begeistert, hat die Branche aufgrund des Erfolges von Tablets dass sogar der Kauf neuer Hardware wie Oculus und Smartphones gemacht. Angefeuert durch den Rift und Leap Motion eine Option ist. Dass solche Erfolg der dort üblichen preiswerten Apps mit Spiele immer wieder erscheinen beweisen Musik- ihren Ingame-Verlockungen sieht so manch Publis- spiele wie Guitar Hero oder Rockband, für die sich her sein Heil im Free2Play – und achtet hoffent- einige Spieler sogar ein Plastikschlagzeug ins enge lich stark auf die richtige Balance, um es nicht zu Zimmer stellen. Es bleibt also spannend auf dem einem Pay2Win ausarten zu lassen. Spielemarkt, selbst die viel beschworene Kristall- kugel scheitert hier mit einer zuverlässigen Vor- Viele Branchenvertreter sehen zudem mittelfri- aussage der Zukunft. stig keine Neuerung bei den Eingabeoptionen für kommende Spiele. Dass sich hier aber auch recht Doch wie Chris Roberts bereits sagte: Wir leben in schnell neue Technologien etablieren können, spannenden Zeiten. Noch nie war der technische haben jüngst Nintendo mit der Wii und Apple mit Fortschritt so spürbar, so rasant und so bahnbre- dem Touchdisplay des iPhones und iPads bewiesen. chend. Auch wenn sich die genauen Auswirkungen auf die Gaming-Szene nur schwer abschätzen las- Der selbst ernannte Core-Gamer zuckt angesichts sen, wird die Zukunft viele neue Möglichkeiten und solcher Entwicklungen allerdings nur gelangweilt vor allem viele interessante neue Spiele bringen.

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