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SWR 2 Musikstunde: Urbane Jazzgeschichten: XI: Köln – Ein Herz für den 3. November 2012 Autor: Thomas Loewner Redakteur: Martin Roth

Moderation 1: Köln und der Jazz – diese Verbindung hat eine lange Tradition und die Stadt am Rhein ist heute neben Berlin das wohl wichtigste Jazz- Zentrum Deutschlands. Doch das war nicht immer so. Der Kampf der Szene um Anerkennung nach dem Zweiten Weltkrieg und eine Durststrecke in den 1960er und 1970er Jahren: Phasen, in denen es um den Jazz in der Domstadt nicht so gut bestellt war. Doch gab es hier immer wieder Enthusiasten, Institutionen und Initiativen, die sich für die Musik stark gemacht haben. Von Ihnen handelt die heutige Ausgabe der „Urbanen Jazzgeschichten“, dazu begrüßt Sie ganz herzlich Thomas Loewner.

Musik 1: CD V.A. – „Art of Sax“: „Lee Konitz Sextet: Ezz-thetic“ (Take 7, Länge 2’53)

Moderation 2: Musik vom amerikanischen Saxophonisten Lee Konitz: seine Platte „Ezz-thetik“ aus dem Jahr 1953 ist eine der herausragenden Aufnahmen des Cool Jazz und war ein wichtiger Impuls für die Wiederbelebung des deutschen und somit auch des Kölner Jazzlebens nach dem Zweiten Weltkrieg.

Doch die ersten Nachkriegsjahre waren keine leichten für Kölner Jazzmusiker und –fans. Der Jazz, von den Nationalsozialisten als Entartete Kunst gebrandmarkt, hatte auch nach deren Entmachtung längere Zeit ein handfestes Akzeptanzproblem in weiten Teilen der Bevölkerung. Über ein Jazzkonzert, das im Jahr 1948 in der Uni Köln stattgefunden hat, schrieb ein Kritiker:

„Die Mehrzahl der Hörer zuckte im ostinaten Rhythmus mit und geriet in den Trancezustand, der den Jazzanhängern als Zweck der Übung erscheint. Musik ohne Geist, dafür gab dieser zugleich primitive und differenzierte Jazz ein drastisches Beispiel.“

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Doch es gab damals auch Menschen in der Stadt, die sich mit Leib und Seele für den Jazz stark machten. Einer, der für lange Zeit zu den wichtigsten Förderern werden sollte, war Gigi Campi. Der gebürtige Kölner mit italienischen Wurzeln gründete 1949 gemeinsam mit seiner Mutter ein Eiscafé im Zentrum der Stadt, das sich binnen kurzer Zeit zu einem wichtigen Treffpunkt der lokalen wie internationalen Jazz- Szene entwickelte. Campi war vom Jazz-Virus infiziert und der wirtschaftliche Erfolg seines Eiscafés war die Grundlage für seine zahlreichen späteren Aktivitäten als Jazzförderer und –produzent. Anfang der 1950er Jahre gründete Campi etwa die Konzertreihe „Concert in Modern Jazz“, die sich zu einem Dauerbrenner entwickeln sollte: bis 1984 veranstaltete er insgesamt 421 Konzerte in und außerhalb Deutschlands.

Auch Campi war ein großer Anhänger von Cool Jazzern wie Lennie Tristano oder Lee Konitz und deren Nähe zur europäischen Kunstmusik. So kam es, dass er in den ersten Jahren seiner Tätigkeit als Konzertveranstalter besonders häufig den österreichischen Saxophonisten Hans Koller und seine „New Jazz Stars“ engagierte. Sie waren damals die führenden Cool Jazz-Vertreter der jungen deutschen Szene. Am 14.August 1955 spielte die Band bei einem der von Campi organisierten Konzerte im Kölner Börsensaal:

Musik 2: CD V.A. - „Jazz in Köln“: „Hans Koller New Jazz Stars: Passacaglia““ (Take 10, Moderation ab 4’23)

Moderation 3: Hans Koller’s New Jazz Stars, live aufgenommen am 14.August 1955 während eines Konzerts im Kölner Börsensaal.

Gegen Mitte der 1950er Jahre war es auch, als Gigi Campi anfing seinen bis dahin bedingungslosen Enthusiasmus für den Cool Jazz infrage zu stellen. Der Auslöser für seine Gedanken war ausgerechnet Lee Konitz, einer der großen Stars der Szene. In einem Interview meinte Campi dazu:

„Ich hatte mich immer für den Cool Jazz eingesetzt, vielleicht, weil wir uns alle im Zwang befanden, den Jazz salonfähig zu machen. Das war etwas, wo wir dachten: ‚Da geht der Weg lang’. Endlich in Köln eine Position. (...) Plötzlich kommt hier der große Star des Cool Jazz an, Lee Konitz, aus der Schule Lennie Tristanos. Auf Tournee entdeckte ich plötzlich, dass er der größte Anhänger von Lester Young ist. (...) Da hörte meine Liebe zum eingefrorenen Jazz auf und ging zum 4

schwarzen, vitalen, ausdrucksstarken, leidensvollen, aber auch agressiven Jazz zurück.“

Ein weiterer Auslöser für Campis Meinungswechsel war die Bekanntschaft mit dem Schlagzeuger , den er erstmals 1949 bei einem Konzert in Zürich gehört hatte. Clarke war der Begründer eines neuen, sehr dynamischen Schlagzeugstils: er schlug den Beat auf dem großen Becken und setzte dazu Akzente auf der Snare, unmittelbar gefolgt von Schlägen auf die Bass-Drum. Nach dem ersten Treffen trennten sich Clarkes und Campis Wege zunächst für einige Jahre. Clarke ging 1955 nach Paris und spielte dort und in den angrenzenden Ländern mit wechselnden durchreisenden Musikern aus den USA und Europa. In dieser Zeit lernte er auch kennen, einen belgischen Pianisten und Arrangeur, der für einige Zeit erfolgreich in den USA gearbeitet hatte, u.a. für die Orchester von Count Basie und Benny Goodman.

Die Idee, Clarke und Boland sowie eine Reihe anderer Musiker in Köln zusammenzubringen, hatte dann im Februar 1960 wieder Gigi Campi: es war Karneval und Campi organisierte an den jecken Tagen seit den 1950er Jahren so genannte „Jazzband-Balls“, ausgelassene Karnevals-Parties mit Jazzmusik. Bei dieser Gelegenheit testete Campi auch das erste Mal die Clarke-Boland Big Band, wie er in einem Interview erzählt hat:

„Ich habe immer im Karneval etwas probiert. Passen die zusammen, verstehen die sich? So kann man aufbauen und dann wachsen lassen.“

Campis Experiment ist geglückt – die Clarke-Boland Big Band spielte bis 1972 zusammen und war seinerzeit eine der innovativsten Big Bands der internationalen Szene. Hier ist sie mit Musik aus dem Jahr 1967:

Musik 3: CD Clarke-Boland Big Band - „Two Originals: All Blues / Sax No End“: „Lockjaw Blues“ (Take 15, Länge 3’03)

Moderation 4: Die Clarke-Boland Big Band aus Köln bei der SWR 2 Musikstunde.

Köln war in den 1960er Jahren eine Big Band-Hochburg, die auch international eine herausragende Stellung einnahm. Außer der Clarke- 5

Boland Big Band war es vor allem das Kurt Edelhagen Orchester, das auch internationale Aufmerksamkeit auf sich zog. Kurt Edelhagen war bereits seit 1945 sehr erfolgreich als Big Band-Leiter tätig. Angefangen hatte er mit einem eigenen Orchester in seiner Heimatstadt Herne. 1949 verpflichtete ihn dann zunächst der bayrische Rundfunk, 1952 folgte der Wechsel nach Baden-Baden zum Südwestfunk. Bereits in dieser Zeit fing Edelhagen an, mit internationalen Stars zusammen zu arbeiten und seine Band wurde weit über das Sendegebiet des SWF hinaus bekannt.

Im April 1957 endete diese erfolgreiche Phase trotzdem und Edelhagen ging zum WDR nach Köln, wo er nahtlos an seine Erfolge anknüpfen konnte. Immer wieder hat das Orchester mit Sängerinnen und Sängern zusammen gearbeitet. So entdeckte Edelhagen etwa Caterina Valente und verhalf ihr zu internationaler Bekanntheit. Auch der Pianist und Sänger Wolfgang Sauer aus Wuppertal war ein regelmäßiger Gast der Edelhagen Band. Begonnen hatte die Zusammenarbeit bereits während Edelhagens Baden-Badener Zeit, aber auch in Köln kreuzten sich ihre Wege immer wieder. Wie etwa im Februar 1966: da entstand die jetzt folgende Aufnahme des Standards „Honeysuckle Rose“:

Musik 4: CD Wolfgang Sauer - „My Swinging World“: „Honeysuckle Rose“ (Take 5, Länge 2’23)

Moderation 5: „Honeysuckle Rose“ - das Kurt Edelhagen Orchester gemeinsam mit dem Sänger und Pianisten Wolfgang Sauer, aufgenommen 1966 in Köln.

Seit 1958 war Kurt Edelhagen auch maßgeblich am Aufbau eines Jazz-Seminars an der Kölner Musikhochschule beteiligt. Es war deutschlandweit das erste seiner Art und zog schon bald Studenten aus dem ganzen Bundesgebiet nach Köln. Parallel dazu wurde damals ein Studiengang für Hörspiel-, Bühnen- und Filmmusik ins Leben gerufen, den Bernd Alois Zimmermann leitete, einer der herausragenden Avantgarde-Komponisten seiner Zeit. Die Aufgabenteilung zwischen den Seminaren war damals noch ziemlich fließend, so dass es häufiger vorkam, dass Jazz-Studenten die Kurse von Zimmermann besuchten. So geschehen bei der ersten Generation, die sich 1958 zum Studium am Jazz-Seminar eingeschrieben hatte: darunter waren der Trompeter , 6

Pianist Alexander von Schlippenbach und der Schlagzeuger Jaki Liebezeit. Zu den Eindrücken, die sie an der Hochschule und im Kölner Musikleben sammelten, kamen 1960 die ersten Free Jazz- Platten aus den USA hinzu. Die jungen Jazz-Studenten fingen an, sich Gedanken über neue, ganz eigene Ausdrucksformen zu machen.

Ein erster wichtiger Schritt dorthin war die Zusammenarbeit von Schlippenbach, Schoof und dessen Bekannten, dem Bassisten Buschi Niebergall, mit dem Göttinger Vibraphonisten Gunter Hampel. Seine Platte „Heartplants“ aus dem Jahr 1965 war ein erster Schritt auf dem Weg zu einem Free Jazz, der sich von den amerikanischen Vorbildern emanzipierte. Daraus jetzt „No Arrows“:

Musik 5: CD Gunter Hampel – „Heartplants“: „No Arrows“ (Take 2, Länge 3’55)

Moderation 6: Das Gunter Hampel Quintett mit Musik von der Platte „Heartplants“ aus dem Jahr 1965. Mit dabei waren Manfred Schoof, Alexander von Schlippenbach und Buschi Niebergall, ehemalige Studenten des Jazz- Seminars an der Kölner Musikhochschule und allesamt wichtige Wegbereiter der deutschen Jazz-Avantgarde.

Aufgrund des großen Erfolgs der Rockmusik nahm in den 1970er Jahren das allgemeine Interesse am Jazz ab und auch Köln blieb von dieser Entwicklung nicht verschont. Selbst für etablierte Veranstalter wie Gigi Campi wurde die Luft immer dünner, und so beendete er schließlich 1971 seine Konzertreihe „Jazz in Action“.

Trotz dieser Entwicklung gab es Club- und Kneipenbetreiber, die weiterhin am Jazz festhielten, auch wenn sich damit in den seltensten Fällen Geld verdienen ließ. Unter den Lokalen, die bis heute überlebt haben, ist z.B. das Metronom, eine Jazz-Kneipe, in der noch ganz stilvoll Vinyl-Jazz-Platten aufgelegt werden und kleine Konzerte stattfinden.

Und das man in den 1970er Jahren auch mit der Organisation von Jazz-Konzerten erfolgreich sein konnte, zeigte die junge Veranstalterin Vera Brandes. Sie war gerade mal 18 Jahre, als sie ihre erste Konzert-Reihe gründete: „New Jazz in Cologne“, für die sie direkt international bekannte Musiker und Bands verpflichten konnte. Ihren größten Coup landete sie 1975, und das obwohl es zunächst danach 7

aussah, als würde es zu einem Fiasko kommen: am 24.Januar sollte Keith Jarrett ein Solo-Konzert in der Kölner Oper spielen. Beim Soundcheck am Nachmittag stellte ich jedoch heraus, dass auf der Bühne nicht der erwartete Bösendorfer Imperial-Flügel stand, sondern ein völlig derangierter Stutzflügel, verstimmt und mit klemmenden Tasten. Weil auf die Schnelle kein anderes Instrument aufzutreiben war, hatte Keith Jarrett schon beschlossen, das Konzert abzusagen. Nur durch Vera Brandes’ verzweifeltes Zureden ließ er sich doch noch umstimmen.

Das Konzert, das Jarrett an jenem Abend gegeben hat, ist in die Jazz- Geschichte eingegangen. Obwohl Jarrett einige Register des Klaviers nicht nutzen konnte, hat er mit seinen Improvisationen genau den Nerv nicht nur des Kölner Publikums sondern auch von Jazz-Hörern auf der ganzen Welt getroffen: „The Köln Concert“ ist später auch auf Platte erschienen und mit bis heute über zwei Millionen verkauften Exemplaren die erfolgreichste Jazz-Klavieraufnahme aller Zeiten.

Daraus jetzt ein Ausschnitt:

Musik 6: CD Keith Jarrett - „Köln Concert“: „Köln, January 24, 1975, Part IIa“ (Take 2, blenden bei 4’45)

Moderation 7 (zunächst über Musik): Keith Jarrett mit einem Ausschnitt seines „Köln Concerts“, das er am 24.Januar 1975 im Kölner Opernhaus gegeben hat, und das zu den Meilensteinen in der Geschichte des Jazz gehört.

Für einheimische Jazz-Musiker war die Situation in Köln in den 1970er Jahren sehr unbefriedigend: zwar bildete die Musikhochschule immer neue Musiker aus, aber es gab nur wenige Auftrittsmöglichkeiten für sie und damit eine nur unzureichende Lebensgrundlage. Um dies zu ändern, schlossen sich im Juli 1978 mehrere Kölner Jazzmusiker zur „Initiative Kölner Jazz Haus“ – kurz IKJH - zusammen, um ihre Interessen gegenüber der Stadt angemessen vertreten zu können. Und um die Kölner Bürger auf sich aufmerksam zu machen veranstaltete die Initiative noch im gleichen Jahr das erste Kölner Jazz Haus Festival. Die Resonanz war groß, so dass die IKJH eine regelmäßige Veranstaltungsreihe ins Leben rief. Doch es gab noch mehr Aktivitäten: 1979 kam es zur Gründung der Offenen Jazz Haus Schule, die seither wertvolle musikalische Nachwuchsarbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen betreibt. Und auch ein 8

eigenes Plattenlabel ist in dem Jahr entstanden: „Jazz Haus Musik“, auf dem Musiker seither nach ihren eigenen Vorstellungen Aufnahmen produzieren können.

Ihren größten Erfolg konnte die IKJH schließlich im September 1986 feiern: nach jahrelangen zähen Verhandlungen mit der Stadt und einem konkurrierenden Interessenverband sowie langwierigen Baumaßnahmen, fand die Einweihung des Konzertsaals im Stadtgarten statt, einem Gebäude am Rande des gleichnamigen Parks nahe des Stadtzentrums. Der Stadtgarten wurde schnell zu einer wichtigen Anlaufstelle sowohl der städtischen als auch der internationalen Jazz-Szene. Im Stadtgarten wurden auch seit jeher Konzerte mitgeschnitten, teils von den Betreibern selbst, häufig aber auch vom WDR. Ab 1989 erschien auf Jazz Haus Musik die Reihe „Stadtgarten Series“ mit Aufnahmen verschiedener Bands aus dem Umfeld der IKJH. Darunter auch das Tentett „Köln Connection“:

Musik 7: CD V.A. – „Stadtgarten Series Vol.1“: „Köln Connection: Wabun“ (Take 9, Start bei 4’19, Applaus ab 8’15)

Moderation 8 (zunächst über Applaus): Die Band „Köln Connection“ des Saxophonisten Joachim Ullrich. In dem Tentett wirkten auch einige Mitglieder der Kölner Saxophon Mafia mit. Dieses Saxophon-Ensemble, 1981 von Ullrich und fünf anderen Kölner Musikern gegründet, wurde schon bald zum musikalischen Aushängeschild der „Initiative Kölner Jazz Haus“. Mit ihrem kreativen Satzspiel, das komplett ohne Rhythmusgruppe auskommt, teils skurrilem Humor und überbordender Virtuosität haben sie immer wieder Publikum und Kritiker gleichermaßen begeistert. Keine andere Band aus dem Umfeld der IKJH hat so viele Auszeichnungen erhalten wie die Kölner Saxophon Mafia.

Zur aktuellen Besetzung der Mafia gehört auch Steffen Schorn. Er kam 1994 zur Gruppe und hat noch mal ordentlich frischen Wind reingebracht: Schorn ist ein Multi-Instrumentalist, der verschiedene Saxophone, Klarinetten und Flöten spielt. Seine Maxime lautet: je tiefer der Klang, desto besser. Unter einem Baritonsaxophon macht er es nicht, noch lieber sind ihm allerdings Baß- oder sogar Subkontrabaß-Saxophon, auch Tubax genannt. Ganz besonders spektakulär ist Schorns Zusammenarbeit mit dem Klarinettisten Claudio Puntin: Vor über zwanzig Jahren gründeten sie ihr Duo. Wenn die beiden ein Konzert spielen, kommt es schon mal vor, dass sie ein 9

Dutzend Instrumente mit auf die Bühne bringen. Und mit ihrem Klassiker „The Opener“ kommen sie dann meist direkt zur Sache:

Musik 8: CD Schorn Puntin Duo - „Elephants’ Love Affair“: „The Opener“ (Take 2, Länge 3’11)

Moderation 9: Steffen Schorn und Claudio Puntin.

Eine weitere Institution unter den Kölner Spielstätten für Jazz ist das Loft. Hans Martin Müller, hauptamtlich erster Flötist des WDR Sinfonie-Orchesters gründete es 1986, also fast zeitgleich mit der Eröffnung des Stadtgarten-Konzertsaals. Während Müller das Loft zunächst in einer ehemaligen Werkstatt nahe der Kölner Musikschule einrichtete und immer wieder Probleme mit Nachbarn hatte, die sich von der Musik gestört fühlten, zog er 1989 ins Obergeschoß einer ehemaligen Parfümfabrik in Köln-Ehrenfeld um. Als eine direkte Konkurrenz zum Stadtgarten versteht sich Müller nicht: sein Konzertsaal ist viel kleiner und die Zielgruppe eine andere. Das Loft hat sich zu einer beliebten Adresse für die lokale und internationale Szene der so genannten frei improvisierten Musik entwickelt und bietet den Musikern außerdem noch ein voll ausgestattetes Aufnahmestudio. Der Pianist Simon Nabatov ist schon fast Teil des Loft-Inventars. Im Frühjahr 2012 erschien seine aktuelle CD: eine Hommage an den amerikanischen Pianisten Herbie Nichols, live aufgenommen im Loft während eines Solo-Konzerts im September 2007. Von dem Album jetzt “Twelve bars“:

Musik 9: CD Simon Nabatov - „Spinning Songs Of Herbie Nichols“: „Twelve Bars“ (Take 7, Länge 2’14)

Moderation 10: Der Kölner Pianist Simon Nabatov mit Musik von seiner CD „Spinning Songs of Herbie Nichols“ bei der SWR 2 Musikstunde.

Eine wichtige Rolle im Kölner Jazzleben spielt nach wie vor der WDR. Der Sender schneidet regelmäßig Konzerte und Festivals mit und sorgt mit deren Ausstrahlungen für eine weite Verbreitung der Musik. 10

Doch auch die hauseigene Big Band in ihrer heutigen Form ist nach einer Neustrukturierung Mitte der 1980er Jahre sehr gut aufgestellt. Der holländische Arrangeur Jerry van Royen und seine Nachfolger Bill Dobbins und Michael Abene formten die Band zu einem überaus vielseitigen Ensemble, das mit den unterschiedlichsten Gaststars aus allen bereichen der populären Musik zusammenarbeitet. Ein Musiker, mit dem die Band in der Vergangenheit wiederholt zusammen gearbeitet hat, ist der amerikanische Saxophonist Maceo Parker. Berühmt wurde Parker in der Band von James Brown. Auch beim Projekt „Roots & Grooves“ aus dem Jahr 2007 gemeinsam mit der WDR Bigband blieb er seiner musikalischen Maxime treu:

„Two percent jazz and 98 percent funky stuff“:

Musik 10: CD Maceo Parker - „Roots & Grooves“: „Busted“ (CD 1 / Take 2, Applaus ab 3’47)

Moderation 11 (zunächst über Applaus): Maceo Parker und die WDR Big Band mit Musik von der Live-CD „Roots & Grooves“.

Aktuell ist die Jazz-Szene in Köln so aktiv wie lange nicht mehr. Um die Jahrtausendwende verließen verstärkt Musiker die Stadt, um ihr Glück in Berlin oder im Ausland zu suchen, wo mehr Auftrittsmöglichkeiten oder günstigerer Wohnraum lockten. Doch mittlerweile hat sich das Blatt wieder gewendet. Musiker schließen sich in Netzwerken zusammen und organisieren in Eigenregie Konzertreihen, um neue Auftrittsmöglichkeiten zu schaffen.

Unter ihnen auch die Saxophonistin Angelica Niescier. Unter ihrer Regie ging im Januar 2012 das erste Winterjazz Festival im Kölner Stadtgarten über die Bühne. Bei freiem Eintritt spielten an einem Abend verschiedene Bands der Kölner Szene und es kam zu einem Andrang, wie ihn der Stadtgarten seit seinen Anfängen in den 1980er Jahren nicht mehr erlebt hatte. Zum Abschluß der heutigen Musikstunde gleich noch Musik von Niescier.

Mehr urbane Jazzgeschichten dann wieder am ersten Samstag im Dezember: da nimmt sie meine Kollegin Julia Neupert mit auf einen Streifzug durch Japans Hauptstadt Tokio. Ich sage tschüß für heute und wünsche noch ein schönes Wochenende! Thomas Loewner

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Musik 11: CD Angelika Niescier - „Komponiert in Deutschland 08“: „Ona Mysli“ (Take 11, Länge 8’44)

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SWR 2 9.05 - 10.00 Uhr

SWR 2 Musikstunde:

Urbane Jazzgeschichten:

XI: Köln – Ein Herz für den Jazz

3.November 2012

1.: Titel: Ezz-thetic 2’53 Komponist: George Russell Interpret: Lee Konitz Sextet Label: Delta Music 13 786; LC=03843 Aus der CD-Compilation: „Art of Sax“

2.: Titel: Passacaglia 4’25 Komponist: Roland Kovac Interpret: Hans Koller New Jazz Stars & Bill Russo Label: CD-Beilage zum Buch „Jazz in Köln“, Emons Verlag, Köln, 1997; ISBN 3-924491-91-X

3.: Titel: Honeysuckle Rose 2’23 Komponist: Fats Waller / Andy Razaf Interpret: Wolfgang Sauer & Orchester Kurt Edelhagen Label: Bear Family Records BCD 16653 AH; LC=05197 Aus der CD: „My Swinging World“

4.: Titel: Lockjaw Blues 3’03 Komponist: Francy Boland Interpret: Clarke-Boland Big Band Label: MPS / Universal 523 525-2; LC=00979 Aus der CD: „Two Originals: All Blues / Sax No End“

5.: Titel: No Arrows 3’55 Komponist: Buschi Niebergall Interpret: Gunter Hampel Quintet Label: Saba / MPS / Polygram Japan POCJ-2672; LC=? Aus der CD: „Heartplants“

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6.: Titel: Köln, January 24, 1975, Part II a 4’45 Komponist: Keith Jarrett Interpret: Keith Jarrett Label: ECM / Universal ECM 1064/65 810 067-2; LC=02516 Aus der CD: „The Köln Concert“

7.: Titel: Wabun 4’08 Komponist: Joachim Ullrich Interpret: Köln Connection Label: JazzHausMusik JHM 1001 SER; LC=09632 Aus der CD: „Stadtgarten Series Vol.1“

8.: Titel: The Opener 3’11 Komponist: Steffen Schorn / Claudio Puntin Interpret: Steffen Schorn / Claudio Puntin Label: NCC New Classic Colours NCC 8002; LC=03588 Aus der CD: „Elephants’ Love Affair“

9.: Titel: Twelve Bars 2’14 Komponist: Herbie Nichols Interpret: Simon Nabatov Label: Leo Records CD LR 632; LC=05417 Aus der CD: „Spinning Songs of Herbie Nichols“

10.: Titel: Busted 3’50 Komponist: Howard Harlan Interpret: Maceo Parker & WDR Big Band Label: Intuition / Sunnymoon INT 3413 2; LC=08399 Aus der CD: „Roots & Grooves“

11.: Titel: Ona Mysli (Puffertitel) Komponist: Angelika Niescier Interpret: Angelika Niescier Band Label: Normal Records / Indigo EF 008 / Indigo CD 912442; LC=08820 Aus der CD: „Komponiert in Deutschland 08 “