Download Des Ganzen Heftes Als
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Ko?pfe U1_U2_U3_U4_EK_07-08_2011:EZK Cover 10.06.2011 13:00 Uhr Seite 1 erziehungs07 / 08 | 2011 kunstJuli / August | 6,90 € Waldorfpädagogik heute Kinder, Lehrer, Temperamente Chemie kann auch schmecken Die andere Frau – ein Sommerkrimi »O Mensch, erkenne Dich« Was ist Schulreife? Ko?pfe U1_U2_U3_U4_EK_07-08_2011:EZK Cover 10.06.2011 13:00 Uhr Seite 2 2 INHALT 4 H. Eller: Warum Rechtsanwälte und Frisöre sich für die Temperamente interessieren 5 U. Maiwald: Im Haus der Temperamente 9 M. Schnabel: Temperamente im Klassenzimmer – ein Praxisbericht 12 E. Leipold: Die Temperamente sind die Farben der Seele 14 M. Maurer: Temperamente ad acta? 17 L. Ravagli: Mit Temperament in den Urlaub 19 B. Olayiwola-Olosun: Wenn Temperamente nicht zu bremsen sind … 22 25 E. Schaffrath: Was ist Schulreife? 25 A. Ziemke: Sollen Kinder auswendig lernen? 28 30 H. Erasmus: Sind Waldorfschüler interessierter als Schüler von Regelschulen? 30 33 34 K. Joost: Generationenübergreifend 34 36 S. Hesse: Der steinerne Horizont. 50 Jahre Mauer 36 B. Kettel: Chemie kann auch schmecken 39 43 M. Maurer: »O Mensch, erkenne Dich« 43 46 N. Göbel: Waldorf boomt in China 46 K. Tevdorashvili: Holzspielzeug statt Flachbildschirm 49 B. Scheffold: »Welcome on Board of the Air Rosado« 52 C. Boettger: Sind Geschäftsführer an Waldorfschulen zufrieden? 56 T. Steen: »Erweckungserlebnis« in Dornach 57 58 J. Holle: Die andere Frau – ein Sommerkrimi 58 61 M. Stettner-Ruff: Nach der Wehrpflicht die Schulpflicht: abschaffen! 61 64 L. Ravagli: Fallende Schleier 64 66 68 72 77 80 98 erziehungskunst Juli / August | 2011 Titelfoto und Fotos Inhalt: Joan Vicent Cantó Roig 03_04_EK07/08_2011:EZK 10.06.2011 14:13 Uhr Seite 3 EDITORIAL 3 Die Temperamente – keine Lehre, eine Kunst Liebe Leserin, lieber Leser, Elternabend, fünfte Klasse. Man begrüßt sich, setzt sich, redet noch ein bisschen. Einzelne Blicke wan- dern zur Wand, an der 35 Bilder aus der Heimatkunde hängen. Manche kräftig in den Farben und im Farbauftrag, manche blaß und zart, ja karg und spärlich. Bei manchen ist kein Fitzelchen an weißer Flä- che mehr zu sehen, bei anderen ist viel »Luft« dazwischen. Heutiges Thema: Temperamente. Der Klas- senlehrer führt in die vier klassischen Temperamente ein – erstes bestätigendes Kopfnicken der Eltern begleitet seine Ausführungen. Dann wird es konkret. Wir gehen die Bilder durch, es werden die dazu- gehörigen Kinder genannt. Es scheint auf der Hand zu liegen: der kräftige und dynamische Malduktus des einen Bildes zeigt den Choleriker, der akribisch-genaue und systematisch gestaltete den Melancho- liker, der ruhige und gleichmäßige den Phlegmatiker und der vielgestaltige und farbenfrohe den Sanguniker. Diese Eindeutigkeit zeigt sich aber nur bei den wenigsten Bildern. Bei dem weit größeren Teil ist eine klare Zuordnung nicht auf Anhieb auszumachen. Der Lehrer, ein alter Hase, scheint sich seiner Sache sicher. Die Eltern geraten dagegen ins Schwim- men: Was, mein Kind soll ein Sanguniker sein? Der Lehrer erläutert: Es gibt Mischtypen, bei denen das eine oder andere Temperament nicht auf Anhieb ins Auge springt. Goethe und Schiller hätten das in ihrer »Temperamentenrose« schön dargestellt. Da wird der Choleriker zum Abenteurer, wenn er einen Schuss Sanguinik hat, der Melancholiker mit phlegmatischen Einschlag zum Philosophen ... Es zeigt sich schnell, dass man genau hinschauen muss, dass nicht immer ein Temperament vorherrscht, und nicht zuletzt, dass die Dominanz eines Temperaments alters-, ja sogar situationsabhängig wechseln kann. Was so einfach und schlicht anfing, wird zunehmend kompliziert. Der Lehrer macht deutlich, dass ein schematisches Vorgehen nicht weiterführt, sondern in jedem Kind die Temperamente individuell gemischt sind. Es sei eine Kunst, keine Lehre, die Temperamentsmischungen in ihrer lebendigen Dynamik und Differenziertheit zu erkennen. Die künstlerische Methode sei die angemessenste, um sich von diesen »Farben der Seele« ein Bild machen zu können. Das klingt einleuchtend. Heute ist die sogenannte Temperamentenlehre Rudolf Steiners in die erziehungswissenschaftliche Diskussion gekommen. Die Frage ist, ob ihre Forschungsmethoden dem Forschungsgegenstand ge- recht werden. Fasst man die Temperamente schematisch auf und untersucht man sie gleichermaßen mit schematischen empirischen Methoden und Begriffen, droht die Gefahr, sich den erziehungskünst- lerischen Blick zu verstellen. Ohne lebensnahe Beobachtungen, qualitative, biographische und phäno- menologische »Sättigung« bleiben diese Zahlen allerdings leeres Stroh. ‹› Aus der Redaktion grüßt Mathias Maurer 2011 | Juli / August erziehungskunst 03_04_EK07/08_2011:EZK 10.06.2011 14:13 Uhr Seite 4 »Also gibt es keine zusammen- gesetzten Temperamente ..., sondern es sind in allem deren nur vier, und jedes derselben einfach, und man weiß nicht, was aus dem Menschen gemacht werden soll, der sich ein gemischtes zueignet.« Immanuel Kant, 1798 Fotos: Die vier Temperamente, legendär dargestellt von Frieder Nögge (1955 – 2001) als Natsch, Nogele, Nicks und Nack. 05_06_07_08_09_10_11_12_13_EK07-08_2011:EZK 10.06.2011 14:31 Uhr Seite 5 THEMA KINDER, LEHRER, TEMPERAMENTE 5 Warum Rechtsanwälte und Frisöre sich für die Temperamente interessieren Im Gespräch mit Helmut Eller Die Temperamente – wissenschaftlich bezweifelt und doch lebenspraktisch von hohem Nutzen. Im Gespräch mit dem Waldorf- pädagogen Helmut Eller über seine unkonventionellen Wege, den Menschen die Temperamente näher zu bringen. Erziehungskunst | Herr Eller, warum meinen Friseusen verbessern. Sie lässt sich auch mit Erfolg auf die Arbeit von und Friseure in Japan, dass ihnen die Temperamente be- Richtern und Rechtsanwälten anwenden. Bei der Vereini- ruflich weiterhelfen? gung deutscher Mediatoren in Hamburg habe ich einen Helmut Eller | Die Einladung, vor einer Gruppe von etwa Vortrag gehalten. Dieser erste Vortrag bei Kaffee und 60 jungen Friseuren und Friseusen in Tokio über die Tem- Kuchen wurde zunächst amüsiert aufgenommen. Doch die peramente zu sprechen, verdankte ich Eltern der im Wer- Mediatoren erkannten schnell, dass sich mit Hilfe der den begriffenen Waldorfschule im Westen der Stadt. Temperamente Konflikte besser verstehen und leichter Diesen war in meinen Seminaren über die Grundlagen der lösen lassen. Waldorfpädagogik wohl klar geworden, dass diese Kennt- Es folgte ein zweiter Vortrag, vor noch mehr Teilnehmern nisse nicht nur in der Schule und häuslichen Erziehung, auf der Generalversammlung der Mediatoren. Die Anwe- sondern auch im beruflichen Leben wichtig sein können. senden hörten gespannt zu. Sie konnten mit diesen Er- Die Friseure und Friseusen, lauter junge Leute, waren je- kenntnissen und Methoden unmittelbar etwas anfangen. denfalls begeistert, als sie erkannten, dass das Tempera- Mir wurde im Nachhinein davon berichtet, dass die Me- ment des Sanguinikers sich für ihren Beruf besonders diatoren immer wieder »geübt« hätten, den anderen und eignet. Gilt es doch, mit einem Kunden, der vor einem im sich selbst nach seinen auffallenden Temperamentsanla- Stuhl sitzt, über das zu reden, was ihn interessiert. Da ist gen zu bestimmen. Dabei wurde anscheinend viel gelacht. schnelles Interesse angesagt! Schon nach kurzer Zeit Inzwischen arbeiten die Mediatoren mit den Tempera- kommt ein neuer, will auch plaudern, aber über ganz an- menten, ohne diese »Lehre« – als Schablone zu betrach- dere Dinge. Sich rasch umstellen zu können, sich für kurze ten. Denn jeder Mensch trägt alle vier Temperamente in Zeit für alles Mögliche zu interessieren und dabei höflich, sich. Einige auffallende Eigenschaften kann man relativ freundlich zu sein, auch wenn einem selbst vielleicht nicht schnell finden, aber es dauert länger, unter Umständen danach ist: Das sind Eigenschaften, die das sanguinische sehr lange, bis man auch die verborgenen Seiten entdeckt. Temperament mitbringt. Sie gehören aber auch dazu. Die Haarkünstler empfanden es als eine große Hilfe zu er- Die Zusammenarbeit mit den Rechtsanwälten setzte sich fahren, wie sie sich selbst, ihre Mitarbeiter und Kunden fort und stieß auf immer regeres Interesse, so dass bei besser verstehen und auf ihre Eigenarten eingehen kön- meinen Vorträgen auch Richter und Mandanten einge- nen, wenn sie ihr Temperament kennen. laden waren und die Zuhörer zum Teil stehen mussten. Man vernahm mit Staunen, dass in den Waldorfschulen EK | Ist das nicht ein bisschen viel Aufwand für eine so auf die Temperamente der Kinder geachtet wird und dass schlichte Dienstleistung wie das Haare schneiden? Rudolf Steiner den Lehrern Wege gezeigt hat, wie sich HE | Es zeigt eine Möglichkeit, die Arbeit mit Menschen zu diese im Unterricht nutzen: Die Kinder werden den › 2011 | Juli / August erziehungskunst 05_06_07_08_09_10_11_12_13_EK07-08_2011:EZK 10.06.2011 14:31 Uhr Seite 6 6 THEMA KINDER, LEHRER, TEMPERAMENTE Temperamente im Friseursalon: Tokioter Hair- dresser profitieren davon für ihre Kundschaft. › Temperamenten entsprechend zusammenge- und dass man lernen kann, mit den einzelnen Eigen- setzt. Durch eine vierfach gefärbte künstleri- schaften geschickter umzugehen. Ratschläge, die den Um- sche Erzählweise können die Lehrer dazu gang mit dem cholerischen Temperament betreffen, beitragen, dass die Kinder lernen, ihr Tempe- wurden wohl bei allen Vorträgen und Seminaren als das rament zu beherrschen, statt von ihrem Tem- Interessanteste empfunden. Es hilft zu wissen, dass so perament beherrscht zu werden. In gewisser mancher zornig gewordene Mensch, der Kraftausdrücke Weise waren meine Vorträge eine Einführung in in die Gegend schleudert, vielleicht