Ryuei-ryu

- Verfasst von Andreas Reifel -

In der Welt des Karate gibt es heute immer noch einige unbekannte Stile und lang versteckte Traditionen. Die deutsche „Karatelandschaft“ kennt meistens Stile wie , verschiedene Strömung des Goju-ryu und Shito-ryu, sowie Wado-ryu. Traditionelle Okinawa Stile wie z.B. Uechi-ryu, Kenju-ryu und auch das in diesem Artikel beschriebene Ryuei-ryu Karate sind in Deutschland gänzlich unbekannt.

Das Ryuei-ryu Karate war lange Zeit der Öffentlichkeit nicht zugänglich, da seine primären Lehrer bis in die letzten Jahre nur Mitglieder der Nakaima Familie gewesen sind und diese ihre Kunst nicht öffentlich unterrichtet haben. Obwohl gut bekannt mit anderen Karate-Meistern, erwähnt sei hier die Freundschaft von Nakaima Kenko mit Miyagi Chojun, hielt die Nakaima Familie ihr Karate stets im Geheimen. Bis auf sehr spärliche Dokumentation bestehen bis Mitte des 19. Jahrhunderts keine schriftlichen Aufzeichnungen über das Ryuei-ryu Karate.

Zwischen 1877 und 1880 wurde Ryuei-ryu in Okinawa durch Nakaima Chikudun Pechin Norisato das erste Mal erwähnt. Seinen Ursprung findet das Ryuei, ähnlich dem -Te Higashionnas, in Fuzhou China. Die Bezeichnung Ryuei setzt sich zusammen aus „Ryu“ = von Ryuruko hergeleitet, dem chinesischen Lehrer Nakaimas und „ei“ = einer alternativen Wiedergabe des Namens Nakaima. So ehrt der Stilname sowohl die Familie Nakaima wie auch den chinesischen Meister Ru Ru Ko ( auch Ryu Ru Ko ).

Nakaima Norisato (auch Kenri genannt) wurde im Jahre 1850 in Kume (Naha) als Sohn wohlhabender Eltern geboren. Verschiedene Quellen nennen hier auch das Jahr 1819 als sein Geburtsjahr. Früh wurde von Norisato verlangt, die Prinzipien des Bunbu Ryudo zu erlernen.

Mit Bunbu Ryudo bezeichnet man die Philosophie der Zwillingswege von Pinsel und Schwert, mit der Bedeutung des Ausgleichs von physischem Training durch langwierige Selbstüberprüfung und Studium.

So ging der junge Norisato im Alter von 19 Jahren (man bemerke die Parallelität zu Kanryo Higashionna) zwischen 1869 und 1870 nach Fuzhou, um dort die verschiedenen chinesischen Künste zu erlernen. Einige Quellen datieren hier auch das Jahr 1838 als sein Ankunftsjahr in China (siehe Geburtsjahr). In Fuzhou angekommen brachte ihn ein Freund der Familie (ein ehemaliger Attaché, der das Ryukyu Königreich 1866 fünf Monate als Anhänger von Qing Sapposhi Zhao Xin besuchte) mit einem chinesischen Kempo Meister zusammen, der als Ru Ru Ko bekannt war. Nakaima Norisato wurde von ihm als sein Schüler aufgenommen und später sein Uchi-deshi (innerer Schüler). Nach 6 Jahren der Aufopferung und härtestem Training kam er 1876 als Experte und Meister von Ru Ru Ko´s Kampfkunst nach Okinawa zurück.

Wo hier nun Higashionna Kanryo hineinpasst, sei einmal offen gelassen. War Ru Ru Ko wirklich Higashionnas Lehrer oder gab es während seiner Zeit in China noch Andere? Viele Quellen nennen auch eine verschiedene Anzahl an Jahren, die er in China verbracht haben soll. Drei, dreizehn und sogar dreißig Jahre werden hierbei genannt. Sollte er dann nicht auch Nakaima Norisato gekannt haben und/oder sogar mit ihm trainiert haben? Interessant ist auch, dass die Kata in den Lehrplänen Nakaimas und Higashionnas (siehe auch Artikel über Seiyunchin-Kata), bis auf einige Ausnahmen fast identisch sind. Hier wiederum seien die Kata erwähnt, die Ru Ru Ko unterrichtete als er sein Dojo eröffnete: Happoren, Nepai, Doonquan, Roujin, und Qijing.

Nakaima Norisato, wurde, bevor er Ru Ru Ko verließ, von diesem angehalten, per Hand Kopien der vielen Bücher, die er studiert hatte, anzufertigen. Unter der Vielzahl dieser Bücher waren einige über Etikette, Gesundheit und chinesische Medizin sowie ein Buch zur Erübung eines mutigen Geistes durch die Übung des Quanfa. Einige glauben, das okinawanische Bubishi sei eine Zusammenstellung dieser Dokumente. Er verbrachte noch ein weiteres Jahr in China mit einer Reise durch die Guangdang Provinz und Beijing, um sein Studium der Kampfkünste fortzusetzen. So sammelte er auf dieser Reise auch eine Vielzahl von Waffen und brachte sie mit nach Okinawa zurück. In seine Heimat zurückgekehrt eröffnete Nakaima Norisato kein Dojo um das erlernte zu unterrichten, sondern gab es nur im Geheimen an seinen Sohn Kenchu weiter, der wiederum nur seinen Sohn Kenko unterrichtete.

Nakaima Kenko (1911-1989) wurde in die Zeit des „modernen“ Karate hineingeboren, in der Meister wie Chotoku Kyan, Oshiro Chojo und Yabu Kensu unterrichteten. So lernte er nicht nur Karate von seinem Vater, sondern auch bei verschiedenen anderen Meistern und trainierte sich auch im Kendo. Doch der eigentliche Kern seiner Studien war immer die Tradition seiner Familie, die er nie preisgab.

Erst 1971, im Alter von 60 Jahren, legte er das erste Mal die Geheimnisse seiner Familie offen, als er eine Gruppe von 20 Schullehrern, die er als Karate-Studenten annahm, in seinem „Familienstil“ unterrichtete.

So war eine lange Zeit das Ryuei-ryu ein vorsichtig gehüteter Schatz der Nakaima Familie und nur sehr wenigen Menschen außerhalb Okinawas bekannt. Ende der 80iger Jahre wurde das Ryuei-ryu erstmalig außerhalb Okinawas gezeigt und gab damit der Öffentlichkeit einen weiteren Teil der Traditionen Okinawas preis.

So war der Erste, der das Ryuei-ryu Karate der Nakaima Familie öffentlich zeigte, Sakumoto Tsuguo. In Deutschland ist er bekannt geworden durch sein Markenzeichen, seinen glänzenden, rasierten Schädel. Er zeigte auf einer Karate-Meisterschaft die Ryuei- ryu Kata Annan und konnte diese und die nächsten vier Meisterschaften jedes Mal für sich damit entscheiden. Auch bekannt sind einige der Ryuei-Kata im Hayashi-Ha Shito- ryu von Hayashi Teruo. Dieser hatte mit Nakaima Kenko trainiert und einige der Kata übernommen, wobei sich diese in Reihenfolge, Betonung und Positionen der einzelnen Kata-Bewegungen stark unterscheiden.

Die Kata im Ryuei-ryu sind: Niseshi Sanseru Paiku Heiku Pachu Anan Ananni Ohan Peiho ( Hakutsuru Kata nach Gokenki)

Nakaima Kenchu Nakaima,Kenko Sakumoto Tsuguo