ISSN 1866-0843

HEFT 272 – DEZEMBER 2008 48. JAHRGANG

• 48. Woche der • Bundeskanzler Erhard Begegnung und die • Auf den Spuren des • Einsätze auf dem Paulus (I) Balkan – ein Rückblick • Was macht den • Weihnachten in der christlichen Soldaten Geschichte aus?

Auftrag_272.indb 1 21.11.2008 9:02:32 Uhr INHALT AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008 • 48. JAHRGANG

EDITORIAL ...... 2 Apostolat Militaire International von Bertram Bastian ...... 65 SEITE DES BUNDESVORSITZENDEN ...... 3 Patrozinium in Bonn von Reinhold Gradl ...... 66 48. WOCHE DER BEGEGNUNG 2008: ALS MENSCH, SOLDAT UND CHRIST AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS IN VERANTWORTUNG! – ALLEIN MIT GOTT? . . 4 GKS-Kreis Köln-Wahn ...... 67 ZENTRALE VERSAMMLUNG (ZV ): GKS-Kreis Bonn ...... 67 Vortrag des Wehrbeauftragten GKS Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler ...... 66 von Reinhold Robbe ...... 7 GKS Bereich Süd ...... 69 Potsdamer Erklärung der ZV ...... 9

MITTWOCH: BISCHOFSTAG ...... 10 KURZ BERICHTET . . . 6, 18, 24, 27, 34, 39, 43, 45, 47, 52, 53, 69

BUNDESKONFERENZ DER GKS: BUCHBESPRECHUNG ...... 70 „Als Mensch, Soldat und Christ in Verantwortung! – Allein mit Gott?“ ...... 11 TERMINE ...... 71 IMPRESSUM ...... 72 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK Von der Tragödie zum „Paradies“ – Eindrücke aus Süd-Dafur von Klaus Liebetanz ...... 13 Zur Proliferationsproblematik von Werner Bös ...... 17 editorial: Peace Brigades International von Klaus Liebetanz ...... 21 Liebe Leserschaft, GESELLSCHAFT NAH UND FERN Ärzte für die dritte Welt (KNA) ...... 25 nachdem ich vom Bundesvorstand unse- Islamische Präsenz im Internet (KNA) . . . . . 25 rer Gemeinschaft wäh- Uganda nach dem Bürgerkrieg (KNA) . . . . . 27 rend der Woche der Be- Stabilitätsanker Ehe von Jürgen Liminski . . . . 28 gegnung als verantwort- Auf den Spuren des Paulus (I) licher Redakteur berufen worden bin, liegt nun von Paul Schulz ...... 31 das erste „Arbeitsergebnis“ vor Ihnen. Gemäß Einsätze auf dem Balkan – ein Rückblick unseren Leitlinien ist der AUFTRAG das ver- von Andreas Rauch ...... 35 bindende Organ nach innen und außen. Dem- zufolge finden Sie auch Beiträge von innen BILD DES SOLDATEN und außen in den Heften. Schreiben Sie wei- Was macht den katholischen Soldaten aus terhin Beiträge aus Ihren Kreisen und Aus- von Klaus Liebetanz ...... 40 schüssen, teilen Sie der Redaktion Ihre Meinung Kommentar dazu von Dr. Klaus Achmann ...... 44 mit, damit die Kommunikation zwischen der Redaktion und der Leserschaft keine Einbahn- RELIGION UND GESELLSCHAFT strasse wird und unsere Zeitschrift das wichtige Kirche im arabischen Raum (PS) ...... 45 Bindeglied unserer Gemeinschaft bleibt, ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Muslime in der deutschen Gesellschaft (KNA) ...... 46 Vatikanstaat: neuer Kommandant (PS) . . . . . 46 Für die Weihnachtszeit und den anstehen- den Jahreswechsel wünsche ich Ihnen und Ihren Weihnachten in der Geschichte von Andreas M. Rauch ...... 48 Familien alles Gute, Gottes reichen Segen und Gesundheit BLICK IN DIE GESCHICHTE 90 Jahre Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge (BB) ...... 53 50 Jahre Bundeswehr: Prof. Dr. Ludwig Erhard – Der zweite Bundeskanzler und die Bundeswehr von Dieter Kilian ...... 54

KIRCHE UNTER SOLDATEN Seminar für Funktionsträger der GKS von Bertram Bastian ...... 64

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Paul Schulz, der „Navigator“, verlässt die Brücke

ein Geringerer als Karl Kardinal Lehmann be- kutieren. So muss der „Auftrag“ die Gratwande- Kzeichnete die Journalisten „als Navigatoren im rung immer wieder neu angehen, Forum für die Meer der Unübersichtlichkeit, im Dienst am Men- Dokumentation der Aktivitäten des Verbandes auf schen und an der Gesellschaft“. allen Ebenen und gleichzeitig anspruchsvolles Me- Wenn also Paul Schulz als Verantwortlicher dium zur Erörterung unserer Ideen und zur Teilha- Redakteur unserer Verbandszeitschrift „Auftrag“ be am politischen Prozess sein. das Lotsenamt an Bertram Bastian übergibt (siehe Das hohe Ansehen des „Auftrag“ belegt, dass Editorial Heft 271), ist es zweifelsohne angemes- der Redaktion dieser Balanceakt gelungen ist. Die sen, solch gewichtige Bezüge herzustellen. GKS kommt in der bundesrepublikanischen Öffent- lichkeit vor und die Mitglieder finden sich in ihrer ehr als eine Dekade VerbandszeitschriftV wieder. So soll Mlang hat Oberstleut- es sein, so soll es bleiben. nant a.D. Paul Schulz uns geholfen, die Übersicht zu n dieser Stelle müssen ein behalten. Zuerst als Redak- A„Vergelt’s Gott“ und eine tie- teur (seit 1994) und dann als fef Verbeugung als Anerkennung Chefredakteur (seit 1996) ist fürf die vielen Jahre der Navigation er seiner Berufung, wie er in turbulenten Zeiten genügen. Es selbst sagt, mit missionari- ist Paul Schulz hoch anzurechnen, schem Eifer gefolgt und hat dass er die Planung seiner Nachfol- sein Lebenswerk in der Ge- ge von langer Hand tatkräftig un- meinschaft Katholischer Sol- terstütztt und ein geordnetes Haus daten, deren Bundesvorsit- übergebenü hat. zender er von 1987 bis 1992 war, neben seinem Ich fordere die Leserschaft auf, ihre Sicht der vielfältigen ehrenamtlichen Engagement in ver- „Ära Schulz“ der Redaktion mitzuteilen. Einem schiedenen kirchlichen Bereichen und Organisa- Zeitungsmann kann man keine größere Freude ma- tionen beständig weiter gebaut. chen, als kritisch zu lesen und sich mit Leserbriefen Der „Auftrag“ ist das Gesicht, der „footprint“, zu Wort zu melden. Der „Alte“ geht nicht endgültig das „label“, wie heutzutage neudeutsch gesagt wird, von Bord, sondern macht nur auf der Brücke Platz der GKS in der Öffentlichkeit. Für alle Leser unse- und wird Mitglied der Redaktion bleiben. rer anspruchsvollen Zeitschrift ist der „Auftrag“ mit dem Namen Paul Schulz verbunden. Dass es sich Dem „Neuen“, a.D. Bertram dabei um eine positive Wahrnehmung handelt, ist Bastian, wünsche ich Gottes Segen für die Arbeit in erster Linie das Verdienst des Chefredakteurs. als Verantwortlicher Redakteur des „Auftrag“ und immer eine gute und flüssige Schreibe. n der GKS wurde immer wieder um das Niveau Ides Verbandsorgans gerungen. Fragen der Frie- Paul Brochhagen, Oberstleutnant densethik und des beruflichen Selbstverständ- Bundesvorsitzender der GKS nisses der Soldaten der Deutschen Bundeswehr, der Parlamentsarmee mit dem Alleinstellungs- merkmal „Innere Führung“, lassen sich mit dem Anspruch von Lokalberichterstattung nicht dis-

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48. Woche der Begegnung: Als Mensch, Soldat und Christ in Verantwortung – Allein mit Gott? Zur 48. Woche der Begegnung, dem Treffen der organisierten Laien im Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs, trafen sich die Delegierten vom Montag, den 15. September bis Samstag, den 20. Septem- ber im Tagungshotel Seminaris in Potsdam, der Landeshauptstadt von Brandenburg. Das Generalthema „Als Mensch, Soldat und Christ in Verantwortung – Allein mit Gott?“ wurde von der Zentralen Versammlung – die Umbenennung in Katholikenrat beim Katholischen Militärbischof wurde auf dieser Versammlung angeregt – in Form einer Podiumsdiskussion mit Impulsreferat aufgearbeitet, bevor als weiterer Schwerpunkt die Potsdamer Erklärung verabschiedet wurde. Am Mittwoch, den 17. September feierte Militärbischof Walter Mixa mit den Delegierten und Gästen ein feier- liches Pontifikalamt und lud anschließend zu einem Empfang. Die Gemeinschaft Katholischer Soldaten führte im Rahmen der Woche der Begegnung vom 18. bis 20. Septem- ber ihre Bundeskonferenz durch und widmete sich dem Thema vertiefend in Arbeitsgruppen.

Zentrale Versammlung: landseinsätzen der Soldatinnen und Wiederholt wurde auch bei die- Für den erkrankten Militärge- Soldaten. Hier wurde verdeutlicht, ser Diskussionsrunde deutlich, dass neralvikar, Apostolischer Protono- dass nach deutschem Rechtsverständ- eine breite sicherheitspolitische Dis- tar Walter Wakenhut, zelebrierte der nis selbstverständlich die Staatsge- kussion in der Gesellschaft nach wie Wehrbereichsdekan Süd, Msgr. Rein- walt als Garant des Lebens in Fäl- vor fehlen würde, eine „reisserische“ hold Bartmann, den Eröffnungsgottes- len ermitteln muss, in denen Perso- Berichterstattung über Einzelfälle im- dienst und sprach nach der Eröffnung nen durch Schusswaffengebrauch zu mer den Gesamteinsatz in Frage stel- der Zentralen Versammlung durch den Schaden kommen. Genauso selbstver- len würde. Hier könne nur die stete Vorsitzenden, StFw Ralf Eisenhardt, ständlich sollte es aber auch sein, dass Wiederholung der Argumente und das auch das Grußwort. Dabei ging er in der Dienstherr den betroffenen Sol- Drängen auf eine grundsätzliche Dis- verkürzter Form ebenfalls auf die Lage daten alle erdenkliche Rechtsmittel kussion die Gesellschaft näher an die der Militärseelsorge ein. zukommen lässt, um ihn rechtlich zu Einsätze bringen. m nächsten Morgen eröffnete der vertreten, denn der im Einsatz befind- Die Betreuung im Einsatzland AWehrbeauftragte des Deutschen liche Soldat ist ja mandatiert, er wur- war und bliebe das Hauptanliegen der Bundestages, Reinhold Robbe, die de vom Parlament beauftragt, dort im Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Podiumsdiskussion zu dem Thema mit Ausland seinen Dienst zu tun. Bis zur Soldatenbetreuung (KAS), der Mar- einem Impulsvortrag (Siehe Seite 7). endgültigen, rechtlichen Klarstellung, kus Grübel vorsteht und zu der er in wie der Dienstherr hier seiner Fürsorge- pflicht nachkommen wird, gab der Wehr- beauftragte aber auch deutlich zu verstehen, dass er sich hier an der Seite der Soldaten befindet. General La- ther erinnerte noch- mals an die jeweiligen Wehrbeauftragter Reinhold Robbe Rules of Engagement im Gespräch mit Gästen während (RoE), die jedem Sol- der Pause daten in dem betref- fenden Einsatzgebiet Auf dem Podium stellten sich CoS die Grenzen aber Vorsitzender der Zentralen Versammlung dankt den SHAPE, General Karl-Heinz Lather, auch die Möglichkei- Teilnehmern an der Podiumsdiskussion, v.l.n.r. StFw der Leiter des Katholischen Büros ten seines Handelns R. Eisenhardt, MdB M. Grübel, Wehrbeauftragter in Berlin, Prälat Dr. Karl Jüsten, der aufzeigen würden. In- R.Robbe, Prälat Dr.K.Jüsten, Gen K.-H. Lather Vorsitzende der KAS, MdB Markus nerhalb dieser Gren- Grübel und der Wehrbeauftragte den zen handelt er auftragsgemäß und der Fragerunde Stellung bezog. Dazu Fragen des Auditoriums. Der Schwer- bräuchte sich vor keiner Untersu- gehöre auch die Oasen mit dem Ort punkt lag naturgemäß bei den Aus- chung zu fürchten. der Ruhe und Stille zur Besinnung,

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ein Thema, das auch von Prälat Jüs- gebnisse der diesjährigen Zentralen tragen für die Soldaten und Ihre Fa- ten aufgegriffen wurde, denn gerade Versammlung präsentieren und da- milien. Ich möchte Ihnen unsere Er- ein Mensch und Christ in Verantwor- mit gleichzeitig die Bitte verbinden, klärung, Herr Militärbischof hiermit tung bräuchte unbedingt die Rück- unsere Arbeit wieder wohlwollend offiziell überreichen, damit Sie sehen, besinnung auf Gott, um seiner Ver- zu begleiten. Und weil ich nun sage wo uns die Sorge drückt und wo wir antwortung gerecht zu werden. Zum „wieder wohlwollend begleiten“, las- auch kirchlich Handlungsbedarf se- Schluss dankte der Vorsitzende der Zentralen Versammlung den Gästen und überreichte allen ein kleines Prä- sent zur Erinnerung an die lebhafte Fragerunde.

evor am späten Nachmittag die BSachausschüsse ihre Arbeit vor- stellten (siehe auch www.zentralever- sammlung.de), wurde die Potsdamer Erklärung diskutiert und finalisiert, bevor sie von der Versammlung an- genommen wurde (siehe Seite 9) . Die Nachbarschaftshilfe 2007/2008 wurde von StFw Peter Weber vorge- stellt und der Beschluss, diese Hilfe für das Loyola-Gymnasium zu verlän- gern wurde angenommen. Der Auf- Bischof Mixa nimmt aktiv Anteil an den Berichten der Moderatoren, v.l.n.r. trag aus der letztjährigen Zentralen Bischof Mixa, Oberstlt Richard, Moderator der Arbeitskonferenz beim Versammlung, die Bezeichnung der Leitenden Militärdekan Mainz, Oberstlt Graichen, Moderator der Zentralen Laiengremien im Jurisdiktionsbereich Versammlung des katholischen Militärbischofs zu überdenken und evtl. den Bezeich- sen Sie mich an dieser Stelle, Ihnen hen. Es soll Ihnen aber auch dienen, nungen der Laienarbeit in Deutsch- meinen aufrichtigen Dank zum Aus- um die Sorge der Soldaten an vielen land anzupassen, wurde vorgestellt. druck bringen. Sie muntern uns immer Stellen weiterhin zum Ausdruck zu Die Versammlung kam überein, dem wieder auf unsere Arbeit in der Kirche bringen, indem Sie nun sagen kön- Bischof vorzuschlagen, die Zentrale mit Selbstbewusstsein und Selbstver- nen – diese Sorgen haben mir meine Versammlung umzubenennen in „Ka- trauen anzugehen. „Keine stummen Berater, die sich ehrenamtlich in der tholikenrat beim katholischen Militär- Hunde“, das hat sich tief in mein Ge- Militärseelsorge engagieren noch ein- bischof“ und die Seelsorgebezirksrä- dächtnis eingegraben und hilft mir in mal deutlich ans Herz gelegt. te sollen wieder „Pfarrgemeinderäte“ vielen Situationen doch meine Mei- genannt werden. Zum Abschluss des nung zu vertreten auch wenn es nur ie Nachbarschaftshilfe soll auch Tages trug der Geschäftsführer der dazu dient, etwas Erlebtes oder Ge- Dein weiteres Jahr den Aufbau des KAS, Rainer Krotz, über die Arbeit sagtes nicht unwidersprochen stehen Loyola-Gymnasiums im Kosovo un- der Organisation vor. zu lassen. Und ich weiß, es geht vie- terstützen, Herr Militärbischof. Es ist Der Mittwoch ist traditionell der len hier im Raum so. Sie führen uns in einem intensiven Prozess dazu ge- „Bischofstag“. In Anwesenheit des immer wieder vor Augen, dass es un- kommen, dieses Engagement noch ein Katholischen Militärbischofs für die sere gemeinsame Aufgabe als Chris- weiteres Jahr fortzuführen. Wir haben Bundeswehr, Dr. Walter Mixa, tru- ten ist unsere Kirche und unsere Ge- auch in der Vergangenheit schon Pro- gen die Bereiche vor, was an katholi- sellschaft zu gestalten und führen uns jekte über 3 bzw. 4 Jahre geführt. Herr schem Leben sich in den verschiede- als Hirte in Ihrer Fürsorge in unserer Militärbischof, wir können dankbar nen Bereichen im abgelaufenen Jahr Religiosität. Dafür danke ich Ihnen sein für die Entwicklung Osteuropas ereignete. Aufmerksam verfolgte der an dieser Stelle. in den vergangenen zwei Dekaden. Bischof diese Vorträge und schaltete Das führt aber auch dazu, dass die sich in die Aussprache aktiv ein (sie- ie Zentrale Versammlung hat un- dringendste Not in vielen Teilen un- he Bild) . Dter dem Titel: „Als Mensch, Sol- ter sehr starker Hilfe der katholischen Nach dem Wort des Vertreters dat und Christ in Verantwortung – Al- Kirche und auch Renovabis abgestellt des Priesterrates und dem Wort des lein mit Gott?“ insbesondere das Wohl wurde. Nun gilt es, die begonnene Ar- Bischofs zum Abschluss, schloss der der Soldatinnen und Soldaten und Ih- beit zu konsolidieren. Seit Bestehen Vorsitzende der Zentralen Versamm- rer Familien genauer untersucht und der Nachbarschaftshilfe konnten wir lung mit den Worten: dazu eine Position eingenommen. Wir über 235.000 Euro dazu beisteuern. appellieren damit an Verantwortliche Dazu kommt das unschätzbare Sig- um Abschluss möchte ich Ihnen, in der Politik, die Gesellschaft, den nal als Soldaten des Friedens Aufbau Zlieber Herr Militärbischof, die Er- Dienstherrn und die Kirche Sorge zu und nicht Zerstörung zu leisten. Aus AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008 5

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diesem Grunde auch unser diesjäh- nische Polizeipräsident aussagt, das rinnen und Militärseelsorger unseren riger Beschluss. Ich bitte Sie, wie- Auto habe sich von den Soldaten weg Dank für ihre Arbeit ausdrücklich der eine Kollekte zu diesem Zweck bewegt und dann, ganz zum Schluss, mitzunehmen. anzuweisen. erst der Hinweis auf den Checkpoin- teinsatz fällt und die vor- und mehr- ie Arbeit des Zentralinstitutes für ie haben es einfach, Herr Militär- maligen Warnungen, welche das Auto DEhe und Familie in der Gesell- Sbischof, sie können sagen, wenn stoppen sollten, halte ich das für eine schaft der katholischen Universität Sie danach gefragt werden: „Ich bin äußerst unfaire Berichtserstattung. Eichstätt ist für die Militärseelsorge der Katholische Militärbischof für die Der Dienst, den unsere Soldaten leis- von unschätzbarem Wert. Nun sollen Deutsche Bundeswehr“ und alles ist ten, ist aller Ehre wert und verdient Seelsorgekonzepte entwickelt werden, klar. Wenn ich sage, ich bin der Vorsit- zunächst Respekt, natürlich darf und welche im Hinblick auf die Auswir- zende der Zentralen Versammlung der muss er im nächsten Schritt auch hin- kungen von Auslandseinsätzen Solda- katholischen Soldaten im Jurisdikti- terfragt werden können. Ich danke der ten, deren Partnern und Familien hel- onsbereich des Katholischen Militär- GKS, die sich in den berufsethischen fen können. Die Frage nach Ängsten bischofs, dann sehe ich in Ehrfurcht Fragen, gerade auch zu den Ausland- und deren Ursachen, die Möglichkeit erstarrte und erstaunte Gesichter und seinsätzen der Bundeswehr immer der vorbeugenden Arbeit und die Vor- zuweilen habe ich den Eindruck auch wieder positioniert. bereitung darauf belastende Lebens- ein bisschen aufschneiderisch zu wir- umstände zu meistern und die Fähig- ken. Aus dem Kreise der Delegierten Die evangelische Militärseelsorge keit der Bewältigung zu entwickeln, kam der Wunsch auf, die Namen der hat im April des Jahres verlautbaren wird in einem Projekt untersucht. Gremien des organisierten Laienapo- lassen, dass sie mit den Stellenredu- Herr Militärbischof, Sie lassen genau stolates an sich selbst erklärende Be- zierungen an die Grenzen der Mög- an den Punkten arbeiten, wo sich bis- zeichnungen anzupassen, wie sie auch lichkeit heranstößt, den staatlichen lang kaum jemand herangewagt hat. in den anderen Bereichen der Kir- Auftrag der Militärseelsorge zu er- Dafür danken wir Ihnen. che in Deutschland verwendet wer- füllen. Das habe ich für sehr mutig den. Und die Transformation auch gehalten. Wenn ich es auf die Situa- Noch ein kurzer Ausblick zum der Dienststellen in der Militärseel- tion in der katholischen Militärseel- Schluss. Im nächsten Jahr wird die sorge bot dazu Anlass. Deshalb bit- sorge reflektiere, sehe ich das ebenso. Zentrale Versammlung in Hamburg ten wir Sie, Herr Militärbischof, den Die Arbeit der Militärseelsorgerinnen tagen. Wir sind also wieder räumlich Gremien durch Verordnung künftig und Militärseelsorger verteilt sich, ge- in der Diaspora zu Gast. Wir wollen die Namen: Pfarrgemeinderat, Deka- messen an den Aufgaben, auf wenige uns im Hinblick auf den 2. ökumeni- natskonferenz und Katholikenrat zu Schultern. Was sie leisten ist wirklich schen Katholikentag mit der Ökumene geben. Das KMBA hat die Rechtla- enorm. Ich bin schon der Meinung, in der Militärseelsorge beschäftigen. ge dazu geprüft, wir haben darüber dass wir als Soldatinnen und Solda- Ich bitte Sie alle, kräftig daran mit- abgestimmt und richten deshalb nun ten, als Bedarfsträger an dieser Seel- zuwirken und wenn Sie Interesse an diese Bitte an Sie. sorge, diesen Sachverhalt deutlicher dieser Arbeit haben, es mir dringend und kritischer begleiten könnten. Ich zu sagen, wir brauchen noch Mitarbei- ir verfolgen mit großer Sorge bitte Sie, lieber Herr Militärdekan terinnen und Mitarbeiter. ❏ Wdie Geschehnisse in Afghanis- Ottersbach, an die Militärseelsorge- tan. Am Rande dieser Zentralen Ver- sammlung habe ich das immer wie- der gehört. Es ist kaum fassbar, dass in einem Land, in dem wir zur Hilfe eingesetzt sind, bzw. zur internationa- Weihnachtsmarken erhältlich len Konfliktverhütung, einschließlich des Kampfes gegen den internationa- ie beiden Wertzeichen erschienen als Gemeinschaftsmarke mit dem len Terrorismus, unsere Soldaten ei- DVatikan, wie das Bundesfinanzministerium in Berlin mitteilte. Ins- nen derart gefährlichen Dienst leisten gesamt gab das Ministerium am 13.11.08 fünf neue Briefmarken heraus, müssen. Was aber ganz besonders be- davon zwei Weihnachtsmarken. wegt, ist dann die Form der Berichter- Die traditionellen Weihnachtsmarken zeigen den Angaben zufolge stattung der Medien, die ich zum Teil Darstellungen der Geburt Christi von Albrecht Dürer und von Raffaelo. für unverantwortlich halte und die ich Auf der Marke im Wert von 45 Cent ist Dürers um 1500 entstandene auf das schärfste kritisiere. Wenn in „Geburt Christi“ aus der Alten Pinakothek in München zu sehen, auf den Zeitungen Artikel überschrieben der Marke zu 55 Cent Raffaelos „Anbetung der Magier“ von 1517-1519; sind: „Soldaten töten Frau und Kin- das Bild gehört zur künstlerischen Ausgestaltung des Apostolischen Pa- der“, der Sachverhalt von hinten auf- lasts im Vatikan. Beide Wertzeichen werden mit Zuschlägen von 20 be- gezogen wird, indem zunächst berich- ziehungsweise 25 Cent zugunsten der Bundesarbeitsgemeinschaft der tet wird, dass Soldaten auf ein Auto freien Wohlfahrtspflege herausgegeben. geschossen haben sollen, dann noch (BB nach KNA) mit einer Aussage, dass der afgha-

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Impulsvortrag des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages „Als Mensch, Soldat und Christ in Verantwortung! – Allein mit Gott?“

ie engagierte inhaltliche Beglei- daten. Es besagt viel, wenn Berufs- elche Konsequenzen haben Dtung unserer Bundeswehr durch soldaten ihren Kindern von einer Tä- WTransformation und vor allem die Christen in unserem Land ist wich- tigkeit in der Bundeswehr abraten. die Auslandseinsätze nun für die Fa- tiger und notwendiger denn je. Die Lassen Sie mich im Folgenden ein- milienangehörigen der Soldaten? heutige Lebenssituation unserer Sol- zelne, unsere Soldaten wesentlich Die an mich als Wehrbeauftrag- daten wird durch Auslandseinsätze belastende Missstände beispielhaft ter dazu gerichteten Eingaben sind und die Transformation geprägt. hervorheben: eindeutig. Sie hängen zusammen mit Die früher ausschließlich auf die Schutz und Sicherheit der Sol- der mehrmonatigen Abwesenheit des Landes- und Bündnisverteidigung datinnen und Soldaten verdienen im Vaters oder Mutter und mit Belastun- ausgerichtete Bundeswehr existiert Einsatz höchste Priorität. Gleichwohl gen heimkehrender Soldaten, die in bekanntlich nicht mehr. Im Vorder- kommt es vor, dass im Ausland, ins- zunehmendem Maße ärztlicher, psy- grund stehen neue Bedrohungssze- besondere in Afghanistan geschütz- chiatrischer Behandlung bedürfen. narien. te Fahrzeuge fehlen oder Ausbildung Hinzu kommen die bekannten, zu- So beteiligt sich Deutschland der- und Inübunghaltung für Material teil- sätzlich belastenden Rahmenbedin- zeit mit rund 6.100 Soldaten an einer weise erst vor Ort in den Einsatzge- gungen für die Familienangehörigen, Reihe von Einsätzen im Ausland. Die- bieten möglich sind. wie fehlende Kindergartenplätze, zu se Anzahl beeindruckt zunächst ein- In bestimmten Verwendungsrei- starre, den Dienst der Soldatenfamili- mal an sich. Doch was verbirgt sich hen der Bundeswehr ist ein bestän- en außer Acht lassende Öffnungszei- Konkretes dahinter? diger Mangel zu beklagen. Für Hee- ten von Kindergärten oder Halbtags- Leider auch sehr viel Negatives. resflieger, Feldjäger sowie Ärzte und schulen, Verwendungen fernab von Unsere Soldaten, die stellvertretend Sanitätspersonal bedeutet dies eine einem helfenden familiären Umfeld, für Deutschland ihren Dienst leis- chronische überproportionale Ein- wie etwa den Großeltern. ten, sehen sich vor Ort immer größe- satzbelastung. Die Beispiele zeigen eindrück- ren Gefahren ausgesetzt. Man müsste Im Inland haben Soldaten auf- lich, dass die „Rahmenbedingungen“ meinen, es ist eine Selbstverständ- grund von unzumutbaren Infrastruk- unserer Soldaten nicht einfach nur ein lichkeit, dass der gefährliche und turdefiziten teilweise eine Acht- Ärgernis sind. Wohlverstandene Für- entbehrungsreiche Einsatz der Sol- Mann-Stubenbelegung, verkalkte sorge sieht anders aus. datinnen und Soldaten in der Heimat Duschköpfe, undichte Fenster, feh- Die Vollständigkeit gebietet es, entsprechend gewürdigt würde. Dem lende Türschlösser oder Schimmel- aber auch auf das hinzuweisen, was ist leider nicht so wie wir alle wissen. bildung hinzunehmen. die Vereinbarkeit von Dienst und Fa- Im Gegenteil, die Soldaten verbinden Die truppenärztliche Versorgung milie fortan besser ermöglichen soll. mit Auslandseinsätzen und Transfor- krankt im wahrsten Sinne des Wor- Die Politik, also Bundesregierung mation vor allem: tes an einsatzbedingten Personal- und Parlament versuchen, nicht zu- – immer mehr Aufträge bei immer engpässen. Erfahrene Truppenärzte letzt auf Grund von Hinweisen des weniger Personal, müssen zur Aufrechterhaltung der Wehrbeauftragten, auf einige der ge- – unzureichende Ausbildung und truppenärztlichen Versorgung durch nannten Probleme zu reagieren. Ausrüstung, zivile Vertragsärzte, denen oftmals – schlechte Unterbringung, entsprechende Erfahrungen fehlen, o soll beispielsweise die von mir – fehlende Vereinbarkeit von Dienst ersetzt werden. Skritisierte, zum Teil katastropha- und Familie, Die Umstrukturierung des Sa- le Unterbringung der Soldatinnen und – finanzielle Einbußen und nitätsdienstes auf einsatzorientierte Soldaten in Kasernen der alten Bun- – die zunehmende Sorge um die ei- Notwendigkeiten führt zu größeren desländer durch vorgezogenen Mit- gene Zukunft. Transportwegen zum nächsten Bun- teleinsatz des Bundesministeriums deswehrkrankenhaus bzw. Fachsani- der Verteidigung angegangen werden. s verwundert angesichts dessen tätszentrum mit entsprechend länge- Ein erster - wenn auch bescheidener Enicht, dass das Vertrauen der Sol- ren dienstlichen Ausfallzeiten. - Etappenerfolg ist hier inzwischen datinnen und Soldaten in die militä- Immer mehr Soldaten sehen sich zu verzeichnen. Im Mai 2007 hat der rische und politische Führung der auf aufgrund der schulischen Situa- Generalinspekteur die Teilkonzepti- Streitkräfte gelitten hat. Dies belegt tion ihrer Kinder oder der Berufstä- on „Vereinbarkeit von Familie und nicht zuletzt auch die große Studie tigkeit des Partners gezwungen, zum Dienst in den Streitkräften“ erlas- des Deutschen Bundeswehrverban- Dienstort zeit- und kostenaufwändig sen. Ein wichtiger Aspekt dieser Kon- des zur Berufszufriedenheit der Sol- zu pendeln. zeption ist die Kinderbetreuung. Der

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Betreuungsbedarf wird gegenwärtig sen, die entsprechende Konzeption Gebeinen in Afghanistan als Beispiel ermittelt. der Auslandseinsätze, die (deutschen) eines eklatanten Werteverlustes. Vor- Die weitere Entwicklung, insbe- politischen Handlungsspielräume un- gänge ähnlichen Charakters begegnen sondere die Reaktionen des Ministe- geschminkt aufzuzeigen. Hier ist die mir als Wehrbeauftragter immer wie- riums werde ich im Blick behalten. Politik gefragt. Hier sind wir aber der auch im Umgang zwischen Bun- Schon jetzt kann ich aber feststellen, auch alle gefragt. Auch unsere Kir- deswehrangehörigen. dass es eine Verbesserung in die- chen übrigens. Sie sind Ausdruck dessen, dass sem Bereich nicht zum Nulltarif ge- In diesem Zusammenhang ist an viele junge Menschen, die als Grund- ben wird. die große Verantwortung des Deut- wehrdienstleistende, Unteroffizier- Erkannt wurde auch der Hand- schen Bundestages zu erinnern, der und Offizieranwärter zur Bundeswehr lungsbedarf für die Kinderbetreuung mit seinem konstitutiven Beschluss kommen, oftmals erst mit Wertmaßstä- in Notsituationen durch die Einrich- zur Entsendung bewaffneter Streit- ben vertraut gemacht werden müssen, tung von Eltern-Kind-Arbeitszimmer kräfte erst die notwendige Grundlage die ihnen aus Schule und Elternhaus in Einheiten der Bundeswehr, wo dies für einen Einsatz schafft. nicht mehr geläufig sind. möglich ist. Soldaten haben ferner die Er verantwortet die höchst gefähr- Das ist keine leichte Aufgabe. Möglichkeit zur Teilzeit und, aller- lichen Einsätze unserer Soldatinnen Eine Aufgabe, die manche Vorgesetz- dings noch unzureichend, zur Telear- und Soldaten mit dem Risiko von Ver- te auch überfordert. Letztlich hat hier beit. Personalamt und Stammdienst- wundung und Tod und nach Lage der auch Innere Führung versagt. Umso stelle der Bundeswehr sind bestrebt, Dinge auch der Notwendigkeit des mehr bin ich den Kirchen dankbar da- Soldatinnen und Soldaten heimatnah Tötenmüssens. für, dass sie sich bereit erklärt haben, einzusetzen. bei der Vermittlung dieser Werte im Mit verbesserter Kaserneninfra- efragt ist aber auch die Bundes- Rahmen des lebenskundlichen Unter- struktur, Teilzeit oder Telearbeit al- Gwehr selbst. Ihr fehlt noch weit- richts ganz wesentlich mitzuwirken. lein ist es jedoch nicht getan. Wenn hin ein Selbstbild, ein Selbstverständ- Und ganz besonders dankbar bin der Soldatenberuf eine attraktive Be- nis, das der Einsatzarmee Bundes- ich auch allen Soldatinnen und Sol- rufsalternative für junge Menschen wehr, dass heißt ihrem jetzigen Auf- daten unserer Bundeswehr, die ich sein soll, müssen mehr Anreize und gabenspektrum entspricht. beispielsweise auf dem Deutschen vor allem bessere Rahmenbedingun- Die Entwicklung eines neuen Katholikentag oder auf dem Evange- gen geschaffen werden. Selbstverständnisses kann die Bun- lischen Kirchentag oder beim Frie- Der Bundeswehr mangelt es aber deswehr aber nicht allein leisten, densgebet in Köln und heute hier nicht nur an Haushaltsmitteln, son- ebenso wenig wie es der Verteidi- treffe. Und damit meine ich alle Sol- dern sie ist, und das ist aus meiner gungsminister einfach zu verfügen daten, die sich als Christen beken- Sicht entscheidender, mit fehlender vermag. Identitätsstiftendes müssen nen. Alle Soldaten, die im täglichen gesellschaftlicher Anerkennung kon- Politik und Gesellschaft und damit Leben, im täglichen Dienstbetrieb da- frontiert. auch die Kirchen mitentwickeln. Die für sorgen, dass der Mensch in unse- Der Stellenwert der Bundeswehr, Kirchen sind aufgrund ihrer seit nun- rer Bundeswehr im Mittelpunkt steht. ihr Ansehen in der Gesellschaft ist mehr 50 Jahren wirkenden Militär- Ein Satz, der oftmals mal eben so da- hoch. Dabei wird aber differenziert. seelsorge ein unverzichtbarer Part- hin gesprochen wird. Leider hin und „Blauhelm“- Einsätze oder Beiträge ner. Aufgrund der Auslandseinsätze wieder zu leichtfertig dahin gespro- zum Aufbau und zur Entwicklung ge- hat sich auch das Tätigkeitsfeld der chen wird. Denn wenn alle in unse- sellschaftlicher Strukturen (Stichwort Militärseelsorge wesentlich erweitert. rer großen Bundeswehr etwas mehr „Entwicklungshelfer, Brunnenbauer“) Militärpfarrer begleiten unsere Solda- auf den Nächsten blicken würden, genießen breite gesellschaftliche Ak- ten in alle Einsatzgebiete und stehen etwas bewusster darauf achten wür- zeptanz. Ganz anders aber verhält es ihnen als Seelsorger und Ansprech- den, dass der Kamerad oder die Ka- sich für den politisch immer wesent- partner zur Verfügung. Sie kennen die meradin dankbar ist für jede kleine licher werdenden Afghanistaneinsatz. Sorgen, Nöte und Ängste der Solda- Freundlichkeit, für jedes gute Wort Auf die Bekämpfung des Terrorismus tinnen und Soldaten sehr genau und und nicht selten auch für jedes klei- „vor Ort“ ist zwar die Bundeswehr helfen permanent dabei, auftretende ne Lob, dann würde vieles sehr viel aufgrund der Transformation einge- Probleme zu lösen. Der Dienst der einfacher sein. ❏ stellt, große Teile unserer Gesellschaft Militärpfarrer im Zusammenwirken aber nicht. mit Militärpsychologen geht dabei Notwendig erscheint mir in die- weit über die seelsorgerische Tätig- sem bedeutsamen Zusammenhang, keit hinaus. dass die politisch Verantwortlichen Den Familienangehörigen in der Die nachstehend abgedruckte den Soldaten und der Bevölkerung of- Heimat sind die Angehörigen der Mi- Potsdamer Erklärung der Zentralen fen und ehrlich gegenübertreten und litärseelsorge ein kompetenter und Versammlung ist als Faltblatt erschie- ihnen unabhängig von anstehenden wertvoller Ansprechpartner. Wie be- nen und bis zu den Katholischen Mi- Wahlterminen die Gefährdungen des deutsam der Beitrag der Kirchen ist, litärpfarrämtern verteilt worden. Dort Terrorismus für die Staatengemein- zeigten auch die Vorgänge hinsicht- können Interessierte sich das Faltblatt schaft und das deutsche Gemeinwe- lich des Posierens mit menschlichen abholen.

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Auftrag_272.indb 8 21.11.2008 9:02:35 Uhr 48. WOCHE DER BEGEGNUBG 2008

Potsdamer Erklärung der Zentralen Versammlung Sorge tragen für die Soldaten und ihre Familien Der Dienst in der Bundeswehr heute

Die Bundeswehr als Beitrag für sen ist für den soldatischen Dienst bestimmen.Versäumnisse sind nicht die Sicherheit Deutschlands und sei- unerlässlich. zu akzeptieren. ner Verbündeten befindet sich in ei- nem tief greifenden Wandlungspro- Sorge tragen für die Familien Sorge tragen für die freie Religionsausübung zess. Auftrag und Aufgaben haben Der Beruf des Soldaten belas- Die Bedeutung der Militärseel- sich fundamental verändert. Der tet das Familienleben mehr als vie- sorge in der Bundeswehr ist für Sol- Dienst in den Streitkräften erfordert, le andere Berufsbilder. Stichworte daten, welche nicht in kirchennahen dass Soldaten sich für unsere Werte- sind: familienferne Standorte und Wo- Milieus aufgewachsen sind, schwer zu ordnung sittlich in die Pflicht nehmen chenendpendeln, Gefährdung der Ge- erfassen. Vorgesetzte müssen in der lassen, aktiv für diese eintreten und sundheit und des eigenen Lebens bei Militärseelsorge eine wertvolle Un- in letzter Konsequenz unter Einsatz Auslandseinsätzen, Ehescheidungen terstützung sehen und das Recht ihrer des eigenen Lebens ihren Auftrag er- und Familientraumata, Unvereinbar- anvertrauten Soldaten auf freie Religi- füllen. Dazu ist ein stabiles ethisches keit gemeinsamer beruflicher Inter- onsausübung sowie das ehrenamtliche Fundament für Soldaten unerlässlich. essen, Kinder fern von generations- Engagement in der Militärseelsorge Dieses gründet als Christ im Glau- übergreifenden Familienstrukturen, ermöglichen und fördern. ben und als Mensch in der Familie schulische Nachteile (Fächerkanon, Wir erinnern: Der Soldat hat das und Gesellschaft. Das Anliegen der Schulsystemwechsel, etc…), Sozia- Recht auf freie Religionsausübung in Zentralen Versammlung ist es, die lisationsbrüche und vieles mehr. Sol- den Streitkräften. Die Weisung des besondere Situation der Soldaten der daten und ihre Angehörigen in Aus- Generalinspekteurs zur Zusammenar- Bundeswehr als Mensch, Staatsbürger landsstandorten sind darüber hinaus beit mit den Angehörigen der Militär- und Christ bei allen Entscheidungen anderen außergewöhnlichen Belas- seelsorge ist in der Truppe bei vielen und Handlungen durch eine ganz- tungssituationen ausgesetzt. Vorgesetzten, Offizieren wie Unterof- heitliche Betrachtung zu würdigen. Wir erinnern: Soldatenfamilien fizieren, kaum bekannt. In der Un- Sie will mit dieser Erklärung aufzei- haben einen besonderen Anspruch teroffizier- und Feldwebelausbildung gen, in welchem Spannungsfeld sol- auf Fürsorge seitens der Politik und wird sie nicht behandelt. Die Militär- datischer Dienst stattfindet und wo des Dienstherrn. Ein stabiles famili- seelsorge ist Ansprechpartner für alle Handlungsbedarf besteht. Damit zeigt äres Umfeld für die Soldaten verlangt Soldaten, unabhängig ihrer religiösen die Zentrale Versammlung ihre Ver- die Umsetzung grundsätzlicher, meist Überzeugungen. antwortung für die Soldaten und ihre politisch motivierter und durchaus gut Familien auf. gemeinter Weisungen in konkrete, Sorge tragen für die besonderen fassbare Maßnahmen. Die Vereinbar- Risiken des Dienstes Sorge tragen für den Menschen keit von Familie und Dienst erfordert Geiselnahme, Verwundung und Bürgerinnen und Bürger der Bun- vor allem auch finanzielle Aufwen- Tod sind besondere Risiken in Aus- desrepublik Deutschland fehlt, zu- dungen und belastbare Regelungen landseinsätzen im erweiterten Auf- mindest in Teilen, eine umfassen- durch den Dienstherrn. gabenspektrum. Soldaten haben den de ethische und politische Bildung, Mit Eintritt in die Streitkräfte kön- Eindruck, dass bei Eintritt solcher welche es Ihnen ermöglicht, die im nen soziale Kompetenz und ethische Ereignisse zunächst die politisch kor- Grundgesetz verankerten Werte be- Werte nicht einfach per Vorschrift be- rekte und verwaltungstechnische Ab- wusst und überzeugt zu schützen. In fohlen oder durch ständiges Beschwö- handlung im Vordergrund steht. Die der Bundeswehr spiegelt sich insofern ren herbeigeredet werden. Sie müs- Zentrale Versammlung vertritt die die Gesellschaft wider. sen durch die Soldaten der Bundes- Auffassung, dass der notwendigen, Wir erinnern: Die Grundlagen wehr im täglichen Dienst identifiziert, nachhaltigen Fürsorge der Soldaten für die Werte und Regeln des Zu- erlebt und positiv erfahren werden. und ihrer Familien nicht ausreichend sammenlebens sind aus der Verant- Durch ihre Vorgesetzten müssen sie Rechnung getragen wird. Besonders wortung vor Gott und den Menschen konsequent vorgelebt werden. die Versorgung und Betreuung der im Grundgesetz der Bundesrepublik Wir erinnern: Der lebenskundli- Hinterbliebenen wird als nicht aus- Deutschland definiert. Deren Ver- che Unterricht hat die Aufgabe, dem reichend betrachtet, wenn der Soldat mittlung muss in den Lernorten des Soldaten grundlegende Hilfe im tägli- sein Leben einsetzen muss. Lebens geschehen. Dabei muss deut- chen Leben zu geben und damit einen Wir erinnern: Soldaten treibt die lich sein, dass die staatliche Rechts- Beitrag zur Förderung der sittlichen, Sorge um die materielle Familienab- ordnung nicht zu einer Wertorientie- geistigen und seelischen Entwicklung sicherung besonders um. Hier besteht rung des Einzelnen führt und dieses zu leisten, die mehr noch als fachli- eine gegenseitige Treueverpflichtung auch nicht beabsichtigt. Dieses Wis- ches Können den Wert des Soldaten zwischen dem Soldaten und dem Staat.

AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008 9

Auftrag_272.indb 9 21.11.2008 9:02:35 Uhr 48. WOCHE DER BEGEGNUNG 2008

Dass der tote Kamerad nicht verges- destages, die über die Einsätze der welche durch mehr als nur freund- sen wird, dem verwundeten Solda- Bundeswehr entscheiden. Sie müssen liches Desinteresse den Dienst des ten besondere Aufmerksamkeit gel- deutlicher erklären, warum konkrete Soldaten begleiten sollte. Des weite- ten muss, und deren Angehörige eine Einsätze verlangt werden. Diese Ver- ren an die Kirche, die durch Aufzei- nachhaltige Betreuung und Fürsorge pflichtung ist gegenüber der Gesell- gen ethischer Kriterien für Einsätze erfahren, muss ein ernsthaftes Anlie- schaft allgemein, und den Soldaten und deren Bewertung dem Soldaten gen des Dienstherrn sein. insbesondere, zu erfüllen. Der Appell Entscheidungshilfe geben muss, in- richtet sich an den Dienstherrn, dem wiefern sein Handeln richtig und mo- Appell die Fürsorgepflicht für den Soldaten ralisch ist. Darüber hinaus wird erst Die Zentrale Versammlung rich- und seine Angehörigen in der kon- durch die genügende Gestellung von tet mit dieser Erklärung einen Appell kreten Umsetzung obliegt. Er rich- Seelsorgern eine funktionsfähige Mi- an die Politiker des Deutschen Bun- tet sich auch an die Gesellschaft, litärseelsorge ermöglicht. ❏

Mittwoch: Bischofstag

Nachdem Militärbischof Dr. Walter Mixa tagsüber aus den Berichten der Moderatoren der Arbeitskonferenzen ent- nehmen konnte, wie es mit der Laienarbeit in seinem Jurisdiktionsbereich bestellt ist, wurde abends traditionell mit den Delegierten der Zentralen Versammlung und deren Gästen, sowie mit den angereisten Delegierten zur Bundeskon- ferenz der GKS ein Pontifikalamt zelebriert und anschließend bat der Militärbischof zum Empfang, bei dem er Gen Karl-Heinz Lather den Orden „Ritter des heiligen Papstes Silvester“ überreichen konnte.

Feierliches Pontifikalamt von Militärbischof Walter Mixa, als Konzelebrant der Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky und der Leitende Wehrbereichsdekan Erfurt, Msgr. Hartmut Gremler (von rechts) (die anderen Konzelebranten sind nicht auf dem Bild)

Umrahmt vom Bundesvorsitzenden der GKS, Oberstlt Paul Brochhagen (links) und dem Vorsitzenden der ZV, StFw Ralf Eisenhardt (rechts) warten der Innenminister und stellvertretende Ministerpräsident des Landes Brandenburg Jörg Schönbohm, Ministerialdirigent Dr. Ulrich Schlie (Planungsstab BMVg) und der Inspekteur Heer, GenLt Hans-Otto Budde, der die Grüße des Ministers überbrachte, auf den Beginn des feierlichen Empfangs.

10 AUFTRAGAUFTRAG 272722 • DDEZEMBEREZEMBER 20200808

Auftrag_272.indb 10 21.11.2008 9:02:35 Uhr 48. WOCHE DER BEGEGNUBG 2008

der evangelische Militärgeneral- vikar Dr. Peter Brandt bei seinem Grußwort

Es freuen sich über die Auszeichnung sowohl der Bischof als auch der „Ausgezeichnete“

Der Präsident der Gemeinschaft Katholischer Männer Deutschlands, Franz-Josef Schwack war ebenfalls unter den Gästen und nahm an der Bundeskonferenz teil.

48. Woche der Begegnung: Als Mensch, Soldat und Christ in Verantwortung – allein mit Gott? ie Bundeskonferenz der GKS beschäftigte sich in Arbeitsgruppen mit dem zentralen Thema dieser 48. Wo- che der Begegnung. Vorbereitet vom Sachausschuss „Innere Führung“ unter Leitung von Oberstlt Gerhard DStolz, trug der verantwortliche Referent im Fü S I 4 für die ZDv 10/1 vor, Oberstlt i.G. Reinhold Janke, bevor drei Arbeitsgruppen sich den Unterthemen Mensch – Soldat – Christ annahmen.

Bundeskonferenz der GKS sagte in seiner Predigt in der alten mit Recht, da er vom Parlament ge- as zentrale Thema dieser Woche Garnisonskirche Peter und Paul, dass schickt wurde, dass er nicht allein ge- Dder Begegnung „lag im Ziel“, in der Bibel keine Stelle gegen Sol- lassen werde, weder von Vorgesetzten, das wurde im Rückblick auf die Pre- daten zu finden sei. Der heutige Sol- noch von Politikern. In seiner Begrü- digt des Militärbischofs und auf die dat, der gemäß Grundgesetz in einer ßung der Gäste stellte der Militärbi- Grußworte der Gäste am Abend vor- Verantwortung vor Gott und den Men- schof nochmals klar, dass gerade jetzt, her mehr als deutlich. Bischof Mixa schen seinen Dienst erfülle, erwarte wo Tod und Verwundung den Soldaten

AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008 11

Auftrag_272.indb 11 21.11.2008 9:02:36 Uhr 48. WOCHE DER BEGEGNUNG 2008

im Einsatz mehr denn je bedrohen, die ZDv 10/1, in der die Einsatzsituation verabschiedet . Oberstlt Paul Bro- Gesellschaft sich nicht aus der Ver- besonders gewürdigt wird. chhagen würdigte seinen selbstlosen antwortung stehlen dürfe, dass dies Die Arbeit der drei Arbeitsgrup- Einsatz gerade während der Umzugs- als „Berufsrisiko“ abgegolten werde pen wurde unterstützt durch die Dipl. phase der Bundesgeschäftsstelle nach und mit der Zahlung von Zulagen er- Sozial-Pädagogin Christiane Denfeld- Berlin und überreichte ihm neben ledigt sei. Deshalb sei es erfreulich, Busche, welche die Opfer des Atten- einer Dankurkunde auch ein kleines dass die ZV sich dieser Problematik tats in Kabul auf den Bundeswehr- Präsent. Stabsfeldwebel Ralf Sieg- angenommen hätte und dazu die Pots- Bus psychologisch betreute, und dem mann, stellvertretender Vorsitzender damer Erklärung (siehe Seite 9) ver- Friedhelm Brandau, der der GES, bedankte sich beim Bundes- abschiedet habe. sich in diesem Bus befand, als das At- vorsitzenden der GKS mit einem klei- nen Gebetsbüchlein für die Einladung und die kameradschaftliche Betreu- ung während dieser Woche. Am Samstag, dem 20.09.08, wur- de nach dem Morgenlob und dem Rei- sesegen noch der Haushalt der GKS vom Bundesvorsitzenden vorgestellt. Ein „Dankeschön“ des litauischen Gastes, Herrn Hptm Vytautas Dau- naravicius machte den Teilnehmern nochmals die internationale Verbin- dung und Bedeutung der GKS deut- lich, die von vielen Nationen als Mus- ter und Beispiel für die Integration der Religionsausübung in den militäri- schen Alltag angesehen wird. (v.l.n.r.): OTL i.G. Reinhold Janke, OTL Gerhard Stolz, Bundesvorsitzender GKS OTL Paul Brochhagen, Dipl.Soz-Päd Christiane Denfeld-Busche, OL Friedhelm Brandau bei der Diskussion der Arbeitsgruppenergebnisse

tentat geschah . Beide brachten ihre ach der Eröffnung der Bundes- persönlichen Erfahrungen direkt in Nkonferenz und den Grußworten die Arbeitsgruppen ein. Die Ergeb- der Gäste, beschäftigte sich die Bun- nisse der Arbeitsgruppen wurden im deskonferenz im Bildungsteil vertie- Plenum diskutiert und das Gesamter- fend mit dem Thema. Zur Einstim- gebnis wird im Sachausschuss aufge- mung hielt der verantwortliche Refe- arbeitet werden. Über die Ergebnisse rent des Fü S I 4, der gleichzeitig der wird berichtet werden. Der Bundesvorsitzende OTL Paul Beauftragte des Ministers für Dro- Bevor man das Thema abschloss, Brochhagen überreicht gen- und Suchtprävention ist, einen um nach dem Kulturprogramm den a.D. Dr. Klaus Achmann die Vortrag über Schwerpunkte der neuen Gästeabend feierlich zu begehen, ver- Dankurkunde tiefte ein Vortrag von Militärdekan a.D. Heinz Peter Miebach die Ge- samtthematik. Im Gebets- und Got- tesdienstraum, der im Tagungshotel eingerichtet wurde, schlug er einen Bogen von der Erschaffung der Erde und der Menschen, über den Kreuzes- tod Jesus Christus bis hin in die heu- tige Zeit. Er machte auch an seinem persönlichen Beispiel deutlich, dass der Mensch auf seinem Weg immer mit Gott unterwegs ist, auch wenn man es manchmal nicht merken würde oder Gäste der Bundeskonferenz waren nicht merken wolle. unter anderen der stellvertretende Vorsitzende der Gemeinschaft ährend des Gästeabends wur- Evangelischer Soldatinnen und Militärdekan a.D. Heinz Peter Wde der ehemalige Bundesge- Soldaten (GES) StFw Ralf Siegmann Miebach während seiner Reflektion schäftsführer, Oberst a.D. Dr. Klaus und der litauische im Andachtsraum Achmann vom Bundesvorsitzenden Vytautas Daunaravicius

12 AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008

Auftrag_272.indb 12 21.11.2008 9:02:37 Uhr SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK Von der Tragödie zum „Paradies“ – Eindrücke einer Reise nach Süd-Darfur

VON MAJ A.D KLAUS LIEBETANZ

nlässlich einer Ergebnisprüfung bei deutschen humanitäre Hilfsprojekten in Süd-Darfur hat das Mitglied im GKS-Sachausschuss „Sicherheit und Frieden“ und Fachberater für Katastrophenmanagement, Aa.D. Klaus Liebetanz, im Mai 2008 folgende Eindrücke gesammelt und aus seiner Sicht und Erfahrung bewertet. Er will damit einen Hintergrundbeitrag für katholische Soldaten zu einer christlich inspirierten Sicher- heitspolitik geben.

Verbrannte Dörfer in den Flüchtlingslagern feststellten. Die Rolle der Bundesrepublik Deutschland eim Einchecken auf dem interna- Nach Aussagen des vormaligen VN- Obwohl die Spitzen der Bundes- Btionalen Flughafen von Khartum Koordinators für Humanitäre Hilfe, republik jährlich am 27. Januar, dem nach Nyala, der Provinzhauptstadt Jan Egelund, wurden in der Zeit von Tag der Befreiung von Auschwitz, im von Süd-Darfur, werden die Batterien 2003 bis 2005 ca. 200.000-300.000 Deutschen Bundestag feierlich ihr der Digitalkamera des deutschen Er- Menschen in Darfur umgebracht. Be- Versprechen wiederholen „nie wie- gebnisprüfers höflich aber bestimmt reits 2004 hat sowohl das amerikani- der Völkermord“ zuzulassen, haben konfisziert. Auf den Einwand, wie er sche Repräsentantenhaus wie auch sich die jeweiligen Bundesregierun- ohne eine funktionierende Kamera der US-Senat die Vorgänge nach sorg- gen gegenüber den unerträglichen den deutschen Behörden dokumen- fältiger Untersuchung in West-Darfur Zuständen in Darfur erstaunlich zu- tieren soll, dass die deutschen Mit- als Genozid verurteilt. rückhaltend gezeigt. Der Begriff „Ge- tel für humanitäre Hilfe sinnvoll in nozid“ wurde offiziell sorgfältig ver- Süd-Darfur ausgegeben worden seien, Die Reaktion der internationalen Gemeinschaft mieden, obwohl Human Rights Watch werden schließlich die Batterien im Die internationale Gemeinschaft und das einzige deutsche Genozid- Cockpit des Flugzeuges bis zur An- hat sich nicht dazu durchringen kön- forschungsinstitut an der Ruhr-Uni- kunft in Nyala aufbewahrt. Während nen, die ethnischen Säuberungen versität Bochum anhand von suda- des Fluges lüftet sich das Geheimnis durch die mörderischen Janjaweed- nesischen Quellen einen Genozid be- des Fotografierverbots: In der fast Milizen mit militärischen Mitteln (z.B. reits 2004 nachgewiesen haben. Auch wüstenähnlichen Landschaft von Dar- durch Kampfhubschrauber) zu un- an dem größten Peace-Keeping-Ein- fur sind aus dem Flugzeugfenster bis terbinden. Die Interessenlage im Si- satz der Vereinten Nationen in Darfur kurz vor Nyala die bis auf die Grund- cherheitsrat war zu unterschiedlich. (mit geplanten 19.000 Soldaten und mauern niedergebrannten ehemaligen Erinnert sei in diesem Zusammen- 8.000 Polizisten) ist Deutschland nur Dörfer deutlich zu erkennen. hang an die treffende Feststellung des mit fünf Beobachtern und drei Trans- deutschen Generals Manfred Eisele, porthubschraubern „bei Bedarf“ be- Die Tragödie von Darfur des ehemaligen Assistenten von Kofi teiligt. Nach einer möglichen Wahl In der Zeit von 2003 bis 2005 Annan im Peacekeeping Department von Barack Obama am 4. November haben die von der sudanesischen der Vereinten Nationen „Die Verein- 2008 zum Präsidenten der Vereinig- Zentralregierung ausgerüsteten Jan- ten Nationen und speziell der Sicher- ten Staaten wird er voraussichtlich jaweed-Milizen zahlreiche Dörfer heitsrat sind keine Gemeinschaft der von Deutschland einen weitaus grö- überfallen und die Bevölkerung er- gutwilligen Menschen, sondern eine ßeren Einsatz bei weltweiten Frie- mordet oder vertrieben. Aus zentral- Zweckgemeinschaft von Staaten zur densmissionen fordern. Ob das dann sudanesischer Sicht sollte durch die Durchsetzung ihrer jeweiligen natio- auch noch auf die Begeisterung der Zerstörung der Ortschaften und durch nalen Interessen“. Obama-Fans in Deutschland treffen die Vertreibung der Bevölkerung den Die zunächst hoch gelobte inter- wird, ist fraglich. Rebellenbewegungen „Sudan Libera- nationale Initiative „Responsibility to tion Movement“ (SLM) und „Justice Protect“, die im September 2005 so- Gute medizinische Versorgung and Equality Movement“ (JEM) die gar in den Abschlussbericht des VN- in den Flüchtlingslagern logistische Basis für weitere Terror- Weltgipfels aufgenommen wurde, hat Die relativ kleine deutsche Hilfs- anschläge entzogen werden. Janja- sich als bloße Absichtserklärung ohne organisation HUMEDICA aus Kauf- weed-Reitermilizen gingen mit großer ernsthafte Konsequenzen herausge- beuren betreibt in fünf großen Flücht- Brutalität gegen die Zivilbevölkerung stellt. Barack Obama hat das Verhal- lingslagern in der Nähe von Nyala und vor. Die Männer wurden ermordet und ten der internationalen Gemeinschaft in einem weiteren in Kass (ca. 80 Km die Frauen und Mädchen vergewal- gegenüber den Gräuel in Darfur bei nordwestlich von Nyala) die Gesund- tigt, wie Human Rights Watch (HRW) seiner Berliner Rede am 24. Juli 2008 heitsfürsorge für ca. 270.000 im Land und Amnesty International (AI) bei an der Siegessäule ausdrücklich als verbliebene Flüchtlinge (IDP’s, In- ihren Befragungen von Überlebenden Schande bezeichnet. ternal Displaced Persons). Alle vom

AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008 13

Auftrag_272.indb 13 21.11.2008 9:02:37 Uhr SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Prüfer besichtigten medizinischen lassen wenig Abwechslung zu. Die rin aus Deutschland für die Medika- Kliniken von Humedica in Süd-Dar- Mitarbeit in Darfur setzt erheblichen mentenlagerung, –Ausgabe und Zu- fur (El Sherief, Al Salam, Otash und Idealismus und eine stabile Persön- sammensetzung verantwortlich sein. Kass sowie der Betrieb zweier mo- lichkeit voraus. Das Ganze wurde mit der gesamten biler Kliniken in Dereige und Mo- Belegschaft besprochen. Der Vorgang sey) machten einen gut geführten und Glaubensstärke und innere Freiheit ist für eine europäische Hilfsorgani- professionellen Eindruck. Die Klini- Am 22. Mai 08 wurde der bishe- sation sehr ungewöhnlich. Es ist nicht ken werden von jungen engagierten rige Cheflogistiker von Humedica im gerade ungefährlich, wenn man eine sudanesischen Ärzten geleitet. Der Darfur-Projekt durch die international Schlüsselfigur in einer fremden Kultur verantwortliche medizinische Koordi- nator Dr. Ali Tarig nimmt seine Auf- gabe verantwortungsvoll und voraus- schauend wahr, so z.B. für die neu eingerichteten Stationen für schwe- re Cholerafälle in der bevorstehen- den Regenzeit. Die medizinischen Einrichtungen von Humedica wer- den täglich von 150 bis 300 Patienten aufgesucht. Schwierige Fälle werden mit den eigenen Ambulanzfahrzeugen in das jeweilige Distriktkrankenhaus gebracht. Die sudanesischen Ärzte von Humedica betreuen in den ers- ten Morgenstunden „ihre“ Patienten im Distriktkrankenhaus. Die medizi- nische Betreuung der Flüchtlinge ist kostenlos. Sowohl UN-OCHA (Office for the Coordination of Humanitarian Affairs) in NYALA, wie auch die ver- antwortliche sudanesische Behörde HAC (Humanitarian Aid Commis- Gemeinsames morgendliches Gebet von Muslimen und Christen zum sion) bescheinigen dem Prüfer eine Gelingen des Tageswerkes und bei schwierigen Situationen im Innenhof des gute und unverzichtbare Arbeit von Humedica-Office. Humedica im medizinischen Bereich für ca. 270.000 Flüchtlinge. erfahrene Koordinatorin Silvia Gonza- auf die Straße setzt. In einem persön- les abgelöst. Er stand unter dem Ver- lichen Gespräch hat Frau Gonzalez, Schwierige Arbeitsbedingungen dacht, die Medikamentenausgabe zu eine tiefgläubige Christin, dem Er- für ausländische Helfer seinen Gunsten manipuliert zu haben. gebnisprüfer zu verstehen gegeben, Neben den ca. 200 lokalen Mit- Er hatte gute Kontakte zur mittleren dass sie in Süd-Darfur auf das Äußers- arbeitern, darunter fünf junge enga- Ebene der sudanesischen Behörde te eingestellt sei und dadurch ihre in- gierte Ärzte und zahlreiche medizini- HAC und hatte es stets verstanden die nere Freiheit nicht aufgegeben habe. sche Fachleute, beschäftigt Humedica Aufenthaltsgenehmigung von inter- Die gleiche Erfahrung machte der Er- auch vier Expats (Expatriats, zwei aus nationalen Mitarbeitern zu beenden, gebnisprüfer auch schon bei anderen Deutschland und zwei aus Kanada) in wenn diese dabei waren, ihm auf die deutschen Hilfsorganisation kleinerer Süd-Darfur. Die Arbeitsbedingungen Schliche zu kommen. Durch das um- christlicher Glaubensgemeinschaften, der wenigen europäischen und kana- sichtige Vorgehen von Frau Gonzalez die einen erstaunlichen Mut an den dischen Mitarbeiter von Humedica u.a. durch enge Zusammenarbeit mit Tag legten. So wurde z.B. ein Mitar- in Süd-Darfur stellen eine besondere dem Leiter von HAC in Nyala, einem beiter der adventistischen Hilfsorga- Herausforderung an Charakter und gläubigen Muslim und Gegner der nisation ADRA in Afghanistan aufge- Stehvermögen dar. Die Temperatu- Korruption, konnte sich Humedica fordert, einen Teil der Hilfsgüter beim ren betragen in den Sommermonaten von ihrem Cheflogistiker trennen. We- lokalen Machthaber abzuliefern. Trotz zwischen 40 und 45 Grad, leider auch nige Tage später folgten die zahlrei- der Drohung, ihn bei passender Gele- nachts, was bei Stromausfall beson- chen Verwandten, die der ehemalige genheit umzubringen, blieb der Helfer ders unangenehm ist. Der mehrtägi- Logistiker in der umfangreichen Me- jedoch gewissenhaft beim vorgesehen ge Ausfall des Internets und des Mo- dikamentenlagerhaltung und im Fuhr- Verteilerplan. Der Mann, ein Russe bilfunks ist keine Seltenheit und be- park von Humedica untergebracht aus Moskau, war verheiratet und hat- deutet eine zusätzliche Belastung. Die hatte. Die Masse von ihnen wurde in te zwei Kinder. Eine solche heroische frühe Ausgangssperre (in Kass liegt die IDP-Camps versetzt. Alle wichti- Haltung ist bei den großen traditionell sie bei 18.00 Uhr, wegen der Nähe der gen Schlösser wurden ausgewechselt. christlichen Hilfsorganisationen aus Rebellenhochburg Dschebel Mara) Mitte des Jahres wird eine Apotheke- den bisherigen Erfahrungen des Er-

14 AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008

Auftrag_272.indb 14 21.11.2008 9:02:37 Uhr SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

gebnisprüfers weniger zu erkennen. der Flüchtlinge in den Lagern wie Humedica die Schulausbildung von Dort wird auch kaum noch gemeinsam ein Paradies. Sie brauchen sich ca. 10.000 Mädchen und Jungen. Die gebetet. Darüber hinaus sind die eu- und ihre Kinder nicht mehr den Bezahlung der Lehrer und Lehrerin- ropäischen Mitarbeiter dieser Organi- ganzen Tag in einer äußerst ariden nen gestaltet sich sehr schwierig. Wie sationen meistens nicht vor Ort tätig und wüstenähnlichen Landschaft der Prüfer bei der Eltern-Lehrer-Ver- sondern „weit ab vom Schuss“ – wenn damit abzumühen, um ein extrem einigung (PTA) erfuhr, kommen nicht überhaupt – in den jeweiligen Haupt- dürftiges Leben zu führen. In den alle von der Schulbehörde zugesagten städten tätig. Man nennt das großzügig Flüchtlingslagern ist eine ständi- Lehrkräfte. So wurden z.B. zu Beginn „vertrauensvolle Partnerschaft“, ohne ge Versorgung mit Nahrungsmit- des letzten Schuljahres von der zu- zu bedenken, welchen Zwängen die teln und sauberem Trinkwasser ständigen Schulbehörde in Nyala 40 lokalen Mitarbeiter dadurch mögli- gesichert. Hinzu kommt eine gute Lehrer und Lehrerinnen für das La- cherweise ausgesetzt werden. kostenlose medizinischer Betreu- ger El Sherif namentlich zugesagt. ung und Schulausbildung für ihre Tatsächlich erschienen nur zehn. Die Gemeinsames Gebet Kinder. Außerdem können sie in Lehrer arbeiten lieber in der Stadt, von Muslimen und Christen der Lagern ihre gewohnten Hütten wo es bequemer ist und keine Si- Im Humedica-Projekt in Süd- bewohnen und kleine Einhegun- cherheitsprobleme bestehen. Sie er- Darfur beten Muslime und Christen gen für ihre Haustiere anlegen. halten vom Staat zwischen 200 – 400 gemeinsam, sei es am Morgen für Platz ist ausreichend vorhanden. sudanesische Pfund (70 – 140 Euro). das Gelingen des Tageswerkes und In Kass kann man den Unter- Die freiwilligen Lehrer aus dem IDP- in schwierigen Situationen, wie z.B. schied zwischen dem Flüchtlings- Camp erhalten keine staatliche Unter- nach einem Überfall von Rebellen lager und der ursprüngliche Ort- stützung. Die Geldsammlungen unter auf ein Fahrzeug der Hilfsorganisati- schaft kaum noch erkennen. Ein den Eltern in den Flüchtlingslagern on im IDP-Camp Al Salam, wo einer Hinweis darauf, dass Flüchtlings- reichen nicht aus. der Fahrer schwer verletzt und einer lager in dieser Region geradezu der Kidnapper auf der Flucht von anziehend wirken können, ist der Unterstützung durch den Deutschen Bundestag der sudanesischen Polizei erschos- Wunsch der sudanesischen Be- Der Bundestagsabgeordnete Lo- sen wurde, sei es auch bei oben ge- hörde HAC, vermehrt mobile Ge- thar Mark, Mitglied des Haushalts- schilderten Entlassung eines korrup- sundheitsstationen in den entfern- ausschusses und Berichterstatter für ten sudanesischen Logistikers. Beide teren Ortschaften einzusetzen, um den Haushalt des Auswärtigen Amtes monotheistischen Religionen (Islam den Zulauf von Flüchtlingen zu der SPD-Bundestagsfraktion unter- und Christentum) fühlen sich für eine den Lagern zu reduzieren. stützt die Bemühungen von Humedi- menschlichere Zukunft verantwort- ca, staatliche Mittel aus der Entwick- lich. Auf der unteren Ebene gibt es Das „Paradies“ darf nicht zur Falle werden lungszusammenarbeit für die Aus- keine Berührungsängste. Nach den bisherigen Erfahrun- bildung der Flüchtlinge zu erhalten. gen mit Flüchtlingslagern weltweit Mark ist ein Verfechter der ressort- Ständiger Zustrom in den Flüchtlingslagern und im Sudan ist davon auszugehen, übergreifenden Zusammenarbeit, da- Folgende von Humedica betreu- dass die Lager noch in den nächsten mit ein sinnvolles und in sich schlüs- ten IDP-Camps verzeichnen einen 5 – 10 Jahren (und vielleicht noch siges Gesamtkonzept entwickelt wer- ständigen Zuwachs an Flüchtlingen: länger) bestehen bleiben. Es wäre si- den kann. Er setzt sich auch in Afgha- Lager Otash von 56.000 IDP’s im Ok- cher ein schwerer Fehler, wenn die nistan für ein überzeugendes Gesamt- tober 2007 auf 73.000 IDP’s bis Mai derzeitige Situation nicht genutzt wür- konzept ein und fordert mehr Mittel 2008, Lager Dereige von 25.000 auf de, um Kindern und Jugendlichen für den zivilen Aufbau des mittelasi- 45.000 IDP’s, Lager Al Salam von aus den IDP-Camps eine Schulaus- atischen Staates. 37.000 auf 65.000, Lager Mosey von bildung und später eine Berufsaus- 8.000 auf 12.400 IDP’s. bildung zu ermöglichen. Dies gilt in Schlussbetrachtung für eine christlich besonderem Maße für die Mädchen. inspirierte Sicherheitspolitik Gründe für die Zunahme der Eine jahrelange Alimentierung und IDP’S in den diesen Lagern: Verurteilung zur Untätigkeit macht auf 1. Forderung nach einem in sich – Die Sicherheitslage ist durch die Dauer unfähig sich wieder den harten schlüssigen Gesamtkonzept verstärkte Tätigkeit der Rebellen- Gegebenheit der Landschaft in Darfur „Friedensstabilisierende Einsätze bewegungen und durch die Zu- zu stellen. Der Ergebnisprüfer hat in bilden den Schwerpunkt der aktuellen nahme von Kriminalität in Süd- Afghanistan erfahren, wie unendlich Einsatzrealität der Bundeswehr. Sie Darfur instabiler geworden. Dies schwer sich afghanische Rückkehrer haben das Ziel, im Rahmen interna- ist jedoch nicht der entscheiden- tun, wenn sie 10 – 15 Jahre sicher ver- tionaler Zusammenarbeit die Voraus- de Grund für die annähernde Ver- sorgt in pakistanischen Flüchtlings- setzungen für den Aufbau staatlicher dopplung der Flüchtlingszahlen lagern gelebt haben. und gesellschaftlicher Strukturen zu im letzten halben Jahr. schaffen“ (WB S.90). „Nicht in erster – Für die Masse der Bewohner der Verstärkte Schul- und Berufsausbildung Linie militärische, sondern gesell- ländlichen und weit abgelegenen Neben der medizinischen Versor- schaftliche, ökonomische, ökologi- Ortschaften wirkt die Situation gung in den IDP-Camps unterstützt sche und kulturelle Bedingungen, die

AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008 15

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nur im multinationalen Zusammen- hang beeinflusst werden können, be- stimmen die künftige sicherheitspoli- tische Entwicklung (WB S.29). Gemäß diesen Aussagen des Weißbuch 2006 ist wie beim o.a. Projekt in Süd-Darfur ein in sich schlüssiges Gesamtkonzept notwendig, um einen nachhaltigen Er- folg der verschiedenen Friedensmis- sionen unter Beteiligung der Bundes- wehr zu gewährleisten.

2. Eine respektvolle Zusammenarbeit mit den Muslimen Des weiteren ist „Ownership“ (Ei- genverantwortlichkeit der Betroffe- nen) entscheidend für das nachhaltige Gelingen eines Friedenseinsatzes. In der Zusammenarbeit mit den Musli- men ist ein gegenseitiger Respekt von großer Bedeutung. Erinnert sei in die- sem Zusammenhang an die Erklärung des 2. Vatikanischen Konzils zum Ver- hältnis mit den Muslimen, die selbst Der verantwortliche medizinische Koordinator Dr. Ali Tariq (rechts) erläutert den meisten Katholiken nicht bekannt der Humedica-Mitarbeiterin Sandra Schuckmann-Honsel (links) die neu ist, und die wegen ihrer Kürze hier eingerichtete Station für schwere Cholerafälle in der bevorstehenden vollständig wiedergegeben wird: Regenzeit. Im Vordergrund befindet sich die Eingangsschleuse zum „Mit Hochachtung betrachtet die Desinfizieren. Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den leben- zuletzt des Friedens und der Freiheit im Auslandseinsatz: Trennung vom den und in sich seienden, barmher- für alle Menschen.“ (Kleines Konzils- Partner und von der Familie, Ertra- zigen und allmächtigen, den Schöp- kompendium, Karl Rahner, Herbert gen der erheblichen Einschränkun- fer Himmels und der Erde, der zu den Vorgrimler, Herderverlag S. 357) gen eines Lagerlebens oder auf ei- Menschen gesprochen hat. Sie bemü- nem Schiff, das ungewohnte Klima hen sich, auch den verborgenen Rat- 3. Nachfolge Christi und innere Freiheit zwischen 50 Grad plus und 30 Grad schlüssen sich mit ganzer Seele zu un- Heute schließt für Soldaten der minus und schließlich die Bedrohung terwerfen, so wie Abraham sich Gott Bundeswehr der Dienst für den Frie- durch terroristische Angriffe. unterworfen hat, auf den der islami- den - im Gegensatz zur nationalsozi- Leben gewinnt, wer es riskiert. sche Glaube sich gern beruft. Jesus, alistisch geführten - die Das entspricht einer Einsicht, die sich den sie allerdings nicht als Gott aner- Nachfolge Christi nicht mehr aus. auch außerhalb der Bibel findet. Wer kennen, verehren sie doch als Prophe- Ganz im Gegenteil ist sie eine gute sein Leben krampfhaft festhält und es ten, und sie ehren seine jungfräuliche Voraussetzung und Motivation für ei- nur für sich selber leben will, wird es Mutter Maria, die sie bisweilen auch nen engagierten Dienst an der betrof- in ängstlichem Sich-Absichern oder in Frömmigkeit anrufen. Überdies er- fenen und meist geschundenen Zi- zwanghaftem Ansammeln von Gütern warten sie den Tag des Gerichtes, an vilbevölkerung. Wer Jesus nachfolgt, ersticken. Wer aber sein Leben für et- dem Gott alle Menschen auferweckt muss bereit sein, ihm in den Tod zu was riskiert, gewinnt Lebensqualität und ihnen vergilt. Deshalb legen sie folgen. Nichts anderes bedeutet die und innere Freiheit. Jesus lässt das Wert auf sittliche Lebenshaltung und Aufforderung, im Gefolge Jesu das freilich nur gelten, wenn man sein verehren Gott besonders durch Gebet, eigene Leben hintanzustellen („zu Leben für das Richtige einsetzt. Das Almosen und Fasten. verleugnen“) und täglich sein Kreuz bedeutet aber nicht, Leben gering zu Da es jedoch im Lauf der Jahr- zu tragen (Mk 8,34). Das gilt auch für achten. Unser Leben ist wertvoller hunderte zu manchen Zwistigkeiten Zivilisten wie oben gezeigt in unserer als alle Güter dieser Welt. Und ge- und Feindschaften zwischen Chris- postheroischen Zeit. Nicht alle, die rade deshalb ist es so wichtig, die- ten und Muslimen kam, ermahnt die mit Jesu gehen, müssen im Martyri- ses Leben für das höchste Gut, näm- heilige Synode alle, das Vergangene um enden. Aber es muss ihnen klar lich die Gemeinschaft mit Gott und beiseite zu lassen, sich aufrichtig um sein, dass der Weg mit Gott, auf dem die Erfahrung seiner Liebe, einzuset- gegenseitiges Verstehen zu bemühen sie Jesu folgen, auch den Einsatz des zen (Vgl. „Mitgefühl und Verantwor- und gemeinsam einzutreten für Schutz eigenen Lebens fordern kann. Das tung für die betroffenen Bevölkerung und Förderung der sozialen Gerech- Tragen des „täglichen Kreuzes“ be- in Afghanistan“ im AUFTRAG 268; tigkeit, der sittlichen Güter und nicht deutet für Soldatinnen und Soldaten S. 33ff.). ❏

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Auftrag_272.indb 16 21.11.2008 9:02:38 Uhr SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK Entwicklungen bei der Weiterverbreitung von nuklearer (Waffen-)Technologien (7. gekürzte Fortschreibung – Zeitraum Juli bis September 2008)

VON WERNER BÖS

ie Redaktion will auch weiterhin über das Monitoring der Proliferationsproblematik des Sachausschus- ses „Sicherheit und Frieden“ berichten. Wie gewohnt, verzichten wir auf die detaillierte Wiedergabe der Dchronologischen Ereignisse und werden uns auf die Bewertungen des Autors stützen. An der chronologi- schen Entwicklung interessierte Leser könne diese bei der Redaktion AUFTRAG per e-mail abrufen (redaktion- [email protected]).

Iran Eine dritte Möglichkeit ist, dass persische Reich, das die islamischen ie Antwort des Iran im August auf es in Teheran Streit um den Kurs im Geistlichen aufzubauen versuchen, Ddas Angebotspaket zur Lösung Atomstreit gibt. Während einige Teile gleicht in Wahrheit einer „verwun- des Atomstreits hat unterschiedliche des iranischen Regimes konstruktive deten Bestie“. Reaktionen hervorgerufen. Signale senden, halten die Hardliner Misswirtschaft, Massenarmut, Die Optimisten sprechen von „in- dagegen: So lehnte Präsident Ahma- Arbeitslosigkeit, Stromausfälle, un- teressanten Zwischentönen“; bei frü- dinedschad während eines Besuches erschwingliche inflationäre Preise, heren Angeboten hätten die Iraner in Malaysia jedes Zugeständnis ab. Schwarzhandel, Millionen von feh- sich deutlich ablehnender geäußert. Die Forderung nach einem Stopp der lenden Wohnungen, Not-Prostitution, So wird die geforderte Einstellung der Urananreicherung sei „illegitim“ und Drogenkonsum, Korruption, Missach- Urananreicherung während möglicher werde nicht erfüllt werden, sagte der tung der Meinungsfreiheit sowie Men- Verhandlungen nicht erwähnt. Bis- Staatschef. schenrechtsverletzungen kennzeich- lang hatte Teheran das wortreich ab- nen den Alltag und die dramatisch gelehnt. Dass dieses Thema gar nicht ritik an dem Prestigeobjekt Nu- wachsende Not der einfachen Leute. auftaucht, könnte ein Zeichen für ei- Kklearprogramm grenzt im Iran Dem gegenüber stehen mit 69 nen Gesinnungswandel sein, zudem mit seiner technikbegeisterten Bevöl- Milliarden Dollar Rekordeinnahmen Iran in dem Brief seine Bereitschaft kerung an Landesverrat. Zumindest aus dem Ölexport. Doch ein großer für Verhandlungen betont. „Man muss war das bis jetzt so. Doch nun stellen Teil dieses Geldes wird von einer auch sehen, was nicht in dem Brief prominente Oppositionelle schon mal dünnen Herrscherkaste abgeschöpft, steht“, heißt es in Diplomatenkrei- den Nutzen des angeblich friedlichen veruntreut und findet ohne Rechen- sen. Auch aus dem unmittelbaren Programms infrage. Die Kritik ist für schaft seinen Weg ins Ausland, z.B. Umfeld des religiösen Führers des die Regierung innenpolitisch brisant. Dubai und Japan. Sichere Häfen für Iran, Ayatollah Ali Chamenei, wurden Denn die Warnung vor einer atomaren den Fall, dass über die islamische Re- vermeintlich positive Signale empfan- Bewaffnung des Iran wird von Tehe- publik und ihr System von innen oder gen. All dies hat bei der EU für genug ran als westliche Propaganda abgetan. außen die Katastrophe hereinbrechen Optimismus gesorgt, um einem wei- Der von den Oppositionellen gewählte sollte. Von den Medien ignoriert, wer- teren Gespräch zwischen dem Hohen Ansatz greift die Argumentation der den doch fast täglich Protestaktionen Beauftragten der Europäischen Uni- Regierung direkt an – und legt zu- bekannt. Die Regierung reagiert mit on für die Außen- und Sicherheits- gleich die Vermutung nahe, dass der Härte gegen die Aktivitäten der Zivil- politik, Prof. Javier Solana, und dem große Aufwand der Urananreiche- gesellschaft, die sie mehr fürchten als iranischen Atomunterhändler Said rung für militärische Zwecke betrie- die internationalen Sanktionen. Dschalili zuzustimmen. ben werden könnte. Die Pessimisten interpretieren Ob Teheran seine bisher harte ass Teheran wohl kaum den Welt- die jüngsten Signale aus dem Iran Haltung aufweicht und ernsthaft den Dfrieden im Sinne hat, zeigen die wie folgt: Das vage formulierte Ant- Einstieg in Verhandlungen erwägt, Raketenwarnungen an die Vereinigten wortschreiben und die Bitte um ein ist zurzeit vor allem eine Frage der Staaten und an Israel. Dieses Säbel- weiteres Treffen könnte auch ein Ver- Interpretation. rasseln Irans und die starken Worte such Teherans sein, Zeit zu schinden Die islamische Republik ist zwar Israels können außer Kontrolle ge- und neue Sanktionen hinauszuzögern, auf dem Weg zur regionalen Groß- raten. Kriegerische Worte können zu ohne in der Weltöffentlichkeit als Blo- macht, mit ihrer Entschlossenheit zum Militärhandlungen führen, welche die ckierer zu erscheinen, ein Mittel wel- Erwerb der vollständigen Atomtech- Region und die Welt in Aufruhr stür- ches in der Auseinandersetzung schon nologie. Und doch ist sie bis ins tiefste zen würden. Die Regierung in Tehe- häufiger verwandt wurde. Innere morsch und krank. Das neue ran sollte bedenken, dass sie eine

AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008 17

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amerikanisch unterstützte israelische Die Sorgen um die geopolitischen Ent- liardenschwere Verträge zur Erschlie- Militäraktion nicht abwehren kann. wicklungen schlagen voll auf die Welt- ßung iranischer Gas- und Erdölfelder Das Rasseln mit dem „Raketensä- wirtschaft durch. Die Finanzmärkte abschließen und damit viel Geld in die bel“ zeugt nicht nur von Stärke. Es blicken nervös in den Nahen Osten. Taschen der Mullahs spülen, fördern verweist auf Nervosität. Die Militärs damit letztendlich die ablehnende der Islamischen Republik nehme die islang hat die UNO schon drei Haltung des Irans. Möglichkeit eines israelisch-amerika- BSanktionsrunden beschlossen. Ebenfalls gibt Europa kein gutes nischen Luftangriffs auf ihre Atoman- Allerdings konnten sie Iran nicht Bild ab. Während Außenpolitiker und lagen ernst. von seinem Vorgehen abbringen, Staatschefs auf Isolierung des Iran Da der iranische Präsident we- vermehrt Uran anzureichern. Das ist drängen, sind die Exporte aus Europa der dumm noch wahnsinnig zu sein die schlechte Nachricht: Sechs Jah- in der ersten Jahreshälfte deutlich ge- scheint, muss er wohl doch der ner- re nach bekannt werden des bis dato stiegen. Diese Ambivalenz lässt sich venstarke Spieler sein, der im Streit geheim vorangetriebenen Atompro- auch am deutschen Beispiel aufzei- um das Atomprogramm mit Kalkül das gramms ist die Weltgemeinschaft im- gen: Einerseits ließ Kanzlerin Merkel höchste Risiko eingeht. Die Achil- mer noch weit davon entfernt, so viel bei ihrer Rede vor der israelischen lesferse Irans ist die vorherrschen- Druck auszuüben, dass der Iran sich Knesset im März d.J. keinen Zwei- de Misswirtschaft, die durch einen zum Ausstieg aus der Urananreiche- fel daran, dass Deutschlands Eintre- Krieg verschlimmert würde. Bedeu- rung gezwungen sähe. Die größten ten für Israels Sicherheit einen ent- tende westliche Unternehmen haben Förderer des iranischen Atompro- schlossenen Kurs gegen den Iran in wegen der politischen Lage schon das gramms bleiben unverändert weiter- der Atomfrage einschließt. Anderseits Land verlassen; das zeugt von Ver- hin China und Russland, die im VN- betätigt sich ein CDU-Bundestags- wundbarkeit. Sicherheitsrat noch immer bremsen. abgeordneter und Parlamentarischer Welche Wirkung ein militärischer Aber auch Staaten wie Indien, die mil- Staatssekretär im Wirtschaftsminis- Schlag der Israelis auf die politische Haltung der iranischen Führung hät- te, ob das Regime sich radikalisieren würde oder – wenigstens mittelfristig Mehr Toleranz zwischen – zu Verhandlungen bereit wäre, ist schwer einzuschätzen. Vermutlich ist Christen und Muslimen auch den Mullahs klar, dass ein Ge- genschlag zur direkten Konfrontati- u mehr Toleranz im Zusammenleben von Christen und Muslimen in on mit der geballten amerikanischen ZDeutschland ruft der Jesuit und Islamwissenschaftler Christian Troll Militärmacht führen würde. Das kann auf. Der dabei entstehende Dialog könne „zur Profilierung der Religionen“ Iran nicht riskieren. Aber so gut wie beitragen, sagte Troll in der Tageszeitung „Die Welt“. Die Eröffnung der sicher ist, dass Teheran alle Mittel größten Moschee Deutschlands am 18. Oktober in Duisburg bezeichne- unterhalb der Schwelle zum großen te der Wissenschaftler als gutes Zeichen. Ein solcher Bau zeige, „dass Konflikt einsetzen würde. Dazu ge- unsere Gesellschaft frei und offen genug ist, dem Islam zu erlauben, aus hört die Destabilisierung des Irak mit den Hinterhöfen und Industriegeländen in unsere Mitte zu treten“. Hilfe dortiger Verbündeter und deren Anders als die Juden im 19. Jh. hätten die Muslime hierzulande al- Milizen; die von Iran finanzierten und lerdings keine Emanzipation nötig, da sie vor dem Gesetz nie Bürger ausgerüsteten Terrortruppen der Hi- zweiter Klasse gewesen seien, betonte Troll. Zugleich wies der Jesuit, zbullah im Libanon und der Hamas der auch der Unterkommission für den interreligiösen Dialog der Deut- im Gazastreifen würden mobilisiert, schen Bischofskonferenz angehört, den Vorwurf zurück, die christlichen Israel würde mit einer neuen Welle Kirchen gingen zu lax mit dem Islam um. Jede Religion habe das Recht, des Terrors überschwemmt. einzuladen, ihre Wahrheit zu glauben. „Wir können nicht den Umgang Hinzu kommt, dass ein Angriff auf Iran die gesamte islamische Welt mit Christen in anderen Ländern verurteilen und gleichzeitig die Mus- gegen Amerika, Israel und den Wes- lime hierzulande nicht akzeptieren“, so Troll. ten aufbringen würde. Die Kämpfe in Diese Akzeptanz gegenüber dem Islam in diesem Lande bedeutet Afghanistan würden sich noch ein- aber auch, dass der Islam mit seinen Gläubigen als Teil unserer Gesell- mal verschärfen. Pakistan – eine is- schaft nun seine tragende Rolle für diese Gesellschaft übernimmt, auch lamische Atommacht – würde weiter und gerade besonders für den Umgang mit unserer Geschichte, spezi- radikalisiert und die islamistischen ell gegenüber dem Staat und Volk Israel. Nur wenn die gesamte Gesell- Terrorgruppen in der Welt mitsamt schaft Deutschlands zu seinem geschichtlichen Erbe steht, kann dafür ihrer Ableger in Europa würden neu- gesorgt werden, dass die Lehren aus ebendieser Geschichte nicht ver- en Zulauf bekommen. Die Auswir- gessen werden. kungen auf die Weltwirtschaft infolge explodierender Energiepreise wären (BB und KNA) verheerend. Niemand kann an einer solchen Entwicklung interessiert sein.

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terium als Lobbyist der heimischen dem Verbündeten angeblich nicht ge- eine Woche zuvor! Die Spekulationen, Industrie und drängt das Bundesamt währen. wie schlimm es um ihn steht, werden für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, Das neue Abwehrsystem kann damit neu genährt. Es gilt inzwischen eine Exportgenehmigung für einen übersetzt auch heißen: Die USA ste- als bestätigt, dass Kim Jong Il am 100 Millionen Euro schweren Deal hen trotz ihrer Bedenken gegenüber 14. August einen Schlaganfall erlitt. zur Erstellung von drei Flüssiggasan- militärischen Alleingängen für die Si- Zwar sind neuerdings wieder Fotos lagen im Iran zu genehmigen. Die gute cherheit ihres Verbündeten ein. vom ihm im Unlauf, aber man kann Nachricht ist, dass nach dem Bericht sie nicht wirklich zeitlich zuordnen. des Internationalen Währungsfonds Nordkorea Bei vielen Südkoreanern wecken die die Sanktionen gegen den Iran trotz- as genau hinter dem eisernen Berichte Hoffnung auf eine Wieder- dem zu wirken beginnen, vor allem WVorhang in Nordkorea passiert, vereinigung ihres Landes und auf ein im Finanzsektor. weiß niemand im Ausland so genau. Wiedersehen mit Freunden und Ver- Spekulationen um die Zukunft der wandten, die auf der anderen Seite oskaus Beziehungen zum Westen Führung Nordkoreas bei Ausfall Kim des Eisernen Vorhangs leben. Msind nach dem Georgien-Krieg Jong Il konzentrieren sich auf die insgesamt empfindlich gestört und das Möglichkeit einer Militär-Junta. Diese ber die Aussicht auf ein politi- schlägt auf das Krisenmanagement würde den Einfluss Chinas in Nord- Asches Vakuum oder gar eine Im- der Internationalen Gemeinschaft korea vergrößern. Nicht ausgeschlos- plosion des verarmten Staates treibt auch hinsichtlich des Iran durch. Ob sen in dem dann anstehenden Macht- politischen Beobachtern Sorgenfalten es sich nur um eine vorübergehende kampf, ist auch ein Sieg der Kommu- ins Gesicht. Wenn Kim Jong Il ver- Lähmung handelt oder eine dauer- nistischen Partei, welche die Stellung schwindet, besteht die Möglichkeit, hafte Blockade begonnen hat, dürfte des ZK stärken würde. dass die ganze Region kollabiert. Falls Irans Präsident gleich sein, insgesamt Von Kims drei Söhnen ist inzwi- das geschieht, was werden Nordkore- hat er Grund sich zu freuen. Zufrieden schen der zweite Jong-chul, der wahr- as 1,17 Millionen Soldaten, die mit kündigte Ahmadinedschad in New scheinlichste Kandidat. Er ist Ende atomaren, chemischen und biologi- York an, sein Atomprogramm auch ge- 27 und wurde in der Schweiz ausge- schen Waffen ausgerüstet sind, als gen „Schikanen“ durchzusetzen. bildet. Der erste Sohn, Kim Jong-nam, nächstes tun? Nachdem die USA Israel hinsicht- hat sich offenbar schon lange durch Die Hauptsorge gilt dem nordko- lich eines offensiven Vorgehens gegen seine Eskapaden disqualifiziert. Der reanischen Atompotenzial. So hatte den Iran die Unterstützung versagt 37-Jährige lebte jahrelang ein rau- das Land kürzlich damit begonnen, hatten, rüstet Israel sich nun gegen schendes Leben in Macao, kehrte aber seine abgeschaltete Atomanlage in mögliche iranische Raketenangriffe. vor kurzem in die Heimat zurück. Der Yongbyon wieder in Betrieb zu neh- Ein neues Hochleistungsradar soll in dritte, der 24-jährige Kim Jong-un, men. Pjöngjang war wütend, dass die Verbindung mit US-Satelliteninforma- der seinem Vater aufs Haar gleicht, USA Nordkorea nicht wie versprochen tion einen möglichen iranischen An- gilt als zu jung. Keiner der drei wur- von der Liste der den Terror unterstüt- griff schon kurz nach dem Abfeuern de, so wie Kim Jong Il einst selber, zenden Staaten genommen haben. Un- der Raketen melden können. Eine durch jahrelangen Drill in Partei und ruhen und Säbelrasseln der Streitkräf- direkte Anbindung an das Arrow-Ab- Armee auf den Posten vorbereitet. te seien wahrscheinlich, wenn Kim wehrsystem soll dann die Chancen er- Die Armee wird wahrscheinlich kei- längere Zeit ausfällt. höhen, die Raketen schon im Anflug nen der 3 Söhne Kims als Herrscher Der Norden hat oft einen harten unschädlich zu machen. Das neue akzeptieren. Kurs eingeschlagen, wenn er in einer Hochleistungsradar meldet eine Ra- Die vierte Frau des Potentaten, schwierigen Situation war. In der An- kete bereits 1900 Kilometer vor dem Kim Ok, soll den Zugang zu dem Dik- lage in Yongbyon entsteht beim Auf- Einschlag. Eine iranische Schahab- tator kontrollieren und sich auch in bereitungsprozess von verbrauchten 3-Rakete könnte so innerhalb von die Nachfolgeregelung einmischen. Uranbrennstäben Plutonium, das je- fünf Minuten nach ihrem Start neu- Spekulationen sehen sie selber auch derzeit zum Bau von weiteren Atom- tralisiert werden – da hätte sie noch als eine Kompromisskandidatin im waffen verwendet werden könnte. We- nicht einmal die Hälfte ihres Weges Spiel. Kompetenter als Ihre Söhne sentliche Teile seines Atomreaktors zurückgelegt. dürfte sie allemal sein. Seit den acht- hatte Nordkorea im Rahmen seines Hinter der Lieferung wird eine Art ziger Jahren war sie Kims persönliche im Februar 2007 zwischen Nord- und Kompensation für die US-Weigerung Sekretärin. Kim soll sie nach dem Tod Südkorea, den USA, China, Russland vermutet, bestimmte Waffengattungen seiner dritten Frau in 2006 geheira- und Japan geschlossenen Abkommens zu liefern, die für einen Angriff auf tet haben. unbrauchbar gemacht. Von ursprüng- iranische Ziele gewünscht wurden. Der „liebe Führer“ ist wohl im- lich 8000 verbrauchten Brennstäben Darunter fallen die GBU-28-Präsisi- mer noch krank. Auch beim Ernte- können nach IAEA-Experten noch onsbomben (sogenannte Bunkerkna- dankfest am 15.09.2008, einem der mindestens 4000 für die Produktion cker) und moderne Tankflugzeuge zur höchsten Feiertage in Korea, hat sich von Plutonium verwendet werden. Betankung israelischer Kampfflug- der nordkoreanische Staatschef nicht Das nordkoreanische Atompro- zeuge in der Luft. Sogar die Überflug- in der Öffentlichkeit blicken lassen gramm liegt zwar seit Jahren im Zen- rechte über den Irak wollten die USA – wie schon beim 60. Gründungstag trum der internationalen Aufmerk-

AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008 19

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samkeit, ist aber nicht der einzige Die Vereinbarung befreit Dehli, breitungsvertrag die Unterschrift ver- Punkt, der im Ausland Sorgen her- das den Atomwaffensperrvertrag nicht weigert hatte, der ihm ein Atomwaf- vorruft: Auch das Raketenprogramm unterzeichnet hat, aus der internatio- fenverbot auferlegt hätte, landete es wird von Nachbarn wie Japan ebenso nalen „Nuklearisolation“. Sie zwingt auf der Liste jener Länder, die offizi- wie von den USA mit Argwohn be- Indien nicht einmal, seine militäri- ell vom Handel mit Nuklearmaterial trachtet. In aller Ruhe hatte Nordko- sche Atomrüstung unter internatio- ausgeschlossen waren. Die Entwick- rea in den vergangenen Jahren eine nale Aufsicht zu stellen. So werden lung und Unterhaltung des Nuklear- Abschussbasis für Interkontinentalra- 14 Atomkraftwerke der IAEA unter- waffenprogramms gelang Indien auch keten gebaut. Sie ist noch nicht ganz stellt, aber acht kernwaffenrelevante mit eigenen Mitteln, aber nachdem fertig, aber seit 2006 bedingt einsatz- Anlagen bleiben den Inspekteuren der wirtschaftliche Wachstumsschub fähig. Sie stellt im nordkoreanischen weiter versperrt. Jedoch hatte die indi- in den neunziger Jahren enormen Raketenprogramm einen wichtigen sche Regierung zugesagt, keine neuen Energiebedarf freigesetzt hat, fehl- Fortschritt dar. Schon im Juni soll die Atomwaffentests mehr durchzuführen. te es vor allem an neuen Atomkraft- Zündung eines Triebwerkes für eine Gleichzeitig bindet sich das Land en- werken und nuklearem Brennstoff. neue Interkontinentalrakete getestet ger als in seiner ganzen Geschichte Diese Notlage machte sich Amerika worden sein. Eine Rakete, die in der an die USA. In den Vereinten Nati- zunutze. Es bot der Regierung in De- Lage ist, Atomsprengköpfe zu trans- onen hält Indien an den „blockfrei- lhi an, sich für eine Aufhebung der portieren. en Positionen“ fest, die es seit seiner Sanktionen einzusetzen, wenn sie im Die USA haben nun gegen den Gründung immer bezogen hat. Bei re- Gegenzug einen Teil ihrer Nuklear- Widerstand Japans Nordkorea doch alpolitischen Entscheidungen zögert anlagen unter Aufsicht der internati- von ihrer Liste mutmaßlicher Ter- Dehli dagegen nicht, sich zunehmend onalen Atomenergiebehörde (IAEA) rorstaaten gestrichen und dem Land deutlicher auf der Seite Washingtons in Wien stellt. so den dringend benötigten Zugang zu positionieren. Das Kalkül der Regierung Bush zu den globalen Märkten ermöglicht. Im Bezug auf den Iran kann In- war nicht nur wirtschaftlicher, son- Ausschlaggebend für das Einlenken dien nicht versuchen, die Isolations- dern auch strategischer Natur: Mit Washingtons war die Zusage Pjöng- bemühungen der USA zu unterlaufen, der Aufwertung zu einer de facto an- jangs, den Wiederaufbau seiner Nu- sosehr eine Ergaspipeline direkt auf erkannten Atommacht schließt Indien klearanlagen abzubrechen und künf- den Subkontinent gewünscht wird. politisch zu China auf, was das Macht- tig Inspektionen seiner Atomanla- Dabei weiß auch Delhi, dass die USA gleichgewicht in der Region neu aus- gen durch die IAEA zuzulassen. Das mit zweierlei Maß messen. Im Fall balancieren könnte. Zugleich erhofft entspannt die Lage aktuell wieder des Iran ist Washington nicht bereit, sich Washington von seiner Rolle als etwas. den Ausbau der zivilen Nutzung der Eisbrecher ein Sonderverhältnis zum Atomenergie zuzulassen. Indiens Di- zweitgrößten Land der Erde und damit Andere plomatie quittiert die unterschiedli- eine Absicherung seiner Einflussmög- Die Situation in Syrien ist auch che Behandlung mit Stolz; die engere lichkeiten in Asien. nach der Inspektion durch die IAEA Bindung an die USA soll vorangetrie- Das amerikanische Angebot stürz- weiterhin unklar, da durch die ver- ben werden. te aber Indien in ein Dilemma. Einer- schiedenen Baumaßnahmen der syri- Während sich der Krieg in Af- seits war nur mit Washingtons Hilfe schen Regierung in den vermuteten, ghanistan verschärft, die Rolle der ein Ausbrechen aus der Paria-Posi- von Israel zerbombten Anlagen nicht Atommacht Pakistan eher undurch- tion möglich, andererseits fürchteten klar ausgeschlossen werden kann, ob sichtiger als klarer wird und die Krise viele um die nationale Souveränität nicht die Überreste in andere, nicht um die atomaren Pläne des Iran sich des Atomprogramms und um die Un- zugänglich gemachte Anlagen, ver- wahrscheinlich vor den US-Präsiden- abhängigkeit der indischen Außen- bracht worden sind. tenwahlen zuspitzen werden, gilt der politik. Vereinbarungen zwischen Iran Subkontinent als feste Bank mit ähn- Völkerrechtler bezweifeln nach und Nigeria zur Lieferung von Tech- lichen Interessen wie die der USA wie vor den positiven Beitrag zur nologie zur friedlichen Nutzung der und Europas. Nichtverbreitungspolitik. Zwar be- Kernenergie, internationalisieren Doch die Begeisterung über das fürchten sie nicht, dass Indien – so diesen Krisenherd zusätzlich. nach dreieinhalb Jahren unter Dach wie Pakistan – als Händler auf dem Die Nuklear-Vereinbarung zwi- und Fach gebrachte Nuklearabkom- Nuklearschwarzmarkt auftreten wird, schen Indien und den USA, deren men hält sich in Grenzen. „Endlich aber sie betrachten das Abkommen Inkrafttreten nach der Zustimmung ist es geschafft“ ist der Tenor. Man als Dammbruch. Staaten wie Iran oder des US-Kongresses und der Internati- atmet eher auf, als dass die Kommen- Nordkorea könnten aus der „Lex In- onalen Atomenergiebehörde (IAEA), tatoren jubeln. dia“ lernen, dass es sich auszahlt, nun auch noch auf amerikanischen Am Beginn des Prozesses stand Atomprogramme außerhalb der lega- Druck hin die Zustimmung der Nu- das Begehren Delhis, aus der nuk- len Strukturen zu entwickeln. clear Supplier Group (NSG)hat, hat learpolitischen Isolation zu finden, große internationale Auswirkungen. in die das Land nach seinem ersten Leider muss man schließen: Die Indien ist nun eine anerkannte Atom- Atombombentest im Jahr 1974 gera- nukleare Proliferation schreitet wei- macht! ten war. Weil Indien dem Nichtver- ter fort. ❏

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Sicherheit und Friedenspolitik Peace Brigades International (PBI) – eine vorbildliche Antwort auf unsere Zeit

VON MAJ A.D. KLAUS LIEBETANZ

eace Bridades International (PBI) versucht durch die Präsenz von internationalen Freiwilligen-Teams Men- schenrechtlern in Krisenregionen vor Ort Rückhalt und Schutz zu geben und Freiräume für deren Arbeit zu Perhalten und zu vergrößern. Dies geschieht in erster Linie durch Schutzbegleitung bedrohter Personen. PBI trägt so auch zur Prävention von schweren Menschenrechtsverletzungen bei. Der Autor, Major a.D. Klaus Lie- betanz und Fachberater für Katastrophenmanagement hat an einem Info-Seminar über Ziele und Arbeit von PBI teilgenommen und berichtet im Folgenden über diese erstaunliche und außergewöhnliche Organisation.

Eine professionelle „Barfußtruppe“ schiedete sich. Eine weitere Frau im Freiwillige bedrohte Mitglieder der Der erste Eindruck vom Info- mittleren Alter mit guten Spanisch- entstehenden Zivilgesellschaft, das Seminar in Bonn im Oskar-Rome- kenntnissen machte durchaus den heißt Personen aus Organisationen, ro-Haus war sehr spartanisch. Das Eindruck, den Anforderungen eines die sich für Frieden, Menschen- und Oskar-Romero-Haus, ein ehemaliges Teammitglieds von PBI gewachsen zu Landrechte einsetzten, aber auch Ge- Gefängnis, in dem die SS seit 1935 sein. Am Schluss der Veranstaltung werkschaftsmitglieder, heimkehrende politische Gefangene unterbrachte erklärten sich fünf Personen ernsthaft Flüchtlinge, indigene Dorfgemein- und im Keller „verhörte“, beherbergt bereit, bei PBI mitarbeiten zu wollen. schaften und Anwälte/innen, Augen- heute im 1. und 2. Stock Wohngemein- Der Info-Veranstaltung fehlte jede Art zeugen von Menschenrechtsverlet- schaften (WG’s), die sich friedenspo- von Suggestion oder Sektierertum. Sie zungen. Zusätzlich wurden Work- litisch betätigen. Im Dachgeschoss war einfach überzeugend. shops für gewaltfreie Konfliktbear- befindet sich ein Tagungsraum, der beitung durchgeführt. PBI verfolgt nachts als Schlafraum (mit Luftmat- Entstehung und Geschichte auch nach dem Ende des Guatemala- ratze und Schlafsack) genutzt werden Peace Brigades International wur- Projekts (1999) die Entwicklung der kann und eine geräumige Küche mit de am 4. September 1981 auf Grinds- Menschenrechtssituation weiter. 2001 Essraum. Neben der Haustür hängt tone Island in Kanada von vier Frie- schickte sie aufgrund der erneuten ein Seil, das zu einer Glocke im Dach- densaktivisten aus verschiedenen Zunahme von Drohungen vor allem im geschoss führt. Der Haustürschlüssel Kontinenten gegründet. Die geisti- Zusammenhang mit dem Kampf gegen wird dann mit einer Schnur herunter- gen Grundlagen beziehen sich auf die Straflosigkeit eine Delegation ins gelassen. Im Gegensatz zum spartani- die Idee von Mahatma Ghandi, eine Land, was zu einer Wiederaufnahme schen Äußeren entwickelte sich die „Friedensarmee“ zu gründen, die sich des Projektes führte. Info-Veranstaltung sehr professionell in gewalttätigen Konfliktsituationen mit Laptop, Beamer und spannenden zwischen die Konfliktparteien stellt. 2. El Salvador (1887-1992) Vorträgen durch ehemalige deutsche Diese Methode hatte sich 1957 bei Die Haupttätigkeit von PBI be- Teammitglieder in Guatemala, Mexi- den Straßenunruhen zwischen Hindus stand in El Salvador in der interna- co, Kolumbien und Nepal. und Moslems in Indien bewährt und tionalen Schutzbegleitung bedrohter wurde später beim Friedensmarsch Angehöriger von Volksorganisationen Wer waren die Teilnehmer? 1974 zur Unterstützung der damaligen und in Besuchen in Flüchtlingslager. Es gab insgesamt 15 Teilnehmer, Unabhängigkeitsbewegung in Nord- Nach Unterzeichnung eines Friedens- gewöhnlich sind es 20. Die Mehrzahl Rhodesien (heute Sambia) erfolgreich vertrages zwischen Regierung und be- der Teilnehmer waren Studentinnen eingesetzt. Hinzu kommen Ideen und waffneter Opposition, der maßgeblich und Studenten, die gerade ihr Studi- Methoden der westlichen Friedens- durch die römische Friedensgemeinde um (Friedens- und Konfliktforschung, bewegung und in Lateinamerika Ge- Sant’Egidio vermittelt wurde, wurde Ethnologie und ähnliches) beendet danken der Befreiungstheologie, die das Projekt geschlossen. PBI verfolgt hatten oder dabei waren, es abzu- im 2. Vatikanischen Konzil Grund weiterhin die Entwicklung im Land. schließen. Ferner gab es drei Frauen gelegt wurde. Der erste Kurzeinsatz im Alter zwischen 45 und 65 Jahren, fand 1983 in Nicaragua während des 3. Sri Lanka (1998-1998) deren Kinder aus dem Haus waren. Contrakrieges statt. Weitere Einsätze Schwerpunkt dieses Projekts war Sie verspürten den Wunsch, mal etwas waren und sind: die Schutzbegleitung für Menschen- ganz anderes, möglichst Gutes zu tun. rechtsanwälte und Zeugen. Später er- Eine der Frauen erkannte bereits am 1. Guatemala (1983-1999, ab 2001) streckte sich die Tätigkeit auf weitere ersten Abend, dass sie sich mit PBI Sechzehn Jahre lang begleiteten Personengruppen und Anlässe: Ge- etwas übernommen hatte und verab- in Guatemala über vierhundert PBI- werkschaften, Flüchtlinge, Demons-

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trationen, Wahlbeobachtung usw. Die Methoden gewaltfreier Konfliktbear- stadt des Bundesstaates Guerrero er- zunehmende Polarisierung der Kon- beitung. Das PBI-Team bildete unter öffnet. Hier liegt auch der Schwer- fliktparteien im Land sowie Bedin- anderem Einheimische zu Trainern punkt der Arbeit, da die Anfragen gungen der Behörden von Sri Lanka, und Multiplikatoren aus und entwi- auf schützende Begleitung besonders welche PBI inakzeptabel waren (Zen- ckelte mit ihnen den Bedürfnissen des in Guerrero in den letzten Jahren be- surauflagen sowie verlangte Preisga- Landes angepasste Mittel für die Ent- trächtlich zugenommen haben. Zudem be aller Kontakte), führten 1998 zur schärfung gewalttätiger Konflikte. ist PBI die einzige internationale Or- Schließung des Projektes. ganisation mit konstanter Präsenz in 8. Gemeinschaftsprojekt SIPAZ diesem Bundesstaat. In Mexiko Stadt 4. Nordamerika (1992-1999) in Chiapas / Mexiko (seit 1996) werden NRO’s begleitet sowie Kontakt In Nordamerika (USA/Kanada) PBI ist Mitglied der Koalition mit Regierungsstellen und dem diplo- leistete PBI einen Beitrag zur gewalt- SIPAZ (Servicio Internacional para matischen Corps gepflegt. PBI führt freien Bearbeitung von Konflikten, la Paz), die im Bundesstaat Chia- des weiteren zusammen mit mexika- welche die örtlichen indigenen Ge- pas im Süden Mexikos durch Beglei- nischen Menschenrechtsorganisatio- meinschaften betrafen. Das Projekt tung von Menschenrechtsverteidigern nen Workshops zu Sicherheitsfragen richtete sich auch gegen Rassismus und Dorfgemeinschaften internationa- von MenschenrechtsverteidigerInnen und strukturelle Gewalt gegenüber le Präsenz garantiert. Als Beitrag zur durch. der amerikanischen indigenen Be- nachhaltigen Konfliktbewältigung in völkerung. der dortigen Gesellschaft werden Se- Die Vorgehensweise von PBI minare zu gewaltfreier Konfliktbe- PBI ist davon überzeugt, dass Kon- 5. Balkan Peace Team (BPT) (1994-2001) arbeitung durchgeführt. Das Projekt flikte nicht mit Gewalt, sondern nur im Das BPT war ein Gemein- informiert zudem die internationale Dialog und durch Verständigung bear- schaftsprojekt von zwölf Friedensor- Öffentlichkeit über die aktuelle Men- beitet und transformiert werden kön- ganisationen. Zu Beginn hat das BPT schenrechtslage. nen. PBI unterstützt deshalb in den in Kroatien lokale Friedens- und Men- Projektländern jene zivilgesellschaft- schenrechtsgruppen begleitet, beson- 9. Indonesien und Osttimor (seit 1999) lichen Kräfte, die sich mit gewaltfrei- ders in ihrem Einsatz für den Schutz Nach dem Unabhängigkeitsrefe- en Methoden für Menschenrechte, und die Rechte von ethnischen Min- rendum im Jahr 1999 wurde Osttimor soziale Gerechtigkeit und friedliche derheiten. Später unterstützte es in von einer Gewaltwelle überrollt. Auch Bearbeitung von Konflikten einset- Serbien und im Kosovo den Dialog, in anderen Teilen des Inselreiches zen. Durch die Präsenz von interna- indem es Räume zur Begegnung zwi- brechen immer wieder Konflikte of- tionalen Freiwilligen-Teams versucht schen der serbischen und der albani- fen aus. Schwerpunkt der Arbeit dort PBI, den zivilen Bewegungen Rück- schen Gemeinschaft schuf. war nicht Schutzbegleitung, sondern halt zu geben und die Freiräume für Friedenserziehung und Anleitung zur ihre Arbeit zu erhalten und zu vergrö- 6. Kolumbien (seit 1994) zivilen Konfliktbearbeitung. In die- ßern. Dies geschieht unter anderem PBI begleitete zunächst vor allem ser Hinsicht nimmt das Indonesien- mittels Öffentlichkeitsarbeit und der Organisationen in Bogotá und Bar- Projekt eine Sonderstellung ein. PBI Verbreitung unabhängiger Informati- rancabermeja. 1998 wurde das drit- hat Multiplikatoren ausgebildet und onen sowie durch Schutzbegleitung te Team in Urabá eröffnet und 1999 die weitere Arbeit nunmehr an die lo- bedrohter Personen. In dem geschaf- ein viertes Team in Medellín. Zur- kalen NGO’s übergeben, die mittler- fenen Freiraum ist es den Begleiteten zeit arbeiten rund vierzig Freiwillige weile befähigt sind, die Workshops möglich, gewaltfrei für eine Lösung aus neun europäichen Ländern so- zur Friedenserziehung selbst durch- der Konflikte zu kämpfen. Das Mot- wie aus Mexiko, Brasilien, den USA zuführen. PBI-Jakarta steht aber für to von PBI „making space for peace“ und Kanada in den vier regionalen weitere Unterstützung dieser Arbeit bringt dies auf den Punkt. Teams von PBI. Sie begleiten dort bei Bedarf zur Verfügung. PBI arbeitet Menschenrechtsorganisationen und jetzt überwiegend in Papua mit indi- In Verbindung mit einem Vertriebenengemeinden, um durch die genen Gruppen zusammen und macht internationalen Netzwerk internationale Präsenz einen Schutz dort Schutzbegleitung und Friedens- Im Laufe der Zeit konnte PBI zu bieten, der es den kolumbiani- erziehung. weltweit ein internationales Netzwerk schen Organisationen ermöglichen von Unterstützern aufbauen. Dazu ge- soll, ihre Arbeit trotz Androhungen 10. Mexiko (seit 2000) hören befreundete Organisationen, fortzusetzen. Nach mehreren Anfragen um in- wie Amnesty International, politische ternationale Schutzbegleitung be- Stiftungen, einflussreiche Parlamen- 7. Haiti (1995-2000) schloss PBI, ein Projekt mit Schwer- tarier, Kirchen, Medienvertreter, Bot- Im Unterschied zu anderen PBI- punkten in den international wenig schaften und Regierungsstellen. Die- Projekten lag in Haiti der Schwer- beachteten Bundesstaaten Guerre- ses Netzwerk kann jederzeit aktiviert punkt auf der Entwicklung eines Pro- ro und Oaxaca, wo viele Menschen- und alarmiert werden. Dieses Netz- gramms zur Friedenserziehung, das rechtsverletzungen geschehen, aufzu- werk gibt den PBI-Teammitglieder heißt in der Organisation und Durch- bauen. Ende des Jahres 2001 wurde und deren Schutzbefohlenen den nö- führung von Bildungsseminaren zu ein Team in Chilpancingo, der Haupt- tigen internationalen Schutz. Diese

22 AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008

Auftrag_272.indb 22 21.11.2008 9:02:39 Uhr SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Methode funktioniert seit 25 Jahren Projekte werden von den verschiede- Anfrageprinzip (erstes Projekt 1983). In seither weit nen PBI-Ländergruppen, ihren Mit- PBI wird ausschließlich auf An- über 1.000 Einsätzen ist kein Todes- gliedern und Förderern gemeinsam frage von lokalen Menschenrechtsver- fall eines PBI-Freiwilligen zu ver- aufgebracht. Darüber hinaus erhält teidigern/ -innen aktiv. Ein PBI-Team zeichnen. PBI legt großen Wert auf die PBI kirchliche, öffentliche und pri- wird nur entsendet, wenn einheimi- Sicherheit der Freiwilligen (und aller vate Zuschüsse. Eine Abhängigkeit sche Organisationen oder Individuen Beteiligten). Die Prinzipien von PBI von einzelnen Gebern wird damit ver- ihren Handlungsspielraum bedroht sind darauf ausgerichtet, größtmögli- mieden. sehen und PBI offiziell um internati- chen Schutz zu bieten. Deswegen ist onale Präsenz anfragen. Genauso be- PBI unparteiisch, mischt sich nicht in Internationalität gleiten Teams, wenn sie vor Ort die Konflikte ein oder klagt an, wie Am- Die Internationalität von PBI lei- Arbeit aufgenommen haben, nicht von nesty International das macht. Ein tet sich aus der Entstehungsgeschich- selbst die lokalen Menschenrechts- weiterer Sicherheitsaspekt besteht te der Organisation und ihren uni- verteidiger-/innen. Während des ge- darin, dass PBI seine Arbeit in den versalen Zielen ab. PBI wurde als samten Einsatzes wird immer nur auf Krisenregionen transparent macht eine grenzüberschreitende Organisa- Anfrage gearbeitet. Diese Anfragen und deswegen auch Kontakt zu allen tion der Zivilgesellschaft gegründet. werden zuvor dahingehend geprüft, ob Konfliktparteien hat. Hinzu kommt Durch ihre Internationalität ist PBI sie mit den weiteren PBI-Prinzipien das große internationale Unterstüt- unabhängig von der Einflussnahme vereinbar sind. zungsnetz von PBI, ein quasi im Ver- nationaler Regierungen. Auch in Be- borgenen wirkendes Sicherheitsnetz. zug auf Glaubwürdigkeit der Unpar- Entscheidungsfindung Die damit verbundene Advocacy-Ar- teilichkeit spielt die Internationalität im Konsens beit (verteidigen, befürworten, vertre- eine zentrale Rolle. Deshalb werden PBI ist basisdemokratisch organi- ten) wird nur selten sichtbar. Allein in die Teams grundsätzlich multinatio- siert. Entscheidungen werden sowohl Deutschland hat PBI fortlaufend Kon- nal besetzt. auf internationaler Ebene wie im PBI- takt zu 50 Bundestagsabgeordneten Team vor Ort im Konsens gefällt. Das aller Fraktionen, um nur eine Gruppe Nichteinmischung Konsensprinzip ist ohne Zweifel zeit- von Unterstützern zu nennen. Zudem Nichteinmischung bedeutet, dass aufwändig. Es stellt aber sicher, dass wird PBI nur in Konflikten tätig, in de- PBI keinen Einfluss auf Entschei- möglichst alle relevanten Fakten bei nen ihre Methode funktioniert. Daher dungsprozesse der begleiteten Or- einer Entscheidung berücksichtigt bedarf die Eröffnung neuer Projekte ganisationen nimmt. Durch die Prä- werden und die Entscheidung ge- auch eine lange Vorbereitungszeit, in senz von PBI soll der Handlungsspiel- meinsam verantwortet wird. Spaltun- der umfassende Konfliktanalysen ge- raum erhalten bzw. wieder gewonnen gen in zwei oder mehrere Lager wer- macht werden. werden. PBI geht zudem davon aus, den vermieden. dass die lokalen Akteure selbst in der Prinzipien von PBI Lage sind, kreative Lösungen für eine Teamarbeit auf engsten Raum Konflikttransformation zu entwickeln, Wenn die Entscheidung bei PBI Unparteilichkeit wenn ihnen der hierfür erforderli- gefallen ist, ein Team in einer Regi- Unparteilichkeit heißt, das PBI che Raum zur Verfügung steht. Eine on zu installieren, wird in der Regel sich nicht als Vertreterin einer be- Einmischung würde diesem Ziel des ein kleines Haus angemietet, das ei- stimmten, am Konflikt beteiligten Par- nachhaltigen Empowerment entge- nigermaßen vor fremden Zutritt gesi- tei sieht. „Unparteilichkeit“ ist nicht genlaufen. Außerdem wäre bei Aktivi- chert werden kann (Gitter und doppel- gleichbedeutend mit „Neutralität“. täten innerhalb der begleiteten Orga- te Eingangstür). Gewöhnlich gehören PBI-Teams setzen sich offen und be- nisation die Unparteilichkeit von PBI 7-10 Personen zu einem Team. Das kennend für die Verwirklichung der grundsätzlich in Frage gestellt. Verhältnis von Männern und Frauen Menschenrechte und des Humanitä- beträgt im Durchschnitt 1:3. Schutz- ren Völkerrechts ein. Alle zivilgesell- Gewaltfreiheit begleitungen werden in der Regel von schaftlichen Akteure, die sich legal Die Mitglieder der PBI-Teams einer Frau und einem Mann durch- und gewaltfrei für diese Grundrechte sind unbewaffnet und begleiten aus- geführt. Die Unterbringung erfolgt einsetzen, können durch die interna- schließlich lokale Akteure, die sich gewöhnlich in Zweibettzimmern. Es tionale Begleitung Unterstützung bei gewaltfrei für eine Konflikttransfor- gibt nur wenige Einzelzimmer. Die ihrer Arbeit erfahren. mation einsetzen. PBI ist davon über- Verteilung der vielfältigen Aufgaben zeugt, dass die gewaltfreie Konflikt- erfolgt im Konsensprinzip. Zu den Unabhängigkeit bearbeitung zu einem wirkungsvollen Aufgaben gehören: Begleitschutz, PBI ist keiner religiösen, philoso- Instrument ausgebaut werden kann; Meetings bei Behörden und Institu- phischen oder anderen Weltanschau- wobei hierfür nur ein geringer Teil tionen, Alarmierungs- und Bereit- ung verpflichtet und offen für alle Mit- der menschlichen und materiellen schaftsdienst und nicht zuletzt der glieder, welche die Ziele und Prinzi- Ressourcen, die über Jahrhunderte Hauswirtschaftsdienst (Bereitstellung pien der Organisation vertreten. Auch für militärische Zwecke ausgegeben der Verpflegung und Saubermachen). auf die finanzielle Unabhängigkeit wurden, zur Verfügung gestellt wer- Alle Menschenrechtsaktivitäten wer- legt PBI größten Wert. Die Mittel für den muss. den schriftlich dokumentiert. Hinzu

AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008 23

Auftrag_272.indb 23 21.11.2008 9:02:39 Uhr SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

kommt die wöchentliche Analyse der Komitees: Finanzkomitee, Planungs- von schweren Menschenrechtsver- Menschenrechtslage und der Gefähr- komitee, Personalkomitee, Koordinie- letzungen bei. In Guatemala hat PBI dung im Konsens. Es bleibt also nicht rungs gruppe nachweislich dazu beigetragen, dass viel Zeit für Persönliches. Ein Tag in Basis: ca. 400 UnterstützerInnen (ak- der Genozid an der indigenen Bevöl- der Woche ist für jeden frei, was nicht tiv/passiv) kerung eingedämmt werden konn- bedeutet, dass man mal eben in die Dauerhafte Arbeitsgruppen (Projekt- te, weil Menschenrechtler geschützt Disko gehen kann. Der nicht unge- gruppen, Regionalgruppen) wurden und so eine Zivilgesellschaft fährliche Dienst bei PBI hat keinen entstehen konnte. Dies führte zu einer touristischen Charakter und macht Abschließende Bemerkungen zivilen Übergangsregierung. eine sorgfältige Absprache notwendig. 1. Kein Interventionismus Während des einjährigen Dienstes im Die Tätigkeit und die Vorgehens- 3. Ohne PBI-Begleitung Team ist auch ein Urlaub vorgesehen, weise von PBI beruht nicht – wie so wären viele Friedensaktivisten der in der Regel in der zweiten Hälf- häufig bei Staaten - auf einer Inter- nicht mehr am Leben te des Aufenthaltes genommen wird. vention von Außen, welche die betref- „Peace Brigades International“ Die Teammitglieder erhalten monat- fende Gesellschaft in eine bestimmte zeigt, dass die Begleitung von Men- lich neben freier Kost und Logis ein Richtung beeinflussen will, was meis- schen, die unter einem autoritären Taschengeld von 150 USD. Das Le- tens nicht funktioniert. PBI beschränkt Regime, Intoleranz und staatlicher ben im PBI-Team setzt Idealismus sich ausschließlich auf die Schutzbe- Gewalt leiden, unschätzbar und ab- und Teamfähigkeit voraus. Belohnt gleitung von Menschenrechtler/-In- solut nötig ist. Sie macht den Kampf werden die Teammitglieder durch das nen der betreffenden Region. Dadurch für die Menschenrechte effektiver und prägende Erlebnis mutiger Persön- erhält dieser Personenkreis Raum und verwandelt den Traum von Demokra- lichkeiten der lokalen Partner, die in Möglichkeit für ihr Handeln. So trägt tie in Wirklichkeit. Große Herausfor- äußerst schwierigen Situationen eine PBI dazu bei, dass sich eine Zivilge- derungen warten auf PBI in anderen erstaunliche Zivilcourage zeigen. sellschaft entwickeln kann. Das ist Ländern, wo ihre Präsenz und ihre eine wesentliche Voraussetzung für Begleitung als moralische Kraft und Struktur von menschlichen Fortschritt. Unterstützung gebraucht werden.“ Peace Brigades International (Rigoberta Menchú Tum, Internationale Ebene: 2. PBI ist präventiv tätig Guatemala, – Internationaler Rat Darüber hinaus trägt PBI indirekt Friedensnobelpreisträgerin) – Dreijährige Generalversamm- zur Früherkennung und Prävention lung – Internationale Komitees Sowie ein internationales Koordi- nierungsbüro in . Darüber hin- Spendenaufruf aus ist das PBI-Europabüro in Brüssel im Laufe dieses Jahres (2008) ausge- iebe Leser, die Arbeit der GKS erfordert Geldmittel, egal, ob an der gliedert worden und als eigene Orga- LBasis gearbeitet wird, auf Bereichs- oder auf Bundesebene. Die Auf- nisation mit dem Namen „Protection wendungen für alle notwendigen Aktivitäten, einschließlich unserer Ver- International (PI)“ tätig. Hintergrund bandszeitschrift, steigen mit der allgemeinen Kostenentwicklung Jahr um der Ausgliederung sind Mandat und Jahr. Sie alle kennen das Phänomen, dass die zur Verfügung stehenden Prinzipien von PBI. PI macht Sicher- Geldmittel nicht im heitstraining in allen Regionen der gleichen Maße stei- Welt und agiert sehr flexibler und gen. Deshalb ist die schneller als PBI. Diese Trennung GKS unter anderem erleichtert die Zusammenarbeit von auch auf Spenden PBI und PI in Ländern, in denen beide angewiesen. Damit Organisationen tätig sind. Mehr zu PI auch eine Spenden- unter www.protectionline.org. quittung ausgestellt werden kann, wur- Nationale Ebene de der GKS e.V. ge- PBI-Ländersektionen (Austra- gründet, der auf- lien, Belgien, Deutschland, Frank- grund seiner aner- reich, Großbritannien, Italien, Kana- kannten Gemeinnüt- da, Luxemburg, Neuseeland, Nieder- zigkeit dies quittie- lande, Norwegen, Portugal, Schweden, ren kann. Auf dessen Konto gemäßß der d abgebildeten b b ld Überweisung Üb bit- b Schweiz, Spanien, USA) ten wir Sie um Spenden, Spendenquittungen werden danach ausgestellt PBI – Deutscher Zweig e.V. und zugesandt. Büro in Hamburg: Hauptamtliche, Ein herzliches Vergelt’s Gott allen Spendern. Freiwillige und Praktikanten/-Innen

24 AUFTRAGAUFTRAG27 2722 • DEZDEZEMBEREMBER 2008

Auftrag_272.indb 24 21.11.2008 9:02:39 Uhr GESELLSCHAFT NAH UND FERN

25 Jahre „Ärzte für die Dritte Welt“: „Mensch sein für andere“

VON PETER DE GROOT (KNA)

omalia, 1981: Das ostafrikani- seinen Sitz schon bald nach Frankfurt ein, zunächst „wohl doch recht blau- sche Land wird von einer Hun- verlegt. Die Bilanz heute: Für 2.300 äugig“ agiert zu haben. Er sei aber Sgerkatastrophe heimgesucht. Mediziner organisierte der überkon- davon überzeugt, dass da ganz erheb- Für das „Komitee Cap Anamur“ ko- fessionelle Verein rund 4.500 Hilfs- lich auch ein anderer seine Hand im ordiniert der Jesuitenpater Bernhard einsätze. Der Einsatz ist auf sechs Spiel gehabt habe. Der nämlich, so Ehlen dort den Einsatz von Ärzten und Wochen begrenzt, in den Slum-Am- Ehlen, „der die Liebe zum Nächsten, Hilfspersonal. Ein „Schlüsselerleb- bulanzen lösen sich die Ärzte ab, um die Nächstenliebe als höchstes Gebot nis“: Aus Deutschland kommend und auch längere Behandlungen sicher- unter uns Menschen will, der seiner eben gelandet, rettet ein Arzt mit dem Schöpfung und seinen Geschöpfen Schnitt seines Skalpells einem zwölf die Nächstenliebe als das Sinn-Prin- Jahre alten Jungen das Leben. zip gab“. Der Jesuitenpater spricht Damals wurde dem heute 69 Jah- davon, dass der Mensch berufen sei, re alten Jesuitenpater klar: Ein Arzt „Mensch zu sein für andere“, dass der kann auch in kurzzeitigen Einsät- Einsatz für andere das eigene Leben zen, unabhängig von Fremdsprachen- zustellen. Jederzeit sind insgesamt 38 bereichere. Und er weist darauf hin, kenntnissen und seinem Wissen um Mediziner in den neun Arztprojekten dass, wer die Augen aufmache, auch kulturelle Hintergründe „Menschen der „Ärzte für die Dritte Welt“ auf den hierzulande Menschen sehe, für die in Krankheit und Leid sinnvoll hel- Philippinen, in Indien, Bangladesch, er sich einsetzen könne. fen“. Zudem: Ehlen wusste um viele Kenia und Nicaragua im Einsatz. Un- Dem Kuratorium der „Ärzte für Ärztinnen und Ärzte, die nach Mög- entgeltlich. Zudem zahlen die Ärzte die Dritte Welt“, dessen Präsidentin lichkeiten suchten, sich zu engagie- einen Beitrag in Höhe von mindes- die Schauspielerin und Ärztin Maria ren, ohne gleich für ein halbes Jahr tens der Hälfte der Flugkosten. Viele Furtwängler ist, gehört seit kurzem oder länger aus der Praxis, der Kli- von ihnen beteiligen sich mehrfach auch Ex-Bundesbankchef Hans Tiet- nik, dem Familienleben aussteigen an den Projekten. meyer an. „Diese Ärzte“, sagt Tiet- zu müssen. Aber gibt es nicht auch Anfänglich wurde Ehlen von kei- meyer, „bemühen sich um eine fach- eine Urlaubszeit? ner Geringeren als Mutter Teresa von lich kompetente Samariterrolle; Gut- Am 10. September 1983 - vor 25 Kalkutta (1910-1997) bestärkt. Ma- menschentum allein hilft den armen Jahren also - gründet Ehlen bei einem chen Sie das, habe sie zu ihm gesagt, Ländern nicht“. (KNA) Treffen mit Ärzten in Darmstadt den denn Arzt zu sein, sei nicht ein Beruf, Website: Verein „Ärzte für die Dritte Welt“, der sondern eine Berufung. Ehlen räumt www.aerzte-dritte-welt.de

Islamische Präsenz im Internet (I) slamische Gelehrte weltweit führten Anfang der 1990er Jahre erneut jene Debatte, die stets aufbrach, wenn umwälzende Erfindungen aus dem Westen das traditionelle Gefüge ihrer Gesellschaften zu erschüttern droh- Iten: War die neue Technik eine unzulässige Neuerung oder mit dem Glauben vereinbar? In vielen Fällen ging die Prüfung zugunsten des unbestreitbaren Nutzens der Neuerungen aus, der Koran ist kein Feind von Fortschritt und Wissenschaft. Komplizierter lagen jedoch die Dinge beim Internet. Vor allem die wahhabitischen Wortfüh- rer in Saudi-Arabien lehnten das World Wide Web ab, weil es die Muslime mit westlicher Oberflächlichkeit und Pornografie überfrachten werde.

efürworter erkannten dagegen um den Islam und seine Lehren zu nenpublikum. Dabei stehen die Fat- Bfrüh die Möglichkeiten des In- verbreiten.“ Letztlich schlossen sich wa-Dienste, in denen Gelehrte juris- ternet. Dieses Medium könne den dem auch die Konservativen – und tische Fragen beantworten, für eine Austausch unter den Gläubigen ver- die Fundamentalisten – an. Die Zahl tiefgreifende Entwicklung im global tiefen und der Mission nie gekannte islamischer Internet- Seiten ist nicht vernetzten Islam. Konnten sich Mus- Reichweiten eröffnen. Auf den Punkt mehr zu überblicken. Arabische Por- lime früher nur beim Ortsmufti juris- brachte es Scheich Faysal Mawla- tale wie islamonline.net, islamweb. tischen Rat holen, stehen ihnen heu- wi, ein führender Vertreter des Eu- net oder raddadi.com erreichen mit te die unterschiedlichen Interpreta- ropäischen Fatwa-Rates: „Muslimen religiöser Erbauung, politischer In- tionen – von liberal bis radikal – zur wird die Internetnutzung empfohlen, formation und Chatforen ein Millio- Verfügung.

AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008 25

Auftrag_272.indb 25 21.11.2008 9:02:39 Uhr GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Bedeutsam ist auch die wachsende Aufklärung und Provokation bei Men- Bruchteil der Muslime auf diese Sei- Zahl privater Portale, Blogs und Foren. schen- und Frauenrechten, Sexualität, ten. Wichtiger ist die Web-Präsenz Die Rückwirkungen des hier vertrete- Toleranz oder zeitgemäßer Auslegung radikaler Fundamentalisten, die den nen progressiven Religions- und Po- von Koran und Sunna – aber im isla- Terror zwar verbal ablehnen, deren litikverständnisses auf den Weltislam mischen Kontext. Die aus orthodo- gottesstaatliche Ideale aber durchaus könnten immens sein. Gerade deshalb xer Sicht geradezu ketzerischen Mei- islamistisch anmuten. So drängen vor hat das Internet in islamischen Staa- nungen zeigen eine Protestkultur, die allem die Salafisten, die sich am „rei- ten einen schweren Stand. Autoritäre westliche Nachhilfe kaum nötig hat. nen Islam“ der Frühzeit orientieren, Machthaber fürchten diese subversi- Zugenommen hat auch der radi- mit salaf.com nach vorne. Experten ve Kraft und können dabei meist auf kalislamische Einfluss im Internet. sprechen von qualitativ gut gemach- die Unterstützung einer staatshörigen Die Homepages der Muslimbrüder, ten Seiten und dem derzeit stärksten Geistlichkeit zählen. Online-Zugang der Hamas oder der Hisbollah gehö- Segment im Web-Islam. Bei aller zur und -Nutzung werden daher möglichst ren ebenso zum Bild wie die bis zu Schau getragenen Abscheu vor den überwacht. So agieren liberale Anhän- 7.000 so genannten Terror-Sites mit „Ungläubigen“ widmen die Salafisten ger des Propheten im Web zumeist ihrer Mischung aus Koran und Ka- auch der Mission breiten Raum und vom Westen aus. In ihren Portalen wie laschnikow. Jedoch sollte ihre Bedeu- zeigen in ihren Videos überwiegend muslimwakeup. com, progressiveis- tung nicht überschätzt werden. Gemäß junge Menschen aus dem Westen beim lam. com oder ijtihad.org geht es um Untersuchungen verirrt sich nur ein Glaubensübertritt. (KNA-ID 31)

Islamische Präsenz im Internet (II) lle Schattierungen des heutigen Islam, wie sie im World Wide Web anzutreffen (s. Teil I) sind, finden sich inzwischen auch im deutschsprachigen Netz. Selbst der virtuelle Dschihad hat die Bundesrepublik erreicht. AEnde 2007 schreckte ein deutscher Ableger der „Globalen Islamischen Medienfront“ (GIMF) mit einem Drohvideo gegen Deutschland und Österreich. Trotz einiger Festnahmen ist die deutsche GIMF weiter aktiv. Sie dient vor allem als „Übersetzungsdienst“ für die Pamphlete und Videos dschihadistischer Seiten, die meist ara- bischsprachig sind. Bemerkenswert sind auch hierzulande private islamische Webseiten.

n der Bundesrepublik dominiert bei rum Beiträge über ihr Islamverständ- ihre Töchter vom Schulschwimmen Iden offiziellen Verbänden wie dem nis ein. Der Leser stößt auf teils sehr abmelden wollen. Dachverband der Türkisch-Islami- persönliche und ungewohnte Innenan- Am auffälligsten sind auch hier- schen Union, Anstalt für Religion (DI- sichten. So etwa, wenn eine lesbische zulande die Webaktivitäten der Sala- TIB), dem Islamrat, dem Verband der Muslima über Toleranz in ihrer Religi- fisten. Zentrale Figur der Szene ist Islamischen Kulturzentren und dem on spricht. Gerade muslimische Frau- ein Konvertit. Mehr als fünf Millio- Zentralrat der Muslime in Deutsch- en thematisieren ihr Verhältnis zur nen User, so Pierre Vogel alias Abu land ein konservativ-gemäßigter Islam Religion im Internet. Mit huda.de ha- Hamza, habe er schon mit seinen unter starker Betonung der eigenen ben sie ein Netzwerk geschaffen, das Predigten auf Missionsportalen wie Verfassungstreue. Nicht einmal die sich dem scheinbaren Paradoxon ei- diewahrereligion.de und salaf.de er- Islamische Gemeinschaft Milli Görüs nes islamischen Feminismus widmet. reicht. Beim Internetportal youtube und die Islamische Gemeinschaft in Für die Ablehnung des Kopftuches bringt es der vollbärtige Endzwanzi- Deutschland, die der Verfassungs- zeigen sie Verständnis. Sogar an eine ger, der stets in langer Dschallabiya schutz beobachtet, lassen auf ihren feministische Koranexegese zu Frau- und Häkelkappe auftritt, immerhin offiziellen Seiten Ansätze von Extre- enrechten vor islamischen Gerichten auf einige zehntausend Klicks pro mismus erkennen. Eines aber ist allen wagen sich die Autorinnen heran. Von Auftritt. Hunderte Menschen soll er Verbänden gemeinsam: Reizthemen der Breitenwirkung des Portals mus- bekehrt haben. Der Tenor seiner lo- wie Scharia, militärischen Dschihad limmarkt.de sind solche Auftritte aber ckeren Ansprachen: Der Westen ist oder mangelnde Religionsfreiheit in weit entfernt. Die Seiten von muslim- verderbt, Wahrheit und Glück bietet islamischen Ländern diskutieren sie markt.de mit mehreren tausend Besu- allein ein strenger Islam. Spielend kaum. Der Reformislam spielt eben- chern im Monat bahnen zuverlässig garniert der frühere Profiboxer seinen falls keine Rolle. den Weg in die Parallelgesellschaft. rheinischen Akzent mit arabischen Mehr Lust an der Kontroverse Ein Branchenverzeichnis liefert vom Koranzitaten. Denn Vogel/Hamza, hat beweist die private Internetinitiative islamischen Arzt bis zum Anwalt Stadt sich zwei Jahre lang an Lehrstätten muslimische-stimmen.de, die zwei für Stadt die gesamte Geschäftspalette in Saudi-Arabien ausbilden lassen. Türkinnen aus Berlin ins Leben ge- und bewahrt vor Kontakten mit Nicht- Ausgerechnet dort also, wo anfangs rufen haben. Überwiegend aufge- muslimen. Zu einiger Berühmtheit in die Nutzung des Internets für Musli- schlossene Muslime stellen in ihrem den Medien brachte es dieses Portal me auf schärfste Ablehnung gestoßen preisgekrönten Kommunikationsfo- mit einem Mustertext für Eltern, die war. (KNA-ID 32)

26 AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008

Auftrag_272.indb 26 21.11.2008 9:02:39 Uhr GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Uganda 20 Jahre nach dem Bürgerkrieg: Viele Menschen müssen das Leben neu lernen Die Kirche hilft Flüchtlingen, die zurückkehren wollen

er Rektor des Priestersemi- ihre Schwestern, Mütter, Töchter und geren dieses Wissen vermitteln. Die nars von Alokolum (Nordu- Frauen vergewaltigt und Menschen Menschen sollen lernen, sich gegen- Dganda), Mons. Cosmas Alu- getötet worden sind“, berichtete der seitig zu unterstützen. Die katholi- le, hat in einem Gespräch mit dem Geistliche. In dem Priesterseminar sche Kirche setze auf eine „Strategie internationalen katholischen Hilfs- von Alokolum, das sich auf dem Ge- der Solidarität“. Die Priester teilen werk „Kirche in Not“ davor gewarnt, lände eines Flüchtlingslagers befin- das Leben der Gläubigen, identifizie- dass viele Flüchtlinge, die infolge des det, so dass die Seminaristen das Le- ren sich damit und sind somit in der Bürgerkrieges in Uganda schon seit 20 ben der Flüchtlinge teilen, werden Lage, die Gläubigen zu verstehen und Jahren in Lagern leben, kein „norma- die angehenden Priester besonders zu ermutigen. les Leben“ mehr gewöhnt seien. Fast dafür ausgebildet, den Traumatisier- Angesichts des in Aussicht ste- eine ganze Generation sei bereits in ten beizustehen und ihnen zu helfen. henden Friedensabkommens, das den Flüchtlingslagern geboren oder auf- Allerdings hätten manche der zz. 171 Bürgerkrieg auch offiziell beenden gewachsen. Zwar würden mittlerwei- Seminaristen selbst Traumata erlitten. soll, äußerte Alule einen „tiefen Op- le viele in ihre Dörfer zurückkeh- Dies stelle eine Herausforderung für timismus“, dass der Frieden kom- ren, aber zahlreiche Menschen hätten die Ausbilder dar. Die geistlichen Be- men werde. Er sei davon überzeugt, Angst vor der Rückkehr, da sie nicht gleiter der Seminaristen würden sich dass der Frieden nicht nur durch ei- wüssten, wie sie ein Leben außerhalb besonders intensiv mit diesen Prob- nen Vertrag zustande komme, sondern des Lagers gestalten können. lemen befassen. Es sei jedoch auch dass „Gott den Frieden gebracht hat, „Die ganze Arbeitskultur ist zer- gut, dass „zukünftige Priester die Er- indem er bewirkt hat, dass die Men- stört worden, die Leute haben jeden fahrungen der Bevölkerung geteilt ha- schen des Krieges überdrüssig sind“. Tag ihre Essensrationen empfangen ben“, denn „wir brauchen Priester, die „Wir haben das Gefühl, dass der Krieg und wissen nicht mehr, wie man sich wissen, was Leid ist“, so der Rektor. zu Ende ist“, fügte er hinzu. seinen Lebensunterhalt verdient“, er- Wenn jemand diese schmerzlichen Seit 1988 herrscht in Nordugan- klärte Alule. Hier müsse die Kirche Erfahrungen gemacht habe und in der da Bürgerkrieg zwischen der ugandi- Hilfe leisten und die Menschen bera- Lage sei, daran nicht zu zerbrechen, schen Regierung und den Rebellen ten, da dem Staat diese Problematik könne er anderen viel besser helfen. der Lord’s Resistance Army. Mittler- nicht wirklich bewusst sei. Die Re- Die Kirche in Norduganda ver- weile wurden mehrere Teilfriedens- gierung gebe den Rückkehrern zwar sucht die Flüchtlinge auch dazu an- abkommen unterzeichnet. Die Unter- etwas Baumaterial und Saatgut, aber zuleiten, sich gegenseitig zu helfen. zeichnung des endgültigen Friedens- damit sei es nicht getan. Es gehe da- Die Älteren, die noch gelernt haben, abkommens steht jedoch noch aus. rum, „den Menschen dabei zu helfen, Felder zu bewirtschaften und einen (KIN / ZENIT.org) ihr Leben auch in seelischer, kultu- Haushalt zu führen, sollen den Jün- reller und spiritueller Hinsicht wie- derherzustellen“. Die Untätigkeit, zu der die Men- schen in den Lagern verurteilt seien, Zehntausende neue Flüchtlinge im Kongo führe zudem auch zu einem verstärk- ie Hilfsorganisation „ActionAid“ fürchtet Krankheiten und Epidemien in ten Alkoholkonsum und zu sexueller Dden Flüchtlingslagern im Osten des Kongo. Allein in einem Lager seien Unmoral, was wiederum in den La- in der vergangenen Woche 60.000 neue Flüchtlinge angekommen, erklärte die gern eine mindestens dreimal höhe- Organisation in Brüssel. Viele schliefen im Freien und seien damit den derzei- re HIV/AIDS-Rate als in der übrigen tigen heftigen Regenfällen schutzlos ausgesetzt. Papst Benedikt XVI. hat die Bevölkerung zur Folge habe. Insge- blutigen Auseinandersetzungen im Kongo verurteilt und ein Ende der Gewalt samt sei die Infektionsrate in Uganda gefordert. Das katholische Kirchenoberhaupt beklagte am Sonntag auf dem zwar durch kirchliche und staatliche Petersplatz die Zerstörungen, Plünderungen und vielen Formen der Gewalt im Programme gesunken, in manchen Nordosten der Demokratischen Republik. Die militärischen Zusammenstöße Flüchtlingslagern sei allerdings mehr und die systematische Grausamkeit forderten weiter zahlreiche Opfer unter als ein Fünftel der Menschen infiziert. der Zivilbevölkerung. Mehr als eineinhalb Millionen Menschen in Nord-Kivu seien auf der Flucht. Benedikt XVI. bekundete den Betroffenen seine geistige „Wir müssen retten, was zu retten ist“, Nähe und dankte den Hilfsorganisationen und vor allem den örtlichen kirchli- so Alule. chen Helfern für ihren Einsatz. Der Papst wörtlich: „Ich erneuere meinen ein- Das größte Problem bestehe je- dringlichen Appell, dass alle bei der Wiederherstellung des Friedens in dem doch darin, dass viele Menschen seit langem gemarterten Land zusammenarbeiten.“ Dabei seien die Rechte und schwerst traumatisiert seien. „Sie ha- vor allem die Würde jedes einzelnen Menschen zu achten. (KNA) ben gesehen, wie ihre Kinder entführt,

AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008 27

Auftrag_272.indb 27 21.11.2008 9:02:40 Uhr GESELLSCHAFT NAH UND FERN Stabilitätsanker Ehe

VON JÜRGEN LIMINSKI (DT)

Komisch. Die Ehe soll ja angeb- sichtspunkten lässt sich die Ehe als Das hat das Statistische Bundesamt in lich nicht mehr so gesellschaftsfähig eine Gemeinschaft charakterisieren, einer Sondererhebung getan und die sein. Aber kaum heiratet ein deut- in der bestimmte Güter und Dienst- Kinderlosigkeit unter Frauen im Al- scher Promi, stürzt sich die Öffentlich- leistungen effizienter produziert und ter von 35 bis 49 Jahren untersucht. keit gierig auf das Ereignis. Dabei ist konsumiert werden können, als es Demnach hatten ein Drittel von den Ehe doch viel mehr als schöne Sehn- der Fall wäre, wenn die Beteiligten ledigen Frauen in diesem Alter Kin- suchtsbildchen in der Regenbogenpres- alleine wirtschaften würden. Darüber der. Von den verheirateten Frauen der se. Mehr Geburten, mehr Wohlstand, hinaus bildet die Ehe eine Art Versi- gleichen Altersklasse hatten dagegen mehr Glück: Die Ehe ist gesünder als cherung gegen die Wechselfälle des 86 Prozent Kinder. Zu berücksichti- Journalisten und Politiker wahrha- Lebens. Solange dieses Idealmodell gen ist dabei, dass Geburten heute ben wollen. Bestand hat, ziehen alle Beteiligten lange aufgeschoben und nicht weni- Es ist fast ein klassischer Fall jun- aus der beschriebenen Kooperation ge Frauen nach ihrem 35. Lebens- ger Paare. Der Kapitän der Fußball- ihren Nutzen.“ jahr zum ersten Mal Mutter werden. Nationalmannschaft Michael Ballack Manche Ideologen, aber auch Insgesamt dürften daher weniger als heiratet seine Freundin – nach zehn etliche Meinungsführer in bürger- 14 Prozent der verheirateten Frauen Jahren Zusammenleben und drei Kin- lichen Kreisen, ziehen daraus den kinderlos bleiben. Solche Zahlen wer- dern. Aber nur fast, denn dieser Ent- Fehlschluss, dass diese Erkenntnis den selten veröffentlicht. Das Institut schluss wird in der Regel früher ge- der Einführung des Ehegattensplit- für Demographie, Allgemeinwohl und fasst und in die Tat umgesetzt, nach tings vor einem halben Jahrhundert Familie (www.i-daf.org) hat sie jetzt wenigen Jahren und nach dem ersten (1957) zugrunde lag, heute aber über- publiziert und außerdem noch eine oder spätestens zweiten Kind. Bal- holt sei, zumal viele verheiratete Paa- andere Quelle, die Befunde aus dem lack, der schon etliche Endspiele hin- re gar keine Kinder hätten und des- Familiensurvey des Deutschen Ju- ter sich, aber noch nie eins gewonnen halb nicht anders zu behandeln seien gendinstituts herangezogen. hat, ist also auch im Leben zweiter als nicht-verheiratete Paare. Abgese- Gewinner. Das sind freilich die mei- hen davon, dass das Grundgesetz die „Verheiratete Männer leben ge- sten seiner Generation. Die Siegerty- Ehe als schützenswertes Element der sünder und länger als unverheiratete. pen sind die anderen, jene, die aus staatlichen Ordnung anerkennt und Das mag an der Fürsorge ihrer Frauen der Masse herausragen, weil sie das die Ehe schon deshalb nicht – auch liegen. Aber die Ergebnisse gelten für Wagnis eingehen, Ehe nicht auf Pro- nicht finanziell – diskriminieren darf, verheiratete Frauen ebenso“ be zu leben und statt dem „vielleicht ist auch die Annahme falsch. Denn Der Familiensurvey ist eine vom für immer“ mit einem „Ja für immer“ kinderlose Ehen sind viel seltener als Bundesfamilienministerium geförder- schon bei dem Partner zu beginnen. angenommen. te, umfangreiche Untersuchung über Und nicht erst, wenn Kinder als die Partnerschafts- und Familienverhält- „sichtbar gewordene Liebe“ (Novalis) „Fast neunzig Prozent der Ehen nisse in Deutschland. Im Gegensatz mit ihrer Präsenz zum öffentlichen Ja, haben ein Kind oder Kinder. Der Man- zur amtlichen Statistik wird im Fami- zum Bund fürs Leben raten. gel an Kindern resultiert nicht aus der liensurvey auch nach Lebenspartnern Das Wagnis lohnt sich – persön- Kinderlosigkeit von Ehen, sondern aus gefragt, die nicht im selben Haushalt lich und für den Staat. Die Ehe ist dem Verschwinden der Großfamilie“ leben. Dies ermöglicht nähere Auf- nach wie vor die dominierende Le- Aus den jährlich erhobenen Daten schlüsse über die Zusammenhänge bensform in Deutschland. Fast neun des Mikrozensus, der größten Haus- von verschiedenen Lebensformen und von zehn Paaren leben in Ehe, stellt haltsbefragung in Deutschland, er- der Entscheidung für Kinder. Von den der Mikrozensus 2006 fest. Das ist bei gibt sich zwar, dass etwa die Hälfte im Familiensurvey befragten ledigen „urbanen Subgruppen“ wie Journali- aller Ehepaare ohne Kinder im Haus- Frauen und Männern, die mit ihrem sten und Politikern freilich anders, halt lebt. Das bedeutet aber nicht, Partner in einem Haushalt wohnten, wie der Schweizer Soziologe Fran- dass diese Ehepaare „kinderlos“ sind. hatten weniger als ein Viertel Kinder. cois Höpflinger schon vor zehn Jah- Denn häufig handelt es sich um älte- Dagegen hatten fast 87 Prozent der ren schrieb. Aber dass Ehe sich lohnt, re Paare, deren Kinder bereits den verheirateten Frauen und Männer, das weiß auch die Bundesregierung. Haushalt verlassen haben. Nähere die mit ihrem Ehepartner zusammen In einem Gutachten für das Familien- Aufschlüsse über den Anteil der tat- lebten, Nachwuchs. Befragt wurden ministerium aus dem Jahr 2000 wer- sächlich kinderlosen Ehen lassen sich im Familiensurvey Männer und Frau- den anhand einer Fülle von Alltags- gewinnen, wenn man Ehepaare in en im Alter zwischen 18 und 55 Jah- beispielen die wirtschaftlichen Vortei- einem Alter betrachtet, in dem die ren. Dies bedeutet, dass wahrschein- le der Ehe beschrieben. Schließlich Kinder in der Regel den elterlichen lich manche Ehepaare zum Zeitpunkt heißt es: „Unter wirtschaftlichen Ge- Haushalt noch nicht verlassen haben. der Befragung ihren Kinderwunsch

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noch nicht realisiert hatten und ihr res Sterberisiko auf als Singles. Bei Das ist in einer Zeit, die der Ar- erstes Kind erst später bekamen. Es Frauen sind es immerhin noch drei beit den Vorrang vor dem Leben ein- ist deshalb anzunehmen, dass weni- Prozent. Geradezu sprunghaft steigt räumt, durchaus von Belang. Viele ger als 13 Prozent der im Familien- das Gesundheitsrisiko bei Geschiede- Politiker und Medienleute leben in survey befragten Ehepaare kinderlos nen. Auch das britische Statistikamt Stress und Zeitnot. Personale Bezie- geblieben sind. Mit anderen Worten: weist ähnliche Zahlen auf. In der Ta- hung aber braucht Zeit. Das gilt für Fast neunzig Prozent der Ehen haben geszeitung „Daily Mail“ wertet Steve das Kleinkind und für Erwachsene. ein Kind oder Kinder. Der Mangel an Doughty das Material aus und unter Ohne Zeit füreinander droht die Be- Kindern insgesamt resultiert nicht dem Titel „Verheiratete Paare leben ziehung zu verdunsten. Wenn der Be- aus der Kinderlosigkeit von Ehen, gesunder und länger – und ihre Kinder ruf zeitlich überhand nimmt, kann die sondern aus dem Verschwinden der auch“ schreibt er: Die Sterblichkeits- Ehe gefährdet werden. An der Wall- Großfamilien. rate von alleinstehenden Männern im Wer die Ehe fördert, begünstigt Alter von 30 bis 59 ist deutlich höher die Geburtenquote, ein Anliegen, als von verheirateten Männern. Wäh- Statistik. Die Ehe bleibt trotz das selbst die rotgrüne Regierung rend verheiratete Mütter mit Kindern rückläufiger Zahlen die tragen- sich schon zu eigen machte und das die gesündesten Frauen sind, fallen de Familienform in Deutsch- auch die Große Koalition offen zu alleinerziehende Mütter durch ein land. Wie aus einer Studie des ihren Prioritäten erkoren hat. Den- höheres Risiko chronischer Krank- Statistischen Bundesamtes „Fa- noch untergruben beide Regierungen heiten auf. Kinder, deren Eltern zu- milienland Deutschland“ weiter das Institut der Ehe. Die Bedeutung sammenleben, aber nicht verheira- hervorgeht, sind bei etwa der der Ehe für die Geburt von Kindern tet sind, erzielen im Durchschnitt Hälfte der Familien mit zwei zeigt sich auch an der Entwicklung schlechtere Ergebnisse in der Schu- Elternteilen beide Partner er- der endgültigen Kinderzahlen von le, brechen ihre Ausbildung eher ab werbstätig. Dessen ungeachtet Frauen. Während diese Zahlen bei und entwickeln häufiger chronische ist das Armutsrisiko bei Fami- Frauen seit den Geburtsjahrgängen Krankheiten. Mike Murphy, Profes- lien mit mehr als drei Kindern der 1930er Jahren stetig abnehmen, sor der London School of Economics, überproportional hoch – genauso ist die durchschnittliche endgültige sage dazu, dass sich die Vorteile der wie bei Alleinerziehenden. Zwi- Kinderzahl der verheirateten Frauen Heirat zum Teil aus dem höheren schen 1996 und 2007 sank die in den nach 1946 geborenen Jahr- Wohlstand der Verheirateten erklären Zahl der Familien um 857.000 gängen (zumindest bis zum Jahrgang ließen, da die Bereitschaft zur Heirat (9 Prozent) auf 8,6 Millionen. 1960) wieder angestiegen. Ehen sind in höheren Einkommensgruppen aus- Auch die Zahl der Trauungen ist in Deutschland also, zumindest wenn geprägter sei. Das Zahlenmaterial be- seit 1990 rückläufig. Allerdings sie von einiger Dauer sind, gebur- weise aber auch, dass die Ehe selbst gaben sich zwischen 2002 und tenfördernd. Daraus könnte man ab- Vorteile schaffe.“ 2006 immer noch 370.000 bis leiten, dass die Politik, sofern sie 400.000 Paare das Jawort. Bei die Geburtenquote mindestens hal- „Katholische Ehen haben im Ver- Männern stieg das Heiratsalter ten oder erhöhen möchte, auch am gleich zu anderen Bekenntnissen ein von durchschnittlich 28,5 auf Ehegattensplitting festhalten sollte. geringeres Scheidungsrisiko und zwar knapp 33 Jahre, bei Frauen von Die Ehe nutzt dem Staat auch auf in der Eltern– und nachfolgenden Ge- 26 auf knapp 30 Jahre. andere Weise. Stabile Beziehungen neration“ (KNA-ID 30) senken die Risiken von Armut und Diese Vorteile kommen nicht nur Krankheit und erhöhen die Lebens- den Partnern, sondern auch der All- erwartung und Lebenszufriedenheit. gemeinheit zugute. Diese sogenannten Ehe macht glücklich – auch wenn positiven externen Effekte sind em- street und im Silicon Valley, wo, wie die Blödeleien der deutschen Komi- pirisch in zahlreichen Studien nach- Edward Luttwack sagt, der Turboka- ker und die veröffentlichte Meinung gewiesen, weshalb Fachleute bei der pitalismus wüte und die Zeit der Men- das gern anders sieht. Ehe auch von einem „kulturellen Ka- schen absorbiere, betrage die Schei- Im Fall Amerika hat das die Ver- pital“ oder auch einem „sozialen Ka- dungsrate fast hundert Prozent. Dort haltensforscherin Linda Waite von der pital“ sprechen. Dieses Kapital ist wird die Zeit vom Job verschluckt, Universität Chicago erforscht. Verhei- gesellschaftspolitisch bedeutsam. Es dort ist der Stress mit am stärksten. ratete Männer leben gesünder und stärkt die Sozialsysteme und die Wirt- Der Doppelkern Ehe und Familie ist länger als unverheiratete. Das mag schaft. In Zeiten instabiler Renten kein Garant für Stabilität, aber ein an der Fürsorge ihrer Frauen liegen. und anderer wachsender Risiken auf- sozialer Rahmen, in dem Stabilität Aber die Ergebnisse gelten für verhei- grund der demographischen Entwick- gedeihen kann und soziale Außenwir- ratete Frauen ebenso. Auch Wissen- lung ist die Ehe eine Lebensversiche- kung entfaltet, sofern der Wert dieser schaftler von der britischen Warwick- rung besonderer Art. Sie schafft einen Institutionen auch gesellschaftlich Universität kamen bei einer Langzeit- Rahmen, in dem nicht nur Emotionen und politisch anerkannt wird. studie zu diesem Schluss. Demnach gedeihen können, sondern aus dem Eine noch höhere Stabilität er- weisen verheiratete Männer insge- auch Stabilität für das Gemeinwesen wächst aus einer anderen Kombina- samt ein um neun Prozent geringe- erwächst. tion: Ehe und Religion. Nach einer

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amerikanischen Studie, die von an- lands das Scheidungsrisiko katholi- mend auf die Funktionen der Zeugung deren bestätigt wurde, zerbrach jede scher Ehen rund ein Drittel geringer des Nachwuchses, seiner Sozialisati- zweite von nur standesamtlich ge- im Vergleich zur Referenzgruppe, die on und auf die Pflege der innerfamili- schlossenen Ehen, jede dritte von hauptsächlich evangelische Ehen um- ären Intim- und Gefühlsbeziehungen kirchlich geschlossenen Ehen, aber fasst. Gemeinsam ist Ost und West beschränkt. Aber ihre Kernkompe- nur jede fünfzigste von kirchlich ver- die Richtung und Stärke des Effekts tenz hat sie behalten: die Pflege und heirateten Paaren, die auch zusam- kirchlicher Heirat. Ehen, die kirch- die Stabilität der emotionalen Befind- men zur Kirche gehen. Und wenn lich getraut wurden, haben ein um lichkeit. Analog verlief die Entwick- das Paar auch noch gemeinsam betet, rund 50 Prozent vermindertes Schei- lung bei der Ehe. Gerade die Parallel- dann zerbricht nur jede eintausend- dungsrisiko als nur standesamtlich Entwicklung zeigt, wie wesenhaft Ehe vierhundertneunundzwanzigste Ehe. getraute Ehen. und Familie miteinander verbunden Die Studie ist nicht sehr differenziert, Ehe und Familie schaffen die sind und deshalb ist eine Scheidung es handelt sich um eine Umfrage, die Voraussetzungen, die der Staat nicht oft mehr als eine Trennung. Sie ist eine zudem schon älter ist. Ihren Wert er- schaffen kann, von denen er aber lebt emotionale Katastrophe für die Partner hält sie aus gründlicheren Studien (Böckenförde). Ehe nutzt dem Staat, wie für die Kinder. „Die Familie ver- neueren Datums. Soziologen der Au- Ehe stabilisiert die Gesellschaft. fügt über große schöpferische Kräfte“, burn-Universität in Alabama haben Eine vernünftige Familien-und Ge- schreibt der amerikanische Soziologe 2004 herausgefunden, dass es auch sellschaftspolitik müsste also darauf Robin Skynner, „zerfällt sie, wächst auf die Art der Religion und Kirchen- abzielen, Ehe und Familie wirklich zu ihr ein ähnlich großes Potential an bindung ankommt. Zuviel religiöse fördern, statt, wie das zurzeit der Fall Zerstörungskraft zu“. Deshalb blen- Vielfalt könne der Ehe auch scha- ist, nur eine Familienmitgliederpoli- det eine Scheidung oft mehr aus als den. Die Forscher verglichen Daten tik zu betreiben, eine Politik für Frau- nur eine gemeinsame Vergangenheit. aus dem amerikanischen Mikrozen- en oder für Kinder oder für Männer, Sie kann seelisch verstümmeln. Sie sus mit Daten aus 621 Kreisen in al- wobei selbst diese individualistische kann den Sinn für Gemeinschaft und len 50 US-Staaten. Entscheidend für Politik in jeder Variante auch hinter- Treue im Kern spalten, Verlustängste das Gelingen einer Ehe sei auch das fragbar ist. Aber was soll man von ei- durch Erziehung „vererben“ oder Le- „religious makeup of a community“ ner Politik erwarten, der kein Konzept bensenergien zerstörerisch zur Explo- – das religiöse Gefüge einer Gemein- und kein kohärentes Menschenbild sion bringen. Das statistische Material de, und nicht nur die Religiosität des zugrunde liegt? Zumindest eins: Dass ist auch hier aufschlussreich. Kinder Paares. Da, wo die Menschen in relativ sie die Familien und ihren Kern, die von geschiedenen Eltern sind deutlich homogenen religiösen Rahmenbedin- Ehe, wenigstens leben lässt. Da dies anfälliger für eigene Scheidungen als gungen (relatively homogeneous reli- auch nicht der Fall ist, bleibt nur die Kinder aus stabilen Ehen. Auch hier gious settings) lebten, gebe es signifi- Vermutung: Diese Regierung hat ein wäre die Politik gefordert. Aber da vie- kant weniger Scheidungen. anderes Ehe- und Familienbild und le Politiker selber geschieden sind und das will sie verallgemeinern. Es ist sich unbewusst rechtfertigen wollen, „Bleibt nur die Vermutung: Diese das Ehe- und Familienbild der mei- erleichtern sie lieber die Scheidung, Regierung hat ein anderes Ehe- und sten Journalisten und Politiker des als dass sie die Menschen dazu auf- Familienbild. Und das will sie verall- politisch-medialen Establishments fordern, für eine Beziehung auch zu gemeinern. Es ist das Ehe- und Fami- in Berlin. Auf das aber kann das Volk kämpfen und sie nicht wie eine Kon- lienbild der meisten Journalisten und getrost verzichten. sumware zu behandeln. Politiker in Berlin“ Ehe ist ein hohes Gut. Nicht nur Für diese Vorteile und auch für „Kinder von geschiedenen Eltern idealistisch oder geistig. Es ist der den Einfluss des religiösen Faktors sind deutlich anfälliger für eigene Stabilitätsanker par excellence für die auf die Stabilität der Ehe gibt es auch Scheidungen als Kinder aus stabilen Gesellschaft. Eine Politik, die sich deutsche Daten, wie der Familienfor- Ehen. Aber da viele Politiker selbst dem Allgemeinwohl verpflichtet fühlt scher Stefan Fuchs vom Institut für geschieden sind, und sich unbewusst und nicht nur dem Allgemeinwohl ei- Demographie, Allgemeinwohl und Fa- rechtfertigen wollen, erleichtern sie ner gesellschaftlichen Gruppe, müs- milie herausgefunden hat. Demnach lieber die Scheidung“ ste die Ehe schützen und fördern. So ließen sich aus der Datenbasis der Die Liebesheirat ist in unserer Zeit fordert es auch das Grundgesetz und vierten Welle des Deutschen Famili- mit der Auflösung klassischer sozialer das Bundesverfassungsgericht. Die ensurveys deutliche Zusammenhänge Milieus zur Norm geworden. Die Ehe große Mehrzahl der Ehen in Deutsch- zwischen Stabilität und Glauben für gilt als letzte Zuflucht der Innerlichkeit land ist erfolgreich und hält, soweit die Ehe erkennen, insbesondere dann, und Intimität. Auch die Familie hat im das statistisch ersichtlich ist – trotz wenn die Ehe als unauflöslich angese- Lauf der letzten zwei Jahrhunderte, der Politik. Es wäre ein Aufgabe der hen wird. So haben katholische Ehen also seit der Industrialisierung und der sinnstiftenden und deshalb auch sta- im Vergleich zu anderen Bekenntnis- entstehenden Sozialgesetzgebung viele bilisierenden Institutionen dieser Ge- sen ein geringeres Scheidungsrisiko Aufgaben der wirtschaftlichen Erhal- sellschaft, etwa der Kirchen, Ehe und und zwar in der Elterngeneration als tung, der Daseinsvorsorge bei Krank- auch Familie stärker in Schutz zu neh- auch in der nachfolgenden Genera- heit, Invalidität, Alter und so weiter an men vor den Ideologen in Medien und tion. Und so ist im Westen Deutsch- den Staat abgegeben und sich zuneh- Parteien. ❏

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Paulinisches Jahr 2008/2009: Auf den Spuren des Saulus Paulus aus Tarsus Stätten der Bibel in der heutigen Türkei Teil 1: TARSUS, die Heimat des Völkerapostels

VON PAUL SCHULZ

as christlich-religiöse Erbe der Türkei erschließt sich Dnicht auf den ersten Blick. Denn unter den Religionsgemein- schaften in der Türkei machen die Christen mit um die 100.000 Gläu- bigen nur 0,2 % der Gesamtbevöl- kerung aus (s.a. Fußnote 3). Wenn Papst Benedikt XVI. zur 2000-Jahr-Feier der Geburt des Völ- kerapostel Paulus ein „Paulinisches Jahr“ im Zeichen der Ökumene vom 28.06.2008 bis 29.06.2009 aus- gerufen hat, so darf man nicht nur Jerusalem, Rom, Athen oder Ko- Abb 1: Route der Pilgerreise „Auf den Spuren des Saulus Paulus rinth im Blick haben. Paulus stammt in der Türkei“. aus Tarsus, das in der ehemaligen römischen Provinz „asia minor“ (Kleinasien) im Südosten der Mittelmeerregion der heutigen Türkei liegt. Von 10.000 errechneten Meilen, die Paulus auf seinen Missionsreisen zurückgelegt haben soll, fällt nach der Apo- stelgeschichte ein großer Teil in das Gebiet der Türkei. Grund für den Autor, sich einer Reisegruppe anzuschlie- ßen, die den Spuren des Apostels auf einem Teil seines biblischen Weges durch dieses für Europa so wichtige, geschichtsträchtige Land folgen wollte (Abb. 1). Geschichte in ihrem landschaftlichen Zusammenhang zu erle- ben, ist eine spannende Erfahrung und macht gerade die biblischen Erzählungen überraschend lebendig. Der Reisebericht beschränkt sich auf die dort besuchten Stätten der Christenheit. In diesem Heft wird von den zweitausend zurück gelegten Buskilometern zunächst Tarsus, die Geburtsstadt des Apostels, behandelt. Anto- chia am Orontes, „wo die Jünger erstmals Christen genannt wurden“ (Apg 11,26, das heutige Antakya) und deren 30 km entfernt liegende ehemalige Hafenstadt Seleukia Pierra, von wo Paulus und Barnabas zur 1. Mis- sionsreise nach Zypern aufbrachen, folgen im AUFTRAG Nr. 273.

Tarsus die Geburtsstadt des Apostels Kaiser Augustus in Tarsus geboren rühmt (2 Makk 4,30), sondern verfügte ie antike Hafenstadt Tarsus, die wurde, konnte die Stadt auf eine schon über eine bedeutende Textilindustrie DHandelsbeziehungen nach Phö- 2000-jährige Geschichte zurück bli- − spezialisiert auf Zelte und Planen nizien und Ägypten unterhielt, lag in cken. Alexander der Große badete aus der begehrten schwarzen Wolle römischer Zeit zwei bis drei Kilome- dort 333 v.Chr. im Fluss Kydnos und der Taurusziegen. Nach jüdischem ter vom Mittelmeer entfernt und war zog sich eine Lungenentzündung zu. Brauch lernte Saulus neben seiner über den schiffbaren Fluss Kydnos er- Im Jahr 64 v.Chr. eroberten die Rö- Schriftausbildung auch das Handwerk reichbar. Der Hafen ist heute verlan- mer die Hafenstadt und machten sie des Zeltmachers2 (Apg 18,3). Mit die- det, und die betriebsame Großstadt1 zum Verwaltungszentrum ihrer Pro- ser Tätigkeit verdiente er auch spä- (~ 320.000 Einw.) liegt etwa 16 km vinz Kilikien. Marc Antonius schloss ter als christlicher Missionar seinen vom Meer entfernt. in Tarsus den Bund des (dann nicht Lebensunterhalt (1 Thess 2,9; 1 Kor Als Saulus zwischen ca. 5-10 mehr lange währenden) Lebens mit 4,12; 2 Kor 11,27). − n.Chr. während der Herrschaft von Kleopatra, die hier der Legende nach 41 v.Chr. durch das heute noch vor- 2 Der Zeltmacherberuf soll vergleich- 1 Webpräsenz der Stadtverwaltung: www. handene Kleopatra-Tor pompös ein- bar sein mit dem des Sattlers. Andere tarsus.bel.tr; es wird dort auch eine Meinungen gehen davon aus, dass Seite zum Paulusjahr 2008 in Tarsus zog. Tarsus hatte zur Römerzeit um Saulus wegen der in Tarsus angesiedel- präsentiert: www.saintpaul.gen.tr/eng/ 200.000 Einwohner und war nicht nur ten Textilindustrie eher den Beruf des index.php wegen ihrer Philosophenschulen be- Zelttuchwebers erlernt hat.

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durch wurde auch Saulus automatisch Paulus von Tarsus römischer Bürger. Die Stadt wurde in aulus, genannt PaP ulus, wird zwi- christlicher Zeit auch Sitz eines Erz- Sschen den Jah- renr 5 und 10 nach bischofs. Doch ging das Bistum unter, Christus in Tarsus in Kilikien (auch: so dass es heute nur noch als Titular- Zilizien) geboren. Er stammt aus ei- erzbistum der Römisch-Katholischen ner jüdischen Fami- liel vom Stamm Ben- Kirche weiterlebt. jamin, ist Pharisäer (Phil 3,5) und römi- Eine offene christliche Präsenz in scher Bürger. Tarsus gibt es nicht. Inwieweit klei- Als Schüler von Rabbi Gamaliel in ne christliche Hauskreise existieren, Jerusalem verfolgt er eifrig die gerade wurde nicht bekannt.3 erst entstandene Kir- che. Während er um das Jahr 34 nach Da- maskusm geht, um die Pilgerfahrten im Paulusjahr Anhänger des neu- en Weges (d.h. die llein im September 2008, so die jungen Christen) zu fesseln,f erscheint AAngaben aus der Türkei, kamen ihm der auferstande- nen Jesus (Apg 9,22- insgesamt 31 Pilgergruppen nach An- 26). Von Hananias getauft, wird Paulus tiochia (Antakya) und Tarsus. Dar- von der Liebe zu Je- sus erfasst und zu unter elf aus Italien, sechs aus Spa- einem treuen Verfechter des Evangeliums. nien, drei aus Portugal, sieben aus Er zieht zwei Jahre nach Arabien und kehrt dann wieder nach Tarsus Deutschland und jeweils eine aus zurück (Gal 1,17). Dort sucht ihn Barnabas auf und nimmt ihn mit nach Frankreich, Jamaika und Korea. Die Antiochia (Apg 11,25). Zahl der Anmeldungen nimmt zu, Mit Barnabas unternimmt Paulus die erste Missionsreise (46-48). Sie so dass christliche Pilgerunterkünfte gelangen über Zypern nach Antiochien in Pisidien, nach Ikonion, nach nicht ausreichen. Lystra und Derbe (Apg 13-14). Paulus überwindet unzählige Gefahren Schon im Juni hatte Joachim Kar- und Verfolgungen (2 Kor 11). dinal Meisner deshalb die Errichtung Die missionarische Tätigkeit des Paulus wird von der Kirche in Je- einer Pilgerstätte und die Überga- rusalem genehmigt, wo er in den Jahren 48-49 am Apostelkonzil teil- be einer noch vorhandenen Kirche nimmt (Apg 15,1-35). 3 Religionen/Kirchen: Seit osmani- Von Antiochia aus unternimmt er die zweite Missionsreise nach Lys- scher Zeit mehrheitlich Muslime mit tra in Galatien, nach Philippi und nach Athen (Jahre 49-52). Er beginnt wachsendem Anteil (heute nach offi z. türk. Angab en ca. 99% der rund 70,6 nun, Briefe an die verschiedenen Gemeinden zu schreiben (Thess 1 u. Mio zählenden Bevölkerung), mehr- 2). Im Jahr 52 hält er sich wieder in Jerusalem und Antiochia auf. heitlich Hanefi ten (~ 80 % sunnitische, Die dritte Missionsreise (53-58) führt Paulus nach Galatien und Phry- „orthodoxe“ Ausrichtung des Islam), gien. Er verbringt einige Jahre in Ephesus, dann in Mazedonien und in daneben ca. 15 Mio. Aleviten (~ 20 % „heterodoxe“ Ausrichtung des Islam). Korinth. Er schreibt weitere Briefe an verschiedene Gemeinden (Phil, Laizistisches Staatsverständnis, d.h. Kor 1 u. 2, Gal, Röm). strikte Trennung zwischen Staat und Zu Pfingsten des Jahres 58 wird Paulus im Tempel von Jerusalem Religion (Islam), jedoch Kontrolle der religiösen Angelegenheiten durch das verhaftet und nach Cäsarea gebracht, wo er zwei Jahre im Gefängnis sitzt. staatl. Amt für Religiöse Angelegenhei- Er wird vor den Statthalter Festus geführt, der ihn auf Grund seiner Be- ten. In türk. Interpretation des Vertrags rufung an den Kaiser nach Rom überführen lässt (Herbst 60; Schiffbruch von Lausanne (1923) besondere Rechte vor und Überwinterung auf Malta). Die Jahre 61-63 verbringt er unter für einige (Griechisch-Orthodoxe, Ar- menisch-Apostolische Kirche, Jüdische Bewachung in Rom. Dort schreibt er die Briefe an die Kolosser, an die Gemeinschaft) der nicht-muslimischen Epheser und an Philemon. Minderheiten. Nach inoffi ziellen Schät- Nach seiner Befreiung begibt sich Paulus wahrscheinlich nach Spa- zungen ca. 60.000 armenische Christen, nien, nach Ephesus, nach Mazedonien und nach Kreta; er schreibt den ca. 23.000 Juden, 15.000 Syrisch- Orthodoxe, 10.000 Baha’i, ca. 3.500- 1. Brief an Timotheus und den Brief an Titus. Neuerlich in Rom verhaf- 4.000 griechisch-orthodoxe Christen; ca tet, schreibt er den zweiten Brief an Timotheus. 2.000 Jeziden, je ca. 2.500 Protestanten Im .Jahre 67 wird Paulus enthauptet und in Rom beigesetzt (Grab verschiedener Denominationen und unter dem Hochaltar der Basilika San Paolo fuori le mura). Angehörige der Römisch-katholischen Kirche. (Quelle: Länderimformation „Türkei“ des dt. Ausw. Amtes, Stand: 04/2008) Offi zielle türk. Zahlen sind irreführend, In Tarsus entwickelte sich unter hatte auch das Judentum eine feste weil jeder Einwohner der Türkei, wenn er nicht explizit als einer anderen Reli- der multikulturell strukturierten Be- Stellung in Tarsus. gion zugehörig erklärt wird, automatisch völkerung ein starker religiöser Syn- Die Juden von Tarsus, seit der als Muslim erfasst wird. Ein Gegenstück kretismus (Vermischung mehrerer Re- Neugründung der Stadt (171 v.Chr. zum Kirchenaustritt gibt es nicht, so ligionen). Gottheiten wie Baal, Tarz unter Antiochos IV. Epiphanes) gezielt dass auch Atheisten und Agnostiker offi ziell als Muslime geführt werden. Die und Zeus verschmolzen zu dem Stadt- angesiedelt, besaßen eine bevorzugte Zahl der nicht religiösen Einwohner der gott Sandan. Neben dem Mithras-Kult Stellung sowie das Bürgerrecht. Da- Türkei ist daher nicht bekannt.

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zahlen müssen. Eigentlich betrachtet bekennt sich zu seiner Geschichte der Staat das Gebäude aber nicht als gleich welcher Epoche, die als Fak- Kirche, sondern als Museum, und das tum sachlich und vorurteilsfrei darge- ist unter dem Aspekt der rechtlich ga- stellt wird. Es liegt an einem selbst, ob rantierten Religionsfreiheit einfach zu man z.B. beim Besuch des archäolo- wenig. Die Christen in der Türkei und gischen Parks die Fantasie und Emo- insbesondere Tarsus brauchen dauer- tion aufbringt, dass man dem jugend- haft und über das Paulusjahr hinaus lichen Paulus, der auch nach seiner ein festes Gotteshaus und ein Pilgerzen- Bekehrung noch einmal nach Tarsus trum. Das ist unser Ziel. ... Im Moment zurückkehrte (Gal 1,17), am Brunnen ist die Rede davon, dass die Christen begegnen kann. möglicherweise eine ehemalige Baum- wollfabrik im Zentrum von Tarsus für ihre Zwecke nutzen können.“ Eines der ältesten Gotteshäu- ser in Tarsus ist die BAYTIMUR MOSQUE, die noch aus byzantini- scher Zeit stammt. Ihre Vorgänger- kirche wird noch mit dem Apostel selbst in Verbindung gebracht, weil hier die erste Christengemeinde von Tarsus ihren Hauptsitz hatte. In die- ser Kirche sollen auch das Herz und die Eingeweide von Kaiser Friedrich Barbarossa beigesetzt sein, der 1190 auf dem 3. Kreuzzug nicht weit von Tarsus im Fluss Saleph4 ertrank. Aus dem Baustil des ehemaligen Kirch- turmes wird geschlossen, dass dieser im 13./14.Jh. erbaut wurde (Abb. 4) . Abb. 2 u. 3: Das einzige Seit 1451 wird das Gebäude als Mo- Abb. 4: BAYTIMUR MOSQUE, Kirchengebäude in Tarsus, das schee genutzt und der Turm zum Mi- in Tarsus auch Kilise Cami - heute noch den Namen des hl. narett umgebaut. Kirchenmoschee genannte, ehemals Paulus trägt. Die 3-schiffige, mit Im Stadtzentrum ist im Schat- christliche Kirche aus dem 13./14. Fresken (Jesus, Mathäus. Markus, ten einer anderen Moschee ein klei- Jh, seit 1451 Moschee. (Q: www. Lukas u. Johannes) geschmückte ner, gepflegter archäologischer Park tarsus.bel.tr) und Ende des 18.Jh. erbaute eingerichtet, in dem als bedeutendes Kirche wurde bis ins 20. Jh. hinein historisches Erbe der Stadt der Brun- Vielleicht befinden sich die we- als Kirche und dann viele Jahre nen des Hl. Paulus (Abb. 5 u. 6) prä- nigen Christen in der heutigen Türkei militärisch genutzt. Nun komplett sentiert wird. Unmittelbar neben dem in einer ähnlichen Lage, wie zur Zeit renoviert ist sie heute zwar ein Brunnen sind die Fundamente eines des Paulus die „Anhänger des neu- Museum, steht aber zumindest römischen Hauses freigelegt, von dem en Weges“. Ihre Anwesenheit in der im Paulusjahr Pilgergruppen für man annimmt, dass es das Geburts- Gesellschaft wird geduldet, soweit sie Gottesdienste zur Verfügung. Das haus des Apostels ist. nicht aktiv und in der Öffentlichkeit Innere ist in einem guten, gepflegten Die Spuren des Apostel Paulus als Glaubensgemeinschaft (missiona- und kirchlich-würdigen Zustand. in Tarsus sind bis zur Unkenntlich- risch) tätig werden. Auch darf man auf keit verwischt und die christlichen Grund der kraftvollen überlieferten (Abb. 2 u. 3) in kirchliche Obhut ge- sind nur als spärliche Relikte aus Briefe des Völkerapostels nicht da- fordert. Die türkische Regierung ist römischer und byzantinischer Zeit von ausgehen, dass Paulus als Missi- der Bitte des Kölner Erzbischofs bis- vorhanden. Dennoch muss man dem onar von Erfolg zu Erfolg eilte. Seine her (Oktober 2008) nicht nachgekom- türkischen Staat und der Stadtverwal- Gemeindegründungen waren bis auf men. Dazu sagte Kardinal Meisner in tung von Tarsus das Kompliment ma- Ausnahmen oft kleine und durchaus einem Interview der Kölner Kirchen- chen, dass das wenige Vorhandene im auch zerstrittene Gemeinschaften. zeitung (Sept. 2008): „Die türkischen Rahmen der Historie des Landes an- Statt auf seinen Reisen mit offenen Behörden haben den Christen in Tar- sprechend präsentiert wird. Das Land Armen und Begeisterung empfangen sus zugestanden, dass sie während des zu werden, begegneten die Menschen Paulusjahrs, das noch bis zum nächs- 4 Der Fluss, − heutiger Name Göksu ihm mit Skepsis und offener Ableh- ten Sommer dauert, die alte Kirche am Nehri − mündet aus dem Taurusgebirge nung. Oft wurde er aus den Städten kommend rund 60 km südwestlich von Ort für Gottesdienste nutzen können Tarsus bei der Stadt Silifke ins Mittel- ausgewiesen, verfolgt, eingesperrt, und dass sie dafür keinen Eintritt be- mehr. mit dem Tode bedroht oder sogar ge-

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Abb. 5: AZIS PAULUS KUYUSU – Saint Paul Well – Paulusbrunnen in Tarsus, rechts von einem Geländer umgeben und unter einer Glasabdeckung die Fundamente eines römischen Hauses, in dem Saulus Paulus aufgewachsen sein könnte.

steinigt. All dieses wird, wenn man auch als christlicher Reisegruppe in der Türkei unter touristischem As- pekt gern gesehen ist, dem Pilger auf den frühchristlichen Spuren in einem Abb. 6: Mit einem massiven Steinbau überbaut muss man sich Land mit einer muslimischen Mehr- den Brunnen zur Jugendzeit des Saulus Paulus vorstellen. heitsgesellschaft recht deutlich. (Q: www.tarsus.bel.tr)

Theologe: Christen in der Türkei geht es unter Erdogan besser en Christen in der Türkei geht es nach Ansicht des langjährigen katholischen Pfarrers in Ankara, Felix Kör- Dner, unter der islamisch-konservativen Regierung besser als zuvor unter den laizistischen Kemalisten. Mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und der AKP habe sic h die Gesetzeslage für Christen eindeutig ver- bessert, sagte der Jesuit und Islamwissenschaftler „spiegel online“ (19.10.2008). Unter „echten Muslimen“ gehe es Christen „allemal besser als unter kemalistisch-nationalistischen Laizisten“. Körner wurde 2002 von seinem Orden nach Ankara entsandt, um den interreligiösen Dialog zu suchen. Der Theologe beklagte allerdings nach wie vor „große Defizite“ in der Türkei. So werde die katholische Kirche noch immer nicht als Rechtspersönlich- keit anerkannt, was ihre Besitzrechte einschränke. Viel christliches Eigentum sei noch immer vom Staat enteig- net. Die Kirchen dürften keinen Priesternachwuchs ausbilden; Christen könnten in der türkischen Armee nicht Offiziere werden. Nach den Worten Körners hassen ernsthafte Muslime das Christentum nicht; aus ihrer Sicht seien Christen Glaubensbrüder, die ein paar Religionsfragen falsch beantworten. Die „supersäkularisierten Tür- ken“ dagegen misstrauten jeder Religion. Für sie sei ein „Kopftuch eine Provokation, ein Kreuz aber das Ende des Türkentums“. Der Geistliche beobachtet in der türkischen Gesellschaft „eine tiefe Angst, die in einem nationalen Einheits- wahn wurzelt“. Viele dächten, wenn nicht alle dieselbe Religion haben und sich nicht alle gleich definieren, dann sei die nationale Identität in Gefahr und das Vaterland könnte doch noch zerstückelt werden. Der Verteidigungsre- flex und Hass säkularisierter Türken richte sich vor allem gegen Missionare. Ihnen werde vorgeworfen, als feind- liche Agenten junge Türken vom Islam abbringen zu wollen. In der türkischen Religionsbehörde gibt es laut Kör- ner gesprächsfähige und nachdenkliche Theologen, aber auch „Bremser mit beschränkter Weltsicht“. Sogar das Amt selbst habe schon Predigten gegen Missionare verbreitet. Ein von Körner und einer muslimischen Theologin erarbeitetes Buch für den Religionsunterricht „Schüler fragen – Christen antworten“ liege seit drei Jahren ohne Reaktion zur Begutachtung im Religionsamt. (KNA)

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Auftrag_272.indb 34 21.11.2008 9:02:41 Uhr GESELLSCHAFT NAH UND FERN „Der Balkan ist nicht die Knochen eines pommerischen Grenadiers wert“ UNPROFOR, IFOR, SFOR und EUFOR im Kontext des Balkan-Konflikts

VON ANDREAS M. RAUCH

ie kein anderer steht der fanatische Serbe Gavrilo Princip im 20. Jahrhundert für das „Pulverfass Bal- kan“1. Wer meinte, Princip sei Vergangenheit, wurde durch den serbischen Nationalismus und die Wpolitische Figur des Slobiodan Milsocveic in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts eines Besse- ren belehrt. Der Balkan-Konflikt und der serbische Nationalismus stellen sich nach wie vor als politisch schwer berechenbare Größen dar.

Vorbemerkungen soll eine abschließende Bewertung kulturell-religiösen Identität. Dazu en Fanatismus nationalistischer vorgenommen werden.2 gehört, dass im Reiche des römischen DSerben habe ich persönlich erfah- Kaisers Konstantin im Edikt von Mai- ren. 1996/97 wurde ich vom Auswär- 1. Der Balkan-Konflikt land im Jahr 313 zunächst jedem rö- tigen Amt als OSZE-Wahlüberwacher ie Genese des Balkan-Konfliktes, mischen Bürger das Recht auf freie (Election Supervisor) in Bosnien-Her- Dvon dem Bosnien-Herzegowina Religionsausübung garantiert wur- zegowina eingesetzt; bei einer nächt- und der Kosovo gleichermaßen betrof- de. Konstantin gab dann später den lichen Auszählung von Wahlzetteln fen sind, reicht zurück in die Zeit des christlichen Bischöfen richterliche wurde von serbischen Freischärlern Imperium Romanum. Eingeleitet wur- Befugnisse und setzte den Sonntag als auf mich geschossen, obwohl ich vier de die kulturell-religiöse Dimension wöchentlichen Feiertag ein. Im Jahr Polizisten zum Schutz bei mir hatte. des Balkan-Konfliktes durch die Tren- 325 wurde das Christentum der römi- Im Frühjahr 1999 gehörte ich zu den nung in ein west- und oströmisches schen Religion gleichgestellt. Unter Diplomaten der Kosovo Verification Reich durch Kaiser Konstantin den Kaiser Theodosius (379-395) wurde Mission (KVM), die in der Nacht vor Großen (305-337 n. Chr.), die im Os- 381 das Christentum zur Staatsreli- der serbischen Aggression von Mit- ten zur Schaffung des byzantinischen gion deklariert und in einem zweiten rovica über Pristina nach Ohrid in Reiches zu Ende des fünften Jahrhun- Schritt erfolgte am 8.11.392 die Ab- Mazedonien flüchten mussten. Bei- derts n. Chr. und im Westen zur Grün- schaffung des römischen Kaiser- und de Erfahrungen wirken prägend auf dung des Kirchenstaates im sechsten Götterkultes als Staatsreligion, womit mich, umso mehr, als ich 1991 im Jahrhundert n. Chr. führten. Im Jahr das Christentum als alleinige Staats- Rahmen der UN-Operation in Afgha- 1045 kam es zum Schisma zwischen religion zementiert wurde. Diese enge nistan (UNOCHA) bereits drei Mal der römisch-katholischen und der or- Verbindung von Kirche und Staat fin- in lebensgefährliche Situationen ge- thodoxen Kirche. Die Kroaten sind det heute noch Ausdruck darin, dass kommen war. heute der römisch-katholischen und in der serbisch-orthodoxen Kirche für In diesem Beitrag wollen wir uns die Serben der serbisch-orthodoxen das serbische Staatsoberhaupt regel- auf die vier multilateralen, militäri- Kirche zugehörig. Der Prozess der mäßig gebetet und entsprechende An- schen Friedensmissionen in Bosnien- Loslösung Kroatiens von der Bundes- dachtsplätze in serbisch-orthodoxen Herzegowina beschränken, also auf republik Jugoslawien wurde aufgrund Kirchen vorgehalten werden. UNPROFOR (United Nations Pro- dieser kulturell-religiösen Ebene wie Die Serben sehnen sich nach dem tection Force), IFOR (Peace Imple- durch einen Katalysator verstärkt. In einst so starken Imperium Romanum mentation Force), SFOR (Stabilisa- Bosnien-Herzegowina gestaltet sich und nach der Stellung des Christen- tion Force) und EUFOR (European die Situation jedoch komplexer. Dort tums als Staatsreligion. Der politische Union Force), wobei es die mehr- leben rund 40 Prozent Muslime, rund Wegfall Westroms und die Wirren der dimensionalen Problemebenen des ein Drittel serbische Orthodoxe und Völkerwanderung werden bis heute Balkan-Konfliktes zu erkennen und 17 Prozent römisch-katholische Kro- als ein einziger politischer Alptraum zu beachten gilt. Nach einer sicher- aten. wahrgenommen, in dessen Gegensteu- heitspolitischen Darstellung und Ein- Um den Balkan-Konflikt zu ver- erung das serbische Königreich im ordnung der vier genannten Einsätze stehen, reicht es nicht aus, die Serben zwölften Jahrhundert entstand. Un- als ethnisches oder bevölkerungspoli- ter dem serbischen König Stephanus tisches Problem wahrzunehmen, son- Dusan (1331-1355), dessen Standbild dern es bedarf der Ausleuchtung ihrer vielerorts auf dem Balkan anzutreffen 1 Vgl. Angelova Penka, Judith Veichtbau- ist, kam es zur größten territorialen er: Pulverfass Balkan. Mythos oder Rea- 2 Vgl. Andreas M. Rauch: Auslandsein- lität (Schriftenreihe der Elias Canetti sätze der Bundeswehr. Baden-Baden Ausdehnung des serbischen König- Gesellschaft, Band 3) St. Ingelbert 2001 2006, S. 140ff reiches. Wie ein Trauma aller Serben

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wirkt bis heute die Niederlage auf dem mit seinen Partisanentruppen sieg- wenen. In Kroatien verhielt sich die Amselfeld am 28.06.1389 gegenüber reich behaupten. Im November 1942 Lage ähnlich, doch konnte sich hier Sultan Murad I. nach, der die Serben installierte Tito eine neue Regierung, die jugoslawische Armee mit der ser- über viele Jahrhunderte unter osma- die im November 1945 die „Födera- bischen Minderheit von rund fünfzehn nische Herrschaft und unter den Ein- tive Republik Jugoslawien“ prokla- Prozent verbünden. Zudem ging es fluss des Islam brachte. mierte und im Januar 1946 die Monar- Belgrad um einen Zugang zum Mittel- In diesen geschichtlichen Ent- chie aufhob. 1948 wurde Jugoslawien meer, was den Serben jedoch im Fall wicklungen wurzelt der komplexe, nach dem Bruch mit Sowjetrussland von Dubrovnik misslang. In Bosnien politische Konfliktreichtum in Bos- ein blockfreier Staat. Mit militärischer und Herzegowina war die Lage ähn- nien-Herzegowina, der heute durch und geheimpolizeilicher Gewalt ge- lich politisch festgefahren, so dass der eine ethnische und religiöse Drei- währleistete Tito – Staatspräsident internationalen Gemeinschaft rasch teilung der Bevölkerung mit rund 40 seit 1953 - innenpolitisch bis zu sei- einsichtig wurde, dass hier nur durch Prozent Muslimen, mit einem Drittel nem Tod trotz religiöser, ethnischer das Einsetzen einer multilateralen Serbisch-Orthodoxer und mit rund 17 und politischer Spannungen Ruhe Friedensmission – der UNPROFOR – Prozent römisch-katholischen Kroa- und Sicherheit. eine dauerhafte politische Befriedung ten bestimmt wird. Im heutigen Ser- Mit dem Tod Titos im Jahr 1980 erzielt werden könne.6 Allerdings war bien und in Bosnien-Herzegowina er- ergriffen die Serben die Chance, sich auch klar, dass wegen des Fehlens der litten die Mehrheit der Serben über wieder verstärkt in der Bundesrepu- verfassungsrechtlichen Voraussetzun- viele Jahrhunderte soziale Ausgren- blik Jugoslawien politisch Gehör zu gen sich die Bundeswehr nicht an ei- zung und wirtschaftliche Unterdrü- verschaffen.4 Die geringe Durchset- ner solchen Friedensmission beteili- ckung. Als Reaktion darauf erweist zungskraft des nach Tod des Staats- gen konnte. sich noch schwerwiegender als der gründers eingesetzten Triumvirats religiöse Konflikt zwischen Serbisch- hängt auch damit zusammen, dass Tito 2. UNPROFOR – das Scheitern Orthodoxen und Muslimen bis in die trotz einer zwei Jahrzehnte boomen- einer Friedensmission Gegenwart die Nichterfüllung impe- den Wirtschaft am Ende doch viele Bei UNPROFOR können wir rial-nationalistischer Vorstellungen Staatsschulden und eine geschwächte von einem dreimaligen Scheitern ei- vieler Serben als politischer Spreng- Wirtschaft hinterließ, deren Lage sich ner UN-Friedensmission sprechen. satz.3 in den achtziger Jahren dramatisch Ein erstes Scheitern fand in Kroati- verschlechterte. Mit der Wahl von Slo- en statt. it der Schwächung des osmani- bodan Milosevic als Vorsitzenden der Mschen Reiches in der zweiten Serbischen Kommunistischen Partei 2.1. Kroatien Hälfte des 19. Jahrhunderts werden im Jahr 1987 hatten zudem die Ser- ach monatelangen Verhandlun- als Folge des russisch-osmanischen ben einen wortgewaltigen und durch- Ngen stimmten die beteiligten Balkankrieges von 1876-1878 Mon- setzungsstarken Mann an ihrer poli- Kriegsparteien einer Stationierung tenegro und Serbien im Frieden von tischen Spitze, der schließlich 1990 von UNO-Friedenstruppen in den San Stefano am 3.03.1878 unabhän- zum Präsidenten der Republik Serbi- wichtigsten von Serben kontrollier- gig, was durch den Berliner Kon- en gewählt wurde. ten Gebieten Kroatiens in Form der gress bestätigt wird. 1882 kommt in Mit der Beendigung des Ost-West- UNPROFOR zu. Die UNPROFOR enger politischer Anlehnung an das Konfliktes 19905 führten in Sloweni- wurde im Rahmen des Vance-Owen- Kaiserreich Österreich-Ungarn die en und Kroatien Volksabstimmungen Konzepts gemäß der Sicherheitsre- Gründung des Königreichs Serbien zu Unabhängigkeitserklärungen. Die solution Nr. 743 vom 21.02.1992 in zustande. Am ersten Dezember 1918 von den Serben dominierte Jugosla- Kroatien stationiert, um den einmal erfolgt die Schaffung des Königrei- wische Volksarmee leistete energi- ausgehandelten Waffenstillstand zu ches der Serben, Kroaten und Slowe- schen Widerstand in Slowenien, in gewährleisten und durch die interna- nen, welches 1929 in das Königreich Kroatien und schließlich in Bosnien- tionale Staatengemeinschaft über ein Jugoslawien umbenannt wird. Herzegowina, wodurch in Slowenien UN-Mandat zu überwachen. Nachdem Im Zuge des Zweiten Weltkrieges 61, in Kroatien 9.212 und in Bosnien- sich Kroatien unter seinem 1990 ge- fiel das zentralistische, von den Ser- Herzegowina 242.330 Menschen den wählten Präsidenten Franjo Tudjman ben dominierte Königreich Jugosla- Tod fanden. In Slowenien zog jedoch (verstorben 1999) am 25. Juni 1991 wien 1941 aufgrund der deutschen Belgrad seine Truppen ab, nachdem für unabhängig erklärte, widersetzte Angriffe in sich zusammen. Der Kro- es auf energischen Widerstand der es sich der serbisch dominierten Ju- ate Josip Tito konnte sich in dieser einheimischen Miliz stieß; zudem bil- goslawischen Volksarmee, und zwar turbulenten Zeit, nachdem die deut- deten die Serben hier eine Minderheit letztlich erfolgreich. Doch durch ra- sche Wehrmacht an der Ostfront in unter den römisch-katholischen Slo- sche militärische Vorstöße gegen die nachhaltige Schwierigkeiten geriet, 4 Arabelle Bernecker: Internationales Krajin mit ihrer Hauptstadt Knin, Konfl iktmanagement am Beispiel des östlich von Zadar, Teile der wichtigen 3 Andreas M. Rauch: Balkan-Konfl ikt und Krieges in Bosnien. 1992-1995. Frank- Nord-Süd-Straße in Dalmatien und SFOR-Einsatz, in: kas-auslandsinforma- furt am Main 2001, S. 88 tionen, Heft 6, 2004, S. 104-130; Bar- 5 Vgl. Andreas M. Rauch (Hg): Europä- über den Peruca-Staudamm konnte bara Jelavich: History oft he Balkans. ische Friedenssicherung im Umbruch. 6 Dominik A. Faust: Effektive Sicherheit. Cambridge 1983 München 1991 Wiesbaden 2002, S. 219

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zunächst die Jugoslawische Volks- nerhalb weniger Tage nahezu die ge- Augen von UNPROFOR kam es zu armee ihre territorialen Positionen samte Republik Serbische Krajina un- Vertreibungen und der Ermordung verbessern. ter Kontrolle des kroatischen Staates der einheimischen Bevölkerung. Das Im Oktober 1991 brach das kroa- brachte. Diese Tatsache bewirkte eine Dilemma der UN-Blauhelme war, dass tische Parlament seine Verbindungen Massenflucht der serbischen Bevöl- ihr Mandat nicht mehr als die Selbst- zu Lande mit Jugoslawien ab. Es folg- kerung in die Republik Jugoslawien verteidigung der UN-Soldaten hergab. ten Massenvertreibungen der Kroaten von über 200.000 Menschen. Wenige Dadurch waren den führenden Of- durch die Jugoslawische Volksarmee Monate später wurde in Folge dieser fizieren von UNPROFOR die Hän- und von serbischen Freischärlern im politischen und militärischen Ent- de gebunden und die internationale Rahmen „ethnischer Säuberungen“. wicklungen das Abkommen von Day- Friedensmission war im Prinzip zum In der Grenzstadt Vukor kam es zu ei- ton unterzeichnet, was wieder einmal Scheitern verurteilt. nem Sieg der serbischen Truppen im den Status quo festschrieb, dieses Mal Im Februar 1993 legten die Ver- November 1991. Im Dezember 1991 zugunsten der Kroaten. einten Nationen einen Friedensplan, erklärte der deutsche Außenminister den so genannten „Vance-Own-Plan, Hans-Dietrich Genscher für Deutsch- 2.2. Bosnien-Herzegowina vor, der im Sommer 1993 im Owen- land als ersten Staat die Anerkennung in zweites Scheitern von UNPRO- Stoltenberg-Plan weiter ausreifte. Die der staatlichen Unabhängigkeit Kro- EFOR können wir in Bosnien-Her- Bemühungen der Bosnien-Kontakt- atiens und Sloweniens. Österreich zegowina beobachten. Die USA aner- gruppe mündeten in das Dayton-Ab- und die Mehrheit der internationalen kannten nach Kroatien und Slowenien kommen vom 21. November 1995. Staatengemeinschaft folgten diesem am 7.04.1992 auch die Souveränität diplomatischen Schritt bis Ende Ja- von Bosnien-Herzegowina an; alle 2.3. Das Trauma von Srebrenica nuar 1992. Am 27.04.1992 benannte drei Staaten wurden am 22.05.1992 in in drittes Scheitern von UNPRO- sich Jugoslawien in „Föderative Re- die Vereinten Nationen aufgenommen. EFOR erleben wir im Massaker publik Jugoslawien“ um, die seither Dadurch wurde der Balkan-Konflikt von Srebrenica vom Juli 1995 – dem aus den Teilrepubliken Serbien und in Bosnien-Herzegowina zu einem schlimmsten Massaker in Europa seit Montenegro besteht. Die Staatlichkeit zwischenstaatlichen Konflikt. Am dem Ende des II. Weltkrieges, klassi- von Slowenien, Mazedonien, Kroati- achten Juni 1992 dehnte der UN-Si- fiziert als Völkermord durch den In- en und Bosnien-Herzegowina wurde cherheitsrat in seiner Resolution 758 ternationalen Strafgerichtshof für das damit im Grundsatz völkerrechtlich das UNPROFOR-Mandat auf Bosni- ehemalige Jugoslawien (UN-Kriegs- anerkannt. en-Herzegowina aus. verbrechertribunal) in Den Haag und So zementierte im Ergebnis das Der besondere politische Kon- durch den Internationalen Gerichts- UNPROFOR-Mandat den für die Ser- fliktreichtum Bosnien-Herzegowinas hof. Dieses grauenhafte Verbrechen ben günstigen Status-quo, der im Prin- gründet sich in der ethnischen und ist publizistisch mehrfach literarisch8 zip auf diplomatischem Wege auch religiösen Dreiteilung seiner Bevöl- und wissenschaftlich aufgearbeitet nicht mehr verhandelbar war. Daran kerung, die zersplittert über das gan- worden, so etwa in jüngerer Zeit durch konnte auch die kroatische Kritik we- ze Land verteilt lebt. Aufgrund der Benjamin Bieber.9 nig ändern, dass teilweise unter den völkerrechtlichen Anerkennung von Was war passiert? In der Stadt Augen der UN-Truppen eine Vertrei- Bosnien-Herzegowina durch die Euro- Srebrenica und seiner Umgebung wur- bung von Kroaten aus serbisch besie- päische Gemeinschaft 1992 riefen die den um den 12.Juli 1995 – der Fron- delten Gebieten stattfand. Überhaupt bosnischen Serben unter ihrem Führer talangriff auf Srebrenica erfolgte am wurden die rund 700.000 Bosniaken Radovan Karadzic die Serbische Re- 11. Juli - bis zu achttausend musli- und bosnischen Kroaten, die in Kro- publik, die „Republika Serspka“ mit mische Jungen und Männer aus Bos- atien vor allem zwischen 1992 und ihrer Hauptstadt Pale aus.7 Politisches nien im Alter von zwölf und achtzig 1993 Schutz und Zuflucht vor dem Ziel von Karadzic war es, zwei Drittel Jahren getötet, und zwar erwiesener- Krieg suchten, ein Faktor in dem bis Bosniens zurückzuerobern. maßen unter Leitung von General Ra- Juli 1995 dauernden Kroatien-Krieg, Schon bald hatten die Serben die- dislav Krstic und Ratko Mladic, die vor allem hinsichtlich den verbliebe- ses Ziel erreicht. Die Serben steck- einen Teil der Armee der Republika nen 170.000 kroatischen Flüchtlin- ten im Rahmen „ethnischer Säube- Srspka mit rund 15.000 Mann sowie gen. Die Kroaten hatten inzwischen rungen“ Nichtserben in Konzentra- Teile der serbischen Polizei und eine gelernt, dass der UN-Sicherheitsrat tionslager – den ersten Konzentrati- Gruppe von serbischen Freischärlern vor allem den Status quo im Sinne onslagern in Europa seit der Hitler- anführten. Die Täter verscharrten tau- eines Nicht-Kriegs-Zustandes inten- Herrschaft – oder vertrieben sie. Im sende Leichen in Massengräbern, die diert, unabhängig davon, ob er völ- Spätherbst 1992 war Sarajewo von später aufgefunden wurden. Mehrfa- kerrechtlich gerecht ist oder nicht. den Serben eingeschlossen. Unter den che Leichenumbettungen in den Wo- Als der Abschluss von Dayton sich 7 Vgl. Rauch, a.a.O., S. 148 ff; auf die bereits am Horizont abzeichnete, ent- „Republika Serspka“ und das unnach- 8 David Rohde: Die letzten Tage von schloss sich daher 1995 die kroatische giebige Agieren der Serben gegenüber Srebrenica. Was geschah und wie es den anderen Volksgruppen gehe ich möglich wurde. Reinbek bei Hamburg Regierung zu einer Militäroperation ausführlich in meinem Buch Aus- 1997 „Blitz“ und wenige Wochen später landseinsätze der Bundeswehr S. 148 ff 9 Benjamin Bieber: Die Hypothek des zur Militäroperation „Sturm“, die in- ein Krieges. Hamburg 2007

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chen nach dem Massaker sollten den schrieb selbstkritisch im Bericht zum obwohl es vor dem Hintergrund der Genozid verschleiern. Heute wissen Fall von Srebrenica: „Wir versuchten, europäischen Geschichte einfach po- wir, dass dieses Massaker von langer den Frieden zu bewahren und die Re- litisch wichtig war, das Deutschland Hand geplant war. geln der friedenssichernden Einsätze mit dabei war. Durch die Kriegswirren waren anzuwenden, als es keinen Frieden zu Nachdem militärische Ausland- 1993 rund zehntausend Muslime nach bewahren gab.“10 seinsätze der Bundeswehr durch das Srebrenica geflüchtet; ihre Zahl stieg Bundesverfassungsgericht im Jahr im Sommer 1995 auf rund 50.000 3. IFOR und SFOR 1994 gebilligt wurden, sofern ent- Menschen an. Dadurch, dass Srebre- ie NATO-geführten Schutztrup- sprechende Mehrheitsbeschlüsse des nica von bosnischen Serben einge- Dpen IFOR (vom 21.11.1995. bis Deutschen Bundestages vorliegen, schlossen war, kam es zu Nahrungs- 12/1996) und SFOR (vom 12.12.1996- stellten IFOR und die darauf folgen- mittelengpässen und selbst die UN- 12/2004), die aufgrund der UN-Si- de SFOR die ersten größeren Be- Soldaten lebten nur von Notrationen cherheitsresolutionen Nr. 1031 währungsproben für die Bundeswehr und Einsatzverpflegung. Srebrenica vom 15.12.1995 und Nr. 1088 vom im multilateralen, militärischen Aus- liegt am Ende eines Tales in einen 12.12.1996 ihre völkerrechtliche Le- landseinsatz dar. Auch die deutsche Berg gebaut vor einem Bergpass. Der gitimation erhielten, standen ganz un- Außenpolitik erhielt seither internati- Bergpass wurde von den Serben eben- ter dem Trauma von Srebrenica. Nach onal ein neues, sicherheitspolitisches so gesperrt wie der Durchgang zum dem dreimaligen Scheitern von UN- Gesicht und gewann politisch gesehen Tal, sodass die Muslime aus Srebre- PROFOR befanden sich beide Mis- an Gewicht.11 nica nicht fliehen konnten. Es wurden sionen unter dem politischen Druck, Allerdings sollte sich vergegen- männliche Muslime zwischen zwölf dass jetzt ‚nichts mehr passieren durf- wärtig werden, dass zahlenmäßig ge- und achtzig von den Serben umge- te‘. Nachdem das Ansehen der UN- sehen die Bundeswehr eine eher ge- bracht: rund 7.500 der Muslime gelten Blauhelme stark gelitten hatte, unter ringe Rolle bei IFOR und SFOR spiel- als vermisst, rund 1.900 Leichen von anderem durch 213 Todesfälle, sollten ten. Die Sollstärke der IFOR betrug Muslimen wurden bislang exhumiert. die NATO-geführten Truppen nicht rund 57.000 Soldaten. Damit wur- Nach niederländischen Angaben hat- ins Gerede kommen – umso mehr den Erfahrungen aus der Mission von ten sich zum Zeitpunkt des Massakers nicht, weil viele Politiker nach dem UNPROFOR gezollt, die anfänglich in diesem Bergkessel rund 15.000 Ende des Ost-West-Konflikts über die nur 16.000 Mann betrug und sich Muslime im kampffähigen Alter be- Zukunft der NATO und neue sicher- erst im November auf 38.130 Sol- funden, von denen jedoch nur rund heitspolitische Optionen nachdach- daten steigerte. Bei IFOR stellten 3.000 Mann bewaffnet waren. ten, die sich aus dem in den neun- die USA rund 20.000 Soldaten. Die Vor Srebrenica im Tal gelegen, ziger Jahren diskutierten Thema des Soldaten des deutschen Kontingents, waren Anfang Juli 1995 rund 400 ‚erweiterten Sicherheitsbegriffs‘ erge- der „German Contingent Implemen- Blauhelmsoldaten stationiert, die un- ben könnten. tation Force“ (GECONIFOR) hatten ter holländischem Kommando standen Die Aufgabe von IFOR bestand ihre Stützpunkte in Zadar (Heeres- – eine Luftunterstützung bestand we- darin, nach der Friedensvereinbarung flieger), in Benkovac (Pioniere), in Si- gen den damals gerade laufenden Ver- von Dayton die Waffenstillstandsver- benik (Nachschub), im Camp Solaris handlungen mit den Serben nicht. Es einbarungen sowie die Truppenent- (Transport), in Trogir (Sanitäter) und sei darauf verwiesen, dass die militä- flechtung zu überwachen. An diesem in Primosten (Feldjäger). Das Heer rische Leitung von UNPROFOR meh- erstmaligen NATO-Einsatz außerhalb der deutschen Bundeswehr stellte für rere Male bei den Vereinten Nationen des Gebietes seiner Bündnisstaaten GECONIFOR Ende Januar 1996 etwa in New York intervenierte, um mehr beteiligten sich 16 NATO- und 17 2.600 Soldaten zur Verfügung. Hinzu Soldaten und um einen größeren mi- Nicht-NATO-Länder, worunter sich kamen Zerstörer und Fregatten der litärischen Spielraum zu bekommen 14 Staaten aus dem NATO-Programm deutschen Marine, die 29 Einsätze im – jedoch immer wieder abgewiesen „Partnership for Peace“ befanden, un- Rahmen von IFOR tätigten. Kampf- wurde, mit den bekannten, schreck- ter anderem Russland und die Ukrai- flugzeuge der deutschen lichen Folgen. ne. Seit dem Ende des II. Weltkrieges vom Typ Tornado flogen rund 1.000 In einer Nacht und Nebel-Aktion handelte es sich also um die erste Mi- Einsätze zum Schutz von Flugzeu- der Serben wurden am 7.7.1995 55 litäroperation, die die beiden Mächte gen der deutschen Luftwaffe und der holländische UN-Blauhelme festge- USA und Russland zusammen durch- NATO, sowie noch einmal soviel für nommen. Ein Niederländer kam zu führten. Das deutsche Bundeswehr- die Aufklärung der Streitkräfte der Tode. Der niederländische Komman- kontingent spielte in diesem inter- vormaligen Konfliktparteien und zur deur ergab sich. Rund 40.000 mus- nationalen Kontext eine militärisch Überwachung von Militärstützpunk- limische Frauen und Kinder wurden gesehen eher untergeordnete Rolle, ten sowie Waffenlagern. aus der ehemaligen Sicherheitszo- 10 Dietmar Herz: Die Vereinten Nationen – ne vertrieben, die Stadt wurde von Entwicklung, Aktivitäten, Perspektiven. Serben neu besiedelt und die ser- Frankfurt am Main 2002, S. 79; vgl. Manfred Eisele: Die Vereinten Nationen 11 Vgl. Christian Hacke: Die Außenpolitik bisch-orthodoxe Kirche frisch reno- und das internationale Konfl iktmanage- der Bundesrepublik Deutschland. Von viert. Die Holländer kamen am 21. ment – Ein Insider-Bericht. Frankfurt bis Gerhard Schröder. Juli 1995 frei. UN-Generalsekretär am Main 2000 Frankfurt am Main 2003

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Auftrag_272.indb 38 21.11.2008 9:02:42 Uhr GESELLSCHAFT NAH UND FERN

ie Bemühungen von IFOR wur- 4. Schlussbewertung Mehr an Frieden etwa durch Friedens- Dden durch SFOR fortgeführt. Wei- ie ich in meinem Buch „Aus- missionen wie UNPROFOR, IFOR, terhin ging es darum, Feindseligkei- Wlandseinsätze der Bundeswehr“ SFOR und EUFOR bemühen, dann ten zu verhindern und der Frieden darstelle, durchziehen die bundes- im Wissen darum, dass wir bei der in Bosnien-Herzegowina zu stabili- deutsche Außen- und Sicherheitspo- Lösung von Konflikten in der Weltpo- sieren, sodass nach dem Grauen des litik zwei Verantwortungsstränge12, litik als Menschen nur kleine Schritte Bosnien-Krieges sich die Lebensum- die da lauten: Deutsche Außen- und zu gehen vermögen und uns letztlich stände für die Bürger von Bosnien- Sicherheitspolitik muss multilateral der große Wurf in der Lösung sämt- Herzegowina wieder normalisierten eingebunden sein und von deutschem licher Konflikte und Krisen verwehrt konnten. Eine neue Komponente von Boden darf nie wieder Krieg ausge- bleibt – aufgrund der Kontingenz un- SFOR bestand in der zivil-militäri- hen. IFOR und SFOR sind beste Bei- seres Menschseins verwehrt bleiben schen Zusammenarbeit (CIMIC), die spiele dafür, dass die multilaterale muss. Internationale Friedensmissi- vor dem Hintergrund des „erweiterten Einbindung Deutschlands nach dem onen wie UNPROFOR, IFOR, SFOR Sicherheitsbegriffs“ zu sehen ist. Es II. Weltkrieg und dem Ende des Ost- und EUFOR können nur vor diesem wurde politisch richtig erkannt, dass West-Konfliktes nachhaltig gelungen ordnungspolitischen Hintergrund ge- zum Friedensprozess auch unterstüt- ist. Insgesamt darf gesagt werden, sehen werden, dass sie lediglich einen zende Maßnahmen etwa im Bereich dass IFOR und SFOR im Grundsatz sehr begrenzten Beitrag zum Frieden der sozialen und kulturellen Infra- erfolgreiche Friedensmissionen auf in der Welt zu leisten vermögen. Der struktur notwendig sind (z.B. durch dem Balkan darstellen. Bei UNPRO- Historiker Wolfgang Mommsen erin- Unterstützung und Wiederherstellung FOR wurden jedoch aus politischem nert an den Sozial- und Politikwissen- von Häusern, Kindergärten, Kirchen Zögern und diplomatischer Uneinig- schaftler Max Weber, der aufgrund der und Theater). keit heraus Fehler gemacht. Vielschichtigkeit des Balkan-Kon- Die Gesamtstärke von SFOR be- Aus der Anthropologie wissen wir, fliktes die Auffassung vertrat, dass trug lediglich rund 30.000 Mann, dass der Mensch aus sich heraus kein der Balkan „nicht die Knochen eines nachdem der UN-Sicherheitsrat nach vollkommenes Heil und Glück, kei- pommerischen Grenadiers wert sei“, IFOR zu der Überzeugung gelangt nen vollkommenen Frieden finden und es Deutschland in den vergange- war, dass diese Truppenreduzierung kann: in allem, was er tut und kann, nen Jahrzehnten gut zu Gesicht stand, vor dem Hintergrund der eingestell- ist er begrenzt und fehlbar. Die Poli- „die glimmenden Funken am Pulver- ten Kampfhandlungen politisch und tische Ideengeschichte lehrt uns seit fass Europas immer wieder echtzeitig militärisch vertretbar sei. Im nach Solon (640-560 v. Chr.) und Aristote- zu ersticken.“14 hinein erwies sich diese Einschät- les (384-322 v. Chr.), dass politische 14 Wolfgang Mommsen: Max Weber und zung auch als politisch zutreffend. An Gestaltung auf Ausgleich, Tugendhaf- die deutsche Politik 1890-1920. Tübin- SFOR beteiligten sich alle sechzehn tigkeit („arete“) – wie sie sich auch gen 2003, S.228 NATO-Staaten. Weitere 24 Nicht-NA- im Konzept der Inneren Führung der TO-Staaten, darunter wieder Russ- Bundeswehr widerspiegelt – und po- land und die Ukraine, aber auch Län- litische Kompromisse hin ausgelegt der wie Marokko, die Türkei und Süd- sein sollte, was nur in einer demo- afrika, stellten Soldaten für SFOR. kratischen und rechtsstaatlichen Ord- Rücktritt Die deutsche Bundeswehr war nung möglich ist. Der Mensch soll anfänglich mit rund 1.800 Soldaten eine gute Ordnung („ordo bonorum“) abgelehnt – davon rund 50 Soldatinnen – an errichten und das Gute in seinem per- SFOR beteiligt, wobei sich die deut- sönlichen Umfeld und im politischen ie die Heilige Synode der sche Truppenstärke allmählich zu Raum anstreben (res agenda), auch Wserbisch-orthodoxen Kir- Ende von SFOR auf rund 1.000 Sol- wenn er nie vollkommen gut zu sein che am 13.11.08 auf ihrer Web- daten zu bewegte. In der Nachfolg- vermag, weshalb der Mensch in dieser seite mitteilte, informierte eine emission EUFOR (European Union Welt einer politischen Ordnung be- Bischofsdelegation den Patriar- Force), der multinationalen Militär- darf. In der theologischen Perspektive chen Pavle I. (94) in einem Bel- streitmacht der Europäischen Uni- ist jeder Mensch Gottes Ebenbild und grader Militärkrankenhaus über on, sind im Oktober 2008 nur noch trotz seiner Unvollkommenheit nicht die jüngste Entscheidung, sein 13 Gesuch abzulehnen, aus Ge- rund 100 deutsche Soldaten vertre- ohne Heil, weshalb er hoffnungsvoll sundheitsgründen zurückzutre- ten gewesen – von insgesamt 2455 sein Leben gestalten und Wege zum ten. Pavle I. ist seit 1990 an der Soldaten von EUFOR in Bosnien- Frieden suchen kann. Spitze der serbischen Kirche und Herzegowina. Nachdem in sicher- Wenn wir uns also bei den gro- hatte sich schon mehrfach gewei- heitspolitischen Kreisen in Deutsch- ßen Fragen der Weltpolitik um ein gert, sein Amt aufzugeben, bevor land viel über eine „Exit“-Strategie 12 Vgl. Rauch, a.a.O., 2006, S. 247ff er jetzt das Rücktrittsgesuch ein- aus SFOR diskutiert wurde, war mit 13 Bernhard Moltmann: Der Friede ist der reichte. Der kranke serbisch-or- EUFOR eine deutliche Reduzierung Ernstfall – Plädoyer für eine Weltinnen- thodoxe Patriarch soll eingewil- der Bundeswehr-Präsenz in Bosnien- politik, in: Peter Michaelis (Hg): Für ligt haben, lebenslang im Amt zu Ruhe in der Seele sorgen. Evangelische verbleiben. (KNA) Herzegowina geschafft. Militärpfarrer im Auslandseinsatz der Bundeswehr. Leipzig 2003, S. 12-16

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Bild des Soldaten Was macht einen christlichen Soldaten aus?

VON MAJ A.D. KLAUS LIEBETANZ

er Autor geht in seinem Beitrag der Frage nach: „Was macht eigentlich einen christlichen Soldaten aus? Wie war es möglich, dass die Soldaten der 6. Armee, welche zum größten Teil aus getauften, gefirmten Dund konfirmierten Christen bestanden, es in ihrem Verantwortungsbereich zuließen, dass im Herbst 1941 ca. 2,3 Mio. russische Kriegsgefangene einfach verhungerten, weil sie ein logistisches Problem darstellten und als völlig wertlos betrachtet wurden. Welches Fundament muss ein christlicher Soldat haben, damit er in schwie- rigen Situationen nicht völlig als Mensch und Christ versagt? Der Autor beginnt seine Überlegungen mit einem Auszug aus dem „Katholischen Militär-, Gebet- und –Gesangbuch von 1935, weil Extreme besonders geeignet sind, das Wesentliche herauszustellen.

Sei ein guter Soldat Christi lichen Rekrutenvereidigung am 20. zum Mord an den europäischen Juden „Jeder Beruf, auch der Soldaten- Juli 2008 vor dem Reichstag bekann- keine geheime Kommandosache, son- beruf, hat seine besonderen Pflich- te, dass er bis zum Ende des Krie- dern konnte von allen Soldaten wahr- ten. Wehrpflicht ist „Ehrenpflicht“. ges nicht an der Rechtmäßigkeit des genommen werden. Sicher liegt die Was Deutschland groß gemacht hat, „Dritten Reiches“ gezweifelt und sei- Hauptschuld am Tod der russischen ist nicht zuletzt dem Soldatenstan- nen verbrecherischen Charakter nicht Kriegsgefangenen bei der nationalso- de zu danken. Er ist eine Schule der erkannt hätte. Die vorkonziliare Fröm- zialistischen Reichsregierung und bei Tapferkeit, die Geburtsstätte großer migkeit war zu sehr auf die eigene Fa- der von ihr abhängigen - Helden, ein Schauplatz der Ehre und milie, den Freundeskreis, das eigene führung. Man kann jedoch die Solda- des Ruhmes! Dass Gott diesen Stand Volk und den Machterhalt der Kirche ten der 6. Armee nicht von einer Mit- hochschätzt, geht aus verschiedenen ausgerichtet. Das zeigte sich beson- schuld freisprechen. Stellen der Heiligen Schrift hervor. Der ders deutlich beim Verhalten der Kir- Kirche hat er nicht wenige Helden der che und dem der gläubigen Christen Ist der Verfasser des Beitrages Tugend und des Glaubens geschenkt. bei der „Reichskristallnacht“ am 9. ein Nestbeschmutzer? Freue dich von Herzen über die Ehre, November 1938. Auch auf protestanti- atürlich kann man einwenden, einem so hochgeschätzten Stande an- scher Seite gab es eine massive, weit- Ndass auch im Namen der sowjeti- gehören zu dürfen und mache dich gehende Verleugnung der Bergpredigt schen Diktatur ungeheure Verbrechen seiner würdig durch tadellose Füh- Jesu Christi. Selbst ein Kirchenmann begangen wurden, so wie es der ehe- rung. Aus Standesbewusstsein tue als wie Dietrich Bonhoeffer hat seit 1938 malige CDU-Bundestagsabgeordnete Soldat und weil Soldat, dein Bestes! mehrfach ernsthaft erwogen, aus der Martin Hohmann nachgewiesen hat. Wahre Soldatenehre kann ohne Treue Evangelischen Kirche wegen deren Nur das löst nicht das Problem der bis in den Tod und ohne Erfüllung Verleugnung christlicher Werte aus- christlichen Kirchen in Deutschland der Pflichten – auch der anscheinend zutreten. und der katholischen und evangeli- kleinsten – nicht bestehen. Fahnenruf schen Soldaten während des 2. Welt- ist Gottesruf! Wisse, dass du einst bei Der Frevel an den russischen kriegs. Das Gleiche gilt übrigens auch Gott, dessen Namen du auf die Fahne Kriegsgefangenen für das Verhalten der Katholischen geschworen hast, über deine Soldaten- ie wenig das christliche Fun- Kirche beim Völkermord in Ruanda zeit gerichtet werden wirst. Halte dich Wdament von Soldaten der deut- 1994, einem Land mit 60% Katholi- an die Parole: „Mit Gott für Führer schen Wehrmacht gehalten hat, zeigt ken und 15% Protestanten, wo inner- und Vaterland!“ Mit Gott, das heißt sich exemplarisch am Beispiel der halb von 3 Monaten ca. 800.000 Frau- nichts anderes, als ein guter Christ berühmten 6. Armee. Die 6. Armee en, ältere Menschen und Kinder fast sein! Ein guter Christ aber ist immer hatte im Sommer und Herbst 1941 in ausschließlich in Kirchen umgebracht ein tüchtiger Soldat. „Wer seinem Gott erfolgreichen Kesselschlachten ca. wurde. Bis heute hält es die Deutsche die Treue bricht, der hält sie auch den 2,3 Mio. russische Kriegsgefangene Kommission Justitia et Pax nicht für Menschen nicht!“ (aus Kath.Militär- gemacht. Diese Gefangenen stellten nötig, die Rolle der Katholischen Kir- ,Gesangbuch; Wehrverlag, Berlin, Jo- die militärische Führung vor ein ge- che beim Völkermord in Ruanda zu seph Bercker, 27.08.1935; Imprimi waltiges logistisches Problem. Die untersuchen und die entsprechenden permittiker, vic.corp. Berolini). nationalsozialistische Führung ent- Schlussfolgerungen zu ziehen, wie schloss sich, diese Menschen, die es der Verfasser seit langem fordert eim Lesen dieser vorkonzilia- sich bereits ergeben hatten – gegen (AUFTRAG 270, S. 53ff) Bren kirchlichen Zeilen kann man jedes Kriegsvölkerrecht – durch Hun- Ist Papst Benedikt XVI. ein Nest- etwas besser nachvollziehen, wenn ger und Krankheit umkommen zu las- beschmutzer, weil er bei seinen jüngs- Helmut Schmidt bei seiner viel be- sen. Dieser Frevel an den russischen ten Reisen in die Vereinigten Staaten achteten Rede anlässlich der feier- Kriegsgefangenen war im Gegensatz und nach Australien sich im Namen

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der Kirche für zahlreiche sexuelle wie es Menschen gibt“, sagt unser fehlenswert, täglich wenigstens eine Übergriffe von Priestern auf Schutz- Papst Benedikt. halbe Stunde einen kleinen Abschnitt befohlene entschuldigt hat, die von Wie erlangt man den Geist Christi aus der Hl. Schrift zu lesen, zu be- den Ortskirchen jahrzehntelang ver- und wird ein christlicher Soldat? Der trachten und zu bedenken, was die- leugnet wurden. Wohl kaum. Es war Geist Christi ist ein Geschenk Gottes. ser Abschnitt für das eigene Leben höchste Zeit. Eine Kernaussage des 2. Er kann eingeübt aber nicht verdient bedeutet. Hierzu halten die Standort- Vatikanischen Konzils lautet: „Diese werden. Man kann aber vertrauensvoll pfarrer beider Konfessionen als An- Spaltung zwischen dem Glauben, den um ihn beten, so wie es Jesus selbst gebot eine Anleitung „Mit der Bibel man bekennt, und dem täglichen Le- gelehrt hat: durch das Jahr“ kostenlos zur Verfü- ben vieler ist zu den größten Verirrun- „Bittet, dann wird euch gegeben; gung. Es ist ein ausgezeichnetes Ge- gen unserer Zeit zu rechnen“ (Gaudi- sucht, dann werdet ihr finden; klopft meinschaftswerk der erneuerten evan- um et spes Ziff. 43 ). an, dann wird euch geöffnet. Denn gelischen und katholischen Kirche in wer bittet, der empfängt; wer sucht, Deutschland, in dem geistlich erfah- Was macht nun einen der findet; und wer anklopft, dem rene Frauen und Männer die Bibel für christlichen Soldaten aus? wird geöffnet. Oder ist einer unter unsere Zeit übersetzen und auslegen. enn nun Taufe, Sakramente und euch, der seinem Sohn einen Stein Ferner sollte in diesem Zusammen- Wauch mehr oder weniger regel- gibt, wenn er um Brot bittet, oder eine hang bedacht werden, dass die Bibel mäßiger Kirchgang wie oben gezeigt Schlange, wenn er um einen Fisch nach christlicher Überzeugung auch offensichtlich noch nicht automatisch bittet? Wenn nun schon ihr, die ihr vom Hl. Geist inspiriert ist, also nicht zu einem christlich verwurzelten und böse seid, euren Kindern gebt, was bloßes Menschenwerk ist. Gott spricht dem Bösen gegenüber widerstands- gut ist, wie viel mehr wird euer Vater in den Hl. Schriften unmittelbar zu fähigen Soldaten führen, was ist es im Himmel denen Gutes geben, die den Menschen. Es geht also um die dann? ihn bitten“ (Mt 7,7ff). Gegenwart und Zukunft und nicht um Es ist der Geist Christi, den der das reine Betrachten von vergangenen Herr denen, die ihm nachfolgen, ver- Bibellesen mit dem Herzen Ereignissen. heißen hat. Ein christlicher Soldat a wir heute nicht mehr wie die trägt nicht nur seinen Namen, sondern DJünger, zahlreiche Frauen und Ist das tägliche Lesen der Hl. Schrift ist in seinem ganzen Wesen eng mit Männer, Jesus auf seinem Lebensweg eine Zumutung? seinem Geist verbunden. Er ist also folgen und seinen Geist unmittelbar icht wenige Zeitgenossen mit ei- nicht nur ein Sonntagschrist bei fei- aufnehmen können, sind wir auf das Nnem fordernden Beruf werden erlichen Anlässen, sondern ein Werk- Lesen der vier Evangelien und aus- die tägliche Beschäftigung mit der hl. tagschrist, der sich im Alltag und in gewählter Briefe von Zeitzeugen so- Schrift als eine Zumutung empfinden. schwierigen Situationen bewährt. Zum wie auf die in der kirchlichen Tradi- Sie wissen gar nicht, woher sie die Geist Christi gehört nicht nur die Ka- tion überlieferten Glaubensinhalte tägliche halbe Stunde dafür nehmen meradschaft, sondern auch die Liebe angewiesen. Nach der Zusage Chris- sollten, werden von ihrer täglichen und Fürsorge für die an den Rand ge- ti können wir uns als später Gebo- Beschäftigung aufgesogen und haben drängten Menschen bis zur Feindes- rene darauf verlassen, dass uns sein das Beten verlernt. Nicht wenige, die liebe, dem einzigartigen Markenzei- Hl. Geist in sein Leben und damit in keine sittlichen Widerstandskräfte chen christlicher Grundeinstellung: sein Zeugnis einführen wird. Also sind entwickelt haben, sind oberflächlich, „Ihr habt gehört, dass gesagt wor- auch Nichttheologen „geistbegabt“. denken nur rein Fach bezogen, sind den ist: Du sollst deinen Nächsten Das 2. Vatikanische Konzil hat gerade innerlich leer und sind nicht selten lieben und deinen Feind hassen. Ich die Laien (Nichttheologen) wegen ih- für jede Gemeinheit verfügbar, die aber sage euch: Liebt eure Feinde und rer Nähe zum realen, praktischen Le- ihnen Vorteile bringt. Ein Blick in betet für die, die euch verfolgen, da- ben dazu aufgefordert, die Botschaft das tägliche Medienangebot genügt, mit ihr Söhne eures Vaters im Himmel Jesu in der Welt umzusetzen und die um derartiges Fehlverhalten auch von werdet“ (Mt 5,43ff). Welt menschlicher zu machen und Personen zu erfahren, von denen man zur Vollendung in Christus zu führen. es nicht erwartet hätte. Anregung nicht Dogma Das gilt auch und gerade für Solda- m Folgenden sollen Wege aufgezeigt ten: „Wer als Soldat im Dienste des Eine halbe Stunde ist eher zu wenig! Iwerden, wie der christliche Soldat Vaterlandes steht, betrachte sich als orausgesetzt, dass Gott wirklich eine engere Verbindung mit Jesus Diener der Sicherheit und Freiheit Vder Schöpfer des Universums und Christus und seinem Geist eingehen der Völker. In dem er diese Aufgabe damit auch unserer Welt und des Men- kann. Diese Vorschläge decken sich recht erfüllt, trägt er wahrhaft zur Fes- schen ist; dass er wegen seiner Allge- mit den Erfahrungen des zweitau- tigung des Friedens bei.“ (Gaudium genwart jedem Menschen näher ist sendjährigen spirituellen Weges der et Spes Nr. 79). als dieser sich selbst; dass er nach Askese. Wer jedoch andere Wege zur den Propheten des Alten Testamen- Vertiefung der Lebensgemeinschaft Das tägliche Lesen der Hl. Schrift tes schließlich seinen wesensgleichen mit Jesus Christus geht, dem sei das m mit dem Geist Christi vertraut Sohn auf die Erde gesandt hat, um für unbenommen. Der Geist weht, wo er Uzu werden und schließlich sich alle Menschen den Weg zu einem er- will. „Es gibt so viele Wege zu Gott mit ihm zu identifizieren, ist es emp- füllten Leben aufzuzeigen: Wäre das

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nicht die Perle, für die man alles ver- verleugnen“) und täglich sein Kreuz auf Widerstand stoßen. Überall sitzen kaufen müsste? Es ist also eine Frage zu tragen (Mk 8,34). Das gilt auch für die „Platzhirsche“, die in der Verfol- des Glaubens und nicht der vorhande- Zivilisten. Nicht alle, die mit Jesu ge- gung ihrer persönlichen Interessen nen Zeit, ob man sich täglich wenigs- hen, müssen zwangsläufig im Martyri- und in ihrer Ruhe nicht gestört wer- tens eine halbe Stunde nimmt, um in um enden. Die Erfahrung zeigt, dass den wollen. Jesus Christus ist schließ- den Geist Christi einzutauchen. Dabei es nur wenige sind, die dergestalt aus- lich nicht an Altersschwäche im Bett soll nicht geleugnet werden, dass es gezeichnet werden. Aber es muss al- gestorben, sondern am Kreuz, das auch Tage gibt, an denen das objektiv len klar sein, dass der Weg mit Gott, ihm von frommen Theologen bereitet nicht möglich ist. auf dem sie Jesu folgen, auch den Ein- wurde, welche die Deutungshoheit satz des eigenen Lebens fordern kann. über die geistlichen Stammtische ih- Zur inneren Ruhe kommen Das Tragen des „täglichen Kreuzes“ rer Zeit nicht verlieren wollten. Bei enn man sich dazu durchge- bedeutet für Soldatinnen und Solda- den Streitkräften, in der Politik und Wrungen hat, täglich zu einer be- ten im Auslandseinsatz: Trennung in der Kirche ist das heute nicht an- stimmten Zeit die Hl. Schrift zu be- vom Partner und von der Familie, ders. Um Missverständnissen vorzu- trachten und so mit dem lebendi- Ertragen der erheblichen Einschrän- beugen, muss ergänzt werden, dass gen Herrn Verbindung aufzunehmen, kungen eines Lagerlebens oder auf ein christlicher Soldat nicht mit einem wird innere Ruhe eintreten, weil man einem Schiff, das ungewohnte Klima belehrungsresistenten Querulanten zu auf einem gestärkten und unzerstör- zwischen 50 Grad plus und 30 Grad verwechseln ist. Ein christlicher Sol- baren Fundament steht. Soldatinnen minus und schließlich die Bedrohung dat wird mit sorgfältiger Absprache und Soldaten können während der durch terroristische Angriffe. unter Kameraden und unter Anwen- Auslandseinsätze den meist vorhan- dung der „Regeln zur Unterscheidung denen „Raum der Stille“ aufsuchen Leben gewinnt, wer es riskiert der Geister“ in angemessener Weise und der Betrachtung der Hl. Schrift eben gewinnt, wer es um der seine Anliegen vortragen. Allerdings nachgehen. Lchristlichen Nächstenliebe ris- gibt es auch Situation, wo es nur noch kiert. Das entspricht einer Einsicht, ein „Ja“ oder „Nein“ gibt mit mögli- Morgen- und Abendgebet die sich auch außerhalb der Bibel cherweise nicht unerheblichen Kon- m von einem Sonntagschristen findet. Wer sein Leben krampfhaft sequenzen. Uzu einem Werktagschristen zu festhält und es nur für sich selber le- Auf jeden Fall kann man einem werden, ist es weiterhin empfehlens- ben will, wird es in ängstlichem Sich- christlichen Soldaten in diesem Sin- wert, regelmäßig morgens und abends Absichern oder zwanghaftem Ansam- ne ein spannendes, selbst- bewusstes zu beten. Am Morgen stellt sich der meln von Gütern ersticken. Wer aber und erfülltes Leben versprechen. Soldat vertrauensvoll unter den Schutz sein Leben für den Nächsten riskiert, Gottes und bittet um die Gabe des Hl. gewinnt Lebensqualität und die innere Ignatianische Exerzitien für Soldaten Geistes für alle Vorhaben des Tages. Freiheit. Jesus lässt das freilich nur der Bundeswehr Als Regelgebet eignet sich der Psalm gelten, wenn man sein Leben für das er ehemalige spanische Offizier 23 „Der Herr ist mein Hirte“. Richtige einsetzt. Das bedeutet aber DIgnatius von Loyola hatte sich bei Das Abendgebet vor der Nachtru- nicht, Leben gering zu achten. Unser der Verteidigung der Festung Pamp- he beginnt mit dem Dank für das Ge- Leben ist wertvoller als alle Güter die- lona eine schwere Verletzung zugezo- lungene und das Erfreuliche des Ta- ser Welt. Und gerade deshalb ist es so gen. Auf dem Krankenbett begann er ges und mit der Bitte um Verzeihung wichtig, dieses Leben für das höchste damit, seine berühmten und auch heu- für alles, was nicht so gelungen oder Gut, nämlich die Gemeinschaft mit te noch wirksamen Exerzitien zu ent- gar missraten war. Dazu gehört auch Gott und die Erfahrung seiner Liebe, wickeln. In der zweiten Woche dieser die Bitte um Kraft eigenes Fehlver- einzusetzen (Vgl. „Mitgefühl und Ver- Exerzitien stellt er den Teilnehmern halten zu überwinden. Als Regelge- antwortung für die betroffenen Bevöl- eine „Besinnung über zwei Banner“ bet eignet sich das „Vater unser“ als kerung in Afghanistan“ im AUFTRAG vor. Im ersten Bild beschreibt er das Schlussgebet. 268; S. 33ff.). Heerlager des Fürsten dieser Welt, den Todfeind der menschlichen Na- Nachfolge Christi und innere Freiheit Der christliche Soldat: Everybody’s darling? tur. Dieser sitzt auf einem großmäch- ie Nachfolge Christi schließt sich ilfsbereitschaft und Freundlich- tigen Thron aus Feuer und Rauch, in Dbei den Soldaten der Bundeswehr Hkeit gegenüber den Kameraden, einer Gestalt von Schauer und Schre- in ihrem Dienst für den Frieden nicht Vorgesetzten und Untergebenen wird cken. Er treibt seine Untertanen an , aus. Ganz im Gegenteil ist sie eine den christlichen Soldaten grundsätz- seine menschenverachtenden Pläne gute Voraussetzung und Motivation lich zu einem angenehmen Zeitgenos- zu verwirklichen, vergleichbar den für einen engagierten Dienst an der sen machen. Was aber nicht bedeu- nationalsozialistischen, fanatisierten betroffenen und meist geschundenen tet, dass das Leben in der Nachfolge Massenveranstaltungen, die häufig Zivilbevölkerung. Wer Jesus nach- Christi besonders angenehm und ab- in den Abendstunden bei Rauch und folgt, muss bereit sein, ihm in den Tod gefedert ist. Fackelschein stattfanden. Der ein- zu folgen. Nichts anderes bedeutet die Das christliche Engagement für zelne ist willenloses und manipulier- Aufforderung, im Gefolge Jesu das Gerechtigkeit und eine menschen- tes Werkzeug einer zerstörungswüti- eigenen Leben hintanzustellen (“zu freundlichere Welt, wird sehr bald gen Macht.

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Das zweite Bild zeigt das Heer- werden könnten. Bei den Exerzitien Von Beginn des Christentums an leb- lager Christi an einem unscheinba- geht es nicht um das Aufbügeln eines ten die Gläubigen in Gemeinschaft ren Ort, schön und anmutig. Er beruft eventuell vorhandenen „geistlichen mit Gleichgesinnten, von denen sie einzelne Personen zu seinen Jüngern Anzuges“ sondern um einen völlig Stärkung und Bestätigung erfahren und sendet sie aus, allen Bedürftigen neuen Anzug, um eine erhebliche Än- haben und noch heute erfahren. Die zu helfen und ermuntert sie zu Armut derung der Lebenseinstellung. „Gemeinschaft Katholischer Solda- im Geiste, der Bereitschaft um seines ten“ ist in besonderer Weise geeignet, Willen, Schmähungen zu ertragen und für christliche Soldaten ein geistiges zur persönlichen Bescheidenheit und Abschließende Bemerkungen Zuhause zu bieten. Die gemeinsame Demut. In den Exerzitien geht es u.a. und Klarstellungen Feier der Hl. Messe ist Ausdruck für um die Frage, unter welchem Ban- die Gemeinschaft mit Jesus Christus ner die Teilnehmer und mit welcher Sicher wird der ein oder andere und unter einander. Bereitschaft die Teilnehmer dienen Leser dieses Beitrages einwenden, wollen. Ignatius von Loyola gründete dieser Artikel sei moralisch überhöht, 3. Die Glaubensfrage wird 1535 mit wenigen Gefährten in Paris gehe an der Realität der Bundeswehr an Bedeutung gewinnen in der Kirche St. Dionysius den Je- vorbei und sei daher abwegig. Dem Die Geschichte und Erfahrung hat suitenorden, der heute weltweit ca. ist Folgendes zu entgegnen: gezeigt, dass es in Krisen- und Ext- 40.000 Mitglieder zählt. Noch heu- remsituationen wie im Kampfeinsatz te marschieren die Jesuiten an der 1. Es geht um die Seinsfrage nicht ausreichend ist, gelegentlich Seite der Unterdrückten und Geäch- In diesem Beitrag geht es nicht an religiösen Veranstaltungen teilge- teten und riskieren dabei nicht sel- um Moralin sondern um die Seins- nommen zu haben, um sich nicht an ten ihr Leben, wie in El Salvador, wo frage. Die Gemeinschaft Katholischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit noch vor dem bekannten Märtyrerbi- Soldaten (GKS) ist bewusst kein ein- zu beteiligen. Die Glaubensfrage ge- schof Carlos Romero sechs Jesuiten getragener Verein sondern konstitu- winnt an Bedeutung, wo der Soldat von Todesschwadronen umgebracht iert sich durch die Verbindung seiner in Kampfhandlungen verwickelt sein wurden. Die ersten Toten beim Völ- Mitglieder mit Jesus Christus, auf den wird. Mit diesen Herausforderungen kermord in Ruanda am 7. April 1994 die Welt hin geschaffen wurde und der werden die Soldaten der Bundeswehr waren zahlreiche Jesuiten im „Zent- das Ziel der Geschichte ist (Gaudium absehbar eher häufiger konfrontiert rum Jesu Christi“ in Kigali, um nur et Spes Ziff. 45). Es ist also eine exis- werden. Die Bundeswehr wird sich einige spektakuläre Beispiele zu nen- tentielle Frage, wie die einzelnen Mit- auf Dauer nicht aus Kampfhandlun- nen. Die Katholische Militärseelsorge glieder zu Jesus Christus stehen. gen heraushalten können. Die Mili- sollte die Möglichkeit nutzen, Solda- tärseelsorge muss sich mit ihren An- ten der Bundeswehr 14-tägige Exerzi- 2. Christsein in Gemeinschaft geboten darauf einrichten. ❏ tien anzubieten, die idealerweise von Nur wenige Christen werden als missionserfahrenen Jesuiten geleitet „Einzelkämpfer“ bestehen können.

Größte katholische Kirche Ostdeutschlands seit 1989 entsteht m Leipziger Stadtzentrum wird ab 2010 der größte katholische Kirchenneubau Ostdeutschlands nach der Wende errichtet. IDas Projekt habe die volle Unterstützung der Deutschen Bischofskonferenz, erklärte der Bischof von Dresden-Meißen, Jo- achim Reinelt, am 10.11.08 vor Journalisten in der Messestadt. Die Propsteigemeinde veranschlagt für den Ersatzbau ihres baufälligen Gotteshauses mindestens zehn Millionen Euro. Dafür wird am 7./8. Februar bundesweit in den katholischen Got- tesdiensten gesammelt. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sagte, das nahe dem Neuen Rathaus geplante Gotteshaus solle eine städtebauli- che Wunde schließen. Auf dem unbebauten Grundstück an der Nonnenmühlgasse erwarte er ein „architektonisches Geschenk“ an die 500.000-Einwohner-Stadt. Das evangelische Stadtoberhaupt sicherte dem Projekt vorbehaltlose Unterstützung zu. Jung gehört der Jury an, die im kommenden Jahr über den Siegerentwurf eines Architekten-Wettbewerbs entscheidet. Reinelt betonte, entstehen solle auch „die erste komplett umweltgerechte Kirche Deutschlands“. Die Deutsche Bundes- stiftung Umwelt werde mithelfen, bei dem Projekt den aktuellen Stand ökologischer Technologie zu berücksichtigen. Der Bi- schof leitete früher die Umweltkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Unterstützung von einer Million Euro sicherte das Bonifatiuswerk zu, das Katholiken hilft, die in einer Minderheitenlage leben. Mit seinem Standort in der Innenstadt soll der Kirchenbau den Anspruch der Leipziger Katholiken auf Mitgestaltung der Gesellschaft zum Ausdruck bringen, wie Reinelt erläuterte. Leipzig sei die einzige deutsche Metropole, in deren Zentrum es seit dem Zweiten Weltkrieg kein katholisches Gotteshaus gebe. Die frühere Propsteikirche wurde 1943 durch Bomben zerstört. Einen Ersatzbau ließ das SED Regime nur außerhalb der Innenstadt auf einem wegen Wasseradern ungeeigneten Grundstück zu. Dieses Gotteshaus wäre nach Angaben von Propst Lothar Vierhock nur mit mehr als vier Millionen Euro Aufwand zu sa- nieren. Zugleich seien Kirche und Gemeindezentrum wegen wachsender Mitgliederzahlen bereits jetzt zu klein. Die Propstei- gemeinde verdoppelte sich in den vergangenen zehn Jahren auf rund 4.000 Mitglieder. Insgesamt gehört jeder sechste Leip- ziger einer Kirche an. (KNA)

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Auftrag_272.indb 43 21.11.2008 9:02:43 Uhr BILD DES SOLDATEN

Bild des Soldaten Gründerväter zu einer Gebetsgemein- GKS – ein Verein? schaft an. Wenn wir etwas über die Verwur- er ehemalige Bundesgeschäftsführer der GKS, Oberst a.D. Dr. Klaus zelung der Mitglieder der GKS in Achmann kommentiert den Artikel von Major a.D. Klaus Liebetanz unserem Glauben in Erfahrung brin- D„Was macht einen christlichen Soldaten aus?“ gen wollen, bleibt eigentlich nur der Blick auf die Wirklichkeit des Zusam- n dem Artikel von Klaus Liebe- sehr schwer ist, sich in unserer Me- menlebens in unserer Gemeinschaft. Itanz werden – sicherlich zum nicht diengesellschaft Gehör zu verschaf- Dies kann zumindest einen indirek- geringen Erstaunen mancher Leser fen, so muss man doch anerkennen, ten Rückschluss erlauben: Wie ist – ziemlich altmodisch erscheinende dass gerade in jüngster Zeit durch die der Umgang miteinander, wie wird Forderungen gestellt: Tägliche Bibel- Sachausschüsse eine bemerkenswerte auf Fehler anderer reagiert, wie wer- lektüre, regelmäßiges Morgen- und inhaltliche Arbeit von hoher Qualität den Meinungsverschiedenheiten aus- Abendgebet, Exerzitien für Soldaten. geleistet wurde. Auch die langjähri- getragen, wo sieht die Mehrheit der Das gibt Anlass, darüber nachzuden- ge Kooperation mit pax christi kann Mitglieder das eigentliche Ziel unse- ken, was die „Gemeinschaft Katholi- als gelungenes Beispiel dafür gelten, rer Gemeinschaft? scher Soldaten“ eigentlich sein will dass unsere Auffassungen auch in Auch wer die unvermeidliche – und was sie tatsächlich ist. anderen kirchlichen Bereichen er- Unzulänglichkeit allen menschli- Wer sich die Mühe macht, ein- läutert wurden und sicherlich auch chen Handelns in Rechnung stellt, mal die Texte nachzulesen, die die in gewissen Grenzen Zustimmung er- wird doch manche harte Auseinan- Gründerväter des Königsteiner Offi- langen konnten. dersetzung, manche Unversöhnlich- zierkreises und der GKS über diese keit, auch manche Konzentration auf Gemeinschaften geschrieben haben, um anderen will die GKS „in den rein organisatorische oder finanzielle wird angesichts der heutigen Realität ZStreitkräften zur Verwirklichung Fragen mit Sorge betrachten. In dem des Gemeinschaftslebens innerhalb des christlichen Zeugnisses durch Be- einen oder anderen Fall könnte man der GKS nachdenklich werden. War sinnung, Bildung und Begegnung bei- den Eindruck gewinnen, dass Chris- ursprünglich an eine reine Gebets- tragen“ (a.a.O.).Für dieses Ziel wird ten eigentlich anders – liebevoller – gemeinschaft gedacht, so trat bei den auf allen Organisationsebenen der miteinander umgehen sollten. weiteren Überlegungen die Verant- GKS viel getan, seien es die Bundes- wortung für die Mitgestaltung des be- konferenzen mit ihrem Gesamtansatz m das Bild vollständig zu zeich- ruflichen Umfeldes hinzu. Eindeutig von Gottesdiensten, Vorträgen und Unen, muss aber auch gesagt wer- stand aber die gemeinsame Verwirk- festlichen Ereignissen oder Veranstal- den, dass dies nicht die Regel ist. Je- lichung unseres Glaubens im Mittel- tungen der Kreise und Bereiche. der erinnert sich an Begegnungen, die punkt. Zwar leben diese Grundge- Als Grundvoraussetzung für die das sichere Bewusstsein vermittelten, danken noch in den heute gültigen Verwirklichung dieser Ziele wird unter Freunden zu sein; an Gottes- Dokumenten weiter, doch scheinen schließlich ausgesagt: „Die GKS ist dienste, bei denen der Friedensgruß sich die Schwerpunkte verschoben mehr als eine berufsbezogene Interes- bestätigte, was vorher untereinander zu haben. sengemeinschaft. Ihr innerer Zusam- praktiziert wurde; an Sitzungen, bei menhalt muss sich aus der Tatsache denen Meinungsverschiedenheiten Drei Hauptaspekte, die heute das Besondere ergeben, dass hier Christen zusam- ohne persönliche Schärfe ausgetragen an der GKS ausmachen: menkommen und miteinander umge- werden konnten; an gemeinsam ent- um einen wollen ihre Mitglieder hen. So müssen zum Weltdienst immer wickelte Ideen, wie Neues geschaf- Zpolitisch wirken. Das „Leitersho- auch der Gottesdienst und das Gebet fen werden kann, um unsere Ziele fener Grundsatzprogramm“ der GKS als verbindende Kräfte treten.“ zeitgemäß umzusetzen; an die selbst- formuliert dazu: „ (Die GKS) will ihr lose Einsatzbereitschaft Einzelner, Anliegen, die sich aus den Besonder- it diesem Hinweis auf die Bedeu- die alles daran setzten, die Gemein- heiten des Soldatenberufs ergeben, Mtung von Gottesdienst und Gebet schaft am Leben zu erhalten. Dies in den Meinungsbildungsprozess von sind wir im Bereich des persönlichen sind Beispiele, die durchaus einen Kirche, Politik und Gesellschaft ein- Umgangs mit unserem Glauben ange- Rückschluss auf die grundlegende bringen...“ (Ziff. 1102). langt. Gewiss spielt der gemeinsame Lebenseinstellung und die religiöse Das Gedankengut der GKS wird Gottesdienst bei allen unseren Veran- Verwurzelung der handelnden Per- regelmäßig durch die Verbandszeit- staltungen eine wichtige Rolle. Aber sonen zulassen, die deutlich machen, schrift „AUFTRAG“ veröffentlicht. der Blick auf das Glaubensleben des dass wir eine Gemeinschaft sind und Es sind aber insbesondere die „Er- einzelnen bleibt naturgemäß in der eben kein Verein. klärungen“ der GKS, mit denen das Regel verwehrt. Genau hier setzt der in den Leitsätzen formulierte Ziel ver- Artikel von Klaus Liebetanz an. Und Wenn man dies alles – Positives wirklicht wird. Auch wenn man nüch- ohne es zu betonen, vielleicht auch, wie Negatives – bedenkt, wird man tern sehen muss, dass es für eine ohne es zu wissen, knüpft er damit an den Beitrag von Klaus Liebetanz mit verhältnismäßig kleine Gruppierung die allerersten Überlegungen unserer anderen Augen lesen. ❏

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Auftrag_272.indb 44 21.11.2008 9:02:43 Uhr RELGION UND GESELLSCHAFT

Kirche im arabischen Raum: Bischof Hinder berichtet vom Leben der Christen auf der Arabischen Halbinsel „Weil wir niemand sind, sind wir die Protagonisten“

ie Arabische Halbinsel mit ei- ten Zeit dazu veranlasst, die Leitung die einen Fehler gemacht haben“, so nem Territorium von drei Mil- auch Laien anzuvertrauen. der Bischof. Dlionen Quadratmetern ist als Die Menschen, die im Gebiet des Der interreligiöse Dialog müsse Apostolisches Vikariat die flächenmä- Apostolischen Vikariats leben, sind in Aufrichtigkeit und Respekt geführt ßig größte „Diözese“ der Welt. In ihr nach Worten des Bischofs in der Re- werden. Auf einer Gegenseitigkeit im sind Völker 90 verschiedener Nationa- gel sehr fromm und hätten einen tiefen mathematischen Sinne zu bestehen, litäten vertreten. Sie umfasst Länder Glauben, der ihn manchmal überra- funktioniere jedoch nicht. Vor allem wie die Vereinigten Arabischen Emi- sche. Es handle sich um eine sehr le- der westliche Demokratiebegriff sei rate, Bahrein, Oman, Yemen, Qatar bendige, wenngleich nicht sehr sicht- das Ergebnis eines langen Prozes- und Saudi-Arabien. Das Apostolische bare Kirche. „Weil wir niemand sind, ses; auch die Kirche habe sich lange Vikariat wurde im Jahr 1889 einge- sind wir die Protagonisten“, hebt Hin- darum gemüht, ihn zu akzeptieren. richtet und ist dem Kapuzinerorden der hervor. „Ich kann Demokratie und Rechte, anvertraut. Bischof Paul Hinder OF- Die Christen in der arabischen wie wir sie kennen, nicht aufzwingen, MCap (66) ist seit 2005 Apostolischer Welt lebten in einem Zustand der da sie Frucht eines Weges sind, von Vikar der Arabischen Halbinsel und „Freiheit auf Bewährung“, wenngleich dem nicht gesagt ist, dass ihn auch die lebt in Abu Dhabi in den Vereinigten dabei zwischen dem liturgischen Le- Arabischen Emirate beschreiten müs- Arabischen Emiraten. ben und dem im persönlichen Bereich sen.“ In den arabischen Ländern sei Der Bischof zeigt gerne Fotos der gelebten Glauben zu unterscheiden das politische Leben von der Religi- am 16. März 2008 eingeweihten „St. sei. Die Lage sei in den einzelnen on durchdrungen. Gerade dies sei ein Mary`s Church“, der ersten Kirche Ländern sehr verschieden. Die Reli- Hindernis zum Verständnis eines Be- von Doha, die 4.000 Menschen Platz gionsfreiheit werde überall anerkannt griffes, wie ihn der europäische libera- bietet. Oder er berichtet von der Feier außer in Saudi-Arabien, dem einzigen le Staat darstelle. „Für die Muslime ist der Karwoche in Abu Dhabi, an der Land, wo es für die über 800.000 dort der Glaube ein integraler Bestandteil in der Regel 70.000 Gläubige teilneh- ansässigen Katholiken keine Kultstät- des Lebens“. Bei allen Schwierigkei- men. Am Ostertag, so Hinder, wurden te gebe. Der König von Saudi-Arabien ten mit staatlichen Stellen, so Bischof in Dubai und Abi Dhabi 19 Messen verbiete es jedoch nicht, im Privaten Hinder, gebe es doch auch herzliche gefeiert: sechs auf Englisch, zwei auf zu beten, solange dies nicht zu „Stö- Beziehungen zu den hohen Exponen- Arabisch, dann Messen auf Philippi- rungen“ führe. ten der islamischen Welt. Oft werde er nisch, Singalesisch, Tamil, Urdu, Ma- Eine Gefahr stellte Bischof Hin- zum gemeinsamen Mahl eingeladen, laysisch, Konkani, Französisch, Itali- der in den Vordergrund: „die Tendenz mit dem während des Fastenmonats enisch, Spanisch, Polnisch und auch zur Arroganz, die wir in unserer Kultur Ramadan das tägliche Fasten unter- Deutsch. Die Gläubigen stammen vor haben – nicht nur gegenüber dem Is- brochen wird. allem aus den Philippinen und Indi- lam.“ Im Westen gebe es die Tendenz, (PS nach einem Beitrag von en, aber auch aus Indonesien, Nigeria, sich als den Höhepunkt der Entwick- Mirko Testa in ZENIT.org). Europa und Nordamerika. lung der Menschheit zu betrachten. Aus den arabischen Ländern, die Dies sei aber nicht richtig, da nicht das Territorium des Apostolischen Vi- alle Völker gezwungen seien, dieselbe kariats ausmachen, kommen keine Geschichte durchzumachen; es gebe Christen. Die Kirche Arabiens sei, so auch andere Wege, die Dichotomie AUFTRAG 273 der Bischof, eine „hundertprozentige (Zweigliedrigkeit) zwischen der tech- Pilgerkirche“. Die Kirchengebäude nisierten Welt und der Vergangenheit Nicht vergessen, der Ein- seien von außen nicht als solche er- der eigenen Geschichte und Religi- sendeschluss für Beiträge kennbar. Die Gläubigen würden sich on zu leben. zum AUFTRAG 273 ist: zum Gebet in Privatwohnungen ver- Hinder ist davon überzeugt, dass sammeln, die oft in der Peripherie der sich die islamische Welt mehr der Ver- Montag, der 23.Januar 2009 Städte lägen. In jeder Pfarrei gebe es nunft öffnen müsse. Dies dürfe aber eine der Gottesmutter geweihte Kap- nicht bedeuten, dass sie zu demsel- an: pelle, in der auch Moslems beteten. ben Säkularismus gelangen sollte wie redaktion-auftrag@kath- Die geringe Zahl von Priestern habe der Westen. „Vielleicht sind wir es, soldaten.de die lokalen Gemeinden in der jüngs-

AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008 45

Auftrag_272.indb 45 21.11.2008 9:02:43 Uhr RELIGION UND GESELLSCHAFT

Muslime in der deutschen Gesellschaft: Muslime auf dem „Religionsmonitor“

ie Bertelsmann-Stiftung hat für die Katholiken und 79/14 Prozent hervor, dass das im „akademischen ihren „Religionsmonitor“1 für die Protestanten. Dabei beziehen und politischen Diskurs“ dominie- Dnun auch auf die Muslime sich die Autoren unter Projektleiter rende Konzept einer „Dualität zwi- in Deutschland gerichtet. Zwar lässt Martin Rieger auf einen von ihnen schen Schiitentum und Sunnitentum“ die Studie manche Fragen offen, entwickelten und mit annähernd 100 damit die Realität nur unzureichend und nicht alle Ergebnisse sind dek- Fragen erfassten „substanziellen Re- abbilde. Bei den Antworten der Alevi- kungsgleich mit denen anderer Un- ligionsbegriff“. ten sei allerdings zu berücksichtigen, tersuchungen, doch sie vermittelt dass mit den Fragen nach dem Fasten ein ungewohnt differenziertes Bild Keine homogene Gruppe und dem Moscheebesuch die Beson- der religiösen Einstellungen und Dass Muslime dabei keine ho- derheiten dieser Glaubensrichtung Praktiken der Muslime in Deutsch- mogene Gruppe darstellen, zeigt die nicht berücksichtigt worden seien. land. Und sie bestätigt frühere Er- Unterscheidung nach Sprachgrup- Heine/Spielhaus weisen zudem da- hebungen, dass die große Mehr- pen (türkisch, bosnisch, iranisch, ara- rauf hin, dass bei der quantitativen heit keineswegs einem „politischen bisch) und nach Glaubensrichtungen Studie, die die Selbsteinschätzungen Islam“ anhänge. (65 Prozent Sunniten, 9 Prozent Schi- und Eigenangaben der Befragten er- iten, 8 Prozent Aleviten, 11 Prozent fasse, „relativ offen“ bleibe, welche Im vergangenen Jahr waren beim „andere Glaubensrichtung“, 8 Pro- Motivation zu den Aussagen und zu ersten Durchgang des „Religionsmo- zent „weiß nicht/ keine Angabe“). Die den erfragten Handlungen führe. nitors“ nur 21 von 1.000 Befragten in strittige Frage, ob die Aleviten nun Vom Ansatz her unterscheidet Deutschland Muslime – zu wenige, um zum Islam zugehörig sind oder nicht, sich der „Religionsmonitor“ von der aus den Antworten tragfähige Schlüs- solle damit nicht abschließend be- im vergangenen Dezember vom Bun- se zu ziehen. Diesmal wurden 2.007 antwortet werden, sagte Rieger. Unter desinnenministerium vorgestellten Is- Muslime befragt und damit eine dop- den Aleviten ist laut Studie der Anteil lam-Studie (ID v. 3.1.2008). Darin wa- pelt so große Stichprobe wie aus der der Nichtreligiösen am größten (21 ren die idealtypischen Richtungen Or- Gesamtbevölkerung. Im Vergleich er- Prozent), gefolgt von den Schiiten (9 thodoxie, Traditionalismus und Fun- gibt sich für die Autoren ein deutlich Prozent) und lediglich 2 Prozent bei damentalismus unterschieden worden. höherer Grad der Religiosität als bei den Sunniten. Rieger wies diese Terminologie als der nichtmuslimischen Population: Zugleich ist bei den Sunniten der nicht sachdienlich zurück. Unabhän- 90 Prozent der Muslime in Deutsch- Anteil der „Hochreligiösen“ am größ- gig von der Begrifflichkeit spiele die land seien religiös, 41 Prozent sogar ten (47 Prozent), bei den Aleviten am Politik für die meisten Muslime nur „hochreligiös“. Die Vergleichszahlen niedrigsten (12 Prozent). eine untergeordnete Rolle. Und gene- liegen bei 70/18 Prozent für die Ge- Nach Sprachgruppen schwankt rell zeige sich im weltweiten Vergleich samtbevölkerung sowie 84/27 Prozent der Anteil der „Hochreligiösen“ zwi- der Ergebnisse der Zusammenhang, schen 44 Prozent (türkisch) und 27 dass Menschen umso toleranter seien, 1 http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/ Prozent (persisch). In einem Kom- je religiöser sie seien. Dies gelte auch rde/xchg/SID-0A000F14-8F227AB5/ bst/hs.xsl/85217_85222.htm mentar heben die Islamwissenschaft- für die Muslime in Deutschland. s.a. AUFTRAG ler Peter Heine und Riem Spielhaus (KNA-ID 40)

Vatikanstaat: Daniel Anrig, neuer Kommandant der Päpstlichen Schweizergarde

apst Benedikt XVI. hat Daniel Anrig zum 34. Kommandanten der Päpstlichen Schweizergarde ernannt, dem kleinsten und ältesten Heer der Welt. Der 36-jährige Jurist hat sein Amt im Range eines Oberst am 1. PDezember 2008 angetreten. − Die Verabschiedung von Oberst Elmar Theodor Mäder, der zehn Jahre als 33. Kommandant die Päpstliche Schweizergarde befehligte, fand am 16. September 2008 statt.

Der neue Kommandant der Päpst- In der Schweizer Armee bekleidet er zergarde, bevor er sich an der Uni- lichen Schweizergarde, geboren am 10 den Rang eines . versität Freiburg (Schweiz) Zivil- und Juli 1972 in Walenstadt im Kanton St. Gegenwärtig ist Anrig Komman- Kirchenrecht studierte. Sein Studium Gallen, ist mit einer Theologin ver- dant der Glarner Kantonspolizei. Von beendete er 1999 mit dem Lizentiat heiratet und Vater von vier Kindern. 1992-94 diente er selbst als Helle- beider Rechte (lic. iur. utr.). Seine Po- bardier in der Päpstlichen Schwei- lizei-Laufbahn begann Daniel Anrig

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Auftrag_272.indb 46 21.11.2008 9:02:44 Uhr RELGION UND GESELLSCHAFT

als Chef der Kriminalpolizei bei der der Verteidigungsattaché, Divisionär in der Schweizergarde für die Ver- Glarner Kantonspolizei. Faustus Furrer – und der Schweizeri- abschiedung eines Kommandanten Die Schweizer Bischöfe haben schen Bischofskonferenz waren auch vorgesehen ist: Die Gardefahne wird dem neuen Kommandanten ihre zahlreiche Freunde der Garde und Ex- eingeholt, zusammengelegt und dem Glückwünsche übermittelt. Gleich- Gardisten vertreten. Msgr. Dr. Georg Kommandanten als Zeichen überge- zeitig dankten sie dem zurückgetre- Gänswein überbrachte die persönli- ben, dass seine Fahne nun nicht mehr tenen Kommandanten der Schweizer- chen Grüsse des Papstes. der Garde, sondern nur noch ihm per- garde, Elmar Mäder, für seine hervor- Als Auftakt der Zeremonie wurden sönlich gehört. Es schloss sich noch ragenden Dienste. die Vatikanhymne und der Schweizer- ein Empfang im Ulmenhof an, bei dem Im Gespräch mit der Zeitschrift psalm gespielt, danach wandte sich man sich persönlich von Oberst Mäder „Der Schweizergardist“ zog der 1963 der Kommandant an die versammel- verabschieden und auch noch Anek- geborene Mäder eine Bilanz seiner ten Gäste. Man feiere eine Verabschie- doten der vergangenen Jahre austau- Dienstzeit: „Ich habe eine sehr schö- dung, die gar keine sei, betonte Oberst schen konnte. ne Zeit in der Schweizergarde erleben Mäder, da er ja im Herzen immer Gar- dürfen. Auch meine Persönlichkeit dist bleiben werde. Oberst Mäder hob ie Päpstliche Schweizergarde hat sich weiterentwickelt, und ich darf die wichtigsten Ereignisse in seinem Dkommt ihrer Aufgabe, „ständig wohl auch behaupten, dass Gott mir zehnjährigen Dienst für den Heiligen über die Sicherheit des Heiligen Va- ein Charisma gegeben hat, das gera- Vater hervor, insbesondere das große ters und seiner Residenz zu wachen, de für die vielen öffentlichen Auftritte Jubiläum des Jahres 2000, den Tod die Eingänge zur Vatikanstadt zu si- rund um das Jubiläum für die Garde von Papst Johannes Paul II., die Wahl chern sowie Ehren- und Ordnungs- ganz nützlich war. Am meisten beein- von Papst Benedikt und die Feierlich- dienste auszuführen“, seit nunmehr druckt hat mich immer wieder, was keiten zum 500-jährigen Bestehen der 500 Jahren nach. Die 110 Gardisten, aus Kadern an Leistungen herauszu- Schweizergarde. Bei seinem Dank an die gemeinsam die Kompanie bilden, holen war, für die sie auf den ersten seine Vorgesetzten, seine Untergebe- die den Rang eines Regiments hat, Blick gar nicht ausgebildet schienen. nen und Mitarbeiter fügte der schei- orientieren sich am Leitwort „acriter Aber der typische Gardist wächst eben dende Kommandant hinzu, dass er nur et fideliter – tapfer und treu“. an der Herausforderung. Und wir ha- etwas Kleines aber Wertvolles zurück- Ihr Dienst ist in den Augen Bene- ben in unserem Umfeld gelernt, uns geben könne, sein Gebet. dikts XVI. eine „Schule des Lebens“. nicht darauf zu verlassen, dass immer Auch Kardinal Bertone wieder- Bei der Vereidigung der neuen Rekru- alles wie geplant abläuft.“ holte in einer kurzen Ansprache, dass ten im Mai dieses Jahres bekräftigte Seinem Nachfolger Anrig, dem Oberst Mäder die Garde und den Vati- der Papst außerdem: „Eure histori- 34. Kommandanten der Schweizer- kan ja nun nicht definitiv verlasse, da schen Uniformen sprechen zu Pilgern garde, gab er folgenden Rat mit auf er vom Heiligen Vater zum Kammer- und Touristen aus allen Teilen der dem Weg: „Er muss sich einen kriti- herrn (Gentiluomo di Sua Santità) er- Welt über etwas, das sich trotz allem schen Geist erhalten. Oft hat man mir nannt werde, und somit weiterhin der nicht ändert, nämlich über euren Ein- auf meine Frage ‘Warum’ die Antwort Päpstlichen Familie angehöre. Diese satz, Gott zu dienen, indem ihr dem ‘Es war immer so’ gegeben. Dann: Die auch für den scheidenden Komman- Diener seiner Diener dient“. Schweizergarde darf sich nur mit ihren danten überraschende Ehrung wurde (PS nach www.zenit.org Methoden und Mitteln der Zeit anpas- mit großem Applaus aufgenommen. und www.schweizergarde.org) sen, nicht aber in ihrem Geist.“ Die Zeremonie endete mit der wohl bedeutungsvollsten Geste, die 33. Kommandanten der Päpstlichen Schweizergarde am 16. September 2008 verabschiedet it einer Heiligen Messe in der MGardekapelle begann die offizi- Päpstliche Schweizergarde elle Verabschiedung von Oberst El- mar Theodor Mäder. Anschließend Mitglied bei Interpol wurden die zahlreichen geladenen Gäste vom Kommandanten persön- eit Anfang Oktober 2008 ist die Päpstliche Schweizergarde Mitglied lich begrüßt und in den Ehrenhof ge- Sbei der internationalen Polizeiorganisation Interpol. Zur Unterzeich- leitet, in welchem die Verabschiedung nung der Beitrittsurkunde reiste Bischof Boccardo Renato, zweiter Mann stattfand. Nebst Repräsentanten des der Zivilverwaltung, zur Generalversammlung Interpols nach St. Peters- Staatssekretariates, des Vatikanstaa- burg. Die Hauptursache für diesen Schritt ist die Tatsache, dass Interpol tes, der verschiedenen italienischen seinen Mitgliedsorganisationen regelmäßig Informationen sendet über und vatikanischen Sicherheitsorga- gesuchte und verdächtige Personen. Bei einer Besucherzahl von mehr ne, des italienischen Staates und der als 12.000 pro Tag sind solche Informationen für die kleine, aber elitäre Stadt Rom, der schweizerischen Eid- Polizeitruppe wichtig. (BB) genossenschaft – der Botschafter beim Hl. Stuhl, Jean-François Kammer und

AUFTRAG 272 • DEZEMBER 2008 47

Auftrag_272.indb 47 21.11.2008 9:02:44 Uhr RELIGION UND GESELLSCHAFT

Religion und Gesellschaft Weihnachten – die „geweihte Nacht“ enn wir uns mit dem abendländischen Erbe auseinandersetzen, dann müssen wir uns seiner jü- dischen, römischen und christlichen Wurzeln erinnern“1. Fragen wir nach den Ursprüngen des „Wchristlichen Glaubens, so müssen wir den Blick öffnen auch für die germanischen, ägyptischen und griechischen Einflüsse, die auf das Christentum einwirkten. Dieser Frage geht der Autor, Prof. Andreas M. Rauch2, im folgenden Artikel nach. nahten“) gefeiert. Die Römer griffen ie 1christliche 2Religion stand anderer Religionen, vor allem in der diesen heidnischen Kultus auf und der Dzu keinem Zeitpunkt vollkom- Zeit seiner Anfänge. römische Kaiser Aurelian (214-275 n. men isoliert da, sondern war unter- Was die römischen Wurzeln des Chr.) führte 274 n. Chr. offiziell den schiedlichen kulturellen Strömun- Christentums angeht, so ist manches „Sol invictus“, also den ‚unbesiegten gen ausgesetzt, die es teilweise in im Bewusstsein der Menschen teil- Sonnengott‘ als öffentlichen Feiertag die christliche Kultur aufgenommen weise verloren gegangen. So ist vie- und als eine Art Staatsreligion ein – hat. Hinsichtlich der jüdischen Wur- len nicht mehr gewahr, dass der Titel also als eine Art späte Form des indo- zeln des Christentums gab es etwa bei „Pontifex maximus“ des Papstes ur- germanischen Sonnenkultes6. Adolf von Harnack (1851-1930) An- sprünglich ein Titel des römischen Auf Julius Caesar ist es zurück sätze, die christliche Theologie von Kaisers war. Ähnlich verhält es sich zu führen, dass das Weihnachtsfest der ‚Last‘ des Alten Testaments zu mit dem Labarum, also dem Banner, am 25. Dezember gefeiert wird – also befreien3, während sein Zeitgenosse der den römischen Kaisern voraus ge- drei beziehungsweise vier Tage nach Adolf Schlatter (1852-1938) bei der tragen wurde. Das Labarum bestand der astronomischen Sonnenwende. Erforschung des Neuen Testaments aus einer langen Lanze, an der recht- Im Jahr 46 v. Chr., als der römische versuchte, jüdisch-rabbinische Pa- winklig ein Querstab und ein Adler Diktator den Julianischen Kalender rallelen in der neutestamentlichen als Sinnbild der Herrschergewalt an- einführte, lagen die Sonnenwenden Exegese zu berücksichtigen4. Gerade gebracht waren. Kaiser Konstantin nämlich noch auf dem 25. Dezember in den Jahrzehnten seit dem zweiten ersetzte den Adler durch das christli- und wurden auch genau dann gefeiert. Weltkrieg wurden die jüdisch-christ- che Monogramm Chi (X) und Rho (P) Da das Julianische Jahr aber elf Minu- lichen Zusammenhänge im besonde- als den Anfangssilben von Christos, ten länger war als das astronomische ren Maße herausgearbeitet, gegenwär- während der Querstab als Kreuz her- Sonnenjahr, wanderten sie im römi- tig besonders durch den katholischen aus geformt wurde. Auch heute noch schen Kalender alle 128 Jahre um ei- Theologen und Ratzinger-Schüler Jo- wird ein christliches Labarum in fei- nen Tag nach vorn und fielen zur Zeit seph Wohlmut5. Da die christliche erlichen Messen den katholischen des Konzils von Nicäa im Jahr 325 Religion im Unterschied zum Juden- Geistlichen vorweg getragen. n. Chr. schon auf den 21. Dezember. tum keine strenge Gesetzesreligion Diese kalendarischen Umstände ließ ist, war es offener für die Einflüsse Germanische Wurzeln Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 wie- ie germanischen Wurzeln des derherstellen und dauerhaft fixieren, 1 Joseph Ratzinger: Werte in Zeichen des DChristentums wurden vielen als er den noch heute gültigen, ast- Umbruches. Die Herausforderungen der Christen in den vergangenen Jahr- ronomisch genauen gregorianischen Zukunft bestehen. Freiburg i. B. 2005, S. 68 ff; siehe auch zu den römischen zehnten vor allem am Beispiel des Kalender einführe. Da die kirchlichen Wurzeln des Christentums: Joseph Rat- Weihnachtsfestes bewusst. So wis- Feiertage aber auf ihren ursprüngli- zinger: Salz der Erde. München 1996, S. sen wir seit geraumer Zeit, dass die chen julianischen Daten blieben, er- 137f und S. 255 und zu den jüdischen Ursprünge des christlichen Weih- gab sich die Differenz von drei oder Wurzeln des Christentums S. 186 und 262f nachtsfestes auf die Sonnenwendfei- vier Tagen zwischen ihnen und den 2 Professor ehrenhalber Dr. phil. Andreas er der Germanen in Mitteleuropa zu- Daten des Naturjahres. M. Rauch ist Senior Research Fellow rückgeht, die zwischen dem 21. und Ebenso verhält es sich mit den am Forschungsinstitut für Politische 25. Dezember gefeiert wurde. Das „Wintermaien“, den Tannenzweigen, Wissenschaft und Europäische Fragen der Universität zu Köln und als Gymna- bedeutet, dass von da an die Tage die schon in germanischer Zeit als siallehrer tätig. wieder länger wurden und die lange Zeichen der Fruchtbarkeit und der 3 Adolf von Harnack: Geschichte der Dunkelheit im Norden Europas all- Natur des Lebens begriffen wurden. alt-christlichen Literatur. Leipzig 1893- mählich überwunden wird. Eben des- Die Tannenzweige oder Tannenbäume 1904 (3 Bd.) 4 Adolf Schlatter: Erläuterungen zum halb war schon in germanischer Zeit wurden oft mit Äpfeln geschmückt, Neuen Testament. Erster Band (Die die Sonnenwendfeier ein Lichterfest, da der Apfel als klassische nordeu- Evangelien und die Apostelgeschichte). welches in Mitteleuropa deshalb als ropäische Frucht bis in den Winter Calw und Stuttgart 1908 Fest der Kerzen begangen wurde. Zu- hinein haltbar war. Auch auf europä- 5 Joseph Wohlmut: An der Schwelle gleich wurde diese Sonnenwendfeier zum Heiligtum. Christliche Theologie 6 Dennis Krüger: Die vorchristlichen im Gespräch mit jüdischem Denken. auch bei den Germanen als ‚geweih- Wurzeln des Christentums, in: Paderborn 2007 te Nacht‘ (Mittelhochdeutsch: „wihen Trojaburg, Nr. 1, 2008, S. 8-10

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Auftrag_272.indb 48 21.11.2008 9:02:44 Uhr RELGION UND GESELLSCHAFT

ischen Weihnachtsmärkten hat sich Die Pharaonen schufen für ihre ren Götterbildern. Dabei spielt wohl der „Bratapfel“ oder Weihnachtsap- Religion ‚Tempel der Ewigkeit‘, die auch eine Rolle, dass die wenigsten fel erhalten. wir teilweise heute noch bestaunen Christen der ersten Jahrhunderte je können. Besonders Pharao Ramses in Ägypten gewesen sind, da sie sonst as christliche Weihnachtsfest II (1279-1213 v. Chr.) tat sich wäh- wüssten, dass es ägyptische Christen Dwurde, wie wir heute wissen, in rend seiner langen Regentschaft als seit den ersten Anfängen des Chris- den ersten drei Jahrhunderten nach Architekt und Baumeister noch heu- tentums in Form der koptischen Kir- Christi nicht gefeiert. In den Male- te bestehender Tempel etwa in Luxor, che gibt, die teilweise liturgische Ele- reien der christlichen Katakomben in Abu Simbel oder dem Ramesseum mente – etwa die Priestergewänder Rom wurde das Weihnachtsfest erst in West-Theben hervor, weshalb er oder das Sanktuar9 - von der polythe- Ende des vierten Jahrhunderts the- schon zu Lebzeiten als „der Große“ istischen Religion der alten Ägyp- matisiert. Dies hängt damit zusam- und „Liebling der Götter“ betitelt ter übernahmen. Tatsächlich lassen men, dass erst 381 n.Chr. unter dem wurde. Am Hofe Ramses II. soll auch sich ägyptische Wurzeln des christ- römischen Kaiser Theodosius, der Moses aufgewachsen sein, der Gesetz- lichen Glaubens aufzeigen, die nicht auch das Christentum zur Staatsreli- geber des jüdischen Volkes7. Die al- allein durch die alttestamentlichen gion deklarierte, das Weihnachtsfest ten Ägypter befanden sich nicht unter Geschichten über die Gefangenschaft durch Konzilsbeschluss zum kirchli- dem Druck, die Naturgewalten durch der Israeliten durch die ägyptischen chen und damit im römischen Reich die Religion oder Rituale zu beschwö- Pharaonen begründet ist. zum öffentlichen Feiertag wurde. Das ren. Natur und Kosmos waren für die erste christliche Weihnachtsfest wur- alten Ägypter Ausdruck göttlicher Monotheismus der Alt-Ägypter de vermutlich am 25. Dezember 336 Ordnung. Die Ägypter waren zudem um einen gibt es eine monothe- in Rom gefeiert. Wenig später berei- die erste Hochkultur, die sich Fragen Zistische Strömung in der ägypti- tete sich der Brauch im übrigen Im- nach dem Jenseits und ein Leben nach schen Religionsgeschichte. Pharao perium Romanum aus, während er das dem Tode stellten. Amenophis IV., der sich in Echna- nördliche Europa erst einige Jahrhun- Verschiedentlich werden Verbin- ton umtaufen ließ; er machte für die derte später nach der Christianisie- dungen zwischen dem alten Glauben Dauer seiner Herrschaft mit der Göt- rung erreichte. Die vormals so erfolg- der Megalithkultur und der ägypti- tervielfalt Schluss und reduzierte sie reiche Sonnenreligion der Germanen schen oder gar der christlichen Reli- auf einen einzigen Gott Aton – die verloren hingegen rasch an Bedeutung gion hergestellt8. Innerhalb der Ethno- Sonne -, weil das Sonnenlicht die und spielte seit dem fünften Jahrhun- logie und der Religionswissenschaften Quelle allen menschlichen Lebens dert zumindest in Westeuropa keine gibt es die Auffassung von einem „Ur- sei. Echnaton stemmte sich gegen die große religiöse Rolle mehr. monotheismus“, nach der der Glaube mächtige Priesterkaste, die dadurch an einen Gott sowie eine religiöse Vor- praktisch alle ihre Privilegien ver- Ägyptische Einflüsse stellungskraft von hoher Reinheit als lor und entmachtet wurde. Auch in ber nicht nur die Kultur der alten früheste Stufe der Religion zu gelten der Kunst ging Echnaton neue Wege. AGermanen, sondern auch die der habe, während der Polytheismus als So wich er von der tradierten, ideali- alten Ägypter beeinflussten das Chris- Entartung dieser Urform dargestellt sierten Darstellungsweise ab und ließ tentum. Dass die alten Ägypter sich wird. Der Ethnologe Wilhelm Schmidt seine Familie und sich ganz natürlich überhaupt mit Philosophie und Reli- sah im Hochgottglauben der Natur- abbilden: wulstlippig, mit lang gezo- gion auseinandersetzen konnten und völker Verbindungen zum biblischen genem Kinn und einem Hängebauch von hartem Überlebenskampf sowie Schöpfungsbericht. Dieser Glaube an über den dünnen Schenkeln. Seine existentiellen Sorgen befreit waren, einen Hochgott war unter den Natur- Gemahlin Nofrete wird in ihrer gan- verdankten sie dem großen Fisch- völkern weit verbreitet, doch war die- zen Schönheit dargestellt – wie die uns reichtum des Nils und der Fruchtbar- ses höchste Wesen durchweg sehr erhaltene Büste im Alten Museum in keit der Nilebene, die damals großflä- unbestimmt, war teilweise mit dämo- Berlin dies belegt. Auch die lebendi- chiger war als heute. Eine Rolle spielt nischen Vorstellungen verknüpft und gen, fast lebensgroßen Menschendar- dabei auch die veränderte Bevölke- stand beziehungslos neben der Welt, stellungen im Grab von Tutenchamun rungszahl, die im alten Ägypten bei also nicht wie der Gott des Christen- belegen diesen neuen Malstil, der je- rund zwei Millionen lag, während das tums, des Islam und des Judentums doch mit diesem früh verstorbenen moderne Ägypten über siebzig Millio- als Erhalter der Welt und der Men- König gleichzeitig auch wieder sein nen Menschen beheimatet. Vor diesem schen und als sittliche Größe. Ende findet. wirtschaftlichen Hintergrund konnten Den frühen Christen erschienen Echnatons Gott Aton ist jedoch sich die alten Ägypter intensiver und die altägyptischen Religionen als fins- keine gänzlich neue Schöpfung, son- früher als andere Völker mit philoso- teres Heidentum, gespickt mit bizar- dern knüpft an den alt-ägyptischen phischen und religiösen Fragen be- Gott Re an, der vor und nach Ech- schäftigen, wobei bei ihnen Fragen 7 C. W. Ceram (eigentlich: Kurt Wilhelm naton verehrt wurde. Re, der men- nach dem Tod, das Jenseits und die Marek): Götter, Gräber und Gelehrte. Hamburg 1949, S. 185 9 Gebetsraum zu Ende einer Kirche nur Bewältigung des Jenseits im Vorder- 8 Lucien Febvre: Fernand Brandel: Epo- für Priester, vergleichbar mit den Gebe- grund standen. chen der Menschheit. Der Mensch der träumen für die Priester in den Tempeln Urzeit. Düsseldorf 1960 der Pharaonen

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schengestaltig mit Falkenkopf und ris und Isis, oft als drei-eine Götter Ägyptische Hochkultur und Sonnenscheibe gezeigt wird, war der dargestellt. Horus soll dabei durch dokumentierte Menschheitsgeschichte alles überragende Sonnengott und mit eine Jungfrauengeburt zustande ge- ie kultur-, religions- und weltge- den anderen Göttern zur Allgottheit kommen sein, womit Maria in Isis eine Dschichtliche Bedeutung der alten verbunden: in Re oder Amun-Re wa- geistige Vorläuferin erhält. Horus, der Ägypter liegt darin, dass sie zunächst ren alle anderen Göttern enthalten, auch den Beinamen „Christos“ hatte, einmal überhaupt eine Schriftspra- so wie diese anderen Götter in ihm wirkte mit zwölf Anhängern als „Men- che, die Hieroglyphen, entwickel- enthalten waren. Insoweit trägt die schenfischer“. Der Name „Christos“ ten, indem sie einzelne Zeichen als alt-ägyptische Religion auch mono- und „Jesus“ – oder „Iusu“ oder „Iusa“ Wörter verwendeten, vergleichbar der theistische Züge. war im alten Ägypten als der kommen- chinesischen Kalligraphie. Sodann Das auch das Christentum nicht de göttliche Sohn, den Horus symbo- verwendeten sie zahlreiche (Toten-) von Beginn an eine streng monotheis- lisierte, gut bekannt. Das bereits er- Sprüche bereits im vierten und drit- tische Religion war, macht der Streit wähnte Labarum war vor Konstantin ten Jahrtausend v. Chr., die im Neu- zwischen dem Theologen Arius und ein Zeichen des Osiris und des Horus en Reich im so genannten Totenbuch Athanasius, Bischof im ägyptischen gewesen, der oft mit dem langen latini- zusammengefasst wurden. Zeitlich ge- Alexandrien, um die Wesenseinheit schen Kreuz dargestellt wurde11. Das sehen nach den ägyptischen (Toten-) oder Wesensgleichheit von Gottvater, Kreuz erscheint im alten Ägypten als Sprüchen lässt sich um ca. 2100 v. Jesus Christus und Heiligem Geist heiliges Zeichen, als Symbol für die Chr. der mesopotamische Gesetzestext deutlich. Letztlich konnte sich im Inkarnation und ein künftiges neues des Hammurabi datieren. Und noch Konzil von Nicäa, welches vom römi- Leben und weist in der Darstellung einmal deutlich jünger ist das Redak- schen Kaiser Konstantin 325 n.Chr. Parallelen zum Malteser-Kreuz un- tionsteam um Homer12 zum Nieder- einberufen wurde, Athanasius mit sei- serer Tage auf. schreiben von „Ilias“ und „Odyssee“ nem Verständnis von der Wesensein- Schließlich sei darauf hin gewie- um 800 bzw. 650 v.Chr. zu verorten. heit – „...die wir als eine Person ver- sen, dass der Dekalog, die zehn Gebo- Die „Ilias“ und die „Odyssee“ wur- ehren…“10 – durchsetzen, womit das te des Moses, sich fast wörtlich im äl- den, als Ägypten von 330 bis 30 v.Chr. Christentum monotheistisch blieb. teren ägyptischen Totenbuch (Spruch unter die griechische Fremdherrschaft 125 „…ich habe kein Unrecht gegen der Ptolomäer geriet – General Pto- Leben nach dem Tode Menschen begangen; ich habe keinen lomäus war ein Mitstreiter Alexan- bwohl die alt-ägyptische Religion Gott gelästert… .“) wiederfindet, was der des Großen gewesen -, weiter O– mit Ausnahme der Ära Echna- Sinn macht, da Moses um ca. 1500 tradiert – vor allem in Alexandrien, tons – eine polytheistische gewesen Chr. tatsächlich in Ägypten gewesen dem von den Griechen erbauten Bil- ist, finden sich für Christen Facetten war. Das ägyptische Totenbuch ist dungszentrum des alten Ägypten mit einer gewissen Vertrautheit auf Grund eine Sammlung von Sprüchen, die weltberühmter Bibliothek und dem der Auseinandersetzung mit der Fra- dem Verstorbenen ermöglichen sollte, markanten Leuchtturm am Hafen – ge eines Lebens nach dem Tode. Die sein Leben nach dem Tod so zu gestal- beides leider durch einen Brand bzw. Existenz eines göttlichen, Menschen ten, wie er es zu Lebzeiten für richtig ein Erdbeben zerstört. Und auch un- letztlich nicht beschreibbaren Jen- hielt. Bereits um 2500 v.Chr. entstan- ter den Römern und römischen Chris- seits, eben eine Paradiesvorstellung, den die ersten Sprüche dieser Art, ten wurden oftmals griechische Phi- charakterisiert die altägyptische Re- die in den Innenwänden der Grab- losophie und Homers Erzählungen ligion seit dem Mittleren Reich und kammern der Pyramiden angebracht weitergegeben. In den ältesten bild- weist dadurch Bezüge zum Christli- gewesen waren; sie wurden auch auf lichen Darstellungen von Jesus, die chen auf; sie dient als Bildprogramm Papyrusrollen niedergeschrieben und wir in den Katakomben in Rom aus für die Ausgestaltung der Königsgrä- den Mumien mit in den Sarg gelegt. dem dritten und vierten Jahrhundert ber im Neuen Reich. Da die alten Und auch die Vorstellung von einem n. Chr. finden, wird Jesus als Philo- Ägypter an eine leibliche Auferste- Sohn, der von einem himmlischen Kö- soph dargestellt, während in diesen hung glaubten, wollten sie bis dahin nig stammt und der sich in die dunkle, frühesten Christusdarstellungen das den irdischen Körper durch Mumifi- irdische Welt hinab begibt, Prüfungen Motiv „Jesus am Kreuz“ fehlt. Wenn zierung erhalten. Auch die Noblen, bestehen muss, leidet, stirbt, dann wir vom christlichen Glauben in sei- die Frauen, die Künstler und einfa- aufersteht und ins eine ursprüngliche ner Frühzeit reden, so sollte sich auch chen Arbeiter wurden deshalb mumi- Welt zurück kehrt, finden sich auch fiziert; lediglich im Zeitaufwand und in der ägyptischen, griechischen und der Ausgestaltung der Mumifizierung römischen Religionen in Form der 12 Barry Strauss: Der Trojanische Krieg. gab es Unterschiede. Göttergestalten von Osiris, Horus, Mythos und Wahrheit. Stuttgart 2008; Interessanterweise werden zudem Bacchus, Orpheus, Hermes, Adonis Joachim Latacz, Thierry Greub, Peter Blome, Alfried Wieczorek (Hg): Homer. Osiris, der altägyptische König auf und Herkules wieder. Der Mythos von Troja in Dichtung und Erden und Gott der Auferstehung, Kunst. München 2008; kritisch wegen der den Tod überwand, die weibliche ungenügender Recherchen ist die Ar- beit des Literaturwissenschaftlers Raoul Göttin Isis und Horus, Sohn von Osi- 11 Edward Gibbon: Die Geschichte des Schrott: Homers Heimat. Der Kampf um 10 siehe Apostolisches Glaubensbekennt- Niederganges und Verfalls des römi- Troja und seine realen Hintergründe. nis schen Reiches München 2008 zu sehen.

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die Naherwartung der Wiederkunft men hätte, wenn es den Flüchtenden den sollte, der jedoch die beteiligte Christi vergegenwärtigt werden. nachgesetzt hätte statt wertvolle Ge- Führungsspitze mit entlarvte, sodass Insoweit ist es von kulturge- genstände der Flüchtenden auf dem es zu vielen Hinrichtungen und Ver- schichtlicher Bedeutung, dass uns be- Schlachtfeld einzusammeln13. Nach urteilungen kam14. reits im Zeitraum von ca. 1500 v.Chr. vier Monaten der Belagerung kapitu- Die ägyptische Hochkultur mit ih- bis ca. 600 v.Chr. aus dem alten Ägyp- lierte die Koalition und leistete seit- ren Bauten und Paphyri wurde unter ten Geschichten von Menschen über- her Tribut an Pharao Thutmosis III., west- bzw. oströmischer Herrschaft liefert sind, und zwar einsame Stim- dessen prächtig ausgemaltes Grab mit bis zu Anfang des siebten Jahrhun- men von Individuen aus der Antike, seinem beeindruckenden rot-marmor- dert erhalten. Um 450 n. Chr. können seien es Pharaonenherrscher oder ein- nen Sarkophag im Tal der Könige be- wir in Oberägypten den letztmaligen fache Bedienstete. Diese Geschichten wundert werden kann. Gebrauch der alt-ägyptischen Hiero- sind in den Tempeln der Pharaonen in Eine weitere Geschichte erzählt glyphen feststellen. Vieles geriet dann Steintafeln geschlagen oder uns durch bereits um ca. 1100 v. Chr. von Dieb- in Vergessenheit und wurde ledig- Papyrusschriften überliefert worden. stählen in Pharaonengräber. Auf er- lich durch das trockene Wüstenkli- Diese Geschichten werden durch die tappte Grabräuber stand die Todes- ma gut konserviert. Durch Napoleon zahlreichen bildlichen Darstellungen strafe. Jedoch kam es immer wieder und Grabfunde im 19. Jahrhundert in den Tempel der Pharaonen, den zu Diebstählen in Pharaonengräbern, geriet Ägypten wieder in das Licht Pharaonengräbern sowie den Gräbern trotz strenger Kontrolle der Arbeiter, der Weltöffentlichkeit. Prinz Hein- der Noblen und Arbeiter untermalt. weshalb es zu zwei Prozessserien ge- rich von Preußen (1726-1802), der gen Grabräuber unter Pharao Ramses Bruder Friedrich II., fühlte sich von Pharao Thutmosis III. und die erste IX. (1126-1108 v.Chr.) und Pharao der ägyptischen Kultur inspiriert und detailliert überlieferte Kriegshandlung Ramses XI. (1098-1070) kam. Bei den ließ sich in seinem Schlosspark im o ist uns im 23. Regierungsjahr Grabplünderungen der Pharaonengrä- brandenburgischen Rheinsberg in ei- Svon Thutmosis III. (1490-1439 v. ber waren oft nicht nur die Arbeiter nem Sarkophag mit Pyramide begra- Chr.) die Schlacht von Megiddo vom betroffen, sondern mitunter Menschen ben. Zwischen 1870 und 1910 gab es 25. April 1457 v.Chr. als erste histo- bis in die Führungsspitze des Pharao- in Deutschland eine gewisse Orient- risch in Details verbürgte kriegerische nenreiches involviert, vor allem wenn begeisterung, die sich mit Ägypten, Auseinandersetzung nördlich von Me- es um Tempelplünderungen ging. Po- dem Nil, Palmen und den altägypti- giddo überliefert. Im Unterschied zu litischer Hintergrund bildet die ver- schen Tempelruinen verband – etwa Homers „Ilias“ wird hier aber nicht schlechterte wirtschaftliche Situation auch beim bayrischen König Ludwig vor den Gefahren des Krieges gewarnt, im Alten Ägypten zu Ende des Neuen II. – und sich in der bildenden Kunst sondern vielmehr an die Raffinesse Reiches (1185-1075 v. Chr.), in der es der Zeit niederschlug. Aber auch die seiner Kriegsführer appelliert. Poli- zu Streiks, Korruption und Krimina- Altertumskunde und die Ägyptologie tischer Hintergrund der Schlacht von lität (Grabräuber) kam. Eine Ursache stießen auf große Resonanz, bis hin Megiddo war das zu Ende der Ära der hierfür lag darin, dass immer mehr zum 1907 gegründeten Deutschen Ar- Regentin Hatschepsut erwachte Be- Besitz in die Hände der Priester des chäologischen Institut Kairo. streben lokaler Fürsten wie dem König Aman-Tempels von Karnak und im- von Kadesch aus der Region von Syri- mer weniger Finanzmittel in die Ge- Theologische Überlegungen en und Palästina, Ägypten zu erobern. walt des Pharao gelangten. Deshalb ie Auseinandersetzung mit der Beim Feldzug von Megiddo entschied blieben auch Lohnzahlungen an die Daltägyptischen Religion und Ge- sich Thutmosis III. auf Grund von In- Arbeiter der Pharaonengräber durch schichte führt uns in die Anfänge der formationen seiner Späher entgegen den Pharao aus. Zu dieser Situation Menschheitsgeschichte und der Glau- dem Zureden seiner Berater, den di- kam es, weil die Pharaonen in Karnak bensüberzeugungen von Menschen. rekten Weg über einen sehr schma- nicht zugegen waren und stattdessen Vielfach werden die von Anthropo- len Pass von Arnna nach Megiddo zu im fernen Ostnildelta, u.a. in Hermo- logen und Religionswissenschaftlern nehmen, auf dem eine Verteidigung polis, residierten und zudem immer aufgezeigten Bezüge zwischen der bei einem Angriff weitgehend ausge- weniger politische Durchsetzungs- christlichen Religion und anderen schlossen war. Doch der Pharao hatte kraft besaßen, sodass sie schließlich Religionen als Ansatz zu Kritik ge- Glück, da die Gegner den Pfad durch durch Militärdiktaturen 1075 v. Chr. nommen: das Christentum, so etwa das Gebirge unbeachtet ließen. Völ- abgelöst wurden. So ist uns in den der evangelische Theologe und Reli- lig überrascht vom plötzlichen An- Prozessakten eine Geschichte über- gionswissenschaftler Marco Freusch- griff durch die Soldaten von Thutmo- liefert, wie ein einfacher Arbeiter, ein kowski in seinem 2007 in Wiesbaden sis III. zogen sich die gegnerischen Weihrauchkocher, als Sündenbock für erschienen Werk „Mysterium des Ur- Soldaten in die Festung von Megiddo eine Grabplünderei verwendet wer- christentums. Eine kritische Sich- zurück, wobei sie Pferde, Streitwa- 13 Kurt Galling: Textbuch zur Geschich- 14 Michael Höveler-Müller: „Nenne mir gen, Gold und verletzte Krieger auf te Israels. Tübingen 1979; vgl. Peter alle Männer, die mit dir in den Gräbern dem Schlachtfeld zurück ließen. Von Heather: Der Untergang des Römischen waren!“. Aus den Prozessakten gegen Weltreiches. München 1987; vgl. Zahi ägyptische Grab- und Tempelräuber Pharao Thutmosis III. ist seine ei- Hawass, Sandro Vannini: Tutanchamun. gehen zahlreiche Details zu den Hin- gene Meinung überliefert, dass sein Das legendäre Grab des Pharao. Mün- tergründe der Plünderungen hervor, in: Heer die Festung Megiddo eingenom- chen 2007 Antike Welt, Nr. 2, 2007, S. 15 ff

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tung spekulativer Theorien zum frü- und Länder, Kulturen und Religionen Die Kultur Ägyptens ist heute hen Christentum“ sei letztlich nur von ihrer Geburt bis zum Tod einen vom Islam geprägt. Wie im christli- „abgekupfert“ und stelle ein Plagiat Zyklus durchlaufen, so wie dies Ed- chen Mittealter, als Staat und Kirche dar. Doch diese Ansicht ist fehlgelei- ward Gibbon (1737-1794) Jahre zu- in Europa eine Einheit bildeten und tet und verleugnet die eigenständige vor in Bezug auf das römische Reich alle Lebensbereiche der damaligen Botschaft Jesu Christi. formulierte. Spenglers Überlegungen Menschen erfasste, so umgreift auch Richtig ist der Überlegungsan- weisen Parallelen zu seinem Zeitge- der Islam alle Lebensräume muslimi- satz, dass wir uns auch im kirchli- nossen, dem russischen Wirtschafts- scher Ägypter. Dass wird einem be- chen Raum in Zeiten von Globali- wissenschaftler Nikolai Kondratieff sonders deutlich, wenn der Mudscha- sierung und einem Zusammenprall (1842-1939) auf, der zyklische Be- heddin fünf Mail am Tag laut zum Ge- der Religionen im 20. und 21. Jahr- wegungen in volkswirtschaftlichen bet ruft und dann die Arbeit schweigt, hundert im Sinne von Samuel Hun- Verläufen erkannte. Und auch Paul auch in Banken und Reisebüros. Und tington (geb. 1927)15 in verstärktem Kennedy greift diese These in seinem selbst in westlich geprägten Fitness- Maße mit den Kulturen und Religi- Buch „The Rise and Fall of the great studios finden sich Gebetsräume, um onen anderer Völker und Menschen nations“ auf; gemäß diesen Überle- die Einheit von Glaube und Alltag zu auseinandersetzen müssen und da- gungen befindet sich das Christentum demonstrieren. Stellen wir geschichts- bei historische, kulturelle und religi- in einer Abschwungphase, die zu ih- theoretische Überlegungen an, so kön- öse Wurzeln beachten müssen. Vielen rem vollständigen Niedergang führe16. nen wir sagen, dass der Islam wohl wird erst in unserer Zeit gewahr, dass Übertragen auf die katholische Kir- zeitversetzt ähnliche Entwicklungen das an einem Ausläufer der Seiden- che würde dieser Ansatz bedeuten, wie das Christentum in Westeuropa straße gelegene Palästina zu Zeiten dass die Kirche sich derzeit in einem durchläuft – zumindest auf die Ebe- Jesu ein buntes Gemisch von Kultu- Niedergang befände. Mögen auch ge- ne der Konfessionalisierung des Is- ren, Philosophen und Religionen bot, schichtstheoretische Überlegungen in lam bezogen. deren Einfluss sich auch die Christen Bezug auf Wertewandel und den Sä- Die Frage nach Macht und Ohn- nicht entziehen konnten. Doch haben kularisierungsprozess in Westeuropa macht in dieser irdischen Welt bleiben diese verschiedenen kulturellen und neue Sichtweisen eröffnen, für die ka- im Horizont des christlichen Glau- religiösen Einflüsse keine Bedeutung tholische Weltkirche mit seinen star- bens ohne Bedeutung und sie ändern auf das christliche Proprium an sich. ken Verwurzelungen in Lateinameri- nichts an den Glaubensaussagen von Das Menschen lieb gewordene Ge- ka und Afrika bleiben diese Überle- Christen und ihrem Bekenntnis zum wohnheiten wie das Feiern gewisser gungen ohne Gewicht. Und sie lassen dreieinigen Gott, so wie ihn Christen Feste auch in ihre neue Religion hi- sich auch nicht auf die anderen Welt- von Beginn an bezeugen und wie im nüber retten wollen – wie etwa das religionen, das Judentum, den Islam, Glaubensbekenntnis von Nicäa 325 n. Weihnachtsfest, das frühere Fest der den Hinduismus und den Buddhismus Chr. die katholische Kirche im Sinne Sonnenwende – erschließt sich nur als übertragen, wenngleich einzelne Re- von Joseph Ratzinger immer neu mit allzu menschlicher Vorgang. ligionen, so etwa der Buddhismus in Petrus zu Jesus sagt: „Du bis Chris- Eine geschichtstheoretische Kri- Tibet oder das Christentum auf der tus, der Sohn des lebendigen Gottes“ tik finden wir bei Oswald Spengler zu arabischen Halbinsel oder der Tür- (Matthäus 16,16)17 ❏. Anfang des 20. Jahrhunderts, indem kei, mitunter einen sehr schweren er die These aufstellte, dass Staaten Stand haben. 15 Samuel Huntington: clash of civiliza- tions and the remaking of world order. 16 Paul Kennedy: The rise and fall oft he 17 Joseph Ratzinger: Jesus von Nazareth. New York 1996 great nations. München 2003 Freiburg, Basel, Wien 2007, S. 407

Lage der Christen in Indien: Indischer Bischof befürchtet Ausweitung der Christenverfolgung er indische Bischof Antony Devotta befürchtet eine Ausbreitung der Gewalt gegen Christen in seinem Land. „Die Angriffe dro- Dhen sich zu einer allgemeinen Verfolgung auszuweiten, wenn die Regierung nicht rechtzeitig einschreitet, um die Aktionen der Hindu-Extremisten zu stoppen“, sagte er der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“. Da Indien insgesamt bereits in den „Strudel des religiösen Fundamentalismus“ geraten sei, könnte die Gewalt von der Unruheregion Orissa leicht auf andere Bundesstaaten übergreifen. Devotta, der Bischof von Tiruchirapalli ist, nimmt derzeit an der im Vatikan tagenden Weltbischofssynode teil. Indien sei traditionell ein tolerantes Land, gezeichnet von gegenseitigem Verständnis der unterschiedlichen Volksgruppen, führte der Bischof aus. Aber wie in anderen Ländern hätten auch dort der Verlust an Werten und die Säkularisierung eine Revolte von Seiten religiöser Gruppen ausgelöst. Diese wollten zu den alten Traditionen zurückkehren und griffen dabei zu brutalen Metho- den wie Zwangsbekehrungen. Allerdings tragen nach Einschätzung Devottas auch manche christliche Gruppen wie die Pfingstler durch ihr Verhalten zu Irritationen unter den Hindus bei. Diese gingen in die Dörfer und schüchterten die Bewohner ein, indem sie mit der Hölle drohten, falls sie sich nicht zum Christentum bekehrten. Dieses Verhalten schädige das Ansehen der Christen insgesamt, da die meisten Hindus nicht zwischen Katholiken und Pfingstlern unterscheiden könnten. (KNA)

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Blick in die Geschichte: Seit 90 Jahren Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge

eltkrieg I. war der erste Kon- ein. Unter ihnen waren der Architekt Nach einer Unterbrechung wäh- Wflikt, der nicht nur zwischen Heinrich Straumer, der bereits gegen rend des Dritten Reiches, ging nach zwei, drei oder vier Staaten als Koa- Ende des Krieges in der Gräberfür- dem zweiten Weltkrieg die Arbeit litionskrieg geführt wurde, es waren sorge tätig gewesen war, und Sieg- dieser „ersten Bürgerinitiative“ wei- Blöcke, die mehrere Erdteile in den fried Emmo Eulen, der während des ter. Von der Bundesregierung im Jahr Krieg zogen. Darüber hinaus war es Krieges nach Polen und in die Tür- 1954 offiziell beauftragt, kümmert ein Krieg der Waffentechnik und der kei entsandt war, um dort Friedhöfe sich der Volksbund nicht nur um die beginnenden Motorisierung, bezeich- zu bauen und die Kriegsgräberfürsor- Gräber bzw. Umbettungen, sondern nenderweise am Beispiel des ersten ge zu organisieren. Dem vorbereiten- auch um Identifizierung, Nachfor- Gasangriffes, des ersten Panzeran- den Gründungskongress am 26. No- schung und damit verbunden um Aus- griffes sowie der Bedeutung der Luft- vember lag als Arbeitsunterlage die kunft über das Schicksal verschol- streitkräfte und der U-Boot Technik Broschüre „Deutsche Kriegsgräber- lener Soldaten. Zurzeit betreut der festgemacht. fürsorge“ vor. Volksbund ca. 2 Millionen Kriegsgrä- In Sorge um die Kriegsgräber im ber auf 847 Friedhöfen in 45 Staaten, Die Massenheere, die sich in die- Ausland hatten sich in Deutschland davon 500 Friedhöfe in Mittel-, Ost- sem Konflikt gegenüberstanden, zähl- bereits einige Organisationen gebil- und Südosteuropa. ten nach Millionen. Nachdem im Wes- det, die sich um Grabpflege und Er- Aber auch Gräbernachweis und ten die Gegner in den Stellungskrieg teilung von Auskünften an Angehörige die Betreuung der Angehörigen ge- übergingen, standen sich auf sehr en- bemühen wollten. So gab es in Bayern hört nach wie vor zu den Aufgaben gem Raum die Soldaten beider Sei- seit dem 14. September den „Deut- des Volksbundes, der den größten ten in mehr oder weniger ausgeklü- schen Kriegsgräber-Schutzbund“, in Teil seiner Aufwendungen seit sei- gelten Grabensystemen gegenüber. Braunschweig den „Verein zur Er- ner Gründung aus Spendenmitteln Dies hatte zur Folge, dass vor jedem forschung und Erhaltung Deutsche bestreitet. Das geschieht unter dem Angriff hunderttausende Granaten Kriegsgräber e. V.“, in Salzwedel die unveränderten Leitmotiv des Volks- das entsprechende Gelände „umgru- „Deutsche Kriegsgräber-Interessen- bundes: „Versöhnung über die Gräber ben“. Die Verluste jeder Seite gingen ten-Vereinigung“ und in Hagen (West- hinweg“. Das beste Beispiel hierfür ist bei diesem Stahlgewitter in Größen- falen) den „Bund Heimatdank“. die stark ausgeprägte Jugendarbeit, ordnungen, die bis dahin absolut un- Die Reichsregierung war weder die der Volksbund auch mit Unterstüt- bekannt waren. Dadurch wurden tau- politisch noch wirtschaftlich nach zung der Bundeswehr leistet. sende von Soldaten zur Unkenntlich- Kriegsende in der Lage, sich um (Autor BB) keit zerfetzt oder verstümmelt. Für die die Gräber der Gefallenen jenseits identifizierbaren Verluste wurden in der Reichsgrenzen zu kümmern. Sie den jeweiligen Gegenden Kriegsgrä- mussten zunächst ihrem Schicksal berfriedhöfe angelegt, die schon wäh- überlassen bleiben. Heimkehrende Soldatenfriedhof im Kaukasus rend des Konfliktes die Aufmerksam- Soldaten, Hinterbliebene der Opfer keit der Heimat hatten. Für die zahl- und andere Bürger suchten nach We- nfang September 2008 ist mit losen Verschollenen und die zahllosen gen, um diesen von der Mehrheit als Aeiner Rede des Generalins- Opfer auf beiden Seiten der maritimen unerträglich empfundenen Zustand pekteurs der Bundeswehr, Gene- Auseinandersetzung wurde nach Ende zu ändern. ral Wolfgang Schneiderhan, bei des Krieges das Grabmal des „Unbe- der Stadt Apscheronsk im südrus- kannten Soldaten“ eingerichtet, da- o wurde am 16. Dezember der sischen Kaukasus ein rund drei mit den Hinterbliebenen ein Ort ge- SVolksbund Deutsche Kriegsgrä- Hektar großer Soldatenfriedhof er- geben werden konnte, an dem man berfürsorge e. V. gegründet. Erster öffnet worden. Aus Anlass der Ein- sich der Trauer um den gefallenen Präsident war Oberst a. D. Koeth (bis weihung fanden auch ein deutsch- Bruder, Vater etc. hingeben konnte. 1923). Am 23. August hatte Eulen den russisches Jugendlager, sowie ein gemeinsamer Arbeitseinsatz deut- Noch vor Kriegsende machte man sich Entwurf für die Statuten einer „Inter- scher und russischer Soldaten statt. in Deutschland Gedanken, wie man nationalen Kriegsgräberfürsorge“ ver- Über 6.600 Tote wurden bislang am Ende dieses weltumspannenden fasst. Als ihr Sitz war Genf vorgese- dort zur letzten Ruhe gebettet. Im Ringens dieser Gedenkstätten weiter hen, um eine enge Zusammenarbeit Einzugsbereich des Friedhofes Aufmerksamkeit zollen könne. mit dem Völkerbund, der sich erst im rechnet der Volksbund Deutscher Gründungsgedanken befand, zu er- Kriegsgräberfürsorge mit bis zu m 10. September 1918 beschlos- möglichen. Diese Pläne konnten nicht 45.000 gefallenen deutschen Sol- Asen acht Männer in Berlin die verwirklicht werden, da für eine sol- daten, deren Grablagen nur teil- Gründung einer deutschen Kriegs- che internationale Zusammenarbeit weise bekannt sind. (BB) gräberfürsorge. Jeder zahlte 100 Mark die Zeit noch nicht „reif“ war.

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Zeitgeschichte – 50 Jahre Bundeswehr: Prof. Dr. Ludwig Erhard, der zweite Bundeskanzler und die Bundeswehr Vom schwer verwundeten Artilleristen zum Regierungschef

VON DIETER KILIAN

1 – Bundeskanzler Ludwig Erhard; ernfamilie aus dem Dorf Rannungen Wahrscheinlich wäre er lieber seinem Porträt (Ausschnitt) von Günter nördlich von Schweinfurt. 1888 hatte Bruder Max zur Infanterie gefolgt, Rittner1974, Kanzlergalerie im er – mit dreißig Jahren – ein Wäsche- aber dies war ihm wegen seiner Be- Bundeskanzleramt, Berlin. und Ausstattungsgeschäft in der Gar- hinderung verwehrt. Bereits früh hatte tenstraße in Fürth gegründet. Mutter die Familie schweren Blutzoll zahlen Augusta stammte aus einer Kunst- müssen: Fast auf den Tag genau ein udwig Erhard wurde am 4. Feb- handwerkerfamilie aus Rothenburg. Jahr zuvor – am 5. April 1915 – war ruar 1897 im fränkischen Fürth Auf eine militärische Tradition kann Ludwigs älterer Bruder Max mit 25 Lals drittes Kind des Textilwa- die Familie nicht zurückblicken. Al- Jahren als der Reserve im renhändlers Wilhelm Philipp Erhard lerdings heiratete Erhards Schwes- I. Bataillon des 21. Königlich Bay- (1858-1937) und seiner Ehefrau Au- ter später den ehemaligen Offizier Dr. erischen 21. Infanterieregiments2 bei gusta (geb. Hassold; 1859-1936) ge- Karl Guth aus Rottweil. Dieser stieg Thiaucourt, 30 km südwestlich von boren; seine beiden älteren Geschwis- 1934 zum Hauptgeschäftsführer der Metz, gefallen. Nach dem Verlust ih- ter waren Max (1889-1915) und Rose „Reichsgruppe Industrie“ (RGI – ent- res Ältesten war für die Eltern die (1893-1981). Zwei Jahre nach Ludwig spricht dem heutigen BDI) auf. Als Entscheidung ihres zweiten Sohnes, kam sein zweiter Bruder Willi (1899- Dreijähriger erkrankte Ludwig Er- ebenfalls freiwillig in den Krieg zu hard an Kinderlähmung; sein rech- ziehen, sicherlich schmerzlich. Da- ter Fuß wurde verformt. Zwar hal- bei wäre eine Zurückstellung vom fen orthopädische Schuhe, doch mit Wehrdienst, zumindest dem Frontein- der Behinderung war Sportausübung satz, wegen Ludwigs körperlicher Ein- nicht mehr möglich. Und so zog die schränkung durchaus möglich gewe- Musik Ludwig Erhard in ihren Bann. sen. Doch Erhard war schon in frü- Er wollte Dirigent werden und spiel- hen Jahren Patriot und vor allem eine te in jungen Jahren sehr gut Klavier. Kämpfernatur. Doch diese Jugendträume erfüllten sich nicht. Nach Abschluss der Mitt- Jahre später folgte das 1. Bataillon des leren Reife im Jahr 1913 absolvierte Königlich Bayerischen 14. Infanterie- Erhard bis 1916 eine kaufmännische regiments „Hartmann“, aus dem 1897 das 21. Infanterieregiment „Großherzog Lehre in Nürnberg – von Muse keine Friedrich Franz IV. von Mecklenburg- Spur. Doch die nüchternen Zahlen Schwerin“ gebildet wurde. Im Jahre faszinierten ihn und bestimmten sein 1900 wurden das 6. Feldartillerieregi- weiteres Leben. Dann – mitten in der ment „Prinz Ferdinand von Bourbon – Herzog von Kalabrien“, die 5. Feldartil- Lehrzeit – brach der Erste Weltkrieg leriebrigade und die 3. Train-Abteilung aus. Bruder Max meldete sich sofort in Fürth stationiert. Die Truppenteile zu den Fahnen. gehörten zum Königlich Bayerischen Als Neunzehnjähriger meldete III. Armeekorps unter dem Komman- dierenden General Ludwig Freiherr von sich Ludwig Erhard in freiwillig zu Gebsattel (1857-1930). Der Stab des 2 – Geburtshaus Ludwig Erhards in den Fahnen und wurde am 4. April Generalkommandos lag in Nürnberg. Fürth, Ansicht von der Gartenstraße, 1916 – seinen Zivilberuf hatte er mit 2 Das Regiment – seit 1914 unter Oberst Aufnahme zum 20. Betriebsjubiläum „Kaufmann“ angegeben – als Rekrut Karl Reber (später ) – war im Friedensstandort in Fürth (Stab und Ende Juli 1912. zur Ersatzbatterie des Königlichen I. Btl), Sulzbach (II. Btl) und Eichstätt 8. Feldartillerieregiments (FAR) in (III. Btl) beheimatet und unterstand der 1958) zur Welt. Rose und Willi Erhard der Tillystraße in Fürth1 eingezogen. 9. Reserve Infanteriebrigade (5. König- konnten den späteren Aufstieg ihres lich Bayerische Reserve-Division unter 1 Fürth war seit September 1890 wieder dem General der Infanterie Friedrich Bruders in der Politik noch erleben. Garnisonsstadt. Zuerst hatte ein Artil- Freiherr Kreß von Kressenstein – 1870- Vater Wilhelm stammte aus einer Bau- lerieverband Quartier genommen. Drei 1948).

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„Zum Militärdienst gemustert, leg- „In Rumänien lag ich todkrank an kommando 12 unterstellt worden, das te ich trotz meiner Behinderung Wert Fleckfieber danieder, dem seinerzeit die von Generalmajor Theodor Pöhlmann darauf, einer kämpfenden Truppe – medizinische Wissenschaft noch fast († 22.02.1918 an der Marne) befehligt der Feldartillerie – zugeordnet zu wer- hilflos gegenüberstand. Auch da war wurde.7 Nach dem Waffenstillstand an den.3 es wohl wiederum ein starker Selbst- der rumänischen Front am 10. Dezem- Nach einer zehnwöchigen Grund- erhaltungstrieb, der mich dem Leben ber 1917 – das Regiment lag im Raum ausbildung wurde Erhard zur 4. Er- zurückgab. Kaum genesen, wollte ich Isvorul Dulce – folgten drei Monate satzbatterie der II. Abteilung des 8. nicht der Heimatgarnison überwiesen der Ruhe und Ausbildung. Sein Re- FAR („Prinz Heinrich von Preußen“) werden, sondern setzte alles daran, um gimentskommandeur wurde am 14. versetzt, wo er zum Richtkanonier von meinem an der Ypern-Front kämp- Dezember 1917 zum Oberstleutnant ausgebildet wurde. Am 23. Juni 1916 fenden Regiment angefordert zu wer- und Erhard am 5. Januar 1918 zum schließlich kam er zu seinem Stamm- den. Nach kaum vierzehn Tagen wurde Wachtmeister befördert. Am 2. März truppenteil, der 6. Batterie des neu ich dort durch Granatsplitter so schwer wurde das Regiment im Rahmen der aufgestellten 22. FAR und zog mit die- verwundet, dass ich erst nach insge- 12. Infanteriedivision in einem 10-tä- sem Verband in den Ersten Weltkrieg. samt sieben Operationen, aber auch gigen Eisenbahntransport erneut an Kommandeur des Regiments war von dann noch immer schwer behindert, ins die Westfront, diesmal in den Raum 1916 bis Ende 1918 Oberstleutnant Zivilleben zurückkehren konnte“. 6 um Reims, verlegt und der Heeres- Emil von Chlingensperg auf Berg gruppe „Deutscher Kronprinz“ un- (1868-1945; 1921 Oberst). Das Re- ter Friedrich Wilhelm Victor August giment bestand aus zwei Abteilungen Ernst von Preußen (1882-1951) un- (I. Abt. mit 12 Kanonen und II. Abt. terstellt. Unmittelbar vor Beginn der mit 4 leichten Feldhaubitzen) und un- Verlegung – am 1. März 1918 – war terstand der im Juli 1916 aufgestellten Erhard in den Stab der II. Abteilung 12. Bayerischen Infanteriedivision4 – des 22. FAR versetzt worden, wo er bis zunächst unter Hugo zum 1. April 1918 blieb. Am 5. März Ritter von Huller (1859-1931) und ab 1918 war er – nur zwei Monate nach Juli 1917 unter Generalmajor Hein- seiner Beförderung zum Wachtmeister rich Freiherr von Nagel zu Aichberg – zum „Offizier-Aspirant“ (Offizieran- (1850-1922; später General der Ka- wärter) ernannt worden. Am Montag, vallerie). Zuerst war die Division im Rahmen der Armeeabteilung Gaede (General der Infanterie Dr. Hans Emil Gaede – 1852-1916) zwei Monate an der Westfront im Stellungskampf am Col du Hilsenfirst und im Münstertal in den Vogesen im Oberelsass einge- setzt. Danach wurde Erhard mit sei- nem Regiment vom 4. bis 9. Okto- ber an die rumänische Front verlegt und kämpfte dort – mit wechselndem Unterstellungsverhältnis (u.a. XVIII. Reservekorps und Armeeoberkom- mando 9) – in den Südkarpaten zwi- schen Kronstadt (Brasov) und Bu- karest gegen rumänische Truppen. Am 28. Oktober 1916 wurde er zum „überzähligen Gefreiten“5 befördert, doch nur wenige Wochen später, Ende Dezember 1916, erkrankte Erhard an 3 – Erhard als Richtkanonier an der Front in Rumänien 1917 Fleckfieber und kam am Neujahrstag (Gastgeschenk Erhards an das ArtRgt 10 im Jahr 1965). 1917 in das Feldlazarett 102 im rumä- nischen Foczani, wo er den gesamten Er überlebte die Krankheit und dem 18. März 1918, um 3 Uhr begann Januar blieb. Ein zweites Mal zeigte setzte – wie ein knappes Jahr zuvor, die Vierte Flandernschlacht. Erhards sich seine Kämpfernatur: als er sich freiwillig zur Truppe mel- Regiment lag an der Ypern-Front. 3 Erhard, Ludwig: Vorwort zur Denk- dete – wieder alle Hebel in Bewegung, Die fruchtbaren Felder um die kleine schrift Kriegsfi nanzierung und Schul- um erneut an die Front zu kommen. Stadt Ypern in Westflandern, über vier denkonsolidierung, S. VIII. Im September 1917 war das Regiment 4 Ihr unterstanden die 22. InfBrig mit den dem neuen Bayerischen Artillerie- 7 Nachdem Pöhlmann gefallen war, IR 26, 27 und 28, sowie eine Anzahl übernahm Oberstleutnant Emil Beckh von Divisionstruppenteilen. das Kommando und führte es bis zum 5 auch Vize-Gefreiter 6 Erhard, Ludwig: a.a.O. Kriegsende.

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Jahre immer und immer wieder vom fen (1878-1960). Er lernte dort die Industrieforschung“.9 Es wurde von unaufhörlichen Artilleriefeuer umge- vier Jahre ältere Kommilitonin Luise der „Reichsgruppe Industrie“ finan- pflügt, hatten sich in eine schlammige Schuster, (1893-1975; geborene Lot- ziert, deren Hauptgeschäftsführer sein Mondlandschaft verwandelt. ter) kennen. 1923 heirateten die bei- Schwager Dr. Guth von 1934 bis 1945 Hatte Erhard das Fleckfieber in den. Luises erster Mann, der Jurist Dr. war. Erhards Versuch einer Habilita- Rumänien mit Gottes Hilfe und viel Friedrich Schuster, den sie ein halbes tion in den frühen dreißiger Jahren Glück überlebt, so wurde er – kaum Jahr vor Kriegsausbruch 1914 gehei- scheiterte, möglicherweise, weil er wieder zu seinem Regiment zurückge- ratet hatte, war bereits in den ersten sich weigerte, einer nationalsozia- kehrt – ein zweites Mal außer Gefecht Kriegsmonaten gefallen. Ihre Eltern listischen Organisation beizutreten. gesetzt, diesmal durch die feindliche waren Lebküchner gewesen; auch in Letztendlich war dies aber einer der Artillerie. Eine Granate zerfetzte ihm der Familie Lotter gab es keine mili- Gründe seiner steilen Karriere nach die linke Schulter. Und wieder über- tärische Tradition. Kriegsende. Den Ersten Weltkrieg lebte er nur knapp. Zwar blieb ihm Nach Nürnberg folgten für Lud- hat Erhard an der Front erlebt, den eine Amputation des Armes erspart, wig Erhard drei weitere Jahre des Zweiten an der Heimatfront, denn als aber sein verkürzter linker Arm und Lernens. Im Jahre 1922 zog Erhard mittlerweile über vierzig Jahre alter, das linke Bein waren auf Dauer ge- mit seiner Frau und deren Tochter kriegsversehrter Veteran – 20 bis 30 schwächt. Am 1. April 1918 wurde Eleonore (geb. 1915) aus erster Ehe % erwerbsunfähig – wurde er nicht Erhard – nach seiner Soldbuch-Ein- nach Frankfurt am Main und studier- mehr eingezogen. tragung – in das Feldlazarett 38 ein- te bis 1925 Betriebswirtschaftslehre In Berlin pflegte Erhard berufli- geliefert und nur drei Tage später we- und Soziologie an der Johann Wolf- che und gesellschaftliche Kontakte u. gen der Schwere seiner Verwundung gang Goethe-Universität. Hier pro- a. mit Carl Friedrich Goerdeler (1884- in das Kriegslazarett 123 verlegt. Das movierte er bei Professor Franz Op- 1945), den er aus den frühen dreißiger Kriegsende erlebte Erhard im Lazarett penheimer zum Doktor rer. pol über Jahren kannte, als dieser Reichskom- Recklinghausen; dieses war in einem das währungspolitische Thema „We- missar für Preisüberwachung war. Go- 1897 erbauten, ca. 1.000 qm großen sen und Inhalt der Welteinheit“. Ur- erdeler, der frühere Oberbürgermei- Saalbau am Sandweg (heute Dorstener sprünglich sollte der älteste Bruder ster von Leipzig, machte Erhard mit Straße), der vormaligen Gastwirtschaft Max, der bis zu seiner Einberufung General Ludwig Beck (1880-1944), „Kaisergarten“ untergebracht. Insge- 1914 bereits als Geschäftsführer fun- dem Generalstabschef des Heeres von samt verbrachte Erhard 14 Monate im giert hatte, das elterliche Geschäft 1935 bis 1938, bekannt. Lazarett. Nach sieben Operationen übernehmen. Nachdem er aber nicht „Goerdeler stellt mich dort (im wurde er erst im Juni 1919 – mehr als mehr aus dem Krieg heimgekehrt war, „Hospiz am Askanischen Platz“ in ein halbes Jahr nach Kriegsende – als führte Vater Wilhelm es notgedrungen Berlin) auch General Beck vor, der Unteroffizier der bayerischen Artille- bis 1925 weiter. Dann aber − inzwi- in saloppem Zivil englischer Art er- rie aus dem Armeedienst entlassen. schen 67 Jahre alt – war er den Bela- schien. In diesem Gespräch wurden Ausgezeichnet mit dem Bayerischen stungen nicht mehr gewachsen, und Fragen der deutschen Zukunft sach- Kriegsverdienstkreuz III. Klasse hatte so sprang Ludwig nach dem Ende lich erörtert“.10 man ihm die Befähigung zum „Einjäh- seines Studiums als Geschäftsführer Erhard hat General Beck offenbar rig Freiwilligen“8 zuerkannt und seine des väterlichen Betriebes ein. Doch mehrmals getroffen. 1943 hatte Er- Führung mit „sehr gut“ beurteilt. 1928 – nach drei Jahren – kam das hard im Auftrag der RGI eine Denk- Aus. Erhard musste wegen der Welt- schrift mit der Überschrift „Kriegsfi- on 1919 bis 1922 besuchte Er- wirtschaftskrise Konkurs anmelden. nanzierung und Schuldenkonsolidie- Vhard in Nürnberg die Handels- Der Vater – inzwischen siebzig – sah rung“ begonnen und sie im Frühjahr hochschule und entdeckte dort sein sein Lebenswerk in Trümmern; wenige 1944 abgeschlossen. Das 268-seiti- Interesse an Wirtschaftstheorie. Ohne Jahre später starb er – nur ein knappes ge Dokument befasste sich mit der Abitur erwarb er den Titel eines Di- Jahr nach seiner Frau Augusta. wirtschaftlichen Planung nach dem plomkaufmanns. Seine Lehrer waren Ludwig Erhard wechselte zum Krieg. Kopien der Studie schickte Er- Wilhelm Rieger und Wilhelm Versho- „Institut für Wirtschaftsbeobachtung hard u.a. an den Hauptgeschäftsführer 8 Preußen führte 1813 als erste Nati- der deutschen Fertigware“ in Nürn- der Reichsgruppe Industrie, seinen on die Möglichkeit zum Dienst als berg; diese Einrichtung für Markt- Schwager Dr. Guth. Die Reichsgrup- Einjährig-Freiwilliger als einen verkürz- forschung war 1925 von seinem Leh- pe leitete das Papier im Herbst 1944 ten Wehrdienst ein. Der Einjährig-Frei- willige diente ein Jahr statt der sonst rer Vershofen gegründet worden und an das Reichswirtschaftsministerium üblichen zwei oder drei Jahre, musste betrieb vor allem Konsumforschung. weiter. Der stellvertretende Staatsse- sich aber auf eigene Kosten ausrüsten Er arbeitete zunächst als Wissen- kretär dieser Behörde, SS-Brigade- und versorgen. Mit der Mittleren Reife schaftlicher Assistent und stieg spä- führer Otto Ohlendorf (1907-1951) erfüllt Erhard die Voraussetzungen. Nach Ableistung des Dienstjahres und ter zum Stellvertretenden Leiter des traf Erhard am 17. November 1944 zweier Militärübungen wurden die Instituts auf. 1942 schied er im Streit Einjährig-Freiwilligen üblicherweise mit seinem Mentor Vershofen aus und 9 Es bestand nur aus ihm und seiner zu Offi zieren des Beurlaubtenstandes gründete in Berlin eine kleine, ei- Sekretärin Ella Muhr. (Reserve) weiterbefördert. Bayern hatte 10 Erhard, Ludwig: Vorwort zur Denk- diese Regelung bereits 1866 übernom- gene Einrichtung, das Institut für schrift Kriegsfi nanzierung und Schul- men. denkonsolidierung, S. X.

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zu einem Meinungsaustausch unter führung verbundenen außerordentli- ten Reich ablehnend gegenüber. Dr. vier Augen. Zu Ohlendorfs Aufgaben chen Lasten der mannigfachsten Art Wilfried Guth (* 1919), 17 der Neffe gehörte die geheime Planung für den aus seinem ordentlichen Etat zu decken Erhards, berichtet, sein Onkel habe wirtschaftlichen Aufbau nach dem in der Lage ist“.12 im Hause seines Vaters Dr. Karl Guth Krieg. Der Rechts- und Wirtschafts- „Noch lässt sich nicht absehen, ungeniert, d.h. auch in Anwesenheit wissenschaftler Ohlendorf – zehn Jah- bis zu welchem Grad der Zerstörung regimetreuer Gäste, Witze über die re jünger als Erhard – war zugleich dieser Krieg noch führen und auf wel- Nazis erzählt. So hätte er einmal auf Chef des Sicherheitsdienstes Inland cher materiellen Grundlage das deut- einen Reichsadler gezeigt und gesagt: im Reichssicherheitshauptamt. Doch sche Volk den Aufbau zu vollziehen „Da ist ja unser Pleitegeier!“ auch Goerdeler, einer der führenden haben wird“.13 Köpfe des Widerstands, hatte eine Ko- „Der Krieg hat vielfach die engste m 18. April 1945 besetzten Ver- pie der Studie erhalten – nur wenige Form der Gemeinschaft − die Familie Abände der 3. US-Armee unter Ge- Monate vor dem Attentat auf Hitler − gesprengt“. 14 neral George S. Patton (1885-1945) war dies mit einem sehr hohem Ri- „Die im Felde stehenden Männer kampflos Erhards Heimatstadt Fürth. siko behaftet. Goerdeler soll seinen kehren zurück, erfüllt von der Sehn- Der Krieg war zu Ende. Erhard konnte Mitverschwörern die Botschaft hin- sucht, nach den vielen Jahren kollek- nun auf den Ergebnissen seiner Studie terlassen haben: „Er (Erhard) wird tiver und primitiver Lebensgestaltung – so bitter und ernüchternd sie waren Euch gut beraten.“11 Doch Erhards im Kreis ihrer Familie wieder ein ihrem – aufbauen. 1945/46 wurde er zum Sicherheit war nicht nur wegen seiner Wesen gemäßes Eigenleben zu führen. Staatsminister für Handel und Ge- Kontakte zu Goerdeler und Beck ge- … Alle diese … Beispiele sind immer werbe in das bayrische Kabinett unter fährdet. Auch sein Schwager Dr. Guth dahin zu deuten, dass nach dem Krie- Ministerpräsident Wilhelm Hoegner gehörte zum Widerstand gegen Hitler. ge ein übermächtiges Bedürfnis nach (1887-1980) berufen. Ab 1947 leitete Die höchste Gefahr jedoch lag in den privater und individueller Lebensge- er die Expertenkommission „Sonder- brisanten Annahmen und Aussagen staltung wach werden wird, dass aber stelle Geld und Kredit“. Eine seiner der Studie. Erhard ging darin zwar die äußeren Voraussetzungen die Er- letzten Aktivitäten als deren Leiter von einem – wie immer gearteten – füllung solcher Sehnsüchte kaum oder war ein Treffen mit den Generalen Fortbestand des Deutschen Reiches, doch nur sehr bedingt möglich erschei- Lucius D. Clay (1897-1978) und Sir doch zugleich auch stillschweigend nen lassen“. 15 Brian H. Robertson (1896-1974)18 von seiner militärischen Niederla- Es erscheint aus heutiger Sicht am 31. März 1948. Wiederholt war er ge aus, was nach damaliger Lesart wie ein Wunder, dass Erhard die Her- mit beiden alliierten Offizieren über den Tatbestand der „Wehrkraftzer- ausgabe der Studie ohne Verhaftung die Gestaltung der Wirtschaftspoli- setzung“ erfüllte. An vielen Stellen überstanden hat. Es sind in jener Zeit tik aneinander geraten. In dieser Zeit benutzte er die Formulierung „nach Menschen für weit weniger kritische wurde er zum Honorarprofessor an Beendigung des Krieges“, nicht etwa Worte inhaftiert und getötet worden. die Ludwig-Maximilians-Universität die damals verordnete Floskel „nach Vermutlich hat sich – außer Ohlen- in München berufen. Auf Empfeh- dem Sieg“ oder gar „nach dem End- dorf – niemand in Gestapo und Par- lung der FDP wählt der Wirtschafts- sieg“. Erhard stellte sein liberales, tei die Mühe gemacht, die umfang- rat der britisch-amerikanischen Bizo- marktwirtschaftliches gegen das tota- reiche Studie zu lesen; die Sprache ne19 Ludwig Erhard zum Direktor der litäre Wirtschaftskonzept Hitlers. Sei- war wissenschaftlich-nüchtern, der Verwaltung für Wirtschaft mit Sitz in ne Aussagen zu den wirtschaftlichen Stoff zu trocken. Ohlendorf war zwar Frankfurt am Main. Am 19. Juni 1948, Folgen des Krieges für Deutschland ein überzeugter Anhänger Hitlers,16 einen Tag vor der Währungsreform, waren vernichtend. Seine Schätzung besaß aber zugleich wirtschaftlichen 17 Wilfried Guth war Soldat im Zweiten der Staatsschulden des Dritten Rei- Sachverstand, um die Richtigkeit der Weltkrieg. Er kehrte als Oberleutnant ches belief sich auf 400 Milliarden Erhardschen Analyse zu erkennen 1949 aus sowjetischer Kriegsgefan- Reichsmark (RM). Er schlug eine und gab vermutlich deshalb Erhards genschaft zurück. 1985-1990 war er Aufsichtsratvorsitzender der Deutschen Währungsreform vor und plädierte für „defätistische“ Aussagen nicht an die Bank. eine „aus den Fesseln der staatlichen Strafverfolgungsbehörden und die Ge- 18 Sohn von Field Marshal Sir William Bevormundung“ – d. h. jener durch stapo weiter. Robertson (1860-1933), der als erster die NSDAP und damit durch Hitler Erhard stand bereits in den Vor- britischer Soldat aus dem Mannschafts- selbst – gelöste Wirtschaft. Erhards kriegsjahren Hitler und dem Drit- rang zum höchsten militärischen Dienst- grad aufstieg. Sir William war 1919- zutiefst ablehnende Haltung gegen- 1920 Oberbefehlshaber der britischen über Hitlers Krieg wird in folgenden 12 Erhard, Ludwig Vorwort zur Denk- Besatzungstruppen am Rhein, sein Sohn schrift Kriegsfi nanzierung und Schul- von 1945-1949 Militärgouverneur der Passagen, die in der Deutlichkeit ih- denkonsolidierung, S. 1. rer Kritik kaum zu überbieten sind, britischen Besatzungszone. 13 a.a.O., S. 265. 19 Im Frühjahr 1948 vereinigten die ersichtlich: 14 Ebenda amerikanische und britische Militärre- „Die gemeine Erfahrung lehrt uns, 15 a.a.O., S. 265 f. gierung ihre beiden Besatzungszonen dass kein moderner Staat die mit Mobi- 16 Er war für die Ermordung von etwa hinsichtlich des wirtschaftlichen Wie- lisierung großer Heere und der Krieg- 90.000 Juden auf der Krim von 1941 bis deraufbaus zur sog. „Bi-Zone“. Diese 1942 verantwortlich, wurde dafür von wurden durch einen Verwaltungsrat mit einem US-Militärgericht zum Tode ver- Sitz in Frankfurt geleitet, unter dem 11 3/1997. urteilt und 1951 in Landsberg gehängt. sechs Verwaltungen arbeiteten.

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verkündet Erhard die Aufhebung der gierungserklärung vom 29. November arbeit nannte er die Konsolidierung Zwangsbewirtschaftung und der Preis- 1961 zu sicherheitspolitischen Fra- der Bundeswehr, die Erhöhung ihrer bindung. Diese Verkündung gilt als gen Stellung: Kampfkraft als sichtbares Zeichen des einer der Gründe für das danach ein- „Nach Auffassung der Bundesre- Verteidigungswillens und den Aufbau setzende Wirtschaftswunder. gierung sollte der Plan einer NATO- der territorialen Verteidigung. Zu letz- Erhard neigte dem Liberalismus Atom-Streitmacht baldmöglichst ver- terer gehöre auch die geplante Not- zu. Doch bei den ersten Bundestags- wirklicht werden. … Die zur Verbes- standsverfassung und die Dringlich- wahlen im Jahre 1949 kandidierte er serung der Kampfkraft unserer Streit- keit, alliiertes durch deutsches Recht – obwohl vermutlich keine formelle kräfte erforderlichen Maßnahmen füh- zu ersetzen. Im Juli 1964 wurde das Parteimitgliedschaft bestand – für die ren zwangsläufig zu einer wesentlichen „Bundesministerium für Angelegen- CDU in Baden-Württemberg. Nach Erhöhung der Verteidigungslasten. … heiten des Bundesverteidigungsrates“ dem Wahlsieg berief Konrad Adenau- Wir sind davon überzeugt, dass nur eine unter Minister Dr. Heinrich Krone er ihn zum Wirtschaftsminister in sein ganz klare, entschlossene Haltung uns (1895-1989) gebildet, das allerdings erstes Kabinett. Mit am Kabinettstisch helfen kann, Sicherheit und Frieden schon im Dezember 1966 wieder auf- saß der FDP-Bundesminister für Wie- zu erhalten“. gelöst wurde. deraufbau, Hermann-Eberhard Wil- Die darin zum Ausdruck kom- Kai Uwe von Hassel (1913-1997), dermuth (1890-1952)20. Mit Inkraft- mende Einstellung zur nuklearen Rol- der als Nachfolger von Strauß bereits treten der Montanunion im Juli 1952 le der Bundesrepublik verfolgte er am 11. Dezember 1962 das Amt des wurde Erhard Mitglied des Minister- auch während seiner Kanzlerschaft. Verteidigungsministers übernommen rates der Europäischen Gemeinschaft Im April 1963 nominierte die CDU/ hatte, wurde erneut zum Chef des Ver- für Kohle und Stahl, sowie deutscher CSU-Bundestagsfraktion Erhard zum Gouverneur der Weltbank. Nach den Kanzlerkandidaten. Überzeugend war Wahlen zum 2. Deutschen Bundestag das Votum nicht, denn er erhielt nur im Herbst 1953 übernahm Erhard zum 159 der 206 Stimmen – gerade ein- zweiten Mal das Wirtschaftsressort, mal 77 %. Nach dem Rücktritt Ade- und 1957 – im 3. Kabinett Adenauers nauers am 15. Oktober 196321 wurde – wurde er zusätzlich Vizekanzler. er einen Tag später vom Deutschen Bundestag mit 279 (d.h. 61 %) zu 180 m Februar 1959, wenige Monate Gegenstimmen zum zweiten Kanzler Ivor dem Ende der zweiten Amts- der Bundesrepublik Deutschland ge- zeit von Bundespräsident Prof. Heuss, wählt. In seiner Regierungserklärung schlug Adenauer seinen populären am 18. Oktober vor dem Bundestag Wirtschaftsminister überraschend kündigte Erhard eine „Politik der Mit- und vor allem gegen dessen Willen te und der Verständigung“ und einen 4 – Bundeskanzler Erhard mit für das Amt des Staatsoberhauptes „neuen politischen Stil“ an. Verteidigungsminister Kai Uwe vor. Erhard lehnte ab. Nach den Wah- Der neue Kanzler wies auf die sich von Hassel und Generalinspekteur len zum 4. Deutschen Bundestag im abzeichnenden weltpolitischen Ver- Ulrich de Maizière. Herbst 1961 übernahm er wiederum änderungen im Ost-West-Verhältnis die Ämter des Vizekanzlers und des durch die zaghaft beginnenden Ver- teidigungsressorts berufen. Während Wirtschaftsministers. Mit dem Aufbau handlungen über eine Einstellung der der Kanzlerschaft Erhards standen der Bundeswehr und den Streitkräf- Kernwaffenversuche22 hin. Er betonte die Generale Friedrich Foertsch (bis ten hatte er in all diesen Jahren nichts die Bedeutung der NATO als Grund- 1964), Heinz Trettner (bis August zu tun, und zu sicherheitspolitischen pfeiler deutscher Politik und den Auf- 1966) und nur wenige Monate Ulrich Themen hat sich der Wirtschaftsfach- bau einer multilateralen nuklearen de Maizière an der militärischen Spit- mann Erhard nur sehr selten geäußert. Streitmacht. Als Schwerpunkt seiner ze der Bundeswehr. Nur als Vizekanzler in Vertretung von sicherheitspolitischen Regierungs- Nach dem Grundgesetz hat der Konrad Adenauer nahm er in der Re- vom Bundestag gewählte Kanzler fol- 20 Der Jurist Wildermuth war – 1915 und 21 Adenauer hatte mit Schreiben vom gende Kompetenzen: damit drei Jahre früher Erhard – als In- 10.10.1963 dem Bundespräsidenten – Er besitzt das Recht, sich die Bun- fanterist des Württembergischen Grena- Lübke seinen Rücktritt vom Amt des desminister seines Kabinetts frei dierregiments „Königin Olga“ im Ersten Bundeskanzlers erklärt und war am Weltkrieg ebenfalls an der Ypern-Front 15.10.1963 vom Deutschen Bundestag auszusuchen (Kabinettsbildungs- schwer verwundet worden. Er diente verabschiedet worden. Am Nachmittag bzw. Entlassungsrecht). auch im Zweiten Weltkrieg, wurde 1940 hatte Lübke ihm und den Bundes- – Er besitzt die Richtlinienkompe- mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet ministern die Entlassungsurkunden tenz (Art. 65) und trägt dafür die und stieg bis zum Oberst und Regi- ausgehändigt und Adenauer in einem mentskommandeur auf. Er gehörte der gesonderten Schreiben gebeten, gemäß Verantwortung. Dies bedeutet, er Widerstandsbewegung gegen Hitler an, Artikel 63 Abs. 3 GG die Geschäfte bis hat das Recht und die Pflicht, auf blieb aber unentdeckt. 1950 ernannte zur Ernennung des Nachfolgers weiter- die Durchführung seiner Vorga- ihn die Rheinische Friedrich-Wilhelms zuführen. Universität in Bonn zum Honorarprofes- 22 Atomtestabkommen zwischen den USA, ben zu achten. sor für Rechts- und Staatswissenschaf- Großbritannien und der Sowjetunion ten. Er starb 1952 im Amt. vom 19.08.1963.

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– Er besitzt die Leitungskompetenz zugleich Inhaber der Befehls- und Referat I A/ 6 oblagen die Strategie (Art. 65 Absatz 4) und leitet die Kommandogewalt im Frieden wurde, und die militärische Sicherheit (ein- Geschäfte der Bundesregierung sowie der Schaffung des Bundesver- schließlich NATO, WEU und Abrü- nach einer Geschäftsordnung. teidigungsrates (am 08.11.1969 um- stungsfragen). Kanzler Erhard war von Diese Aufgaben kann er nur er- benannt in: Bundessicherheitsrat25) Stamps Arbeit so angetan, dass er ihn füllen, wenn er über alle wichtigen im Jahre 1955, vervielfältigte sich zu seinem Persönlichen Referenten Ereignisse und Vorhaben aktuell und das militärische Informationsaufkom- machte – eine bis heute einmalige umfassend unterrichtet ist. Die Zen- men. Zwar übernahm und übernimmt Konstellation. In dieser Funktion ar- trale, in der die gesamten Aktivitäten bis heute der Generalinspekteur die beitete Stamp mit Dr. Karl Hohmann des Regierungsapparates zusammen- Funktion des militärpolitischen Bera- (1916-2003), dem Leiter des Kanz- laufen und gesteuert werden, ist das ters der gesamten Bundesregierung, lerbüros, zusammen, der von 1938 Kanzleramt, der – militärisch ausge- d.h. auch der des Kanzlers, aber er be- bis 1945 Soldat gewesen war. Offen- drückt – „Führungsstab des Regie- sitzt selbst in dieser eigenständigen, bar nahm Stamp zugleich noch seine rungschefs“. Gleichzeitig ist es das vom Verteidigungsminister unabhän- alte Aufgabe als militärischer Fach- Verbindungsorgan und Scharnier zwi- gigen Rolle kein unmittelbares Vor- mann im Kanzleramt wahr, denn der schen Kanzler, den Ministerien, sowie tragsrecht beim Regierungschef. Für Dienstposten blieb zunächst auch un- den parlamentarischen und außer- die aktuelle Information über militär- ter Erhards Nachfolger Kiesinger un- parlamentarischen Gremien. Dessen Organisationsstruktur wurde unter je- dem Kanzler – bisweilen auch mehr- fach – den sich wandelnden Gege- benheiten angepasst. Hier nun ist ein kurzer Blick darauf zu werfen, wie die militärischen Angelegenheiten darin organisatorisch abgebildet wa- ren. Zwischen 1949 und 1955 spiel- ten militärische Sachfragen in der Tagespolitik keine Rolle, gleichwohl war das „Amt Blank“ integraler Be- standteil des Kanzleramtes, d.h. der Regierungschef hatte direkten, un- mittelbaren Zugriff auf militärische Expertise, so diese benötigt wurde. Zusätzlich war im Kanzleramt noch ein eigenes Referat23 für Grundsatz- fragen und Kabinettsachen u.a. aus dem Geschäftsbereich der Dienst- stelle Blank zuständig. Militärischer 5 – Der Bundeskanzler bei einer Waffenschau in Pfullendorf 1965; rechts Sachverstand war in diesem Referat vom Bundeskanzler Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel, links insofern vorhanden, da die wichtig- von ihm Generalleutnant Ulrich de Maizière, Inspekteur des Heeres und sten Mitarbeiter im Krieg Soldat ge- Generalleutnant Leo Hepp, KG des II Korps - der Luftwaffenoffizier in der wesen waren.24 oberen Reihe (2. v.r.) ist Oberst Gerhard Stamp

it Gründung der Bundeswehr, politische oder militärische Angele- besetzt.27 Die Aufgaben des Bundes- Mder Bildung des Verteidigungs- genheiten im Bundeskanzleramt und verteidigungsrates und der Verteidi- ministeriums, dessen Ressortchef die Angelegenheiten des Bundesver- gung hingegen wurden einem eige- 23 Die Bezeichnung wurde mehrfach geän- teidigungsrates war und ist die oben nen Referat I A/7 unter Ministerialrat dert: 1952: Referat 5; 1957: Referat 10; erwähnte militärische Organisations- Hans-Leo Stolzhäuser (1912-1997) 1960: Referat 4; 1966: I A/6 (ab Aug einheit zuständig. übertragen. Stolzhäuser war von 1939 1966 III A/6); 1967: III A/1; 1968: II/3; Nach dem Wechsel des Regie- bis 1946 Soldat gewesen. Die Offizie- 1971: Gruppe II/2; 1973: Gruppe II/3; 1976-1994: Gruppe 23; 1994-1998: rungschefs im Oktober 1963 wurde re, die dieses Referat (später: Grup- Gruppe 22; 1999-2002: Gruppe 23; seit der Posten des militärischen Referen- 2002: Gruppe 22. ten (später: Referatsleiter) erstmals Wechsel zu den Jagdfl iegern (Jagd- 24 Zum Beispiel war Dr. Günter Bachmann durch einen Offizier, den Luftwaffen- geschwader 300). Als Major führte er von 1939 bis 1946 Soldat gewesen, hat- einen Nachtjagdverband, der mit Me te von 1952 bis 1955 als Hilfsreferent Oberst und Ritterkreuzträger Gerhard 262-Jägern ausgestattet war. 1956 im Referat 5 gearbeitet und es von 1955 Stamp (1920-1998)26, besetzt. Seinem Eintritt in die Bundeswehr. Er diente bis 1958 geleitet. Von 1958 bis 1959 auch Kanzler Kiesinger zunächst noch war er Persönlicher Referent Adenauers 25 99. Kabinettssitzung am 06.10.1955. mehrere Monate als Persönlicher Refe- und von 1964 bis 1969 Leiter der für 26 Stamp war ab 1939 zunächst bei den rent; 1978 Ruhestand. die militärische und zivile Verteidigung Kampffl iegern (I./ Lehrgeschwader 1; 27 s. Organigramm des Kanzleramtes vom zuständigen Unterabteilung I A. „Helbig-Staffel“). Ritterkreuz 1943; Juni 1967.

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pe) leiteten, hatten jedoch nicht die kutiert, der bereits zwei Jahre zurück- Bereits drei Wochen nach seiner Aufgabe eines „militärischen Adju- lag: Während eines NATO-Manövers Wahl besuchte Erhard am 8. Novem- tanten des Bundeskanzlers“. Sie wa- hatten zwei F-84 F („Thunderstreak“) ber 1963 die Kommandeurtagung der ren weder militärischer Berater des – Maschinen des Jabo-Geschwaders Bundeswehr in Köln-Wahn unter der Kanzlers, noch übernahmen sie z.B. 32 (Rottenführer Feldwebel Pfeffer- Leitung von Generalinspekteur Fo- bei Auslandsbesuchen protokollari- korn und Stabsunteroffizier Eberl ertsch (1900-1976). Es war das erste sche Aufgaben, wie dies in anderen als Rottenkamerad) aus Lechfeld am Mal, dass ein deutscher Regierung- Ländern üblich ist. Daran hat sich bis 14.09.1961 – vier Wochen nach dem schef vor den versammelten Kom- heute – trotz mehrfach wechselnder Mauerbau in Berlin – irrtümlich die mandeuren der Bundeswehr sprach. Organisationsstruktur – nichts geän- Grenze zur DDR überflogen und wa- Erhard betonte, dass er Wert darauf dert. Der Referatsleiter (heute: Grup- ren auf dem Flughafen Tegel in West- gelegt habe, schon bald nach sei- penleiter) mit dem Dienstgrad eines Berlin gelandet. Der damalige Vertei- nem Amtsantritt vor den Kommandeu- Obersten bzw. Kapitäns zur See28 be- digungsminister Strauß hatte den Ge- ren zu sprechen. Minister von Hassel wegt sich in der Beamtenhierarchie schwaderkommodore, Oberstleutnant war nicht anwesend. In seiner An- im Mittelfeld. Zwar haben alle ihren Siegfried Barth, von seinem Posten rede begrüßte Erhard nur Staatsse- Kanzlern bisweilen direkt vorgetragen abgelöst.31 Am 10. Mai 1962 hatte kretär Gumbel, nicht aber den Ge- und sie auch auf Reisen begleitet, je- sich der Verteidigungsausschuss des neralinspekteur als Gastgeber. Mit doch stets auf Abstand. Generalmajor Bundestags mit der Angelegenheit den Worten, „Vergessen Sie nicht, wo Dr. Dietrich Genschel, unter Kanzler Schmidt Gruppenleiter 23, beschrieb diese distanzierte Nähe mit den Wor- ten: „Man war schon sehr nahe dran am Kanzler, aber doch am Rand oder dahinter.“29 Militärpolitische und militärische Fragen spielten in den ersten Kabi- nettsitzungen bis zum Ende des Jahres 1963 keine Rolle. In der 95. Sitzung am 17.10.1963 – es war die erste unter Leitung des neuen Kanzlers – bat der Bundesminister für besondere Auf- gaben Heinrich Krone (1895-1989) um Klärung, wer den Bundeskanzler als Vorsitzenden des Bundesverteidi- gungsrates vertritt; Erhard bestimmte diesen zu seinem ständigen Vertreter und wies ihn an, die laufenden Ge- schäfte zu führen. In den folgenden Sitzungen wurden lediglich einige hochrangige militärische Personal- 6 - Bundeskanzler Erhard 1965 an der Heeresunteroffizierschule I Sonthofen entscheidungen routinemäßig im Ka- (v.l.: VgMin von Hassel, InspH Generalleutnant de Maizière und Oberst binett abgesegnet: so z.B. die Beför- Bürger, Kdr HUS I). derungen von Dr. med. Fritz Dörner (1908-1976) zum Generalarzt (97. Ka- befasst und dem Minister einstim- wir vor zehn Jahren standen“ lobte er binettssitzung am 30.10.), von Josef mig ein völlig korrektes Verhalten die Aufbauleistungen der Armee und Moll zum Generalmajor (103. Kabi- bescheinigt.32 betonte, dass es keine rein nationale nettsitzung am 11.12.1963), von Wil- dem Kanzler mit, dass der Verteidi- Verteidigung mehr gäbe. Diese sei helm Meyer-Detring, Wolf Graf von gungsausschuss als Untersuchungsaus- zu einer „Gemeinschaftsaufgabe ei- Baudissin und Werner Hoffmann zu schuss ihn als Zeuge über den Fall des ner Vielzahl sich bedroht, aber darum Oberstleutnants Barth und das Rechts- Generalleutnanten und Heinz Trett- gutachten des Auswärtigen Amtes hören auch sich verbunden fühlender Völker ner zum General (104. Sitzung am solle und bat, ihm die Aussagegenehmi- geworden“. Militärische Gewalt zur 18.12.1963). gung zu erteilen. Durchsetzung politischer Ziele lehnte Am 27. November 1963 wurde der 31 Der Wehrdienstsenat des Bundes- er ebenso ab wie einen konstruierten rechtliche Aspekt30 eines Vorfall dis- disziplinarhofs in München hatte am 31.01.1962 auf eine Beschwerde Barths der Ausschusssitzung an den „Spiegel“- 28 Bisher hatten nur zweimal Offi ziere dessen Ablösung als einstweilige Redakteur Schmelz weitergegeben im Range eines Brigadegenerals diesen Sofortmaßnahme zwar gerechtfertigt, die hatte, hatte der BMJustiz beim BMVg Posten inne. Die Einstufung erfolgt Schuldfrage jedoch offen gelassen. und beim Auswärtigen Amt Gutachten durch das BMVg. 32 Bulletin Nr. 88 vom 12.05.1962, S. 743. zu der Frage eingeholt, ob das Doku- 29 Schreiben an den Verfasser vom Nachdem bekannt geworden war, ment materielle Staatsgeheimnisse 13.09.2008. dass der SPD-Bundestagsabgeordnete enthielt. Diese waren am 15. 11.1962 30 Der Bundesminister der Justiz teilte Gerhard Jahn (1927-1998) das Protokoll bzw. 05.03.1963 vorgelegt worden.

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Gegensatz zwischen Bürgern und Sol- der Frage seiner eigenen vorzeitigen dem Inspekteur des Heeres und Ge- daten, den er „widersinnig“ nannte. In Abberufung als NATO-Befehlshaber neralleutnant Leo Hepp (1907-1987), der Frage der NATO-Strategie betonte im September 1963 an. dem KG des II Korps, sowie General- Erhard die Notwendigkeit der Schaf- Nach der Beurteilung von General major Kurt Gerber (1913-1984), dem fung einer „multilateralen nuklearen de Maizière hatte Erhard Berührungs- Divisionskommandeur der 10. Pan- Streitkraft“, die mit deutscher Beteili- ängste in Bezug auf die Bundeswehr. zerdivision, begleitet. Oberst Heinz gung aus verschiedenen Waffensyste- „Es war auch nicht einfach, Erhard Habicht, der Kommandeur des Artil- men bestehen soll. Erhard war offen- zu einem Truppenbesuch beim Heer zu lerieregiments 10, begrüßte die Gä- bar skeptisch, dass die USA – zumal bewegen“.35 ste als Hausherr, zusammen mit dem mit beträchtlichen Kräften und Mit- Doch es gelang dem damaligen scheidenden Kommandeur des Ra- teln im Vietnamkrieg gebunden – die Inspekteur des Heeres de Maizière kArtBtl 102, OTL Hans Holder. Der Bundesrepublik verteidigen würden, (1912-2006). Am 25. Juni 1965 be- Besuch begann mit einem gemeinsa- wenn dadurch ihre eigene Sicherheit suchte Erhard die damalige Hee- men Mittagessen im großen Mann- gefährdet würde. Zwar wurde Erhards resunteroffizierschule (HUS I) 36 in schaftsspeisesaal. Der Bundeskanzler, Meinung von Außenminister Schröder der Generaloberst-Beck-Kaserne in ehemals Richtkanonier einer 105mm und Verteidigungsminister von Hassel Sonthofen unter ihrem Kommandeur Haubitze im 1.Weltkrieg, erzählte da- geteilt, doch es gab im Kabinett und Oberst Bürger (†) und danach das II. bei von seinen Erfahrungen als Artil- in den Regierungsparteien auch Ge- Korps in Ulm. lerist und erklärte schmunzelnd, dass genstimmen.33 Als Wirtschaftsfach- mann wies er darauf hin, dass Vertei- digungsanstrengungen jedoch „ihren Sinn verlieren, wenn sie nach Art und Umfang das wirtschaftliche, finanzi- elle und soziale Gesamtgefüge unse- res Staatswesens erschüttern würden“. Doch insgesamt ist die Rede farblos und enthält wenig Neues. So erwähnte Erhard mit keinem Wort seine eigenen Bindungen an das Militär, auch wenn diese 45 Jahre zurücklagen. Im Dezember 1963 – wenige Wo- chen nach dem ersten Arbeitsbesuch des neuen Kanzlers beim französi- schen Staatspräsidenten de Gaulle – bat Erhard General Speidel zu einem Gespräch. Dieser war zu diesem Zeit- punkt bereits als NATO-Befehlsha- ber ausgeschieden und fungierte als „Sonderbeauftragter der Bundesre- gierung für Fragen der atlantischen 7 – Kanzler Erhard überreicht Oberst Habicht ein Bild, das ihn als Verteidigung.“ Richtkanonier 1917 in Rumänien zeigt (s.Abb.S. -xy). „Nach meiner Rückkehr (= im De- zember 1963) hatte ich die erste Aus- Am nächsten Tag reiste der Kanz- er umgesattelt habe. Er überreichte sprache mit dem neuen Bundeskanz- ler nach Pfullendorf weiter. Am spä- Oberst Habicht eine alte Fotografie, ler Erhard; er kritisierte das Verhalten ten Vormittag landete er mit einem Si- die ihn als Richtkanonier im Ersten Adenauers gegenüber de Gaulle ohne korsky Hubschrauber in der General- Weltkrieg an einer Haubitze zeigt. Zurückhaltung in der schärfsten Weise. oberst-von-Fritsch-Kaserne direkt vor Dann schloss sich eine Waffenvor- Diese Nachgiebigkeit werde uns nichts dem Wirtschaftsgebäude. Die Kaserne führung auf dem Standortübungsplatz bringen.“34 Speidel spielt damit vor beherbergte den Stab des Artilleriere- an. Von einer Tribüne beobachtete der allem auf das Einwilligen Adenauers giments 10, sowie die beiden ihm un- ehemalige Artillerist Erhard nach ei- gegenüber französischem Druck in terstellten Artillerieverbände der 10. nem halben Jahrhundert die Vorfüh- Panzerdivision, das schwere Feldar- rungen der neuesten Waffensysteme 33 Die Front der Gegner bestand aus der tilleriebataillon (FArtBtl) 101 und das der Artillerie und das Instellungge- Schwesterpartei CSU (mit Rücksicht auf Frankreich und das deutsch-fran- Raketenartilleriebataillon (RakArtB- hen von langrohrigen 175mm Kano- zösische Verhältnis) und dem Koaliti- tl) 102. Erhard wurde vom Verteidi- nen (M 107) und kurzrohrigen 203 mm onspartner FDP (mit Rücksicht auf die gungsminister Kai-Uwe von Hassel, Feldhaubitzen (M-110) – beide auf Sowjetunion und die Ost -West-Ent- Generalleutnant Ulrich de Maizière, Selbstfahrlafette – der 2. und 3. Bat- spannung). Auch Parteichef Adenauer und Krone und Fraktionschef Barzel 35 Maizière, de Ulrich: In der Pfl icht, terie des FArtBtl 101. Das RakArtBtl waren dagegen. S. 270 102 führte den nuklearfähigen „Ho- 34 Speidel, Hans: Aus unserer Zeit, S. 423 36 von 1964 bis 1972 nest John“-Raketenwerfer (M-139F)

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vor. Erhard zeigte sich von den neuen zur flexiblen Antwort („Flexible Re- Soldat bei der Entscheidung über den Waffensystemen und deren Leistungs- sponse“) und die noch unzureichende ÖTV-Gewerkschaftserlass durch die vermögen sehr beeindruckt. Als Ar- militärische Fähigkeit der NATO zur politische Leitung übergangen wor- tillerist im Ersten Weltkrieg kannte Vorneverteidigung. den war. Erhard selbst trug für keine er noch die gezogene Artillerie und Erhards mangelndes Verständnis dieser armeeinternen Ereignisse eine hatte deren Wirkung am eigenen Leib für außenpolitische Zusammenhänge Schuld, auch sind keine öffentlichen erfahren. Allerdings soll er sich – so – so ebenfalls Strauß – habe sich z.B. Stellungnahmen des Kanzlers zu die- de Maizière später – bei dem Besuch offenbart, als er gegenüber den USA sen Vorfällen bekannt. „offensichtlich unbehaglich“ gefühlt die Bereitschaft erklärt hatte, Bundes- Die CDU wählte Erhard im März haben. Als einer der Fotografen ein wehrsoldaten zur Unterstützung nach 1966 zu ihrem Bundesvorsitzenden, Bild Erhards neben einem Geschütz Vietnam zu entsenden.40 Diese Dar- obgleich er niemals formell der CDU gelang, entfuhr es – so de Maizière – stellung ist jedoch nur zum Teil rich- beigetreten war. Wenige Monate spä- dem Kanzler: „Ich bin doch kein Mi- tig. Tatsächlich hatte US-Präsident ter geriet Erhards politischer Kurs ins litarist!“ 37 Die Bemerkung drückt die Johnson Erhard massiv bedrängt, 200 Schlingern. Walter Scheel, der Mini- Unsicherheit des Politikers Erhard im Sanitäter und 1.000 Pioniere der Bun- ster für wirtschaftliche Zusammen- Umgang mit dem Militär aus. Zwar deswehr nach Vietnam zu schicken. arbeit trat aus Protest gegen Erhards fühlte er sich den Soldaten einerseits Erhard lehnte dieses Ansinnen jedoch Haushaltsentscheidungen von seinem innerlich verbunden, wollte diese Bin- ab.41 Deutsche Soldaten nur zwanzig Amt zurück. Die übrigen FDP-Mini- dung andererseits aber nicht öffent- Jahre nach dem Ende des Zweiten ster schlossen sich ihm an. Nachdem lich werden lassen, weil er dies ver- Weltkrieges wieder in einen Krieg zu die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mutlich für politisch schädlich hielt. schicken, hätte das schnelle Ende sei- Kurt Georg Kiesinger am 10. Novem- Strauß schreibt, Erhard sei „ein aus- ner Kanzlerschaft bedeutet. ber zum Kanzlerkandidaten nominiert gesprochener Gegner jeder Machtpo- Auch die innere Lage der Bun- hatte, kam nach knapp drei Jahren litik“ gewesen und habe „überhaupt deswehr war während Erhards Amts- das Aus für Erhard. Am 1. Dezember kein Verhältnis zum Militärischen zeit nicht frei von Turbulenzen. Beim 1966 trat er zurück. In seiner Ab- und seinen Notwendigkeiten.“38 Er Mörserschießen auf dem Truppen- schiedsansprache in Rundfunk und habe Strauß, seinen Kabinettskol- übungsplatz Bergen-Hohne ereigne- Fernsehen am 30. November 1966 legen, sogar gerügt, als dieser 1959 te sich am 9. April 1964 ein schweres sagte Erhard: „Meine Liebe und mei- Strafanzeige gegen Pastor Martin Nie- Unglück, das neun Todesopfer und ne Kraft werden immer dem ganzen möller (1892-1984) stellte, der die zehn Verwundete forderte. Die „Star- deutschen Volk gehören. Gott schütze Ausbildung der Bundeswehr als eine fighter-Krise“42 warf über Jahre lan- unser Vaterland“. „Hohe Schule für Berufsverbrecher“ ge Schatten und mündete im August Danach arbeitete er als „einfa- bezeichnet hatte. 1966 in den Rücktritt von Luftwaf- cher“ Abgeordneter weiter. Bei den feninspekteur Werner Panitzki (1911- drei Wahlen zum 6., 7. und 8. Deut- ach den Wahlen zum 5. Deut- 2000). Nur wenige Tage danach trat schen Bundestag (1969, 1972 und Nschen Bundestag am 19. Septem- Generalinspekteur Trettner (1907- 1976) errang er jedes Mal ein Bundes- ber 1965 wurde Ludwig Erhard erneut 2006)43 zurück, weil er als oberster tagsmandat. Die Sitzungen 1972 und zum Bundeskanzler gewählt. In seiner 21.03.1957. Jeder Angriff des War- 1976 eröffnete er als Alterspräsident. Regierungserklärung am 10. Novem- schauer Pakts – gleich, ob konventionell Im September 1968 kam Erhard als ber wies Erhard – wie bereits in seiner oder nuklear – sollte mit einem mas- „Altbundeskanzler“ ein weiteres Mal Erklärung zwei Jahre zuvor – auf die siven nuklearen Gegenschlag beant- zum II. Korps nach Ulm. Die Vorliebe wortet werden. 1967 löste die – durch Erhöhung der Kampfkraft, die Not- Präsident Kennedy initiierte – „Flexible für diese Kommandobehörde war ver- wendigkeit zur Modernisierung, die Response“ (MC 14/3) die „Massive mutlich auch darin begründet, dass sie Bedeutung der Festigung des inneren Retaliation“ ab und war bis zum Zusam- in seinem Wahlkreis lag; andere Poli- Gefüges und den Aufbau der Territo- menbruch des sowjetischen Imperiums tiker haben – was nicht zu kritisieren gültig. rialverteidigung hin. Er sagte ein Or- 40 Strauß, Franz Josef, a.a.O., S. 428. ist – die in ihrem Wahlkreis stationier- ganisationsgesetz und geeignete Maß- 41 In der 123. Kabinettssitzung am ten Truppenteile in ähnlicher Weise nahmen zu, „ die der Überwindung des 27.05.1964 hatte Erhard erklärt, bevorzugt wahrgenommen. Während Personalengpasses dienen“. äußerstenfalls könne als Hilfe für Süd- des Manövers „Schwarzer Löwe“ im Vietnam an ein Lazarettschiff gedacht Drei herausragende sicherheits- werden. Herbst 1968 besuchte er Truppentei- 44 politische Probleme bestimmten die 42 Durch technische Überfrachtung und le in Süddeutschland, so u.a. in der Kanzlerschaft Erhards: der sich aus- zusätzliche Einsatzrollen für die deut- weitende Vietnamkrieg, der Wechsel sche Version des US-Flugzeugmusters um seine Entlassung. der NATO-Strategie von der massiven Lockheed F-104 stieg dessen Gesamtge- 44 Das Manöver des II. Korps sollte 39 wicht beträchtlich und verlangte höch- zunächst vom 15.-21.09.1968 in Bayern Vergeltung („Massive Retaliation“) stes fl iegerisches Können. Zwischen nahe der tschechoslowakischen Grenze 1962 und der Ausmusterung 1991 stattfi nden. Jedoch wurde es wegen des 37 Maizière, de Ulrich, a.a.O. stürzten 292 Maschinen ab, und 108 Einmarsches der WP-Truppen in die 38 Strauß, Franz Josef: Die Erinnerungen, Piloten verloren ihr Leben. CSSR einen Monat zuvor auf Drängen S. 427 f. 43 Gleichzeitig bat der Befehlshaber im von Kanzler Kiesinger in den Südwesten 39 NATO-Dokumente MC 14/1 vom Wehrbereich II, Generalmajor Günther Deutschlands verlegt, um politische 09.12.1952 und MC 14/2 vom Pape (1907-1986), aus diesem Grund Spannungen und eine denkbare Eska-

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Herzog-Albrecht-Kaserne in Münsin- Bergfriedhof in Gmund beigesetzt. Die – Mierzejewski, Alfred C.: Ludwig gen. Zum Abschluss der Gefechts- Beisetzung des zweiten Kanzlers war Erhard, Siedler Verlag, München übung wurde im Beisein von Bun- – gemessen am prunkvollen Zeremo- 2005. despräsident Lübke, Altbundeskanz- niell beim Begräbnis des Vorgängers – Mümmler. Manfred, Ludwig Er- ler Erhard und Generalinspekteur de zehn Jahre zuvor – bescheiden. In hard – eine biographische Skiz- Maizière auf dem Truppenübungsplatz dem schlichten Familiengrab – ge- ze Münsingen ein „Schießen verbunde- schmückt mit einem 130 cm hohen – Speidel, Hans: Aus unserer Zeit, ner Waffen“ durchgeführt. rechteckigen, hellgelben Kelheimer Erinnerungen, Verlag Ullstein, Auersandstein und einem schmiede- Frankfurt/Main 1977. eisernen Kreuz – ruhen neben Ludwig – Strauß, Franz Josef: Die Erinne- Erhard seine Ehefrau Luise, Tochter rungen, Wolf Jobst Siedler Verlag, Elisabeth († 1995) und Enkelin Sabi- Berlin 1989. ne Klotz-Schulze († 1997). ❏ – Stadtarchiv Nürnberg – Norbert Mittelsdorf und Dr. Alexander Mayer (Stadtarchivar) Literatur: – Ludwig Erhard und seine Poli- – Adenauer, Konrad, Rhöndorfer tik – Nach-Denken, Argon Wis- Ausgabe: Briefe 1957-1959. senschaftliches Symposium am – Chlingensperg auf Berg, von: Fa- 13.03.1997, Stiftung Haus der milienchronik der Familie (Pri- Geschichte der Bundesrepublik vatbesitz Dr. Günther von Chlin- Deutschland 8 – Briefmarke der Deutschen Post gensperg). – Walterskichen, Helene: An der aus dem Jahr 1987 zum – Dellmensingen, Konrad Krafft Seite der Macht – Deutschlands 10. Todestag von Ludwig Erhard. von & Feeser Friedrichfranz: First Ladies, Verlag Ueberreuter, Das Bayernbuch vom Weltkriege Wien 2002 Als Altkanzler gehörte Erhard zu 1914-1918, 2 Bände, Chr. Belser – der von Bundespräsident Heinemann A.G. Verlagsbuchhandlung, Stutt- Bildnachweis: angeführten Delegation, die – zusam- gart 1930. – Stadtmuseum Fürth (2); Archiv men mit Minister Schmidt als Vertre- – Erhard, Ludwig: Kriegsfinanzie- ArtRgt 10 Pfullendorf (3, 5, 7); IP- ter von Kanzler Brandt, Generalin- rung und Schuldenkonsolidierung Stab BMVg (4, 6), Internet (1, 8) spekteur de Maizière und Altkanzler (Faksimiledruck der Denkschrift Kiesinger – am Begräbnis von General von 1943/44), Propyläen, Frank- – Besonderer Dank gilt: de Gaulle in Colombey-les-deux-Egli- furt 1977. Dr. Günther von Chlingensperg, ses im November 1970 teilnahm. – Hentschel, Volker: Ludwig Er- Rechtsanwalt H.-H. Stamp sowie hard. Ein Politikerleben, Olzog Hans Sieber und Heinrich Sievert Seit 1953 hatten Erhard, sei- Verlag, München 1996. vom Traditionsverein ArtRgt 10 in ne Frau Luise und Tochter Elisabe- – Herbst, Ludolf : Krisenüberwin- Pfullendorf th Klotz († 1996) – unauffällig und dung und Wirtschaftsneuordnun ohne bevorzugt werden zu wollen – – Ludwig Erhards Beteiligung an Verfasser: ihren Zweitwohnsitz am Tegernsee. den Nachkriegsplanungen am Dieter Kilian, Am Ackerberg in Gmund erholten Ende des Zweiten Weltkrieges, Oberst a.D.; Mili- sie sich regelmäßig von den beruf- in: Vierteljahreshefte für Zeitge- tärattaché 1880- lichen Anstrengungen. Am 9. März schichte, Heft 3 1977. 84 in Pakistan und 1977, zwei Jahre nach dem Tod sei- – Hohmann, Karl: Ludwig Erhard 1991-94 in Saudi- ner Ehefrau, verunglückte Erhard auf (1897-1977), Eine Biographie, Arabien; zahlreiche dem Weg dorthin bei einem Autoun- ST Verlag 1997. Veröffentlichungen fall. Er brach sich eine Rippe und – Hohmann, Karl (Hrsg.): Ludwig im AUFTRAG, u.a. einen Brustwirbel und wurde nach Erhard – Gedanken, Reden und in: AUFTRAG Nr. Bonn zurückgebracht. Dort starb er Schriften, Econ Verlag, Düssel- 251/Juli 2003 (Sonderdruck) „Islam am 5. Mai 1977 an Herzversagen. In dorf 1988 . und Westliche Welt; AUFTRAG Nr. einem Staatsakt gedachte der Deut- – Knoll, Thomas: Das Bonner Bun- 259/August 2005 bis 268/Dezember sche Bundestag im Plenarsaal am 11. deskanzleramt – Organisation und 2007 „Die Bundespräsidenten und Mai des zweiten Kanzlers. Einen Tag Funktionen von 1949-1999, VS die Bundeswehr“ sowie Nr. 269/März später wurde Ludwig Erhard auf dem Verlag für Sozialwissenschaften, 2008 bis 271/September 2008 „Ade- lation zu vermeiden. Insgesamt nahmen Wiesbaden 2004. nauer und die Bundeswehr“. ca. 42.000 Soldaten mit etwas 15.000 – Maizière, Ulrich de: In der Pflicht, Kfz teil. Übungstruppe BLAU: 10. Pz- Verlag E. S. Mittler & Söhne, Her- Div (PzBrig 29 und 30, eine US-PzBrig, LLBrig 25 und französische Verbände). ford/ Bonn 1989. Übungstrupe ROT: 4. PzGrenDiv (Pz- GrenBrig 11 und GebJgBrig 22).

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Auftrag_272.indb 63 21.11.2008 9:02:48 Uhr KIRCHE UNTER SOLDATEN

Kirche unter Soldaten Seminar für Funktionsträger

VON BERTRAM BASTIAN

m zwei Jahres Rhythmus veranstaltet die Gemeinschaft katholischer Soldaten ein Seminar für ihre Funktions- träger. Die Leitung hat der Haushaltsbeauftragte der GKS, OStFw a.D. Johann A. Schacherl, der zusammen Imit handelnden Mitgliedern aus der Kreis-, Bereichs- und Bundesebene den ehrenamtlich Tätigen Neuigkei- ten vermittelt bzw. Einsichten in Struktur und Organisation.

om 27. bis 29. Juni 2008 fand in Mülheim/Ruhr wie- beitenden Ausschüsse besser gewürdigt. Der Redakteur Vder ein Seminar für Funktionsträger der GKS statt. des AUFTRAG hielt einen Vortrag über die Pressearbeit, Johann Schacherl, der die Veranstaltung organisierte und wobei er in der Hauptsache darauf zu sprechen kam, wie leitete begrüßte in der Wolfsburg ein volles Haus. Sinn und Beiträge an die Redaktion zu schicken seien, damit diese Zweck des Seminars war es, jüngeren Kameraden Einbli- dann einfacher den Beitrag zu einer Vorlage für den Lay- cke in die Struktur und Organisation der Gemeinschaft outer bewerkstelligen könne. zu geben. Deshalb setzte sich der Teilnehmerkreis nicht m zweiten Tag drehte sich alles um das liebe Geld. nur aus ganz jungen Funktionsträgern zusammen, sondern AZusammen mit dem IT-Beauftragten des Bundesvor- gerade der „Mix“ zwischen „alten Hasen“ und jüngeren standes, OStFw a.D. Hubert Berners, wurde vom Haus- Ehrenamtlichen brachte lockere Gespräche, in denen die haltsbeauftragten Haushaltsanforderung und –kalkulation Verfahrensweisen und Durchführungen von Veranstaltun- vorgestellt. Dabei trug der Gestalter des Programms Hu- gen miteinander besprochen wurden. bert Berners vor, warum einige Dinge nicht vom Kreisvor- Den Anfang machte der Wehrbereichsdekan Mainz, sitzenden ausgefüllt werden könnten und führte mit den Msgr. Rainer Schnettker, der die rechtliche und kirchen- Teilnehmern Beispielkalkulationen durch, um die Funk- rechtliche Verankerung der Militärseelsorge vortrug. Nach- tionsweise besser zu erklären. Sinn und Zweck der damit dem so aus berufenem Munde die rechtliche Stellung des durchzuführenden, genauen Kalkulation (natürlich nur katholischen Verbandes GKS ausführlich zu Wort kam, dann genau, wenn man so genau wie möglich die Eckda- ten der Veranstaltung eingrenzt) sei es,e eine Überplanung im Vorfeld derd Haushaltsmittelzuweisung zu vermeiden.v Es lag auf der Hand, dassd gerade zu diesem Thema das Interesse,I auch der alten Hasen, am größteng war. Deshalb nahm sich die LeitungL des Seminars hier ausgie- bigb Zeit, um den Funktionsträgern diesesd neue System nahezubringen, welchesw mit einiger Übung den Um- gangg mit dem anvertrauten Geld er- leichtere.l Dabei wurde der Haus- haltsbeauftragteh nicht müde, immer wiederw zu erklären, dass ein vorher mitm ihm geführtes Gespräch viele Friktionen und Probleme schon bei Pfarrhelfer Johannes Bresa erläutert mit OStFw Johann Schacherl die praktische der Entstehung lösen könne, bevor Zusammenarbeit zwischen Militärpfarramt und Gemeinschaft Katholischer man eine genehmigte Summe über- Soldaten schreiten würde. Der Pfarrhelfer aus Köln-Wahn, stellte der Bundesvorsitzende, Oberstlt Paul Brochha- Johannes Bresa , trug den Funktionsträgern noch Beispiele gen, das Leitershofener Programm vor, Ziele und Wege aus der Zusammenarbeit eines Militärpfarramtes mit der der Gemeinschaft. Er stellte ebenfalls die Sachausschüs- Gemeinschaft Katholischer Soldaten vor. Hier wurde ver- se und ihre Arbeit vor und ermunterte alle Anwesenden, tieft, dass ein Militärpfarrer und sein Pfarrhelfer zwar die die Produkte der Ausschüsse nicht nur zu verteilen, son- Gemeinschaft unterstützen können, aber die Arbeit müsse dern ruhig auch Veranstaltungen mit den Mitgliedern der die Gemeinschaft in der Hauptsache schon selbst machen. Sachausschüsse durchzuführen. So wie dieses Seminar Synergieeffekte könnten genutzt werden, es seien aber nach für Funktionsträger ja gleichfalls mit Referenten aus der wie vor zwei verschiedene Seiten einer Medaille. GKS zu bewerkstelligen war, stehen die Ausschüsse für Am Sonntag nach dem Gottesdienst unterhielt man sich solche Anforderungen aus den Kreisen zur Verfügung. noch über abschließende Fragen, bevor man sich nach dem Damit würde die Arbeit der für den Bundesvorstand ar- Mittagessen auf den Nachhauseweg machte.

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Auftrag_272.indb 64 21.11.2008 9:02:49 Uhr KIRCHE UNTER SOLDATEN

Kirche unter Soldaten Apostolat Militaire International

VON BERTRAM BASTIAN

as Apostolat Militaire International (AMI) wurde 1965 in Santiago de Compostela in Spanien gegründet. Es ist ein Zusammenschluss der katholischen Laienorganisationen der angeschlossenen Militärseelsor- Dgen der verschiedenen Armeen, die nicht der NATO angehören müssen. Das Symbol zeigt die gekreuz- ten Schwerter, die in zahlreichen Staaten das Signet für die bewaffnete Macht darstellen. Zusammen mit dem senkrechten Schwert bilden sie das Zeichen XP für Christus. Zurzeit sind über 30 Staaten von vier Kontinenten Mitglied, weitere sind akkreditiert und streben die Mitgliedschaft an. Seit drei Jahren ist Oberst i.G. Reinhard Kloss, Referatsleiter im BMVg, 1. Dienstsitz Bonn, Präsident dieser Organisation und hat als solcher auch die diesjährige Generalversammlung einberufen und geleitet. Sie fand in der Zeit vom 5. bis 12.September im Kon- ferenzzentrum Mennorode in den Niederlanden statt.

achdem am Samstag, den 6.09. die teilnehmenden fällen, die Kampf bedeuten, damit einhergehend, Verwun- NNationen zu der Lage der katholischen Militärseel- dung und Tod, der eigenen Kameraden, des Angreifers sorgen in ihren jeweiligen Armeen vorgetragen hatten, oder schlimmstenfalls unbeteiligter Zivilisten. BrigGen Ammon führte weiter aus, dass sich darausd Folgerungen für die Auswahl undu Ausbildung der Führer ergeben, fürf die Vermittlung von Werten, um mitm ihnen und aus ihren heraus, die EntscheidungenE fällen und tragen zu können,k sowie die Unterstützung und dasd Zur-Seite-stehen für die handeln- dend Soldaten, damit Vertrauen in die FührungF und in die Fürsorge wach- sens können.

n den anschließenden Wahlen Iwurde die deutsche Präsident- schafts von Oberst i.G. Reinhard KlossK für drei weitere Jahre bestä- tigt.t Das Generalsekretariat geht von Österreich ab dem 1.Januar 2009 an died Niederlande über. Die teilnehmenden Delegationen stellen sich dem offiziellen Tagungsphoto. Am Donnerstag Abend beschloss In der dritten Reihe von oben, zweiter von links, der Präsident O i.G. Kloss eine Heilige Messe, zelebriert durch den apostolischen Nuntius in den fand am Sonntag ein feierliches Pontifikalamt mit dem Niederlanden, Erzbischof François Bacqué, die General- Bischof von Haarlem, Dr. Josef Punt statt, der auch das versammlung des Apostolat Militaire International 2008. Amt des Niederländischen Militärbischofs bekleidet. Be- grüßt wurden danach die Delegationen durch den Staats- sekretär im niederländischen Verteidigungsministerium, DDr. Jack de Vries. Nach den Berichten des Präsidenten, des Generalse- kretärs, des Geistlichen Beirates und der ständigen Arbeits- gruppen, eröffnete der Vortrag der Prof.’in Desiree Verweij über „Ethik und Einsätze“ den Vortragsteil der Hauptver- sammlung. Der deutsche Kommandeur der KSK, BrigGen Christoph Ammon, trug zu dem Thema vor: „Kampf gegen Terror und christliche Werte“. Dabei stellte er anhand ei- nes realen Einsatzszenarios die Probleme vor, die einen in Verantwortung stehenden Soldaten treffen können. Die latent vorhandene Gefahr, verbunden mit Unsicherheit er- zeugt ängstliche Gefühle, führte er aus. In unklarer Lage Die Arbeitsgruppen nutzen die Tagung zum regen muss der Soldat – ohne lange zu zögern – Entscheidungen Gedankenaustausch

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Auftrag_272.indb 65 21.11.2008 9:02:49 Uhr KIRCHE UNTER SOLDATEN Ungarischer Militärbischof informiert sich über die „Löwendivision“

er ungarische evangelische Militärbischof, Brigadege- Dneral Mag. theol. Pál Lackner, hat am 14. Oktober den Stab der 10. Panzerdivision in Sigmaringen besucht. Der Kommandeur der „Zehnten“, Generalmajor Mar- kus Bentler, begrüßte persönlich den hochrangigen Mili- tärgeistlichen an der Spitze der 7-köpfigen ungarischen Delegation in der Graf-Stauffenberg-Kaserne. Der evan- gelische Militärdekan Christian Renovanz aus Ulm und zwei weitere Militärpfarrer aus Baden-Württemberg ver- vollständigten den Gästekreis. Nach dem Eintrag in das Gästebuch und einem Gespräch mit Bentler wurde Lack- ner zusammen mit seinen Kollegen mittels eines Vortrags in die Besonderheiten „der süddeutschen Division“ als Stabilisierungsdivision des deutschen Heeres eingewie- sen. Bentler freute sich, „weil wir auch von einander ler- GenMaj Markus Bentler mit dem ungarischen nen können“, sichtlich über das große Interesse des Mili- Militärbischof Pál Lackner beim Briefing tärbischofs am Thema „ Ethik - Wertevermittlung als Er- ziehungsaufgabe“ in der 10. Panzerdivision. Ein Besuch und der Evangelischen Militärseelsorge in Baden-Würt- in der militärhistorischen Sammlung der Kaserne und in temberg zurück, die seit zehn Jahren besteht. Regelmäßi- der Sigmaringer Kreuzkirche rundete die Visite in der Ho- ge Besuche, die im jährlichen Wechsel in den jeweiligen henzollernstadt ab. Ländern durchgeführt werden, halten diese Verbindung Der Besuch der Geistlichen geht auf eine Partnerschaft lebendig. zwischen der Evangelischen Militärseelsorge in Ungarn (Text und Foto: 10. Panzerdivision)

Patrozinium in Bonn

nfang Oktober wird in Bonn immer das Patrozinium Landrates, Uta Gräfin Strachwitz, und das Mitglied des Agefeiert. Dabei wurde in diesem Jahr besonders der Landtages, Gerhard Lorth, sowie für die Soldatinnen und beiden Stadtpatrone Cassius und Florentius gedacht, zwei- Soldaten der stellvertretende Inspekteur des Heeres, Ge- er Legionäre der thebäischen Legion, die für ihren christ- neralleutnant Günter Weiler. Eine besondere Bedeutung lichen Glauben den Martyrertod in den Jahren 303/304 hatte dieser Standortgottesdienst für Hptm Dr. Ulrich Mül- n.Chr. erleiden mussten. Das Motto des diesjährigen Pat- ler, der während der heiligen Messe in Anwesenheit sei- roziniums lautete deshalb auch „Helden mit langer Halt- ner Familie in die Gemeinschaft der katholischen Kirche barkeit“. Ort der Feierlichkeiten war das Bonner Müns- aufgenommen wurde. Nachdem er gemeinsam mit der Ge- ter St. Martin, seit 1956 eine „basilica minor“, die diesen meinde das Große Glaubensbekenntnis gesprochen hatte, Brauch des Patroziniums von der 1812 abgerissenen Stadt- wurde ihm das Sakrament der Firmung gespendet und er kirche St. Martin übernommen hat. Das Bonner Münster empfing die Erste Heilige Kommunion. Umrahmt wurde soll den damals hier studierenden preußischen Kronprin- dieses feierliche Hochamt durch eine Bläsergruppe des zen, den späteren Wilhelm II., derart inspiriert haben, dass Musikkorps aus Siegburg unter der Leitung von Hauptfeld- er maßgeblichen Einfluss auf die Architektur der Kaiser- webel Uwe Berning und dem Pfarrhelfer Johannes Bresa Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin genommen haben soll von Porz-Wahn an der Orgel. und diese als Kopie des Münsters bauen ließ. Nach dem Gottesdienst lud die katholische Militärseel- Während der Festwoche zum Patrozinium 2008 feierte sorge zu einem Empfang mit Imbiss ein. Auf Grund der der katholische Militärpfarrer Bonn, Militärdekan Benno Tatsache, dass der Kreuzgang des Münsters noch renoviert Porovne, einen Standortgottesdienst in der Hauptkirche wurde, begab man sich zu Fuß durch die Innenstadt zu St. Bonns. Am 13.10.08 konnte Militärdekan Porovne nach Remigius. Nach einer kurzen Begrüßung durch Militärde- dem feierlichen Einzug mit den Fahnen der Militärseel- kan Porovne, konnten sich die Gäste bei Gulaschsuppe sorge und der GKS hochrangige Gäste aus Politik und und Getränken intensiven Gesprächen widmen. Militär begrüßen. An ihrer Spitze die Stellvertreterin des (Text: Reinhold Gradl)

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GKS-Kreis Köln wieder dabei und konnte seinen Vorjahresweltrekord un- terbieten. Da konnte nichts schief gehen und das Team der Familiennachmittag am Scheuermühlenteich Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) kam nicht nur ins Ziel, sondern erzielte auch zum Teil persönliche Best- inen strahlend sonnigen Tag hatte sich der Vorsitzende, leistungen. So konnte Albert Hecht, Vorsitzender im GKS- EOberstleutnant Albert Hecht, der Gemeinschaft Ka- Bereich Nordrhein-Westfalen und zugleich Beisitzer der tholischer Soldaten (GKS) Kreis Wahn, für einen Famili- Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung ennachmittag ausgesucht. Viele waren seiner Einladung, e.V. mit 3:39 Stunden seine bisherige Zeit unterbieten. Ar- am Samstag den 30. August, gefolgt. tur Ernst, Bundesgeschäftsführer der GKS mit 26 Läufen der „Profi“ in der Gruppe, fungierte als „Pacemaker“ für Hubert Berners und zeigte sich mit dem Gesamtergebnis zufrieden. Komplettiert wurde die Gruppe durch Reinhard Sauerzweig, Matthias Hasebrink und dem Marathon-De- bütanten, Sandro Pflug. Die sechs Läufer verteilten sich auf vier Altersklas- sen und konnten aufgrund ihrer bisherigen Ergebnisse nicht in einem Startblock starten. Die Vorbereitungen für den Marathon wurden aber nach Möglichkeit koordiniert, um gemeinsame Läufe und Trainingseinheiten zu absol- vieren. Das harte Training hat sich ausgezahlt und keiner der Sportler trug Verletzungen davon. So konnte am darauf folgenden Tag auch noch der Berlinaufenthalt mit einem Besuch im Bundestag abge- schlossen werden. Eine Führung für das GKS-Team durch das Reichstagsgebäude hatte das Mitglied des Bundesta- ges Markus Grübel arrangiert, Vorsitzender der KAS e.V. und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholi- Ob die Diskussion auf der Wanderung um den ken (ZdK). Scheuermühlenteich wirklich um religiöse Themen ging, (Text und Bild: Walter Fröhler) bleibt das Geheimnis der jungen Männer

Das Nachmittagsprogramm startete nach der Begrü- ßung mit einer Gedenkminute an den in Afghanistan getö- GKS-Kreis Bonn teten Kameraden. Im Anschluss an die Kaffeerunde folgte ein Spaziergang unter der Führung von Stabsfeldwebel Dirk Zeit für die Liebe Ponzel rund um den Scheuermühlenteich. Ponzel führte die Teilnehmer durch die geschichtsträchtige Vergangen- om 15. bis 17. August trafen sich 28 Erwachsene und heit bis hin zur Zukunft des Scheuermühlenteiches. Die V21 Kinder aus dem GKS-Kreis Bonn bei herrlichstem Teilnehmer genossen auf dem Rundweg nicht nur die herr- Wetter im Ferienhaus Maria in der Aue, um gemeinsam mit lichen Farben der Natur sondern auch die warmen Son- Militärdekan Benno Porovne und StFw Joachim Lensch das nenstrahlen. Ein Wortgottesdienst unter der Leitung von Wochenende zu verbringen. Im Bildungsteil des Wochen- Stabsfeldwebel Ponzel in der Standortkapelle rundete den endes referierte Dipl. Ehetherapeutin Evamaria Wernze Familiennachmittag ab. über das Thema „Zeit für die Liebe“. Um den Heimweg, nach so viel Natur, nicht hungrig Ausgehend von der Tatsache, dass zwar jeder seine Si- bewältigen zu müssen gab es noch eine Stärkung in Form tuation anders wahrnimmt wie seine Umgebung, hat doch eines gemeinsamen Abendessens. Damit und mit vielen jeder die gleiche Zeit. Nämlich sein Leben, wobei keiner angeregten Gesprächen ging eine rundum gelungene GKS- von uns weiß, wie viel Zeit ihm gegeben ist, dies macht Veranstaltung ihrem Ende zu. ❏ wiederum alle gleich. Da wir in einer Leistungsgesell- schaft leben, Leistung sich definiert als Arbeit pro Zeit, schließt sich die Folgerung an, dass Zeit gleich Geld sei. Übrigens schon seit 1748, als ein Nationalökönom dies GKS-Kreis Köln sagte. Dass dies nicht richtig sein kann, enttarnt ein tiefer gehender Blick in die Schattenseite der Leistungsgesell- GKS beim Weltrekordlauf dabei schaft, denn der Hartz IV Empfänger hat zwar Zeit, aber garantiert kein Geld. eim 35. Berlin-Marathon am 28. September 2008 er- Nach diesem Exkurs über die Zeit, beschäftigte sich Breichten alle Läufer des Marathon-Teams der Gemein- die Referentin mit der Liebe. „Liebe ist ein Suchweg, der schaft Katholischer Soldaten das Ziel. Zeit braucht“, trug die erfahrene Ehetherapeutin vor. Die Das Wetter und die Stimmung passten und der am- erste Suche, um sich mit einem Partner zusammenzufin- tierende Weltrekordhalter, Haile Gebrselassie, war auch den, danach das Ausbalancieren der gegenseitigen Posi-

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tionen, die Suche nach der richtigen Kindererziehung, die GKS Kreis Bad Neuenahr – Ahrweiler Suche nach dem Partnerleben, wenn „die Kinder aus dem Haus sind“. Das ganze partnerschaftliche Leben ist eine GKS auf der Landesgartenschau in Bingen Suche nach dem gemeinsamen Weg in der gemeinsamen Zeit, denn sonst würde sich jeder selbst entwickeln, die er Sommerausflug des Kreises Bad Neuenahr-Ahr- Partnerschaft auseinander driften. Dweiler der Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) Um dies alles zu verdeutlichen, war Gruppenarbeit an- führte die Mitglieder mit ihren Familien zur Landesgarten- gesagt, man füllte gemeinsam eine Tagesuhr aus mit dem schau in Bingen. Mit dem Zug ging es Rheinaufwärts, den Ziel, die Zeiten festzuhalten, die man mit dem Partner Blick auf den Rhein und die wunderschönen Weinberge verbringt. Eine weitere Übung erforderte das Ausfüllen ei- ner Liste mit der Gegenüberstellung von erfüllter Zeit und verlorener Zeit, damit wurde man sich bewusster, wie man seine „Zeit verbringt“. Die nächste Übung, das Zuhören konnte nicht im erforderlichen Umfang geübt werden, da die Zeit dafür einfach zu knapp war. Jeder Partner sollte in der „Ich-Form“ 15 Minuten lang erzählen, wie er sich fühle, wie er die Dinge sähe. Danach sollte der Partner seine Sicht der Dinge darlegen, aber nicht kommentie- rend, sondern ebenfalls in der „Ich-Form“. Diese Übung erforderte zuviel Zeit, so dass man sich mit der Schilde- rung begnügen musste. In der letzten Übung füllten die Partner eine Zeitleiste aus, in der Zufriedenheit/Unzufrie- denheit dargestellt wurde. Interessanter Weise war immer bei Neuverwendungen der Soldaten die Zufriedenheit des Soldaten zwar hoch, die des Partners aber nicht, da er in des Rheingaus, vorbei an Burgen und der Loreley bis der die entstandene Lücke in der Familie „einspringen“, oder Mäuseturm und die Burgruine Ehrenfels in Bingen erreicht gar seinen Arbeitsplatz aufgeben musste. wurden. Nach einen zünftigen Frühstück im Zug betrat Fazit: In dem Bewusstsein, dass der Mensch fehlerhaft die Gruppe erwartungsfroh das Gelände der Gartenschau. handeln kann, bleibt das Streben, das Sich-Bemühen um Das Gelände liegt direkt am Rhein, man blickt auf Schiffe, die Vollkommenheit als Ziel eines gemeinsamen Lebens. Weinberge und das Niederwald-Denkmal. Und dann noch Dabei hilft die Einsicht, dass sowohl Liebe als auch die alles, was zu einer Gartenschau dazugehört: Blumenrabat- Vergebung Gnadengeschenke sind, die sich weder erzwin- te, Skulpturen, gestaltete Gartenanlagen, Ausstellungen, gen noch erarbeiten lassen. Spielplätze für Kinder und Jugendliche, Ruheoasen, usw. usw. Sie ist sehr schön die Landesgartenschau in Bingen und zur Freude der Veranstalter wird sie auch gut besucht. Auch die Kirchen sind dabei. Direkt am Rhein liegt der Kirchenpavillon und unmittelbar daneben steht ein schö- ner großer alter Baum, eine Eiche. Einen Garten der Sehn- süchte wurde von der evangelischen Kirche aufgebaut, der katholische Beitrag beschäftigt sich mit den vier Elemen- ten Feuer, Wasser, Luft und Erde. Nach einer Einweisung durch den Vorsitzenden Michael Wilke tauchte die Grup- pe der GKS ein in diese bunte Vielfalt, besuchte auch den Kräutergarten der Hildegard von Bingen und traf sich zum Abschluss des Tages am Kirchenpavillon zur Andacht an der großen alten Eiche. Da die Sonne den ganzen Tag herrlich schien, ließ es sich gut im Schatten des Baumes ausruhen. Dieser Baum Der Feldgottesdienst wurde mit Gitarrenmusik der verkörpert die Botschaft: Komm, Mensch, setz dich unter Teilnehmer umrahmt diesen Baum. Er bietet dir Schutz und spendet dir Schat- ten. Ruh dich aus, genieße die Landschaft und freu dich Nach dieser mit Arbeit erfüllten Zeit, wanderte die an der Natur, an Gottes guter Schöpfung. Und wenn du Gruppe zum Altenberger Dom und feierte mit Militärde- wieder zu hause bist, dann erinnere dich an diesen Baum kan Porovne im Freien bei herrlichstem Sonnenschein ei- und an die wunderschöne Landschaft. Und mach Dir klar, nen „Feldgottesdienst“. dass es deine – dir von Gott zugewiesene Aufgabe ist – die Zum Abschluss am Sonntag gab die versammelte Grup- Schönheit der Schöpfung zu erhalten. Und dafür zu sorgen, pe Joachim Lensch den Wunsch mit auf den Weg, auch im dass noch viele Generationen nach Dir unter einer solchen nächsten Jahr in diesem Haus ein Familienwochenende Eiche ausruhen können. zu organisieren. Nach dem Abendsegen trat die Gruppe mit vielen Eindrü- (Text und Bilder: Reinhold Gradl) cken die Heimreise ins Ahrtal an. ❏

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Bereich Süd Fusion der Bereiche Baden-Württemberg und Bayern

n den Bereichen Baden-Württemberg und Bayern wur- Iden durch Versetzungen in den Ruhestand sowie durch Versetzungen im Rahmen der dienstlichen Förderung Neuwahlen erforderlich. Im Verlauf der Arbeitskonferenz II im Dienstaufsichtsbezirk des Leitenden Militärdekans Süd, Msgr. Reinhold Bartmann, fusionierten bei dieser Gelegenheit diese beiden „Großbereiche“ zu einem ein- zigen Bereich „Süd“. Vom 26. bis 28. Oktober trafen sich v.l.n.r. OStFw a.D. Schneeberger, StFw Wagmann, die Delegierten beider Bereiche und wählten in Vierzehn- Msgr. Bartmann, Oberstlt Dargl, OStFw Kießner, OStFw heiligen ihren neuen, gemeinsamen Vorstand. Dabei wur- Strauß de auch der langjährige Vorsitzende Bayern, StFw Josef „Sepp“ Wagmann, verabschiedet, der sich in absehbarer dem ehemaligen Bereich Baden-Württemberg wurde der Zeit in den Ruhestand begeben wird, sowie sein Stellver- bisherige Stellvertreter StFw a.D. Alfred Bergmann und treter OStFw a.D. Georg Schneeberger, der sich schon im (neu) HptFw Raphael Sikorski (beide Veitshöchheim) als Ruhestand befindet. Die Wahlen brachten folgendes Er- Stellvertreter gewählt. Als Geschäftsführer im neuen Be- gebnis: Als Vorsitzender Süd wurde OStFw Peter Strauß reich wurde Hptm a.D. Albert Goll (Sonthofen) bestätigt. aus Roth gewählt, ihm zur Seite stehen zwei Stellvertreter Alle Gewählten nahmen die Wahl an und wurden durch für den alten Bereich Bayern, Oberstlt Wolfgang Dargl aus Msgr. Bartmann bestätigt. Sonthofen und OStFw Reinhard Kießner aus München. Aus (Text und Foto: Albert Goll)

Religionsunterricht gehört in die Schule ie stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles hat vor einer schwindenden Zahl kirchlicher DAngebote in der Öffentlichkeit gewarnt. Zugleich plädierte sie am Donnerstagabend in Berlin nach- drücklich für schulischen Religionsunterricht. „Religionsunterricht sollte an öffentlichen Schulen als or- dentliches Lehrfach gegeben werden“, sagte die frühere Juso-Bundesvorsitzende. Ohne die aktuelle Berliner Kontroverse um den Religionsunterricht ausdrücklich zu nennen, fügte sie hinzu, für sie bedeute Wahlfreiheit „echte Wahl“. Der Religionsunterricht sei für Heranwachsende eine Hil- fe dabei, zu selbstbewussten Menschen zu werden und nicht falschen Göttern nachzulaufen. Derzeit hat das Fach Religion in der Hauptstadt nur den Rang einer zusätzlichen Arbeitsgemeinschaft. Dagegen läuft bis Ende Januar ein Volksbegehren. Nahles sagte, ihr tue es „immer noch weh“, wenn Kirchengebäude abgerissen oder umfunktioniert würden. Gleichwohl gehe das Christentum über einen Ort aus Stein hinaus; dafür stehe die Menschwerdung Gottes. Trotzdem brauche es Gotteshäuser. Kirchen böten Raum für Begegnungen, die nicht gleich mit Nützlichkeits- erwägungen verbunden seien. Es gehe um Orte, die Transzendenz und die Fülle des Lebens vermittelten, nicht Zwänge oder Arbeit; Orte, an denen Menschen „zusammenkommen und keine Meetings abhalten“. Die Politikerin beklagte zugleich einen überzogenen Körperkult. Der Opferkult der alten Welt sei dem Körperkult der Gegenwart gewichen. Körper müssten um jeden Preis perfekt sein. Es sei oft schier nicht zu fassen, was Menschen mit ihrem Körper, „diesem Geschenk Gottes“, anstellen wollten. Nahles, die katholisch ist, äußerte sich bei einer Reihe „Politikerkanzel“ einer evangelischen Kirchen- gemeinde in Berlin-Schöneberg. Ihre Ansprache zum biblischen Bericht von der Vertreibung der Händler aus dem Tempel durch Jesus wurde von knapp 100 Zuhörern mit Applaus aufgenommen. (KNA)

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Auftrag_272.indb 69 21.11.2008 9:02:50 Uhr BUCHBESPRECHUNG

Buchbesprechung Alfred von Tirpitz in seiner Zeit m Allgemeinen weiß man von Alfred den Admiralstabslehrgang an der neuen den Einflüssen zugetan und konnte sei- Ivon Tirpitz nur, dass er der Schöpfer Marineakademie. ne Meinung auch mal ändern. In diesem und Motor der deutschen Hochseeflotte Sein Aufstieg in der jungen deutschen Abschnitt des Buches greift der Autor war, welche den Deutschen die Sektsteu- Marine beginnt mit seiner Verwendung auf Aufzeichnungen aus dem reichhal- er brachte und das Verhältnis zu Großbri- in der Torpedoversuchs- und Prüfungs- tigen schriftlichen Nachlass zurück, um tannien so schädigte, dass das Vereinigte kommission. Von da an werden die Vor- das Ringen um Meinungen und die Mü- Königreich gegen das Kaiserreich in den gesetzten auf den strebsamen Marineof- hen des mit Immediatrechts versehenen Weltkrieg eingegriffen hat. fizier aufmerksam, der ohne Scheuklap- Staatssekretärs zu schildern. Dies wird dem Menschen Alfred von pen Probleme anspricht und Lösungen Auch hier wird der Autor seinem An- Tirpitz (19.03.1849 – 06.03.1930) in anbietet. Nach 11 Jahren verlässt er die- spruch gerecht, Alfred von Tirpitz in sei- keinster Weise gerecht. Der promovier- sen Bereich, um in mehreren Verwendun- ner Zeit zu sehen, indem er gleichfalls te Historiker Dr. Franz Uhle-Wettler be- gen Truppen- und Führungserfahrung zu seine Gegenspieler (vor allem in England) schreibt in der zweiten Auflage seines sammeln. schildert. Die innerdeutschen Widerstän- Werkes über den Großadmiral, der im- Mit seiner Ernennung zum Staatsse- de werden geschildert und welche Maß- merhin fast 17 Jahre lang Staatssekretär kretär im Reichsmarineamt war Tirpitz nahmen Tirpitz ergriffen hat, um seine des Reichsmarineamtes war, nicht nur dann auch noch Politiker, war er doch Vorstellung durchzusetzen. Da sein Ar- den Menschen, sondern auch den Sol- durch die Stellung verantwortlich für beitsstil nichts anderes zuließ, als Proble- daten und den politischen Offizier Tir- die Budgetierung der Marine. Der Autor me von allen Seiten zu beleuchten, bevor pitz, ob er jetzt Politiker sein wollte oder er seinen Entschluss fasste, war Tirpitz nicht. An der Stelle, an der diese lange von seinen Vorstellungen durchdrungen Zeit wirkte, war sein Handeln stets ein und konnte nur durch eine ebenso sach- Ringen mit der Politik (zur Bewilligung gerechte Argumentation vom Gegenteil der Gelder) und sein Werk hatte natürlich überzeugt werden. politischen Charakter (Bündnisfähigkeit So schildert Uhle-Wettler das Ringen des Reiches). im Krieg um die richtigen Entschlüsse Der Autor schildert den jungen Men- bis hin zur Entlassung des unbequemen schen Tirpitz, der in einem gutbürgerli- Staatssekretärs 1916, der in die operati- chen Elternhaus aufwuchs, der letztend- ve Führung der Marine nicht eingreifen lich zur Marine ging, um der „Schulmi- konnte. Zu diesem Zeitpunkt war Tirpitz sere“ zu entkommen. Der als Nichttech- 67 Jahre alt. Nach dem Krieg versuchte niker, aber als Pragmatiker die Probleme er parteiübergreifend für Deutschland der Torpedowaffe in verantwortlicher Po- zu wirken, was aber zu der damaligen sition ganz wesentlich zu lösen half, die- Zeit nicht möglich war. So verbrachte der se neuentwickelte Waffe aber sogleich im Großadmiral seine letzten Jahre in der seekriegs-strategischen Zusammenhang Deutschnationalen Volkspartei, er trat sah und so zunehmend in eine Vordenker- stets gemäßigt auf, strebte nie nach Par- rolle hineinwuchs. Um diesen Lebensab- teiämtern, denn Intrigen waren seinem schnitt besser verstehen zu können, lässt Wesen fremd. der Autor noch einmal kurz Marinege- schichte aufleben. Damit wird der Autor Das Buch ist flüssig geschrieben, ein dem Titel gerecht, Alfred von Tirpitz in beschreibt in diesem Abschnitt eben- geschichtlich interessierter Leser wird seiner Zeit zu sehen. falls das nötige Hintergrundwissen, um es nicht nur einmal zur Hand nehmen, Seine Ausbildung in der Marine, wäh- die Handlungsweise von Tirpitz besser da die ausführliche Quellen- und Lite- rend Preußen in zwei Kriegen zuerst die verstehen zu können. Denn jetzt kommt raturangabe bemerkenswert ist und zum Deutsche Frage löst und danach das Reich die Schaffung der deutschen Reichs- Zitieren geradezu einlädt. Es beleuchtet einigt, wird ebenso detailliert geschildert, flotte, die in der Schlacht im Skagerrak ein Kapitel der deutschen Geschichte wie auch die Leistungen der Brüder an- mehr als einen Achtungserfolg gegen (und Militärgeschichte), die nach wie vor gesprochen werden. Der heutige Leser die damals mächtigste Flotte der Welt von Vorurteilen geprägt ist. Dabei wird die vergisst zu schnell, dass in der damaligen erkämpft hat. Ausführlich geht der Au- Zeitgeschichte nicht auf Deutschland fo- Zeit der Krieg ein legitimes Mittel war, tor in die Beschreibung des Wirkens des kussiert, sondern im europäischen Rah- seine Staatsinteressen zu verwirklichen Staatssekretärs, seine Verantwortlich- men gesehen, mit dem Anwachsen des und durchzusetzen. Ab 1870 beschäftigt keiten, wie er seine Vorlagen auch im amerikanischen Einflusses darüber hi- sich Tirpitz (wie ein großer Teil der Deut- Reichstag durchsetzte und wie er stets naus. So wird der Autor der geschichtli- schen) mit der Frage, ob eine Marine not- das Ziel verfolgte, Deutschland eine chen Person und dem Titel des Buches wendig sei und wie stark sie sein müsse. Flotte zu geben, mit der das Reich ein „Alfred von Tirpitz in seiner Zeit“ mehr Hierin zeigt der Autor die Eigenschaft willkommener Bündnispartner werden als gerecht. (BB) Tirpitz, ein Problem mehrdimensional könnte. Ebenso wird die Spitzenglie- zu betrachten, um danach ebenso detail- derung des Reiches geschildert, die Franz Uhle-Wettler: „Alfred von liert Stellung zu beziehen. Tirpitz macht nicht unbedingt zum Gelingen beitra- Tirpitz in seiner Zeit“, Ares Ver- früh auf sich aufmerksam und besucht gen konnte, war doch der Kaiser frem- lag, Graz 2008. 559 S., geb.

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Auftrag_272.indb 70 21.11.2008 9:02:51 Uhr TERMINE

Termine für das Laienapostolat in der Kath. Militärseelsorge

2009 Allg. Termine u. Bundesebene KMilD Mainz / GKS Nordrhein-Westfalen Termine lagen bei Redaktionsschluss nicht vor 08.01. Internationaler Soldatengottesdienst KMilD München / GKS Bayern u. im Hohen Dom zu Köln Baden-Württembg 24.01. Jahresempfang MGV in Berlin Termine lagen bei Redaktionsschluss nicht vor 24.-25.01 KR-Vorst.-Sitzung in Berlin 24.-25.01. Sitzung EA GKS in Berlin 05.03. Weltfriedenstag GKS in Bonn GKS-Sachausschüsse 22.-26.04. Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg SA »Innere Führung« 08.-09.05. VV ZdK 26.-28.10. gem. Sitzung SA S+F in Berlin 13.-19.05. 51. Internationale Soldatenwallfahrt, SA »Sicherheit und Frieden« Lourdes 26.-28.10. gem. Sitzung SA InFü in Berlin 03.-07.06. Seminar 3. Lebensphase, Cloppenburg Internationaler SA 20.-24.05 32.Deutscher Evangelischer Termine lagen bei Redaktionsschluss nicht vor Kirchentag, Bremen 20.06. KR-Vorst.-Sitzung in Hamburg 26.-28.06. gem. Sitzung SA S+F u. InFü in Berlin Vorschau 2010 13.-19.09. 49. WdB in Hamburg 13.-14.09. Vorkonferenz, 23.01.10 Sitzungen KR-Vorstand, EA-GKS, 14.-17.09. Katholikenrat (KR) Jahresempfang MGV in Berlin 17.-19.09. BuKonf GKS 16.-17.04.10 VV ZdK, Bad Godesberg 19.-23.10. 54. Gesamtkonferenz 21.-25.04. Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg der kath. Militärseelsorge 12.-16.05.10 2. Ökumenischer Kirchentag in München 21.-25.10. Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg 09.-13.06.10 Seminar 3. Lebensphase, Cloppenburg 07.11. KR-Vorst.-Sitzung, Berlin 18.-20.06. Seminar für Funktionsträger, 20.-21.11. VV ZdK, Bad Godesberg Mülheim / Ruhr 19.-20.11.10 VV ZdK, Bad Godesberg Regionale Zuständigkeit Bereichs- / Arbeitskonferenzen / der Katholischen Militärdekanate KMilD Kiel: Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schles- Familienwochenenden wig-Holstein, Dienststellen im Bereich des Flottenkommandos KMilD Mainz: Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland- KMilD Kiel / GKS Nord / Küste Pfalz, Saarland 13.-15.03. AK I in Berklum KMilD München: Bayern, Baden-Württemberg 13.-15.11. AK II in Salem KMilD Erfurt: Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen, KMilD Erfurt / Hannover / GKS Bereich NS / Ost Sachsen-Anhalt, Bremen, Niedersachsen Termine lagen bei Redaktionsschluss nicht vor

VERWENDETE ABKÜRZUNGEN: AGKOD – Arbeitsgemeinschaft Katholischer Organisationen Deutschlands, AK – Arbeitskonferenz beim Kath. Leitenden Militärdekan im KMilD ..., AMI – Apostolat Militaire International, BK – Konferenz der GKS im Bereich ..., BuKonf – Bundeskonferenz der GKS, BV GKS – Bundesvorstand der GKS, EA – Exekutivausschuss, GKMD – Gemeinschaft der kath. Männer Deutschlands, IS – Internationaler Sachausschuss, IThF – Institut Theologie und Frieden, Hamburg, KMilD – Kath. Militärdekanat, MGV – Militärgeneralvikar, SA InFü – Sachausschuss »Innere Führung«, SA S+F – Sachausschuss »Sicherheit und Frieden«, WB – Wehrbereich, WdB – Woche der Begegnung, KR – Katholikenrat beim Militärbischof, VV ZdK – Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

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Auftrag_272.indb 71 21.11.2008 9:02:51 Uhr Impressum AUFTRAG ist das Organ der GEMEINSCHAFT KATHOLISCHER SOLDATEN (GKS) und erscheint viermal im Jahr. Hrsg.: GKS, Am Weidendamm 2, Das Kreuz der GKS 10117 Berlin Das »Kreuz der GKS« ist das Symbol www.katholische-soldaten.de der Gemeinschaft Katholischer Sol- Redaktion: verantwortlicher Redakteur daten. Vier Kreise als Symbol für die Bertram Bastian (BB), GKS-Kreise an der Basis formen in Paul Schulz (PS), Oberstlt a.D., Redakteur, einem größeren Kreis, der wiederum Klaus Brandt (bt), Oberstlt a.D., Redakteur die Gemeinschaft ver sinnbildlicht, ein Zuschriften: Redaktion AUFTRAG c/o Bertram Bastian, Kreuz, unter dem sich katholische Sol- Rochusstr. 67, 53123 Bonn, daten versammeln. Tel: 0178-4025613, Fax: 0228-6199164, E-Mail: [email protected] Für unverlangte Einsendungen wird keine Haftung übernommen. Namensartikel werden allein vom Verfasser verantwortet. Nicht immer sind bei Nachdrucken die Inhaber von Rechten feststellbar oder erreichbar. In solchen Aus- nahmefällen verpfl ichtet sich der Herausgeber, nachträglich geltend gemachte rechtmäßige Ansprüche nach den üblichen Honorarsätzen Der Königsteiner Engel zu vergüten. Der »siebte Engel mit der siebten Posaune« Druck: Verlag Haus Altenberg GmbH, (Offb 11,15–19) ist der Bote der Hoff- Carl-Mosterts-Platz 1, 40477 Düsseldorf. Überweisungen und Spenden an: nung, der die uneingeschränkte Herrschaft GKS e.V. Berlin, Pax Bank eG Köln, Gottes ankündigt. Dieser apokalyptische BLZ: 370 601 93, Konto-Nr.: 107 495 018. Engel am Haus der Begegnung in Königstein/ Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Ts., dem Grün dungsort des Königsteiner Genehmigung der Redaktion und mit Quellenangabe. Nach be stellung gegen Offi zier kreises (KOK), ist heute noch das eine Schutzgebühr von EUR 10,- an Tradi tionszeichen der GKS, das die katho- den ausliefernden Verlag. lische Laienarbeit in der Militärseelsorge seit mehr als 40 Jahren begleitet. ISSN 1866-0843

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