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Wilhelm Furtwängler Symphony No. 1 Württembergische Philharmonie Reutlingen Fawzi Haimor Wilhelm Furtwängler (about 1940) Wilhelm Furtwängler (1886–1954) Symphony No. 1 in B minor

CD 1

1 Largo – Allegro 27'15

2 Scherzo: Allegro 10'04

T.T.: 37'22 CD 2

1 Adagio: Molto adagio, con devozione 21'05

2 Finale: Moderato assai – Largo – Allegro 29'45

T.T.: 50'52

Württembergische Philharmonie Reutlingen Fawzi Haimor

John Knittel & Wilhelm Furtwängler in Ägypten (siehe auch Seite 9/ see p. 22) Ordnung der lebendigen Tradition zwischen dem schaffenden Künstler und seinem Publi- Wilhelm Furtwänglers erste Symphonie kum bestand. Dieses natürliche Spannungsfeld ging, so Furtwängler, zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit dem ... durch keinerlei Art von Bewußtsein kann einmal »Aufbruch der Atonalität« verloren und wurde durch verlorene Unschuld wiedergewonnen werden; alles immer größere propagandistische Anstrengungen er- wahre Schöpfertum aber wirkt nur im Stande der Un- setzt: »Charakteristisch für das Musikleben von heute ist schuld.1) das ungeheure Anwachsen von Theorien und ein ent- sprechendes Zurücktreten des eigentlichen Musizierens. Am 15. Dezember 1954 hätte Wilhelm Furtwängler Es ist schon fast so: Ohne durch irgendeine von der Zeit an der Bayerischen Akademie der Schönen Künste einen akzeptierte Ideologie, ohne durch ein Programm, das Vortrag halten sollen. Dazu kam es nicht mehr: Der ge- ihn als zeitgemäß ausweist, gleichsam gerechtfertigt ladene Gast erlag am 30. November, zwei Monate vor zu sein, wagt bald kein Musiker mehr, eine Note zu seinem 69. Geburtstag, in einem Baden-Badener Sana- schreiben.« torium einer Lungenentzündung. Was einstmals für den kreativen Künstler ein »Kampf Was Furtwängler dem Münchner Auditorium hätte ums Dasein« war, »in dem sich nur der Stärkste bewährt sagen wollen, blieb indes kein Geheimnis. Schon 1955 und durchsetzt«, degenerierte zu einem Subventionsbe- veröffentlichte der Zürcher Verlag Atlantis unter dem Titel trieb: Wer früher durchfiel, konnte sich »durchaus als Der Musiker und sein Publikum2) eine Druckausgabe der auf den Misthaufen geworfen betrachten. Wie anders ungehaltenen Rede, und ich kann mir durchaus denken, heute. Schon prinzipiell wird der junge Komponist in der daß einige Käufer des Heftes dasselbe mit einem stil- Öffentlichkeit als ›Garant‹ der Zukunft gehätschelt und len Seufzer der Erleichterung beiseite legten, nachdem getätschelt, ja auf Händen getragen« – so daß er es sich ihnen die hochnotpeinliche Vorstellung, es hätte sich auch leisten kann, hemmungslos drauflos zu komponie- der gesamte Inhalt der Publikation über die anwesen- ren, solange er denn nur den Schutz einer bestimmten den Honoratioren der fünf Jahre jungen Bundesrepublik Clique oder Claque genießt. Deutschland ergossen, noch rückwirkend ein beklomme- All das ist möglich, weil zumindest ein Teil der nes Magendrücken verursacht hatte. heutigen Menschheit offenbar eine ehedem unbekannt Der Musiker nämlich, der da hätte sprechen wollen, gewesene »Affinität zum ›Chaos‹« besitzt, indessen die wäre nicht der gefeierte Dirigent, sondern der Kompo- Entwicklung der Kunst sich »mehr und mehr auf die ›Ma- nist Wilhelm Furtwängler gewesen. Und der hatte wäh- terie‹ konzentriert« und an einem Punkt angelangt ist, wo rend der Ausarbeitung seines Konzeptes ein gehöriges man sich im »Gefängnis seines eigenen Verstandes« be- Quantum bitterer Pillen gedreht, die seine Zuhörerschaft findet, mit dessen Hilfe Berechnungen über die Zukunft im Laufe der weitschweifigen Ansprache hätte schlucken angestellt werden sollen, derweil der produktive Künstler sollen. die Gegenwart völlig aus den Augen verliert und »sich Dreh- & Angelpunkt der Einlassung ist die nachvoll- Vorschriften machen läßt vom Theoretiker, vom Ästhe- ziehbare Klage des Referenten über die Zerstörung der tiker« – für Wilhelm Furtwängler »der eindrücklichste Gemeinschaft und »Liebesbeziehung«3), die ehedem Anschauungsunterricht, der zwingendste Beweis dafür, 5 daß wir uns wirklich mit unserem gesamten Kunstdenken aufzutun: »Hat Beethovens Quartette mit und liest in die- in einem Gefängnis befinden wie nie eine Menschheit sen – der Stil der späten Quartette, besonders der Fuge vor uns.« schwebt ihm immer als Ideal vor«. Diese verinnerlichte, Eigentlich hätte er sich über die aktuelle Situation zweifellos durch ein gehöriges Quantum an pubertie- nicht wundern dürfen, hatte er doch schon vier Jahr- rendem Weltschmerz garnierte Positur ist beileibe nichts zehnte früher selbst ein musikalisches Weltbild entwor- Außergewöhnliches, desto weniger, wenn sie sich mit fen, das bei konsequentem Verlauf beinahe unausweich- höchster musikalischer Begabung und der ersten, glü- lich zu einer desaströsen Umkehrung aller Verhältnis- henden Schwärmerei für ein Mädchen4) verbindet, das mäßigkeiten führen mußte. Zeitgemässe Betrachtungen dem überragenden Meister der Tonkunst keinen Deut eines Musikers lautet der Titel des ausladenden, im weniger Ehrfurcht entgegenbringt – und wer zu diesem posthumen Vermächtnis publizierten Aufsatzes, den frühen Zeitpunkt bereits ein »gestandener Komponist« ist der künftige Mannheimer Operndirektor Furtwängler im wie Wilhelm Furtwängler, der wird sich mit jener gebün- Jahre 1915 verfaßte, und schon damals meint der Autor delten Vehemenz, die nur ein Knabe mit lockigem Haar mit dem Begriff des »Musikers« nicht den Dirigenten, aufzubringen vermag, dem selbstgewählten Idol und sondern den Komponisten – und zwar einen solchen, für Ideal in die Arme werfen, um aus dieser Umschlingung den sich die Arbeit nicht allein als diesseitig-alltäglicher eigene Großartigkeiten zu schöpfen. »Kampf ums Dasein« darstellt: »Der Musiker hält die Ele- Das Problem, dem sich der Komponist gegenüber- mente seines Materials als eine unendliche Reihe von sah, war also kein besonderes, sondern die Folge satt- Möglichkeiten in der Hand. Sein Schaffen ist wirklich sam bekannter Vorgänge. So ist es auch keineswegs ein Kampf, die mannigfachen Strebungen und Kräfte, befremdlich, daß in der nächsten Zeit solch vielsagende die im musikalischen Material mit den ihm eigenen har- Werke entstehen wie die zwei vokalsymphonischen monischen und rhythmischen Gesetzen ruhen, in eine Stücke nach Johann Wolfgang von Goethes Faust einheitliche Richtung zu bringen, sie zu gemeinsamer (der Geisterchor »Schwindet ihr dunkeln Wölbungen Gesamtwirkung zu zwingen.« droben« und der Religiöse Hymnus »Höchste Herrsche- Von wem Wilhelm Furtwängler das hatte, steht außer rin der Welt«) oder die deutlich der Beethoven’schen Frage: von keinem anderen als Ludwig van Beethoven, Pranke nacheifernden Drei Klavierstücke. Wir werden dem Urbild des »ringenden Komponisten«, den er über Zeugen der unwiederbringlichen Lebensphase, in der die Maßen verehrte und dem er in seiner kreativen Hal- man davon träumt, mit einem einzigen Werk die Welt tung ganz offensichtlich nachzueifern trachtete, seit er aus den Angeln zu heben, alles auf eine Karte zu setzen das Universum des »Titanen« für sich entdeckt und zum und alles auf einmal sagen zu wollen. »Hart, gewaltig, unverrückbaren Zentrum des eigenen musikalischen Kos- groß – alles Milde, alles Nachgeben des Gefühls ist ver- mos erkoren hatte. »Statt sich Land und Leute recht anzu- mieden«, bestätigt uns Adolf Furtwängler in seinen Auf- sehen, ist er mit sich beschäftigt«, notiert im Jahre 1901 zeichnungen die große Wandlung, in deren Verlauf das der Vater Adolf Furtwängler, der seinen fünfzehnjähri- ehedem unbefangen komponiert habende Wunderkind gen Sprößling auf eine archäologische Reise mit nach (man lese nur die Briefe des kleinen »Willi« an seine Griechenland genommen hat, um ihm neue Regionen Großmutter und seine Tante) alle Unschuld abgestreift 6 und die romantische Rüstung des kämpfenden Künstlers Musik entsprungen: »Das Anfangsthema des Satzes, angetan hat. eine über einen Orgelpunkt kaskadenartig in die Tiefe Die Welt aber, statt sich aus den Angeln heben zu stürzende Tongestalt, ist wie eine Vision aus der Welt lassen, reagiert gewohnheitsmäßig mit derbem Gegen- von Michelangelos ›Jüngstem Gericht‹. Dies über einen wind. Das muß Wilhelm Furtwängler erfahren, als sein ganzen Symphoniesatz durchzuhalten, war dem jungen Onkel Georg Dohrn (1867–1942), weiland Dirigent Furtwängler noch nicht gegeben, aber die Konzepti- des Schlesischen Landesorchesters und des Breslauer on war gewaltig. Nur eine im tiefsten tragische Natur Orchesterverein, im November 1903 eine Symphonie konnte solche Töne finden, und als solche hat er sich in D-dur5) vorstellt und dem siebzehnjährigen Neffen auch zeit seines Lebens empfunden,« weiß Walter Riez- damit, ohne es zu wollen, einen argen Mißerfolg be- ler, der Privatlehrer aus Jugendtagen, noch nach vielen schert. Diesen, so versichert uns im Nachwort seiner Jahren über das Stück zu sagen, das im Februar 1906 Briefanthologie der Herausgeber derselben, habe Furt- ein zweites Mal aufgeführt wird, als Vater Furtwängler wängler ebenso »gelassen« hingenommen, wie die Ab- dem just in Breslau korrepetierenden Sohn ein Konzert fuhr, die ihm in Berlin zuteil wird, wo er Joseph Joachim finanziert, bei dem dieser selbst den rund zwanzigminü- sein Streichquartett vorspielt: »Ruhig und mit absolutes- tigen, wild zerklüfteten Satz dirigiert und dafür genauso ter innerer Überlegenheit und Sicherheit«, schreibt Vater gelobt wird wie für die neunte Symphonie von Anton Adolf Furtwängler, habe er die Kritik des großen Gei- Bruckner, die er mit seinem Blick auf das »Jüngste Ge- gers (»das sei ja Unsinn, sei gar keine Musik«) über sich richt« gekoppelt hat. ergehen lassen ... Die vordergründig vorteilhafte Wendung ändert ... was bloß für die gute Kinderstube des Filius nichts. Der Zwanzigjährige hatte seinen »Knacks« weg spricht: Weder lasse ich mir von und wird ihn nicht mehr los. Ob er, der sich auch im weismachen, es habe ihm die eisige Leipziger Ableh- Umgang mit den Werken der großen Meister stets als nung seines ersten Klavierkonzertes »durchaus keinen Komponist fühlt, weil er als schöpferischer Geist von Eindruck« gemacht, noch kann mir jemand erzählen, den Verdiensten, die er zu schätzen weiß, den Keim daß einer, der sich mit jeder Faser seines jungen, leiden- in sich trägt6) – ob er also 1928 der Münchner Zeitung schaftlichen Gemüts, gewiß auch in der Hoffnung, fortan droht, »mit öffentlicher Begründung nicht mehr nach als Komponist sein Glück und damit der Verlobten Aus- München [zu] kommen«, wofern das renommierte Blatt sichten auf eine gemeinsame Zukunft machen zu können auch weiterhin den Kritiker Alexander Berrsche in seine – daß einer, sage ich, der zwei solche Genickschläge Konzerte schicken sollte; ob er bei einer Frankfurter Auf- einzustecken hat, heitern Gemüts zur Tagesordnung führung seines Symphonischen Konzertes für Klavier und übergeht, sich nonchalant ein paar Stäubchen vom Vor- Orchester die Nerven verliert und vom Podium stürmt, hemd klaubt und mit einigen Umstehenden die jüngste weil eine von Unwohlsein überkommene Dame gegen Fortune beim Baden-Badener Roulette diskutiert ... Ende des Werkes den stickigen Saal verläßt; oder ob ... und das desto weniger, als man in jedem Au- er im Februar 1948 in Berlin bei der Generalprobe zur genblick des symphonischen Projektes den unerhörten Premiere seiner zweiten Symphonie in Ohnmacht fällt: Kampfeseifer und Eroberungswillen spürt, dem diese Das sind ein paar (willkürlich gewählte) Vorkommnisse 7 aus der Lebensgeschichte eines Künstlers, der durch Ruin des übersensiblen Mannes gewesen, der seiner seine kategorische Entscheidung fürs Dirigentenpult den Ehefrau Elisabeth noch mit über sechzig Jahren gestand, bekenntnishaften Feuereifer gewissermaßen einfriert, er käme sich bei der Aufführung eines eigenen Werks anstatt ihm mit Notenpapier und Feder so lange nachzu- vor »wie ein sechzehnjähriges Mädchen, das sich vor geben, bis ihm die Notwendigkeit der stilistischen und alten Lüstlingen ausziehen muß«. perspektivischen Erweiterung wie von selbst aufgeht und Dieses fürwahr unangenehme Gefühl (nicht jeder hat er womöglich sogar das kindliche Spiel des Erschaffens den Nerv, eine »häusliche Symphonie« in einem ameri- wiederentdeckt, das von der jugendlich-wichtigen Ernst- kanischen Warenhaus zu dirigieren) ist freilich weniger haftigkeit des Heranwachsenden überlagert worden den »Lüstlingen« als vielmehr der eigenen Befindlichkeit war. zuzuschreiben, die zu überwinden bisweilen völlig un- Für den Komponisten Furtwängler bleiben nach möglich wird, weil sich die persönlichen Dämonen mit einem zweiten symphonischen Anlauf, von dem noch zu den wunderlichsten Vorstellungen vor jeden Einfall und sprechen ist, und dem 1909 vollendeten Te Deum die jeden Vollendungsversuch legen: »Wenn ich mit dem Uhren stehen. Obwohl der eindrucksvolle Lobgesang für Quintett nur fertig werde!« ächzt Furtwängler noch am Soli, Chor und Orchester noch dreimal zu hören war,7) 24. März 1915 in seinem Brief an Karl Straube. »Die nachdem ihn Georg Dohrn im November 1910 aus der Aussicht der Leipziger Aufführung ist doch ein gewisser Taufe gehoben hatte, flüchtete sich der Künstler, wie er Stachel«, dessen belebendes Serum indes nicht ausrei- am 16. August 1946 seinem ehemaligen Hauslehrer chte, um das Vorhaben zu einem (neudeutsch gesagt) und lebenslangen Freund Ludwig Curtius offenbarte, »zeitnahen« Ende zu bringen. unter das Dach des Dirigierens, »weil ich im Begriff war, Statt dessen entstehen die Zeitgemässen Betrachtun- als Komponist zu Grunde zu gehen.« Mag sein, daß gen eines Musikers, hinter deren verzwickten Gedanken- dabei auch pekuniäre Erwägungen eine Rolle gespielt gängen sich nichts anderes als eine intellektuell raffiniert und den Schritt erleichtert haben, der 1911 nach Lübeck angelegte, gleichwohl durchschaubare Rechtfertigung und 1915 nach Mannheim führte. Eine nähere Inspek- für die Angst vor der schöpferischen Courage verbirgt. tion der Formulierung nährt allerdings den Verdacht, Wovor der Autor kapituliert, ist schnell gesagt: vor dem daß Furtwängler (der schlimmstenfalls sogar als Klavier- Material, das seiner Ansicht nach eine selbständige Ent- lehrer sein Auskommen gefunden hätte) sich in Wahr- wicklung durchmacht und den Künstler, wofern er sein heit vor einer weitaus größeren Gefahr fürchtete: vor der Metier mit dem gebotenen Ernst betreibt, in den harten, Rolle, die er »als Komponist« hätte spielen müssen. Mit dauernden Kampf zwingt, von dem bereits die Rede jedem Werk die Hoffnung auf eine »Liebesbeziehung war. Da sehe ich förmlich vor mir, wie die Melodik, zum Publikum« herbeizusehnen; immer wieder die Angst die Harmonik und alle anderen Parameter der Tonkunst vor dem Mißerfolg auszustehen; bei jeder Reproduktion unaufhaltsam vor sich hin gären oder, besser noch, von der eigenen Kreationen womöglich strukturelle, harmo- einem höheren Wesen mit einer metaphysisch-transzen- nische, rhythmische und andere Unfertigkeiten zu ent- denten Drehleier zu immer komplexeren Konstellationen decken, ohne etwas dagegen tun zu können – das geht gekurbelt werden, während auf diesem unserem kleinen ans Nervenkostüm und wäre irgendwann vermutlich der Himmelskörper am Rande einer brummkreiselförmigen 8 Galaxis ein Häuflein Unentwegter nach den vorüber- letzte Stündlein schon geschlagen. Der liebe Augu- schwirrenden Partikeln haschen, um sie unter größten stin hatte sich vorsingen lassen, daß alles hin ist; in Anstrengungen in Formen zu zwängen, die sich mit dem »Watschenkonzerten« zelebrierte das Publikum der jeweiligen »Entwicklungsstand des Materials« vertragen. Musikmetropolen eine neue Art der Gemeinschaft; und Hätte sich der Komponist mit diesem Bilde nichts für die Musikschaffenden ging es um die Lebens- und als die übertriebene »Selbstkritik oder besser Selbst- Überlebensfrage: Ob’s edler im Gemüt, ins Chaos zu zerfleischung« (Adolf Furtwängler) seiner Arbeitsweise stürzen? ob in beharrlicher Opposition zum Zeitgeist erklären wollen, wäre darüber kein Wort zu verlieren. an früheren »Entwicklungsstadien« festzuhalten? oder Problematisch wird die Sache, weil er sie zum allge- dem übermächtigem Sog zu entfliehen und auf einem mein bindenden Gesetz erhebt: Gerade ein mit allen artverwandten, jedoch sakrosankten Gebiete zu wirken, humanistischen Wassern gewaschener Geist, dem die um als Komponist eben nicht zu Grunde zu gehen ... ? Historie und ihre unendliche Kette an Irrtümern aus Unser Protagonist hat sich auf dem dritten Wege aus berufensten Mündern vermittelt worden war – gerade der Gefahrenzone gebracht, weil er sich außer Stande ein solcher hätte wissen müssen, daß in der Geschichte fühlte, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, die keine einzige »Ausschließlichkeit« zu finden ist, die der ihn mit tyrannischer Klaue knebelten. Er hatte sich die Menschheit im allgemeinen und der Künstlerschaft im Schlinge so stramm um den Hals gelegt, daß sie sich bei besonderen zum Segen gereicht hätte. jedem kreativen Impuls fester zuzog. Die abgeschnür- Daß auch die verlockende, weil die Verantwortung ten Schöpferkräfte konnten erst wieder in Wallung und ins Jenseits verlagernde Theorie von der autonomen an die Oberfläche kommen, als sich der Künstler einer Expansion der musikalischen Elemente nur im Desaster realen, jegliches Leben bedrohenden Diktatur gegen- enden konnte, liegt auf der Hand. Irgendwann wäre übersah und seine Verträge mit dieser aufkündigte: Am zwangsläufig der »Jüngste Tag«, mithin die unterste 4. Dezember 1934 nimmt Furtwängler den »Fall Hinde- Reihe des tönenden Periodensystems erreicht, so daß mith« zum Anlaß, sich aller Ämter zu entledigen. Und alles bei der kleinsten Erschütterung auseinanderflöge. nur sechs Tage später schreibt er dem schweizerischen, Auf den Trümmern dieses also entstandenen Asteroiden- damals mit seiner Familie am Nil lebenden Schriftsteller gürtels, deren Namen rundweg auf »-ismus« enden, John Knittel: »Ich habe vor einigen Tagen meine sämt- würden sich die Geretteten in ihrer Orientierungslosig- lichen Stellungen als Dirigent niedergelegt. Ich habe keit um schöpferisch zwar impotente, dafür aber wort- allerlei Aufregungen durchgemacht, aber immerhin hat gewaltig-verführerische Vordenker rotten, die ihnen eine das Ganze eine gute Seite: ich habe nun Zeit, und so »neue Mitte« und eine große Zukunft verhießen, wofern erwäge ich, ob ich nicht jetzt auf einige Zeit Ihrer schon sie bloß dem jeweiligen »Alleinvertretungsanspruch« so oft ausgesprochenen Einladung folgen könnte und zu huldigten und mit ihrem Gefolgschaftseid versprächen, Ihnen nach Aegypten kommen sollte. Bitte schreiben Sie die auf den andern planetarischen Bruchstücken vor sich mir doch recht bald, ob und wie weit dies möglich ist. hin Wirtschaftenden mit zelotischer Wut zu verketzern. Für mich handelt es sich hauptsächlich darum, meine an- Furtwängler hätte es wissen können. Und er wußte deren musikalischen Arbeiten (Kompositionen) in dieser es. Denn als er seine Betrachtungen schrieb, hatte das Zeit weiter zu fördern. Schreiben Sie mir doch bitte, ob 9 ich in Ihrer Nähe wohnen könnte, resp. ob es in Ihrer In diesen treffenden Worten ist alles zusammen- Nähe irgendwie ein stilles Zimmer mit Klavier gibt ... gefaßt, was den wiedergeborenen Komponisten Furt- Nachdem der äußere Überdruck schlagartig gewi- wängler kenn- und auszeichnet. Die Dimensionen, die chen ist, nimmt Wilhelm Furtwängler systematisch die musikalisch zu durchmessen der Jüngling erträumt hatte, Maschen wieder auf, die ihm gute zwanzig Jahre früher vermag er jetzt bis in die letzten Winkel monumental entfallen waren. Das erste Dornröschen, dem er nach auszufüllen, ohne daß merkliche Bruchstellen zu ver- langen Schlummer zum Happy End verhilft, ist die Vio- zeichnen wären – ein deutliches Indiz dafür, daß seine linsonate d-moll, die je nach Disposition ihrer Interpre- expansiven Schöpfungen tatsächlich »dem eigenen in- ten zwischen fünfzig und sechzig Minuten in Anspruch neren Gesetz und keinem abstrakten, formbildnerischen nimmt. Ihr folgt alsbald das kolossale Quintett für Kla- Ehrgeiz« gehorchen. Alles ist eine Frage des richtigen vier und Streicher, das dem Vernehmen nach ab und zu Gleichgewichts, das schon in den Zeitgemässen Be- wieder hervorgekramt, nicht aber zu einem gehörigen trachtungen definiert wurde: »... das allmähliche Erwach- Abschluß gebracht worden war. Kein Wunder, denn die sen des einen aus dem andern, die Folgerichtigkeit der ausufernden Maße, denen der Entwurf zustrebte, hätte Teile, vom einzelnen ausgehend ins Ganze strebend. Ein ein kreativer Kopf, der auch fremde Werke so intensiv andermal umgekehrt, indem eine über allen einzelnen behandelte, als seien es Stücke von ihm gewesen, nie Teilen stehende Einheit, die Einheit des Ganzen als fest und nimmer »so nebenher« mit den gebührenden Span- Gegebene, von ihrer Seite her wieder in die Teile wirkt« nungsbögen und -streben versehen können: Rund eine – kurzum letztlich eine kosmische Harmonie, die, wie es Stunde und zwanzig Minuten Musik wollen erst einmal 1953 heißt, darauf abzielt, »die ›Seele‹ des modernen durchgehalten sein. Menschen« zu erreichen. »Zur Seele kann man nur mit Das Symphonische Konzert für Klavier und Orches- der Sprache der Natur, mit einer ›natürlichen‹, keiner ter h-moll schließt sich an. Die Uraufführung findet 1937 gekünstelten Sprache sprechen.« in München statt. Der Solist ist Edwin Fischer. Der Kom- Daß er das gesuchte Equilibrium selbst in seinen ponist dirigiert. Und Alexander Berrsche, über den sich monumentalen Werken mittels einer Apothekerwaage Furtwängler nicht nur einmal geärgert hat, schreibt eine zu bestimmen versucht hat, erhellt aus der Zahl der be- Eloge. Zwar ist das dreisätzige Werk nicht, wie er be- gonnenen, abgebrochenen und verworfenen Werke so- hauptet, »ungefähr dreimal so lang wie ein Brahmssches wohl der frühen als auch der späten Jahre. Wenn irgend Konzert« (dann hätte man sämtlichen Ausführenden und etwas die vollkommen erträumten Kreise störte, blieb es Aufnehmenden zwischendurch diskret einige stärkende auf der Strecke, wie als eklatantestes Beispiel die erste Mittel reichen müssen); doch die reichlichen sechzig Mi- Symphonie in h-moll demonstriert. Furtwängler nuten sind auch nicht zu verachten – um so weniger, als hatte die Partitur vollständig ausgeführt und die Stim- sie »keine Längen« haben. Das Konzert, so Berrsche, men des Kopfsatzes herausschreiben lassen, um sich im »vergrößert die Form und tut doch dem Einfall keine Frühjahr 1943 von dem Resultat ein klingendes Bild zu Gewalt an. Indem die Themen immer mehr ins Weite verschaffen. Das gelingt nicht: »Ich hatte die Probe und streben, gehorchen sie dem eigenen inneren Gesetz und bin sehr deprimiert«, schreibt er seiner Gemahlin – setzt keinem abstrakten, formbildnerischen Ehrgeiz«. sich sogleich an ein »Nachfolgemodell« und versenkt 10 das Produkt dreier Jahre im persönlichen Orkus. hinter ihren beiden unmittelbar folgenden Geschwistern Ob sich das Orchester womöglich bei der ersten Be- in e-moll und cis-moll zurück, noch muß sie sich vor weit- gegnung bei einigen der vertrackten Rhythmen schwer- aus berühmteren Mitbewerberinnen um die Gunst eines tat, ob den Musikern die rechte Spielfreude fehlte oder größeren Publikums fürchten – vorausgesetzt, sie trifft auf Wilhelm Furtwängler sich wieder einmal wie Susanna Gemüter, die sich, Furtwänglers Empfehlung folgend, im Bade fühlte und von dem Dämon geritten wurde, der auf das Kunstwerk »einstellen«, ohne es in jedem Takte ihm verbot, sich mit der »Propagierung« seiner Werke auf seine verwandtschaftlichen, sprich: motivisch-thema- zu befassen8): Es wäre ihm jedenfalls zu raten gewesen, tisch-harmonischen und architektonischen Beziehungen das Verdikt mit einem gewissen Abstand noch einmal zu bekannteren Emanationen abklopfen zu wollen. zu überprüfen und sich daran zu erinnern, was er selbst Diese sind natürlich unvermeidlich. Schließlich sechs Jahre vor dem unseligen Probentag empfohlen steht der Komponist am vorläufigen Ende einer langen, hatte: »Auf das Kunstwerk muß man sich einstellen, ehrwürdigen Tradition, und wenn er vor diesem Hinter- d.h., es ist eine geschlossene Welt, eine Welt für sich. grund eine Symphonie von nahezu anderthalb Stunden Dies Sicheinstellen heißt Liebe. Sie ist das Gegenteil vorhat, dann ist allein schon das so viel »Bruckner« vom Abschätzen, vom Vergleichen. Sie sieht das Un- und so viel »Mahler«, daß entsprechende Nachklänge, vergleichbare, Einzigartige. Die offene Welt, die Welt Wendungen und thematische Flexionen kaum über- des abschätzenden Verstandes wird nie einem einzigen raschen können. Sie resultieren aus dem organischen Kunstwerk gerecht.« Wachstum der Musik oder steigen mitunter – wie zu Dem eigenen Erzeugnis gegenüber gebrach es dem- zeigen sein wird – als anspielende »Verneigungen« an nach an der Liebe, die er im Umgang mit den geistigen die tönende Oberfläche, unter der ein reißender Strom Kindern anderer Eltern wie von selbst verströmte: »Das, musikalischer Energien dahintreibt ... was ich höre, das, was aus der Musik kommt, ist das ... der sich rund dreißig Jahre lang verborgen ge- Wesentliche. Nicht, was ich darüber denke oder lese,« halten hatte und dem Werk, wenn man’s genau nimmt, erklärte er 1949 sein Verhältnis zum Gegenwartsschaf- den Charakter einer »Dämonenbeschwörung« verleiht. fen, dem er sich trotz seiner prinzipiell kritischen Haltung Denn Wilhelm Furtwängler hat hier auf den ersten Ver- auch nicht annähernd so schroff verweigert hat wie sei- such einer zweiten Symphonie zurückgegriffen – das ner Symphonie. zwischen 1906 und 1908 verfaßte Largo h-moll, für das Zum Glück empfand er trotz seiner »postnatalen De- mutatis mutandis dasselbe gilt wie für den »Breslauer« pression« noch so viel Respekt vor der vollbrachten Tat, Kopfsatz in D-dur: Die Grundidee ist jünglingshaft-gran- daß er die viele hundert Seiten umfassende Partitur nur dios, Aus- und Durchführung hingegen lassen mancher- verstaute, anstatt sie Fluten, Flammen oder Reißwolf zu lei Lücken offen. Diese werden unter freizügiger Ver- überantworten. Es wäre dies auch eine Schande, nein: wendung sequenzierender Formeln notdürftig verdeckt, eine Sünde wider den Geist9) gewesen, denn das Werk so daß sich im Hörer nach beschwerlichen zwanzig darf mit jedem Recht zu den überragenden Erschei- Minuten ein recht auffälliger Graben zwischen Traum nungen auf dem Gebiete der spät- oder nachroman- und Wirklichkeit auftut, der dem hypersensiblen Kom- tischen Symphonik gezählt werden: Sie bleibt weder ponisten nachgerade unerträglich gewesen sein muß. 11 Es ist nicht leicht, sich über solche Klüfte und Schlüfte zu entdeckten glaubte, lasse ich unkommentiert. Seine hinwegzusetzen und aus der Sicht des gereiften Künst- wohlwollenden Worte über Ferdinand Löwes Bearbei- lers die Defizite von einst zu beschauen. Denn aus den tung der neunten Symphonie (»eine ausgezeichnete alten Noten springt nicht nur die eine oder andere Unbe- Arbeit«) werden wir heute ebensowenig teilen wie die holfenheit der Stimmführung, Instrumentation oder Ver- »Erkenntnis« einer generellen Reprisenproblematik: arbeitung hervor: Emotionale Befindlichkeiten, hochflie- »Wiederholen, wie Beethoven oder auch noch Brahms, gende Hoffnungen, herbe Enttäuschungen, schmerzliche kann er [Bruckner] nicht mehr. Was soll er dann aber Niederlagen und womöglich der alles zum Erliegen brin- innerhalb seines sinfonischen Satzes tun? – Daher das gende Entschluß, die eigentliche Berufung zu Gunsten Loch, das vor allem die ersten Sätze meist an dieser Stel- eines ein- und erträglichen Berufs zu verraten – all das le aufweisen (4. und 7. Sinfonie). Gleichwohl ist eben kann sich wie von Geisterhand aus den schwarzen Köp- diese kritische Anmerkung von 1946 ein sehr nützliches fen und Balken, den Bögen und Kürzeln lösen und zu Mittel zum formalen Verständnis der h-moll-Symphonie, einer beklemmenden Phantasmagorie verdichten. in der Wilhelm Furtwängler es ganz offenkundig darauf Wie lange Wilhelm Furtwängler gebraucht hat, bis angelegt hat, den bei Bruckner beobachteten »Löchern« ihm beim Versuch, das Möglichste aus dem Largo in mit aller Gründlichkeit und Sorgfalt aus dem Wege zu seine erste Symphonie hinüberzuretten, ein einziges gehen – ein Vorsatz, den er eigentlich bei seinem Probe- Element übrig blieb, das wäre gewißlich der Stoff einer spiel hätte als gelungen ansehen sollen. Und auch wir, interessanten Forschung. Uns reicht es zu wissen, daß die wir an den Werken des »Gottesgeschenkes« Bruck- nur das fesselnde Hauptthema unbeschadet aus dem ner (Sergiu Celibidache) nichts tadelnswertes finden, Fegefeuer hervorging: die schneidende Abwärtssekun- werden schnell zu der Einsicht kommen, wie geschickt de, die sich nach und nach in pendelnder Sechzehn- der wiedererstandene Komponist die heiklen »Nahtstel- telbewegung auffächert und an den dramaturgischen len« zwischen Durchführung und Reprise miteinander Knotenpunkten des neuen Kopfsatzes eine herausra- verschweißt oder verschleiert hat: Im Largo-Allegro gende Rolle spielt. Tief muß der Komponist in diesen (CD 1 [1] 17:40) ist kaum zu entscheiden, ob die Kla- melodischen Nukleus hineingehorcht und darin solch rinetten mit dem Einsatz des Nebenthemas den Beginn ungeheure Spannkräfte entdeckt haben, daß er sich des letzten Formteils oder nicht doch eine neuerliche Ver- unterwand, das »historisch« vorbelastete Motiv seiner arbeitungsphase einleiten; im Finale werden wir kopfü- zweiten »Unvollendeten« zum Motto einer raumgreifen- ber in die Reprise geschleudert (CD 2 [2] 22:00); und den Architektur von kapitalem Zuschnitt umzudefinieren. im Scherzo, dieser virtuosen, in kompakter Sonatenform Er konnte sich das zutrauen, weil er in den zurück- angelegten Hommage an das große Vorbild, verschrän- liegenden Dekaden Geschichte und Gegenwart der ken sich die Abschnitte II und III unter dem mächtigen Tonkunst durchdrungen, unzählige Einsichten gewon- Gehämmer unbeugsamer Viertel, nachdem das bei nen und nicht zuletzt bei dem großen Meister von St. (CD 1 [2] 0:30) eingeschaltete Pfundsnotenmotiv fis-e-d Florian den schönsten Anschauungsunterricht genossen an Stelle des vorschriftsmäßigen Trios eine kleine, ruhige hatte. Daß er dabei aus seiner »kompositorischen« Per- Durchführung gestaltet hat. spektive bei gelegentliche Schwächen 12 Doch ich greife den Verdiensten und Geschehnissen als die klassische Sonatenhauptsatzform nebst lang- vor, derentwegen diese Symphonie, wie ich zu wieder- samer Einleitung, wobei der »offiziellen« Durchführung holen nicht müde werde, ein hohes Maß an Aufmerk- (ab 10:42) bereits in der Exposition die ersten thema- samkeit und Anerkennung verdient. Zunächst manifestie- tischen Metamorphosen voraufgehen, ohne die keiner ren sich in ihr zweifellos zwei Maximen ihres Schöpfers der spät- und nachromantischen Riesenbauten möglich aus den Jahren ihrer Entstehungszeit: daß nämlich beim gewesen wäre. Komponieren »der Wille zum Gebäude genau so stark Dieselbe schlichte Dreiteilung aus Exposition, Durch- und lebendig sein [muß] wie das unmittelbare Gefühl, führung (CD 2 [2] 10:30) und Reprise bestimmt auch die der ›Wille zum Fühlen‹« und »in einem wirklich ewigen Ordnung in dem gigantisch überbordenden Finale, das Kunstwerk [...] kein Takt unbeseelt ist, so daß es nie mög- mit seinen 820 Takten das aus »nur« 575 Takten beste- lich wäre »zu sagen, wo die Intuition, wo der Verstand henden Largo-Allegro klar hinter sich läßt und auch im beginnt.« Hinblick auf die Fülle motivisch-thematischer Gedanken Dann ist unschwer zu bemerken, daß Furtwängler sowie mit seinen vielfach offen zu Tage tretenden Anspie- trotz der Monumentalität seines Werkes darauf geach- lungen den Endgipfel der Symphonie markiert. Die Sub- tet hat, jeder übermäßigen Komplikation, in der er die stanzen selbst indes sind wieder von der Einfachheit und Ursache für die Entfremdung von Publikum und zeitge- »Allgemeingültigkeit«, die im gesamten Werke walten. nössischen Komponisten erkannte, mit einer Menge all- Der letzte Satz aus Anton Bruckners achter Symphonie gemeingültiger, mithin einfacher und einfachster Motive gleich zu Beginn, die naturhaft-idyllischen Rufe und Fi- und Themen zu begegnen: Mit Ausnahme der exotisch- guren (ab 2:30 et al.), die in immer neuen Umkehrungen melismatischen Gegenstimme, die mit dem eigentlichen auftretenden Achtelketten der ersten Takte (ein Gestus Hauptthema des Kopfsatzes Zwiesprache hält (CD 1 wie aus Bruckners Te Deum) und thematisch eingesetzte [1] ab 1:02), lassen sich alle wichtigen Substanzen Skalen, dazu so auffällige Wendungen wie das Dur- auf einprägsame Figuren und Skalenbewegungen zu- Moll (9:33 et al.), das wir sofort mit asso- rückführen, die auch in turbulentesten Phasen und allen ziieren, oder die dramatische Schnittstelle (bei 15:24), Mutationen wiedererkennbar sind. Das Nebenthema an die sich ohne weiteres das Ascende lumen sensibus des ersten Satzes (ab 4:08), das die Reminiszenzen- aus der »Symphonie der Tausend« anfügen ließe: »Das jäger begeistert in ihre Botanisiertrommel stopfen und Chaos, künstlerisch gebunden, steckt nicht weniger in als reinsten Bruckner aufspießen werden; der in Vier- der Gesamtvision eines großen sinfonischen Werkes als teln bedeutsam schreitende Hymnus (8:07); die wilden in jener Verdichtung auf einen Punkt, die man Melodie Aufwärtssprünge, die das Orchester schon im einleiten- nennen kann«, hätte Wilhelm Furtwängler im Dezember den Largo vollführt; und natürlich die messerscharfen 1954 seinen Zuhörern sagen wollen, und ich bin davon Sekunden des Mottos, die sich unter anderem in den überzeugt, daß uns die Ecksätze des Werkes zu Zeugen archaisch-terzlosen Blechbläserakkorden (3:33) wieder- einer solchen künstlerischen Bindung oder »Bannung« finden – sie alle sind unüberhörbare Orientierungsmar- machen, die in den letzten dynamischen Übersteige- ken in einer formalen Komplexität, hinter der am Ende, rungen erfolgreich abgeschlossen ist. nach Abzug aller Seitentriebe, nichts anderes bleibt 13 Nach dem derb-diesseitigen Scherzo, das ohne Ende das Ende jenes Werkes, das Wilhelm Furtwäng- Bruckner ebensowenig denkbar wäre wie ohne den ler einst in Breslau mit seinem ersten symphonischen dritten Satz der Eroica, hat Wilhelm Furtwängler das Versuch gekoppelt und dirigiert hatte? Dann wären Adagio als kontemplative Rückbesinnung eingeschaltet die gleich darauf losstürmenden Holzbläserachtel des – und das vermöge »jener Verdichtung ... die man Me- vierten Satzes in der Tat eine dezente Reflexion des Te lodie nennen kann«. Diese Melodie, das Hauptthema Deum, das nach dem Willen des Erblassers an der Stelle des Satzes, ist aus der Sechzehntelkette gewonnen, des »fehlenden«, nicht aber vermißten Finales aufgeführt die sich in der Largo-Einleitung an die absteigende werden sollte. Sekunde angeschlossen hat: Jetzt ist die Richtung der So vage diese Spekulation auch sein mag, bei einem Intervalle umgekehrt und zu der innigen Linie des »molto Künstler von Furtwänglers Kaliber sollte man eine sol- adagio, con devozione« ausgespannt. Bald tauchen che Verankerung ebenso wenig ausschließen wie die weitere Bestandteile der Introduktion auf. Die Klarinet- vielen unbestreitbaren Reminiszenzen, die seine späten tenfigur a-a-h-c (CD 2 [1] 2:39) verbirgt sich in dem Werken in den Rang von Manifesten erheben. Schließ- horrenden Vierundsechzigstel-Geflecht, mit dem die lich sind die »Kräfte der Vergangenheit [... ] zugleich komplette Streichergruppe dem Sekund-Motto des Largo Ordnungskräfte. Ordnung selber ist keine Kraft, aber sie einen vulkanisch-eruptiven Boden bereitet hatte. Die iso- macht Kräfte frei: Ohne Ordnung bleiben die tiefsten lierte Sekunde selbst meldet sich, als wär’s ein »ewig, und besten Kräfte des Menschen brach liegen. Wer aber ewig« (4:33), als Ruf des Einsamen wieder; das Kla- heute gegen eine Welt des Chaos, wie sie z.B. auch rinettenmotiv gewinnt an Schärfe, die erste Steigerung die atonale Musik darstellt, sich auf die Ordnung der beginnt, dann meldet sich plötzlich ein kaum verschlei- lebendigen Tradition stützt, muß entweder ein ebenso erter Gast (6:30): »Deine Zauber binden wieder« schei- harmloser, belangloser wie hoffnungsloser ›Idealist‹ sein nen die Streicher zu singen – es dürfte ausgeschlossen oder – das Wissen in sich tragen, daß er für die Ewigkeit sein, daß einem Künstler, der seinen Beethoven aus dem schreibe. Oder vielleicht beides zugleich? Dann hätte es Effeff beherrschte, an dieser »Stelle«, die sich mit einem Wilhelm Furtwängler erst recht nicht nötig gehabt, die der synkopischen Hauptimpulse des Werkes verbündet, Bayerische Akademie der Schönen Künste mit seinem eine derartige Ähnlichkeit ganz zufällig unterlaufen und Donnerwetter zu erschüttern. nicht aufgefallen wäre. In vier Wellen reckt sich das Adagio empor, und Eckhardt van den Hoogen jede Zinne übertrifft den dynamischen Pegel der vori- gen mit regelrecht kalkulierter Präzision: »con alcune licenze« könnten wir die Gipfel unter Zuhilfenahme eines Lineals miteinander verbinden, ohne daß wir bei Anhörung des Satzes zu sagen wüßten, »wo die Intuiti- on, wo der Verstand beginnt.« Die letzte Klimax hinter sich gelassen habend, verliert sich die Musik in einer verklärten Erinnerung an frühe Tage: Klingt da nicht am 14 1) Wilhelm Furtwängler, Gespräche über Musik, Die Württembergische Philharmonie Zürich 51954. Reutlingen 2) Ders., Der Musiker und sein Publikum, Zürich und Freiburg/Br. 1955 Als die Reutlinger Bürgerschaft nach dem Zweiten 3) Um Mißverständnisse zu vermeiden, habe ich im Weltkrieg 1945 ein professionelles Orchester ins Leben folgenden Text alle Äußerungen Furtwänglers kursiv ge- rief, schlug die Geburtsstunde der heutigen Württember- setzt, während alle anderen Zitate und relativierenden gischen Philharmonie Reutlingen (WPR). Das Orchester Bemerkungen in normalem Satz erscheinen. hat sich längst zu einem international tätigen Sinfonie- 4) Bertele von Hildebrand, die spätere Gemahlin orchester mit Mitgliedern aus ungefähr fünfzehn Natio- des Komponisten Walter Braunfels. nen entwickelt, das jährlich weit über hundert Konzerte 5) Nach Elisabeth Furtwängler hat Dohrn nur den bestreitet und die Aufgaben eines Landesorchesters erhaltenen Kopfsatz des (unvollendeten) Werkes aufge- wahrnimmt. führt. Die beiden Schwerpunkte – regionale Verankerung 6) Als leidenschaftlicher Leser Goethes dürfte er einerseits sowie Internationalität und Weltoffenheit an- diese Maxime des Herrn Geheimrates mehrfach unter- dererseits – sind Hauptmerkmale der WPR. Gleichzeitig strichen haben. wirkt sie in ihrer Region tief in die Gesellschaft hinein, 7) 1911 in Straßburg unter der Leitung des Kompo- indem sie sich mit facettenreicher, lebendiger Programm- nisten, 1913 in Essen unter Hermann Abendroth und gestaltung explizit unterschiedlichen Zuhörerschaften 1915 in Leipzig durch Karl Straube. zuwendet und durch Innovationsfreude immer wieder 8) »Ich weiß nicht, was es ist, das mich immer neue Zielgruppen erreicht. Das geschieht aus dem Be- hindert, mich mit der Propagierung meiner Werke zu wusstsein für gesellschaftliche Relevanz von Kultur und befassen. Ich habe eine ausgesprochene Abneigung da- dem Bekenntnis zur Stadt Reutlingen und dem Land gegen und muß mir jede Aufführung abringen.« Baden-Württemberg heraus. Bei ihren Gastspielen auf 9) Hier sehe ich Karl Straube beifällig nicken; er internationalem Parkett repräsentierte sie bei einer hatte Furtwängler und später auch Sigmund von Hauseg- knapp dreiwöchigen Japan-Tournee 2006 offiziell das ger immer wieder aufgefordert, mit ihren gottgegebenen Kulturleben des Bundeslandes. Doch auch bei allen »Pfunden« und Talenten zu wuchern. weiteren Tourneen und Gastkonzerten, gleich ob im Wiener Musikverein, der Berliner und Kölner Philharmo- nie, dem Concertgebouw Amsterdam, dem Konzerthaus Dortmund, dem KKL Luzern und der Tonhalle Zürich, ob in Festspielhäusern wie Salzburg und Baden-Baden oder bei Festivals wie in Ravello, Warschau (Beethoven- Verlauf der Steigerungswellen im Adagio Festival), Toblach (Gustav-Mahler-Musikwochen) oder Course of the waves of increase in the Adagio Besançon (Festival international de musique) versteht sich die WPR als musikalische Botschafterin.

15 Dabei arbeitet sie mit Künstlern wie Lang Lang oder Rundfunkaufnahmen dokumentieren die künstlerische Thomas Hampson, mit Sabine Meyer und Frank Peter Arbeit der WPR, darunter auch Weltersteinspielungen. Zimmermann, Christoph Poppen und Fazil Say ebenso Chefdirigent der WPR ist seit der Spielzeit 2017/18 der wie mit Künstlerinnen und Künstlern anderer Genres und amerikanische Dirigent Fawzi Haimor. Musikstile: Nachdem die WPR in Reutlingen eine eige- ne, seit Jahrzehnten erfolgreiche Kaleidoskop-Reihe für Fawzi Haimor Programme jenseits der großen klassisch-romantischen Dirigent Orchesterliteratur etabliert hat, wird sie regelmäßig angefragt, um mit Künstler*innen aus Bereichen wie »[…] in diesem von Fawzi Haimor äußerst kompe- Jazz (James Morrison, Till Brönner, Klaus Doldinger, tent und engagiert dirigierten Antheil-Programm.« Ute Lemper oder China Moses), Weltmusik (Natasha Thomas Schulz, Fono Forum, April 2020 Atlas, Yasmin Levy, Burhan Öcal) oder auch Musical, Latin, HipHop, Chanson (Dominique Horwitz) oder Pop Fawzi Haimor ist seit September 2017 Generalmu- (Max Mutzke) zu musizieren. In speziellen FOKUS-Ver- sikdirektor der Württembergischen Philharmonie Reutlin- anstaltungen hat sich das Orchester der Musik der Türkei gen. Die erfolgreiche Zusammenarbeit führte zu einer (2013) und der Jüdischen Diaspora (2016) gewidmet. frühzeitigen Verlängerung seines Chefvertrages bis Die WPR setzt sich intensiv für den Hörernachwuchs 2024. Im Jahr 2020 feiert die Württembergische Phil- ein und erreicht in Reutlingen mit jährlich über 25 Kinder- harmonie Reutlingen ihr 75-jähriges Bestehen. Neben und Familienkonzerten über 8000 junge Hörer*innen. den Konzerten in Reutlingen gastiert er 2020/21 mit Von der Deutschen Orchester-Stiftung wurde sie mit dem seinem Orchester u. a. in Mannheim, Berlin und im Musik- Preis »Innovatives Orchester 2019« für ihr bundesweit verein Wien. einzigartiges interaktives Livestreaming-Format NETZ- Fawzi Haimor dirigierte bereits das Orchestre Phil- WERK-ORCHESTER ausgezeichnet, mit dem sie Men- harmonique du Luxembourg, BBC Philharmonic, Or- schen im ländlichen Raum erreicht. chestre de Chambre de , NDR Radiophilharmonie 2009 erhielt sie den erstmals verliehenen BKM Bun- Hannover, WDR Funkhausorchester Köln, Deutsche Ra- despreis für Kulturelle Bildung für ein Projekt mit geistig diophilharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, Orquesta behinderten Künstlern. Für den gleichen Preis war die Sinfónica do Porto, die Oulu Sinfonia und Orchestra Sin- WPR 2014 abermals nominiert, dann für ein Musik- fonica di Milano Giuseppe Verdi. In den USA arbeitete theater-Projekt mit 250 mitwirkenden (auch komponie- er u. a. mit The Florida Orchestra, Indianapolis Sympho- renden) Kindern im Rahmen des 62. Deutschen Mozart- ny Orchestra, New West Symphony und New Mexico fests (2013). 2015 richtete die WPR in Kooperation Philharmonic. Im Juli 2017 gab er sein umjubeltes Debüt mit der Alzheimer-Gesellschaft zudem eine Konzert- beim Grant Park Festival Chicago. Er leitete außerdem reihe für Menschen mit Demenz ein, 2016/17 folgte das Qatar Philharmonic Orchestra, Kyoto Symphony mit FUGATO ein interkulturelles Musiktheater-Projekt Orchestra und das New Zealand Symphony Orchestra. mit Flüchtlingen, das aufgrund der großen Resonanz Im Mai 2018 dirigierte er bei seinem Debüt im Londoner in 2018 eine Fortsetzung fand. Zahlreiche CD- und Barbican Centre das Chineke! Orchestra im Rahmen des 16 Max Richter-Wochenendes. Höhepunkte der Saison 2019/20 waren das Debüt im Musikverein Wien mit der Württembergischen Philhar- monie Reutlingen, sowie sein Debüt beim BBC Sympho- ny Orchestra (u. a. mit Prokofjeffs 7. Symphonie), eine Tournee mit der NDR Radiophilharmonie Hannover und The King’s Singers, die Wiedereinladung zum Chineke! Orchester (u. a. mit einem Konzert im Southbank Centre) und Konzerte mit dem Virginia Symphony Orchestra. In der Spielzeit 2020/21 gastiert Fawzi Haimor mit der WPR erneut im Musikverein Wien, diesmal mit einem reinen Beethoven-Programm. Weitere Höhepunkte mit seinem Orchester sind die Saisoneröffnung mit Schos- takowitschs 7. Symphonie »Leningrader«, Konzerte mit Tianwa Yang mit Dvo Dvořáks Violinkonzert, das Neu- jahrskonzert mit Strauss’ Alpensinfonie, sowie eine Tour- nee mit u. a. Dvořáks Symphonie Nr. 9 »Aus der Neuen Welt«. Fawzi Haimor verfügt über ein breitgefächertes Repertoire mit Schwerpunkten auf der deutschen Spät- romantik und russischen und amerikanischen Kom- ponisten des 19. und 20. Jahrhunderts. Er ist außerdem ein engagierter Interpret zeitgenössischer Musik und hat bereits Werke von Mason Bates, Kareem Roustom und anderen Komponisten uraufgeführt. Fawzi Haimor wurde in Chicago geboren und wuchs im Mittleren Osten und in San Francisco auf. Bis 2015 war er Assistant Conductor und Resident Conductor beim Pittsburgh Symphony Orchestra, wo er mit Dirigenten wie Manfred Honeck, Leonard Slatkin, Gianandrea Noseda, Rafael Frühbeck de Burgos und Yan Pascal Tortelier zusammenarbeitete. Zuvor war er Assistant Conductor des Alabama Symphony Orchest- ra. In dieser Zeit gründete er das Alabama Symphony Jugendorchester und war dessen erster musikalischer Leiter. Fawzi Haimor (© Jürgen Lippert) 17 Order of the living tradition between the creative artist and his public. This natural Wilhelm Furtwängler’s first Symphony relational field, as Furtwängler argues, was lost at the beginning of the twentieth century with the »emergence … innocence once lost cannot be regained by any of atonality« and then was replaced by propagandistic sort of consciousness; but all true creative activity oper- exertions of larger and larger extent: »What is charac- ates only in the state of innocence. (1) teristic of today’s music life is the immense increase in theories and a corresponding decrease in music-making On 15 December 1954 Wilhelm Furtwängler was in the proper sense. It is already almost like this: without supposed to deliver a lecture at the Bavarian Academy some ideology or other accepted by the times, without of the Fine Arts. But things turned out otherwise: on 30 a program certifying that he is up to date, as it were, November, two months before his sixty-ninth birthday, to be legitimized, almost no musician still dares to write the invited guest succumbed to pneumonia at a sanato- a note.« rium in Baden-Baden. What for the creative artist had once been a »strug- However, what Furtwängler intended to tell his gle for existence in which only the strongest proves him- audience did not remain a secret. Already in self and prevails« had degenerated into a subsidized 1955 Atlantis of Zurich published a printed edition of business. In the past he who failed could »very much the never-delivered lecture as Der Musiker und sein Pub- regard himself as thrown onto the manure pile. How likum (The Musician and his Public), (2) and I very much different today. In principle the young composer is mol- can imagine that some purchasers of the volume set it lycoddled and pampered in public – yes, even waited aside with a quiet sigh of relief – after a highly unsettling on hand and foot, as a ‘guarantee’ of the future« – so thought had retroactively caused a queasy and uneasy that he can also afford to get right down to composing feeling in the stomach: the entire contents of this publica- without constraints, as long as he enjoys the protection tion might have been sent streaming over the assembled of a certain clique or claque. notabilities of the young German Federal Republic then All of this is possible because at least some of to- in its fifth year. day’s humans apparently possess a formerly unknown The musician, mind you, who intended to speak »affinity for ‘chaos’« while the development of art »con- would not have been the celebrated conductor but the centrates more and more on the ‘material’« and has composer Wilhelm Furtwängler. And while working reached the point where one finds oneself in the »prison out the draft of his lecture, he had produced an ample of one’s own reasoning power«; with its help calcula- quantity of bitter pills that the members of his audience tions about the future are supposed to be made while the were supposed to swallow during the course of his prolix productive artist completely loses sight of the present and discourse. »lets prescriptions be made for him by the theoretician, The central point around which everything revolves by the aesthetician.« And for Wilhelm Furtwängler this in this »joinder of issue« is the speaker’s quite under- was »the most impressive object lesson, the most con- standable complaint concerning the destruction of the vincing proof that we truly with the whole of our thinking fellowship and »love affair« (3) that had formerly existed about art find ourselves in a prison like no humans ever 18 before us.« doubtless accompanied by a significant quantity of The current state of affairs actually should not have teenage Weltschmerz is not at all anything unusual – come as a surprise to Furtwängler inasmuch as four de- and even less so when it is combined with the greatest cades earlier he himself had formulated a musical worl- musical talent and a boy’s first ardent infatuation with a dview that if followed systematically almost inevitably girl (4) who had not one iota less of veneration for the had to lead to a disastrous reversal of all proportions. towering master of the art of music. And a boy who like Zeitgemässe Betrachtungen eines Musikers (Modern Re- Wilhelm Furtwängler at this early point in time is already flections of a Musician) was the title of the extensive »a fine figure of a composer« will throw himself into his article penned by the future director Furtwängler self-chosen idol and ideal’s arms with the supercharged in 1915 and published posthumously in his Vermächtnis. vehemence that only a boy with curly locks of hair can Even then what the author meant by the term »musician« summon up, in order then from this embrace to go on to was not the conductor but the composer – and specifi- create magnificent works of his own. cally such a composer for whom work did not exclusively The problem with which the composer saw himself represent the everyday »struggle for existence« in this confronted was thus not a special one but the result of world: »The musician holds in his hand the elements of abundantly known processes. It is thus also in no way his material as an infinite number of possibilities. His strange that in the immediate future significant works creative activity is truly a battle to bring together the on the order of the two vocal symphonic pieces after manifold drives and forces residing in the musical mate- Johann Wolfgang von Goethe’s Faust (the Spirit Chorus rial with the harmonic and rhythmic laws proper to it, to »Schwindet ihr dunklen Wölbungen droben« and the make them form a united overall effect.« Religious Hymn »Höchste Herrscherin der Welt«) or the Who it was from whom Wilhelm Furtwängler got this Three Piano Pieces clearly emulating Beethoven’s style idea is beyond question: from none other than Ludwig were produced. We become witnesses to the irrecover- van Beethoven, the prototype of the »grappling compos- able phase in life in which one dreams of shaking the er,« whom he admired enormously and whom he very world to its foundations with one single word, stakes evidently endeavored to emulate by assuming a similar everything on one horse, and wants to say everything creative stance, ever since he had discovered the uni- at once. »Severe, massive, grand – all mildness, all verse of the »Titan« for himself and had chosen him as mitigation of feeling is avoided«: in his sketches Adolf the absolute center of his own musical cosmos. »Instead Furtwängler certified for us the great transformation of taking a close look at the land and its people, he is during whose course the child prodigy who had once occupied with himself.« This is what Adolf Furtwängler composed unabashedly (just read the letters of the little wrote in 1901, when he took his fifteen-year-old son »Willi« to his grandmother and to his aunt) stripped off along with him on an archeological tour of Greece for all innocence and donned the romantic armor of the the purpose of acquainting him with new regions: »Has artist militant. Beethoven’s quartets with him and reads in these – the However, instead of being shaken to its founda- style of the late quartets, especially of the fugue, is al- tions, the world reacted, as is its custom, with a harsh ways in his thoughts as an ideal.« This pensive pose contrary wind. This is what Wilhelm Furtwängler had to 19 experience when his uncle Georg Dohrn (1867–1942), stupendous. Only a most profoundly tragic disposition at the time the conductor of the Silesian Land Orchestra could find such tones, and throughout his life he felt that and the Breslau Orchestral Society, presented a Sym- he was someone with such a disposition.« This is what phony in D major (5) in November 1903 and without Walter Riezler, Furtwängler’s private tutor during his wanting to produced a horrendous flop for his seven- youth, had to say about the symphony even many years teen-year-old nephew. As the editor of Furtwängler’s an- later. In February 1906 it was performed a second time thology of letters assures us in the afterword, the boy ac- in Breslau, when Adolf Furtwängler financed a concert cepted this setback just as »unperturbedly« as the rebuff for his son, who was employed as a répétiteur there and he received in Berlin, where he played his String Quartet conducted on his own the wildly jagged and rugged for Joseph Joachim. As Adolf Furtwängler writes, his son movement of some twenty minutes in length. At this con- endured the great violinist’s criticism (»that is indeed cert he received just as much praise for his work as he nonsense, is no music at all«) »peacefully and with the did for Anton Bruckner’s ninth symphony, which he had most absolute inner superiority and self-assuredness« … coupled with his view to the »Last Judgment.« … which attests to the education in etiquette that This passing positive turn did not change anything. his filius had received at home: I will not let myself be The twenty-year-old had acquired a »complex« and fooled by the testimony of Johannes Brahms, according would never get rid of it. He always felt, even in the to whom the icy Leipzig rejection of his first piano con- company of the works of the great masters, that he was certo left behind »no impression at all.« Nor will I let a composer because he was a creative spirit who had anybody tell me that a person who with every fiber of in himself the seed of the merits that he knew how to his young, passionate soul, certainly also in the hope of value (6) – and so whether he threatened the Münch- being able in the future to seek his fortune as a composer ner Zeitung in 1928 »with a public statement of his and to offer his fiancée prospects for a future together – reasons no longer to come to Munich« insofar as the that such a person, I say, after two such rabbit punches renowned newspaper continued to send the critic Al- returned to his everyday routine in bright spirits, noncha- exander Berrsche to his concerts; or during a lantly brushed a couple of bits of dust from his shirtfront, performance of his Symphonic Concerto for Piano and and discussed his most recent fortunes with a couple of Orchestra he lost his head and stormed off the stage bystanders at Baden-Baden roulette tables … because a woman who suddenly felt ill left the stifling … and the chances are even less that he did so hall toward the end of the work; or he fell unconscious when at every moment of Furtwängler’s symphonic in February 1948 during the general rehearsal for the project one detects the tremendous lust for battle and premiere of his second symphony: these are only a few desire for conquest that gave rise to this music: »The of the (randomly selected) occurrences from the life story initial theme of the movement, a tonal form cascading of an artist who, so to speak, consigned his confessional into the depths over a pedal point, is like a vision from fiery zeal to deep freeze with his categorical decision the world of Michelangelo’s ‘Last Judgment.’ Sustaining in favor of the conductor’s desk instead of surrender- this over an entire symphonic movement was not yet ing to these flames with score paper and pen until such granted to the young Furtwängler, but the design was time as the need for stylistic and perspectival expansion 20 ignited by itself in him and he possibly even might have to the »old lechers« than to Furtwängler’s own sense of rediscovered the childlike play of creative activity that self, which by then could not possibly be surmounted had been smothered by the youthful self-importance of because his personal demons, armed with the strangest seriousness during his formative years. notions, besieged every idea and every effort at comple- After a second symphonic attempt, about which tion: »If only I could finish the quintet!« he groaned as more will be said below, and the Te Deum completed late as a letter of 24 March 1915 to Karl Straube. »The in 1909, the clocks stopped ticking for the composer prospect of the Leipzig performance is certainly a certain Furtwängler. Although this impressive hymn of praise for goad,« but its invigorating serum did not suffice to bring soloists, choir, and orchestra was repeated three more the project to a »timely end.« times (7) after Georg Dohrn had premiered it in Novem- Instead, he wrote the Zeitgemässe Betrachtungen ber 1910, the artist, as he revealed to his former private eines Musikers, a work behind whose intricate thought tutor and lifelong friend Ludwig Curtius on 16 August processes there is nothing more than an attempt to jus- 1946, sought refuge under the conductor’s roof »be- tify, intellectually refined in its design but easy enough cause I was about to go to ruin as a composer.« It may to see through, the fear of creative courage. What it be that pecuniary considerations also played a role here was in the face of which the author surrendered is also and made the step easier to take that took him to Lübeck easily enough said: in the face of the material, which in in 1911 and to Mannheim in 1915. However, closer his view goes through an independent development and inspection of this formulation fosters the suspicion that forces the artist, insofar as he practices his trade with Furtwängler (who in a worse-case scenario might have the required seriousness, into the fierce, perennial battle earned his living as a piano teacher) in truth feared a far of which we have already spoken. I see quite literally greater danger: the role that he would have had to play before me how the melody, the harmony, and all the »as a composer.« With every work to yearn for the hope other parameters of musical artistry ferment incessantly of a »love affair with the public«; again and again to en- before him – or, better, how they are cranked up into in- dure the fear of a failure; with every reproduction of his creasingly complex constellations by a higher being with own creations possibly to discover structural, harmonic, a hurdy-gurdy of metaphysical transcendence, while on rhythmic, and other imperfections without being able to this little celestial body of ours on the edge of a galaxy do anything about them – such things gnaw away at the shaped like a humming top a little band of stalwarts nervous system and at some point or other presumably scurry after the particles as they swirl by, in order with would have spelled the ruin of this hypersensitive man, the greatest exertion to force them into forms capable who when he was over sixty years old confessed to his of tolerating the particular »developmental state of the wife Elisabeth that during the performance of a work of material.« his own he felt »like a sixteen-year-old girl who has to If the composer had wanted to explain with this pic- disrobe in the presence of old lechers.« ture nothing more than the exaggerated »self-criticism This truly unpleasant feeling (not everybody has the or, better, self-laceration« (Adolf Furtwängler) involved nerve to conduct a »domestic symphony« in an Ameri- in his work method, it would not be worth wasting a sin- can department store) is of course to be attributed less gle word on it. The matter becomes problematic because 21 he elevates it to a universally binding law: precisely a and to work on a related but sacrosanct field in order not person schooled in all the humanistic disciplines, to to go to ruin as a composer? whom history and its endless chain of errors had been Our protagonist chose to follow the third path out of imparted from the most authoritative sources – precisely the danger zone because he felt that he was not in the such a person must have had to know that in history not position to meet his own standards, which held him in a single »exclusivity« is to be found that would have the grip of their tyrannical claw. He had put the noose sufficed to bring blessings on humanity in general and so tightly around his neck that it tightened all the more the artistic guild in particular. with every creative impulse. The strangulated creative That the alluring theory of the autonomous expan- impulses could first begin to surge and to reach the sur- sion of the musical elements, alluring because respon- face when the artist saw himself confronted with a real sibility is shifted into the realm of transcendence, could dictatorship posing a threat to all human life and with- only end in disaster is obvious. Some time or other the drew from his contracts with it: on 4 December 1934 »Last Judgment« necessarily would have reached the Furtwängler used the »Hindemith Affair« as an occasion bottom row of the tonal periodic table, so that everything to resign from all his posts. And only six days later he would have to fly apart at the smallest little disturbance. wrote to the Swiss writer John Knittel, who then was re- On the rubble of the asteroid belt produced in this way, siding by the Nile with his family: »A few days ago I laid with names to a one ending on »-ism,« those who are down all my posts as a conductor. I have been through saved would in their lack of orientation band together all kinds of agitation, but anyhow the whole thing has around creatively impotent but verbally impressive and a good side: I now have time, and so I am considering seductive »visionaries« who promise them a »new mid- whether for some time I might follow your invitation, dle way« and a great future as long as they simply pay expressed so often, and should come to you in Egypt. homage to the particular »claim of sole legitimacy« and Please do write to me quite soon whether and to what with their pledge of allegiance promise to engage with extent this is possible. For me what it mainly concerns is zealous rage in holy war against the infidels who do being able to further my other musical activities (compo- their business on other planetary fragments. sitions) during this time. Please do write to me whether I Furtwängler could have known it. And he did know might be able to reside near you or where near you there it. For when he wrote his Betrachtungen, the last little is something like a quiet room with a piano.« hour had already sounded. »Der liebe Augustin« had let After the outside overpressure suddenly had van- it be sung to him that everything was lost; in »scandal- ished, Furtwängler systematically picked up the stitches ous concerts« the audiences in the music metropolises that he had dropped a good twenty years before. The were celebrating a new kind of fellowship; and for those first Sleeping Beauty that he helped to a happy ending who produced music a matter of life and survival was at after a long slumber was the Violin Sonata in D minor, stake: Was it nobler in the mind to fall into chaos? Or which, depending on the disposition of its interpreter, to take arms against the spirit of the times while rigidly has a performance length of fifty to sixty minutes. It soon holding on to earlier »stages of development«? Or to es- was followed by the colossal Quintet for Piano and cape from the overwhelming vortex of the sea of troubles Strings, which from what one hears had been taken out 22 of storage now and again but had never been brought of one thing from another, the consistency of the parts, to a proper conclusion. No wonder, for the oversized starting from the individual and striving into the whole. dimensions that the sketch had aimed at reaching would Another time around, in that a unity arching over all the have been something to which even a creative mind individual parts, the unity of the whole as firmly given, who treats creations by others just as intensively as if from its side having an effect on the parts« – in short, they were his own works absolutely never »on the side« in the end a cosmic harmony that, as we read in 1953, would have been able to devote the proper suspenseful aimed at reaching »the ‘soul’ of modern man.«»To the curve and drive: roughly an hour and twenty minutes is soul one can speak only with the language of Nature, a half marathon for the human attention span. with a ‘natural’ language, not an artificial one.« The Symphonic Concerto for Piano and Orchestra The fact that Furtwängler sought with an apothe- in B minor followed. The premiere was held in Munich cary’s scale to measure the equilibrium he sought even in 1937. The composer conducted. And Alexander in his monumental works is rendered manifest by the Berrsche, about whom Furtwängler had complained not number of works begun, broken off, and rejected both merely on one occasion, wrote a hymn of praise. Al- from his early years and his late years. When some- though the three-movement work is not, as he claimed, thing or other disturbed the perfectly dreamed circle, it »approximately three times as long as the Brahms Con- remained unfinished, as the most scandalous example, certo« (in which case an elixir would have had to be that of his first Symphony in B minor, demonstrates. discreetly administered to the performers and audience Furtwängler had completed the score in full and had members during its course), the good sixty minutes are had the parts of the first movement written out for him in also not to be disdained – all the less so because they do order to form a musical picture of the result in the spring not have any »boring parts.« The concerto, as Berrsche of 1943. This was not a success: »I held the rehearsal wrote, »expands the form and yet does no violence to and am very depressed,« he wrote to his wife – and the idea. Whiling increasingly striving into the wide ex- immediately got busy with a »follow-up model« and sank panse, the themes obey their own intrinsic law and not the product of three years down into his personal Orcus. any abstract, constructive formal ambition.« Whether the orchestra possibly had its difficulties These fitting words contain in a nutshell everything on its first encounter with some of the intricate rhythms, that characterizes and distinguishes the reborn compos- whether the musicians lacked the proper performance er Furtwängler. The youth had dreamed of covering vast joy, or Wilhelm Furtwängler once again felt like Susan- dimensions in musical space, and now he was able to na in the Bath and was plagued by the demon that pre- fill them out monumentally to the last nook and cranny vented him from occupying himself with the »propaga- without noticeable breaking points to be registered – a tion« of his works: (8) in any case he would have been clear indication that his expansive creations did indeed well advised to reexamine the verdict from a certain obey »their own intrinsic law and not any abstract, con- distance and to remember what he had recommended structive formal ambition.« Everything was a matter of to himself six years prior to the dire day of the rehearsal: the proper balance that had already been defined in »One has to concentrate on the work of art, that is, it the Zeitgemässe Betrachtungen: »… the gradual growth is a closed world, a world for itself. This concentration 23 is called love. It is the opposite of calculating, of com- much »Bruckner« and so much »Mahler« that the corre- paring. It sees the incomparable, the unique. The open sponding reminiscences, elements of style, and thematic world, the world of calculating understanding, will never elaborations hardly seem surprising. They result from the do justice to a single work of art.« organic growth of the music or sometimes rise in the In other words, for his own product he lacked the form of »allusive bows« – as shall be shown – to the love that streamed from him as if automatically in his audio surface under which a torrential stream of musical dealings with the creative children of other parents: energies speeds on its course … »What I hear, what comes from the music is what is … a stream that had been hidden underground for essential. Not what I think or read about it,« he declared some thirty years and lends the work, when one takes in 1949 concerning his relationship with current creative a closer look at things, the character of an »exorcism production, which, despite what in principle was his crit- of demons.« For here Wilhelm Furtwängler drew back ical stance toward it, he did not come as close to deny- on a first attempt at a second symphony – the Largo in ing as brusquely as he did his own symphony. B minor composed between 1906 and 1908, to which Fortunately, despite his »postpartum depression,« he mutatis mutandis the same applies as to the »Breslau first had enough respect for the deed he had accomplished movement« in D major: the basic idea is of youthful en- that he merely stowed away the score of many hundreds thusiasm, but the elaboration and execution leave many of pages instead of consigning it to the floods, flames, gaps open. Sequentializing formulas were liberally used or shredder. This too would have been a shame – no, a to clad them under a scanty cover, so that after a diffi- sin against the spirit, (9) for it is a work that with com- cult twenty minutes a quite noticeable divide between plete justification may be numbered among the towering dream and reality gapes wide open in the listener, a phenomena in the field of Late Romantic or Postromantic divide that the hypersensitive composer found absolutely symphonic music. It neither lags behind the two sister unbearable. works in E minor and C sharp minor immediately follow- It is not easy to move over such jagged gaps and ing it nor does it have to worry about whether it might rugged gorges and from the perspective of the mature meet with favor from a larger public when competing artist to contemplate the deficits of earlier days. For from with much more famous musical suitors – provided that the old musical text more than just this or that clumsy it meets with minds that, following Furtwängler’s recom- moment in voice leading, instrumentation, or elaboration mendation, »concentrate« on the work of art without meets the eye: emotional states, high-flying hopes, bit- wanting to probe its every measure to test its relational ter disappointments, painful setbacks, and possibly the links, that is, motivic-thematic-harmonic and architecton- decision bringing everything to a halt: to betray one’s ic connections, to better-known emanations. genuine calling in the interest of a profitable and tolera- Such connections are of course inevitable. After ble profession – all of the above can materialize as if by all, the composer stood at what was then the end of magic from the black note heads and stems, connecting a long, time-honored tradition, and when against this lines, and contractions and assume the shape of an op- background he intended to write a symphony lasting pressive phantasmagoria. almost an hour and a half, then that by itself alone is so 24 How long Wilhelm Furtwängler needed until he was to avoid with the greatest thoroughness and care the left with one sole element from his attempt to salvage as »holes« observed in Bruckner – a mission that he actually much as possible from the Largo for his first symphony should have regarded as accomplished during the trial – now that would certainly be material for an interesting run-through. And we too, who find nothing to fault in research project. For us it suffices to know that only the the works of Bruckner, the »gift of God« (Sergiu Celibi- gripping main theme emerged unscathed from the fires dache), will quickly reach the insight that the composer of purgatory: the sharp second interval downward that risen from the dead has very skillfully welded together or gradually spreads out in swaying sixteenth motion and veiled over the tricky »seams« between the development at the dramaturgical nodal points of the new first move- section and the recapitulation: in the Largo-Allegro (CD ment plays an outstanding role. The composer must have 1 [1] 17:40) it is difficult to decide whether with the listened deep down into this melodic nucleus and have entry of the secondary theme the clarinets introduce the discovered in it such immense resilient power that he un- beginning of the last formal part or instead a new phase dertook to redefine the »historically handicapped« motif of elaboration; in the finale we are thrown head over of his second »Unfinished« as the motto of an expansive heels into the recapitulation (CD 2 [2] 22:00); and in architecture of capital design. the scherzo, a virtuosic homage, designed in compact He could muster the self-confidence to do so because sonata form, to the composer’s great model, the first and during the previous decades he had explored the history second sections are intertwined under the mighty ham- and present of the art of music, gained countless insights, mering of unyielding quarter notes after the marvelous and not least had enjoyed the finest »here’s-how-you-do- note motif f sharp-e-d is inserted (CD 1 [2] 0:30) and it instruction« from the great master of St. Florian. That presents a short, tranquil development section instead of from his »composer’s perspective« he believed that he the prescribed trio. had discovered occasional weaknesses in Anton Bruck- But I am getting ahead of myself with the merits and ner is something that I will pass over without comment. events on account of which this symphony, as I will not His well-intentioned words concerning Ferdinand Löwe’s tire of repeating, deserves a great measure of attention arrangement of the ninth symphony (»an outstanding and recognition. First of all, two maxims held by its cre- piece of work«) do not articulate an opinion that we ator during the years that he was composing it doubtless would share today, and the same applies to his »knowl- manifest themselves in it. To be specific, that while com- edge« of a general recapitulation problematic: »He posing »the will for structure [must] be just as strong and [Bruckner] can no longer repeat like Beethoven or even vivid as the direct feeling, the ‘will to feeling’« and »in a Brahms later. But then what is he supposed to do within truly immortal work of art […] no measure is soulless,« so a symphonic movement? – Therefore the hole that above that it would never be possible »to say where intuition, all the first movements display at this juncture (fourth where understanding begins.« and seventh symphonies).« Nevertheless, precisely this Then it is not difficult to observe that Furtwängler, the critical remark from 1946 is a very helpful means on the monumentality of his work notwithstanding, paid care- way to formal understanding of the B minor symphony, ful attention to having every excessive complication, in in which Wilhelm Furtwängler quite evidently undertook which he saw the cause behind the alienation of the 25 public and contemporary composers, met by a mass »universal quality« that exists in the work as a whole. of universal, sometimes simple and very simple motifs The last movement from Anton Bruckner’s eighth sympho- and themes: with the exception of the exotic melismatic ny, right at the beginning, the natural and idyllic calls counter voice that engages in dialogue with the actual and figures (from 2:30 et al.), the eighth chains in the main theme of the first movement (CD 1 [1] from 1:02), first measures repeatedly appearing in new inversions (a all the important substances can be traced back to characteristic as if from Bruckner’s Te Deum) and scales catchy figures and scale motion that can be recognized employed thematically, in addition elements as striking again even in the most turbulent phases and amidst all as the D minor (9:33 et al.) that we immediately asso- the mutations. The secondary theme of the first move- ciate with Gustav Mahler, or the dramatic interface (at ment (from 4:08), which the reminiscence hunter will 15:24) to which the Ascende lumen sensibus from the enthusiastically put into her or his specimen box and »Symphony of a Thousand« could be attached without mount as an exhibit of the purest Bruckner; the hymn further ado: »Chaos, artistically bound, lies no less in (8:07) significantly striding along in quarter notes; the the overall vision of a great symphonic work than in the wild upward leaps executed by the orchestra already concentration on a point that one can term melody.« in the introductory largo; and of course the razor-sharp Wilhelm Furtwängler intended to tell his listeners this in second intervals of the motto that among other things December 1954, and I am convinced that the framing reunite in archaic, third-less brass chords (3:33) – they movements of his work enable us to witness such an ar- are all clearly audible signposts in a complex formal tistic binding or »banning« that is successfully completed universe, behind which in the end, after all the side mis- in the last dynamic intensifications. sions have been accomplished, what remains is nothing After the robust, very much this-worldly scherzo other than a classical movement in sonata form along that would be just as little imaginable without Bruckner with a slow introduction, while the first thematic meta- as without the third movement of the Eroica, Wilhelm morphoses precede the »official« development section Furtwängler brings in the Adagio as a contemplative (from 10:42) already in the exposition without which no look back – and that on the strength of »the concentra- Late Romantic or Postromantic gigantic structure would tion … that one can term melody.« This melody, the main have been possible. theme of the movement, is derived from the sixteenth The same simple tripartite structure consisting of an chain that had followed the descending second in the exposition, a development section (CD 2 [2] 10:30), Largo introduction: now the direction of the intervals is and a recapitulation is also the determining factor in reversed and spun out to the tender line of the »molto the ordering of the gigantically oversized extent of the adagio, con devozione.« Other components of the in- finale, which with its 820 measures clearly dwarfs the troduction soon surface. The clarinet figure a-a-b-c (CD Largo-Allegro containing a »mere« 575 measures and 2 [1] 2:39) conceals itself in the tremendous sixty-fourth also in view of its wealth of motivic-thematic ideas and weave with which the entire string group from the sec- with its allusions many times coming into obvious view ond-interval motto of the Largo has prepared volcani- marks the symphony’s culminating summit. However, the cally eruptive ground. The isolated second interval itself substances themselves are again of the simplicity and again reports for duty, as if it were an »eternal, eternal« 26 (4:33), as a call of the lonely; the clarinet motif assumes or unredeemable ‘idealist’ or – carry in him the knowl- greater sharpness, the first intensification begins, then edge that he writes for all time.« Or perhaps both at the suddenly a barely veiled guest registers his presence same time? Then Wilhelm Furtwängler would not really (6:30): the strings seem to sing »Deine Zauber binden have had the need to shock the Bavarian Academy of wieder« – in this »passage,« which is combined with the Fine Arts with his verbal thunderstorm. one of the syncopated main impulses of he work, it can be ruled out that such a similarity would have complete- Eckhardt van den Hoogen ly coincidentally been generated by an artist who had Translated by Susan Marie Praeder a thorough command of his Beethoven and would not have caught his attention. (1) Wilhelm Furtwängler, Gespräche über Musik, The Adagio surges up in four waves, and every crest Zurich, fifth edition, 1954. outdoes the dynamic tide level of the one before it with (2) Idem, Der Musiker und sein Publikum, Zurich and finely calculated precision: »con alcune licenze« we Freiburg im Breisgau, 1955. could use a ruler to link the tops together without being (3) To avoid misunderstandings, in the following text able to say while listening to the movement »where in- I have set all of Furtwängler’s words in italics, while other tuition, where understanding begins.« When the music quotations and relativizing remarks occur in standard has left the last climax behind it, it gets lost in a glorified script. remembrance of early days: at the end do we not hear (4) Bertele von Hildebrand, the later wife of the com- the work that Wilhelm Furtwängler once had coupled poser Walter Braunfels. with his first attempt at a symphony and had conducted (5) According to Elisabeth Furtwängler, Dohrn per- together with it? If so, then the woodwind eighths storm- formed only the extant first movement of the (unfinished) ing on their way in the fourth movement would in fact be work. a discreet reflection of the Te Deum that in accordance (6) As an avid reader of Goethe, he would have with the testator’s will were supposed to be performed underscored these maxims of the Privy Councilor more instead of the »lacking« but not missing finale. than once. As vague as this speculation may be, with an artist (7) In 1911 in Strasbourg with the composer as the of Furtwängler’s caliber we should just as little exclude conductor, in 1913 in Essen under Hermann Abendroth, the possibility of such an anchoring as the fact of the and in 1915 in Leipzig by Karl Straube. many indisputable reminiscences that elevate his late (8) »I do not know what it is that always keeps works to the rank of manifests. In the end, the »energies me from occupying myself with the propagation of my of the past [are] at the same time ordering energies. works. I have a pronounced loathing toward it and must Order is not an energy, but it sets energies free; without wrest every performance from me.« ordering man’s deepest and best energies lie fallow. But (9) Here I see Karl Straube nodding with approval; he who today relies on the order of the living tradition he had repeatedly encouraged Furtwängler and later against a world of chaos as, for example, atonal music also Sigmund von Hausegger to earn profits with their represents it, must either be an innocuous, insignificant, God-given »pounds and talents.« 27 Württembergische Philharmonie literature. Since then, they have been regularly per- Reutlingen forming with musicians in the genres of jazz (James Morrison, Till Brönner, Klaus Doldinger, Ute Lemper Today’s Württembergische Philharmonie Reutlingen and China Moses), world music (Natasha Atlas, Yasmin (WPR) was called into being by the Reutlingen town Levy, Burhan Öcal) musicals, latin, hiphop, chanson council called into being a professional orchestra in (Dominique Horwitz) and pop (Max Mutzke). In its 1945 after the Second World War. The orchestra has FOKUS series, the orchestra has dedicated programs long since developed into an internationally active or- to the music of Turkey (2013) and the Jewish Diaspora chestra with members from about fifteen countries. It per- (2016). forms well over a hundred concerts a year and functions The WPR is dedicated to future audiences and reach- as an active regional orchestra. es over 8000 young listeners with over 25 children’s The main features of the WPR are its regional roots and family concerts every year. They received the prize and its international, cosmopolitan outlook. At the same »Innovative Orchestra 2019« from the German Orches- time, the orchestra deeply embedded in the society of tra Foundation for their unique interactive live streaming the region. They offer diverse, lively programs, explicitly format NETZ-WERK-ORCHESTER that reaches people in catering to very different kinds of audiences, reaching rural areas. new target groups time and again with their innovative In 2009 it was awarded the German National spirit. They are conscious of the relevance of culture to Prize for Cultural Education for a project with mentally society and are committed to the city of Reutlingen and disabled artists. The WPR was nominated for the same the State of Baden-Württemberg. They officially rep- prize in 2014 once again for a music theatre project resented the cultural life of the state abroad with their with 250 participating (and composing) children as part three week concert tour of Japan in 2006. The WPR sees of the 62nd German Mozart Festival (2013). In 2015, themselves as musical ambassadors on other tours and in cooperation with the Alzheimer’s Society, the WPR concerts including at the Musikverein, the Berlin started a concert series for people with dementia. In and Cologne Philharmonie, the Concertgebouw Amster- 2016/2017, the orchestra initiated FUGATO, an inter- dam, the Konzerthaus Dortmund, KKL Lucerne, Tonhalle cultural music theatre project with refugees, which was Zurich, the Festspielhaus in Salzburg and Baden-Baden continued in 2018 due to popular demand. or at festivals like Ravello, Warsaw (Beethoven Festival), The artistic work of the WPR has been documented Toblach (Gustav Mahler Festival) or Besancon (Festival on numerous CD recordings and radio broadcasts, in- international de musique). cluding first recordings. The American conductor Fawzi They have worked with artists such as Lang, Thomas Haimor has been chief conductor of the WPR since the Hampson, Sabine Meyer, Frank Peter Zimmermann, 2017/18 season. Christoph Poppen, and Fazil Say as well as with artists of other genres. For decades, the WPR in Reutlingen has established a successful »Kaleidoskop« series for pro- grams beyond the great Classical-Romantic orchestral 28 Fawzi Haimor Symphony Orchestra (including Prokofiev’s 7th Sympho- Conductor ny), a tour with the NDR Radiophilharmonie Hannover and The King’s Singers, a repeat engagement with the »[...] Fawzi Haimor conducted the subscription con- Chineke! Orchestra (including a concert in the South- cert with high expertise and commitment.« bank Centre) and concerts with the Virginia Symphony Thomas Schulz, Fono Forum, April 2020 Orchestra. In the 2020/21 season, Fawzi Haimor again took Fawzi Haimor has been Music Director of the Würt- the WPR to the Musikverein Vienna, this time with an tembergische Philharmonie Reutlingen since September all-Beethoven program. Other highlights with his or- 2017. The successful collaboration let to an early ex- chestra are the season opener with Shostakovich’s 7th tension of his contract until 2024. In 2020, the Würt- (»Leningrad«) Symphony, concerts with Tainwa Yang tembergische Philharmonie Reutlingen celebrates its 75- and Dvorak’s Violin Concerto, the New Year’s concert year anniversary. In 2020–21, in addition to concerts in with Strauss’ Alpine Symphony and a tour with Dvorak’s Reutlingen, he and the orchestra will perform in Mann- Symphony No. 9 »From the New World«. heim, Berlin and in the Musikverein Vienna, among Haimor’s broad repertoire includes a focus on the other places. late Romantic Germanic works, 19th and 20th century Fawzi Haimor has worked with Orchestre Philhar- Russian and American composers. He is also a commit- monique du Luxembourg, BBC Philharmonic Orchestra, ted advocate of contemporary music and has performed Orchestre de Chambre de Paris, NDR Radiophilhar- premieres by composers such as Mason Bates and Ka- monie Hannover, WDR Funkhausorchester Köln, Deut- reem Roustom. sche Radiophilharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, Haimor was born in Chicago and was educated in Orquesta Sinfonica do Porto, Oulu Sinfonia and Or- the Middle East and in San Francisco. Until 2015, he chestra Sinfonica di Milano Giuseppe Verdi. In the US, was Assistant Conductor and Resident Conductor of the Haimor has conducted orchestras such as the Florida Pittsburgh Symphony Orchestra, where he worked with Orchestra, Indianapolis Symphony, New West Sym- conductors such as Manfred Honeck, Leonard Slatkin, phony and New Mexico Philharmonic. He also made Gianandrea Noseda, Rafael Frühbeck de Burgos and an acclaimed debut with the Grand Park Symphony in Yan Pascal Tortelier. He was previously Assistant Con- July 2017. Further afield, he has collaborated with the ductor at the Alabama Symphony Orchestra, where he Qatar Philharmonic, Kyoto Symphony and the New Zea- was also the first Music Director of the Alabama Sym- land Symphony and in May 2018, he made his debut at phony Youth Orchestra, which he founded. ’s Barbican Hall, as part of the hall’s Max Richter weekend, conducting the Chineke! Orchestra, who rein- vited him on their European tour. Highlights of the 2019/20 season included his debut in the Musikverein Vienna with the Württember- gische Philharmonie Reutlingen, his debut with the BBC 29 Already available: cpo 555 320–2 Fawzi Haimor (© Rob Davidson) Württembergische Philharmonie Reutlingen (WPR) cpo 555 377–2