Das Geschäft Mit Dem Gras Außerdem Mächtiger Konkurrenz Ausgesetzt
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TITELGESCHICHTE orsichtig setzt Stefan Denk seine Schritte zwi- schen den Reihen am Feld. Er beugt sich zu einer Pflanze hinunter und streicht mit den Fingern V über die dünnen Blätter. ›In ein paar Monaten sind die größer als ich‹, sagt er und streckt seine Arme demonstrativ nach oben. Manche der Pflanzen werden bis zu vier Meter hoch wachsen. Stefan Denk trägt Jeans und Sweater, hat breite Schultern und Schnauzbart. Drei- ßig Jahre lang baute er Weizen, Mais, Sonnenblumen und Raps an – rein biologisch. ›Nur mit Körnern verdient man heute nichts mehr‹, sagt Denk. Auf der Suche nach Ertrag und Auskommen hat der Landwirt die Nische gefunden. Stefan Denk ist jetzt Hanfbauer. Gemeinsam mit seiner Tochter Elisabeth bewirtschaf- tet er unter der Marke Biobloom 110 Hektar Boden im burgenländischen Apetlon. Acht Mitarbeiter sind Vollzeit angestellt, zur Erntezeit im Sommer befinden sich mehr als hundert Saisonarbeiter auf den Feldern. Denk produ- ziert kein Cannabis und keinen Hanfleinen für die Indus- trie. Er verarbeitet Cannabidiol (CBD), einen Inhaltsstoff der Hanfpflanze mit demselben chemischen Grundge- rüst wie Tetrahydrocannabinol, also THC, und dem ent- scheidenden Unterschied, dass CBD nicht psych0aktiv, also berauschend, sondern eher beruhigend wirkt. ›Der Handel mit Hanfprodukten ist ein total wachsen- der Markt‹, sagt Elisabeth Denk. Sie steht mit Ballerinas neben ihrem Vater auf dem Acker. Denk hat zuerst Me- dieninformation studiert, bevor sie in das Hanfgeschäft eingestiegen ist. ›Immer mehr Leute trinken Hanfblüten- tee, weil er ihnen gegen Entzündungen und Schlafstörun- gen hilft.‹ Auch die Hanfblütenöle, für die das CBD mit- hilfe von Kohlendioxid aus der Blüte herausgelöst und an- Das Geschäft schließend mit Hanfsamenöl aus kalt gepressten Hanfsa- men vermischt wird, kommen gut an. Biobloom produziert mittlerweile für die Niederlande, England, Po- len, die Schweiz und Ungarn und vertreibt seine Erzeug- nisse über eine eigene Webseite. Verkauft wird an Apothe- mit dem Gras ken, Pharmafirmen und Lebensmittelhändler. Das Unternehmen aus Apetlon steht mit seinen Kiffen war gestern: Rund um Cannabis wuchert ein CBD-Produkten längst nicht mehr alleine da. Für viele ist Hanf ›die Wunderpflanze‹ oder ›das neue grüne Gold‹ legales Millionenbusiness. Den Staat freut das wenig. und CBD, die ruhige Schwester des THC, die Verheißung, es allen recht machen zu können. Patienten hoffen auf Text: Eva Konzett und Jakob Pallinger · Fotografie:Gianmaria Gava Linderung ihrer Leiden, Naturjünger genießen den ver- meintlich gesunden Lebensstil, andere träumen vom legalen Kiffen, von CBD als dem Netflix der Hanfindust- rie. Und die Hersteller und Händler hoffen auf ein Geschäft ohne lästiges Drogenstigma. Nur, so einfach ist es nicht. Denn die Wirksamkeit von CBD ist ebenso wenig wissenschaftlich erwiesen wie die Gesetzeslage wasserdicht. Neben den rechtlichen und pharmakologischen Aspekten sieht sich das Geschäft mit dem Gras außerdem mächtiger Konkurrenz ausgesetzt. titelGESchichte Denn die Hanfpflanze als Geschäftsmodell die Kapseln. Gesund, naturrein haben nicht die Österreicher erfunden. Wäh- ›Hanf ist super‹, und zu hundert Prozent legal, rend Stefan Denk im Burgenland seine Pflan- heißt es auf der Webseite. zen tätschelt, formt sich weltweit ein Milliar- sagt Elke Moritz, Das Gesundheitsministerium denmarkt. Die eigentliche Konkurrenz sieht das anders, denn die meis- kommt aus Übersee. ›aber Kiffer sind ten CBD-Produkte enthalten Die vorläufige aus der Nachbarschaft. Nur einen Restanteil THC. Die Produ- zwanzig Kilometer von Biobloom entfernt wir keine.‹ zenten und Verkäufer von wirtschaftet im burgenländischen Gols das CBD-Produkten streiten das gar Deep Nature Project, bekannt mit der Marke nicht ab, verweisen aber stets auf Medihemp. Es ist der größte Hersteller von eine Ausnahme in der Suchtgift- CBD-Produkten in Österreich. Der Betrieb neben dem verordnung, die den Anbau von Nutzhanf mit einem Bahnhof erinnert an ein Lagerhaus. Kisten stehen auf dem THC-Gehalt von weniger als 0,3 Prozent erlaubt. Dieser Boden herum, die bereits mit den Versandadressen be- Passus existiert tatsächlich, wenn auch mit einer anderen schriftet sind. An der Wand beim Eingang hängt ein Pla- Intention. Weil das THC im Hanf nicht völlig weggezüch- kat eines Marihuanablatts. Daneben befindet sich die Ver- tet werden kann, wurde er geschaffen, um den Rohstoff kaufstheke, an der Hanföle, Cremes, Tee und Sprays ange- Hanf für die Industrie zu sichern. Als ihn Juristen einst in boten werden. die Suchtgiftverordnung schrieben, dachten sie an Segel- ›Hanf ist super!‹, sagt Elke Moritz, Geschäftsführerin tuch und Hanfseile. Dass jemand auch auf andere Nut- bei Medihemp. Sie trägt eine weite Hose und Shirt, mit ei- zungsideen kommen könnte, war nicht vorgesehen. nem orangen Band hat sie ihre Dreadlocks zusammenge- Das Gesundheitsministerium will nun die Suchtgift- bunden. ›Aber Kiffer sind wir keine.‹ Immer wieder be- verordnung als Teil des Suchtmittelgesetzes präzisieren. komme sie es mit diesem Vorwurf zu tun. Nur wegen des Man will die Katze CBD wieder in den Sack bekommen, berauschenden THC sei die ganze Pflanze verteufelt, sagt den ›Trend zur Vermarktung von Produkten, die Cannabi- sie. ›Hanf ist nicht gleich Hanf‹, heißt es deshalb auf der diol (CBD) unter Hinweis auf allerdings bislang wissen- Webseite von Medihemp. Dort wird mit den heilenden schaftlich nicht belegte positive Wirkungen im Hinblick ›Nur mit Kör- Wirkungen der Hanfpflanze geworben und Hanf als ›Vita- auf verschiedene Leidenszustände bewerben‹, stoppen, nern verdient man heute minwunder‹ bezeichnet. Um fünf Euro bekommt man den heißt es in den Erläuterungen zur Novelle. Denn rechtlich nichts mehr‹, Hanftee, gut zwanzig Euro kostet das CBD-Öl, vierzig Euro fallen Can nabisextrakt und jedes daraus erzeugte Produkt unter das Suchtmittelgesetz, wenn sieTHC enthalten. Der sagt Hanf- kommen, bliebe Machac gelassen. ›Die Verteidigungsli- Nachweis, nicht die Menge macht hier das Gift, selbst bauer Stefan nie ist klar‹, sagt er und zeichnet ein Dreieck auf ein Blatt Denk – auch wenn der THC-Wert viel zu gering ist, um psychoaktiv zu seiner Tochter Papier. Um für das Suchtmittelgesetz relevant zu sein, wirken. Der Grenzwert von 0,3 Prozent – nach der Novel- Elisabeth. müssen drei Parameter vorliegen, erklärt er: Die Hanf- Moritz’ erster lierung 0,2 Prozent – bezieht sich immer auf die Hanf- pflanze dürfte nicht im EU-Sortenkatalog, der Liste des Versuch vor pflanze, niemals auf das aus ihr erzeugte Produkt. Das Ge- EU-weit zugelassenen Saatguts, stehen, und es müsste sechs Jahren, Hanf-Stecklinge setz stellt klar, dass ›die Ausnahmebestimmung weder die einen Missbrauch gegeben haben. Nicht zuletzt müsste zu verkaufen, Verwertung der Blüten- und Fruchtstände zur Herstellung dem Verkäufer der Vorsatz nachgewiesen werden, Sucht- führte zu einem von Lebensmitteln, einschließlich Nahrungsergänzungs- gift verkaufen zu wollen. Und die Sache mit dem THC? Prozess beim Landesgericht – mitteln, oder von kosmetischen Mitteln umfasst‹. Man ›Bei 0,3 Prozent THC ist das, als würden Sie bei einem wegen ›Beitrags gehe davon aus, ›dass die gesetzliche Klarstellung von den Alkoholverbot das Fasslwasser verbieten, mit dem Sie das zum Suchtgift- derzeit illegalen Anbietern beachtet wird – wer das nicht Weinfass ausschwemmen.‹ Alle drei Parameter bei einem handel im gro- ßen Stil‹. Das tut, wird wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz CBD-Produkt nachweisen? Der Anwalt lächelt amüsiert. Geschäft mit belangt‹, erklärt eine Sprecherin. Kurios sei das Suchtmittelrecht eben, meint er dann. Aber CBD brachte ihr In der Wiener Innenstadt empfängt Arthur Machac er lebe gut davon. Das neue Interesse am Hanf bringt ihm bisher keine rechtlichen am Morgen gut aufgelegt im Büro im Stilaltbau und jedenfalls neue Mandanten. Seit Herbst vergangenen Jah- Scherereien. schüttelt den Kopf, wenn er von den Ausführungen aus res spürt er ein deutlich gesteigertes Interesse an der dem Gesundheitsministerium hört. Auf dem Holztisch Rechtslage von CBD. ›Da will jetzt halt jeder der Erste stapeln sich die Fälle in grünen Mappen, mit Filzstift ist sein. Wer der zweite Mann auf dem Mond war, weiß ja das jeweilige Rechtsgebiet auf dem Titelblatt vermerkt. auch niemand.‹ Es gehe schließlich um: ›Vü Göd.‹ Auf den meisten Mappen steht SMG – Arthur Machac ist Angefangen hat alles in den USA, wo vor einigen Jah- Anwalt in Suchtgiftfragen. Seit 15 Jahren macht er das, er ren die ersten Berichte über das Wundermittel CBD auf- vertritt beispielsweise mit der Grow City aus Brunn am tauchten. Krebspatienten, die geheilt wurden, und Ähnli- Gebirge einen der Großen im Hanfgeschäft. Einen Fall, in ches. Unerwartete Rekonvaleszenzen biblischen Aus- dem ein Mandant wegen des Vertriebs oder Besitzes von maßes, aber auch einfache Geschichten von einfachen CBD-Produkten vor den Richter gekommen ist, hat er Menschen, deren Leiden der Hanf gemildert hat. Seit der trotzdem noch nie gesehen. Und sollte es dereinst so weit Mensch sich an der Medizin versucht, haben Scharlatane AusgAbe 06/17 · 19 TITELGESCHICHTE BEZAHLTE ANzeige Kultur rockt die Stadt den Ärzten reingegrätscht. Doch beim Hanf, der ältesten pflanzen nicht für die Fensterbank kaufen, sondern ge- Kulturpflanze der Welt, liegt die Sache komplizierter. Seit rade, um die Blüten zu ernten. Das Bundeskriminalamt je- jeher hat ihn der Mensch in der Behandlung von Krank- denfalls macht beim Cannabismissbrauch einen Trend in heiten auch in unseren Breitengraden und bis tief ins 20. Richtung Eigenanbau