1 D 1268 F Februar 2010 t t a l b r r a f Zweimonatsschrift für Pfarrerinnen und Pfarrer aus Hessen-Nassau, Kurhessen-Waldeck und Thüringen P

s

Anton Praetorius (1560 – 1613) – Erinnerung an e einen Kämpfer gegen Hexenprozesse und Folter 3

125 Jahre Rudolph Zentgraf – h Sein Leben und Wirken 9 c Die EKHN ohne ihr Leitendes Geistliches Amt? 15 s

i Einladung zum Pfarrtag für Kurhessen-Waldeck Mittelteil s s e H Rüdiger Haug, der derzeit „In Memoriam“ für EDITORIAL Südhessen bearbeitet, die wichtige Sonder - nummer des Hessischen Pfarrblattes. Seine An - Liebe Leserin, lieber Lese r, regungen, wie die oft mühevolle Recherchear - beit erleichtert werden kann, sind bedenkens - vor Ihnen liegt die erste Ausgabe des Hessi - wert – hoffentlich kann das Erscheinen dieser schen Pfarrblattes im Jahr 2010. Allmählich ge - besonderen Publikation auch für die EKHN wöhnen wir uns an diese erste Jahreszahl ei - weiter sichergestellt werden! nes neuen Jahrzehnts, zu der die einen „zwan - zigzehn“, die anderen „zweitausendzehn“ sa - Wir sind übrigens sicher, dass Sie trotz der gen. Die sogenannten „Nullerjahre“ sind vor - vielen Facetten des Stichwortes „Krise“ in die - bei – was von ihnen bleibt, darüber mögen ser ersten Ausgabe des Pfarrblattes in 2010 die spätere Historiker befinden. Ziemlich sicher Lust an der Lektüre nicht verlieren werden – aber wird das Stichwort „Krise“ genannt wer - wir selbst haben bei der Erstellung dieses Hef - den, das gute Chancen hat, als ein Wort des tes jedenfalls nicht „die Krise gekriegt“, son - Jahrzehnts in die Geschichtsbücher einzuge - dern uns hat die Zusammenstellung der Beiträ - hen. Und irgendwie durchzieht dieses Stich - ge Freude gemacht und weiterführende Er - wort auch die Beiträge in dieser Ausgabe des kenntnisse geschenkt. Pfarrblattes: Mit der Frage, welche Ethik durch Beides wünschen wir Ihnen ebenfalls und die (Wirtschafts-)Krise trägt, beschäftigt sich grüßen Sie freundlich, der diesjährige Pfarrtag für Kurhessen-Wal - deck am 28. April bei einem der weltweit füh - Maik Dietrich-Gibhardt und Susanna Petig renden Solartechnikhersteller in Niestetal. Thema und Ort sind hochinteressant – gerne weisen wir auf die Einladung und das Anmel - P.S.: In diesem Jahr soll das Hessische Pfarr - deformular hin, die sich in der Mitte des Hef - blatt übrigens online gehen – möglichst schon tes finden. Bleiben wir beim Stichwort Krise im mit dieser Ausgabe. Wir stellen die Hefte un - Zusammenhang der Themen des vorliegenden ter den Pfarrvereinsseiten Heftes: Ob die Veränderung der Kirchenord - www.ekkw.de/pfarrverein/ und nung der EKHN im Hinblick auf das Leitende www.pfarrverein-ekhn.de ins Internet – Geistliche Amt mit diesem Stichwort zu etiket - in der Hoffnung, dass das ohne Krise klappt. … tieren ist, mögen Sie selbst beurteilen. Helmut Surfen Sie doch mal vorbei! Kern jedenfalls äußert in seinem entsprechen - den Beitrag noch einmal grundsätzliche Be - denken – auf die Fortführung der Debatte und weitere Einschätzungen der Entwicklung sind wir gespannt. Turbulent, schwierig und immer wieder krisenhaft auch für die Kirche waren aber sicher die Zeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hier wirft Klaus-Dieter Grun - wald einen Blick auf die Biographie und das Lebenswerk von Rudolf Zentgraf, dessen 125. Geburtstag Ende vergangenen Jahres began - gen wurde. Eine ganz persönliche Ergänzung findet dieser Artikel durch einen Beitrag des Zentgraf-Enkels Gerhard Roos. Der Erinnerung verpflichtet ist auch der Aufsatz von Hartmut Hegeler über den hessi - schen Hofprediger , der vor 450 Jahren geboren wurde und der sich als evangelischer Pfarrer couragiert gegen Hexen - prozesse und Folter seiner Zeit einsetzte: auch hier passen wieder die Stichworte „Krise“ und „Ethik“. Vor einer möglichen Krise des Er - innerns bei uns wiederum warnt schließlich

2 ANTON PRAETORIUS (1560 – 1613) Erinnerung an einen Kämpfer gegen Hexenprozesse und Folter

Hartmut Hegeler

Im Jahr 2010 jährt sich der 450. Geburtstag Seine Schriften und ihre des ysenburgischen Hofpredigers Anton Prae - Widmungsempfänger torius, Kämpfer gegen Hexenprozesse und Fol - Hier begann Praetorius schriftstellerisch in ter. Der evangelische Pfarrer Anton Praetorius die Auseinandersetzungen der Konfessionen verdient ein besonderes Gedenken, wie ein Zi - einzugreifen und dedizierte seine Werke wich - tat aus der Literatur 1 zeigt: „Da dieser edle tigen calvinistischen Landesherren seiner Zeit. Menschenfreund sehr wenig bekannt ist, so • Anton Praetorius, Vas Heidelbergense, Hei - dürfte es angebracht sein, die Erinnerung an delberg 1595 (Gedicht über das erste Große seine ziemlich vergessenen Verdienste wieder Fass im Heidelberger Schloss als Symbol für die Überlegenheit des calvinistischen Glau - aufzurichten.“ „Unter den verdienstvollen bens, mit einer Widmung an den reformier - Männern, die im 16. und 17. Jahrhundert der ten Kurfürst Friedrich IV., in dessen Amtszeit damals in Deutschland so schrecklich wüten - die Vollendung des riesigen Weinfasses fiel) 2 den Hexenverfolgung mutig entgegentraten, • Anton Praetorius, De Pii Magistratus Officio gebührt eine Ehrenstelle dem wackeren Anton (Gedicht über Pflichten christlicher Fürsten, Praetorius.“ In diesem Artikel sollen neben sei - gewidmet Wolfgang Ernst, Herr von Ysen - nem Einsatz gegen Folter und Hexenprozesse burg, reformierter Graf von Büdingen und seine theologischen und politischen Schriften Birstein), Heidelberg 1596 3 gewürdigt werden. • Anton Praetorius, Haußgespräch, darinn kurtz doch klärlich vnd gründlich begriffen Berufliche Laufbahn wirdt, was zu wahrer Christlicher Bekannt - Anton Praetorius wurde 1560 in Lippstadt/ nuß auch Gottseligem Wandel … zu wissen Westfalen als Sohn von Matthes Schulze gebo - von nöhten, Lich 1597, mit einer Widmung ren. Kurz vor seiner Geburt war nach dem an die Kinder von Graf Wolfgang Ernst Augsburger Religionsfrieden von 1555 der Im Jahr 1602 folgten zwei weitere Bücher: endgültige Übergang Lippstadts zum Luther - die Sakramentenlehre und die 2. Auflage sei - tum erfolgt. Anton besuchte die Lateinschule nes Buches gegen Hexenprozesse und Folter: und studierte Theologie. Dem Trend der Zeit • De Sacrosanctis Sacramentis novi foederis Je - entsprechend übersetzte er seinen Namen in su Christi (Sakramentslehre über Abendmahl die damalige Weltsprache Latein und nannte und Taufe), Lich 1602 sich fortan Praetorius. Bereits als Jugendlicher • Gründlicher Bericht von Zauberey und Zau - machte Praetorius in seiner Heimatstadt Erfah - berern: kurtz und ordentlich erkläret durch rungen mit der Grausamkeit der Hexenprozes - Antonium Praetorium, Lich 1602 se. Gewidmet sind diese beiden Bücher der In den nächsten Jahren wechselte Praetorius Obrigkeit in seiner alten Heimat Lippe. Die mehrfach die Stelle: 1586 wurde er Rektor der Sak ramentenlehre dedizierte er Jesus Christus Lateinschule in Kamen/Westfalen, 1587 ver - und dem reformierten Grafen Simon VI. zu waltete er als Diakon in Worms den Kirchen - Lippe (1554–1613). Die 2. Auflage seines kasten für soziale Belange. 1589 wurde er Gründlichen Berichts von Zauberey und Zau - berern widmete Praetorius „der Regierung zweiter Pfarrer an der ehrwürdigen Kathari - und seinen Landsleuten in der Grafschaft Lip - nenkirche in Oppenheim, wo schon 1565 der pe in der Hoffnung, als Sohn des Landes zur Calvinismus eingeführt worden war. Dort Förderung des Wohles beitragen zu können“. scheint Praetorius nicht mehr dem lutheri - schen, sondern eindeutig dem calvinistischen Klimakatastrophen und konfessionelle Bekenntnis anzugehören. 1592 wurde er re - Streitigkeiten in der Kleinen Eiszeit formierter Pfarrer im rheinhessischen Dittels - Mitte des 16. Jahrhunderts kam es zu erbit - heim. terten konfessionellen Streitigkeiten zwischen

3 Katholiken, Lutheranern und Reformierten, durch die Verkündigung der „rechten und rei - um durch die Verkündigung der „rechten und nen“ Lehre Gottes Zorn zu besänftigen. Über - reinen“ Lehre Gottes Zorn zu besänftigen. zeugt von der Radikalität der Botschaft Christi Praetorius sah die Welt und das Leben der hatte sich der frühere Lutheraner Anton Prae - Menschen akut bedroht durch falschen Got - torius der in seinen Augen fortschrittlichsten tesdienst. In „verderblichen“ Lehren erblickte Richtung der Reformation, dem Calvinismus, er den Grund für den Zorn Gottes, der sich in angeschlossen. Klimakatastrophen, Hungersnot und Kriegen Im Schlussteil der Schrift „De Pii“ hatte Prae - äußere. Praetorius nahm hierzu 1596 in sei - torius 1596 die bislang wenigen (reformierten) nem 14-seitigen lateinischen Werk „De pii ma - Fürsten besonders hervorgehoben, die den gistratus officio“ engagiert Stellung. In seiner „wahren“ Glauben unterstützten: Als Adressa - Schrift begründete er, dass Gott die Fürsten ten seiner Schrift nannte Praetorius auf der Ti - schon in der Bibel mit der besonderen Verant - telseite vornehmlich den „erlauchten und ed - wortung für die Kirche und das richtige religi - len“ Grafen Wolfgang Ernst, Herrn von Ysen - öse Leben betraut hatte. Gott durch falsche burg, Grafen von Büdingen und Birstein, den Verkündigung zu beleidigen ist schlimmer als er für seine gottgefällige Amtsführung lobte. jedes andere Verbrechen. „Daher kommen Dieser hatte sich innerlich heimlich auf die Sei - über uns so große Drangsale in dieser Zeit. Da - te der reformierten Bewegung geschlagen. her die furchtbaren Seuchen, daher die grau - Der Graf begann, lutherische Geistliche abzu - samen Kriege und Hungersnöte. Daher ent - berufen und durch Vorkämpfer des reformier - brennt Gottes Zorn, welcher Krieg, Tod, und ten Bekenntnisses zu ersetzen und in den Jah - Hungersnot bewirkt.“ Die Menschen zum ren 1596-98 den Calvinismus heimlich einzu - rechten Glauben anzuleiten ist nach Praetorius führen. Offiziell bekannt wurde die Birsteiner die einzige Möglichkeit, sie zu retten. Calvinisierung durch die neue Kirchenordnung Seit 1560 hatte sich in Europa das Klima ver - von 1598. schlechtert. Bis 1700 stöhnten die Menschen unter den Wetterkatastrophen der sog. „Klei - Widerstand in Offenbach gegen einen nen Eiszeit“. Nasse kühle Sommer und harte reformierten Pfarrer schneereiche Winter führten zu Missernten, Auf Anton Praetorius war der Graf durch Hungersnot und Teuerung. Zwischen 1584 und dessen Lobgedicht „de pii“ aufmerksam ge - 1622 ist in den Quellen häufig von Schnee, worden. 1596 wollte ihn der Graf als ersten re - Kälte, Spätfrösten und unwetterartigen Stark- formierten Pfarrer nach Offenbach am Main niederschlägen die Rede. Der jährliche Durch - entsenden. Der lutherische Pfarrer Johannes schnittsertrag des Roggens ging merklich zu - Lauterbach, der seit 1594 in Offenbach wirkte, rück, und des Öfteren konnten die Felder im erhielt im August 1596 seinen Abschied und Herbst wegen lang dauernder Regenfälle gleichzeitig die Anweisung, „den Pfarrhof zu überhaupt nicht bestellt werden. Es kam zu reumen“. Am 30. August 1596 fand nach einer permanenter Verschuldung. Die Anfälligkeit Verfügung des Grafen der Umzug von Hab der Bevölkerung für Epidemien erhöhte sich. und Gut von Anton Praetorius aus Dittelsheim Die sozio-ökonomischen Lebensbedingun - nach Offenbach statt. Zur weiteren Vorberei - gen im Gebiet um Büdingen für diese Zeit sind tung seines Reformationswerkes ließ Graf detailliert erforscht worden. In Urkunden aus Wolfgang Ernst aus den Kirchen der Graf - dem Vorland des Vogelsberges heißt es 1597 schaft die bisher beim Abendmahl benutzten beispielsweise: Die Bauern zitterten um die Kelche einziehen. Anstelle dessen bestellte er Saat, denn die Winterfrucht auf den Feldern bei einem Frankfurter Goldschmied gleichwer - ist „ser aussenblieben“. Wirtschaftliche Folgen tige Silberbecher. In den Kirchen wurden die waren Missernten und Hungersnot. Die Päch - Altäre gegen schlichte Tische ausgetauscht. ter konnten wegen schlechter Ernten ihre Ab - Noch war hier in Offenbach der reformierte gaben nicht mehr bezahlen. Die Brotpreise Prediger nicht eingeführt worden, als sich stiegen an. Die Menschen deuteten diese Wet - auch schon die Bevölkerung diesen kirchlichen terkatastrophen als Anzeichen des nahen Welt - Neuerungen zu widersetzen begann. Brieflich endes und als Ausdruck von Gottes Zorn über hatten Anfang September 1596 die Einwohner die Sündhaftigkeit der Menschen. Es kam zu von Eckartshausen, Birstein, Langendiebach erbitterten konfessionellen Streitigkeiten, um und Ravolzhausen den Offenbachern mitge -

4 teilt, dass sie nicht daran dachten, „solche Leh - Der nun nicht eingeführte Pfarrer Praetorius re und fremden Glauben anzunehmen“. Viel - verließ gleich in der nächsten Woche Offen - mehr wollten sie ihre Konfession behalten und bach und reiste nach Lamesheim. 4 Graf Wolf - keine fremde Lehre einlassen. Dazu erbaten gang Ernst riet seinen Offenbacher Unterta - sie den Beistand der Offenbacher. In einer Ver - nen, nachdem er von deren „anmaßlicher sammlung der „ganzen Gemeinde Offenbach“ Widerspenstigkeit“ erfahren hatte, sie möch - am 7. September 1596 kam dieser Brief zur ten „zuvorderst in die Kirchen gehen, hören Sprache. Die Offenbacher Einwohnerschaft und darnach erst darvor urteilen“. Erst zur richtete nun ihrerseits ein Schreiben an weite - Mitte des nächsten Jahres 1597 ist für Offen - bach Johannes Noviomagus als reformierter re ysenburger Kirchdörfer, da sie sich der „Be - 5 schwerung der Religion wegen nicht verhal - Pfarrer bezeugt. ten“ könne. „Nachdem sich unser gnädiger Herr, Gott erbarms’ untersteht, die Kirche zu Fürstlicher Hofprediger im reformieren und einen anderen Glauben und ysenburgischen Büdingen und Birstein andere Lehre einzuführen, die wider seines ei - So wurde Praetorius 1596 fürstlicher Hofpre - genen seligen Vaters Kirchenordnung ist, auch diger des Grafen Wolfgang Ernst. Dieser war seine Voreltern, Vettern und Herr Vater nicht auf der Suche nach Pfarrern und Lehrern, die dulden und annehmen wollten“, wandten sich mit Einsatz und Überzeugung die neue Lehre die Offenbacher mit einem Brief an ihre Nach - durchsetzen konnten. An dem gebildeten und barn. Sie begehrten zu erfahren, „ob sie auch bibelkundigen Pfarrer Praetorius gefiel ihm, bei uns stehen und halten wollten“. Für die wie er sich fließend auf Latein und Deutsch folgende Woche beraumten sie eine Bespre - ausdrücken konnte. Anton Praetorius schaffte chung in Büdingen an, zu der jeder Flecken es, in verständlicher Sprache das Wichtige des und jedes Dorf zwei Abgeordnete entsenden neuen Glaubens für Gebildete und für das ein - fache Volk aufs Papier zu bringen. Von keinem sollte. Aber noch bevor die Gemeinden sich anderen Theologen in dieser Region sind in je - über ihre Gegenmaßnahmen besprechen ner Zeit so viele Schriften verlegt worden, wie konnten, erschien bereits am Samstag, den 11. man aus den Druckverzeichnissen von Erbe - September 1596, der ysenburgische Hofpredi - nius aus Lich erkennen kann. Einen solchen ger Konrad Schnabel in Offenbach bei dem Kopf brauchte der Graf für seine calvinistische dortigen Sekretär der gräflichen Regierung, Reformation im Büdinger Land. Auf Deutsch um mit diesem zusammen in den folgenden verfasste Praetorius 1597 einen Katechismus Tagen die neu angenommenen Pfarrer in den für die einfachen Leute. Für die Familien Gemeinden der ysenburger Untergrafschaft zu schrieb er im gleichen Jahr ein christliches präsentieren. Hausbuch, um die Gläubigen in das reformier - Die Einführung des neuen reformierten te Bekenntnis einzuführen. Wahrscheinlich Pfarrers für Offenbach, Anton Praetorius, soll - war Praetorius schon bald an einer anderen te am nächsten Tage folgen. Zur vorgesehenen Aufgabe beteiligt: eine neue Kirchenordnung Zeit betraten der Hofprediger Schnabel, Pfar - für die Grafschaft war in Arbeit, ein Herzens - rer Praetorius und der Offenbacher Schultheiß anliegen von Graf Wolfgang Ernst. Auch eine das Gotteshaus. Doch da mussten sie „mit Kirchendisziplinordnung wurde vorbereitet Schmachen“ feststellen, dass „nur zween Man - für alle Amtsleute, Befehlshaber, Schultheiße, ner undt fünf oder sechs Weiber auß der gan - Schöffen, Geschworene, Bürger, Gemeinden zen Gemeine in der Kirche mitgewesen“, die und alle Untertanen. Beide umfangreichen anderen Gemeindeglieder hatten sich hinge - Ordnungen wurden im Jahr 1598 erlassen. gen vor der Kirche zusammengefunden. Sie er - 1596 forderte Praetorius in seiner Schrift klärten dem Sekretär auf Befragen, „dass sie „De Pii“ Graf Wolfgang Ernst und alle Fürsten alle dahin entschlossen, die Predigt nicht zu zu einer reformierten und bibelorientierten besuchen, sie sähen denn zuvor, wie sich die Erneuerung von Kirche und Nation und zur Untertanen in den andern Dorfschaften ver - Bekämpfung der verderblichen Lehre der Pa - hielten“. Obwohl der Sekretär die Versammel - pisten auf, um Gottes Zorn von der Mensch - ten auch „vor Schaden gewarnet“, blieben sie heit abzuwenden. Dem Lob des Regenten in bei ihrer Meinung, und so musste die Präsen - den Widmungszeilen folgte zugleich die Erin - tation des Pfarrers verschoben werden. nerung an dessen Verpflichtung Christus

5 gegenüber. Ständig betonte Praetorius die tie - Praetorius und der Hexenprozess von fere Legitimation seines Lobpreises, nämlich Birstein die Durchführung der Reformation zum richti - Überall fragten die Menschen, wer an den gen, zum calvinistischen Glauben durch den Katastrophen der Pest, des Klimas und der Grafen: Hungersnöte schuld sei. Eine beispiellose Su - „Unter deiner Führung kommt nun jenes che nach den vermeintlichen Tätern begann. Licht deinem Volke. Menschen wurden der „Hexerei“ beschuldigt: Dies Werk der Frömmigkeit ist dieses deut - sie hätten sich einer geheimen Teufelssekte schen Fürsten würdig. angeschlossen und Schadenszauber verübt. Lebe in langer Gesundheit, aber lebe gut in Weltliche Gerichte ließen die Beschuldigten Gott.“ foltern, um sie zu Geständnissen zu zwingen Sinnlose Riten müssen hinterfragt, 6 die Leh - und sie dann hinzurichten. re gesäubert, an der Bibel gemessen und zur Einer Hexenverfolgung in Büdingen auf - ursprünglichen Form zurückgebracht werden. grund von Forderungen der Bevölkerung zur Auch bauliche Konsequenzen wurden gefor - Bestrafung des „Hexengeschmeiß“ folgte 1597 dert – so verlangte Praetorius wie alle Calvinis - auch in Birstein ein Hexenprozess. Praetorius ten die Beseitigung des Opfertisches der ka - wurde als Hofprediger vom Grafen in Birstein tholischen Eucharistie und Ersetzung durch ei - zum Mitglied des Gerichts berufen. Das Male - nen einfachen Holztisch: fiz-Gericht ließ die Angeklagten foltern, um „Zerstöret ganz und gar die frevelhaften ein Geständnis zu erzwingen. Gebrochen Steinbilder! durch die peinliche Befragung nahmen sich Den schändlichen Opfertisch zerschmettert mehrere der angeklagten Frauen aus Verzwei - mit feindlicher Hand!“ flung in der Zelle das Leben. Erschüttert durch „Sie [die Fürsten] sollen die Statuen beseiti - diese Erfahrungen und durch seine Seelsorge - gen, die Altäre und Gesetze,… gespräche mit den Angeklagten befragte Zugleich sollen sie auch die Bräuche reini - Praetorius die Heilige Schrift zur Frage der Fol - gen und Frevelhaftes vertreiben.“ 7 ter. Vehement forderte er aufgrund seiner Bi - Die bibelgetreue Gabe der Sakramente belstudien die Einstellung der Marter: „In Got - nimmt eine Schlüsselrolle zur Rettung der tes Wort findet man nichts von Folterung, Menschen ein. Sie würde den Fall des Papst - peinlichem Verhör und Bekenntnis durch Ge - tums herbeiführen 8 und Gott versöhnen: walt und Schmerzen.“ Mit beispiellosem Un - „Mit solchen beginne er zu säubern den hei - gestüm wie die alttestamentlichen Propheten ligen Lehrstuhl, begehrte Praetorius auf: „Ihr [Richter] seid im Der durch unreine Lehre lange besudelt war. Unrecht. Gedenkt Ihr, dass Ihr dem Urteil Got - tes entrinnen werdet? Gott wird euch in Kürze Wenn diese es schaffen, den Sakramenten gewaltig strafen. Dann werdet Ihr selber zur die ursprünglichen Formen Hölle fahren!“ Zurückzugeben, gerät der Papst dadurch Der Pfarrer wetterte derart gegen die Folter, schneller ins Wanken.“ dass der Prozess beendet und die letzte noch Gerade falscher Kult ruft nach Praetorius lebende Gefangene freigelassen wurde. Dies den Zorn Gottes hervor: „Daher kommen über ist der einzige überlieferte Fall, dass ein Geist - uns so große Drangsale in dieser Zeit. Daher licher während eines Hexenprozesses die Be - die furchtbaren Seuchen, daher die grausa - endigung der unmenschlichen Folter verlangte men Kriege und Hungersnöte.“ 9 Die Menschen zum rechten Glauben anzuleiten ist die einzi - – und Erfolg hatte. Der Schreiber der gräf - ge Möglichkeit sie zu retten. 10 „Allenthalben lichen Kanzlei in Birstein hielt diesen unge - werden die wahren Glaubenslehren unter - wöhnlichen Vorfall in den Akten fest: „weil drückt“. 11 Die „unreinen Lehren des verderb - der Pfarrer alhie hefftig dawieder gewesen, lichen Papsttums“ 12 sind wieder auf dem Vor - das man die Weiber peinigte, alß ist es diß - marsch. „Daher entbrennt Gottes Zorn“, wel - mahl deßhalben underlaßen worden. Dan er cher Krieg, Tod, und Hungersnot bewirkt. 13 mit großem Gestüm und Unbescheidenheit Nur der „wahre Kult“ und die „rechte Er - vor der Tür angepucht den Herrn D. außgefür - kenntnis“ 14 kann alles zum Besseren wenden. dert und heftig CONTRA TORTURAM geredet.

6 Abbildung Protokollauszug vom Eingreifen des Pfarrers im Hexenprozess in Birstein, 1597

Praetorius hatte Glück, dass er vom Grafen nicht selber vor Gericht gestellt, sondern ledig - lich entlassen wurde und das Land verlassen musste. In Laudenbach/ Bergstraße in der Nä - he von Heidelberg fand Praetorius eine neue Pfarrstelle. Von seiner Tätigkeit als Gemein - depfarrer heißt es, er sei „allezeit fröhlich im Herren dabei gewesen, freiwillig und reichlich den Armen gegeben, keinen ohne Almosen von sich gelassen und ihnen sein Brot also ge - brochen.“ „Hat auch sonsten, welche seines Raths und Hilff begehret, treulich geholfen.“ Von Praetorius heißt es, er habe „das almosen an diesem ort angefangen, daran gewesen, dass die kirche und der gottesacker ist gebau - et worden.“ 15 Die Erlebnisse in dem Hexenprozess in Bir - stein bedeuteten die Wende in seinem Leben. Unter dem unmittelbaren Eindruck des Hexen - prozesses eröffnete Praetorius von Lauden - bach aus sofort seinen literarischen Kampf ge - gen Hexenwahn und unmenschliche Folterme - thoden. Gleich nach seiner Ankunft veröffent - lichte er 1598 unter dem Pseudonym seines Sohnes Johannes Scultetus das Buch „Von Zau - berey vnd Zauberern Gründlicher Bericht“. Die weitere Auflagen von 1602, 1613 und 1629 (posthum) wagte Praetorius unter seinem rich - tigen Namen zu publizieren.

Persönliche Katastrophen 1602 erhoffte sich Praetorius durch die Wid - Abbildung Anton Praetorius, Gründlicher Bericht von Zau - mungen in seinen Büchern anscheinend wirk - berey, 1602 (Titelseite)

7 samen Schutz für seine Person. In sehr persön - Am 6.12.1613 starb Pfarrer Praetorius in lichen Worte betete er zu Christus: „Lass mich Laudenbach. Zwei Jahrzehnte lang gehörte er und die Meinen, wie bisher, so auch künftig, in zur Avantgarde des Calvinismus. Als Vorkämp - Treue dir anempfohlen sein.“ Anscheinend fer der reformierten Bewegung wollte er mit schätzte er seine Lebenssituation als gefährlich einer Pflichtenlehre für Fürsten, mit dem Buch ein: Geschrieben „im 42. Jahre meiner gefahr - „Hausgespräch“ und einer Abendmahlslehre vollen Pilgerschaft“ „aus dem irdischen Jam - einen literarischen Beitrag zur Durchsetzung mertal, inmitten des wüsten Meeres der der „wahren“ Religion leisten. Die aufmerksa - Schicksalsschläge und der verlassenen Insel der me Lektüre seiner deutschen und lateinischen Prüfungen, wo alle deine und meine Feinde Predigten macht deutlich, wie Anton Praeto - ihr Feldlager abstecken und uns verfolgen. Im rius immer neu um einen eigenen Standpunkt 1568. Jahre deines reinen Auszugs aus der un - gerungen hat, und zeigt die Veränderung sei - reinen Welt und im 42. Jahre meiner gefahr - ner Lebens- und Glaubensüberzeugungen. Er vollen Pilgerschaft.“ 16 wandte sich als erster evangelischer Pfarrer Wie berechtigt seine Befürchtungen waren, seiner Zeit mit einem aufsehenerregenden zeigte sich im August 1603, als Anton Praeto - Buch („Gründlicher Bericht von Zauberey und rius auf der Durchreise nach einem Gottes - Zauberern“) an die Öffentlichkeit und trug da - dienstbesuch in Oberwöllstadt im heutigen mit seinen Anteil zur späteren Überwindung Hessen in einen Disput mit einem katholischen der Hexenverfolgung bei. Bis heute aktuell ist Prior geriet, wegen Erregung öffentlichen Är - sein vehementes Eintreten für die völlige Ab - gernisses inhaftiert und im Wirtshaus in einer schaffung der Folter. Man hat ihn daher auch Kammer „uf einem guten bett“ in Ketten ge - als einen „Vorgänger“ von Amnesty Interna - legt wurde. „Sein hausfrau und kinder“ wur - tional bezeichnet. den in ein anderes Gebäude gebracht. 17 Erst ein persönliches Eingreifen des Kurfürsten Zum Autor und Literatur zu Praetorius: Friedrich IV., Pfalzgraf in Heidelberg, brachte Hartmut Hegeler, kreiskirchlicher Pfarrer in eine Wende für Praetorius. Dieser erlangte und Religionslehrer im Berufskolleg, be - durch ein Schreiben an den Erzbischof von schäftigte sich durch Fragen seiner Schülerin - Mainz seine Freilassung. nen mit Hexenprozessen. 2002 erschien die Praetorius erlebte persönliche Katastrophen Biographie: Anton Praetorius, Kämpfer gegen wie so viele Menschen seiner Zeit. Seine erste Hexenprozesse und Folter. Es folgten Editio - Frau Maria hatte drei Fehlgeburten und starb nen von Quellenschriften von Praetorius und während einer Pestepidemie. Nur der älteste der Roman Hexenbuhle (auch als Hörbuch ver - Sohn Johannes überlebte. Zwei weitere Ehe - fügbar) sowie ein Kinderbuch und Unterrichts - frauen starben kurz nach der Hochzeit an der materialien. Jüngst erschien auf der Internet - Pest, bis er schließlich 1597 erneut heiratete: seite www.anton-praetorius.de ein Online- Sibylle, die Tochter des Muschenheimer Pfar - Spiel für Jung und Alt und ein ausführlicher rers Pistorius. Mit ihr hatte er sieben Totgebur - Beitrag über Praetorius im Internetlexikon Wi - ten bzw. frühen Kindestod zu beklagen. 18 kipedia – als lesenswerter Artikel ausgezeich - net. Nur Johannes, der erste Sohn aus der ersten Ehe von Praetorius, überlebte. Johannes stu - Ausstellung / Veranstaltungen dierte später Theologie an der Universität in Heidelberg und wurde Pfarrer. Doch 1613 Anlässlich des 450. Geburtsjahres von Prae - schreibt Praetorius erschüttert, dass sein Sohn torius bietet der Autor Vorträge in Gemeinden Johannes gestorben ist. 19 In der letzten über - an für Frauen, Männer, Jugendliche und Kin - lieferten Predigt von Praetorius wird deutlich, dern mit packenden Powerpointpräsentatio - wie ihn an seinem Lebensende diese persön - nen sowie eine Ausstellung mit 30 großforma - lichen Katastrophen an der gnädigen Vorse - tigen Plakaten zu Hexenprozessen und Praeto - hung Gottes zweifeln ließen. rius. Auf dem Kirchentag in München wird ein „Ist denn da NIEMAND, der mich hört? NIE - Stand auf der Agora über Hexenprozesse in - MAND, der mir hilft, NIEMAND, der mir die formieren und ein Gedenk-Gottesdienst für Toten zurückruft, die ich verloren in diesem Opfer der Hexenprozesse gefeiert. Leben?“ 20 Hartmut Hegeler, Sedanstraße 37, 59427 Unna

8 Information: Auf dem Ökumenischen Kirchentag in München 12.-16. Mai 2010 „Damit Ihr Hoffnung habt“ findet ein sog. Hexen-Gedenkgottesdienst statt. Termin: Samstag, 15. 5. 2010 um 16 Uhr. Ort: Herz-Jesu-Kirche, 80639 München-Neuhausen, Lachnerstr. 8, www.herzjesu-muenchen.de

11 Anton Praetorius, De Pii, V. 12 1 Nikolaus Paulus, Hexenwahn und Hexenprozess vor - nehmlich im 16. Jahrhundert, Freiburg 1910, S. 183 f 12 Anton Praetorius, De Pii, V. 13 2 Hartmut Hegeler: Anton Praetorius und das 1. Große 13 Anton Praetorius, De Pii, V. 14-15 Fass von Heidelberg. 2007, Verlag Traugott Bautz 14 Anton Praetorius, De Pii, V. 65 3 Hartmut Hegeler: Antonius Praetorius – Vom Kirchenre - 15 Reinhard Wolf, Christliche Leichpredigt Bey der Begräb - formator zum Kämpfer gegen Hexenprozesse und Folter nuß deß Ehrwürdigen Wolgelehrten Herren Antonii in der Wetterau. De Pii Magistratus Officio – Des from - Praetorii Lippiano-Westphali, Heidelberg 1614, S. 21f men Amtsträgers Pflicht. 2006 (Lateinische Original - Hartmut Hegeler, Leichpredigt für Pfarrer Anton Praeto - schrift mit deutscher Übersetzung, Geschichtswerkstatt rius, Kämpfer gegen Hexenprozesse und Folter, gehalten Büdingen 2007 durch Pfarrer Reinhard Wolf, Edition der Originalschrift 4 Urkunden im Fürstlichen Archiv in Büdingen zu den Er - von 1614, Geschichtswerkstatt Büdingen, 2007 eignissen in Offenbach (Akten-Nr. 4863 und 11478) er - 16 Gemeint ist hier das Jahr der Himmelfahrt Christi, also weisen, dass die Angaben in hessischen Pfarrerbüchern sein 34. Lebensjahr: 1602. (Bautz, Kohlenbusch und Diehl) nicht zutreffen, wenn Anton Praetorius, De Sacrosanctis, D 4. diese schreiben, dass Praetorius zwei Jahre in Offenbach 17 Johann Schall Schulz an den Oberamtmann in König - bis 1596 bleibt. stein MRA H 2938, fol. 229- 230 5 Anton Praetorius, Kämpfer gegen Hexenprozesse und 18 Reinhard Wolf, Christliche Leichpredigt Bey der Begräb - Folter, von Hartmut Hegeler, Unna, S. 40-51 nuß deß Ehrwürdigen Wolgelehrten Herren Antonii 6 Anton Praetorius, De Pii, V. 72 f, 76 Praetorii Lippiano-Westphali, Heidelberg 1614, S. 21f 7 Anton Praetorius, De Pii 19 Anton Praetorius, Vorrede Bericht 1613, S. 22 8 Anton Praetorius, De Pii, V. 100-110 20 Anton Praetorius, Nemo Ad Desideratissimas Nicolai Em - melii, Ilvesheimensis, Et Lectissimae Urgns Margaretae, 9 Anton Praetorius, De Pii, V. 177 f Weinheimensis, 15. Iunii. 1613. Heidelberg, 1613 (Über - 10 Anton Praetorius, De Pii, V. 187 setzung B. Schmanck)

125 JAHRE RUDOLPH ZENTGRAF Sein Leben und Wirken vom Kaiserreich bis zur Bonner Demokratie

Klaus-Dieter Grunwald

Oberkirchenrat Rudolph Zentgraf (1884- terau seinen Dienst beendet (vgl. zu seinem 1958) wäre am 14. Dezember 2009 125 Jahre Lebenslauf, Dokumentation zum Kirchen - geworden. Er war einer der tragenden und kampf in Hessen und Nassau, DKKHN 7, 786). prägenden Persönlichkeiten unserer Kirche in Zentgraf war gleichsam ein „Wanderer zwi - schwierigen und oft turbulenten Zeiten: als schen den Zeiten“: von der Kaiserzeit über die Gemeindepfarrer 1910 ordiniert, als Soldaten - Weimarer Republik, die Nazizeit und den Kir - pfarrer im 1. Weltkrieg (1914–1918) geprägt, chenkampf zur neu gebildeten EKHN in der als erster Landesjugendpfarrer der Ev. Kirche jungen Bonner Republik. Zentgraf diente nie Nassau und Hessen (1922–1925) sowie als weltlichen Mächten, politischen Systemen Oberkirchenrat und Superintendent von oder Parteien, „sein Herr war allein Jesus Rheinhessen (1925–1934) Verantwortung ge - Christus (so formulierte er es in einem Brief an tragen, im Kirchenkampf als Vermittler zwi - den DC-Führer Pfarrer Probst / Frankfurt vom schen den Fronten der Lager der Deutschen 20. Juni 1933, siehe DKKHN 1, 47). Christen einschließlich der Nazi-Machthaber An Rudolph Zentgraf, an sein Leben und und der Bekennenden Kirche (BK) „verschlis - sein Werk soll im folgenden erinnert werden. sen“ und als Bingenheimer Pfarrer in der Wet - Die Pflege der Erinnerungskultur der EKHN ist

9 wesentlicher Bestandteil des Forschungspro - jektes „Wissenschaftliche Auswertung der Kir - chenkampfdokumentation“, das der Unter - zeichner zusammen mit Kirchenarchivdirektor Bogs im Auftrag der Kirchenleitung der EKHN leitet (siehe Hessisches Pfarrblatt, Oktober 2009, 142 ff). Erinnerung bedeutet dabei nicht nur Neugier auf die eigene Kirchengeschichte: ihre Ereignisse, Personen und Zusammenhän - ge, sondern Erinnerung stellt auch ein Bedürf - nis nach Identitätsvergewisserung dar (vgl. Aleida Assmann, Geschichte im Gedächtnis, 2007, S. 25).

1. Familie, Theologisches Studium, Erster Weltkrieg „Die zeitlich früheste Erinnerung habe nicht ich, sondern mein Mütterchen festgehalten. Sie sah ihren neu geborenen Bub mit einem hochpriesterlichen Doppelkinn urbehaglich in ihrem Arme liegen und freute sich an seinem gesunden Kinderkörperchen, zu dem seine hochwürdige Haltung in drolligem Gegensatz stand. Da rief sie: „Zieht doch dem Kerl einmal eine weiße Halsbinde an. Der wird sicher Prä - lat.“ (Steffen Roos, Rudolph Zentgraf – Mittler Foto: privat im Kirchenkampf der ev. Kirche, 1997, S. 12) Der so gekennzeichnete Rudolph Zentgraf tete Tätigkeit der Christenheit“ (Gustav Warn - wurde am 14. Dezember 1884 als dritter Sohn eck, Evangelische Missionslehre I, Gotha, 1892, des Pfarrers Wilhelm Zentgraf (1839–1917) S. 4). Zentgraf fühlte sich in seiner beruflichen und seiner Ehefrau Pauline, geb. Fröhlisch Laufbahn und auch im Ruhestand dem Anlie - (1854-1924) in Reichenberg/Odenwald gebo - gen der Mission verbunden. ren. Bereits früh entwickelte Zentgraf eine en - In Tübingen, wohin er 1898 wechselte, lern - ge Beziehung zu Kirche und Gottesdienst. Sein te er den dort lehrenden reformierten Theolo - Berufsziel war deshalb bereits während der gen Adolf Schlatter (1852–1938) kennen und Schulzeit der Pfarrberuf. schätzen. Schlatter war ein Vertreter der kon - servativen theologischen Schule. Er verstand Auf dem Ludwig-Georg-Gymnasium in sich selbst als „Biblizist“. Seine Theologie war Darmstadt erhielt er eine klassische, altsprach - bestimmt von der Wahrheitssuche durch die lich geprägte Ausbildung. Wahrnehmung der Wirklichkeit. Dabei ver - Nach seinem einjährigen Wehrdienst stu - stand er die Wirklichkeit in Natur und Ge - dierte Zentgraf Theologie in Halle und Tübin - schichte als das Werk Gottes, durch das Gott gen. Sein Lieblingsfach war Mission. Er ist da - sich indirekt zu erkennen gibt. Weil von die - bei in Halle insbesondere, wie er in späteren sem Heilswerk Gottes in Jesus Christus nur die Briefen zum Ausdruck brachte, durch Gustav Bibel zuverlässige Kunde gibt, steht für Schlat - Warneck, den ersten Inhaber eines deutschen ter ihre Auslegung im Zentrum der theologi - missionswissenschaftlichen Lehrstuhls, beein - schen Arbeit. flusst worden. Warneck sah in der Bibel den Im 1. Weltkrieg wurde Zentgraf als Geist - universellen Heilswillen Gottes bezeugt, in licher in der 25. Reserve-Division zuerst im dem die Mission ihren tiefsten Grund findet. Westen, später in den Karpaten, ab 1916 im Unter christlicher Mission verstand er „die ge - Osten eingesetzt. Im Juli 1918 kehrte er krank samte auf die Pflanzung und Organisation der von der Front in den Odenwald zurück, wo er christlichen Kirche unter Nichtchristen gerich- in Michelstadt im Lazarett behandelt wurde.

10 2. Erster Landesjugendpfarrer (1922–1925), gestivbehandlung unterworfen werden, son - Oberkirchenrat und dern klar und nüchtern vor die Gewissensfrage Superintendent (1925–1934) gestellt werden, wie sie zu ihrem Gott ste - Von 1922 bis 1925 übte Zentgraf das neu ge - hen“(DKKHN 1, 47). schaffene Amt des Landesjugendpfarrers mit Die Beantwortung dieser Frage war für großer Liebe und Umsicht aus. Er baute dieses Zentgraf der zentrale Punkt im Glauben eines Amt zur Zentralstelle für die gesamte evange - jeden Menschen. Zentgrafs politische Grund - lische Jugendarbeit aus. einstellung zu Staat und Nationalsozialismus Im Frühjahr 1925 wird der 40-jährige Zent - war in den die Kirche berührenden Bereichen graf Nachfolger des verstorbenen Ferdinand immer von der Suche nach der Antwort auf Euler in Mainz. Bei seiner Amtseinführung in diese Frage bestimmt. Zentgraf stand der „na - der Mainzer Christuskirche sprach Zentgraf tionalen Erhebung“ politisch positiv gegen- von der „doppelten Demütigung“. Gott könne über. Den Antisemitismus der Nationalsozialis - den Menschen auf zweierlei Weise demütigen: ten nahm er zur Kenntnis, bezog aber keine einmal so, dass er ihn zerschlage, das andere Stellung dazu. Zentgraf hat seine Absetzung Mal umgekehrt so, dass er ihn „unverdient“ durch Landesbischof Dietrich im Mai 1934 als auf einen Platz stelle, der exponiert im Blick - Strafe Gottes hingenommen. Als gerechtfer - punkt der Öffentlichkeit liege und besondere tigt aufgrund von Fehlverhaltens oder man - Verantwortung fordere (vgl. Propst Trabandt gelnder Leistung sah er sie nicht an. in seiner Trauerrede im Juni 1958, Ev. Kirchen - blatt für Rheinhessen,1958, S. 225).“ 3. Zentgrafs Rolle im Landeskirchenrat Zu Beginn der Nazizeit hielt Zentgraf die und Landeskirchenausschuss Einführung des Führerprinzips durchaus für (Nov. 1935 – Juli 1937) „vernünftig“ (DKKHN 1, 37). In einem Bericht Am 5. November 1935 bildete Kirchenminis - an die Kirchenregierung über eine Versamm - ter Kerrl einen neuen Landeskirchenrat in Nas - lung der Deutschen Christen vom 29. April sau-Hessen. Dieser „leitet und vertritt die Lan - 1933 beschrieb Zentgraf die Ziele der Deut - deskirche.“ Ihm gehörten je drei Mitglieder schen Christen wie folgt: „Ich selbst sah mich der Gruppe um Dietrich, der Mitte und der Be - veranlasst, den Begeisterungssturm der Natio - kennenden Kirche (BK) an. Bei der ersten Sit - nalsozialisten mit sehr kräftigen Tönen abzu - zung des Gremiums wurde OKR Zentgraf zum kühlen, indem ich darauf hinwies, dass keine Vorsitzenden, OKR Dr. Friedrich Müller (Darm - Kirchenverfassung, möge sie aussehen, wie sie stadt) zum stellvertretenden Vorsitzenden und wolle, an sich das Reich Gottes baue. Es kom - Dekan Edgar Schäfer (Michelstadt) zum me auf die Menschen an, die als christliche Schriftführer gewählt. Die drei Genannten ge - Männer die Verfassung durchführten. Gott sei hörten der „Mitte“ an. Landesbischof Dietrich weder auf die Fahnen des Kaisers noch auf die hatte „als Ausdruck seines Friedenswillens“ Fahnen des Nationalsozialismus vereidigt. Er auf den Vorsitz verzichtet. werde uns jetzt zerschlagen, wie er uns 1918 Dieser „Befriedungsversuch von oben“ war erschlagen hat, wenn wir nicht Buße täten“ jedoch nach wenigen Sitzungen im Januar (DKKHN 1, 38). 1936 beendet. Die 5. Verordnung hatte zwar Schon am 20. Juni 1933 warnte Zentgraf in die Auflösung des Landesbruderrates der BK einem Brief an den DC-Führer Pfarrer Georg angeordnet, diese wurde jedoch von der BK Probst diesen vor einer „Zerschlagung der Kir - ignoriert. Dietrich, der seine geistlichen Funk - che mit politischen Machtmitteln.“ Probst solle tionen fortsetzen wollte, überwarf sich bereits nicht versuchen, mit ungeistlichen Mitteln nach kurzer Zeit mit den Vertretern der BK im geistliche Ziele zu erreichen. Mit dem Zu - Landeskirchenrat. sammenbruch von Sozialdemokratie, kommu - Zentgraf war durch die mühselige und ner - nistischer Partei und Zentrum seien für viele venaufreibende Arbeit im Landeskirchenrat die seit 1870 bestehenden Hindernisse für den frustriert. Er hatte auch die BK falsch einge - Zugang zum Evangelium beseitigt und viele schätzt. Er hatte erwartet, dass diese sich auf - sähen in Hitler, wegen der Formel des „positi - grund der 5. Verordnung des Ministers auflö - ven Christentums“, den besten Helfer des sen würde, was jedoch nicht geschah. Er sah Evangeliums. Es gehe aber nicht darum, dass seinen Dienst als vergeblich an und bot des - die Menschen „einer propagandistischen Sug - halb dem Minister seinen Rücktritt an. Gene -

11 ralsuperintendent Zoellner (Berlin) leitete den wirken von Reichskirchenausschuss und Lan - Brief Zentgrafs an den Minister jedoch nicht deskirchenausschuss sicherzustellen. weiter und bat ihn vielmehr dringend seine Wesentliche Probleme wurden jedoch nicht Aufgabe fortzuführen. Zentgraf fügte sich gelöst, Konflikte eher brachial entschieden, dieser Bitte. Brandherde nicht gelöscht. Der Landeskirchen - Am 15. Januar 1936 ersetzte Minister Kerrl ausschuss war hilf- und machtlos. den Landeskirchenrat durch einen Landeskir - Anfang Mai 1937 erkrankte Zentgraf für chenausschuss. Dieser umfasste nur noch fol - längere Zeit. Kerrl ernannte Kipper, den DC- gende drei Mitglieder: OKR Rudolph Zentgraf Präsidenten der Kirchenkanzlei, zum Nachfol - als Vorsitzenden, OLKRat Dr. iur. Ewald Fischer ger. Die Berliner „Befriedungsaktion“ war da - (Darmstadt) als Stellvertreter und Dekan Schä - mit beendet. fer (Michelstadt) als Schriftführer. Kipper, bis 1934 Landgerichtsrat in Wiesba - Was waren die Ursachen für das Scheitern den, war von Dietrich ins Amt gebracht wor - des Landeskirchenrates? den. Er führte die Geschäfte der Kirche allein Aufgabe des Landeskirchenrats war aus Ber - bis zum Ende des 2. Weltkrieges fort (Karl Her - liner Sicht nicht „Befriedung“ im Sinne gedul - bert, Durch Höhen und Tiefen, Eine Geschichte digen Zuhörens, korrekten Ermittelns der der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, 1997, Sachverhalte und Vorbereitung geschmeidig- S. 105ff.). kompromissgerechter Entscheidungen vorzu - bereiten und durchzuführen. Der Minister er - Am 15. Juli 1937 bat Zentgraf aus gesund - wartete vielmehr knallhartes administratives heitlichen Gründen um seine Entlassung. Dr. Durchgreifen. Hinzu kommt, dass die DC-Hilfs- Fischer schloss sich ihm an (DKKHN 6, 299). truppe des Landesbischofs (Pfarrerkamerad - Es ist nicht bekannt, aus welchen Gründen schaft mit Führerrat) alles tat, um die Arbeit Zentgraf vom Minister gebeten wurde, den des Landeskirchenausschusses zu untergraben. Vorsitz im Landeskirchenrat und Landeskir - Auch der Landesbruderrat der BK blieb bei sei - chenausschuss zu übernehmen. Er galt als ner Linie und kündigte einen harten Kurs Mann der „Mitte“. Er selbst hatte 1934 be - gegenüber dem Landeskirchenausschuss („Ge - kannt, dass er „nie etwas von kirchlichen waltregiment“) an (DKKHN 6, 24). Vorgabe Kampforganisationen gehalten“ habe. Doch aus Berlin war: Friedhofsruhe statt sensibler was kennzeichnete die „Mitte“? Welche Wert - und sachgerechter Abwägungsprozesse. maßstäbe, Verhaltensnormen und Muster wa - Kein Wunder, dass auch der verkleinerte ren für sie leitend? Wie hat sich die „Mitte“ in Landeskirchenausschuss keinen Erfolg haben Hessen entwickelt und im Kirchenkampf ver - konnte. Die Protagonisten Zentgraf und Fi - halten? Diese und weitere Fragen, auch und scher brachen praktisch durch das „ständige insbesondere im Vergleich mit der BK und den Trommelfeuer“ physisch und psychisch zusam - Deutschen Christen, wird der Autor in dem men und kapitulierten. Auslöser für das Schei - oben genannten Forschungsprojekt unter dem tern waren die beiden besonders zerstörten Titel: „Gruppenprofile im Kirchenkampf, ins - Gemeinden Heppenheim (Pfarrer Hermann besondere BK, Deutsche Christen, Mitte, religi - Hechler) und Wiesbaden-Dotzheim (Pfarrer öse Sozialisten: Gemeinsamkeiten, Unterschie - Hermann Romberg). Beide BK-Pfarrer hatten de und charakteristische Merkmale“ behan - auf mehrheitlichen Wunsch ihrer jeweiligen deln. Gemeinden nicht der Zwangsversetzung durch Fragen wir uns, aus welchen Gründen hat den Landeskirchenausschuss Folge geleistet. sich Zentgraf als „Vermittler“ zur Verfügung Beide Pfarrer wurden daraufhin – auf Antrag gestellt? Musste er nicht aus langjähriger Füh - des Landeskirchenausschusses an Minister rungserfahrung erkennen, dass bei den diame - Kerrl – durch die Gestapo aus dem Kirchenge - tral unterschiedlichen Erwartungshorizonten biet ausgewiesen. eine „Befriedung“ einer „mission impossible“ Der Vorgang erregte den heftigen Protest gleichkam? Sicherlich vertraute er auf seine des Reichskirchenausschusses. Generalsuperin - bewährten Führungseigenschaften wie gutes tendent Zoellner schickte einen ständigen Be - Zuhören, verbindlicher Umgang mit Pfarrern rater (wohl eher einen Kirchenkommissar) in und Laien, erworbenes Vertrauen und gefes - der Person von Oberkonsistorialrat Walter tigte Grundübereinstimmungen, nur der Kir - Gustavus nach Darmstadt, um das Zusammen - che und Jesus Christus zu dienen.

12 Aber: die kirchliche Realität sah anders aus. Ernst Wolf zu sagen: „War die Kirche Christi in Win-win-Situationen waren in dieser Phase der Welt nicht von Anfang an für die Welt ein des Kirchenkampfes nicht zu erreichen. Hier Politikum gewesen?“ (Ernst Wolf, Kirche im prallten vielmehr knallharte Positionen in Widerstand?, S. 35) Form von Ideologien und Weltanschauungen aufeinander. Unterschiedliche Interessen wa - 4. 1937–1950: Gemeindepfarrer in ren deshalb weder auszugleichen noch zu „be - Bingenheim frieden“. Nach seinem Ausscheiden aus dem Landes - kirchenausschuss und seiner gesundheitlichen Fragen wir weiter: War es nicht das über - Genesung zog sich Zentgraf auf seine „Mis - kommene, insbesondere lutherisch geprägte sionsstation in der Wetterau“ (gemeint ist die Obrigkeitsverständnis im Sinne von Römer 13, Gemeinde Bingenheim) zurück und verkünde - eingebettet in einen nationalprotestantischen te dort das Evangelium. Er hatte dabei nicht Rahmen, das Zentgraf daran hinderte, sich nur Bingenheim, sondern bis zu weitere fünf dem Staat und dessen Zumutung zu versagen? Gemeinden zu betreuen, weil die Nachbar - Nach Zentgrafs Auffassung durfte kirchlicher pfarrer zum Militär einberufen waren. Widerstand nicht sein, hatte keine Aussicht auf Erfolg. Das brutale Kirchenregiment des Mit dem nationalsozialistischen Regime und Staates war als Strafe Gottes zu erleiden (vgl. insbesondere mit dem kirchlichen „Gewaltre - DKKHN 3, 142). Für Zentgraf war gleich, ob giment“ Kippers hat Zentgraf nach 1938 ge - das Plazet durch den hessischen Landesfür - brochen. Wegen seiner kritischen Haltung sten, den hessischen Ministerpräsidenten oder gegenüber dem NS-Regime wurde Zentgraf den Nazi-Reichsstatthalter ausgesprochen zunehmend bespitzelt und überwacht. Am 14. wurde. Sein Verständnis des Staates ist unab - März 1944 wurde er verhaftet und vernom - hängig von der Staatsform. Das von der BK re - men. Der ihn verhörende Kriminalsekretär war klamierte Notrecht fand in diesem Verständnis jedoch „überzeugter Christ“, so dass er mit ei - keinen Platz. Dieses starre Verständnis von Rö - ner Verwarnung und 500 Reichsmark Siche - mer 13 haben viele Brüder und Freunde, die rungsgeld davonkam. Das Damoklesschwert Zentgraf auch bei der BK hatte, nicht nachvoll - der Einweisung ins KZ hing jedoch weiterhin ziehen können. Sie haben deshalb den Kon - über Zentgraf bis zum Kriegsende. Im Sommer takt zu ihm abgebrochen, was mit dazu beige - 1944 erlitt Zentgraf einen Nervenzusammen - tragen haben mag, ihn zunehmend einsam bruch. Wie schon das Ende des 1. Weltkriegs werden zu lassen. erlebte Zentgraf auch das Ende des 2. Welt - kriegs in einem desolaten Gesundheitszu - An Zentgrafs Obrigkeitsverständnis wird stand. deutlich, worauf Ernst Wolf zu Recht hinweist 1945 wurde Zentgraf voll rehabilitiert. Sein (vgl. Kirche im Widerstand, Protestantische Amt als Oberkirchenrat konnte er aber aus ge - Opposition in der Klammer der Zweireicheleh - sundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. re, 1965, S.32 ff): eine einheitliche Theorie des Die Betreuung seiner Gemeinde Bingenheim Widerstandes ist im Kirchenkampf kaum ent - war bis zu seiner Pensionierung am 1. Januar wickelt worden. Nur vereinzelt ist das Wider - 1950 infolge seines schlechten Gesundheitszu - standsrecht behandelt worden. So etwa bei standes nur noch eingeschränkt möglich. Freu - Karl Barth, der im Anschluss an das schottische de machte ihm nach wie vor die Heimatfor - Bekenntnis von 1560 vom Glaubensgehorsam schung. Hierzu veröffentlichte er bis zu seinem her den Gedanken erneuert, dass „der in der Tode eine Reihe bemerkenswerter Beiträge. Liebe tätige Glaube an Jesus Christus“ unter Rudolph Zentgraf starb am 27. Mai 1958 in Umständen „unsere aktive politische Resistenz Lauterbach/Vogelsberg. notwendig“ machen könne (vgl. Karl Barth, Gotteserkenntnis und Gottesdienst nach refor - 5. „Sie haben einen guten Mann matorischer Lehre, 1938, S. 212 ff). begraben…“ Bis 1937 ging Zentgraf vom unpolitischen Zum Heimgang von OKR Rudolph Zentgraf Charakter des Christentums aus: es ging ihm führte Propst Trabandt (Mainz) aus: „Wo im - nicht um politische Stellungnahmen, sondern mer er hingerufen wurde, hat er seinen Dienst um Glaubensentscheidungen. Können Glau - mit einem für die Sache Christi brennendem bensmotive nicht aber auch zu politisch wirk - Herzen, als einer, der überall neue Wege such - samen Handlungen führen? Oder um es mit te, und dem es darauf ankam, durch lebendi -

13 gen Kontakt mit den Menschen die Sache der Diese Erinnerung durch Gespräche und Zur - Kirche zu fördern. Sein fröhliches Gemüt und verfügungstellung von Materialien ermöglicht sein goldener Humor sind ihm dabei gute Hel - zu haben, dafür möchte der Autor Pfarrer und fer gewesen (vgl. Ev. Kirchenblatt für Rhein - Vorstandvorsitzenden des Hessischen Diako - hessen, 1958, S. 225). nievereins Dr. Martin Zentgraf (Darmstadt), Wir erinnern uns heute dankbar und aner - Pfarrer i. R. Hartmut Zentgraf (Darmstadt) und kennend eines aufrechten Theologen, eines Pfarrer i. R. Gerhard Roos (Stadland) herzlich gütigen Seelsorgers und einer umsichtigen danken. Besonderer Dank gilt auch Herrn Stef - Führungspersönlichkeit. Helfend, tröstend, ra - fen Roos, der seine Abschlussarbeit im Fach tend waren prägende und vorbildliche Leitmo - Geschichte von 1997, die sich mit dem Leben tive seines Handelns. und Werk von Rudolph Zentgraf befasst, Das Vergangene wird bedeutsam im gegen - freundlicherweise dem Autor zur Verfügung wärtigen Erinnern. Es bedeutet auch, dem Ab - gestellt hat. gelaufenen gegenwärtigen Sinn zu geben und dadurch auch sich mit sich selbst zu konfron - tieren (vgl. Aleida Assmann, Geschichte im Ge - Dr. Klaus-Dieter Grunwald, dächtnis, 2007, S. 10). Flachsbachweg 4, 64285 Darmstadt

RUDOLPH ZENTGRAF ZUM 125. Erinnerungen eines Enkels

Gerhard Roos

Kurz nach meinem zweiten Geburtstag ich wurde, wohl weil ich das gesundheitlich machte uns die Flucht aus Sachsen-Anhalt zu auch gut brauchen konnte, sein fast ständiger Hausgenossen der Großeltern Zentgraf. Durch Begleiter. Dieser Mann war ein begnadeter Er - die berufliche Neuorientierung unseres Vaters, zähler. So gibt es eine Unmenge Erinnerungen der mit 37 Jahren das Theologiestudium be - an tausend Geschichten, Erlebnisberichte und gann, wurde Großvater Rudolph für knapp Anekdoten, aus denen ich viel für mich ent - fünf Jahre unser Ersatzvater. Jahre, die be - nommen und meinen Großvater in der Rück - sonders mich intensiv geprägt haben. Mein schau wohl auch ganz gut in seinen Besonder - liebster Spielplatz lag unter Großvaters heiten verstehen gelernt habe. Noch heute Schreibtisch, manches Gespräch habe ich mit verwende ich hunderte seiner Redensarten angehört, vielleicht oft ohne Wissen des jewei - und Beispielgeschichten. ligen Gesprächspartners. Mein Vater war ein sehr nüchterner, eher in - Großvater war von gütiger Strenge. Nicht tellektueller Prediger. Die seltenen Gottes - immer der Konsequenteste im Durchziehen dienste, wenn Großvater ihn vertrat, genoss seiner Anordnung, aber von unerschütter - ich in stiller Begeisterung. Heute kann ich mir licher Liebe auch und gerade dann, wenn gut vorstellen, wie er bei seiner legendären kind- und jugendlicher Unfug völlig seine „Hindenburg-Predigt“ diesen und eine Riesen - Missbilligung fanden. gemeinde in seinen Bann gezogen hat. Wurde er gefragt, warum er sich oft be - So groß seine praktische Predigt- und Seel - sonders mit mir und mehr mit mir als den an - sorgekompetenz auch waren, so gering waren deren Enkeln befasste, erklärte er fast ent - seine wissenschaftlichen theologischen Kennt - schuldigend, ich hätte nun einmal seine Nei - nisse, neben seinem verehrten Lehrer Schlatter gung zum Quasseln geerbt und einer müsse gab es letztlich nichts und keinen, das oder der das ja in geordnete Bahnen lenken. ihn ernsthaft in Bewegung gebracht hätte. Si - Als ich „verständiger“ geworden war, hatte cherlich, die munteren theologischen Debat - er seinen Ruhestand erreicht und meinen Va - ten seines Sohnes Hans-Joachim und meines ter zum Nachfolger bekommen. Im Dienste Vaters während deren gemeinsamer Studen - seiner schwer belasteten Gesundheit zelebrier - tenzeit versäumte er nie und begleitete diese te er täglich seine langen Spaziergänge, und mit ernsthaftem Interesse; dieses Interesse galt

14 jedoch weit eher den beiden jüngeren Män - lich entwickelte sich daraus eine ganz eigene nern als den Diskussionsinhalten. Ihn freute Sicht geschichtlicher Abläufe, die ihn fast mehr die Geduld und Toleranz, die sich die beiden in der Vergangenheit denken ließ als in der schenkten, ebenso deren Eifer zum Dienst in Gegenwart. „Neulich“ konnte durchaus ein - seiner geliebten Kirche. mal 1788 sein. Seine eigenen wie seine histori - Bereits in Bingenheim und erst recht nach schen Erfahrungen führten ihn auch zu einer unserem gemeinsamen Umzug in den Vogels - Neubewertung seiner Haltung zum politischen berg zur zweiten Pfarrstelle meines Vaters ent - Geschehen. „Nur ein Tor verleugnet seine Ver - wickelte Großvater sich zunehmend zu einer gangenheit. Wer die Weltgeschichte immer Art „moralischer Instanz“ für die gesamte Ver - neu anfangen will, kommt aus den Kinder - wandtschaft. Als sich einer seiner Neffen in ei - krankheiten nie heraus. Nicht, um sie blind ne sehr nahe Verwandte verliebt hatte und al - nachzuahmen, schätzen wir unsere Vergan - le Zeichen auf gemeinsame Zukunft standen, genheit, sondern weil wir wissen, daß sie die hielt er diesem ein sorgfältiges Kolleg über die Bedingungen unseres heutigen Daseins ge - Risiken von Verwandtenehen im Allgemeinen schaffen hat … nur, wenn wir bewußt auf das und über die von ihm vermuteten Gefahren Vergangene aufbauen, kommen wir vor - der betreffenden Verbindung im Besonderen. wärts.“ Dieses findet sich in der Bingenheimer Er war bis zum Tod fest davon überzeugt, er Chronik. habe damit die Sache verhindert und der Fa - milie wirklich gedient. In einer anderen sehr Als ich fünfzehn war, erlag Großvater sei - prekären Familiengeschichte schlug er sich nem langjährigen Herzleiden, das er seit der nach genauerer Betrachtung der Sache auf die Kirchenkampfzeit als ständigen Begleiter hat - Seite des – eindeutig reuigen – Sünders und te. Als er zu seinem letzten Krankenhausauf - wies den Gekränkten heftig zurecht, als dieser enthalt aufbrach, hat er mich beim Abschied sich unversöhnlich zeigte. Er hat sich solche ermahnt: Wo immer du bist und wirkst, denke Dinge nie einfach gemacht, vertraute stets auf stets daran, dass du die Menschen genau be - Gottes Hilfe bei seinen heiklen Gesprächen trachten musst, mit denen du zu tun hast. und riskierte ohne große Hemmungen, not - Dann erst kannst du den Mund aufmachen. falls Schläge ins offene Visier zu bekommen. Sein liebstes Steckenpferd war seine Famili - Gerhard Roos, enforschung für andere wie für uns. Allmäh - Stadlander Straße 13, 26936 Stadland

DIE EKHN OHNE IHR LEITENDES GEISTLICHES AMT? Über Verlust und Folgen bei Abschaffung des kollegialen Bischofsamtes

Helmut Kern

Das Datum des 20. Februar 2010 würde weniger als ein Bruch mit der Geschichte der künftig in der Evangelischen Kirche in Hessen EKHN vollzogen und ihr Selbstverständnis als und Nassau als ein Tag benannt werden, der Kirche verändert. Auch die zahlreichen vor ei - allerdings einen fundamentalen Wendepunkt ner Abschaffung des LGA als Leitungsorgan in der Geschichte dieser Kirche markiert, so - warnenden wohlbegründeten Stellungnah - fern an diesem Tag die Kirchensynode auch in men hätten somit kein Umdenken in dieser abschließender dritter Lesung im Rahmen ei - Frage bewirkt. Es soll daher an dieser Stelle ner umfassenden Neugestaltung der Kirchen - noch einmal festgehalten werden, welche ordnung auch der seit ihrer Gründung charak - dem synodalen Aufbau der EKHN entspre- teristischen Struktur ihrer Leitungsorgane den chende, im kollegialen bischöflichen Amt Abschied geben und das für unsere Kirche ty - wahrgenommene Leitungsaufgaben die Be - pische kollegial geführte bischöfliche Amt in fürworter und Tolerierer dieses Beschlusses zu - Gestalt des „Leitenden Geistlichen Amtes“ gunsten einer Hierarchisierung ihrer Leitungs - (LGA) abschaffen würde. Dadurch würde nicht strukturen bereit wären aufzugeben.

15 Abschaffung des die Kirchenleitung praktischen Vollzug dieser Aufgabe könnte geistlich-theologisch vorberatenden man bei Integration aller Pröpstinnen und Leitungsamtes Pröpste in die Kirchenleitung so gestalten, Damit das rechtliche Leiten der Kirche geist - dass in den Wochen, in denen die Kirchenlei - lich begleitet sei und nicht ein konsistorial- tung nicht tagt, die Beratungen des nach wie rechtliches Element dominiere, hat man bei vor existierenden Leitenden Geistlichen Amtes Gründung der EKHN der Kirchenleitung ein stattfinden. Leitungsgremium an die Seite gestellt, um de - ren exekutiv zu fassenden Beschlüsse in geist - Abschaffung des kollegialen licher Verantwortung vorzubereiten sowie die bischöflichen Leitungsamtes von der Leitung der Kirche vorzunehmenden Um jede Möglichkeit einer hierarchischen Stellungnahmen zu aktuellen Fragen in Kir - Entwicklung auszuschließen, wurde bei Grün - che, Staat und Gesellschaft theologisch ange - dung der EKHN erstmals im deutschen Protes - messen zu bedenken. tantismus die geistliche Leitung, also bischöfli - Diese vom LGA ausgeübte geistliche Leitung che Aufgaben, nicht einem Einzelnen, sondern geschah im wöchentlichen gemeinsamen Bera - einem kollegialen Gremium übertragen. ten aller in den einzelnen Propsteibereichen Die Abschaffung des LGA hätte daher auch vorliegenden aktuellen Situationen, so dass zur Folge, dass die Pröpstinnen und Pröpste der ständige Kontakt mit den Gemeinden vor künftig alle ihre Aufgaben, auch die von ihnen Ort und die sich daraus ergebende Personal - weiterhin vorzunehmenden Ordinationen, kenntnis im kirchenleitenden Handeln zum nicht mehr als Mitglieder des Leitenden Geist - Tragen kam. Daher wurde der Dienst der Pröp - lichen Amtes und in dessen Auftrag wahrnäh - stinnen und Pröpste als stetiges Besuchen der men, sondern im Auftrag des Kirchenpräsiden - örtlichen Gemeinden verstanden und trugen ten. Sie wären nicht mehr gemäß ihrer seithe - dem entsprechend die inzwischen „Propstei - rigen Amtsbezeichnung Pröpstinnen und bereich“ genannten Regionen ursprünglich Pröpste „für“ einen Propsteibereich, sondern den Namen „Visitationsbezirk“. In diese bera - „von“ einem Propsteibereich und müssten sich tende Begleitung der Kirchenleitung durch demzufolge als Regionalbischöfinnen und Re - das LGA wurde notwendigerweise viel Zeit in - gionalbischöfe verstehen, die den als Bischof vestiert, wie es dem seelsorgerlichen Charak - verstandenen Kirchenpräsidenten in ihrem ter der anfallenden Beratungen in Personal- Propsteibereich vertreten. Der Kirchenpräsi - und Sachfragen entsprach. Dies geschah be - dent wäre demnach nicht mehr Leiter und wusst im rechtsfreien Raum mit dabei selbst - Sprecher eines kollegialen bischöflichen Am - verständlich zu wahrender seelsorgerlicher tes, sondern alleiniger Inhaber gesamtkirch - Schweigepflicht. licher bischöflicher Vollmacht. Damit wären Mit der Abschaffung des LGA wären die die von der Kirchensynode in diese Leitungs - Pröpstinnen und Pröpste dieser den eigent - ämter berufenen Frauen und Männer einge - lichen Sinn und Zweck ihres Dienstes bilden - bunden in eine hierarchische Struktur, in der den kirchenleitenden Aufgabe enthoben. Die - sich vom Amt des Kirchenpräsidenten alle selbe nicht mehr in einem rechtsfreien Raum, nachgeordneten Ämter ableiten. Auch die den sondern im rechtlichen Rahmen der Kirchen - Pröpstinnen und Pröpsten bislang aus seelsor - leitung als deren künftige Mitglieder wahrzu - gerlichen Gründen bewusst nicht obliegende, nehmen, wäre sowohl aus zeitlichen als auch künftig aber aufgetragene Dienstaufsicht über aus seelsorgerlichen Gründen nicht mehr mög - die Dekaninnen und Dekane wäre Teil dieser lich. Daher wäre auch künftig ein regelmäßi - Struktur. Hierzu erinnert der langjährige Main - ges Zusammenkommen der Pröpstinnen und zer Dekan Wolfgang Drewello daran, dass vor Pröpste in einer eigenständigen Konferenz zehn Jahren im Rahmen der Dekanatsstruktur - und einem rechtsfreien Raum dringend gebo - reform das hauptamtliche Dekaneamt ge - ten, um die diesem Gremium aufgetragene schaffen und die bis dahin von Dekaninnen geistliche Leitungsfunktion nach wie vor wahr- und Dekanen wahrzunehmende Seelsorge an nehmen zu können und dasselbe auch weiter - Pfarrerinnen und Pfarrern ersatzlos gestrichen hin als Leitungsorgan unserer Kirche mit seiner wurde, weil dies nicht die Aufgabe von Dienst - Bezeichnung als „Leitendes Geistliches Amt“ vorgesetzten sein könne, sondern, wie schon in der Kirchenordnung festzuschreiben. Den immer, in die Hände von Pröpstinnen und

16 Pröpsten gehöre. Und der noch im aktiven Ge - Beachtung. Und die bekannte Frage „Wie sta - meindepfarrdienst stehende Kollege folgert bil ist die Kirche? Wovon lebt die Kirche?“, auf daraus: „Wenn jetzt Pröpstinnen und Pröpste die ein Johannes Calvin noch die geistliche zum einen Dienstvorgesetzte der Dekaninnen Antwort geben konnte: „Das Leben der Kirche und Dekane und zum andern Mitglieder der ist nicht ohne Auferstehung, noch mehr: nicht Kirchenleitung werden sollen, dann geraten ohne viele Auferstehungen“, diese Frage er - sie in eine Rolle, die – wenn dieser Komparativ hält heutzutage vor allem die ökonomisch mo - erlaubt ist – ‚dienstvorgesetzter’ nicht sein tivierte Antwort: Je reicher die Kirche, desto kann. Das aber würde bedeuten: Seelsorge an stabiler, und je ärmer, desto gefährdeter. Ob - Pfarrerinnen und Pfarrern wäre in der EKHN, wohl man sich als Kennzeichen für die Kirche wenn sie denn ihrer eigenen Argumentation nach wie vor auf Wort und Sakrament im Sin - treu bliebe, nicht mehr vorgesehen!“ Und ne von CA VII beruft, scheinen inzwischen eher auch daran muss man erinnern: Zwar gehört medienpolitisch orientierte Fragen – „Wie die Theologische Erklärung von Barmen nach wirkt die Kirche? Wie kommt sie in der Öffent - wie vor zum Grundartikel der EKHN, aber in lichkeit an? Wie erhält sie möglichst viel Zu - der veränderten Leitungsstruktur dieser Kirche stimmung?“ – Darstellung und Handeln der wäre nicht mehr zu erkennen, dass dieselbe Kirche zu bestimmen. noch der 4. These dieser Erklärung entspricht, in der es heißt: „Die verschiedenen Ämter in der So vermag auch die Abschaffung des Leiten - Kirche begründen keine Herrschaft der einen über den Geistlichen Amtes als kollegiales bischöf- die anderen, sondern die Ausübung des der ganzen liches Leitungsamt zugunsten einer Stärkung Gemeinde anvertrauten und befohlenen Dienstes.“ des von einem Einzelnen repräsentierten geistlichen Leitungsamtes zwar die öffentliche Vermeintliche oder wahre Stärke der Beachtung der Kirche zu stärken, jedoch von Kirche der wahren Stärke der Kirche und Gemeinde Der mit einer Abschaffung des Leitenden Jesu Christi eher abzulenken, von der ihr Herr Geistlichen Amtes als kollegiales bischöfliches sagt, dass seine Kraft nicht in innerhalb und Leitungsamt erfolgenden Hierarchisierung im außerhalb der Kirche begrüßten und der öf - Aufbau der Kirche entspricht offenbar auch fentlichen Wahrnehmung imponierenden ein gewandeltes Kirchenbild und Verständnis Strukturen zum Ausdruck kommt, sondern „in von dem, wie Kirche zu erleben sei. So kann den Schwachen mächtig“ ist! In aller Kürze man in der EKHN auch im Rahmen der Struk - könnte man dazu sagen: turdebatte im Blick auf die öffentliche Wahr - nehmung von Kirche immer wieder hören, die Wer primär nach Strukturen misst, Bedeutung der Kirche sei vor allem dadurch zu dem gilt’s zu machen kund: steigern, dass sie sich möglichst eindrucksvoll Nur Christus für die Kirche ist präsentiere. Das aber könne eine Kirchenlei - allein ihr guter Grund! tung, die allein entscheidet, besser als eine, die immer auch den Rat eines zweiten Leitungsor - Erfahren haben wir es oft: gans zu beachten habe. Auch an ihrer Spitze Die Kirche dann nur lebt, beeindrucke der sakrale Name Bischof natür - wenn sie auf ihren Herren hofft lich mehr als der eher parlamentarisch gefärb - und nicht nach Beifall strebt. te eines Kirchenpräsidenten. Wenn aber die Synode dennoch votiert, dessen Amtsbezeich - So gewiss dies für alle Leitungsstrukturen nung beizubehalten, so soll er offensichtlich der Kirche – mit oder ohne Einrichtung eines wenigstens ein nicht mehr in ein geistliches Leitenden Geistlichen Amtes – gilt und eine Amt kollegial eingebundener, sondern ein mit kontrovers diskutierte Strukturfrage selbstver - persönlicher bischöflicher Vollmacht ausge - ständlich keine Bekenntnisfrage darstellt, so statteter Kirchenpräsident sein. Und dem gewiss kann dennoch auch eine kirchliche Lei - Wunsch nach beeindruckenderer Darstellung tungsstruktur sehr wohl ein Hinweis darauf der Kirche entspricht auch die absolut ungeist - sein, dass Kirche bei ihrem Leiten des ständi - liche Maxime: Je größer eine Landeskirche, ei - gen Geleitetwerdens von ihrem Herrn bedarf, ne Propstei, ein Dekanat oder auch eine Kir - der mit seinem Heiligen Geist unter uns chengemeinde, desto größer deren öffentliche gegenwärtig ist.

17 Fazit men wird und auch das Leben in der Kirche of - Sollte die Kirchensynode die vorgesehene fensichtlich zunehmend ökonomischen Krite - fundamentale Veränderung der Leitungsstruk - rien unterliegt, ist die Abschaffung eines Lei - tur unserer Kirche auch in dritter Lesung be - tenden Geistlichen Amtes eine geradezu schließen, bliebe als Eintrag in die Chronik der kontraproduktive und absurde Maßnahme; Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau der frühere Dekan Drewello bezeichnet sie so - allerdings das vielsagende Eingeständnis fest - gar als den „Herztod der EKHN“ und fügt hin - zuhalten: Mit der Abschaffung des Leitenden zu: „dabei hätten wir jetzt nichts dringender Geistlichen Amtes hat die EKHN ihre von vie - nötig als ein sich selbst so verstehendes und len geschätzte und am Evangelium orientierte dementsprechend handelndes, also sich zu Eigenprägung eines kollegial gestalteten und Wort meldendes Leitendes Geistliches Amt.“ in der Nähe zum Leben der Gemeinden wahr - Ob die Synode am 20. Februar 2010 inner - genommenen bischöflichen Leitungsamtes halb der Änderung der Kirchenordnung auch preisgegeben, das innerhalb der Evangeli - einer Abschaffung des Leitenden Geistlichen schen Kirche in Deutschland ihr unverwechsel - Amtes in der abschließenden dritten Lesung bares Markenzeichen darstellte und geradezu 2 mit der erforderlichen ⁄3-Mehrheit zustimmen ihre Identität bestimmte. In einer Zeit, in der wird, bleibt abzuwarten. die Leitung unserer Kirche in den Gemeinden und in der Pfarrerschaft leider vermehrt in ih - Helmut Kern rem administrativen Charakter wahrgenom - Edelmannweg 2, 65375 Oestrich-Winkel

Einladung zur öffentl. Gesamtausschusssitzung am 27. April 2010

Gemäß §10, Abs. 3 unserer Satzung lade ich hiermit zur Sitzung des Gesamtausschusses unseres Vereins sowohl alle Vertrauensleute aus den Kirchenkreisen wie auch interes - sierte Mitglieder herzlich ein für

Dienstag, den 27. April 2010, um 16.30 Uhr ins Best Western Mark Hotel Kassel, Heiligenröder Straße 61, 34123 Kassel

mit folgender Tagesordnung: 1. Kurzandacht 2. Begrüßung und Totengedenken 3. Bericht des Vorstands 4. Bericht des Pfarrerausschusses 5. Aussprache zu den Berichten 6. Vorlage der Jahresrechnung 2009 7. Bericht der Kassenprüfer 8. Entlastung von Vorstand und Stadtkirchenamt 9. Vorlage und Beschluss zum Haushaltsplan 2010 10. Anfragen und Berichte aus den Kirchenkreisen 11. Information zum Pfarrtag 2010 12. Mitteilungen,Termine 13. Verschiedenes

Wir planen, den Nachmittag mit einem gemeinsamen Essen im Hotel gegen 19.00 Uhr abzuschließen; ich bitte alle Mitglieder, die daran und an der Versammlung teilnehmen wollen, um dringende Anmeldung an meine Adresse bis spätestens 29. März 2010!

Für den Vorstand des Pfarrvereins Kurhessen-Waldeck e.V. Lothar Grigat, Vors.

18 IN MEMORIAM „So, dann kann ich ja jetzt ruhig sterben“

Rüdiger Haug

… so stand es handschriftlich (mit Bleistift) Laufe der Zeit eine Sondernummer des HEPF, auf einem halben Briefbogen, angefügt an die die ungefähr im 2–3-Jahresrhythmus erscheint. Zeilen „Ich habe folgende Angehörige“, bei - Da trotz eifriger Bemühungen des Vorstan - gelegt zu einem maschinengeschriebenen des des südhessischen Pfarrvereins zunächst Kurzlebenslauf („zur Auswahl für den >in me - kein Nachfolger für Jürgen Aßmus zu finden moriam – Pfarrer<“) – Bestandteil der dicken war, nicht einmal Bearbeiter in den verschie - Mappe mit Unterlagen, die ich bekam im Spät - denen Propsteibereichen (wodurch die Arbeit sommer 2007, nachdem ich mich bereit erklärt auf mehrere Schultern verteilt worden wäre), hatte, die Arbeit von „IN MEMORIAM“ ab landeten dann im Herbst 2007 auf meinem dem 1. 1. 2005, also rückwirkend, fortzufüh - Schreibtisch die Meldungen der Sterbefälle ren. seit 2005 – das waren ungefähr 60 Namen – Der Schreiber der obigen Zeilen lebt m. W. und seitdem sind ungefähr weitere 50 Pfarre - zur Zeit der Abfassung dieses Artikels immer rinnen und Pfarrer verstorben; manche davon noch, während ich – wie alle meine Vorgänger hatten schon lange im Ruhestand gelebt, an - – große Mühe habe, solche oder ähnliche dere aber starben mitten im Leben und im Texte bzw. Notizen zu erhalten, um daraus ei - Dienst, wieder andere nach längerer Krank - nen aussagekräftigen Lebenslauf zu verferti - heit – vor Erreichen ihres Pensionsalters. gen für die Sonderseiten unseres Hessischen Wenn von jedem der verstorbenen Kolle - Pfarrblattes unter dem Titel IN MEMORIAM. gen/Kolleginnen ein selbstgeschriebener Le - Die ersten Nachrufe erschienen im Juni 1974, benslauf vorläge, (wie jener oben erwähnte), maschinenschriftlich verfasst, so erfuhr ich von und ggf. abrufbar wäre, hätte sicher das Fol - Otto Kammer, und zwar mit den Daten der in geheft „in memoriam 2005 und 2006“ schon 1973 verstorbenen Pfarrer (erst 1977 sind 2 erscheinen können. Aber wer von uns hat Pfarrerinnen unter den Verstorbenen aufgelis - denn schon seinen eigenen Lebenslauf ge - tet). „Diese Nachrufbeilage ist die erste ihrer schrieben?? Und so zieht sich meine Recher - Art, sie ist ein Experiment“ – so schreibt Horst chearbeit hin, da ja auch immer auf die aktuel - Seibert (der damalige Schriftleiter des HEPF, len Todesnachrichten reagiert werden muss. welches es seit 1971 gibt). Als Pfarrer und Pfarrerinnen beschäftigen wir uns in Kasualgesprächen regelmäßig mit Horst Seibert veröffentlichte damals auch ei - den Lebensdaten unserer verstorbenen Ge - ne Liste mit Anschriften der Pfarrwitwen; er meindeglieder. Wir erfahren dabei oft genug hatte aus Briefen von Pfarrwitwen einen „un - selber, wie wenig Daten viele Angehörigen überhörbar einsamen Ton“ herausgehört notieren konnten, geschweige denn dass sie („manche unserer Pfarrwitwen [empfinden das Leben Ihrer Verstorbenen mit ein paar Sät - jetzt, nach dem Tode des Ehemannes und dem zen charakterisieren könnten. Wir selber zitie - oft damit verbundenen Auszug aus einem tur - ren gerne bei der Trauerfeier das Psalmwort: bulenten Pfarrhaus] die plötzliche Einsamkeit „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müs - und Stille um sich herum“), und gab die Anre - sen, auf dass wir klug werden“. Aber: Wie sind gung, dass auf diese Weise alte Kontakte wie - wir selber auf unser Sterben vorbereitet? Ich der aufgefrischt werden könnten. Aus diesem denke hier weniger an die spirituelle Seite als Denken heraus ist vielleicht auch die „Pfarr - an die materielle Seite: was tun wir zur „Vor - witwenarbeit“ in unserer EKHN entstanden. sorge“? Manche haben sich sicher schon mit Auf Horst Seibert folgten als Bearbeiter: einer „Patienten-Verfügung“ beschäftigt, ha - Karlfried Goebel (1974 – 1981), Rainer Heß ben mit ihrem (Ehe-)Partner und/oder den Kin - (1982 – 1988), Gottfried Bringmann (1989 – dern über „die letzten Dinge“ gesprochen, 1994), Wilhelm Mohr (1995 – 1996), Martin und ich gehe davon aus, dass wir uns und uns - Ohly (1997 – 2000) und Jürgen Aßmus (2001 – re Angehörigen finanziell abgesichert haben – 2004). Aus der „Nachruf-Beilage“ wurde im aber haben wir auch einen guten Ort, wo die

19 Sachen „für den Notfall“ liegen? Eine Notfall-, Im jüngst erschienenen Pfarrblatt (6/2009) eine Nachlassmappe? (Ist der Todesfall eigent - ist im EDITORIAL vom Abschiednehmen die Re - lich generell ein Notfall??) Haben wir die Bro - de. Etwa in Bezug auf Otto Kammer, der auch schüre unseres Solidarfonds „Was tun bei ei - die Arbeit von IN MEMORIAM immer mit Rat nem Sterbefall“ (eine 2., von Helmut Klenk und Tat begleitet hat. Ob dort eines Tages überarbeitete Auflage ist 2004 erschienen) auch mal der Abschied von „in memoriam“ er - ausgefüllt – und wann zuletzt aktualisiert? wähnt werden muss? Dann, wenn für mich als Und wie sieht es denn aus mit dem eigenen, den jetzigen Bearbeiter, kein Nachfolger und selbst geschriebenen Lebenslauf, sei es in ta - keine Mitbearbeiter gefunden sein werden? bellarischer Form oder im Erzählstil – auch als Ich denke, die Idee von Horst Seibert, der ver - Hilfe für den/die Kollegen/in, der/die uns beer - storbenen Kollegen und Kolleginnen, zu - digen wird? Und ich – als momentaner Bear - sammenfassend in einem landeskirchenweiten beiter von IN MEMORIAM – würde mich freu - Publikationsorgan zu gedenken, war eine en, wenn diese Lebensdaten doppelt, dreifach wichtige. Wobei ich feststellen muss, dass da - da lägen, oder ein Vermerk dabei wäre, wer bei implizit auch immer die Arbeit der Pfarr - nämlich alles eine Kopie davon dann im „Not - frauen (im herkömmlichen Sinne) mit zu wür - fall“ bekommen sollte: der Gemeindepfarrer, digen ist (zumindest was die ältere Pfarrerge - die Amtskollegin, vielleicht der Dekan/die De - neration angeht). Es wäre nicht nur schade, kanin – und: der Pfarrerverein (für den Bear - sondern sicher ein herber Verlust für die ganze beiter von IN MEMORIAM). Denkbar wäre Pfarrerschaft unserer Landeskirche (und für auch, dass ein befreundeter Pfarrer, eine na - die Kirchengeschichte der EKHN!), wenn wir hestehende Pfarrerin sagen würde: ich schrei - von IN MEMORIAM Abschied nehmen müss- be für NN den Lebenslauf; denn ich habe ihn, ten. sie gut gekannt! Vielleicht wäre das auch eine Art letzter, ehrender Dienst für den/die Ver - storbenen und seine Angehörigen (und ganz Rüdiger Haug gewiss hilfreich für IN MEMORIAM)! Im Kastell 5, 63674 Altenstadt

RANDNOTIZ Anruf eines Ruheständlers

Heinz-Günter Beutler-Lotz

Anruf an den Feiertagen. Ein Pfarrer im Ru - Bin ich auch mehr Grabwächter als Emmaus - hestand ruft an. Ich freue mich, seine Stimme jünger? zu hören. Mein Wort zum Sonntag hat er in 40 Jahre hat der Kollege eine Gemeinde ge - der Tageszeitung gelesen und das Bild gese - prägt. Heute undenkbar. 10 Jahre scheinen ge - hen. Und jetzt ruft er an. Verbundenheit, ob - nug. Bilanz und Wechsel. In der modernen Zeit wohl wir nie zusammen gearbeitet haben. Er ist Flexibilität angesagt. Aber unsere inneren war in einer Nachbargemeinde und ich habe Uhren ticken anders. Landgemeinden mögen ihn nicht als Kollege, sondern als Rentner er - die Flur bereinigen, aber dennoch bleibt der lebt. Dynamisch und Interessiert. Boden. Häuser werden bei uns im Dorf nach In seinen ehemaligen Gemeinden gab es in - ihren Vorvorbesitzern genannt und weil alle zwischen schon drei Nachfolgerinnen und eine irgendwie miteinander verbandelt sind, ist es ganze Weile habe ich die Gemeinde mitver - gut, die Zusammenhänge, Beziehungen, Ge - sorgt. Da sind wir uns gelegentlich wieder nerationen zu kennen. Kontinuität statt Bewe - über den Weg gelaufen. Sind uns wohlwol - gung. Zuverlässigkeit anstatt Wechselbäder. lend begegnet und haben unsere Erfahrungen Auch in der Stadt soll es Menschen geben, die und Eindrücke ausgetauscht, Widersprüche sich wundern, dass Hochzeitspfarrer bei der und Ähnlichkeiten entdeckt. Soviel Sympathie Konfirmation ihrer Kinder nicht mehr da ist. erlebe ich selten unter Kollegen. Raum und Der Kollege war lange da. Zum Glück oder Zeit zu überwinden scheint nicht unsere Sache. zum Leid, wer will das wirklich bewerten kön -

20 nen. Nach seinem Ausscheiden und Umzug ist wie ich mich auch immer freue, wenn ich mei - er immer noch präsent. Aber nicht unange - nen direkten Vorgänger im Amt und seine nehm oder aufdringlich, sondern anteilneh - Frau treffe. Andere Kolleginnen und Kollegen mend. Manchmal besucht er den Gottesdienst fürchten überstarke Vorgänger. Dabei sind wir oder Fest und freut sich über eine Einladung. doch immer für einige prägend und für ande - Meist organisiert er sein Kommen selbst, aber re eine Zumutung, Zeitgenossen, Bremsen und nimmt auch Transporthilfe gerne in Anspruch. Motor zugleich. Und begrenzt in allem, was Noch ist er fit und erinnert sich an tausend Na - wir tun. Zum Glück. Warum tun wir uns mit men, Ereignisse Geburtstage, kann Grüße aus - dem Stabwechsel und dem Miteinander oft so richten und gratulieren. Sein Herz schlägt für schwer? Wir sind doch Teamspieler und nicht die Menschen. Hoffentlich noch lange. Platzhirsche, Jüngerinnen und Jünger alle. Aus dem Krankenhaus ruft er an. Schon eine Egal wie alt wird sind. Und Geschwister auch. Woche liegt er. Musste operiert werden, ist aber ganz zuversichtlich und voller guter Heinz-Günter Beutler-Lotz, Ideen. Eine Freude, seine Stimme zu hören. So Tulpenstraße 19, 55276 Oppenheim

Herzliche Einladung 3. Theologischer Studientag für Pfarrerinnen und Pfarrer im aktiven Dienst „Hat die Wissenschaft Gott begraben?“ Die Thesen der Neuen Atheisten mit Dr. Jürgen Spieß, Marburg

Montag, 22. März 2010, 9.30–16.00 Uhr in der Tagungsstätte Haus Friedberg der EKHN, Kaiserstraße 2, 61169 Friedberg (ZOS, Zentrum Seelsorge und Beratung)

Veranstalter: Pfarrerinnen- und Pfarrer-Gebetsbund (PGB) Anmeldung: Ev. Dekanat Gladenbach, Bahnhofstraße 12, 35075 Gladenbach, FAX: 06462 – 915 406, [email protected] bis 10. März 2010

ös begründeten Gewalttätigkeit wachgerufen. FÜR SIE GELESEN Das gilt nicht nur für den Islam, sondern auch für das Christentum mit den Kreuzzügen „ge - Irene Dingel und Christiane Tietz (Hrsg): gen die Ungläubigen“ und den Konfessions - Das Friedenspotenzial von Religion. Ver - kriegen. Das gilt auch für das Judentum mit öffentlichungen des Instituts für Europäi - der gegenwärtigen Gewalt des Staates Israel sche Geschichte Mainz, Beiheft 78; Verlag gegen die Palästinenser. So hat man vom Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, „Doppelgesicht“ der Religionen gesprochen. 124 S., ISBN 978-3-525-10091-2. Diese Problemanzeige kommt am deutlich - Zwei Gründe gibt es, auf diese Veröffentli - sten im vierten Beitrag mit der Frage nach der chung empfehlend hinzuweisen: Einmal ist es Toleranz und der Spannung zwischen Absolut - ein „Mainzer Buch“: Die Herausgeberinnen heitsanspruch und Akzeptanz der Religionen versehen theologische Professuren in Mainz. zur Sprache. Er stammt von Peter Steinacker, Die sechs Beiträge dokumentieren eine Main - dem inzwischen pensionierten Kirchenpräsi - zer Tagung vom Juli 2007. Das Thema, und denten der EKHN. Steinacker betont die Beob - dies ist der zweite Grund, bleibt weiter ak - achtung, dass in der Religionsgeschichte der tuell. Hans Küng hat in seinem Projekt Welt - Juden der Monotheismus mit seinem universa - ethos den Frieden als Kern aller Religionen len Geltungsanspruch erst im babylonischen herausgestellt. Dagegen haben die Terroran - Exil ausgeprägt wurde. Die nötige „Akzep - schläge intoleranter Islamisten seit dem 11. tanzkomponente“ Fremden gegenüber wäre September 2001 neu die Frage nach der religi - noch deutlicher geworden, wenn Steinacker

21 die gleichzeitige Bejahung der Diasporaexis - kann. Dabei sind Bildung und wirtschaftliche tenz als „Wesen des Judentums“ dargestellt Unabhängigkeit wichtige Faktoren. hätte. Auch der christliche Glaube hat dies Otto Kammer übernommen. Im Neuen Testament gehören die eigene (intolerante) Wahrheitsgewissheit ˾˾˾ und die (tolerante) Loyalität gegenüber der Obrigkeit und das Interesse am Wohl des Wolfgang Dietrich, Wach im Alter. Ta - ge samten Gemeinwesens spannungsvoll zu- gesbücher II mit 79. Beharrlich unter - einander. wegs. Blaue Hörner Verlag, Weimar (Lahn) Während Steinacker beim gegenwärtigen 2009, 758 S. ISBN 978-3-926385-44-4. Islam großen Nachholbedarf sieht, findet der Gegenüber Band I (2007) wurde – auch als fünfte Aufsatz des beteiligten Islamwissen - Ergebnis des regen Austauschs mit zahlreichen schaftlers Irfan Omar im Koran fünfzig Belege „Lesenden“ – der Untertitel verändert, um für Frieden und nur sechs Stellen, in denen deutlicher zu machen: Es geht weniger um ein ausdrücklich vom Krieg die Rede ist. Dschihad „Schreiben über das Alter“ („gereontologi - muss nicht Gewalt bedeuten, sondern ist im sches Projekt“) als um ein „Schreiben aus dem spirituellen Verständnis das Ringen und Kämp - Alter heraus“ („gereontographisches Pro - fen um klaren, ganzen Gehorsam gegenüber jekt“). „Wie lässt sich die vergönnte Zeit ver - den einen Gott. Deshalb sieht Omar im gegen - hältnismäßig hohen Alters schöpferisch zum wärtigen Islam ein großes Friedenspotenzial. Schreiben wahrnehmen?“ (5) – das ist Dietrichs Gewalttätiger Islamismus ist von Gestern, passt Leitfrage, die er mit einer neuen, wache Zeit - nicht mehr in unser Zeitalter. genossenschaft, erfahrungsgesättigtes, auch Das Friedenspotenzial der Christenheit wird biographisch vermitteltes Theologietreiben, von der Neutestamentlerin Christiane Tietz Reflexion und Meditation, lebens- und werk - umsichtig im „Indikativ“ des Friedens, den begleitender Kommentar und freie Komposi - Gott in Christus gestiftet hat, begründet. Der tion existentieller Miniaturen miteinander ver - „Imperativ“, die Mahnung zur Friedfertigkeit bindenden literarischen Form beantwortet. folgt daraus und gehört zum Wesen des Religionskultur und Ornithologie, Philosophie Christseins. und Geographie, Ökonomie und Ökologie, Freude und Leiderfahrungen, Gelingen und Im ersten Beitrag des Buches geht der Kir - Versagen, Prosa und Poesie: Das alles gehört chenhistoriker Armin Kohnle umsichtig den für Dietrich zum Ganzen der Welt, die er, verschiedenen europäischen „Religionsfrie - metapherngesättigt und auch poetisch ver - den“ in der frühen Neuzeit nach. Dabei zeigt dichtet, mit Hilfe seines „Mentors“ Nikolai er, wie die notwendigen „Neuerungen“ da - Berdjajew (10) im Gespräch mit 600 „Lesen - mals in der Regel von Politikern und Juristen den“ aller Zeiten (vgl. Register) analysiert, me - voran gebracht wurden. Die intoleranten kon - ditierend bedenkt und auch neu komponiert. fessionalistischen Theologen waren mehr die Rudolf Otto, Friedrich Heiler und Theodor Bremser. Keine Ruhmesgeschichte für unsere Siegfried, dessen Assistent Dietrich eine Zeit - Zunft! Ähnlich war es auch im Zeitalter der To - lang war (99), haben für ihn da mehr Gewicht leranzedikte, das nach dem Dreißigjährigen als z. B. der „diktierende“ doktrinäre Karl Krieg begann. Barth (574), auch wenn er vor allem den alten Der Religionswissenschaftler Klaus von Barth – auch in Übereinstimmung mit dem Stosch weist nach, dass das „Doppelgesicht der Mozart liebenden Barth selbst – nicht für ei - Religionen“ auch für den Buddhismus und nen „Barthianer“ im Sinne hiesiger „Barthia - Hinduismus gilt. Auch dort gab es neben dem ner“ hält (721). Theodor Siegfried betonte „Friedenspotenzial“ immer wieder Gewalt ge - schon 1930, „dass die ‚Dialektischen Theolo - gen die Andersgläubigen. gen‘ einen ‚heteronomen‘, autoritären und Die Politologen Andreas Hasenclever und dezisionistischen Denkstil kultivierten“: „Dass Alexander De Juan zeigen im letzten Beitrag, es predigt, wie es regnet, soll die Theologie le - dass gewaltsame Konflikte in der Regel politi - gitimieren.“ Auch Comenius, Bonhoeffer und sche (Macht) und ökonomische (Verteilung) vor allem Paul Tillich sind für Dietrich Quellen Ursachen haben, dass aber Religionsgegensät - der Inspiration. Für seine Auswahl an (leben - ze immer wieder instrumentalisiert, für nicht - den und toten) „Gesprächspartnern“ sind – bei religiöse Interessen eingespannt werden. Die aller Offenheit – neben „Seelenverwandt - Verfasser fragen zugleich danach, wie Religion schaft“ vor allem Kultur-, Berufs- und auch Fa - hiergegen geschützt, immunisiert werden milienbezug wichtige Kriterien. Als ehemali -

22 gem Dezernenten für den Berufsschulreli - Ritter im 19. Jahrhundert gefeiert wurden. gionsunterricht ist mir der Hinweis wichtig, „Franz von Sickingen hat keine unkritische dass Dietrich auch im vorliegenden voluminö - Heldenverehrung verdient. Zweifellos hat er sen Band immer wieder seine in Theorie und auch gekämpft für den um 1520 in einer exis - Praxis bewährte Verbundenheit mit diesem tenzbedrohenden Krise befindlichen Ritter - schwierigen Fach und den ihn erteilenden Kol - stand. Die Lehre Martin Luthers war ihm ein leginnen und Kollegen betont. Herzensanliegen, und die Rolle der Ebernburg Eine besondere Empfehlung für diesen be - als eines Asyls für die Reformatoren der ersten sonderen, sich auch als „Stundenbuch“ eig - Generation sichert der Burg und ihrem Besit - nenden Band II der „Tagesbücher“! Ein ver - zer einen Platz in der Kirchengeschichte. Vor dienstvolles Werk! allem jedoch hat Franz von Sickingen als ein Karl Dienst Condottiere der Renaissance an sich und seine Familie gedacht“ (29): ein Urteil, das Böcher ˾˾˾ nicht nur an seine Vaterstadt Worms denken lässt, die von Sickingen geschädigt wurde. Otto Böcher, Die Ebernburg in Bad Mün - Kurz: Das Heft sucht möglichst viele Leserin - ster am Stein. 2. verb. Auflage 2007 (Erste nen und Leser, die die Ebernburg aus vielen Auflage: 1985). Rheinische Kunststätten, Heft Anlässen besuchen. Ein besonderer Dank an 299. Hrsg.: Rheinischer Verein für Denkmal - Otto Böcher, dem wissenschaftlichen Berater pflege und Landschaftsschutz, Köln. Druck: und Förderer der Ebernburg-Stiftung! Neusser Druckerei und Verlag GmbH, Neuss. 31 S., 34 Abb. ISBN 978-3-86526-011-6. Karl Dienst Die von dem Mainzer Neutestamentler, Kunsthistoriker, Territorialgeschichtler und Heraldiker Otto Böcher vorgelegte, informa - tiv und ästhetisch hervorragend bebilderte, Allgemeine-, Kirchen- und Kunstgeschichte miteinander verschränkende Vorstellung der mit den Namen Franz von Sickingen und Ulrich von Hutten verbundenen Ebernburg ist mehr als eine distanzierende wissenschaftliche Leis - tung! Es handelt sich um ein „Stück von ihm WIR GRATULIEREN selbst“: Es geht Böcher nicht nur um eine ein - wandfreie Darstellung der Geschichte und um Die Evangelisch-Theologische Fakultät der eine kundige Unterrichtung der zahlreichen Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Besucher der Burg; seine Forschungen dienen verleiht unter dem Rektorat der Universitäts - gleichzeitig auch der Förderung der dortigen professorin für Rechtswissenschaft Dr. jur. Ur - baulichen Erneuerungs- und Ausbaumaßnah - sula Nelles durch ihren Dekan, den Universi - men durch kundig beratene Architekten (25). tätsprofessor für Kirchengeschichte, insbeson - Hier kommt ein engagierter und mit der Burg dere der Reformationszeit sowie neuere und auch emotional verbundener Wissenschaftler neueste Kirchengeschichte Dr. theol. Albrecht zu Wort. Beutel, Herrn Holger Ludwig aus Heilbronn, Die reiche Geschichte dieser Burg mit ihren dessen Dissertation „Von der Institution zur Or - Höhen und Tiefen darf hier einmal als bekannt ganisation. Eine grundbegriffliche Untersuchung vorausgesetzt werden. Böchers lange Litera - zur Beschreibung der Sozialgestalt der Kirche in turliste (29ff.) bietet reiche Möglichkeiten für der neueren evangelischen Ekklesiologie“ mit weitere Studien an. dem Prädikat magna cum laude beurteilt wur - Das bekannte, 1889 von dem Kreuznacher de, und der die mündliche Prüfung am 15. Juli Bildhauer Carl Cauer und seinen Söhnen ge - 2009 mit summa cum laude bestanden hat, die schaffene Denkmal für Franz von Sickingen Würde und Rechte eines und Ulrich von Hutten (Bild auf dem Umschlag Doktors der Theologie (Dr. theol.). des Heftes) steht bei Böcher auch für eine kriti - sche Sicht der Geschichte der Burg und ihrer Der Dekan Metaphorik als „Denkmal deutscher Einheit Prof. Dr. Albrecht Beutel und Größe“, als deren „Vorkämpfer“ beide Münster/Westf., den 30. Oktober 2009

23 AUCH DAS NOCH

Die Kirchen entdecken Twitter:

Als erste deutsche Diözese steigt das Bistum Limburg bei dem sozialen Online-Netzwerk ein. Mit Hilfe des Internet wolle das Bistum „Brücken der Kommunikation zwischen Him - mel und Erde“ bauen, sagte Bischof Franz-Pe - ter Tebartz van Elst. Es sei eine „echte Heraus - forderung, Substanzielles durch Virtuelles zu transportieren“. Dies versuche das Bistum ab sofort auch mit den maximal 140 Zeichen lan - gen Texten auf www.twitter.com/BistumLimburg . Die Evangelische Kirche in Deutschland will unterdessen die komplette Bibel twittern: Für die Kirchentagsaktion hatten Theologen die Bibel in 3900 Abschnitte aufgeteilt.

aus: Oberhessische Presse, 2. 6. 2009

Zum Spätsommer eine nagel - neue weißblaue PLZ? • biete aus dringenden fam. Gründen elkb gegen ekhn, bevorzugt z. Schulbeginn nach den Sommerferien 1 • 18 ⁄2 aktive Dienstjahre (Gesch.füh., Kitas, Soz.stat.). Zus.qual. KSA in Vorb.

Wer an einem Tausch interessiert ist, melde sich bitte bei: Hans-Martin Meuß Evangelischer Pfarrer Storchenweg 14 D-92637 Weiden i. d. Opf. Tel. 0961-3817656 Fax 0961-3817655 mail [email protected]

24 Herausgeber und Verleger: Ev. Pfarrerinnen- und Pfarrerver - Freiligrathstraße 8, 64285 Darmstadt, Tel. (0 61 51) 602-0, Fax ein in Hessen und Nassau e.V., Geschäftsstelle: Melsunger (0 61 51) 60 28 98; Pfr. Wilfried Stötzner, Kirchstraße 11, 07924 Zie - Straße 8A, 60389 Frankfurt, Tel. (0 69) 47 18 20 / Fax (0 69) genrück, Tel. (03 64 83) 2 22 58, Fax (03 64 83) 2 25 93; 47 94 87 sowie der Pfarrverein Kurhessen-Waldeck e.V., Pfr. Dierk Glitzenhirn, Korbacher Str. 215, 34132 Kassel, Tel. Geschäftsstelle Ev. Gemeindeamt, Barfüßertor 34, 35037 Mar - (05 61) 40 13 77, Fax (05 61) 4 00 90 09; Pfr. Werner Böck, Hoch - burg, www.ekkw.de/pfarrerverein. städter Straße 40a, 60389 Frankfurt, Tel. (0 69) 47 88 45 28. Redakteure: Pfr. Maik Dietrich-Gibhardt, Rosenstr. 9, 35096 Druck: Plag, gemeinnützige Gesellschaft zur Entwicklung Weimar, Tel. (0 64 21) 97 15 86; Pfrin. Susanna Petig, Karthäu- neuer Arbeitsplätze mbH, 34613 Schwalmstadt. ser Str.13, 34587 Felsberg-Gensungen, Tel. (0 56 62) 44 94 / Der Bezugspreis ist durch den Mitgliederbeitrag abgegolten. Fax (0 56 62) 67 45. ISSN – 0941 – 5475 Redaktionsanschrift: Pfr. M. Dietrich-Gibhardt, Haspelstr. 5, 35037 Marburg, Tel. (0 64 21) 91 26 13 / Fax (0 64 21) 91 26 33, Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe: 2. 3. 2010 E-Mail: [email protected]. Redaktionskommission: Dekan i.R. Lothar Grigat, Kasselweg 20, 34225 Baunatal-Großenritte, Tel. (0 56 01) 89 57 76; Pfr. Kurt Rainer Klein, Pfaffenwaldstr. 21, 55288 Schornsheim, Tel. (0 67 32) 33 67; Pfr. Dr. Martin Zentgraf, Hess. Diakonieverein,

Inhalt: Namentlich gekennzeichnete Beiträge erscheinen unter ausschließlicher Verantwortung der Verfasser. Editorial ...... 2 Anton Praetorius (1560 – 1613) Die persönlichen Nachrichten werden ohne Gewähr Erinnerung an einen Kämpfer mitgeteilt. gegen Hexenprozesse und Folter Hartmut Hegeler ...... 3 125 Jahre Rudolph Zentgraf – Sein Leben und Wirken vom Kaiserreich bis zur Bonner Demokratie Klaus-Dieter Grunwald ...... 9 Rudolph Zentgraf zum 125. – Erinnerungen eines Enkels Gerhard Roos ...... 14 Die EKHN ohne ihr Leitendes Geistliches Amt? Über Verlust und Folgen bei Abschaffung des kollegialen Bischofsamtes Helmut Kern ...... 15 Einladung zur öffentl. Gesamtausschusssitzung am 27. April 2010 in Kassel ...... 18 In Memoriam „So, dann kann ich ja jetzt ruhig sterben“ Rüdiger Haug ...... 19 Randnotiz – Anruf eines Ruheständlers Heinz-Günter Beutler-Lotz ...... 20 Einladung zum 3. Theol. Studientag für Pfarrerinnen und Pfarrer im aktiven Dienst am 22. März 2010 in Marburg ...... 21 Für Sie gelesen ...... 21 Wir gratulieren ...... 23 Persönliche Nachrichten aus den drei Pfarrerinnen- und Pfarrervereinen ...... 24 Auch das noch ...... 27 Mittelteil: Postvertriebsstück D 1268 F Jahres-Inhaltsverzeichnis 2009 Gebühr bezahlt beim Postamt Frankfurt 1 Einladung zum Pfarrtag am 28. April 2010 Abs.: Pfarrerverein, Melsunger Straße 8 A für Kurhessen-Waldeck 60389 Frankfurt

25 SMA Gebäude 8 Anfahrtsbeschreibung

Anfahrt mit dem Auto SMA Solar Technology AG Sonnenallee 1 Aus Norden oder Süden 34266 Niestetal, Über die A7 Frankfurt – Hannover bis zur Ausfahrt Kassel Nord. Tel.: +49 561 9522 0 Fax: +49 561 9522 100 Dort weiter in Richtung Niestetal-Sandershausen. An der dritten Kreuzung in Richtung Sandershausen. Nach dem Ortschild finden Service Center Solar-Technik Sie direkt auf der linken Seite SMA. E-Mail: [email protected] Bitte folgen Sie der Ausschilderung zum Besucherparkplatz. Internet: www.SMA.de

Aus Westen Über die A44 -Kassel bis zum Südkreuz Kassel. Dort auf die A7 in Richtung Hannover. Dann weiter siehe oben.

Aus Osten Über die A2 Hannover – Berlin auf die A7 in Richtung Kassel oder über die A4 aus Erfurt bis zur A7 in Richtung Kassel.

Absender:

Name: Vorname:

Straße: Wohnort: Pfarrtag 2010 für Kurhessen-Waldeck Mittwoch, 28. April 2010, SMA – Niestetal Sonnenallee 1, 34266 Niestetal (bei Kassel)

Krisenethik und/oder Ethikkrise? Die Bedeutung einer Unternehmensethik in Krisenzeiten des wirtschaftlichen Handelns Liebe Kolleginnen und Kollegen im Pfarramt unserer Kirche!

Ich lade Sie alle erneut auf diesem Weg ganz herzlich ein zum diesjährigen „Pfarr - tag“ (der wievielte in der nun fast 120jährigen Geschichte unseres Vereins dies wohl ist?). Wieder einmal soll dieser Tag etwas ganz Besonderes sein: Wir haben eine Anregung unseres Bischofs aus dem Juni 2009 aufgegriffen, indem er die Gemein - den und Kirchenkreise in Krisenzeiten aufforderte, auf Unternehmen und Mitarbeiter zuzugehen und das Gespräch zu suchen. Und so kam uns die Idee, eines der erfolgreichsten Unternehmen, das auch in die - sen schwierigen Zeiten noch deutlich expandiert und in Nordhessen dabei rund 500 neue Jobs geschaffen hat, zu besuchen: SMA in Niestetal. Das ist schon sensatio - nell: der Solartechnikhersteller stemmt sich nicht nur erfolgreich gegen die globale Wirtschaftskrise, sondern hat sogar im letzten Jahr seinen Umsatz noch gesteigert und baut zudem in den USA ein neues Werk, weitet seine Kapazitäten aus. Aber es geht uns nicht nur um einen Besuch, sondern wir wollen in diesen globalen Krisen - zeiten die Frage nach der Bedeutung der Ethik im Bereich der Wirtschaft stellen! Wir wollen dies aber nicht so tun, dass wir anderen von unserer kirchlichen, theolo - gischen Warte aus „Nachhilfe in Ethik“ geben, sondern indem wir einem Menschen zuhören, der selbst in hohem Maß ethische Verantwortung in unternehmerischer Perspektive wahrzunehmen versucht: ein Vertreter der Geschäftsleitung von SMA wird sich dem Thema der Ethik in der gegenwärtigen Krise der Wirtschaft anneh - men und zugleich der Frage nachgehen, ob sich diese Krise nicht zugleich auch als eine Krise der Ethik zeigt! Also: lassen Sie sich zum Besuch des Pfarrtags 2010 motivieren und seien Sie un - sere Gäste: Sie als Mitglieder unseres Pfarrvereins, aber ebenso Sie, die Sie als Nichtmitglieder Interesse an der Thematik zeigen.

Ich jedenfalls würde mich freuen, Sie im Namen unseres Vorstands begrüßen zu können als Ihr Lothar Grigat, Vorsitzender. Programm zum Pfarrtag in Kurhessen-Waldeck: Dienstag, 27. April 2010: 15.00 Uhr Vorstandssitzung 16.30 Uhr öffentliche Gesamtausschusssitzung beides im Best Western Hotel Kassel ca.19.00 Uhr gemeinsames Abendessen, Tagesausklang

Mittwoch, 28. April 2010: 9.00 Uhr Ankommen, Stehkaffee 9.30 Uhr Andacht (Dekanin Carmen Jelinek, Kaufungen) 10.00 Uhr Grußworte 10.15 Uhr Unternehmenspräsentation SMA (N.N.) anschl. Referat: „Die Bedeutung der Unternehmensethik in Krisenzeiten des wirtschaftlichen Handelns“ 11.15 Uhr Kaffeepause 11.45 Uhr Rückfragen und Diskussion im Plenum ca. 12.30 Uhr Mittagessen/Pause 13.30 Uhr Führung und Werksbesichtigung der Fa. SMA ca.15.00 Uhr Ende des Pfarrtags

Bitte Anmeldung zurück bis spätestens 29. März 2010 an:

Pfarrverein Kurhessen-Waldeck e.V. Dekan i.R. Lothar Grigat, Kasselweg 20, 34225 Baunatal e-mail: [email protected]

Verbindliche Anmeldung:

Ich nehme teil am Pfarrtag 2010 allein ¤ zusammen mit Person/en ¤ Ich nehme am Mittagessen teil allein ¤ mit Person/en ¤ Ich brauche eine Übernachtung 27./28.4. DZ EZ

Unterschrift CD erstes Babenhäuser Pfarrerkabarett . . . 172 Autoren – Mitarbeiter/innen Christoph Bergner: Die Kirche und das Becker, Dieter ...... 56 liebe Geld ...... 173 Bergner, Heinz ...... 24 Joachim Friebe: „Ich bin da“ – der alte Name für Gott ...... 173 Böck, Werner ...... 71, 85, 154 Marion Kohl-Eckhardt u. a.: Atempausen . 174 Britz, Ulrich ...... 9 Wolfgang Dietrich: Wach im Alter – Dienst, Karl ...... 49, 63, 119, 175 Tagesbücher ...... 175 Dietrich-Gibhardt, Maik ...... 28, 145, 174 Drüner, Hermann ...... 167 Leserbriefe – Leserforum Eckhardt, Erika ...... 60 Stefan Weiß: zu Grigat „Energiepolitisches Fritsch, Mathias ...... 173 Denken“ ...... 24 Goeze, Harald ...... 28 Heinz Bergner: zu Reiner Braun, Leitungsstrukturen EKHN ...... 24 Grigat, Lothar ...... 95, 173 Gerhard Roos zu Heinz Bergner – Grunwald, Klaus-Dieter ...... 142 Strukturen? – Personen! ...... 61 Haupt, Jens ...... 107 Dietgart Meyer zu Waßmanns Buch Hederich, Michael ...... 22 Ostpfarrer ...... 62 Heymel, Michael ...... 25, 40 Werner Böck zu Ralf Ruckert in Nr. 2 ...... 85 Hilmes, Christian ...... 111 Thomas Volz zu den Verfasserangaben . . .170 Peter Kratz zu Eberhard Pausch, Barmen . .171 Hofmann, Frank-Matthias ...... 81 Werner Rehkopf zu „Du, Herr Pfarrer“ – Holzbrecher, Sigrid ...... 74 Anrede wie? ...... 171 Kammer, Otto ...... 27, 62, 86, 101 111, 145 Körner, Johannes ...... 162 Persönliche Nachrichten Kratz, Peter ...... 171 Jubiläen, Freud und Leid aus den Kremer, Raimar ...... 76 Pfarrvereinen: ...... 33, 64, 89, 112, 147, 176. Magirius, Georg ...... 109 Malkemus, Friedrich ...... 169 auch das noch: Martin, Karl ...... 135 Jesus starb an einer schlimmen Krankheit . .35 Meyer, Dietgart ...... 62 Vierzehntägiger Gottesdienst – zu lang? . . 67 Trauung – wunschgemäß ...... 91 Michaelis, Martin ...... 3, 155 Euroschecks für den Herren ...... 115 Neie, Herbert ...... 146 Minderheitskirche ...... 151 Pausch, Eberhard ...... 128 Einmischen ...... 179 Rehkopf, Werner ...... 171 Renz, Sebastian ...... 12 Schriftleiterwort – Editorial Roos, Gerhard ...... 61 ...... 2, 38, 70, 94, 118, 154. Ruckert, Ralf ...... 58 Schäfer, Karl Heinrich ...... 22 Sommer, Regina ...... 166 Tödt, Ilse ...... 29 Triebel, Lothar ...... 122 Volz, Thomas ...... 171 Weiß, Stefan ...... 24 Zentgraf, Martin ...... 39, 173

IV 1 – 6 D 1268 F Jan. – Dez. 2009 t t a l b r r a f

Zweimonatsschrift für Pfarrerinnen und Pfarrer P

s e h c s i s s

e Jahrgang 2009 Inhaltsverzeichnis H Theologie – Kirche – kirchliche Praxis und Hermann Drüner: Fairer Handel als Ordnung Aufgabe der Christenheit ...... 167 Ulrich Britz: Friedrich Malkemus: Vom öffentlichen Gemeinden stärken, nicht schwächen. Umgang mit dem Suizid in Seelsorge Ruhestandspfarrer/innen zur KO und Presse ...... 169 der EKHN ...... 9 Sebastian Renz: Zur Kirchengeschichte Sühne im gesellschaftlichen Diskurs ...... 12 Michael Hederich: Zur Erinnerung an Karl Dienst: Karl Bernhard Ritter – Der Gemeindemythos in der Evangelischen Außenseiter mit Erfolg ...... 22 Kirche in Hessen und Nassau ...... 49 Michael Heymel: Zum 25. Todestag von Ralf Ruckert: Thesenpapier Kirchensteuer Martin Niemöller 1892–1984 ...... 40 Gebühren für ein gutes Programm ...... 58 Karl Dienst: Einige Anmerkungen zum Werner Böck: Die ersten 100 Tage. – Calvin-Jubiläum Gespräch mit dem neuen Kirchenpräsidenten Zwischen Historie und Metapher ...... 119 der EKHN, Dr. Volker Jung ...... 71 Eberhard Pausch: Zur bleibenden Aktualität Raimar Kremer: Palliativ-Seelsorge – der Barmer Theologischen Erklärung neueste Entwicklungen ...... 76 Otto Kammer: Barmen: Präludium einer Theologie der Freiheit ...... 128 Kirchenleitung als Visitation ...... 101 Jens Haupt: Was ein gutes FSJ für Kirche Klaus-Dieter Grunwald: Die EKHN wertet ihre und Diakonie bedeuten kann ...... 107 Kirchenkampfdokumentation aus – Ein Bei- trag zur regionalen Erinnerungskultur . . . 142 Von der Initiative zur Institution – Notfallseelsorge ...... 109 Eberhard Pausch: Zur bleibenden Aktualität Beruf Pfarrer der Barmer Theologischen Erklärung/ Chancen und Grenzen des Pfarrberufs – Barmen: Präludium einer Theologie der Studientag 23. März ...... 11 Freiheit ...... 128 Dieter Becker: Neuerungen pastoraler Karl Martin: Denkanstöße für eine Revision Wohnqualität und der Zuweisung der Kirchenordnung (KO) und der kirchlicher Finanzmittel ...... 56 Kirchengemeindeordnung (KGO) der Sigrid Holzbrecher: Verfahren nach EKHN – Gemeindebildung … ...... 135 10 Jahren Inhaberschaft (Bilanzierung) . . . . 74 Johannes Körner: Das Profil des Protestantismus. Berichte – Erfahrungen – Vorgänge Zur Schrift der theologischen Kammer der EKKW ...... 162 Ulrich Britz: Gemeinden stärken, nicht Regina Sommer: Zur Theologie und Praxis schwächen. Ruhestandspfarrer/innen der Kindertaufe unter Einbeziehung der zur KO der EKHN ...... 9 Elternperspektive ...... 166 Erika Eckhardt: Hans-Dieter Credé zeigt Friedrich Malkemus: Vom öffentlichen Bilder zur Bibel ...... 60 Umgang mit dem Suizid in Seelsorge Werner Böck: Die ersten 100 Tage. – und Presse ...... 169 Gespräch mit dem neuen Kirchenpräsidenten der EKHN, Dr. Volker Jung ...... 71 Herausforderungen der Gegenwart – Sigrid Holzbrecher: Verfahren nach Gesellschaftliche Verantwortung 10 Jahren Inhaberschaft (Bilanzierung) . . . . 74 Sebastian Renz: Raimar Kremer: Palliativ-Seelsorge – neueste Sühne im gesellschaftlichen Diskurs ...... 12 Entwicklungen ...... 76 Frank-Matthias Hofmann: Jens Haupt: Was ein gutes FSJ für Kirche Reformatorische Impulse zu einer und Diakonie bedeuten kann ...... 107 Wirtschaftsethik in Zeiten der globalen Von der Initiative zur Institution – Finanzkrise ...... 81 Notfallseelsorge ...... 109

II Karl Heinrich Schäfer und Lothar Triebel: Verschiedenes – Hinweise Herborn als „ausstrahlender Begegnungsort Hinweis auf Weplerhaus Waldkappel als evangelischen Glaubens“ – Ferienquartier ...... 2 Leuchtfeuer einst und jetzt ...... 122 Weplerhaus Waldkappel ...... 38 Urlaub der Geschäftsstellen ...... 70 Pax-Familienfürsorge – B-Tarif ...... 89 Aus den Pfarrervereinen Auskunft gesucht: Martin Michaelis: Wann löste sich der Landesbruderrat Jahresbericht Thüringen 2008 ...... 3 der BK Nassau-Hessen auf? ...... 118 Mitgliederversammlung Frankfurt Pax-Familienfürsorge, 11. Februar 2009 ...... 18 Senioren-Unfallversicherung ...... 144 Martin Zentgraf: Vorstandsbericht 2009 . . . 39 Pflegehilfsmittel bei der Mitgliederversammlung Frankfurt Pax-Familienfürsorge ...... 154 27. April 2009 ...... 39 B-Tarif bei Pax-Familienfürsorge ...... 175 E-Mail-Adresse Verein Hessen-Nassau . . . . . 40 5. Gesamthessischer Pfarrtag Buchbesprechungen 10. Juni Langenselbold Sebastian Kuhlmann: Martin Niemöller. Zur Einladung und Programm ...... bei 52 prophetischen Dimension der Predigt . . . . . 25 Thüringer Pfarrertag 13. Mai Neudietendorf W. A. Ch. Müller: Der Irrläufer als Schöpfer der Einladung und Programm ...... 53 Evolution. – Johannes Duns Scotus und die Gesamtausschuss EKKW 9. Juni Bad Orb . . . 55 Alternative ...... 27 Urlaub der Geschäftsstellen ...... 70 Dieter Waßmann: Ostpfarrer in der EKKW Einladung Emeriten-Kolleg Oktober 2009 ab 1944/45 ...... 28 in Arnoldshain ...... 94 Predigten aus Marburg – Lothar Grigat: Aufbruch Gemeinde – eine Buchempfehlung ...... 28 Vorstandsbericht EKKW ...... 95 Karl Martin (Hg): Dietrich Bonhoeffer. Herausforderung zu verantwortlichem Thüringer Pfarrverein: Einladung zur Glauben, Denken und Handeln ...... 29 Mitgliederversammlung 30. September . . .105 Kurt Rainer Klein: Du bist der Weg – Martin Michaelis: Jahresbericht Thüringen 155 Pilger-Werkbuch ...... 62 Vorstandswahl Thüringen ...... 161 Kurt Roeske: Venus und Aphrodite ...... 63 Einladung Mitgliederversammlung Karl Dienst: Zwischen Wissenschaft und Hessen-Nassau 2010 mit Programm ...... 161 Kirchenpolitik ...... 86 E. Gräb-Schmidt und W. Achtner (Hg.): Von Personen Was ist Religion? ...... 87 Michael Hederich: Zur Erinnerung an Karl Eugen Eckert u. a. (Hg.): Gesangbuch der Bernhard Ritter - Ev. Studierendengemeinden ...... 88 Außenseiter mit Erfolg ...... 22 Helmut Fischer: Schöpfung und Urknall . . . 88 Friedrich Karl Barth: Flügel im Augenblick .109 Michael Heymel: Zum 25. Todestag von Martin Arnold/Karl Kollmann (Hg.): Martin Niemöller 1892-1984 ...... 40 Alltag reformierter Kirchenleitung ...... 111 Promotion Thorsten Waap in Marburg . . . . 67 Siegfried Krückeberg: Die Hörfunkarbeit Werner Böck: Die ersten 100 Tage. – evangelischer Kirchen in Europa ...... 111 Gespräch mit dem neuen Kirchenpräsidenten Eckard Arndt u. Heinz-Dieter Keim (Hg.): der EKHN, Dr. Volker Jung ...... 71 Mentalitätswandel? ...... 145 Kirchenpräsident Dr. Volker Jung: Die Bibel – mit Bildern von Biogramm ...... 73 Hans-Dieter Credé ...... 145 Promotion Frank Holzbrecher Klaus Döll: Evangelische Kirche im in Heidelberg ...... 176 Dritten Reich. Promotion Christina Albert in Heidelberg 176 Studie zum Streit zwischen Kreuz und Promotion Till Jansen in Göttingen ...... 176 Hakenkreuz im Kirchenkreis Eschwege . . . 146

III