Jens Birkmeyer Bilder Des Schreckens
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Jens Birkmeyer Bilder des Schreckens. Dantes Spuren und die Mythosrezeption in Peter Weiss' Roman »Die Ästhetik des Widerstands« Wiesbaden: DUV, Dt. Univ.-Verl., 1994 Zugl.: Frankfurt (Main), Univ., Diss., 1992. Inhalt Einleitung ............................................................................................................................... 1 ERSTER TEIL: SCHREIBMOTIVE DER WIDERSTANDSPROSA .......................... 10 I. Voraussetzungen der "Ästhetik des Widerstands" .......................................................... 10 1. Neubeginn der Erzählprosa: Das Divina Commedia-Fragment ................................. 10 2. "Rekonvaleszenz": Die Todeskrise als Wendepunkt ................................................. 33 II. Das Experiment personalen Erzählens .......................................................................... 47 1. Der Standort des Erzählers ......................................................................................... 47 2. Der narrative Diskurs: Das Erzählverfahren der "Ästhetik des Widerstands" ........... 58 3. Mnemosyne im Konjunktiv: Erzählgestus und Selbstreflexivität der Schlußkonstruktion......................................................................................................... 77 Exkurs: Die postmoderne Kritik politischen Erzählens ................................................. 86 III. Erfahrung der Kunst - Kunst der Erfahrung ................................................................. 96 1. Ästhetik des erweiterten Realismus ........................................................................... 96 2. Schreiben und Erinnern als ästhetischer Widerstand ............................................... 107 ZWEITER TEIL: "DIVINA COMMEDIA" ALS INTERTEXTUELLES MODELL ............................................................................................................................................. 119 I. Die Impulse der Danterezeption ................................................................................... 119 1. Dantes "Divina Commedia" als poetisches Paradigma ............................................ 119 2. Revision der epischen Struktur ................................................................................ 126 3. Stationen der Dantelektüre: Tod - Erinnerung - Anästhesie - Traum ...................... 139 II. Leitmotive der Intertextualität ..................................................................................... 154 1. Die Anrufung der Musen und die Stimmen ............................................................. 154 2. Stadterfahrung I: Paris als Medusenmetropole ......................................................... 164 3. Stadterfahrung II: Stockholm als Vorhölle ............................................................... 179 4. Max Hodann: Vergil in der Arbeiterbewegung ........................................................ 189 5. Charlotte Bischoff: Beatrice als Mitsoldat ............................................................... 199 6. Stadterfahrung III: Die Höllenstadt Berlin ............................................................... 212 DRITTER TEIL: MYTHOS UND MIMESIS ................................................................ 220 I. Arbeit am Herakles-Mythos .......................................................................................... 220 1. Fahndung: Die Suche nach Herakles ........................................................................ 220 2. Gegenlektüre: Säkularisierung des Herakles-Mythos .............................................. 229 3. Mythos als Alptraum: Herakles in Heilmanns Briefen ............................................ 239 II 4. Kontroverse: Der Streit um Herakles ........................................................................ 249 II. Der Schrecken, das Erhabene, die Bilder ..................................................................... 261 1. Die Sprachlosigkeit des Schreckens und das Erhabene ............................................ 261 2. Der fehlende Pegasus. "Guernica" als Ästhetik des Abwesenden ............................ 273 3. Medusas Schrecken. Die Todsnähe der Kunst in Géricaults "Floß der Medusa" ..... 278 4. Mimesis und das Schweigen der Mutter ................................................................... 282 5. Laokoon und die stummen Bilder ............................................................................. 290 Schlußbetrachtung: Schreiben nach Plötzensee ............................................................ 297 Literaturverzeichnis ........................................................................................................... 304 III Einleitung Wohl kein zweiter Roman hat gerade die linke Intelligenz dieses Landes in den letzten Jahren so nachhaltig beschäftigt wie "Die Ästhetik des Widerstands"1 von Peter Weiss, deren drei Bände jeweils im Abstand von drei Jahren 1975, 1978 und 1981 erschienen sind. Zusammen mit den "Notizbüchern 1971-1980"2, die 1981 gemeinsam mit dem abschließenden dritten Band der Trilogie publiziert wurden, nimmt dieser Text zumindest in den 70er und 80er Jahren in der deutschsprachigen Literatur eine markante Sonderstellung ein. Der Roman war jedoch von Anfang an auch heftigsten Angriffen und Mißverständnissen ausgesetzt. Er hat sowohl im konservativen als auch im linken Lager heftige und kontroverse, vielfach ablehnende, jedoch auch emphatisch zustimmende Reaktionen hervorgerufen. Sofort nach seinem Erscheinen ist der Roman vielfach als einziger kommunistischer Irrtum, als vorwie- gend ungenießbares, weil weitgehend unpsychologisches Konglomerat aus Theorien und nüchternen Geschichtsfakten, ja als kalte und dogmatische Sprechblase verschmäht worden. Die linke Rezeption hingegen würdigte die "Ästhetik des Widerstands" zunächst unter vorwiegend politischen Aspekten mehrheitlich als richtungsweisende sozialistische Meisterleistung der Literatur. Von der nachhaltigen Wirkung, die Weiss' Text bisher ausgeübt hat, zeugen neben den zahlreichen Rezen- sionen3, die die sperrige Prosa kommentiert haben, auch die rege Seminar- und 1 Peter Weiss, Die Ästhetik des Widerstands. Roman, (dreibändige Ausgabe in einem Band, 1975, 1978, 1981), Frankfurt/M. 1983. - Zitatbelege im Text werden mit der Sigle (ÄdW) in Klammern, der Bandnummer in römischer und der Seitenzahl in arabischer Ziffer abgekürzt. 2 Peter Weiss, Notizbücher 1971-1980. Zwei Bände, 2. Aufl., Frankfurt/M. 1982. - Zitatbelege im Text werden mit der Sigle (NB, 1971-1980) in Klammern und der Seitenzahl in arabischer Ziffer abgekürzt. - Die frühen Notizbücher: Peter Weiss, Notizbücher 1960-1971. Zwei Bände, Frankfurt/M. 1982, werden mit der Sigle (NB, 1960-1971) in Klammern und der Seitenzahl in arabischer Ziffer zitiert. 3 Die Flut der Rezensionen in den ersten Jahren nach Erscheinen ist mittlerweile ausführlich und gründlich dokumentiert: Volker Lilienthal, Literaturkritik als politische Lektüre. Am Beispiel der Rezeption der "Ästhetik des Widerstands" von Peter Weiss, Berlin 1988; Alexander Stephan, "Ein großer Entwurf gegen den Zeitgeist." Zur Aufnahme von Peter Weiss' "Die Ästhetik des Widerstands", in: Die Ästhetik des Widerstands, hrsg. von Alexander Stephan, Frankfurt/M. 1983, S. 346-366; Helmut Peitsch, Zur Rezeption von Peter Weiss' "Die Ästhetik des Widerstands" in der Literaturwissenschaft, in: Konsequent Diskussions-Sonderband 6, März 1984, S. 106-113; Uta Kösser, Rezeption der "Ästhetik des Widerstands" in einer Umbruchsituation, in: Weimarer Beiträge 37 (1991), H. 8, S. 1125-1141. - Die wissenschaftliche und publizistische Rezeption des Romanes in der ehemaligen DDR setzte aufgrund der verzögerten Veröffentlichung nur sehr zögerlich ein. Der Roman wurde in einen akademischen Randbezirk verbannt, in dem sich eine interessierte Forschergemeinschaft mit dem Werk 1 Projekttätigkeit an den Hochschulen. Es fanden sich zudem schließlich zahlreiche Lesegruppen zusammen, die darum bemüht waren, nach 1968 einen neuen linken Kulturdiskurs in Gang zu setzen.4 Während Ende der sechziger Jahre seitens der opponierenden Intellektuellen hierzulande die törichte Rede vom notwendigen Tod der Literatur5 die Gazetten beherrschte, machte sich Peter Weiss im fernen Schweden an die gegenteilige Arbeit. Mit seinem epochalen Werk unternahm er den Versuch, gleichsam eine neue Prosa zu begründen, die die bisherigen Vorstellungen über die Möglichkeiten des zeitgenössischen Romanes zu sprengen schien. Diese Idee einer neuen Prosa ist bei Weiss mithin in das Modell einer politischen Kulturpraxis eingebettet. Der Kultur kommt dabei, ganz im Gegensatz zur marxistischen Tradition, keine abgeleitete, determinierte Überbau-Funktion mehr zu. Als "Basis menschlicher Tätigkeit" (NB, 1971-1980, 645) repräsentiert sie für Weiss jenen Bereich, in dem die Subjekte ihre Eigenaktivität entfalten können. Kultur soll aber nicht für die nachträgliche Ästhetisierung der Gesellschaft, also für die affirmative Hereinnahme der Kunst in den politischen Raum stehen. Kultur hat nicht die Politik zu bereichern und zu verzieren, sondern sie soll Politik als unkulturelles Herrschaftsdispositiv aufheben, indem die Individuen in die Lage versetzt werden, sich "selbst gegenüber der Politik zu verwirklichen" (NB, 1971-1980, 888).6 beschäftigte. Diese Rezeptionsgeschichte ist nachzuvollziehen in: Jens-F. Dwars u.a. (Hg.), Widerstand wahrnehmen. Dokumente eines Dialogs mit Peter Weiss, Köln 1993. 4 Siehe hierzu: G. Dunz-Wolff, H. Goebel, J. Stüsser (Hrsg.), Lesergespräche. Erfahrungen mit Peter Weiss' Roman Die