Dr. Werner Schneyder Autor, Schauspieler, Ex-Kabarettist Im Gespräch Mit Klaus Kastan
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BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks http://www.br-online.de/alpha/forum/vor0201/20020125.shtml Sendung vom 25.01.2002, 20.15 Uhr Dr. Werner Schneyder Autor, Schauspieler, Ex-Kabarettist im Gespräch mit Klaus Kastan Kastan: Herzlich willkommen zu Alpha-Forum. Unser heutiger Gast hat viele Berufe: Er ist Schriftsteller, Regisseur, Fernsehentertainer, Moderator, Chansonsänger, Publizist, Lokal- und Sportreporter, Boxkampfrichter, Werbetexter, Dramaturg und ganz nebenbei ist er auch noch Dr. phil. Wenn Sie ihn sehen, dann sagen Sie sicher: "Das ist doch der Werner Schneyder, der Kabarettist." Aber das ist er gar nicht mehr, oder? Schneyder: Ja, seit fünf Jahren nicht mehr. Kastan: Aber damit werden Sie nach wie vor identifiziert. Schneyder: Die Leute tun sich schwer damit, sich vorzustellen, dass jemand, der etwas lange gemacht hat, das nun nicht mehr macht. Wir leben wohl in einem Sprachraum, in dem die Leute von der Wiege bis zur Bahre etwas ganz Bestimmtes sind und sein müssen. Sie müssen sich in dieser einen Disziplin auch ständig perfektionieren, sie wollen darin berühmt werden usw. So ein Crossover-Mensch wie ich ist da doch ein bisschen ungewohnt: Er verwirrt die Leute auch gelegentlich. Kastan: Da wird man also sehr schnell in Schubladen gesteckt, obwohl man eigentlich nicht nur in eine, sondern in viele hineingehört. Schneyder: Man wird eben nicht in Schubladen gesteckt, weil das nicht möglich ist. Deswegen wird man in den entsprechenden Schubladen auch nicht gefunden. Das heißt also – das ist eine kleine Beschwerde, die ich nun loswerden möchte –, dass dann, wenn die Schublade "Literatur" aufgezogen wird und man unter "sch" nachsieht, Schneyder nicht dabei ist. Auf die Rückfrage, warum denn Schneyder nicht dabei ist, bekommt man die Antwort: "Aber der ist doch auch das und noch das und noch jenes usw." Insofern bin ich also überhaupt kein vielseitiger Mensch, sondern ein sehr einseitiger: Ich übe einen Beruf aus und der Beruf heißt "Werner Schneyder". Kastan: Ein Name, ein Programm. Schneyder: Ja, für mich. Kastan: Wenn man sich mit Ihrer Biographie beschäftigt, dann fallen einem zunächst einmal diese vielen Berufe auf, die Sie dann doch durchaus hatten. Mit 15 Jahren haben Sie z. B. schon die ersten Sportreportagen geschrieben für eine Zeitung. Schneyder: Ich nenne das nicht Berufe, ich nenne das Tätigkeiten. Kastan: Wie auch immer. Sind Sie eigentlich von der einen Tätigkeit immer weggelaufen zu einer anderen? Schneyder: Ich habe mich eigentlich immer gefordert und zwar deshalb, weil ich mich nie langweilen wollte. Ich wollte in meinem Leben nicht nur die Leute unterhalten, sondern auch mich. Ich finde es ganz wichtig, dass man nicht fachidiotisch verblödet in irgendeiner Schiene. Wenn man so ein Triebtäter ist wie ich, dann hat man immer Sehnsucht nach etwas Neuem. Man hat auch das Gefühl, dass man noch für etwas anderes eine Begabung oder eine Leidenschaft haben könnte. Man möchte jedenfalls geklärt haben, ob das auch wirklich eine Begabung oder lediglich eine Illusion ist. Sich in der Weise zu testen, macht schon Spaß. Kastan: Die "Welt" hat einmal über Sie geschrieben: "Hansdampf in allen Unterhaltungsgassen." Kränkt Sie das etwas, denn "Hansdampf" ist ja doch eher negativ belegt? Schneyder: Ach, wenn es in der "Welt" steht, ich bitte Sie. Kastan: Dann kränkt einen das nicht so sehr? Schneyder: Nein. Kastan: Hauptsache, es wird überhaupt über jemanden geschrieben, oder? Schneyder: Wie Oscar Wilde schon gesagt hat: Die Hauptsache ist, dass der Name richtig geschrieben wird. Was bei mir aber gelegentlich nicht der Fall ist, weil dieses "y" doch etwas ungewohnt ist. Aber dieser Buchstabe ist nicht zugelegt, nein, ich bin so geboren. Kastan: Darüber sind Sie wohl auch ganz froh, denn "Schneider" gibt es ja viele. Aber einen Schneyder mit "ey" nur einmal. Schneyder: Ja, jedenfalls gibt es in der Öffentlichkeit nur einen. Kastan: Was machen Sie ganz aktuell? Schneyder: Ich stelle ganz aktuell ein Buch vor. Es heißt "Ansichten eines Solisten" und ist sozusagen ein bilanzierendes Meinungsbuch mit Essays, mit Polemiken, mit Parodien usw. Es ist ein recht umfangreiches Buch geworden. Ich kann es vielleicht auch mal herzeigen, wenn man eine Kamera darauf richten möchte. Kastan: Sie haben es ja deswegen extra mitgenommen. Schneyder: Ja, extra mitgenommen, in aller Unschuld natürlich! Aus diesem Buch kann ich in der Tat viel vorlesen. Bevor ich damit aber auf die große Lesereise gehe, mache ich noch mit Nikolaus Harnoncourt in Salzburg zusammen den "Schauspieldirektor": Das ist dieses kleine entzückende Singspiel von Mozart, das ich bearbeitet habe. Bei dieser Aufführung konferiere ich und spiele auch selbst den Schauspieldirektor. Danach inszeniere ich in Klagenfurt noch die vergessene und von mir ausgegrabene Lehar-Operette "Eva". Ein Stück mit sehr, sehr guter Musik, das jedoch ein nicht spielbares Buch hat. Dieses Buch musste man also erst herrichten. Dann gehe ich, wie gesagt, auf diese große Lesereise. Im Juni habe ich ein paar Galas mit dem Diabelli-Trio: mit Weinlyrik und Weinliedern. Dann ist der Sommer und im Herbst gehe ich dann noch einmal mit dem Hildebrandt zusammen und dem Stück "Sunny Boys" auf Tournee. Kastan: Diese Zusammenarbeit mit Dieter Hildebrandt gibt es also nach wie vor. Schneyder: Ja, aber auf anderem Gebiet, nicht mehr auf dem Gebiet des Kabaretts, sondern auf dem Gebiet des Theaters. Das heißt, wir gehen da mit diesem wunderbaren Stück von Neil Simon, das wir uns erarbeitet haben, zusammen auf Tournee. Die persönliche, die private Beziehung zu ihm ist ja immer aufrecht geblieben. Kastan: Sie sind ja nicht als Kabarettist oder Künstler geboren, wie ich vermute. Sie haben Abitur gemacht, Sie haben studiert, Sie haben den Doktor phil. gemacht usw. Sie haben damals Kulturgeschichte studiert... Schneyder: Ja, ein bisschen Kunstgeschichte. Aber das war nur das Nebenfach, denn mein Hauptfach war Publizistik. Kastan: Sie haben jedenfalls in diesem Fach auch promoviert. Schneyder: Ja. Kastan: Wissen Sie denn noch das Thema, über das Sie promoviert haben? Schneyder: Ja, das war ein sehr aufwendiger Titel, denn es hieß so ungefähr: "Die Wechselwirkung zwischen Herausgeberprogramm und publizistischem Erfolg." Das klingt irrsinnig hochtrabend. Kastan: War es das auch? Schneyder: Nein. Ich weiß nicht, ob ich das hier sagen kann. Sagen Sie mal, wird diese Ihre Sendung eigentlich auch von Schülern und Studenten gesehen? Kastan: Die dürfen durchaus zuschauen, ja. Schneyder: Nun ja, ich weiß nicht, ob es pädagogisch zu verantworten ist, was ich da nun sage. Kastan: Das verantworten dann wir. Schneyder: So, das verantworten Sie. Nun gut, diese Dissertation war auf eine geniale Weise geklaut. Es gibt nämlich von Ortega y Gasset das von mir damals sehr verehrte Buch "Aufstand der Massen". In diesem Buch geht es um die Untersuchung des Verhältnisses zwischen Führer und Masse bzw. Gefolgschaft. Er vertritt dabei folgende These: Der Führer dirigiert die Masse und dadurch entsteht ein Massenwille, der wiederum den Führer in die Pflicht nimmt. Der Führer ist also über dieses Echo seinerseits in der Pflicht und kann sich nicht mehr wirklich bewegen. Ich habe mir dann gedacht, dass das doch eigentlich genau dem Verhältnis zwischen Zeitungsherausgeber und Abonnent bzw. Zeitungskäufer entspricht. Ich habe mir also den Ortega y Gasset links von mir neben die Schreibmaschine gelegt, habe Papier eingespannt und mir überlegt, wie das denn im Journalismus aussieht. Insofern war ich mit dieser Dissertation auch sehr rasch fertig. Kastan: Hauptsache man weiß, wie es schnell geht. Danach waren Sie also Dr. phil. Sie hatten jedoch bereits davor im Journalismus gearbeitet. Sie haben sich immer schon für Sport interessiert und waren daher ganz zu Beginn auch mal Sportreporter bei einer kleinen Zeitung. Schneyder: Ja, das war der Einstieg. Ich mit 15 1/2 Jahren – ich weiß heute nicht mehr warum – zur Provinzausgabe einer Provinzzeitung gegangen. All das gibt es heute nicht mehr: Diese Zeitung ist heute in der österreichischen Innenpolitik eine sehr wichtige Zeitung geworden. Ich ging also dorthin und habe gesagt, dass ich Journalist werden möchte. Da saßen zwei so altgediente Haudegen in der Redaktion und der eine von den beiden hat zu mir gesagt: "Na, Burschi, was kannst denn?" - "Eigentlich nichts", habe ich gestammelt. "Verstehst was vom Fußball?" - "Na ja freilich, ich bin doch Fußballtorwart!" Daraufhin sagte er zu seinem Kollegen: "Besetz ihn mit einem Unterklassenmatch!" So ging ich also zu diesem Unterklassenspiel, sah mir das an, ging nach Hause und kam dann darauf, dass ich ja gar nicht Schreibmaschine schreiben kann. Ich habe also ein Blatt eingespannt und das dann mit Schweiß auf der Stirn und mit zwei Fingern auf dieser alten Remington von der Mutter heruntergetippt. So wurde ich Journalist, genauer gesagt, zunächst einmal Sportjournalist. Kastan: Danach haben Sie dann auch über Lokales geschrieben. Schneyder: Ja, aber zunächst einmal musste ich meine sportjournalistische Palette ausweiten. Ich wurde also bald einmal zum Boxen geschickt. Daraufhin habe ich dann meinen ersten Bericht über einen Boxkampf geschrieben. Nach diesem Bericht hat mich dann ein Boxtrainer angerufen: Der Bericht muss wirklich ein unglaublicher Blödsinn gewesen sein. Denn dieser Trainer hat zu mir gesagt: "Burschi, wenn du schon über Boxen schreiben willst, dann solltest du wenigstens ein bisschen Ahnung davon haben!" Man würde das heute einigen Journalisten auch gerne mal wünschen: dass sie nämlich von einem Trainer angerufen und ins Cafehaus bestellt werden, wo ihnen dann diese Sache einmal wirklich erklärt wird. Das war also mein erster Schritt zum Boxen. Danach kam dann noch das Eishockey dazu. Und danach kam dann bald das Lokale: Da durfte ich dann schon über die Preise fürs Gemüse auf dem Wochenmarkt schreiben. Ich kann mich auch noch daran erinnern, dass ich damals die erste Caterina Valente Tournee rezensieren durfte. Da war ich vielleicht so 16 1/2 Jahre oder so. Kastan: Wahnsinn. Die hat wahrscheinlich ziemlich Spaß gemacht damals. Schneyder: Ja, großen Spaß. Sie trat damals mit dem Orchester Kurt Edelhagen auf, wenn Sie sich erinnern. Ich habe natürlich auch darüber nur Unsinn geschrieben.