Jakow Rokitjanski Zur Geschichte Der Beziehungen Von Karl Marx Und

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Jakow Rokitjanski Zur Geschichte Der Beziehungen Von Karl Marx Und WISSENSCHAFTLICH E MITTEl LU NGEN Jakow Rokitjanski Zur Geschichte der Beziehungen von Karl Marx und Friedrich Engels zu Moses Heß in Brüsse11845/1846 Die Beziehungen von Marx und Engels zu Moses Heß, einem der be­ deutendsten Vertreter der sozialistischen Bewegung im Deutschland der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts und Begründer des deutschen oder "wahren" Sozialismus, interessieren die Historiker und Heß-Bio­ graphen schon seit geraumer Zeit. In der geschichtswissenschaftlichen Literatur findet man daher inzwischen auch eine ganze Reihe von Fak­ ten und Auffassungen über den Charakter dieser Beziehungen während des Aufenthaltes von Moses Heß in Brüssel in den Jahren 1845/1846. Auf der Grundlage von Dokumenten, die in den ersten beiden Bänden der Dritten Abteilung der MEGA veröffentlicht wurden, sowie anderen Materialien wird im vorliegenden Artikel der Versuch unternommen, die bislang existierenden Vorstellungen über diese Etappe der Beziehun­ gen von Marx und Engels zu Moses Heß nicht nur zu ergänzen, son- in bestimmter Hinsicht auch zu korrigieren. Damit soll dazu beige­ tragen werden, die theoretische und praktische Tätigkeit von Marx Engels in jener wichtigen Periode ihres Lebens und Schaffens, in der sich der Entstehungsprozeß der materialistischen Geschichtsauffassung und des wissenschaftlichen Kommunismus vollzog, besser zu verste- Es scheint sinnvoll, zunächst den zeitlichen Rahmen der Anwesenheit von Moses Heß in Brüssel genauer zu bestimmen. Die Heß-Biographen 223 datieren seine Ankunft in Brüssel mit August/September 1845 und die in Brüssel angesehen werden. Zusammen mit Sibylle Pesch ließ er Zeit seiner Abreise mit Februar/März 1846. 2 Unserer Meinung nach gibt sich dort in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft nieder. 11 Es ist nicht aus­ einerseits der Briefwechsel von Moses Heß Grund zu der Annahme, geschlossen, daß Moses Heß dabei sogar einer mehr oder weniger daß er Anfang September 1845 in Brüssel eintraf,3 während man ande­ rekten Einladung von Marx und Engels gefolgt war, die offenbar rerseits dem Brief von Jenny Marx an Marx vom 24. März 1846 entIleh­ ten, in Heß - ungeachtet der Tatsache, daß sie ihm in theoretischer men kann, daß sich Heß um den 20. März des Jahres entschlossen hatte, Hinsicht bereits weit vorausgeeilt waren einen wertvollen Mitarbeiter Brüssel wieder zu verlassen. 4 Am 30. März 1846, als die bekannte Sitzung für ihre neuen publizistischen Vorhaben gewinnen zu können. des Brüsseler Kommunistischen Korrespondenzkomitees stattfand, Moses Heß war einer der ersten Propagandisten utopisch-sozialisti­ weilte Heß schon nicht mehr in Brüssel.5 Er muß die Stadt also nach scher und -kommunistischer Ideen im Deutschland des Vormärz. In der dem 20. und noch vor dem 30. März 1846 wieder verlassen haben. Dem­ zweiten Hälfte der dreißiger und der ersten Hälfte der vierziger Jahre zufolge befand sich Moses Heß insgesamt etwa sieben Monate in Brüs­ hatte er eine Reihe von Artikeln und Broschüren verfaßt, in denen er sei, von Anfang September 1845 bis Ende März 1846. verschiedene Richtungen des philosophischen Denkens in Deutschland Die Heß-Biographe:1 nennen auch eine Reihe von Gründen für seinen mit dem Ziel analysiert hatte, sie der aus der französischen Literatur Aufenthalt in Brüssel. Einige meinen, daß Moses Heß Deutschland ver­ gewonnenen sozialistischen und kommunistischen Theorie nutzbar zu lassen hatte, um der Verfolgung durch die preußische Polizei zu entge­ machen. Diese Artikel und Broschüren hatten eine positive Rolle bei hen, die auf seine publizistische Tätigkeit in Barmen-Elberfeld, wo er als Verbreitung sozialistischer und kommunistischer Ideen in Deutschland Herausgeber und Redakteur der Monatszeitschrift "Gesellschaftsspie­ gespielt obwohl die in ihnen geäußerten Ansichten insgesamt gesehen arbeitete, aufmerksam geworden war. 6 Andere vermuten, daß er nicht durch besondere theoretische Originalität bestachen. Wie Wolf­ nach Brüssel gewandt hatte, um außerhalb der Grenzen Deutsch­ gang Mönke überzeugend nachgewiesen hat, war für sie nicht eine lands mit Sibylle Pes eh eine Familie gründen zu können.? lektische Aufhebung, sondern eine vielmehr nur eklektizistische Verei­ Mit einiger Wahrscheinlichkeit haben Gründe dieser Art in der Tat nigung dieser beiden großen geistigen Quellen des Vormärz eine bestimmte Rolle gespielt. Der von Shlomo Na'aman vertretenen charakteristischY Auf eben diese Weise vereinigte namentlich der "phi­ Auffassung, wonach Moses Heß nach Brüssel übergesiedelt war, um losophische" Kommunismus, dessen Entwicklung sich Moses Heß von dort aus zusammen mit Marx und Engels, und zwar nach einem von dem Verbot der "Rheinischen Zeitung" gewidmet hatte,B Elemente der vornherein bestehenden "gemeinsame[n] Konzept" und von einer "ge­ klassischen und modernen deutschen Philosophie, vor allem die anthro­ meinsamen Grundposition" aus, an "einer Straffung der kommunisti­ pologisch begründete utopisch-humanistische Sozialethik Ludwig schen Bewegung im In- und Ausland" zu arbeiten,8 kann man Feuerbachs mit Thesen des französischen utopischen Sozialismus 14 nicht zustimmen. Nicht nur mit dieser, in seinem Buch über Leben und Kommunismus. Er begriff die Verwirklichung des Sozialismus Werk von Moses Heß vertretenen Auffassung, das nebenbei bemerkt Kommunismus als Realisierung des "wahren" und das hieß nach Feuer­ auf selbständiger Quellenforschung basiert tendenziösen Charak­ bach altruistischen Wesens des Menschen, der er die aus dem Gegen­ ter trägt und von einer dezidiert anti marxistischen Position aus geschrie­ satz von Armut und Reichtum hervorgehende, in sozialökonomischer ben wurde, überbewertet Na'aman entschieden die Bedeutung der Tä­ Hinsicht also ohnehin nur oberflächlich erfaßte proletarische Revolution 15 von Moses HeB und die theoretische Reife seiner Ansichten.9 bestenfalls parallelisierte. Sie sollte vornehmlich auf dem Weg der all­ Tatsächlich war Moses Heß kaum in der Lage, sich eine derartige mählichen Veränderung des Bewußtseins der Menschen durch Erzie­ gabe zu stellen. Der Gedanke der Konsolidierung der kommunistischen Bildung vonstatten gehen. "Jeder Einzelne muß theoretisch Bewegung auf wissenschaftlicher Grundlage wurde von Marx und En vom [wahren] Wesen des Menschen [ ... ] durchdrungen seinu, schrieb gels erstmals in der Mitte der vierziger Jahre ausgesprochen, als sie die Moses Heß um 1844, also etwa zur gleichen Zeit, als im Denken von "materialistische Geschichtstheorie in den Hauptzügen fertig herausent­ Marx und Engels die Konturen der materialistischen Geschichtsauffas­ wickelt"l0 hatten. Beachtet man zudem, daß etwa zur gleichen Zeit die sung bereits feste Gestalt gewannen. "Mit einem Worte: es handelt Ideen und Persönlichkeiten von Marx und Engels einen immer stärke­ um die vollendete Erziehung des Menschengeschlechts."16 Haupttrieb­ ren Einfluß auf Moses Heß auszuüben begannen, so muß die Absicht, kraft der sozialistisch-kommunistischen Umgestaltung, des "Über­ die theoretische und publizistische Zusammenarbeit mit ihnen wieder in gang[s] zum freien Sozialleben"17, sollten daher gebildete Schichten der Gang zu bringen, als der wohl entscheidende Grund für seinen Aufent­ Gesellschaft sein. Diese und ähnliche, der unhistorisch-metaphysischen 224 225 Wesensbestimmung des Menschen entspringenden Vorstellungen des tionärem Weg anzuerkennen schien. Marx und Engels hegten daher die "philosophischen" Kommunismus von Moses Heß wurden die theoreti­ durchaus berechtigte Hoffnung, daß sich Moses Heß ihrer dialektisch­ sche Grundlage des kleinbürgerlichen "wahren" Sozialismus, der in den materialistischen Geschichtstheorie anschließen und an der Verbrei­ nach 1844 eine beachtliche Verbreitung in Deutschland er­ tung der Ideen des wissenschaftlichen Kommunismus teilnehmen 18 langte. würde. Im Verlaufe der Ausarbeitung der Grundlagen der materialistischen Folgt man den Arbeiten der Heß-Biographen, so muß man annehmen, Geschichtsauffassung und des wissenschaftli-:hen Kommunismus unter­ , daß es zwischen Marx und Engels auf der einen und Moses Heß auf der zogen Marx und Engels den "wahren" Sozialismus mehrfach einer anderen Seite während dessen Aufenthalts in Brüssel 1845/1846 keine scharfen Kritik, in der sie sein eklektizistisches und schließlich reaktionä­ ernsthaften Differenzen und Auseinandersetzungen gab. Vielmehr ist res Wesen schonungslos aufdeckten. Sie zeigten, daß der "wahre" So­ von brüderlichen, engen und ungetrübten Beziehungen, von HeB' wei­ zialismus die deutschen Arbeiter vom Weg des Klassenkampfes weg testgehender Annäherung an die Ideen von Marx und Engels sowie von führte, die Notwendigkeit der bürgerlich-demokratischen Etappe des seiner Mitarbeit an der Vorbereitung der "Deutschen Ideologie" die revolutionären Kampfes ignorierte und damit den Kampf der reaktionä­ Rede. 28 ren deutschen Regierungen gegen die demokratische Bewegung des Vor­ Wenden wir uns sofort dem letztgenannten, der Rolle von Moses Heß 19 märz faktisch begünstigte. bei der Vorbereitung der "Deutschen Ideologie" zu. Vor allem darauf Warum arbeiteten Marx und Engels im Herbst 1845 und im gründet sich nämlich die Überzeugung der Heß-Biographen von einer 1846 dann aber überhaupt mit Moses Heß zusammen, zumal ihm Engels weitgehenden Annäherung von Moses Heß an den philosophischen noch im November 1844 die alte idealistische "Anhänglichkeit"20 be­ und sozialen Standpunkt von Marx und Engels in den Brüsseler jahren scheinigt hatte? Zur Klärung dieser Frage muß eine Reihe von Umstän­ 1845/1846. Und in der Tat, konnten Marx und Engels einerseits und Mo­ den Beachtung finden.
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