Deutscher Bundestag Drucksache 12/65 12. Wahlperiode 01.02.91
Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung
über die Plenarsitzung der Nordatlantischen Versammlung am 28. und 29. November 1990 in London.
Die Nordatlantische Versammlung hielt ihre 36. Jah- Übersicht der Tagung restagung vom 25. bis 30. November in London ab. Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat entsand- Die 36. Jahrestagung wurde am 28. November 1990 ten folgende Delegation: mit einer Ansprache des scheidenden Präsidenten der Nordatlantischen Versammlung, Abg. Patrick Duffy (Vereinigtes Königreich), in Westminster Hall eröff- net. Er betonte in seinen Begrüßungsworten den rapi- Bundestag den Wandel, der sich gegenwärtig in Europa und in der Welt vollziehe, und die entscheidende Rolle, die die Allianz dabei gespielt habe. Die Parlamentarier Abg. Prof. Dr. Manfred Abelein (CDU/CSU), Leiter der westlichen Demokratien hätten dazu ihren eige- der Delegation nen Beitrag geleistet, indem sie geholfen hätten, zu den neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa Abg. Roland Becker (CDU/CSU) Brücken zu bauen. Abg. Klaus Francke (CDU/CSU) Abg. Lothar Ibrügger (SPD) Auch der britische Verteidigungsminister Tom King, Abg. Karl-August Kamilli (SPD) der die Teilnehmer der Jahrestagung im Namen der Abg. Dieter Koch (CDU/CSU) britischen Regierung begrüßte, stellte die weitere Abg. Hans Koschnick (SPD) Notwendigkeit einer effektiven Allianz, die sich Abg. Dr. Max Kunz (CDU/CSU) neuen geopolitischen Herausforderungen stellen Abg. Herbert Lattmann (CDU/CSU) müsse, in den Vordergrund seiner Ausführungen. Das Abg. Alfred Mechtersheimer (Die Grünen) Ende der militärischen Blöcke in Europa und neue Abg. Lorenz Niegel (CDU/CSU) regionale Konfliktherde machten die Erarbeitung Abg. Peter Petersen (CDU/CSU) neuer Strategien, die Übernahme zusätzlicher Verant- Abg. Uwe Ronneburger (FDP) wortung und neue Formen der Kooperation erforder- Abg. Brigitte Schulte (SPD) lich. Abg. Ursula Seiler-Albring (FDP) Abg. Dr. Klaus-Dieter Uelhoff (CDU/CSU) Die Ausschüsse tagten am 26. und 27. November Abg. Karsten D. Voigt (SPD) 1990. Abg. Peter Würtz (SPD) Am 29. November 1990 fand die Plenarsitzung mit einer Debatte zu den Themen „Neue regionale Zu- ständigkeiten für ein Bündnis im Wandel" und „Schaffung einer Versammlung von Parlamentariern Bundesrat aus den Mitgliedstaaten der KSZE" statt. Abg. Duffy (Vereinigtes Königreich) brachte die Ple- Senator Volker Kröning (SPD) Bremen, stellvertreten- narresolution über „Neue regionale Zuständigkeiten der Leiter der Delegation für ein Bündnis im Wandel" ein. Er hob hervor, daß es Minister Prof. Dr. Hans-Peter Bull (SPD), Schleswig- für die Allianz nach der Überwindung der Teilung Holstein Europas nun darauf ankomme, einen aktiven Part für Staatsminister Rudi Geil (CDU), Rheinland-Pfalz die Schaffung eines neuen und stabilen Europas zu Senator Horst Gobrecht (SPD), Hamburg spielen. Es sei unabdingbar, die Kollegen in den Drucksache 12/65 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode osteuropäischen Staaten bei der Lösung ihrer Pro- ner deutschen Delegation könne es keinen glückli- bleme zu unterstützen. Sicherheit sei nur auf koope- cheren Moment geben, um sich von der Versammlung rativer Grundlage möglich. Zugleich erforderten aber zu verabschieden. Es sei ein großes P rivileg, so viele auch Entwicklungen außerhalb Europas, wie die Golf- Jahre an Konferenzen und Diskussionen teilgenom- krise, volle Aufmerksamkeit. Zusammenhalt und Soli- men zu haben, wofür er sich bei allen bedanken wolle. darität müsse Priorität zukommen. In Anbetracht Deutschland stehe im Zusammenhang mit der Verei- neuer Risiken und Verwundbarkeiten müsse die Alli- nigung vor schwierigen Aufgaben, deren Bewälti- anz eine aktivere Ro lle als bisher übernehmen. Duffy gung große Anstrengungen erforderten. Es werde betonte, daß durch die Golfkrise europäische Interes- sich aber weiter seiner Verantwortung gegenüber der sen direkt berührt seien; die größte Gefahr liege aber Allianz bewußt sein und in seinem Engagement für in der Bedrohung des Zusammenhalts der Allianz in das Bündnis nicht nachlassen. einem Moment, wo Einigkeit mehr denn je gefragt sei. Senator (Italien) hob hervor, daß der Pariser Dies müsse um jeden Preis verhindert werden, und Orlando KSZE-Gipfel einen historischen Wendepunkt dar- deshalb müsse die Allianz aktiv und positiv neue re- stelle. Helsinki I habe die Koexistenz ideologisch ent- gionale Zuständigkeiten übernehmen. gegengesetzter Systeme bedeutet. Helsinki II werde Abg. Fascell (Vereinigte Staaten) erläuterte sodann ein Forum für Systeme sein, die die gleichen Wertvor- den Entschließungsantrag betreffend die „Schaffung stellungen teilten. Die NATO sei ein Garant für die einer Versammlung von Parlamentariern aus den Mit- Helsinki-Ziele, unabhängig davon, daß ein potentiel- gliedstaaten der KSZE", dessen Einbringung der ler Gegner weggefallen sei. Angesichts neuer Instabi- Ständige Ausschuß beschlossen hatte. Er äußerte die litäten in Osteuropa und in der Nah-Ost-Region stehe Ansicht, daß es die gegenwärtige Phase des Übergan- der KSZE-Prozeß vor einer wichtigen Bewährungs- ges wert sei, neue Ideen zu entwickeln, wie z. B. die probe. Schaffung eines parlamentarischen Gremiums der Senator Orlando schlug vor, daß der Westen eine KSZE-Staaten. Dies werfe jedoch auch Fragen im Hin- Charta für nationale Minderheiten fördern solle, die blick auf das Verhältnis zu bereits existierenden Gre- den von Desintegration und ethnischen Konflikten mien auf, wie z. B. dem Europarat und der Nordatlan- bedrohten Ländern helfen könne. tischen Versammlung; hier stehe man erst am Anfang der Diskussion. Die Nordatlantische Versammlung, Abg. Hicks (Kanada) wies auf die bittere Ironie der die sich den Ruf einer wirksamen interparlamentari- Geschichte hin, daß gerade zu einer Zeit, die einen schen Organisation verschafft habe, solle jedoch wei- vielversprechenden Wandel erlebe, die Welt in der terhin die Funktion eines zentralen Fo rums für Nah-Ost-Region vor einem Konflikt nie dagewesenen Aspekte der Sicherheit und der Entwicklung demo- Ausmaßes stehe. Die Tatsache, daß auch die Sowjet- kratischer Gesellschaften ausüben. union hinter der multinationalen Streitmacht gegen die irakische Aggression stehe, sei ein weiterer Be- In der sich anschließenden gemeinsamen Debatte er- weis für die Beendigung des kalten Krieges. Auf dem griff zunächst der Leiter der deutschen Delegation, Spiel stehe jetzt mehr als nur Kuwait, es gehe um die Abg. Prof. Dr. (Bundesrepublik Deutschland) Abelein Fähigkeit der Allianz, Frieden und Sicherheit durch das Wort. Er äußerte seine Freude über das P rivileg, effektive und gemeinsame Maßnahmen zu gewährlei- auf seiner letzten NAV-Sitzung als erster Redner spre- sten. chen zu dürfen. Er führte aus, daß die NATO eine sehr erfolgreiche Allianz sei, die ihre Ziele erreicht habe, Der Abg. Yavuztürk (Türkei) betonte, daß nach einer ohne militärische Mittel eingesetzt zu haben. Vor ei- langen Phase der Konfrontation nun die Zeit der Zu- nem Jahr noch seien die Geschehnisse der letzten sammenarbeit angebrochen sei. Auch die Sowjet- Monate undenkbar gewesen. Die schmerzhafte Tei- union habe sich nicht mehr der Einsicht verschließen lung Europas und speziell Deutschlands seien nun- können, daß Sicherheitsinteressen nur kooperativ ge- mehr fast überwunden. Ohne die NATO wäre dies wahrt werden könnten. Da die UdSSR aber eine mili- nicht möglich gewesen. Dennoch sei die Allianz jetzt tärische Supermacht bleibe, sei ein intaktes Bündnis nicht überflüssig geworden; sie bleibe Garant der Si- nicht nur für ein Land, das direkt an die Sowjetunion cherheit und Ordnung in Europa. Die NATO stehe angrenze, weiterhin notwendig. nunmehr neuen Herausforderungen gegenüber. Ver- Abg. (Luxemburg) erinnerte an die Ergeb- schwunden sei die Gefahr im Zentrum Europas, neue Greisch nisse des Londoner NATO-Treffens und den Pariser Bedrohungen entstünden aber an den Flanken des KSZE-Gipfel in diesem Jahr, die in entscheidender Bündnisses, besonders an dessen südlicher Seite. Der Weise dazu beitrügen, das gemeinsame europäische Streit um Ressourcen und Waffenlieferungen sei ein Haus zu formen. Dies werde auch Auswirkungen auf Problem, mit dem sich die Allianz in Zukunft verstärkt die Strategie der NATO haben. Eine globale Rolle beschäftigen müsse. werde die Allianz künftig bei der Unterstützung von Eine nur militärische Allianz im klassischen Sinne sei Beschlüssen der UNO übernehmen können, wie dies die NATO nie gewesen. Sie sei immer auch eine Orga- gegenwärtig bei der Golfkrise sichtbar werde. nisation mit wirtschaftlichen und politischen Optionen Abg. Moya (Spanien) begrüßte Vorschläge, die auf gewesen, und genau als solche sei sie jetzt gefragt. eine stärkere Berücksichtigung der Mittelmeerstaaten Als Sprecher der deutschen Delegation könne er sa- im KSZE-Prozeß hinausliefen. Im Hinblick auf ein gen, daß dies eine sehr gute Konferenz gewesen sei. eventuelles Tätigwerden der Allianz außerhalb des Zum ersten Male gehörten der Delegation Abgeord- Vertragsgebietes äußerte Moya die Ansicht, daß dies nete aus beiden Teilen Deutschlands an, die ein ver- zu Spannungen und letztlich zur Schwächung des eintes Deutschland repräsentierten. Für den Leiter ei- Bündnisses führen würde. Die Golfkrise zeige, daß
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Bedrohungen der internationalen Stabilität auch im garantieren. Dafür seien andere Organisationen wie UNO-Rahmen wirksam begegnet werden könnte. die UNO besser berufen.
Abg. Frinking (Niederlande) hob hervor, daß nicht nur Abg. Eiriksson (Island) erinnerte die Abgeordneten die NATO, sondern auch andere supranationale Or- daran, daß der Irak vor allem mit in NATO-Ländern ganisationen zur Befassung mit regionalen Konflikten hergestellten modernen Waffen hoch gerüstet sei. Zu- - kompetent seien. Der NATO-Vertrag solle deshalb dem habe der Irak im Krieg gegen den Iran viele von nicht geändert werden, weil dies das Bündnis ausein- westlichen Ländern noch an den Schah gelieferte anderdividieren würde. Wollten einzelne NATO Waffen erobert, die nun westliche Soldaten bedroh- Staaten darüber hinausgehende Verantwortung über- ten. Irakische Piloten seien in westlichen Ländern aus- nehmen, könnten sie dies im Rahmen der WEU auf der gebildet worden. Der Abgeordnete beklagte die hier Basis von Ad-hoc-Beschlüssen tun. sichtbare Doppelmoral der westlichen Länder und mahnte eine Änderung der Waffenlieferungspraxis Für Abg. Frau Bosterud (Norwegen) bleibt die NATO an. auch angesichts des Wandels in Europa als politische Abg. (Australien) bedankte sich für die Gele- und militärische Organisation notwendig. Es sei nun- Sciacca mehr Zeit, die Verhandlungen über den Abbau der genheit, zur Versammlung sprechen zu dürfen. Er hob die politischen, geschichtlichen und kulturellen Bin- konventionellen Streitkräfte auch auf vertrauensbil- dende Maßnahmen und Rüstungskontrollmaßnah- dungen Australiens zu den NATO-Ländern hervor und betonte die Verantwortung der westlichen Län- men auf See auszudehnen. Die Abgeordnete sprach der für die wirtschaftli sich für eine stärkere politische Ro lle des Bündnisses che Prospe rität der Welt. Sci- acca forderte dazu auf, die Antarktis zu einem Welt- bei regionalen Konflikten aus, weil dort leichter als bei militärischem Engagement ein Konsens zu erzielen naturpark zu machen. sei. Abg. Gloushkov (Bulgarien) zeigte sich über die bei- den Resolutionsentwürfe erfreut und erklärte die Be- (Frankreich) führte aus, daß zur Un- Abg. Chauveau reitschaft der bulgarischen Parlamentarier, nach dem terstützung und Sicherung der demokratischen Ent- Vorbild der Versammlung des Europarates an der wicklungen in Osteuropa konkrete Hilfen des We- Schaffung einer parlamentarischen Versammlung der stens, nicht nur finanzieller Art, gefordert seien. In der KSZE-Staaten mitzuarbeiten. Er dankte für die Mög- Golfkrise müßten zunächst kompetente regionale Or- lichkeit, in der NAV den assoziierten Status zu erhal- ganisationen, wie z. B. die Arabische Liga, Verant- ten. wortung übernehmen. Da die Interessen der gesam- ten Völkergemeinschaft auf dem Spiel stünden, dürfe Abg. Nagano (Japan) würdigte die Arbeit der NATO, es keine Rivalität zwischen verschiedenen Organisa- die Stabilität auch außerhalb Europas gewährleistet tionen geben. habe und auch in Zukunft sicherstellen werde. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Europa, Abg. Verivakis (Griechenland) hob hervor, daß die Nordamerika und Japan müsse ausgebaut werden. Er alte Ordnung in Europa noch nicht ganz verschwun- erwähnte, daß sich Japan nicht nur finanziell und den und die neue noch nicht in vollem Maße gegen- materiell, sondern auch durch ein Truppenkontingent wärtig sei. In dieser Phase des Überganges markierten in der Golfkrise engagiere. der Londoner NATO-Gipfel und die Pariser KSZE- Konferenz in diesem Jahr wichtige Wendepunkte. Der Abg. Dornbach (Ungarn) bedankte sich für die Mög- Abgeordnete beklagte im Hinblick auf die Golfkrise lichkeit, in Zukunft an der Arbeit der NAV teilnehmen die Nichtbeachtung von UNO-Beschlüssen und er- zu können. Besorgt sei er über Zeichen der Instabilität wähnte in diesem Zusammenhang auch die Zypern in den osteuropäischen Ländern, wie ethnische Kon- Problematik. flikte und Armutswanderungen, die große Probleme auch für die westeuropäischen Länder bringen könn- Der türkische Vizepräsident der Versammlung for- ten. Hier seien gemeinsame Anstrengungen notwen- derte den Abg. Verivakis auf, nicht zu seiner Ansicht dig; nicht Barmherzigkeit, sondern Hilfe zur Selbst- nach abseits des Themas liegenden Punkten zu spre- hilfe bräuchten die osteuropäischen Länder. chen. Abg. Koschnick (Bundesrepublik Deutschland) äu- Abg. Sir Peter Emery (Vereinigtes Königreich) wies ßerte seine Wertschätzung für die Arbeit der Nordat- darauf hin, daß es sich bei der NATO um das erfolg- lantischen Versammlung und speziell des Vorsitzen- reichste Bündnis der Geschichte handele. Sie sei nicht den Duffy und sprach diesem seinen Dank aus. Zu- nur eine Militärorganisation, sondern auch eine gleich müsse er aber erklären, daß die deutsche Dele- Wertegemeinschaft. Um den neuen Aufgaben für den gation der Resolution 297 nicht zustimmen könne. Weltfrieden gerecht zu werden, sollte die Allianz auf Parlament und Regierung in Deutschland seien an die Australien, Japan und — so hoffe er — in nicht all zu Verfassung gebunden, die einen „out-of-area " -Ein- ferner Zukunft auf die Sowjetunion ausgedehnt wer- satz nicht zulasse. Der NATO, auf die in Europa neue den. Aufgaben zukämen, sollten keine zusätzlichen Lasten aufgebürdet werden. Die Integration der DDR in die Abg. Harmegnies (Belgien) äußerte die Überzeugung, Bundesrepublik Deutschland und damit in die NATO, daß KSZE und EG im Verhältnis zur NATO größere die Chancen auf enge Zusammenarbeit mit Polen, Bedeutung für Frieden und Stabilität gewinnen wür- Ungarn, der CSFR und anderen Staaten sollten der den. Er warnte davor, NATO-Kompetenzen durch NATO für die nächsten Jahre genug Aktivität bringen Neuinterpretation der Verträge auszudehnen. Die und deren inneren Zusammenhalt stärken. In NATO müsse nicht die Sicherheit der ganzen Welt Deutschland werde diese Problematik im Parlament
Drucksache 12/65 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode mit dem Ziel einer Stärkung der UNO und des Sicher- rade für das Nordatlantische Bündnis hervor. Ohne heitsrates diskutiert werden. Er denke, daß man in funktionierende Seestreitkräfte und Transportwege schwierigen Zeiten mehr verpflichtet sei, zusammen auf dem Meer hätte nicht so überzeugend auf die Her- mit der Völkergemeinschaft zur Sicherheit in der Welt ausforderungen am Golf geantwortet werden können. beizutragen, er glaube aber nicht, daß die NATO hier- Dies müsse auch bei künftigen Rüstungskontrollver- für das geeignete Gremium sei. Dies sei seine Mei- handlungen berücksichtigt werden. nung und die seiner Parteifreunde, im Laufe der par- lamentarischen Debatte würde man aber sicher zu Abg. Petersen (Bundesrepublik Deutschland) erin- Präzisierungen kommen. nerte daran, daß mit der Überwindung der Spaltung in Europa ein Traum in Erfüllung gehe, dessen Realisie- Persönlich wolle er schließlich anmerken, daß die rung die NATO garantiert habe. Er dankte den Alli- NATO als Verteidigungsorganisation westlicher In- ierten, daß es ohne Krieg möglich gewesen sei, den dustrieländer gegen Bedrohungen östlicher Industrie- deutschen Traum von der Einheit zu verwirklichen. länder gegründet worden sei, zur Verteidigung der Freiheit im Ost-West-Konflikt, zwischen Kommunis- mus und Demokratie. Eine Umformung der NATO in Als weiterhin unverzichtbare, einzig funktionierende ein Instrument der Industriestaaten zur Lösung von kollektive Sicherheits- und Verteidigungsstruktur, die Konflikten im Süden der Welt wäre eine völlige Um- Stabilität gewährleisten könnte und praktizierte Part- kehrung der ursprünglichen Intentionen. Es sei nicht nerschaft und Wertegemeinschaft 16 souveräner und Aufgabe der reichen Nationen allein, für Stabilität auf demokratischer Nationen beiderseits des Atlantiks der Welt zu sorgen. Deshalb müsse die UNO gestärkt bezeichnete der Generalsekretär der NATO und Vor- sitzende des Nordatlantik-Rates, Dr. Manfred werden. Wör- ner, die NATO in seiner Grußansprache. Das Ende des Abg. Herrero (Spanien) sprach sich ebenfalls für eine kalten Krieges und der Erfolg des Pariser KSZE-Gip- Beschränkung der NATO-Aufgaben auf das Vertrags- fels hätten die Allianz ihren Ursprungszielen näher- gebiet aus. Dies sei jahrzehntelang so praktiziert wor- gebracht, dennoch sei es bis zu einem freien, blühen- den und genau in dieser Selbstbeschränkung habe den und sicheren Europa noch ein langer Weg mit der Erfolg des Bündnisses gelegen. neuen Herausforderungen, die bewältigt werden müßten. Solange künftige Risiken nicht genau kalku- Abg. George (Vereinigtes Königreich) befürwortete, liert werden könnten, sei die NATO die beste Versi- daß die NATO als militärisches und politisches Bünd- cherung gegen jede Art von Ungewißheit. Wörner nis trotz der Auflösung des Warschauer Vertrages fort- betonte, daß die NATO mit der KSZE für die Alltags- bestehen bleiben solle. Die mittel- und osteuropäi- arbeit dynamische wechselseitige Beziehungen ent- schen Staaten sollten sich in Zukunft verstärkt an der wickeln wolle, warnte jedoch davor, allein in der Arbeit der NAV beteiligen. Dies würde die Diskussio- KSZE das Instrument zu sehen, das Stabilität und Si- nen bereichern und zu einem größeren Konsens auf cherheit gewährleisten könne; dies könne nur die kol- sicherheitspolitischem Gebiet führen. lektive Sicherheitsstruktur der Allianz. Wörner äu- Abg. Tremaglia (Italien) forderte dazu auf, na tionale ßerte sich besorgt darüber, daß Wohlstandsgrenzen Traditionen und Identitäten in Europa innerhalb ge- nationale Tendenzen und ethnische Konflikte ver- rechter Grenzen zu ermutigen, warnte aber gleichzei- schärfen könnten. Er wies darauf hin, daß die Sowjet- tig vor der Gefahr neuer Instabilitäten. Er setzte sich union trotz ihres Interesses an stabilen und f riedlichen für eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenar- Beziehungen mit den westlichen Nationen eine mili- beit für den Mittelmeerraum ein, die auch auf afrika- tärische Supermacht bleibe, die ein Gegengewicht nische Vorstellungen eingehen könne. benötige. Im Hinblick auf die Golfkrise vertrat Wörner den Standpunkt, daß Bedrohungen der territorialen Abg. (Griechenland) wies auf den globalen Korakas Integrität der NATO von außerhalb Europas nicht als Charakter vieler Probleme hin und setzte sich für eine „out-of-area"-Bedrohung heruntergespielt werden stärkere Rolle der UNO ein. Er warnte vor einer mili- dürften. Vielmehr müßten derartige Risiken in die tärischen Aktion gegen den Irak, weil dies zu einer Verteidigungsplanung der Allianz einbezogen wer- weltweiten islamischen Solidarisierung führen würde, den. und sprach sich statt dessen für politische und wirt- schaftliche Maßnahmen aus. Abschließend würdigte Wörner die Arbeit der Nordat- Abg. van Traa (Niederlande) äußerte die Ansicht, daß lantischen Versammlung, insbesondere die Berichte ein „out-of-area"-Einsatz der NATO nur im Rahmen und die vertieften Diskussionen der Arbeitsgruppen. eines UNO-Mandats erfolgen könne. Zuvor müßten Wörner zeigte sich überzeugt, daß eine parlamentari- alle nichtmilitärischen Mittel ausgeschöpft werden. sche Versammlung der KSZE die professionellen Bei- träge der Nordatlantischen Versammlung zu würdi- Abg. Sir Geoffrey (Vereinigtes König- Johnson Smith gen wissen werde. reich) sprach sich ebenfalls für den Fortbestand des NATO-Verteidigungskonzeptes aus und forderte Auf die Frage des Abg. (Niederlande), ob die dazu auf, dieses den gewandelten Aufgaben anzupas- van Traa veränderte geopolitische Situation nicht mit der Auf- sen. Da eine eigene Verteidigungspolitik der EG noch gabe der Strategie der Vorneverteidigung einherge- in weiter Zukunft liege, gehe es jetzt darum, die Ver- hen müsse, antwortete Wörner, daß die Strategieüber- teidigungspolitiken der europäischen Länder besser arbeitung voranschreite; das Konzept der Vornever- und effektiver zu koordinieren. teidigung im herkömmlichen Sinne werde verändert, Abg. Bereuter (USA) hob die Bedeutung effektiver das Prinzip, möglichst weit vorne zu verteidigen, Seestreitkräfte und die Sicherung der Seewege ge- bleibe aber.
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Abg. Lello (Portugal) wollte wissen, welche Rolle Hussein zeige, daß zum ersten Mal in der Geschichte Kurzstreckenraketen in Zukunft spielten und wann der Vereinten Nationen die Chance bestehe, den Stö- gegebenenfalls darüber verhandelt werde. Der Gene- rer dieser kollektiven Ordnung wirksam in die ralsekretär führte hierzu aus, daß in Zukunft auf Nu- Schranken zu weisen. Die Nordatlantische Allianz klearartillerie weitgehend verzichtet werden könne, habe jahrzehntelang in Europa gemeinsame Verant- ein völliger Abbau aber nicht möglich sein werde. Er wortung praktiziert und Erfolg dabei gehabt. Nun gehe davon aus, daß im nächsten Jahr die Verhand- zeige sie, daß sie auch neuen Anforderungen gewach- lungen begännen. sen sei. Ihre Mitgliedstaaten seien bereit, für eine glo- bale Sicherheitsordnung ihren Beitrag zu leisten. Senator Boffa (Italien) richtete an Wörner die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Maße Gladio-Stel- Auf die Frage von Senator Gianotti (Italien) nach den len im NATO-Rahmen operiert hätten, wer verant- zukünftigen Beziehungen zwischen der NATO und wortlich für die Führung der Gladio-Mitarbeiter ge- der EG erwiderte Kinnock, daß sich die Europäische wesen sei, und ob diese Organe in einem gewandel- Gemeinschaft nicht zu einer militärischen Allianz wei- ten NATO-System verschwinden könnten. Der Gene- terentwickeln dürfe; dies bedeute aber nicht, daß ein- ralsekretär äußerte hierzu, daß es Tradition in der zelne EG-Staaten in Zukunft keine eigenen Beiträge NATO sei, derartige Dinge nicht in der Öffentlichkeit zur kollektiven Sicherheit leisteten. Die strukturellen zu besprechen. Gleichwohl habe man aber nichts zu Unterschiede zwischen der EG und der NATO wür- verstecken, in erster Linie verantwortlich seien aber den trotz Überlappungen bleiben. die Mitgliedstaaten der NATO. Der Präsident der tschechoslowakischen Nationalver- Der polnische Außenminister Krzysztof Skubiszewski sammlung, Alexander Dubč ek erinnerte in seinen hob die Schlüsselrolle seines Landes in dessen geopo- Grußworten an die Parlamentarier an die historischen litischer Lage zwischen Deutschland und der Sowjet- Ereignisse in der Tschechoslowakei im Jahre 1968. union hervor. Diese Situation habe in der Vergangen- Dubč ek verwies auf damalige Ziele der Reformer und heit oft zum Nachteil Polens geführt, er hoffe nun daß es sich als richtig herausgestellt habe, sich gegen aber, daß sie sich in einem gewandelten Europa zum die Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten nicht Vorteil Polens und Europas als Ganzem entwickele. militärisch gewehrt zu haben. Ursache für den friedli- Das Warschauer Bündnissystem habe de-facto aufge- chen Wandel in Europa sei die in der Sowjetunion hört zu existieren; dies werde seiner Ansicht nach eingeleitete Politik der Perestroika, die es auch den jedoch nicht zu einem sicherheitspolitischen Vakuum Ländern der früheren sowjetischen Einflußsphäre er- führen. Skubiszewski sprach sich in diesem Zusam- möglicht habe, Umgestaltungen und demokratische menhang dagegen aus, in Europa neutrale oder Puf- Reformen einzuleiten. Dubcek zeigte sich besorgt ferzonen zu schaffen, weil diese ihrer Natur nach dazu über die wirtschaftliche Krise in der Sowjetunion und tendierten, Gegenstand von externen Einflußversu- warnte vor einem Scheitern der Perestroika, für deren chen und Rivalitäten zu sein. Europas Sicherheit Gelingen letztlich alle Länder mitverantwortlich müsse vielmehr als Ganzes konzipiert werden, was seien. bilaterale Vereinbarungen aber einschließe. Als Bei- spiel für derartige bilaterale Verträge hob der polni- sche Außenminister den deutsch-polnischen Vertrag Zum Verlauf der Konferenz über Zusammenarbeit und gute Nachbarschaft her- vor. Polen beabsichtige, mit der Sowjetunion und An der 36. Jahrestagung nahmen Beobachterdelega- Frankreich ähnliche Verträge zu schließen. Gehe es in tionen aus Australien, Bulgarien, der CSFR, Japan, einer ersten Phase vor allem darum, Spannungen Ungarn, Polen und der UdSSR teil. An der Spitze der durch verstärkte Zusammenarbeit der europäischen CSFR-Delegation stand Parlamentspräsident Alexan- Staaten abzubauen, so müsse sich Europa langfristig der Dubcek, die sowjetische Beobachtergruppe leitete in ein kollektives Verteidigungssystem gegen Bedro- General Wladimir Lobow. hungen von außen wandeln. Skubiszewski würdigte die Rolle, die die Allianz für den KSZE-Prozeß spiele Die Delegierten trafen folgende Personalentscheidun- und sprach sich gegen deutsch-sowjetische Sonder- gen: beziehungen aus. Zum neuen Präsidenten der Nordatlantischen Ver- Der Oppositionsführer im britischen Unterhaus, Neil sammlung wurde der amerikanische Abgeordnete Kinnock, begrüßte, daß die NATO den Wandel in Charles Rose (Demokrat) mit 87 Stimmen von insge- Zentral- und Osteuropa nicht passiv verfolgt, sondern samt 159 Stimmen gewählt. aktiv gefördert habe. Das Schlußdokument des Pariser KSZE-Gipfels bringe diese Entwicklung zum Aus- Zur Wahl für das Amt des Präsidenten standen zwei druck und bilde den Rahmen für die zukünftige Si- Kandidaten zur Verfügung. Neben dem Abg. Rose cherheit in Europa. Nun gelte es, durch praktische kandidierte der amerikanische Senator William Zusammenarbeit auf allen Ebenen, insbesondere auf D. Roth (Republikaner). dem Gebiet der ökonomischen Entwicklung, die Dau- Für das Amt eines Vizepräsidenten der Versammlung erhaftigkeit dieses Prozesses zu garantieren. Die fort- hatten sich folgende Abgeordnete zur Wahl gestellt: schreitende ökonomische und institutionelle Einigung der europäischen Gemeinschaft gebe hierfür wichtige Robert Hicks (Kanada) Impulse. Zugleich seien die Hoffnungen vieler nach Sir Geoffrey Johnson Smith (Vereinigtes König- einer globalen Friedensordnung, Sicherheit und Zu- reich) sammenarbeit greifbarer geworden. Der Golfkonflikt Jose Lello (Portugal) und das Zusammenstehen der Völker gegen Saddam Rodrigo de Rato (Spanien)
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Gewählt wurden die Abg. Robert Hicks, Sir Geoffrey Entschließungstexte zu „Ozonloch und globaler Kli- Johnson Smith und Jose Lello. mawandel" und „Verschmutzung in der Sowjetunion Von den Mitgliedern der deutschen Delega tion wurde und Osteuropa" . Abgeordneter Karsten D. Voigt in seinem Amt als Vor- Zu dem vom Abg. Perez-Llorca (Spanien) vorgelegten sitzender des Ausschusses für Verteidigung und Si- Sonderbereicht über „Neue Technologien und Vertei- cherheit bestätigt und Abgeordneter Lothar Ibrügger digung", der sich speziell mit entwicklungsspezifi- zum Vorsitzenden des Ausschusses für Wissenschaft schen Aspekten bei Luftfahrzeugen und Raketen be- und Technik wiedergewählt. schäftigte, wurde kontrovers die Frage diskutiert, ob die Wartungs- und Betriebskosten dieser Systeme ten- Auf einem Empfang in der historischen Guildhall, den denziell geringer würden, oder ob die Hersteller die der Lord Mayor von London, Sir Alexander Graham, tatsächlich hohen Kosten verschleierten; dieses Pro- am Abend des 28. November 1990 gab, hob dieser in blem will der Berichterstatter im nächsten Bericht ver- seinen Begrüßungsworten hervor, daß sich in der Ge- tiefen. schichte große politische Wandel immer wieder auch als Perioden der Unsicherheit erwiesen hätten und Der Zwischenbericht des Abg. Banks (Vereinigtes Kö- deshalb neue Vereinbarungen durch geduldige Ver- nigreich) für den Unterausschuß „Ve rifikation und handlungen ausgearbeitet werden müßten. Er zeigte Technologie" hatte aktuelle Aspekte der „open-sky"- sich überzeugt, daß es der NATO auch in Zukunft Politik sowie Fragen militärischer Technologie in ei- gelingen werde, die neuen Herausforderungen zu be- nem veränderten strategischen Umfeld zum Gegen- stehen. stand. Der Berichterstatter äußerte insbesondere die Hoffnung, daß der KSZE-Prozeß den „open-sky"-Ver- Der Präsident der Nordatlantischen Versammlung, handlungen neue Impulse verleihe. Abg. Patrick Duffy, ging in seiner Ansprache an die Gäste auf die führende Rolle Londons als Finanzplatz Abg. Lewis (USA) informierte den Ausschuß über das ein und erinnerte dabei an die wirtschaft lichen Projekt „Nationales Weltraum-Flugzeug" (NASP), die Aspekte aller Verteidigungsanstrengungen. Es sei dabei angewandten Technologien und den Entwick- nicht zufällig, daß die Europäische Bank für Wieder- lungsstand in anderen Ländern. Der Abg. Novozhi- aufbau und Entwicklung, die p rivate Initiativen in low, Flugzeugexperte und Mitglied des Obersten So- Osteuropa ermutigen und finanziell unterstützen soll, wjets der UdSSR, berichtete über die Bemühungen in ihren Sitz in London haben werde. der Sowjetunion, ein Überschallflugzeug zu entwik- keln, und erklärte die Bereitschaft seines Landes, auf diesem Gebiet mit anderen Staaten zusammenzuar- beiten. Ausschuß für Wissenschaft und Technik Der Ausschußvorsitzende, Abg. Ibrügger (Bundesre- Der Ausschuß für Wissenschaft und Technik tagte am publik Deutschland), legte den Delegierten ein infor- 26. und 27. November 1990 unter Vorsitz des Abg. melles Papier vor, das die zunehmende Verstopfung Lothar Ibrügger (Bundesrepublik Deutschland). des europäischen Luftraumes und die dadurch verur- sachten Kosten kritisch aufgreift. Spürbare Entlastung Im Mittelpunkt der Ausschußberatungen standen könnte der Abzug von ca. 1 Mio. Soldaten und die zwei Generalberichte, die vom Generalberichterstat- damit verbundene zivile Nutzung bisher militärisch ter Sir Peter Emery (Vereinigtes Königreich) zu den verwendeter Flugplätze bringen. Themenbereichen „Ozonloch und globale Erwär- mung" und „Umweltprobleme in der Sowjetunion Im Ausschuß bestand Einigkeit, daß dieses Thema für und Osteuropa" vorgelegt wurden. Einen Sonderbe- die nächste Frühjahrstagung in Rotterdam weiter auf- richt zu „Neue Technologien und Verteidigung" er- gearbeitet werden solle. stattete der Abg. Perez - Llorca (Spanien); einen Zwi- Zum Abschluß der Sitzung wurde der Abg. Ibrügger schenbericht legte der Abg. Banks (Vereinigtes Kö- (Bundesrepublik Deutschland) als Ausschußvorsit- nigreich) als Berichterstatter des Unterausschusses zender wiedergewählt. Zu stellvertretenden Vorsit- „Verifikation und Technologie " vor. zenden wurden die Abg. Boehlert (USA) und Chauty (Frankreich) gewählt. Generalberichterstatter wird Ausführlich diskutiert wurde der Generalbericht auch in Zukunft Sir Peter (Vereinigtes König- „Ozonloch und globale Erwärmung", der die gegen- Emery reich) sein. wärtigen wissenschaftlichen Positionen beschrieb und Forderungen an die praktische Politik formu- lierte, wobei besonders auf die hohe Abhängigkeit der Industriestaaten von der Ölversorgung und die Not- Ausschuß für Verteidigung und Sicherheit wendigkeit der Erschließung neuer Energiequellen Die Sitzungen des Ausschusses für Verteidigung und hingewiesen wurde. Sicherheit fanden am 26. und 27. November 1990 un- Über den Generalbericht „Umweltprobleme in der ter dem Vorsitz von Abg. Karsten D. Voigt (Bundesre- Sowjetunion und Osteuropa" wurde ebenfalls lebhaft publik Deutschland) statt. debattiert, wobei erstmals teilnehmende Vertreter aus Der Generalberichterstatter des Ausschusses, Abg. der CSFR (Abg. Lux), Polen (Abg. Rusecki) und Un- van Vlijmen (Niederlande) stellte den Entwurf eines garn (Abg. auf die kritische Lage in ihren Län- Sipos) Generalberichtes vor, der sich mit dem veränderten dern hinwiesen und die Bemühungen zur Verbesse- Arbeitsplan des Bündnisses in Sicherheitsfragen be- rung der Situation vorstellten. faßt. Ausgehend von der Feststellung, daß die Zeit Der Ausschuß verabschiedete einstimmig die von Sir europäischer Kriege vorbei sei, zeichnete der Gene- Peter Emery (Vereinigtes Königreich) vorgelegten ralberichterstatter den Weg zu Integra tion und Befrie-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/65
dung in Europa. Auf diesem Weg kommt nach seiner ropa. Dazu wird zunächst die Entwicklung der Streit- Auffassung der Rüstungskontrolle eine herausra- kräfte in den Ländern Osteuropas analysiert. Polen, gende Bedeutung zu. Insbesondere thematisiert wer- Ungarn, die Tschechoslowakei, Bulgarien und Rumä- den die strategischen Atomwaffen, die Verteidi- nien stehen dabei im Vordergrund. Daran anschlie- gungs- und Weltraumwaffen, die Atomtests, chemi- ßend wird die Debatte innerhalb der NATO anhand sche Waffen und der Nichtverbreitungs-Vertrag. Auf- - der Entwicklung in den Vereinigten Staaten von Ame- grund einer Analyse dieser Entwicklungen wendet rika, Kanadas, Großbritanniens, Frankreichs, Bel- sich der Generalberichterstatter neuen Herausforde- giens und der Niederlande dargestellt. Besonders ein- rungen für das Bündnis zu. Als solche erkennt er den gegangen wird auf die Zukunft der in Deutschland weltweiten Waffenhandel, die Kontrolle des Rü- stationierten Streitkräfte. Dabei wird dem Vertrag stungstransfers und die Aggression des Irak. Auf der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Grundlage seines Generalberichtes hat der General- Sowjetunion über den schrittweisen Abbau und den berichterstatter einen Entschließungsentwurf über geregelten Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus Rüstungskontrolle und Rüstungstransfer vorgelegt, Deutschland und den Bestimmungen im Einigungs- der mit einigen Änderungen des Ausschusses dem vertrag über die Zukunft der früheren Nationalen Plenum der Nordatlantischen Versammlung unter- Volksarmee besondere Bedeutung beigemessen. breitet wurde. In einer Podiumsdiskussion über „Die Zukunft euro- In einem zweiten Bericht befaßte sich der Abg. Lello päischer Verteidigungs- und Sicherheitsstrukturen" (Portugal) mit der Rüstungszusammenarbeit und der diskutierten John Steinbrunner (Brookings Institution, sich verändernden politischen Lage in Europa. Ausge- Washington D. C.) Sergei Karaganow (Europa Insti- hend von einer Schilderung der Ausgangsbedingun- tut, Moskau) und Francois Heisbourg IISS (London), gen in den Vereinigten Staaten von Amerika und Eu- aus amerikanischer, sowjetischer und europäischer ropa untersuchte der Berichterstatter ausführlich die Perspektive. Lastenteilung im Zusammenhang mit der Golf-Krise. ordnete die europäischen Verteidi- Dabei kam er zu dem Ergebnis, daß europäische Ver- John Steinbrunner gungs- und Sicherheitsstrukturen in einen Evolutions- bündete bedeutende Beiträge zu der beispiellosen prozeß ein. Er untersuchte die Ziele, Bedingungen, Kräftekoalition leisteten, die derzeit im Irak im Entste- Grundsätze, Kräftestrukturen, Organisation und die hen begriffen ist. Umsetzung dieses Prozesses in die Praxis. Er sprach Der Generalsekretär der Westeuropäischen Union, sich dafür aus, die Sowjetunion und die Staaten des Willem van Eekelen referierte über die Integration Warschauer Paktes in die Sicherheitsgemeinschaft europäischer Außen- und Sicherheitspolitik aus der einzubeziehen. Sergei Karaganow ging insbesondere Sicht der WEU. Er sprach die Überzeugung aus, daß auf die Auswirkungen der Nationalitätenkonflikte in man Außen- und Sicherheitspolitik in Europa nicht der Sowjetunion und ihre Auswirkungen auf die Si- trennen könne. Es käme darauf an, Sicherheit heutzu- cherheitsstrukturen ein. Dabei unterstrich er die große tage in ihrer europäischen Dimension zu betrachten. Bedeutung, die der Tatsache zukomme, daß die So- Der Referent zeigte sich überzeugt davon, daß die wjetunion keine Feinde in der westlichen Welt mehr Verteidigungsfunktion in dem neuen Europa verküm- habe. Francois Heisbourg ging insbesondere auf die mern würde, wenn sie nicht in einen größeren Zusam- Rolle der KSZE, der EG, der NATO und der WEU ein. menhang eingeordnet werde. Das hätte auch unmit- Er unterstrich vor allem, daß diese Organisationen telbare Auswirkungen auf die WEU und die NATO. sich in bezug auf die Sicherheits- und Verteidigungs- politik vervollständigen und nicht gegeneinander General John Oberster Alliierter Befehlshaber Galvin, konkurrieren sollten. in Europa, referierte über die Struktur der Streitkräfte und die zukünftigen Aufgaben für den militärisch in- Der Präsident der europäischen Organisation von mi- tegrierten Oberbefehl. General Galvin unterstrich, litärischen Vereinigungen, Herr J. Rotboell, warb in daß die Sowjetunion nach wie vor die größte Militär- einem Referat vor dem Ausschuß dafür, den Soldaten macht in Europa sei, aber nicht mehr länger als Feind die elementaren Grundrechte, insbesondere das betrachtet werde. Es gelte, Antworten auf neue Fra- Recht der Vereinigung, in den Ländern zuzugestehen, gen hinsichtlich der Sicherheitsstrukturen der Zu- in denen das bisher noch nicht der Fall ist. kunft zu finden. Dazu seien innerhalb der NATO noch stärkere Kontakte nötig, auch Kontakte von Streitkraft Die Abgeordneten Frinking (Niederlande) und Bereu- zu Streitkraft. Kommunikation und Dialog nähmen ter (Vereinigte Staaten von Amerika) stellten den Be- einen immer größeren Stellenwert ein und müßten richt des Sonderausschusses vor, der sich mit der Stra- verstärkt werden. Die Streitkräftestruktur müßte dem tegie der Allianz und der Rüstungskontrolle befaßt. angepaßt werden. Der NATO gehe es darum, die Si Ein Entschließungsentwurf beider Berichterstatter cherheit zu verstärken und nicht so sehr darum, die hierüber wurde im Ausschuß einstimmig angenom- Verteidigung hervorzukehren. Ob die Rolle der neuen men und dem Plenum der Nordatlantischen Ver- NATO, wie sie sich herauszubilden im Beg riff sei, von sammlung unterbreitet. anderen Organisationen wahrgenommen werden könne, sei eine Frage, die die politische Führung zu entscheiden habe. Sitzung des Politischen Ausschusses Der dritte Bericht des Ausschusses für Verteidigung und Sicherheit wurde von den Abgeordneten Estrella Der Politische Ausschuß tagte am 26. und 27. Novem (Spanien) und Gama (Portugal) vorgestellt. Er befaßt ber 1990 unter Vorsitz des Abg. Bruce George (Verei sich mit der Umstrukturierung der Streitkräfte in Eu- nigtes Königreich). Bei Eröffnung der Sitzung be-
Drucksache 12/65 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode grüßte der Vorsitzende die parlamentarischen Beob- Der Leiter der Osteuropa-Abteilung im britischen Au- achter aus Polen, Ungarn; der CSFR, Bulgarien und ßenministerium, Michael Tait, berichtete über den Pa- der UdSSR und lud sie ein, sich an den Debatten des riser KSZE-Gipfel und warnte eindringlich vor einer Ausschusses zu beteiligen. Diese wurden von drei Isolierung der UdSSR. Wie Taint erinnerten auch ei- Themenkreisen beherrscht: der zukünftigen Rolle der nige Delegierte daran, daß die KSZE keine verteidi- NATO angesichts der Golfkrise und der Veränderun- gungspolitische Organisation sei: Auf diesem Gebiet gen in Europa, der Frage nach der Ausgestaltung der könne vorerst nur die NATO als kompetenter An- künftigen Zusammenarbeit in Europa sowie den Per- sprechpartner gelten. spektiven im Bereich der Abrüstung und Vertrauens- bildenden Maßnahmen. Die lebhafte Debatte im Ausschuß, in deren Verlauf auch die deutschen Vertreter, die Abgeordneten Der Generalsekretär der Westeuropäischen Union, Francke und Koschnick, das Wort ergriffen, ergab im Dr. Wilhelm van Eekelen, und der Ständige Vertreter Konsens, daß die Nordatlantische Versammlung auch der USA im Nordatlantikrat, Botschafter William bei einer Institutionalisierung des KSZE-Prozesses H. Taft IV, beteiligten sich an der einleitenden Podi- und seiner parlamentarischen Dimension ihre Aufga- umsdiskussion über „Die NATO, Europa und die Golf- ben auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik behalte. Bei krise", in deren Rahmen auch der von Abg. Loic Bou- der Intensivierung der Kontakte zu den mittel- und vard (Frankreich) als Generalberichterstatter des Aus- osteuropäischen Staaten habe sich der „Euro-Atlanti- schusses vorgelegte Berichtsentwurf über „Europäi- sche Round-Rable" bewährt, der zur festen Einrich- sche Sicherheitsprobleme " debattiert und einstimmig tung werden sollte. angenommen wurde. Mehrere Vertreter südeuropäischer Staaten mahnten, die Probleme der Südflanke dürften nicht in Verges- Botschafter Taft hob die unverminderte Bedeutung senheit geraten. Senator Gerosa und die italienische der NATO als Kern der Stabilität in Europa und in der Delegation befürworteten die Einrichtung einer Kon- Welt hervor. Sie bilde das notwendige Gegengewicht ferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit im Mit- zur Sowjetunion gerade auch in der begonnenen Ära telmeerraum (KSZM) und regten, unterstützt durch freundschaftlicher Beziehungen. den Ausschußvorsitzenden, die Bildung eines Unter- Dr. van Eekelen forderte, die „transatlantische Ar- ausschusses für die Südregion an. beitsteilung" neu und klar zu definieren. Die WEU, Die beiden vorgelegten Berichtsentwürfe wurden ein- bisher einzige Organisation mit Kompetenzen für die stimmig angenommen. Der von Abg. Bruce George Sicherheitsdimension der europäischen Einigung, (Vereinigtes Königreich) als Sonderberichterstatter müsse sich endlich zum tatsächlichen europäischen eingebrachte Entschließungsentwurf „Die nächsten Pfeiler der Allianz entwickeln, um langfristig in einer Schritte im Hinblick auf Sicherheit und Zusammenar- Europäischen Union aufzugehen. Auch Abg. Bouvard beit in Europa" (S. 20) wurde an das Plenum überwie- regte eine Verbindung der Europäischen Politischen sen, nachdem er durch mehrere Änderungsanträge Zusammenarbeit (EPZ) mit der WEU an. auf den letzten Stand der KSZE-Verhandlungen ge- bracht und vor allem die ursprüngliche Forderung, Die Golfkrise hat nach Ansicht von Dr. van Eekelen den Aufbau multilateraler „KSZE-Friedenstruppen" die Notwendigkeit der Erhaltung bzw. Aufstellung zu prüfen, verworfen worden war. von Eingreiftruppen mit schwerem Gerät demon- striert; dies gelte es im Rahmen der KSE-Rüstungs- Zur Abrüstungsthematik lagen den Ausschußmitglie- begrenzungen im Blick zu behalten. Zur Frage mögli- dern der Zwischenbericht des Sonderausschusses zur cher Einsätze außerhalb des NATO-Vertragsgebietes Bündnisstrategie und Abrüstung von Abg. Douglas (out of area) wurden von verschiedenen europäischen Bereuter (USA) und Abg. Ton Frinking (Niederlande) Delegierten, aber auch von kanadischen Vertretern, sowie zwei Entwürfe für Zwischenberichte des Unter- starke Bedenken geäußert. Um die politische Solida- ausschusses für Vertrauens- und Sicherheitsbildende rität und strategische Geschlossenheit der Allianz Maßnahmen von Abg. Johann Einvardsson (Island) nicht zu gefährden, wurde im Ausschuß allgemein vor. davon abgeraten, diese Frage zu forcieren und die statt dessen auf bilaterale Lösungen verwiesen. Die im Zwischenbericht des Sonderausschusses ange- sprochene Frage nach der zukünftigen Rolle der Nu- Die nächsten Etappen des KSZE-Prozesses bildeten klearwaffen war auch vom Generalberichterstatter den zweiten Schwerpunkt der Beratungen. Hierzu la- hervorgehoben worden: Nicht zuletzt im Hinblick auf gen dem Ausschuß der Entwurf eines Zwischenbe- die von einigen geforderte Einbeziehung der briti- richts über „Die Zukunft des Warschauer Paktes" von schen und französischen Arsenale in künftige Abrü- Senator Guido Gerosa (Italien) als Berichterstatter des stungsrunden bedürfe sie dringend der Klärung. Unterausschusses „Osteuropa und die Sowjetunion" Im konventionellen Bereich bestand Einvernehmen, sowie der Entwurf eines von Abg. Bruce (Ver- George daß die Notifizierungsgrenzen für Manöver im Zuge einigtes Königreich) verfaßten Sonderberichts über der KSZE-Vereinbarungen gesenkt werden sollten. die „Zukünftige Strukturen der europäischen Sicher- Weitere Beschränkungen und Reduzierungen seien heit" vor. Ohne die Frage einer Auflösung oder Um- jedoch mit Vorsicht anzugehen. wandlung der WVO beantworten zu können, entwar- fen beide Berichterstatter das Bild einer multipolaren Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen in Ordnung in Europa und den angrenzenden Regionen, den Grenzgebieten könnten nach Ansicht von Abg. die vielfältige Formen der Zusammenarbeit erforder- Einvardsson maßgeblich zur Konfliktverhütung unter lich mache. den mittel- und osteuropäischen Staaten beitragen. In