Jens Schmeyers / Susanne Wiechmann 100 Jahre Elsflether Werft Eine bewegte Geschichte

EDITION NORDSEE-ZEITUNG Inhaltsverzeichnis

Vorwort 9

Grußwort von Björn Thümler 10

1916 – 1935: Stapellauf und erste Jahrzehnte der Werft unter Franz Peuss 12

Die Werftgründung 12 Aufbau der Werft während des Ersten Weltkrieges 14 Erste Nachkriegsjahre bis zur Inflation 15 Etablierung der Werft 18

1936 – 1962: Der Ausbau der Werft in schwierigen Zeiten unter Walter Behrendt und Eduard Zurawski 21

Die Werft unter dem Hakenkreuz 21 Wirtschaftlicher Aufschwung 22 Die ersten Jahre des Zweiten Weltkrieges 25 Die zweite Kriegshälfte 27 Die Nachkriegszeit unter alliierter Besatzung 31 Der Neuanfang 32 Der Wiederaufstieg der Werft 36 Ausbau der Werft 40 Erste Krisen 46 Szenen einer Werft aus den 1960er Jahren 51 Die Sturmflut von 1962 52 Walter Behrendts Abschied 55

5 1962 – 1979: Aufbruch zu neuen Ufern unter Edmund Behrendt Im Auftrage der Bundesmarine 115 und seit 1969 Erhard Bülow 57 Musikaufführungen 118 Die Umwandlung der Werft zur Aktiengesellschaft 120 Neue Ideen in Zeiten der Krise 57 Das 50-jährige Jubiläum 60 Der weitere Ausbau der Werft 62 Seit 2011: Klaus Wiechmann 122 Auf großer Fahrt 67 Spezialschiffbau in den 1970er Jahren 70 Der neue Werftchef 122 Forschungsschiffe 78 Die neue Montagehalle und weitere Umbaumaßnahmen 122 Edmund Behrendts letzte Aktivitäten 83 Wichtige Aufträge in Bildern 127 Soziales und gesellschaftliches Engagement 131 Menschen auf der Werft 133 1979 – 1996: In Zeiten der Schiffbaukrise und des Konkurses unter Erhard Bülow 85

Ein Neuanfang mit dem Streit um die Yacht »Hanse« 85 Ausgewählte Schiffsbiografien 142 Heraufziehende Krisenjahre 87 Spezialschiffbau zu Beginn der 1980er Jahre 89 Aufträge für Marine und Grenzschutz 95 Bauliste 158 Yachten und sonstige Aufträge 96 Von der »Lili Marleen« bis zum Konkurs 99 Unter Konkursverwaltung 102 Anhang 169

Zeittafel 169 1996 – 2011: Neugründung und Konsolidierung als Reparaturwerft Literatur 175 unter Kurt Wiechmann 105 Bildnachweis 175 Die Autoren 176 Die Neugründung als GmbH & Co. KG 105 Die »Bodo Supplier« und die Jahre 1999/2000 107 Die »Gorch Fock« 109 Weitere Umbauten von Traditionsseglern 114 Aufträge für die Handelsschifffahrt 115

6 7 1916 – 1935: Stapellauf und erste Jahrzehnte der Werft unter Franz Peuss

Die Werftgründung rung des stählernen Schiffsbaus und der Dampf- haus ausgegangen sein. Angeblich wollte der pital beträgt 500.000 M. Für die Werft, welche maschine verloren die kleinen Elsflether Werften Großherzog seine Yacht nicht mehr bei bremi- sich zunächst nur mit der Herstellung von klei- Die geschichtliche und wirtschaftliche Entwick- Ende des 19. Jahrhunderts sämtlich ihre Konkur- schen Werften reparieren lassen, sondern auf hei- neren Schiffen und mit Reparaturen befassen soll, lung der Seehafenstadt wurde von jeher renzfähigkeit und lösten sich auf. Ihre Betriebs- mischem Terrain. Sicher ist jedenfalls, dass der wird ein zwischen der Hunte und der Eisenbahn durch seine Lage an der Mündung der Hunte in gelände gingen später in den Besitz der heutigen Großherzog den Plan der Werftgründung von Oldenburg-Elsfleth gelegenes, reichlich 2 Hekt- die bestimmt. Urkunden erwähnen Els- Elsflether Werft über. Anfang an förderte. Mit dieser Rückendeckung ar großes Gelände vom Oldenburgischen Staate fleth erstmalig 1220. Zu einer »Stadt II. Ord- Auch wenn der Erste Weltkrieg wegen der gelang es Peuss, sich finanzstarke Partner zu su- erworben. Direktor der Gesellschaft ist Ingenieur nung« brachte sie es 1856, als der Oldenburger kriegsbedingten Einschränkungen ein denkbar chen und mit der Oldenburgischen Spar- und Franz Peuß, zurzeit in . Der Aufsichtsrat Großherzog als Landesherr seine Hafenstandor- ungünstiger Zeitpunkt war, gründete hier der Leihbank einen Finanzierungsplan zu entwi- besteht aus den Herren: Baudirektor Murken, Ol- te Elsfleth und Brake im Vergleich zur benach- umtriebige Schiffbauingenieur Franz Peuss eine ckeln, sodass am 12. Oktober 1916 in Elsfleth die denburg, Vorsitzender, Geh. Kommerzienrat La- barten Konkurrenz in Bremen aufwerten wollte. neue Werft. Peuss hatte zuvor in seiner langjähri- Gründung der neuen Werft als Aktiengesellschaft husen, Delmenhorst, stellvertretender Vorsitzen- Franz Peuss, Vorstand 1916 – 1935 Damals gab es in Elsfleth mit Jürgens, Wempe, gen Tätigkeit für die durch den Bau großer Segel- erfolgen konnte. In § 2 des Gesellschaftsvertrags der, I. H. W. Busch, Bremen, Fabrikdirektor Dr. Wurthmann, Ahlers und Deetjen fünf Werften schiffe bekannt gewordenen Tecklenborg-Werft wird der Zweck der Werftgründung festgelegt: Paul, Oldenburg, Auktionator Christian Schrö- mit zusammen 15 Helgen, auf denen 285 Arbei- in Geestemünde das nötige Fachwissen erwor- »Gegenstand des Unternehmens sind die Her- der, Elsfleth und Regierungsbaumeister a. D. Dr. ter beschäftigt waren. In der zweiten Hälfte des ben. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg verschlug es stellung von Schiffen und alle aus diesem Betriebe Richard Schröder, Charlottenburg.« 19. Jahrhunderts stand Elsfleth hinter Bremen ihn nach Triest. Wieder zurück, siedelte er sich sich ergebenden weiteren Geschäfte, die nach An- und Hamburg an dritter Stelle unter den deut- in Bremen an. Hier entwickelte er laufend Neu- sicht des Vorstandes und Aufsichtsrates im Inter- Auf der Aktionärsversammlung vom 23. Okto- schen Reedereiplätzen. Beredtes Zeugnis dieser erungen für den Schiffbau, die er verschiedenen esse der Gesellschaft zweckmäßig sind.« Im Ge- ber 1916 wurden Peuss und Murken auch offizi- großen Schifffahrtstradition ist das heute noch Werften zu verkaufen suchte. Dazu gehörten sei- gensatz zu den pleitegegangenen Vorgängerwerf- ell von den Aktionären gewählt. Elimar Murken alljährlich stattfindende nautische Essen und die ne Patent-Peuss-Bootsheiß-Blöcke, die der Nord- ten sollten auf der neuen Werft keine Holzschiffe, behielt den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden sonstigen Aktivitäten der 1904 gegründeten nau- deutsche Lloyd übernahm. Allerdings gelang es sondern Eisen- oder Stahlschiffe gebaut werden. von 1916 bis 1939. Neben den Genannten gab es Elimar Murken, Auf- tischen Kameradschaft »Visurgis«. ihm nicht, auf einer Werft dauerhaft Fuß zu fas- In der Weser-Zeitung heißt es zur Werftgrün- noch weitere Gründungsmitglieder aus dem Els- sichtsratsvorsitzender 1916 – 1939 Im Jahre 1875 führten 107 aus Holz gebaute sen. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde er dung am 14. Oktober 1916: flether Establishment, die eine enge Verknüpfung Segelschiffe aus Elsfleth die oldenburgische Flag- kurz in eine Schiffbaudivision in Wilhelmshaven zum Elsflether Wirtschaftsleben belegen: Kauf- ge auf allen Weltmeeren. Bereits 17 Jahre später eingezogen, konnte sich aber bald befreien lassen, »Elsflether Werft A. G. Die Gründung einer mann Georg Deetjen, Bürgermeister Johann Eh- waren es nur noch 62 Holzschiffe aber schon 44 um wieder seiner alten Tätigkeit nachzugehen. Aktiengesellschaft unter der angegebenen Fir- lers, Apotheker Magnus Kuhland, Ratsherr Carl Schiffe aus Stahl. Von Letzteren war keines in Laut Überlieferung soll die Initiative zur Grün- ma ist nunmehr zur Durchführung gelangt. Der Messenhöler, Fischereidirektor Heinrich San- Elsfleth vom Stapel gelaufen. Mit der Einfüh- dung der Werft vom oldenburgischen Herrscher- Sitz der Gesellschaft ist Elsfleth. Das Grundka- dersfeld und Kapitän Peter Schmidt.

12 13 Aufbau der Werft während des gelegte Tidehafen, besaß vor seinem Südufer eine Ersten Weltkrieges 165 Meter lange und sechs bis neun Meter brei- te hölzerne Ladebrücke mit Gleisanschluss. Der Der Erwerb des benötigten Werftgeländes am Hafen sollte samt Ladebrücke gegen Entrichtung Elsflether Tidehafen vom oldenburgischen Staat einer Gebühr auch der Werft zur Verfügung ste- klappte problemlos, da dieser der Werftgrün- hen. Andererseits verpflichtete sich der Staat, dung positiv gegenüberstand. Der Kaufvertrag im Tidehafen für eine Wassertiefe zu sorgen, die über das Werftgelände, das allerdings noch durch nach seinem Ermessen für den allgemeinen Ver- Stapellauf des Dampf­ eine Sandaufspülung aufgehöht werden musste, kehr nötig sei. Unnötig zu erwähnen, dass diese Trotz obrigkeitlichem Segen, kam es immer wie- Erste Nachkriegsjahre bis zur Inflation loggers »Fasolt«(NB 4, 25 tdw) im August 1922, wurde am 23. und 28. Oktober zu einem dama- schwammige Aussage zur Wassertiefe später im- der kriegsbedingt zu Schwierigkeiten bei der Foto Schiffahrtsmuseum ligen Preis von 1,60 Mark pro Quadratmeter ab- mer wieder zu Auseinandersetzungen führte. Materialbesorgung. So beschlagnahmte das Ha- Die Folgen des verlorenen Krieges und die un- Brake geschlossen. Der für den Werftbetrieb wichtige, Nachdem die Finanzierung stand, konnten Mit- fenbauamt der kaiserlichen Werft einmal Beton- sichere wirtschaftliche Situation sollten dann vom Staat im Jahre 1906 als Winterliegehafen an- te Oktober 1916 die ersten Angestellten für die eisen auf der Elsflether Werft. Durch seine gu- jedoch die Entwicklung der Werft hemmen, zu- Vorbereitung des Werftbetriebs tätig werden. ten Verbindungen zu Geheimrat Schirmer vom mal die großherzogliche Protektion jetzt entfiel. Der Aufbau der Werft begann im März 1917 Schiffbauressort gelang es Peuss jedoch, das Ma- So ist es kein Wunder, dass der erste Neubau ins mit der Errichtung eines Werkstättengebäudes terial zurückzubekommen. Auch in der Folge Ausland nach Dänemark ging. 1920 verließ eine in Holzbauweise mit einem mit Dachpappe ge- gab es immer wieder Probleme bei der Beschaf- 12 Meter lange, 3 Meter breite und 1,25 Meter deckten Bodendach. In dem Gebäude befanden fung von Sand, Steinen, Maschinen und anderen hohe Motorbarkasse für die Dansk Ostindisk sich die Schiffbauwerkstatt, der Schnürboden, Materia­lien. Trotz aller Schwierigkeiten war der Plantage Selekab aus Kopenhagen die Werft. die Schlosserei, die Schmiede, die Glühöfen und Werftausbau am 14. Mai 1918 soweit gediehen, Sie erhielt die Neubau-Nummer 2, da aus Aber- die Kraftzentrale. Weiterhin wurde eine weitere dass hier die ersten Schiffsreparaturen durchge- glaube die Nummer 1 nicht vergeben wurde. Holzbaracke für die Holzbearbeitung, als La- führt werden konnten. Dabei machte sich natür- Der 20-PS-Motor stammte von den Deutschen gerraum und Arbeiterunterkunft errichtet. Dazu lich die kriegsbedingte Knappheit an Schiffbau- Kromhout Werken aus Brake. Über den Namen kam noch ein einfaches Bürogebäude. Außer die- materialien negativ bemerkbar. Die zur Akquisi- und den weiteren Verbleib dieser Barkasse ist sen Betriebsbauten wurde für die Durchführung tion von Neubauaufträgen bereits Ende 1917 mit nichts bekannt. von Reparaturarbeiten als erste schiffbauliche der Reederei F. A. Vinnen & Co., Bremen, einge- Die ersten größeren Schiffe waren die bei- Anlage ein Slip erbaut. Er hatte eine Gesamtlän- leiteten Verhandlungen über den Bau von vier Se- den 1921 beziehungsweise 1922 ausgelieferten ge von 105 Meter, ragte 17 Meter in den Tidehafen gelschonern blieben erfolglos. Ebenso zerschlu- Dampflogger »Mime« und »Fasolt« für die da- hinein und mit ihm konnten Schiffe mit einem gen sich die Verhandlungen mit dem Reichskom- malige Visurgis Heringsfischerei in Nordenham.

Lageplan der Elsflether Werft 1917 mit beantragter Eigengewicht von bis zu 450 Tonnen aufgezogen missar für die Fischversorgung über den Neubau Die beiden 31 Meter langen Schiffe waren jeweils neuer Slipanlage, StAOl Best. 240-22 Nr. 8 werden. von Fischdampfern und Loggern. mit 100-PS-Motoren ausgelegt.

14 15 Zu dieser Zeit stabilisierte sich die Auftragslage langsam. In den Auftragsbüchern standen für 1921 zwei Segelleichter für eine dänische Firma sowie im Jahr 1922 sechs Penischen und drei Campinekähne, die als Reparationsleistungen nach Frankreich und Belgien geliefert werden mussten. Es folgten 1923 / 24 Brandungsleichter für Afrika, Schleppleichter für Buenos Aires und eine Motorbarkasse für Port-Gentil/Gabun. Natürlich hatte auch die Elsflether Werft mit den Folgen der Geldentwertung und Inflation im Jahre 1923 zu kämpfen. Erforderlich wurde eine Erhöhung des Grundkapitals, das be- Der 1921 an die Visurgis Heringsfischerei abgelieferte Dampflogger reits am 19. Mai 1920 auf 2,1 Millionen Mark gesteigert werden »Mime« (NB 3, 165 tdw). Über den weiteren Verbleib ist nichts musste, und am 5. Juli 1923 noch mal auf 5,5 Millionen her- bekannt. aufgesetzt wurde. Nach dem Ende der Hochinflation und der Brandungsleichter für Westafrika (NB 118 – 19, 10 tdw), 1923 ge- Umstellung auf die Rentenmark legte man das Aktienkapital baut, Werbeprospekt, Schiffahrtsmuseum Brake am 20. Mai 1924 auf 330.000 Mark fest. Dieses Kapital wurde am 22. Mai 1933 auf 300.000 Mark reduziert. Neben der Geld- entwertung machte Anfang der 1920er Jahre hauptsächlich die Blick in das Konstruktionsbüro 1934, Schiffahrtsmuseum Brake Konkurrenz aus Holland der Werft zu schaffen. Trotz dieser Probleme expandierte die Werft. Die Gesamtfläche des Werft- geländes hatte sich Ende 1923 im Vergleich zu 1916 bereits auf 3 Hektar und 41,5 Hektar verdoppelt. Die Belegschaft bestand aus einem Stamm von 220 Leuten. Einen vorübergehenden Rückschlag für die Werft bedeutete es, als am 2. September 1924 infolge eines Kurzschlusses in ei- nem hölzernen Motorspritzenschuppen ein Großbrand auf der Werft ausbrach, der auf verschiedene Werftgebäude übergriff. Allerdings wurde sofort mit dem Neuaufbau der Gebäude in Ziegelsteinbauweise und der Wiederbeschaffung der Maschi- nen begonnen, sodass der Betrieb schnell weitergeführt wer-

Segelleichter (NB 5, 25 tdw), 1921 für Aarhus Oliefabrik AS gebaut. den konnte. Schleppkahn Bremen 133 (NB 127, 900 tdw), 1925 für die Bremer Schlepper »Ahrensburg«(NB 161, 210 PS), der erste Motorschlepper Der weitere Verbleib ist nicht bekannt. Schleppschiffahrts Gesellschaft gebaut, weiterer Verbleib unbekannt auf der Oberweser, Baujahr 1928, Verbleib unbekannt

16 17 1936 – 1962: Der Ausbau der Werft in schwierigen Zeiten unter Walter Behrendt und Eduard Zurawski

Die Werft unter dem Hakenkreuz gen zwischen 35 – 40 M im Kurse. Die meisten Ak- tionäre verkauften ihre Papiere für jeden Preis.« Am 1. Januar 1936 setzte der Aufsichtsrat den Schiffbauingenieur Walter Behrendt als neuen Zu Behrendts ersten Tätigkeiten gehörte das Werftdirektor ein. Behrendt, 1887 in Königsberg »Klinkenputzen« bei verschiedensten potentiel- in gutbürgerlichen Verhältnissen geboren, hatte len Geschäftspartnern. Außerdem gelang es ihm Motorgüterschiff »Badenia 55«(NB 197, 500 tdw), gebaut 1934, später umbenannt Reparaturschiffe im Tidehafen um 1929, im Vorder- vorher lange Jahre in leitenden Positionen auf ver- auf Basis des Werft-Know-hows einen neuen in »Rhenus 51« und »Marianne« grund Dampflogger schiedenen deutschen Werften gearbeitet und war Binnentankschiffstyp zu entwickeln. Noch im zuletzt auf einer Stettiner Werft tätig. Bei seinem gleichen Jahr bestellte die Gewerkschaft Matthi- aber auch die Produktion eines Dreiradlieferwa- Krieg, die Inflation und die Weltwirtschaftskrise. Amtsantritt waren Auftrags- und Finanzlage der as Stinnes GmbH aus Duisburg drei Tanker die- gens mit der Markenbezeichnung »EWAG« (Els- Dadurch konnte er seine ursprünglichen Planun- Werft eher schlecht, sodass Kurzarbeit anstand. ses Typs. Die Tanker mit einer Ladefähigkeit von Walter Behrendt, Werft- flether Werft AG). 1929 kam das erste Exemplar gen trotz allen Fleißes und aller Sparsamkeit nicht In seinen Erinnerungen schildert er die Situation 650 Tonnen erhielten die Namen »Centrust I« bis vorstand 1936 – 1962 dieses Fahrzeugs für kleine Gewerbetreibende voll umsetzen. Seine Urnenbeisetzung fand in auf der Werft als desaströs: »Centrust III«. und Händler auf den Markt. Es war so preiswert Stettin statt. Im Nachruf der Butjadinger Zeitung Damit herrschte auf der Werft wieder Vollbe- angelegt, dass es dem Fahrer nicht mal eine Über- vom 23. Oktober 1935 heißt es zu seinem Tod: »Mit den größten Bedenken trat ich am 2. Januar schäftigung. Für den gleichen Auftraggeber folg- dachung bot. Das Fahrzeug konnte eine Nutzlast 1936 mein Amt als Vorstand der Werft an. Frau te 1939 der Binnentanker »Matthias Stinnes 100«. von 500 Kilogramm transportierten und wurde »Am Montag starb nach kurzer Krankheit der Di- und Sohn blieben vorläufig in Stettin. Die nächsten Die Schiffe bewährten sich bei ihrem Einsatz von einem Zweizylinder-Blockmotor angetrie- rektor der Elsflether Schiffswerft, Schiffbau-Inge- Wochen brachten mir die Bestätigung, dass meine auf dem Rhein so gut, dass die Duisburger Hugo ben. Das Dreirad soll in einer Auflage von über nieur Franz Peuß. Der Verstorbene stand seit dem Vorahnungen leider zutrafen. Der Betrieb stand Stinnes GmbH und die Kölner Westdeutsche 200 Stück produziert worden sein. Das letzte Ex- Jahre 1916 an der Spitze der Elsflether Werft und vor dem bitteren Ende, keine Arbeit, kein Geld, Schiffahrts AG für 1939 je eine ebenfalls 67 Me- Dreiradlieferwagen emplar lief noch bis 1955 für den Elsflether Bier- hat sich um diese große Verdienste erworben. Aus- viele Schulden, keine Materialbestände, keine ter lange Variante mit einer noch größeren Lade- EWAG, Zeichnung nach verleger Tyedmers. Erst nach 26 Jahren Dienst- gestattet mit reichen Fachkenntnissen, hat er sich persönlichen Kontakte zu ihrem Kundenkreise … fähigkeit von 712 Tonnen orderten. Auch sonst Ernst Glässel, Auf­ einem Werbeprospekt sichtsratsvorsitzender zeit musste es die letzte Fahrt zum Schrottplatz für die Förderung des von ihm mitbegründeten Sollte man hier in Elsfleth seinen Namen verlie- füllten sich die Auftragsbücher. So kamen 1937 aus dem Jahre 1929 1939 – 1950 antreten. Unternehmens in unermüdlicher Arbeitsfreudig- ren, für den ich wahrlich Opfer gebracht hatte? mit der »Hans Georg« und der »Wilhelm Jordan« Als Werftdirektor Franz Peuss am 21. Okto- keit eingesetzt. Die Trauerfeier für Werftdirektor Schlechter konnte der Start für die nahe Zukunft zwei Küstenmotorschiffe, und damit die beiden ber 1935 nach kurzer Krankheit verstarb, endete Peuß findet morgen Mittag in der Schiffbauhalle nicht sein. Auch die Einwohner und Geschäftsleu- ersten seegängigen Frachter der Werft, für zwei der erste Abschnitt der Werftgeschichte. In seine der Werft statt. Anschließend erfolgt die Überfüh- te bangten um das Schicksal des Betriebes, der für Reeder aus Stettin zur Auslieferung. Dabei hatte Amtszeit fielen Rückschläge durch den verlorenen rung der Leiche zum Krematorium in Bremen.« die kleine Stadt entscheidend war. Die Aktien la- Behrendt seine guten Beziehungen nach Stettin

20 21 kam die beständig wachsende Belastung an Steu- ern und sozialen Abgaben, die besonders auch die Konkurrenz mit dem Auslande erschwerte. Wenn trotzdem das Ergebnis günstiger ist, so ist dies na- mentlich darauf zurückzuführen, daß wir unsern Betrieb weiter vervollkommnen und modernisie- ren und dementsprechend auch unsere Arbeits- methoden rentabler gestalten konnten.«

Als zukunftsträchtiges Geschäft erwies sich der Oben: Fracht- und Bau von Binnenfrachtschiffen für den Warenver- Trans­portleichter für Kolumbien, 1928 auf kehr auf dem Rhein. Von 1930 bis 1935 wurden der Werft (NB 146 – 153), Luftbild der Werft und in Elsfleth 19 Motorgüterschiffe und vier Kanal- Schiffahrts­museum Brake des Tidehafens aus dem Etablierung der Werft schiffahrts-Gesellschaft ausgeliefert. Auch bei der Motorkähne für die Rheinschifffahrt vom Stapel Mitte: Eintrag der Jahre 1925 Konkurrenz sprach sich die Elsflether Qualitäts- gelassen. Als besonders fruchtbar entwickelte Elsflether Werft ins Handbuch der Schiff- Im Jahre 1925 kaufte die Werft von der Braker arbeit rum. So ließ die Lürssenwerft hier 1926 den sich hier die Zusammenarbeit mit der »Rhein- bauindustrie 1925 Heringsfischerei die an der Weserstraße in Els- 26 Meter langen Stahlrumpf eines Fahrgastschiffes schiffahrt-Actiengesellschaft«, vorm. Fendel, Unten: Schleppdamp- fleth gelegenen, an die Westergate angrenzenden anfertigen. Einen guten Einblick in die Situation aus Mannheim oder ihren Tochtergesellschaften. fer »Büren« (NB 175), Grundstücke mit einer Fläche von 8820 Quad- der Werft zu dieser Zeit, mit Klagen, wie sie auch Insgesamt entstanden 24 Motorgüterschiffe für 1931 für die Wasserstra- ßendirektion Bremen ratmetern samt den darauf stehenden Gebäuden. von heutigen Arbeitgebern stammen könnten, bie- den Gütertransport auf dem Rhein. Sie hörten gebaut, Werbeprospekt, Diese Gebäude wurden als werkeigene Wohnun- tet der »Bericht über das Geschäftsjahr 1927«: oft auf die Namen »Rhenus« oder »Badenia« mit Schiffahrts­museum Brake gen an Werftangehörige vermietet. entsprechenden Nummerierungen. Anfang der In den folgenden Jahren konnte sich die Werft »Im abgelaufenen 11. Geschäftsjahr hat sich unser 1930er Jahre waren auf der Werft durchschnitt- sowohl bei nationalen, wie bei internationalen Geschäft in zufriedenstellender Weise entwickelt. lich 170 Beschäftigte tätig. Kunden etablieren. So gingen 1926 bis 1928 alleine Wir waren während des ganzen Jahres ausrei- Der Niedergang der Weltwirtschaft Ende der 20 Fracht- und Viehtransportleichter oder andere chend beschäftigt. Die Preise für Reparaturarbei- 1920er/Anfang der 1930er Jahre führte naturge- Wasserfahrzeuge nach Kolumbien oder 1929 zwei ten waren allerdings sehr gedrückt, und es mußten mäß auch zu einem Rückgang der Auftragslage. Wasser- und Kohleleichter nach Mosambik. Die Aufträge zum Teil zu Preisen hereingenommen Die Werft versuchte, die Auftragsflaute mit einer mit Abstand größten in den 1920er Jahren gebau- werden, die unter Vorkriegspreisen lagen. Auch Erweiterung der Produktpalette auszugleichen. ten Schiffe waren drei 67 Meter lange Schleppkäh- Neubauten konnten nur zu niedrigeren Preisen Dazu gehörten Ausbesserungsarbeiten an Ei- ne. Sie wurden 1925 / 26 an die Bremer Schlepp- als im Vorjahre abgeschlossen werden. Hierzu senbahnwaggons für die Deutsche Reichsbahn,

18 19 hinwies, dass die »betreffenden Arbeiter auf be- rufliche und kameradschaftliche Eignung« zu prüfen seien. Den Wohnraum würde die Werft zur Verfügung stellen.

Binnenmotorschlepper »Tarrazu« (NB 220), 1938 nach Costa Rica geliefert

Das 1939 abgelieferte Binnentankmotorschiff für die Auftragseinwerbung genutzt – sehr zum Wirtschaftlicher Aufschwung »Matthias Stinnes 100« Unwillen der Stettiner Konkurrenz. Jedes die- (NB 225, 712 tdw) auf dem Rhein ser Schiffe hatte eine Tragfähigkeit von 300 Ton- Der wirtschaftliche Erfolg machte sich auch bei nen. 1938 folgten zwei Motorheringslogger für den Beschäftigungszahlen positiv bemerkbar. die Bremen-Vegesacker Heringsfischerei AG, Die Belegschaftsstärke stieg vom 1. Januar 1936 verschiedene Küstenschiffe sowie sechs Motor- bis zum Ende des Jahres 1939 um fast das Drei- Motorfrachtschiff schlepper für die United Fruit Company in Cos- fache. Aus etwa 210 Vollbeschäftigten wurden »Hans Georg«(NB 213, ta Rica und Ecuador. Im folgenden Jahr gingen in diesem Zeitraum gut 600. Probleme machten 300 tdw), 1937 für den Stettiner Kapitän Krü- drei Peilschiffe an die thailändische Regierung die Abwerbungsversuche des gerade neu errich- Handschriftliche zeit­genössische Wirtschaftsbilanzen ger gebaut, Werbepros- und vier Motorspülerprahne an die Kriegsmari- teten Flugzeugwerkes in Einswarden mit deut- der Jahre 1925 – 1940 Oben: Motorheringslogger »Thüringen« (BV 83, NB 215, 150 tdw), 1938 für die pekt, Schiffahrtsmuseum newerft in Wilhelmshaven. lich überdurchschnittlichen Löhnen. Damit war Brake Bremen-Vegesacker Fischereigesellschaft gebaut, 1939 umbenannt in H 405 und der Arbeitsmarkt für Werftarbeiter durch die Die deutlich verbesserte Auftragslage konnte 1942 in DC 08, 1965 nach Dänemark zum Abbruch verkauft massive Aufrüstungspolitik des dritten Reichs nur mit einem Ausbau und einer Verbesserung Unten: Peilboot für die thailändische Regierung (NB 231 – 33), 1939 abgeliefert, derart leergefegt, dass Werftchef Behrendt in ei- der Werftanlage gestemmt werden. Bereits seit Werbeprospekt, Schiffahrtsmuseum Brake nem Schreiben an die Reichsanstalt für Arbeits- 1936 ersetzte in der Stahlverarbeitung die Elek- vermittlung und Arbeitslosenversicherung vom troschweißung zunehmend die bis dahin übliche 9. Januar 1939 gar die Anwerbung von »30 im Vernietung. Zur Kapazitätssteigerung erhielt die Schiffbau geübten Facharbeitern« aus den Nie- Werft zwei Hellingkräne, Dampfkräne und neue derlanden beantragen musste. Wobei er darauf Werkstattmaschinen. Dazu wurde eine neue,

22 23 Die Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der Elsflether 1933 Werft beschreibt eine ziemlich abenteuerliche Firmen- geschichte. 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, gründet Franz Peuss die Werft an der Huntemündung und manövriert das Unternehmen erfolgreich durch die Widrigkeiten des Krieges und dessen wirtschaftliche Folgen. Dank unkonventioneller Ideen und unternehmerischer Wagnisse ist die Firma noch heute an ihrem Originalstandort als Umbau- und Wartungswerft ansässig. Die Autoren konnten durch jahrelange Archivarbeit mit vielen historischen Bildern und Originaldokumenten eine 1962 nahezu lückenlose Darstellung der Firmengeschichte niederschreiben – und so 100 Jahre Arbeit auf der Elsflether Werft für die Zukunft bewahren.

Detaillierte Bauliste von 1920 bis 1994 1989 Ausgewählte Schiffsbiografien

Zeittafel von 1916 bis heute

ISBN 978-3-96047-003-8

2016