Wilhelm Furtwängler Symphony No
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Wilhelm Furtwängler Symphony No. 1 Württembergische Philharmonie Reutlingen Fawzi Haimor Wilhelm Furtwängler (about 1940) Wilhelm Furtwängler (1886–1954) Symphony No. 1 in B minor CD 1 1 Largo – Allegro 27'15 2 Scherzo: Allegro 10'04 T.T.: 37'22 CD 2 1 Adagio: Molto adagio, con devozione 21'05 2 Finale: Moderato assai – Largo – Allegro 29'45 T.T.: 50'52 Württembergische Philharmonie Reutlingen Fawzi Haimor John Knittel & Wilhelm Furtwängler in Ägypten (siehe auch Seite 9/ see p. 22) Ordnung der lebendigen Tradition zwischen dem schaffenden Künstler und seinem Publi- Wilhelm Furtwänglers erste Symphonie kum bestand. Dieses natürliche Spannungsfeld ging, so Furtwängler, zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit dem ... durch keinerlei Art von Bewußtsein kann einmal »Aufbruch der Atonalität« verloren und wurde durch verlorene Unschuld wiedergewonnen werden; alles immer größere propagandistische Anstrengungen er- wahre Schöpfertum aber wirkt nur im Stande der Un- setzt: »Charakteristisch für das Musikleben von heute ist schuld.1) das ungeheure Anwachsen von Theorien und ein ent- sprechendes Zurücktreten des eigentlichen Musizierens. Am 15. Dezember 1954 hätte Wilhelm Furtwängler Es ist schon fast so: Ohne durch irgendeine von der Zeit an der Bayerischen Akademie der Schönen Künste einen akzeptierte Ideologie, ohne durch ein Programm, das Vortrag halten sollen. Dazu kam es nicht mehr: Der ge- ihn als zeitgemäß ausweist, gleichsam gerechtfertigt ladene Gast erlag am 30. November, zwei Monate vor zu sein, wagt bald kein Musiker mehr, eine Note zu seinem 69. Geburtstag, in einem Baden-Badener Sana- schreiben.« torium einer Lungenentzündung. Was einstmals für den kreativen Künstler ein »Kampf Was Furtwängler dem Münchner Auditorium hätte ums Dasein« war, »in dem sich nur der Stärkste bewährt sagen wollen, blieb indes kein Geheimnis. Schon 1955 und durchsetzt«, degenerierte zu einem Subventionsbe- veröffentlichte der Zürcher Verlag Atlantis unter dem Titel trieb: Wer früher durchfiel, konnte sich »durchaus als Der Musiker und sein Publikum2) eine Druckausgabe der auf den Misthaufen geworfen betrachten. Wie anders ungehaltenen Rede, und ich kann mir durchaus denken, heute. Schon prinzipiell wird der junge Komponist in der daß einige Käufer des Heftes dasselbe mit einem stil- Öffentlichkeit als ›Garant‹ der Zukunft gehätschelt und len Seufzer der Erleichterung beiseite legten, nachdem getätschelt, ja auf Händen getragen« – so daß er es sich ihnen die hochnotpeinliche Vorstellung, es hätte sich auch leisten kann, hemmungslos drauflos zu komponie- der gesamte Inhalt der Publikation über die anwesen- ren, solange er denn nur den Schutz einer bestimmten den Honoratioren der fünf Jahre jungen Bundesrepublik Clique oder Claque genießt. Deutschland ergossen, noch rückwirkend ein beklomme- All das ist möglich, weil zumindest ein Teil der nes Magendrücken verursacht hatte. heutigen Menschheit offenbar eine ehedem unbekannt Der Musiker nämlich, der da hätte sprechen wollen, gewesene »Affinität zum ›Chaos‹« besitzt, indessen die wäre nicht der gefeierte Dirigent, sondern der Kompo- Entwicklung der Kunst sich »mehr und mehr auf die ›Ma- nist Wilhelm Furtwängler gewesen. Und der hatte wäh- terie‹ konzentriert« und an einem Punkt angelangt ist, wo rend der Ausarbeitung seines Konzeptes ein gehöriges man sich im »Gefängnis seines eigenen Verstandes« be- Quantum bitterer Pillen gedreht, die seine Zuhörerschaft findet, mit dessen Hilfe Berechnungen über die Zukunft im Laufe der weitschweifigen Ansprache hätte schlucken angestellt werden sollen, derweil der produktive Künstler sollen. die Gegenwart völlig aus den Augen verliert und »sich Dreh- & Angelpunkt der Einlassung ist die nachvoll- Vorschriften machen läßt vom Theoretiker, vom Ästhe- ziehbare Klage des Referenten über die Zerstörung der tiker« – für Wilhelm Furtwängler »der eindrücklichste Gemeinschaft und »Liebesbeziehung«3), die ehedem Anschauungsunterricht, der zwingendste Beweis dafür, 5 daß wir uns wirklich mit unserem gesamten Kunstdenken aufzutun: »Hat Beethovens Quartette mit und liest in die- in einem Gefängnis befinden wie nie eine Menschheit sen – der Stil der späten Quartette, besonders der Fuge vor uns.« schwebt ihm immer als Ideal vor«. Diese verinnerlichte, Eigentlich hätte er sich über die aktuelle Situation zweifellos durch ein gehöriges Quantum an pubertie- nicht wundern dürfen, hatte er doch schon vier Jahr- rendem Weltschmerz garnierte Positur ist beileibe nichts zehnte früher selbst ein musikalisches Weltbild entwor- Außergewöhnliches, desto weniger, wenn sie sich mit fen, das bei konsequentem Verlauf beinahe unausweich- höchster musikalischer Begabung und der ersten, glü- lich zu einer desaströsen Umkehrung aller Verhältnis- henden Schwärmerei für ein Mädchen4) verbindet, das mäßigkeiten führen mußte. Zeitgemässe Betrachtungen dem überragenden Meister der Tonkunst keinen Deut eines Musikers lautet der Titel des ausladenden, im weniger Ehrfurcht entgegenbringt – und wer zu diesem posthumen Vermächtnis publizierten Aufsatzes, den frühen Zeitpunkt bereits ein »gestandener Komponist« ist der künftige Mannheimer Operndirektor Furtwängler im wie Wilhelm Furtwängler, der wird sich mit jener gebün- Jahre 1915 verfaßte, und schon damals meint der Autor delten Vehemenz, die nur ein Knabe mit lockigem Haar mit dem Begriff des »Musikers« nicht den Dirigenten, aufzubringen vermag, dem selbstgewählten Idol und sondern den Komponisten – und zwar einen solchen, für Ideal in die Arme werfen, um aus dieser Umschlingung den sich die Arbeit nicht allein als diesseitig-alltäglicher eigene Großartigkeiten zu schöpfen. »Kampf ums Dasein« darstellt: »Der Musiker hält die Ele- Das Problem, dem sich der Komponist gegenüber- mente seines Materials als eine unendliche Reihe von sah, war also kein besonderes, sondern die Folge satt- Möglichkeiten in der Hand. Sein Schaffen ist wirklich sam bekannter Vorgänge. So ist es auch keineswegs ein Kampf, die mannigfachen Strebungen und Kräfte, befremdlich, daß in der nächsten Zeit solch vielsagende die im musikalischen Material mit den ihm eigenen har- Werke entstehen wie die zwei vokalsymphonischen monischen und rhythmischen Gesetzen ruhen, in eine Stücke nach Johann Wolfgang von Goethes Faust einheitliche Richtung zu bringen, sie zu gemeinsamer (der Geisterchor »Schwindet ihr dunkeln Wölbungen Gesamtwirkung zu zwingen.« droben« und der Religiöse Hymnus »Höchste Herrsche- Von wem Wilhelm Furtwängler das hatte, steht außer rin der Welt«) oder die deutlich der Beethoven’schen Frage: von keinem anderen als Ludwig van Beethoven, Pranke nacheifernden Drei Klavierstücke. Wir werden dem Urbild des »ringenden Komponisten«, den er über Zeugen der unwiederbringlichen Lebensphase, in der die Maßen verehrte und dem er in seiner kreativen Hal- man davon träumt, mit einem einzigen Werk die Welt tung ganz offensichtlich nachzueifern trachtete, seit er aus den Angeln zu heben, alles auf eine Karte zu setzen das Universum des »Titanen« für sich entdeckt und zum und alles auf einmal sagen zu wollen. »Hart, gewaltig, unverrückbaren Zentrum des eigenen musikalischen Kos- groß – alles Milde, alles Nachgeben des Gefühls ist ver- mos erkoren hatte. »Statt sich Land und Leute recht anzu- mieden«, bestätigt uns Adolf Furtwängler in seinen Auf- sehen, ist er mit sich beschäftigt«, notiert im Jahre 1901 zeichnungen die große Wandlung, in deren Verlauf das der Vater Adolf Furtwängler, der seinen fünfzehnjähri- ehedem unbefangen komponiert habende Wunderkind gen Sprößling auf eine archäologische Reise mit nach (man lese nur die Briefe des kleinen »Willi« an seine Griechenland genommen hat, um ihm neue Regionen Großmutter und seine Tante) alle Unschuld abgestreift 6 und die romantische Rüstung des kämpfenden Künstlers Musik entsprungen: »Das Anfangsthema des Satzes, angetan hat. eine über einen Orgelpunkt kaskadenartig in die Tiefe Die Welt aber, statt sich aus den Angeln heben zu stürzende Tongestalt, ist wie eine Vision aus der Welt lassen, reagiert gewohnheitsmäßig mit derbem Gegen- von Michelangelos ›Jüngstem Gericht‹. Dies über einen wind. Das muß Wilhelm Furtwängler erfahren, als sein ganzen Symphoniesatz durchzuhalten, war dem jungen Onkel Georg Dohrn (1867–1942), weiland Dirigent Furtwängler noch nicht gegeben, aber die Konzepti- des Schlesischen Landesorchesters und des Breslauer on war gewaltig. Nur eine im tiefsten tragische Natur Orchesterverein, im November 1903 eine Symphonie konnte solche Töne finden, und als solche hat er sich in D-dur5) vorstellt und dem siebzehnjährigen Neffen auch zeit seines Lebens empfunden,« weiß Walter Riez- damit, ohne es zu wollen, einen argen Mißerfolg be- ler, der Privatlehrer aus Jugendtagen, noch nach vielen schert. Diesen, so versichert uns im Nachwort seiner Jahren über das Stück zu sagen, das im Februar 1906 Briefanthologie der Herausgeber derselben, habe Furt- ein zweites Mal aufgeführt wird, als Vater Furtwängler wängler ebenso »gelassen« hingenommen, wie die Ab- dem just in Breslau korrepetierenden Sohn ein Konzert fuhr, die ihm in Berlin zuteil wird, wo er Joseph Joachim finanziert, bei dem dieser selbst den rund zwanzigminü- sein Streichquartett vorspielt: »Ruhig und mit absolutes- tigen, wild zerklüfteten Satz dirigiert und dafür genauso ter innerer Überlegenheit und Sicherheit«, schreibt Vater gelobt wird wie für die neunte Symphonie von Anton Adolf Furtwängler, habe er die Kritik des großen Gei- Bruckner, die er mit seinem Blick auf das »Jüngste Ge- gers (»das sei ja Unsinn, sei gar keine Musik«) über sich richt« gekoppelt hat. ergehen