Rahmenplan Saale, Be- Wertung Städtischer Garagenstandorte Durch Das Stadtplanungsamt Vom September 2004
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Die Saale in Jena – eine Flusslandschaft für Mensch und Natur Edgar Reisinger Umwelt und Naturschutz Die Saale in Jena – eine Flusslandschaft für Mensch und Natur 1 Mensch und Tier begegnen sich in Weidelandschaften in den Niederlanden ohne Probleme mbd Wenn über die Bedeutung der Saale im Form von großartigen Bauwerken im Umfeld Blickfeld einer Bürgerinitiative fielen, die die Stadtraum von Jena diskutiert wird, spie- einer parkartigen Auenlandschaft harmonisch Erlebbarkeit des Flusses zum einen und seine len Aspekte der Landschaftsästhetik eine zu vereinen. Noch heute faszinieren uns die naturschutzfachliche Aufwertung zum andern entscheidende Rolle. ersten Landschaftsgärten Kontinentaleuro- zum Ziel hat. Außerordentlich erfreulich ist pas nach englischem Vorbild, zu denen das dabei die Reaktion der Stadtverwaltung auf Dies deckt sich mit Zielstellungen des Na- Dessau-Wörlitzer Gartenreich an der Elbe und diesen Anstoß, die in der Folge mit großem turschutzes, der nach § 1 des Bundesna- der Schlosspark von Fürst Pückler an der Nei- Engagement und Tatkraft die Saale und ihre turschutzgesetzes Absatz 1 Satz 4 sich ver- ße gehören. Diese Parkanlagen, die als Orte Aue zu einem Entwicklungsschwerpunkt für pflichtet, Aspekte der Landschaftsästhetik zu der Kontemplation der idyllischen Weideland- die kommenden Jahre erkor. Ausdruck dieser berücksichtigen. schaft Arkadiens im klassischen Griechenland Entschlossenheit und vorläufiger Höhepunkt Es ist in diesem Zusammenhang erwähnens- nachempfunden sind, lösen beim Menschen ist dabei die Teilnahme der Stadt am Wett- wert, dass die hinsichtlich der harmonischen nicht von ungefähr noch heute angenehme bewerb um die Ausrichtung der Landesgar- Verbindung von Natur und Kunst am höchs- Gefühle aus. Dies ist mit nur schwer zu be- tenschau 2013. Es liegt nahe, dass bei einer ten bewerteten Kulturlandschaften Europas in schreibenden Assoziationen verbunden und Lauflänge der Saale im Stadtgebiet von ca. Auen angelegt wurden. Als Kulisse wählten beruht womöglich auf Suchbildern, die tief in 15 km die zentralen Bereiche mit Paradies die Medici bei Florenz den Arno, die franzö- unsere evolutionsbiologische Vergangenheit und Oberaue am stärksten gestalterisch be- sischen Könige die Loire und die Könige von zurückreichen1. Es ist deshalb nicht verwun- einflusst werden. Aber auch in den weniger Preußen die Fluss- und Seenlandschaft der derlich, dass die für eine Großstadt zum Teil von Stadtbebauung geprägten Abschnitten Havel. Hier gelang es, Natur und Kultur in recht naturnahen Abschnitte der Saale in das im Süden und Norden der Stadt sind Erschlie- 60 Die Saale in Jena – eine Flusslandschaft für Mensch und Natur ßungsarbeiten geplant, die dem Bürger z. B. am Obermain in Bayern und am holländi- zählen nicht nur die Kieslaicher unter den Fi- durch flussnahe Radwege und (Wieder-) schen Rhein3, die konsequent das Entwick- schen, sondern auch sehr seltene Libellenar- Herstellung von Sichtachsen eine motorisch lungsziel „Hineintragen von Dynamik in das ten der großen Flüsse. und visuell neue Qualität der Erfahrung von Gewässer und seine Aue“ verfolgen, auf ein Landschaft ermöglichen werden. Die dazu großes Regenerationspotential für den Erhalt geplanten Eingriffe, z. B. in Form von Gehölz- auch hochbedrohter Arten hindeuten. Bachmündungen renaturieren beseitigung und neuer Wegeführung, werden und Altarme anbinden andererseits von ebenfalls sehr engagierten Eine weitere erfolgversprechende Maßnah- Mitbürgern als zusätzliche Belastung für den Ufer- und Seitenerosion fördern me ist die Renaturierung kleinerer Bäche, die Umwelt und Naturschutz Naturhaushalt und Gefahr für letzte Rück- Selbstverständlich wurde auch die Saale in in die Saale münden. Sicher wird die Wie- zugsräume von hochbedrohten Organismen Jena, wie alle großen Flüsse in Deutschland, derherstellung von naturnahen Gewässern im Stadtgebiet eingeschätzt. In letzter Kon- in den letzten 150 Jahren durch den Men- – gerade im Stadtgebiet – aufgrund der Be- sequenz wird befürchtet, dass sie zu einer schen stark überformt. Deichbauten, wie auf bauung und technischer Schwierigkeiten sehr Verarmung der Tier- und Pflanzenwelt der Höhe der Ortschaft Kunitz, schneiden den schnell an ihre Grenzen stoßen, aber gerade Stadt führen, die zu Recht auch als Minde- Fluss von seinen Auengebieten ab, das Fluss- die Mündungsbereiche und flussferne Ab- rung der Lebensqualität der dort lebenden bett wurde vielfach tiefer gelegt, die Ufer schnitte spielen im Lebenszyklus von Fischen Menschen empfunden wird. Im Folgenden wurden begradigt und mit Steinpackungen zur Reproduktion, als Nahrungshabitat und soll versucht werden, Möglichkeiten aufzu- versehen, um Seitenerosion und Laufverla- während der Winterruhe eine wichtige Rolle. zeigen, wie durch geeignete und konsequent gerungen zu unterbinden. Trotzdem gibt es Als lohnenswertes Ziel für eine Renaturierung durchgeführte Maßnahmen eine naturschutz- noch heute selbst im Stadtgebiet Abschnitte ließe sich das mit einem Trapezprofil aus Be- fachliche Verbesserung in der Flusslandschaft der Saale, in denen der Fluss eine gewisse tonplatten stark überformte Fließgewässer an erreicht werden kann, um diesen Zielkonflikt Ursprünglichkeit vermittelt und Eigendynamik der Mittelwiese nennen. Eine vergleichbare zu lösen. entwickeln kann. Im Bereich des Stadtteils ökologische Funktion können auch sogenann- Wenigenjena am Camsdorfer Ufer verteilt der te Altarme der Saale erfüllen, wenn sie noch Fluss Gesteine von Kieselsteingröße über die im Kontakt zum Hauptgewässer stehen. Hier Renaturieren heißt gesamte Flussbreite, die eine standortgerech- sollte geprüft werden, ob die Stillgewässer im Fließgewässerdynamik anstoßen te Verbreiterung und Abflachung des Gewäs- Norden der Stadt in diesem Sinne aufgewer- Naturnahe Fließgewässer bilden aufgrund serbettes bewirken. Große Kieslager bieten tet werden bzw. altarmähnliche Flussstruk- ihres Strömungsmosaiks, der Sohlenstruktur hier Laichplatz für auf solche Strukturen ange- turen etwa bei Kunitz neu angelegt werden und der Übergangsbereiche der Uferstruk- wiesene Fische wie Forellen, und von hier bis können. turen das Ökosystem mit der größten Bio- in die Nähe der Saalebrücke am Jenzigweg topvielfalt bzw. besitzen die höchste Anzahl kann man seit Jahren die Entwicklung kleiner ökologischer Nischen bei minimaler Breiten- Inseln mitten im Fluss verfolgen. Diese Insel- Totholz einbringen – ausdehnung. Aus Sicht der Gewässerökologie bildung benötigt Gesteinsmaterial, das meist zur Nachahmung empfohlen und des Naturschutzes ist die naturschutz- durch Ufererosion in das Gewässer gelangt. In Vor etwa 30 Jahren begann im Naturschutz fachliche Wertigkeit eines Fließgewässers wie der Vergangenheit wurden die Ufer mit Stein- eine Diskussion, die letztlich zu bahnbrechen- der Saale davon abhängig, inwieweit eine packungen festgelegt. So ist der natürliche den Erkenntnissen über die Rolle von Totholz hydrodynamische Wechselwirkung zwischen Prozess der Anlandung von Kiesbänken und im Naturhaushalt führte. Wir wissen heute, Fließgewässer und Aue wiederhergestellt der Inselbildung selten bei unseren größeren dass mit Totholz eine fast unüberschaubare werden kann. Hierzu gehören zum einen Flüssen zu beobachten, darüber hinaus wür- Vielfalt von Organismen verbunden ist, von die eigendynamische Laufverlagerung des den sie bei einer nach Lehrbuch agierenden denen z. B. seltene Pilze, Hirschkäfer und Fließgewässers selbst und zum anderen die Wasserbehörde umgehend als potentielles Spechte unter Naturschutz stehen. Totholz Ausbildung eines naturnahen Überschwem- Abflusshindernis abgeräumt. Die vom Stadt- ist ein integraler Bestandteil jedes naturbe- mungsregimes. Diese beiden Charakteristika architekten Dr. Lerm am 9. September 2009 lassenen Gewässers. Es gelangt in beachtli- können als typisch für naturnahe Fließge- der Öffentlichkeit unterbreitete Konzeption chen Mengen in Bach und Flüsse, sei es durch wässer betrachtet werden. Man kann dies als zur Saale, die in diesem Heft publiziert wird, Ufererosion, Alterstod von Bäumen oder auch Wiederherstellung der Einheit von Fließge- enthielt Vorschläge zur Abflachung und Ent- durch die Fraßtätigkeit von Bibern. Diese Bio- wässer und Aue bezeichnen. fesselung von Uferbereichen. Genau dies sind masse fehlt aber als Nahrung und als Struktur geeignete Vorhaben, um die für den Geschie- Man geht wohl recht in der Annahme, dass in den Flüssen unserer Kulturlandschaft fast behaushalt wichtige Seitenerosion zu fördern. Flüsse und Bäche mit ihren Auen wie kaum vollständig, da die Gewässerunterhaltung aus Selbstverständlich können diese Eingriffe nur andere Ökosystemkomplexe verändert, ge- Gründen der Verkehrssicherheit insbesondere nach eingehender hydrodynamischer Prüfung schädigt, degeneriert und auch irreversibel der Brücken größere Äste und Bäume entfer- erfolgen, aber selbst eine kleinräumige Ent- zerstört worden sind und dass deshalb die nen muss. Von großem Interesse ist deshalb fernung von Uferverbauungen an geeigneten Notwendigkeit zu großzügiger Renaturierung der durch die Thüringer Landesanstalt für Stellen erhöht den Strukturreichtum, von dem oder Revitalisierung besonders groß ist2. Er- Umwelt und Geologie angeregte Modellver- eine Vielzahl der an Fließgewässerdynamik mutigend ist dabei, dass erste Ergebnisse der such, gezielt Totholz in die Saale einzubrin- gebundenen Organismen profitiert. Zu ihnen Revitalisierungen von Fließgewässern, z. B. gen. Hierbei werden Stämme im Uferbereich 61 Die Saale in Jena – eine Flusslandschaft für Mensch und Natur Umwelt und Naturschutz