Postmigrantische Balkanbilder
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Zurich Open Repository and Archive University of Zurich Main Library Strickhofstrasse 39 CH-8057 Zurich www.zora.uzh.ch Year: 2018 Postmigrantische Balkanbilder. Ästhetische Praxis und digitale Kommunikation im jugendkulturellen Alltag Ritter, Christian Abstract: Im Social Web inszenieren Jugendliche eine gemeinsame Herkunft aus den westlichen Balka- nstaaten auf vielfältige Art. Dabei entstehen Fotografien und Collagenbilder, über welche stereotype Vorstellungen des «Balkanischen» verhandelt werden. Das Buch gibt Einblick in die Medienwelten post- migrantischer Jugendkulturen im deutschsprachigen Europa, vor allem in der Schweiz. Anhand zahlre- icher Beispiele wird gezeigt, wie Vorstellungen von Ethnizität und Herkunft im Umgang mit digitaler Fotografie und Online-Kommunikation angeeignet, aber auch reproduziert werden. Im Zentrum ste- hen die intermedialen Praktiken, durch welche Symbole und Narrative aus Jugend- und Populärkultur sowie aus nationalen Diskursen zu neuen Erzählungen des «Balkanisch-Seins» verwoben werden. Dabei geht es immer auch um die Ambivalenz von kreativer Anrufung und sozialer Ermächtigung in Prozessen gesellschaftlicher Ästhetisierung. DOI: https://doi.org/10.33057/chronos.1416 Posted at the Zurich Open Repository and Archive, University of Zurich ZORA URL: https://doi.org/10.5167/uzh-183823 Monograph Published Version Originally published at: Ritter, Christian (2018). Postmigrantische Balkanbilder. Ästhetische Praxis und digitale Kommunikation im jugendkulturellen Alltag. Zürich: Chronos. DOI: https://doi.org/10.33057/chronos.1416 Christian Ritter Postmigrantische Balkanbilder Ästhetische Praxis und digitale Kommunikation im jugendkulturellen Alltag Kulturwissenschaftliche »»» Technikforschung zurück Kulturwissenschaftliche Technikforschung, herausgegeben von Thomas Hengartner Band 8 zurück Christian Ritter Postmigrantische Balkanbilder Ästhetische Praxis und digitale Kommunikation im jugendkulturellen Alltag zurück Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen National fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philo sophie (Dr. phil.). Kunsthochschule für Medien Köln, Bereich Kunst- und Medienwissenschaften. Erstgutachter: Prof. Dr. Hans Ulrich Reck, Kunsthochschule für Medien Köln. Zweitgutachter: Prof. Dr. Thomas Hengartner, Collegium Helveticum von ETH Zürich, Universität Zürich und Zürcher Hochschule der Künste. Verteidigt am 28. 11. 2016. Die in der Publikation verwendeten Quellen wurden im Rahmen einer wissen schaftlichen Studie erhoben. Ihre Veröffentlichung erfolgt zu aus- schliesslich wissenschaftlichen Zwecken. Kunsthochschule für Medien Köln Academy of Media Arts Cologne Informationen zum Verlagsprogramm: www.chronos-verlag.ch Umschlagfoto: www.facebook.com/albaner.albania © 2018 Chronos Verlag, Zürich Print: ISBN 978-3-0340-1416-8 E-Book (PDF): DOI 10.33057/chronos.1416 zurück Inhalt Einleitung 7 Einstieg ins Thema 7 Theoretische Rahmung 10 Forschungsfeld und Untersuchungsgegenstand 25 Methodische Überlegungen 30 Aufbau des Buches 35 1 Ethnizität als Stellvertretercode 37 Balkanmigration und die postmigrantische Schweiz 37 Problematisierung und Diskursivierung des Balkans 40 Ethnizität als Stellvertretercode 45 Anrufung und Umdeutung ethnischer Identität 46 2 Intermedialität im postmigrantischen Alltag 53 Translokale Kommunikation als postmigrantische Erfahrung 53 «Ich schaue eigentlich in beide Richtungen»: Transkulturelle Medienrezeption als Ressource 58 Zirkulierende Symbole im jugendkulturellen Alltag 63 Intermedialität und Transkulturalität 71 3 Aneignung nationaler Symbole 77 «Textual poaching» im digitalen Zeitalter 77 Kontext: Nationale Symbole im Alltag 81 Objekte materieller Kultur 82 Das Echo der jugoslawischen Desintegration 88 Populärkulturelle Überformung 91 «Schweizer Stars jubeln auf Albanisch»: Nationale Symbole in der Öffentlichkeit 98 Jugendkulturelle Überformung 105 Ästhetik der Militanz 112 «Shine Ya Light»: Populär- und alltagskulturelle Codierungen albanischer Identität 118 zurück 4 Flagge, Körper, Bild 125 Fotografische Selbstdarstellung und digitalisierte Kommunikation 125 Flaggenselfies 134 Die Landesflagge küssen 141 «Nationalstolz» als Differenzen überwindende Praxis? 146 Augenbilder 149 5 Balkanbilder 157 Medienamateure zwischen Hegemonie und Widerständigkeit 157 Kontext: Die Facebook-Seite «Ich liebe den Balkan» 162 Balkan-Memes 163 Orientalisierung postmigrantischer Alltagskultur 165 «50 Shades of Pite»: Esswaren als fotografisches Motiv 169 Technikerzählungen 173 Soziale Rollen und Konflikte 176 «Balkan-Heritage» und Nationalgeschichte 180 Urlaub versus Alltagsleben 187 Orte und Grenzen 191 6 «Balkan-Style» 199 Ethnisierung als jugendkulturelle Praxis 199 «Balkan-Reality»: Ethnizität und sozialer Status im Nightlife 206 Do-it-yourself-Glamour 216 Sex & Crime als transnationales Narrativ 220 Schluss 233 Zusammenfassung 234 Ausblick 237 Literatur 243 Quellen 256 Abbildungen 261 Dank 265 7 zurück Einleitung Dieses Buch befasst sich mit der Konstruktion und Verhandlung von «Ethnizität» im transkulturellen Europa und deren Hinterlegung durch digi- talisierte Kommunikations- und Kameratechnik. Im Zentrum stehen die (inter)medialen und interaktiven Praktiken des «doing ethnicity»1 von Jugend lichen und jungen Erwachsenen, deren Eltern aus den Nachfolgestaa- ten des ehemaligen Jugoslawiens ins deutschsprachige Europa ausgewandert sind. Aufgrund der besonderen demografischen Situation sowie der gesell- schaftspolitischen Debat ten um «kulturelle Identität»2 von Personen aus den westlichen Balkanstaaten hat die Studie die Schweiz als Ausgangspunkt, sie ist aber nicht auf diese beschränkt. Vielmehr wird den «Flugbahnen» der «global zirkulierenden Artefakte, Sinnangebote und Identitätsentwürfe»3 gefolgt, die sich zwischen verschiedenen sozialen, diskursiven, technisch-medialen wie auch räumlichen und geografischen Kontexten bewegen und diese miteinan- der verbinden. Die Untersuchung erfolgt aus der Perspektive kulturwissen- schaftlicher Alltags- und Medienforschung und ist situiert an der Schnittstelle von Empirischer Kulturwissenschaft/Europäischer Ethnologie und Medien- wissenschaft. Die Arbeit soll einen Beitrag leisten zu einem besseren Ver- ständnis des Zusammenhangs von Digitalität, Transkulturalität und visueller Kultur im postmigrantischen Alltag. Darüber hinaus geht es darum, exemp- larische Aspekte des soziotechnischen und soziokulturellen Wandels in ihrer alltagskulturellen Dimension zu beschreiben und zu verstehen. Einstieg ins Thema Wie die digitalisierte Kommunikations- und Kameratechnik an der ju- gendkulturellen Konstruktion von Ethnizität beteiligt ist, verdeutlicht ein ers- tes Beispiel aus der ethnografischen Recherche. Es handelt sich um ein Bild, das in der Frühphase der Studie im Jahr 2010 auf der Social-Networking-Site 1 Zum Begriff «doing ethnicity» vgl. S. 48 f. 2 «Identität» wird in der vorliegenden Publikation als ein diskursiver Begriff verstanden, dessen Prozesshaftigkeit selbst Gegenstand der Analyse ist. Dies betrifft insbesondere hegemoniale Vorstellungen einer kulturellen, ethnischen oder nationalen Identität. Für eine bessere Lesbarkeit wird darauf verzichtet, die Begriffe durchgängig durch An- führungsstriche auszuzeichnen. 3 Gisela Welz: Moving Targets. Feldforschung unter Mobilitätsdruck, in: Zeitschrift für Volkskunde, 94 (1998), S. 117–194, hier S. 189. zurück 8 Netlog erhoben wurde.4 Auf der Fotografie ist eine junge Frau zu sehen, die vor einer Wand mit aufgemalten Landesflaggen steht. Sie reckt den Kopf, um die mazedonische Flagge zu küssen (Abb. 1). Das Bild wurde auf dem Onlineprofil einer in der Schweiz lebenden Use- rin mit Nickname «x_BlinG_BlinG» veröffentlicht.5 Die persönlichen Angaben auf der Seite bestätigen die Annahme, dass die junge Frau einen mazedonischen Hintergrund hat. Was auf dem Bild zu sehen ist, ist eine symbolische und per- formative Bezugnahme auf das Herkunftsland ihrer Eltern. Mit ihrem Kuss bezieht sich die junge Frau implizit auf eine politische Ikonografie, durch welche die ritualisierte Bezeugung von Landestreue (Fahneneid) zum Ausdruck ge- bracht wird.6 Dass das jugendkulturelle doing ethnicity auf kulturellen Prakti- ken und sozialen Konventionen abhebt, die auch ausserhalb des Internets und bereits in vordigitalen Zeiten Bestand hatten, ist kennzeichnend für den Um- gang mit digitalisierter Kommunikations- und Kameratechnik. Typisch ist aber auch, dass diese unter den veränderten technischen und sozialen Bedingungen nicht einfach weitergeführt, sondern in ihrer Ästhetik und Bedeutung über- formt werden. Auch dies lässt sich am Beispiel von «x_BlinG_BlinG» zeigen: Wird der Maus-Cursor innerhalb des Bildes auf die mazedonische Flagge be- wegt, erscheint im Browser ein Feld mit einem mehrzeiligen Text (Abb. 2). Passend zum fotografischen Motiv handelt der Text von der Liebe der Mazedonier zu ihrem Land, welcher «mit der schönsten Flagge über mir» Ausdruck verliehen wird: Wir Mazedonier bringen die Strassen zum beben indem wir unsere Fahne heben! Unser Stolz? Unzerbrechlich. Unsere Schönheit? Unwiderstehlich! Wir sind Mazedonier, deswegen auch unsterblich! Von Norden nach Süden, von Osten nach Westen, wir Mazedonier sind weltweit die Besten! Mein Land & mein Stolz & meine Heimat Makedonija. Makedonija, ich stehe hinter dir mit der schönsten Flagge über mir! <37 4 Die Plattform erfreute sich um die 2010er-Jahre insbesondere bei sehr jungen UserIn- nen grosser Beliebtheit. 2014 ist die Seite in das soziale Netzwerk