Mit uns läuft die Geschichte www.-mobiletradition.com | Mobile Tradition | 03. Jahrgang | Ausgabe 02 | Juli 2005

Mobile Tradition live Fakten und Hintergründe

Die neue Motorradklasse Mit der Vorstellung der BMW R 80 G/S vor 25 Jahren begann das Zeitalter der großen Reise-Enduros Seite 18 – 33

BMW in Der weiß-blaue Automobilbau begann in Ostdeutschland Seite 34 – 37

Der Sanierer Heinrich Richter-Brohm war der erste alleinige Vorstandsvorsitzende nach dem Zweiten Weltkrieg und Vater des „Zukunftsprogramms“ Seite 38 – 43

BMW Art Mit dem BMW 3.0 CSL des Bildhauers Alexander Calder startete BMW die be- rühmte „Kunstauto“-Serie Seite 44 – 51

Der Senkrechtstarter Kein Rennfahrer hat jemals schneller den ersten Titel gewonnen als BMW Pilot Helmut Polensky Seite 52 – 55 25 Jahre BMW GS ab Seite 18 Nach dem Eintritt in den Geländerennsport kommt im Sommer 1980 die erfolgreiche Gelände- maschine in modifizierter Form als Serien-Enduro unter der Bezeichnung R 80 G/S auf den Markt. Mit der G/S – G steht für Gelände, S für Straße – begründet BMW das Segment der großen, komfortablen Reise-Enduros, bis heute ein wichtiges Standbein im Motorradgeschäft. Aufsehen erregt die weltweit erste Einarmschwinge, der BMW Monolever, mit einseitig geführtem Hinterrad.

BMW in Eisenach (1928 bis 1952) Die Präsenz der Marke BMW in Ost- mobilmarkt als günstigste Variante. Dem Jubiläen im Jahr 2005 deutschland hat eine lange Tradition. Im Werk war durch die Jahrzehnte eine Jahre 1928 kaufte BMW die Fahrzeug- wechselvolle Geschichte beschieden. vor 60 Jahren Wiederbeginn nach dem fabrik Eisenach, auch „Dixi“-Werke ge- Mit der Eröffnung des neuen Werks in Zweiten Weltkrieg Seite 06 nannt. Dies erschien dem Management Leipzig im Mai 2005 knüpft BMW nun an des Unternehmens auf der Suche nach diese Historie des Automobilbaus in Ost- vor 35 Jahren Baubeginn für das neue einem Einstieg in den boomenden Auto- deutschland an. BMW Hochhaus Seite 06

vor 30 Jahren Neues Format für die Mittelklasse Seite 07

BMW Modelle, die aus Eisenach kamen: BMW 3/20 PS Cabriolet, BMW 315/1 und BMW 327.

BMW Group Mobile Tradition Editorial

Liebe Freunde der BMW Group,

in jedem Sommer seit nunmehr etlichen Jahren versammeln sich im bayerischen Voralpenland Zehntausende von Menschen aus vielen Nationen. Sie kommen wegen der Gastlichkeit, mit der sie in Garmisch-Partenkirchen auf- genommen werden, sie kommen wegen der Möglichkeiten, ihrer Leidenschaft dort nachzugehen, und sie kommen vor allem, weil sie sich für die Motorräder von BMW begeistern. An dieser Faszination hat eine Modellreihe sicher einen ganz besonderen Anteil – die Produkte aus der GS Reihe. Wir feiern in diesem Jahr auf dem BMW Motorrad Bikermeeting den Erfolg dieser Reihe, die seit ihrer ersten Präsentation vor 25 Jahren unzählige Menschen zu leiden- schaftlichen Freunden der Marke BMW gemacht hat. Die GS wurde zugleich zum Botschafter der Marke, denn GS Fahrer erkunden die Welt selbst dort, wo die Straßen zu Ende sind. Auch dank der Tugenden, die BMW Motorräder immer schon zu etwas Besonderem gemacht haben: perfektes Fahrwerk, innovative Technik bei gleichzeitig unverwüstlicher Verlässlichkeit. Freuen Sie sich auf eine umfangreiche Darstellung dieser Erfolgsstory in diesem Heft. Ich bin sicher, diese und die vielen wei- teren Themen unserer aktuellen Ausgabe werden Ihnen wieder einige neue Aspekte unserer spannenden Geschichte nahe bringen.

Viel Freude beim Lesen,

Holger Lapp

Leiter BMW Group Mobile Tradition

BMW HP2: Der Erfolg der GS Reihe geht weiter. Inhalt Ausgabe 02.2005

06 Jubiläen 2005 Neubeginn – Hochhausbau – Premiere BMW 3er Reihe

09 Der Neue Der Accessoires-Katalog 2005 bietet eine Fülle attraktiver Angebote

11 Weltmesse Die Techno Classica 2005 war ein Höhepunkt der Saison

14 WTCC-Revival Anknüpfen an die Rennerfolge der BMW Tourenwagen

17 Der andere 507 Das Einzelstück BMW 3200 Michelotti Vignale

18 25 Jahre BMW GS Eine neue Klasse für den Motorradmarkt

34 BMW Werk Eisenach Wo der BMW Automobilbau seinen Anfang nahm

38 Der Sanierer Der BMW Vorstandsvorsitzende Heinrich Richter-Brohm

44 BMW Art Cars „Why don’t you paint a ?“ – das erste Art Car von Alexander Calder

52 Helmut Polensky Der Senkrechtstarter

Impressum V.i.S.d.P.: HolgerLapp (Anschrift s. unten) BMW Group Mobile Tradition Schleißheimer Straße 416 / BMW Allee 80935 München www.bmw-mobiletradition.com Bildmaterial: Bildarchiv BMW Mobile Tradition Seite 02 Konzept / Realisierung: von Quadt & Company BMW Group Mobile Tradition: Nachruf Ernst Jakob Henne

Nachruf: Rennfahrer-Legende Ernst Jakob Henne verstorben

Links: Ernst Jakob Henne, 2004 auf Gran Ca- naria, mit seiner Frau Martha, Holger Lapp und Fred Jakobs von BMW Mobile Tradition (rechts). Oben: Henne Anfang der 30er Jahre.

In der Nacht zum 23. Mai verstarb in seinem absoluten Geschwindigkeitsweltrekord für Belgischen Grand Prix des Frontières in Wohnort auf Gran Canaria der ehemalige Motorräder nach Deutschland zu holen. Chimay und den Großen Preis von BMW Werksfahrer Ernst Jakob Henne im Am 19. September 1929 erreichte er mehr Bukarest. Am Morgen des 28. November Alter von 101 Jahren. Auf zwei Rädern fuhr als 216 km/h und war damit der schnellste 1937 setzte Henne den Schluss- und Hö- er in den 20er und 30er Jahren reihenweise Motorradfahrer der Welt. hepunkt seiner Karriere: Über den flie- Siege, Meisterschaften und Geschwin- Ein Wettstreit entbrannte, das Tempo genden Kilometer erreichte er mit dem „Ei“ digkeitsrekorde ein, und auch auf vier Rä- wurde immer höher. 1932 erreichte Henne 279 km/h, auf der Rückfahrt 280 km/h. dern konnte er sich in die Siegerlisten in Ungarn 246 km/h, 1935 auf der neuen Danach beendete er die Rekordjagd. Die internationaler Rennen eintragen. Autobahn bei Frankfurt 256 km/h, ein Jahr Bestmarke hielt bis 1951. Ernst Jakob Henne wurde am 22. Februar später mit voll verkleideter Maschine 272 Nach dem Zweiten Weltkrieg baute Ernst 1904 als viertes Kind eines Sattlermeisters km/h. Wegen der charakteristischen Form Henne eine Vertragswerkstatt für Merce- in Weiler bei Wangen im Allgäu geboren. taufte der Volksmund Fahrer und Motorrad des-Benz-Fahrzeuge auf und wurde einer Nach seiner Lehre zum Kraftfahrzeugme- bald „Henne und das Ei“. der größten Händler Deutschlands. 1991 chaniker machte er sich als Zweiradmecha- 1936 schrieb der Rennfahrer auch im Auto- gründete er mit einem beträchtlichen Teil niker selbstständig. Sein erstes Rennen mobilsektor Renngeschichte. Beim Eifel- des Vermögens die Ernst-Jakob-Henne- fuhr er 1923 in Mühldorf. 1926 unter- rennen pilotierte er den ersten BMW 328 Stiftung, die Menschen, die schuldlos in schrieb er einen Vertrag als BMW Werks- Prototyp und gewann nicht nur die Zwei-Li- Not geraten sind, unbürokratisch hilft. Ernst fahrer und übernahm die offizielle Vertre- ter-Klasse ohne Kompressor, mit einem Jakob Henne, der sich in den letzten Jah- tung von BMW Motorrädern, ab 1929 Schnitt von 101,5 Stundenkilometern ren zunehmend aus dem öffentlichen Le- wurde er zudem Händler für BMW Automo- erzielte er die beste Zeit aller Sportwagen. ben zurückzog, lebte seit 1996 mit seiner bile. Den ersten Sieg für BMW errang er am Er gewann mit dem BMW 328 noch den zweiten Frau auf den Kanarischen Inseln. 2. Mai 1926 beim Karlsruher Wildpark- rennen. Beim Eifelrennen 1926 belegte er den Ersten Platz und gewann damit die Deutsche Meisterschaft, die damals noch in einem Rennen entschieden wurde. Auf der Suche nach neuen Herausforde- rungen nahm er Anfang der 30er Jahre an den Internationalen Sechstagefahrten teil. 1933, 1934 und 1935 gewann er mit der Nationalmannschaft, einem reinen BMW Team, die Mannschaftswertung. Aber Ernst Jakob Hennes großes Ziel war, den

Auf dem Weg zum Geschwindigkeitswelt- rekord: Ernst Jakob Henne im Jahre 1929.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 03 Facts Fakten Faits Fatti

Termine und Veranstaltungen

Juni 2005 Juli 2005 August 2005 September 2005

24. bis 26. Juni 2005 / 01. bis 03. Juli 2005 / 19. bis 21. August 2005 / 03. bis 05. September 2005 / Goodwood (GB), Garmisch-Partenkirchen (D), Monterey / Kalifornien (USA), Lime Rock (USA), Goodwood Festival of Speed 5. Internationales Monterey Historics Lime Rock Vintage Festival Ausstellung, Demolauf, Bikermeeting Ausstellung, Rennen. Ausstellung, Rennen, Concours d’Elégance. Ausstellung, Parade, Ausfahrt. Organisator: Steven Earle Concours d’Elégance. Organisator: Lord March Organisator: BMW Motorrad Organisatoren: S. Earle, M. Smith, S. Barber 07. bis 10. Juli 2005 / Montafon / Arlberg (A), Silvretta Classic Rallye. Organisator: Motor Presse, Stuttgart

16. bis 24. Juli 2005 / (D), 2000 km durch Deutschland Rallye.Organisator: Günter Krön

20. bis 23. Juli 2005 / Ennstal (D), Ennstal-Classic Rallye. Organisatoren: Michael Glöckner, Helmut Zwickl

Facts Fakten Faits Fatti 5. Internationales BMW Motorrad Bikermeeting in Garmisch-Partenkirchen

Garmisch-Partenkirchen. „See you…“ Zwischen BMW Motorrad und der BMW Vergangenheit, neben den mit Spannung … damit lädt BMW Motorrad die Motorrad- Mobile Tradition hat sich eine enge Zu- erwarteten Neuerscheinungen, auf den fahrer, Freunde und Fans zum 5. Internatio- sammenarbeit entwickelt. Für die Sonder- Weg zum 5. Internationalen Bikermeeting nalen BMW Motorrad Bikermeeting 2005 ausstellung und das Mobile Tradition live nach Garmisch-Partenkirchen zu bringen. nach Garmisch-Partenkirchen ein. Schon Special – zum Geburtstag der GS – wurde Um die Welt von BMW Motorrad und die fast traditionell und als Höhepunkt der Mo- nicht nur im Archiv gestöbert. Auch ein Freude am Motorradfahren hautnah zu torradsaison erleben Motorradfahrer aus gemeinsamer Workshop hat dazu bei- erleben, empfiehlt das BMW Motorrad aller Welt vom 01. bis 03. Juli 2005 gemein- getragen, legendäre Motorräder der Team: Dabei sein, ist alles – come together! same Ausfahrten durch wunderschöne Tourengebiete des Voralpenlandes und testen neueste BMW Motorradmodelle. Fachgespräche sowie die super Bikerparty haben neben faszinierenden Vorträgen und dem Motorradkorso die Biker bereits in den vergangenen Jahren begeistert. Zum zweitgrößten Motorradtreffen in Europa kamen im vergangenen Jahr über 30.000 BMW Motorradfahrer. Der Geburtstag der GS – die BMW Erfolgs-Enduro wird 25 – gehört neben einer Weltpremiere in diesem Jahr zu den Highlights im Programm, das sicher keine Wünsche offen lässt.

Start zum großen Motorradkorso 2004.

Seite 04 Preview: 2000 km durch Deutschland

Mönchengladbach: Die Zuverlässigkeitsfahrt „2000 km durch Deutschland“ war in den 30er Jahren eine der großartigsten und spektakulärsten Langstreckenfahrten. Nach über 70 Jahren startet am 16. Juli 2005 ein internationales Teilnehmerfeld mit 115 Teams historischer Automobil- und Motorradbesitzer in Mönchen- gladbach zu den „2000 km 2005“. Die BMW Mobile Tradition ist mit einem BMW 507 dabei. Ein BMW Händler, der erfolgreich den historischen Teilevertrieb unterstützt, wird die „Navigation“ über- nehmen. Und mit einer BMW R 50 der BMW Mobile Tradition geht ein Journalist der „Motor Klassik“ an den Start. Auf den Spuren der historischen Route durch die schönsten Städte und Landschaften Deutschlands sind die Tagesetappen von durchschnittlich 305 km auch heute noch eine Herausforde- rung für Mensch und Maschine. Tausende begeisterte Zuschauer werden nicht nur den Start des „rollenden Museums“ anfeuern, sondern auch die Straßen der einzelnen Etappen säumen. Neben einer stimmungsvollen Nachtetappe erwartet die Fahrer als Highlight eine Gleichmäßigkeitsfahrt auf der Rennstrecke im Motopark Oschersleben. Ziel nach sieben Tagen Herausforderung ist Mönchengladbach. Die BMW Mobile Tradition beteiligt sich bei „Oldtimerfreunde zeigen Herz!“, einer Spendenaktion der 2000 km durch Deutschland, mit einem BMW 1600/2 Cabrio, das dem Gewinner der Aktion zur Teilnahme an den „2000 km 2005“ zur Verfügung gestellt wird.

Preview: Goodwood Festival of Speed – „The greatest show on Earth“

Goodwood. Zum zwölften Mal lädt Char- „active driving“ mit einem BMW 328, pilo- Motorrad. In der Ausstellung repräsentie- les Lord March, Hausherr von Goodwood tiert von Holger Lapp, Leiter BMW Group ren der Holbein HH49, BMW 507 und House, vom 22. bis 26. Juni 2005 zu einer Mobile Tradition, dabei sein. Das Thema BMW die „Fifties“ und das Thema riesengroßen „Gartenparty“, in diesem „30 Jahre BMW 3er“ vertreten der BMW „BMW und die 50er Jahre“. Der BMW 320i Jahr beschränkt auf 158.000 Besucher. 320 Junior Team, ein BMW M3 Gruppe A Turbo und der GTR/ETCC 2004-5 re- Anlass ist das Goodwood Festival of DTM sowie ein BMW 320 turbo Diesel. präsentieren die Motorsport-Highlights zu Speed, mit prominenten Gästen und er- Prof. Dr. Burkhard Göschel, Vorstand Ent- „30 Jahre BMW 3er“. Aktuelle Fahrzeuge folgreichen Rennfahrern aus aller Welt. wicklung und Einkauf, wird einen BMW M3 2005 sind ein Formula BMW, ein BMW M6, Dazu gehören Rennwagen der Formel-1- GTR 2005 fahren. Neben einem M6 und Al- BMW 645ci Cabrio, BMW M5 und M3 CS. Teams, Rennmotorräder sowie CanAm- pina B5 werden auch das Superbike R 90 S Die neue GS wird neben der GS Vintage, Cars mit ihren donnernden Motoren. Die und das Zeller Motorrad RS 54 aktiv gefah- der erfolgreichen Seitenwagen-Maschine BMW Group Mobile Tradition wird zum ren – die R 51 RS von Dr. Diess, Leiter BMW von Kraus/Huser und der RS 500 gezeigt.

Goodwood 2004: Dr. Herbert Diess auf BMW F 650 RR Paris-Dakar, links. Rechts: Prof. Burkhard Göschel auf BMW M1 Procar.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 05 Facts Fakten Faits Fatti

Jubiläen 2005

vor 60 Jahren Wiederbeginn nach dem Zweiten Weltkrieg

Links die zerstörten Anlagen des BMW Werks 1 im Münchner Norden, darunter die Anweisung der Militärregierung vom Oktober 1945, die Werksanlagen zu demontieren und zu „schleifen“.

An eine kurzfristige Wiederaufnahme der Produktion ist nicht zu denken. Dennoch erhält BMW am 28. Juli 1945 eine erste, noch eingeschränkte Fertigungsgenehmigung. Diese umfasst die Re- paratur von Maschinen sowie Fahrzeugen der US-Armee. Hier- für dürfen auch Kraftfahrzeug-Einzelteile hergestellt und Kohlegas-Generatoren produziert werden. Einen Monat später wird die Genehmigung auf die Fertigung von Ackergeräten, Fahr- und Motorrädern erweitert. Ungeachtet dessen ergeht am 1. Oktober eine Verfügung der US-Militärverwaltung zur Beschlagnahme und Demontage der Münchner BMW Werke. Die Werksanlagen sollen abgebaut, ver- packt und schließlich in Staaten der Alliierten verschifft werden. Für den Rest lautet die Anweisung auf „Schleifung“. Durch diese Maßnahmen verliert die BMW AG zunächst die Ver- fügungsgewalt über ihr Vermögen. Nach umfangreichen De- montagen erneuert die Militärverwaltung am 25. März 1946 die Bei ihrem Einmarsch in München besetzen die US-Truppen die Fertigungsgenehmigung für eine Friedensproduktion und hebt beiden Münchner Werke der BMW AG in Milbertshofen und die Beschlagnahmung für das Werk Milbertshofen auf. Das Werk Allach. Das Werk im ostdeutschen Eisenach liegt in der Sowje- in Allach, das als „Karlsfeld Ordnance Depot“ Reparaturaufträge tischen Besatzungszone und wird damit dem Zugriff der für die US-Truppen erfüllt, wird erst am 01. Juli 1955 wieder an Münchner Zentrale entzogen. BMW übergeben (Näheres auch Seite 39).

vor 35 Jahren Baubeginn für das neue BMW Hochhaus

Bau des „Vierzylinders“ als Sitz der BMW Hauptverwaltung im Münchner Norden, 1970, rechts die Baugrube noch ohne die Kernkonstruktion.

Am 16. Juli 1970 beginnen die Aushubarbeiten für das neue Boden gegossen werden, nach oben gezogen. Mit Hilfe dieser Verwaltungsgebäude im Münchner Norden. Laut Vorstandsbe- neuartigen Bauweise kann das Gebäude in der Rekordzeit von schluss fand keine öffentliche Grundsteinlegung statt. gerade einmal 22 Monaten errichtet werden. Der Entwurf des „vierzylindrigen“ Gebäudes stammt vom Zu den Olympischen Spielen 1972 in München ist der 11.000 Wiener Architekten Professor Karl Schwanzer. Die Konstruktion Tonnen schwere Büroturm äußerlich fertig gestellt. Bereits folgt einer unkonventionellen Idee: An waagerechten Streben während der Spiele lässt Eberhard von Kuenheim ein BMW am Kopf des Gebäudekerns werden für jeden der vier Zylinder Emblem auf dem fast 100 Meter hohen Gebäude anbringen. etwa einhundert stählerne Stangen befestigt. An diesem Dafür erhält BMW von der Stadt München einen Bußgeldbe- Korsett werden die einzelnen Stockwerke, die konventionell am scheid über 110.000 D-Mark.

Seite 06 BMW Group Mobile Tradition: Jubiläen 2005

vor 30 Jahren Der BMW 3er – ein neues Format für die Mittelklasse

Die 70er Jahre sollten zu einem weg- Fahrwerk als auch bei der Motorisierung Mit der Entwicklung der BMW 3er Reihe war weisenden Jahrzehnt in der Geschichte konzentrierten sich die BMW Ingenieure den Ingenieuren und Designern bei BMW ein grandioser Wurf gelungen. Jede der bis heute von BMW werden. Neben der Internatio- auf die Optimierung vorhandener Technik. fünf Generationen übertraf die vorhergehende nalisierung des Unternehmens stand vor Neue Wege ging man in puncto Sicherheit: Rekordmarke bei den Verkaufszahlen. Man allem die Neuordnung des Automobilan- Energie aufnehmende Front- und hatte den Publikumsgeschmack offensicht- gebotes im Vordergrund. Nachdem 1972 Heckpartie, Knautschsicken in den lich genauestens getroffen. mit der BMW 5er Reihe ein erfolgreicher Radkästen sowie eine besondere Verriege- Nachfolger für die Fahrzeuge der Neuen lung und Knickfähigkeit der Motorhaube Klasse präsentiert werden konnte, galt es waren einzigartig in der automobilen Mittel- im nächsten Schritt, die erfolgreichste aller klasse. Im Innenraum feierte das fahrer- Modellreihen, den BMW 02, abzulösen. orientierte Cockpit seine Premiere. Bereits 1970 begann die Entwicklung des 1975 präsentierte BMW schließlich das Fahrzeugs mit der Entwicklungsnummer Ergebnis der fünfjährigen Entwick- E21. Die Ideen von Paul Bracq, Leiter des lungszeit: die BMW 3er Reihe. „Ein neues BMW Designs, prägten die Formgebung. Format für die Mittelklasse“ – so Der Franzose verstand es, Zitate der 02er pointierte der Slogan die herausragende Reihe mit der modernen Formensprache Stellung des neuen Fahrzeugs im Auto- des BMW 5er zu vereinen. Sowohl beim mobilmarkt seiner Zeit.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 07 Facts Fakten Faits Fatti

Review: Mille Miglia 2005

Brescia/München. Die BMW Group hatte auf der Mille Miglia 2005 drei Gründe zum Feiern. Das Team Boni/ Barziza holte sich mit 8.427 Punkten zum zehnten Mal den Damenpokal. Die Isetta und der BMW 507 begingen zudem den 50. Geburtstag auf der bedeutendsten Oldtimerveranstaltung der Welt. Franca Boni und Monica Barziza waren diesmal in einem BMW 328 Berlin-Rom unterwegs. In der Gesamtwertung erreichten sie Platz Die Isetten vom BMW Team Ferrari/Ferrari (Nummer 146), dem Privatteam Mercadanti/Merca- 17 – das beste BMW Team derMille Miglia danti-Bostoni (Nummer 148) und dem Team Holger Lapp, Leiter BMW Mobile Tradition, und 2005. Gesamtsieger wurde das Team Jörg Reichle von der Süddeutschen Zeitung (Nummer 150). Viaro/De Marco. Unter den 22 BMW Teams waren erstmals burtstag der Isetta schickte die BMW Platzierungen: Rang 65 (Mercadanti/Mer- drei Isetten. Das BMW Privatteam Merca- Group Mobile Tradition nun auch zwei cadanti-Bastoni) und 106 (Ferrari/Ferrari). danti/Mercadanti-Bastoni eroberte mit sei- Werksisetten los. Dass sich das 12-PS- Auch das Team Jörg Reichle/Holger Lapp nem „bubble car“ schon vor einigen Jahren Fahrzeug nicht hinter der großvolumigen sorgte für Begeisterung: Sie brachten die die Herzen der Zuschauer. Zum 50. Ge- Konkurrenz verstecken muss, zeigen die BMW Isetta 250 erfolgreich ins Ziel.

Review: Concorso d’Eleganza Villa d’Este

München/Cernobbio. Beim Concorso Designstudio Pininfarina – zum 75. Jubi- der Villa Erba den Publikumspreis Coppa d’Eleganza Villa d’Este am 23. und 24. April läum gab es eine Sonderausstellung. Und d’Oro di Villa d’Este, der an einen Ferrari sorgten zwei Geburtstage für Aufmerk- Rolls-Royce feierte 50 Jahre Silver Cloud. 212 Export Spider Vignale von 1952 ging. samkeit. Die BMW Group, unter deren Von den Organisatoren waren 54 his- Die Trofeo BMW Group für das beste Auto Patronat die Veranstaltung seit sieben Jah- torische Fahrzeuge und acht Konzeptautos der Show erhielt der Alfa Romeo Canguro ren stattfindet, präsentierte zum 50. Ge- aus den hochwertigen Klassikern aus- Coupé Bertone, aus dem Jahr 1964, dieser burtstag die beiden Sportwagenklassiker gewählt worden. Die Bedeutung der Ver- wurde von Shiro Kosaka vorgestellt. Auch BMW 503 und BMW 507 und deren Deri- anstaltung zeigte sich auch beim Wettbe- der Pressepreis wurde an ihn verliehen. vate. Albrecht Graf Goertz schuf 1955 die werb der modernen Designstudien. Dieses Beim von der BMW Group initiierten Design-Ikone BMW 507 und stand beim kommentierte Holger Lapp, Leiter BMW Design Talk „1950 Design“ am Sonntag Wettbewerb Concorso d’Eleganza Villa Group Mobile Tradition, als eine „gelun- wurde der Anspruch, das Automobil im d’Este am Comer See damit im Mittelpunkt gene Verbindung aus modernem Design ästhetischen Kontext darzustellen und der Aufmerksamkeit. und den klassischen Wurzeln des epochale Designentwicklung abzubilden Zum ältesten Concours d’Elégance der Automobildesigns“. über die Einflüsse des 50er Jahre-Designs Welt, dem einzigen, der auch Concept Cars Teilnehmer, Jury und Fachpublikum heute diskutiert. und Prototypen eine Plattform bietet, bewerteten am Samstag im Park der Villa Liebhabern historischer Automobile bot die zeigte die BMW Group das BMW Art Car d’Este die fahrbereiten – das ist eine Veranstaltung Gelegenheit, Details an Au- von Robert Rauschenberg. Einen Grund Teilnahmebedingung – Exponate. Am tos in perfektem und fahrbereitem Zustand zum Feiern gab es beim italienischen Sonntag wählte das Publikum im Garten aus nächster Nähe zu betrachten.

Villa d’Este 2005: „Geburtstagskind“ BMW 507 (links) und Ferrari 212 Export Spider Vignale von 1951, Gewinner der „Coppa d’Oro di Villa d’Este“ (oben).

Seite 08 Blickfang, nicht nur für Münchner: Das Jubiläumsmodell „Skyline BMW Isetta“.

Neuerscheinung: Accessoires-Katalog

Pünktlich zur Techno Classica 2005 Klassikfans eine besondere startet die BMW Mobile Tradition in Auswahl an neuen Accessoires diesem Jahr mit einer Neuauflage des und Miniaturen. Ein Highlight ist Accessoires-Katalogs in die Saison der zudem das limitierte Jubiläums- Sammlerobjekte. Der komplett neu ge- modell BMW 507 Graf Goertz, staltete Katalog präsentiert neue und welches im Set mit einem bekannte Produkte der BMW Mobile Schlüsselanhänger in Form des Tradition. In diesem Jahr liegt der BMW 507 Zentralverschlusses Schwerpunkt auf den Jubiläen „50 Jahre zu erhalten ist. BMW 507“, „50 Jahre BMW Isetta“ und Freuen Sie sich auf circa 170 „30 Jahre BMW 3er“. Seiten mit spannenden Ge- In limitierter Auflage präsentiert die schichten zu wichtigen Persön- BMW Mobile Tradition zu diesen runden lichkeiten der BMW Historie und Geburtstagen ganz besondere Samm- eine interessante Präsentation lerstücke: von der exklusiven Con- unserer hochwertigen Original taineruhr „50 Jahre BMW Isetta“, der BMW Accessoires und Samm- liebevollen Spardose zum Jubiläum bis lerobjekte. hin zum eleganten Seidentuch. Das Der Accessoires-Katalog ist in Jubiläumsmodell „Skyline BMW Isetta“ den Sprachversionen Deutsch/ zeigt sich im ungewöhnlichen und Englisch sowie Französisch/ attraktiven Gewand: Die Lackierung Spanisch erschienen und seit stellt die Skyline von München dar. Auf Mitte April 2005 bei Ihrem BMW der Techno Classica war die Skyline Partner erhältlich. BMW Isetta im Original zu bewundern. In Kürze kann er auch unter Auch zum 50-jährigen Jubiläum des www.bmwmobiletradition.de BMW 507 erwartet Sammler und eingesehen werden.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 09 Facts Fakten Faits Fatti

Neuerscheinung: Der legendäre BMW 507

Anfang der 50er Jahre beschließt man bei Aufgrund der gerin- BMW, mit Blick auf den US-Markt, einen gen Produktionszahl Sportwagen zu bauen. Impulsgeber war von 253 Exemplaren Max Hoffmann, bedeutendster Importeur war der BMW 507 europäischer Luxusfahrzeuge. Auf seinen stets eine Rarität. Rat schickt Graf Goertz Skizzen nach Mün- Seine Historie war chen, die zeigen, „wie ein Sportwagen für aber nicht nur von den US-Markt aussehen soll“. Die Entwür- Höhepunkten ge- fe gefallen, BMW Vorstand Hanns Grewe- prägt. Schwierig wa- nig lädt Goertz nach München ein. Man ren die Umstände, einigt sich schnell. Im November 1954 sind unter denen er ent- die Verträge geschlossen. Eines der stand, allzu optimis- schönsten Automobile entsteht – der tisch die Erwartun- BMW 507. Zu dessen 50-jähri- gen, die in seinen gem Jubiläum erschien dazu nun „Der le- wirtschaftlichen Er- gendäre BMW 507“ in der Buchreihe folg gesetzt wurden. Nach nur vier Jahren Technikgeschichte, sondern auch ein auto- „Profile“ der BMW Mobile Tradition. aufwändiger, individueller Produktion ging mobiles Vermögen. Neueste Recherchen Das Buch widmet sich exklusiv diesem Mo- diese Episode zu Ende, die edlen Roadster lassen den berühmten Sportwagen in dell, für viele Kenner eins der schönsten wanderten durch viele Hände in aller Welt einem neuen Licht erscheinen, fernab der Automobile aller Zeiten. Manche Legende und wurden schließlich als exklusive üblichen nostalgischen Romantik – eine rankt sich um den beeindruckenden Sport- Klassiker wiederentdeckt. facettenreiche, opulent illustrierte Auto- wagen mit der endlos langen Motorhaube Jeder einzelne repräsentiert heute nicht Biographie und zugleich ein wichtiges über dem modernsten V8 seiner Zeit. nur ein faszinierendes Stück Design- und Kapitel BMW Unternehmensgeschichte.

Leseprobe: Aus der damaligen Beschreibung des BMW 507

„Mitdem neuen BMW 507 Touring-Sportwagen der weichen Federung dieses Sportwagens. Der jedoch als Sonderzubehör ein abnehmbarer setzt BMW seine langjährige und erfolgreiche BMW 507 besitzt ein geräuscharm arbeitendes, Coupé-Aufsatz geliefert, der das rassig-sport- Tradition im Bau schneller Sportwagen fort. Es an den Motor angeblocktes Fünfgang-Getriebe liche Aussehen noch erhöht. Es besteht die darf an dieser Stelle an die souveräne Beherr- (und Rückwärtsgang), das in vier Gängen sperr- Möglichkeit der Abdeckung des rechten Fah- schung der Zweiliter-Sportwagenklasse durch synchronisiert ist. Wie bei Sportfahrzeugen rersitzes, der Anbringung eines Unterschutzes BMW vor dem Krieg erinnert werden. Ausge- üblich, ist nicht eine Lenksäulen-, sondern eine und einer kleinen Renn-Windschutzscheibe stattet mit dem 3,2-Liter-V-Achtzylinder-Motor griffgerechte, kurze Knüppelschaltung zwischen sowie veränderter Scheinwerfer. Das Gewicht in seiner serienmäßig höchstentwickelten Form den Sitzen vorgesehen. beträgt fahrfertig ca. 1.170 kg. Rennreifen von 140 PS Leistung, liegtdie Spitze dieses ras- Die Lenkung mit axial verstellbarer Lenksäule 6.00–16 vervollständigen die hochwertige sigen und eleganten Zweisitzer-Roadsters bei erfolgt durch ein spielfreies Kegelradgetriebe. Ausstattung.“ 220 km/st. Das max. Drehmoment beträgt 22,6 Der hohen Spitzengeschwindigkeit ent- mkg, das Verdichtungsverhältnis 7,5:1. sprechen die groß dimensionierten Öldruck- Die Ventilbetätigung erfolgt durch Stößel, Stoß- bremsen mit 1.280 cm2 Bremsbelagfläche und stangen und Kipphebel mit Temperaturaus- Leichtmetall-Bremstrommeln mit einge- gleich. Als Vergaser dienen zwei Doppelfall- schrumpftem Graugußring. stromvergaser. Bei seinem Fahrgestell handelt Die Karosserie ist aus hochwertigem Leicht- es sich um den bekannten BMW Vollschutz- metall, ebenfalls die entgegengesetzt zur rahmen mit Kasten- und Rohrprofilen höchster Fahrtrichtung aufklappbare Motorhaube und Festigkeit. Die Vorderachse zeigt Einzelradauf- der Kofferraumdeckel. Der Kofferraum hat für hängung mit Radführung oben und unten durch einen Sportwagen einen bemerkenswerten in Gummi gelagerte Dreieckslenker, einstellbare Rauminhalt. Der hinter den Sitzen angeordnete Stabfedern und Teleskop-Stoßdämpfung. Kraftstoffbehälter besitzt ein Fassungsvermö- Die Hinterachse ist als Banjoachse ausgebildet gen von 95 Litern. Die Armaturentafel hat eine und besitzt ein Hypoidgetriebe. Die gegenüber sportliche Note mit übersichtlich angeordneten der bekannten BMW Ausführung geänderte Präzisionsinstrumenten. Drehzahl- und Ge- Hinterachsaufhängung mit Schub- und Zug- schwindigkeitsmesser zeigen einen Durch- strebe, die Querstrebe ist als ‚Panhard‘-Strebe messer von 140 mm und die Geräte sind mit Sie erhalten die Edition ausgebildet, gewährleistet eine noch bessere einem Blendschild versehen. Serienmäßig ist „Der legendäre BMW 507“ bei Ihrem BMW Straßenlage und Kurvenhaftung. Ein weiterer der BMW Touring Sport mit einem Allwet- Händler oder über Heel Verlag GmbH, Vorzug liegt in der besonderen Handlichkeit und terverdeck ausgestattet, auf Wunsch wird Order-Hotline Telefon: 05 31 – 79 90 79.

Seite 10 BMW Group Mobile Tradition: Veranstaltungen

Prototypen und Jubilare

Die Techno Classica 2005 stand ganz im Zeichen der 50er Jahre – ein für das Unternehmen BMW entscheidendes Jahrzehnt. Den zweiten großen Akzent setzte das Thema „30 Jahre BMW 3er“ mit Exponaten von der ersten Generation bis zum Anfang 2005 präsentierten neuen BMW 3er.

Von Martin Lohr

Es sind die Gegensätze zwischen einem bot der Stand wieder eine Fülle von rockengel“ erfreute sich zwar seit seinem Opel Commodore, einem mondänen Rolls- interessanten Exponaten, viele bisher un- Auftritt als „Darsteller Isar 12“ in einer der Royce aus den 30er Jahren oder einem veröffentlichte Originalaufnahmen und ersten Polizei-Fernsehserien der Nach- BMW 501, die seit je das besondere Flair selten gezeigte Dokumente sowie aktuelle kriegszeit großer Bekanntheit. Der in den der Techno Classica ausmachen. Auch Motive aus der Kommunikationskam- frühen 50ern produzierte BMW 501 war 2005 ließen sich einige Zahlen des Vor- pagne zum Thema „30 Jahre BMW 3er. aber, wie auch sein „Schwestermodell“ jahres erneut übertreffen. So fanden sich Von Anfang an unerrreicht“. BMW 502, für die breite Masse zu teuer auf einer Ausstellungsfläche von 110.000 Ausgehend von den 50-jährigen Jubi- Quadratmetern dieses Jahr über 1.000 läen der Markteinführung von BMW 507 Aussteller ein. Verteilt auf 19 Hallen, konn- und BMW Isetta widmete sich die BMW ten die rund 130.000 Besucher etwa 2.000 Mobile Tradition inhaltlich diesem für das Fahrzeuge bewundern. Damit ist und bleibt Unternehmen so entscheidenden Jahr- die Techno Classica in Essen eindeutig die zehnt: Mit dem BMW 501 lief nach dem größte Veranstaltung ihrer Art weltweit. Zweiten Weltkrieg 1952 bei BMW die Auch im Jahr 2005 war der Stand von Automobilproduktion wieder an. Der „Ba- BMW Mobile Tradition in Halle 12 wieder einer der Hauptanziehungspunkte für die Liebhaber historischer Fahrzeuge. Mit den Holger Lapp, Leiter BMW Mobile Tradition, eröffnete die Abendveranstaltung zum Thema beiden Jubiläumsthemen „BMW und die „BMW und die 50er Jahre“ auf der Techno 50er Jahre“ sowie „30 Jahre BMW 3er“ Classica 2005.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 11 Facts Fakten Faits Fatti

Stand der BMW Mobile Tradition auf der Techno Classica 2005: Anziehungspunkt für Besucher und Aussteller gleichermaßen.

und brachte nicht den erhofften, wirt- endgültig für den wirtschaftlichen Durch- können dieses Fahrzeug als exklusives schaftlichen Erfolg. Zugleich ging auch bruch sorgte. Die gesamte historische Modell über den Accessoires-Katalog der der zunächst nach dem Krieg boomende Bandbreite der 50er Jahre war mit vielfäl- BMW Mobile Tradition beziehen. Markt für Motorräder zurück und ver- tigen Exponaten, Dokumenten und Zeit- Zweiter „Jubilar“ war der legendäre schärfte eine latente wirtschaftliche Krise zeugnissen auf der Ausstellung zu sehen. BMW 507. Dieser von Albrecht Graf Goertz bei BMW, die sich erst gegen Ende des Die bis heute heiß geliebte BMW Isetta entwickelte Roadster gilt vielen bis heute Jahrzehnts auflösen sollte. Zwar konnte wurde mit drei einzigartigen, speziell als „schönster Sportwagen der Welt“. mit der BMW Isetta der wachsenden lackierten Modellen auf der Techno Clas- Neben einem Serienmodell des BMW 507 Nachfrage nach einem Kleinwagen in der sica präsentiert – der BMW Isetta 250 wurden den Messebesuchern als zu- Bevölkerung entsprochen werden, aller- Export „Lufthansa“, der BMW Isetta 300 sätzliche Highlights der BMW 507 Proto- dings reichten die Absatzzahlen nicht für Standard „Stern“ sowie der BMW Isetta typ, unter anderem entwickelt von Ernst eine nachhaltige Gesundung des Unter- 300 Export „Skyline“. Diese wurde von Loof, und der BMW 3200 Michelotti nehmens. Dies gelang erst mit der erfolg- BMW Mobile Tradition extra zum 50. Ge- Vignale gezeigt. In dieser Kombination reichen Einführung des BMW 700, einem burtstag mit der Skyline von München wurden die drei Fahrzeuge damit weltweit Vorläufer der späteren Neuen Klasse, die lackiert. Liebhaber der „Knutschkugel“ zum ersten Mal einem breiten Publikum

Von links: Dr. Florian Triebel, Fred Jakobs, Sinja Lohse und Manfred Grunert von BMW Mobile Tradition bei der Präsentation „BMW und die 50er Jahre“. Rechts: eine BMW R 90 S Daytona.

Seite 12 BMW Group Mobile Tradition: Veranstaltungen

tationen boten viel Fachwissen aus erster Hand von Mitarbeitern des Archivs zum damaligen Stand der Technik, zu den Geburtstagsmodellen BMW Isetta und BMW 507, den wirtschaftlichen Heraus- forderungen und zur Art, wie BMW für seine Produkte warb. Anschließend folgte die Premiere des neuen Films „Rendez- vous après midi“. Der Film verknüpft auf gekonnte Weise die damalige Zeit mit ihren Jubiläumsfahrzeuge: Links BMW Isetten in Sonderlackierung, rechts BMW 503. Träumen, Wünschen und Sehnsüchten mit der heutigen und schildert das Le- präsentiert. Dementsprechend groß war Stand von BMW mit den dort ebenfalls ver- bensgefühl der 50er und einen „Flirt“ der das Interesse an diesen Exponaten. tretenen Clubs. Die Techno Classica stellt BMW Isetta mit dem BMW 507 auf sym- Anlass für das andere große Jubilä- mit 130 internationalen Clubs das welt- pathische und unterhaltsame Weise. umsthema war die Markteinführung der größte Forum der Oldtimer-Clubs dar. In Damals wie heute, dies machte der Film fünften Generation des BMW 3er zu Be- der Halle 12 von BMW fanden sich klar, stand und steht der BMW 507 für ginn des Jahres 2005. Zu Ehren dieser 30- zahlreiche Vertretungen von BMW, Mini, Schönheit und Sportlichkeit, und auch die jährigen Erfolgsstory präsentierte BMW und Rolls-Royce. Ein weiteres High- BMW Isetta hat über die Jahre nichts von Mobile Tradition auf der Techno Classica light war die Abendveranstaltung „BMW ihrem besonderen Charme eingebüßt. Vertreter aus fünf Generationen der Modell- und die 50er Jahre“. Vor zahlreichen Auto- Als krönenden Abschluss gewannen reihe in einem stolzen Spalier. Im Hinter- mobilen aus den 50ern in dezentem Licht die Besucher noch einige Einblicke in das grund lief dazu der von BMW Mobile lud BMW zu einer stimmungsvollen neue Buch von Herrn Dr. Lange zum BMW Tradition gedrehte Film „30 Jahre BMW Zeitreise. Gestartet wurde mit einer ebenso 507, das im Monat Juli 2005 in der Reihe 3er. Von Anfang an…“, der die eindrucks- informativen wie unterhaltsamen Präsen- BMW Profile erscheint. Im Gespräch mit volle Dynamik und die sportliche tation über die Entwicklung der Gesell- Holger Lapp vermittelte der Autor einen Charakteristik des BMW 3er in rasanten schaft sowie des Unternehmens BMW in ersten Eindruck von den spannenden In- Bildern vermittelt. Abgerundet wurde der den 50er Jahren. Die anregenden Präsen- halten über den legendären Wagen.

Repräsentanten der erfolgreichen Rennhistorie des BMW 3ers, von links: BMW 320i ETCC, BMW 320td und hinten BMW M3 Gruppe A.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 13 FIA World Touring Car Championship

2005 wird der Weltmeisterschaftstitel im Tourenwagensport erstmals seit 1987 wieder ausgetragen. Europa, Asien und Nordamerika sind die Kon- tinente, auf denen die 20 Läufe der Serie stattfinden. Im Rennkalender der FIA WTCC sind drei Strecken erstmals Schauplatz eines WM-Laufs: der aufwändig modernisierte Kurs im mexikanischen Puebla, der von der FIA die WM-Tauglichkeit erhielt, zeigte am 26. Juni die Läufe 9 und 10. Sein Debüt gibt das „Istanbul Otodrom“ am 18. September. Zum Abschluss der Saison findet am 20. November erstmals eine internationale Tourenwagenmeisterschaft auf der schon legendären Strecke „Guia Race“ von Macau in China statt.

Von Gudrun Freier

„Vorhang auf für die erste Tourenwagen-Weltmeisterschaft seit neue Herausforderung an. Bei der FIA WTCC 2005 wird Roberto 1987“ heißt es für 26 Fahrer aus zehn Nationen und acht Automo- Ravaglia als erfolgreichster aller BMW M3 Piloten erstmals als bilhersteller in der neuen FIA World Touring Car Championship Teamchef des BMW Team Italy-Spain dabei sein. Die beiden (WTCC), die den Kampf um die begehrte Krone im internationalen BMW 320i werden gesteuert von seinen Teamkollegen Antonio Tourenwagensport antreten. Natürlich auch für BMW. Garcia und Alessandro Zanardi. Erfolgreich war BMW in der Tourenwagen-Welt- Auf der Suche nach dem besten Tourenwagen-Piloten der meisterschaft 1987: Roberto Ravaglia (ITA) gewann auf einem Welt gehen für BMW drei Länderteams auf BMW 320i an den Start. BMW M3 den bisher einzigen WM-Titel im Tourenwagensport – Das BMW Team Italy-Spain wird von den Vertriebsorganisationen mit nur einem Punkt Vorsprung. Seine Konkurrenten waren Deutschland, Italien und Spanien unterstützt. Die Voraussetzun- Klaus Ludwig und Klaus Niedzwiedz. 1988 siegte Ravaglia in der gen sind gut, denn bei der vorerst letzten Europameisterschaft EM, 1989 in der DTM. 1997 beendete er seine Fahrerlaufbahn. 2004 gingen der Fahrer- und Herstellertitel an BMW München. 2001 nahm er mit der Gründung von Ravaglia Motorsport eine RBM-Teamchef Bart Mampaey (BEL) setzt für das BMW Team UK

Seite 14 BMW Group Mobile Tradition: Rennsport

auf den Erfolg von Andy Priaulx (GBR) mit dem Fahrertitel in der FIA ETCC 2004. Das BMW Team Deutschland – Schnitzer Motorsport wird vertreten durch Dirk Müller und Jörg Müller mit dem erfahre- nen Teammanager für das Entwicklungsteam BMW Motorsport: Charly Lamm aus Freilassing. Beim Einsatz der Rennmodelle der BMW 3er Reihe im Touren- wagensport schreibt BMW bereits seit 1977 Erfolge: Immerhin 20 Europameistertitel mit FIA-Prädikat sowie die Weltmeisterschaft 1987 gehen auf das weiß-blaue Konto. Mit der Teilnahme an der WTCC, als eine der drei FIA-Serien mit Weltmeisterschaftsprädikat neben der Formel 1 und der Rallye-WM, bekräftigt BMW Motor- sport-Direktor Dr. Mario Theissen den hohen Stellenwert des Tou- renwagensports für BMW. Trotz starker Konkurrenz und weiterer Hersteller, die hinzukommen, ist das erklärte Ziel, den Titel zu verteidigen. Mit guter Besetzung auf der Fahrerseite will man erneut das beste und schnellste Auto im Feld bauen. Roberto Ravaglia und Dr. Mario Theissen, Direktor BMW Motorsport, In zehn Rennveranstaltungen muss sich der zukünftige bei der Tourenwagen-Meisterschaft 2005, 1. und 2. Lauf in Monza. Tourenwagen-Weltmeister qualifizieren. Nach dem Regle- ment der FIA WTCC wird jeweils ein Fahrer- und ein Mar- Motorsport auch Detailverbesserungen an Elektronik und Mecha- kentitel vergeben. Die Startaufstellung für das erste von zwei nik vorgenommen. Für die Motorsteuerung des 275 PS starken Rennen an einem Rennwochenende ergibt sich nach zweimal Aggregats erhielten die Entwickler von BMW Motorsport prakti- 30 Minuten freiem Training und dem Qualifying. Am folgen- sche Unterstützung von der Elektronik-Fakultät der Fachhoch- den Tag gibt es ein fünfzehnminütiges Warm-up und 50 Kilo- schule München. Im Gegenzug nutzten diese den Hochleistungs- meter für das Rennen 1. Die Teams haben danach eine Renn- rechner bei BMW Motorsport als Versuchslabor bei der Computer- pause von nur 15 Minuten, um die Fahrzeuge für das Rennen simulation der Bordelektronik. Dr. Mario Theissen, seit über 25 2 fit zu machen. Beim Rennen 2, das ebenfalls über 50 Kilo- Jahren in der Motorenentwicklung tätig, kündigte im Interview an, dass der BMW 320i 2004 wohl zum letzten Mal zum Einsatz Links: Andy Priaulx auf BMW 320i in der ETCC 2003. kommt – die nächste Generation des BMW 320i wird auf Basis des Unten: Roberto Ravaglia (2. von links), Linder-Team, bei der neuen BMW 3er vorbereitet. Tourenwagen-Weltmeisterschaft 1987, 1. Lauf in Monza. Die ETCC-Rennen in den vergangenen Jahren haben die Zuschauer begeistert, denn Spannung und Action gab es auf allen Strecken, oft mit beinahe Tür-an-Tür-Kontakten der Autos. Aus- führliche Live-Übertragungen der FIA-WTCC-Rennwochenenden über Eurosport lassen auch Zuschauer, die nicht live dabei sein können, die Saison 2005 mit Spannung verfolgen. Eine besondere Anziehungskraft der Rennversion des aktuellen BMW 320i ent- steht über den Erfolg im Tourenwagensport. Es wurden bereits 110 Fahrzeuge für den weiteren Einsatz im Motorsport an Kundenteams verkauft. Nach einem erfolgreichen Saisonauftakt in Monza und Magny-Cours geht der bisherige Verlauf der FIA WTCC – trotz eines schwierigen Rennens der Läufe 5 und 6 auf dem „Silverstone Circuit“ – für BMW weiter in Richtung WM-Führung. meter geht, starten die Top-Acht in umgekehrter Reihenfolge. Die weiteren Läufe werden mit Sicherheit spannend – wer Die acht Bestplatzierten erhalten Meisterschaftspunkte; die erfolg- bekommt die begehrte Krone im internationalen Tourenwagen- reichsten des Wochenendes erhalten ein Handicapgewicht und sport? Am 20. November werden wir es wissen – nach dem letz- Zusatzgewichte je nach der Anzahl der WM-Punkte (siehe auch ten Lauf in Macau, China. Tabelle rechts). Mit der Neuregelung 2005 ist es möglich, Gewicht auch wieder abzubauen. Die Zusatzgewichte aus beiden Kategorien werden vor jedem Rennwochenende addiert. Das Punkte- und Handicap-Regelung maximale Zusatzgewicht beträgt 60 kg. Seit 2001 siegte der BMW 320i in der Vorgängerserie FIA Platz 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. ETCC immerhin 36-mal. Wie in jedem Jahr, hat BMW Motorsport Punkte 10 8 6 5 4 3 2 1 den BMW 320i im erlaubten Rahmen weiterentwickelt. So wurde die Frontschürze aerodynamisch optimiert. Für 2005 gibt es eine Platz veränderte Achskinematik, auch die Stoßdämpfer sind leistungs- 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Zusatz- gesteigert. Zusätzlich zum BMW P54 Motor mit serienmäßigem gewicht +40 kg +30 kg +20 kg +10 kg 0 -5 kg -10 kg -15 kg -20 kg Aluminiumblock und Zylinderkopf haben die Ingenieure von BMW

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 15 Im Netz der BMW Mobile Tradition

Auf der überarbeiteten Onlineseite der BMW Mobile Tradition erfahren Freunde der Marke alles Wissenswerte über das Engagement von BMW Mobile Tradition – vom Historischen Archiv über die Fahrzeugsammlung, die Kommunikation und das Museum bis zur internationalen Clubszene.

Die Webseite der BMW Mobile Tradition Auch den direkten Kontakt mit der Mobile eine Vielzahl an Informationen zu Veran- bietet eine Fülle von Informationen aus Tradition erleichtert die Onlineseite. Wer staltungen, Messen, Jubiläen und Special- ihren unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern. Einblick in die Werkstatt erhalten will oder Themen geboten – etwa zu aktuellen (un- Das Historische Archiv bietet umfang- ganz konkrete Fragen hierzu hat, kann ter „News“) oder zu vorangegangenen reiche Infos zur Unternehmens-, Marken- unter „Historische Sammlung“ Kontakt zur (unter „News – Archiv“) Ausgaben des und Produkthistorie, nicht nur für Journalis- Historischen Werkstatt aufnehmen. Magazins Mobile Tradition Live. ten, Autoren und Historiker von Bedeutung. Das BMW Museum am Olympiaturm Ganz besonders freut sich die Um die Suche abzukürzen, kann über das ist selbstverständlich ebenfalls vertreten. Mobile Tradition, auf ihrer Onlineseite Historische Archiv-System (HIAS) direkt Wer einen gemütlichen und zugleich in- die jeweiligen Special-Themen aus dem online auf den Bestand zugegriffen werden. formativen Nachmittag im Museum plant, Magazin Mobile Tradition Live unter Nutzer können kostenlos recherchieren. wird hier fündig bezüglich Öffnungszeiten, gleichnamiger Rubrik zu präsentieren. Für den Web-Besucher, der einen his- Eintrittspreisen und Themen der Sonder- Hier finden sich Themenblöcke wie „75 torischen BMW sein Eigen nennen darf, ausstellungen. Über den aktuellen Stand in Jahre BMW Automobile“, „100 Jahre hält das Historische Archiv unter der Rubrik der Entwicklung des Neuen Museums Ernst Jakob Henne“ oder zum legen- „BMW Zertifikat“ eine Besonderheit bereit. informiert die Seite der BMW Mobile Tradi- dären BMW M1. Zuletzt drehte sich alles Nach Erstellung eines Zertifikats, aber auch tion ebenfalls mit interessanten Einblicken. um die 30-jährige Erfolgsgeschichte der selbstverständlich vorher, können unter Termine, Veranstaltungen sowie BMW 3er Reihe. Ganz neu im Angebot „Teileversorgung“ Teile bestellt werden, da- Adressen vieler BMW Clubs finden sich wird nun auch ein Special zum Thema mit die Freude am BMW auch zukünftig er- hier ebenfalls. Denn natürlich sind auch „25 Jahre GS“ sein. halten bleibt. Neugierigen oder noch nicht die BMW Clubs, deren Organisation zu Auf der Onlineseite spiegelt sich die Entschlossenen bietet die Onlineseite aber einer der größten in der Branche zählt, auf Historie von BMW, von den Anfängen bis auch die Möglichkeit, sich nur zur Verfüg- unserer Internetseite vertreten. Unter zur Gegenwart, als lebendige Geschichte: barkeit der Teile zu informieren. Hierzu dem Link „BMW Clubs“ findet jeder In- www.bmwmobiletradition.de dient der Historische Teilekatalog, der teressent die nötigen Kon- bequem einzusehen ist. taktadressen (wie http:// Werstattdessen lieber ein Buch liest www.bmw-clubs-interna- oder sich mit dem einen oder anderen tional.com) und viele wei- Accessoire bereichern möchte, wird eben- tere Informationen rund falls fündig. Die Rubrik „Publikationen & um die BMW Clubs. Accessoires“ eröffnet dem Besucher eine Ein weiteres Highlight breite Auswahl an erschienenen Büchern ist die Rubrik „Tradition ak- sowie den Accessoires-Katalog. tuell“. Hier wird dem Leser

Geballtes Informationsangebot: Die Internetseite der BMW Mobile Tradition bietet, ganz neu überarbeitet, eine Menge Informationen zu den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern rund um das Thema der BMW Historie.

Seite 16 Eine echte Rarität: Der BMW 3200 Michelotti Vignale ist ein absolutes Einzelstück. Der BMW 3200 Michelotti Vignale

Den Designer Michelotti beschäftigte das Thema BMW 507 so sehr, dass er 1957 einen ersten Alternativentwurf für eine Karosserie zeichnete und 1958/1959 auf Basis eines 507 Fahrgestells auf eigene Faust realisierte. Dieses Einzelstück gelangte im Januar 2005 in die Fahrzeugsammlung der BMW Mobile Tradition. Von Kai Jacobsen

Der italienische Designer Giovanni Michelotti stellte im Jahr 1957 Sonderkarosserie einen Schätzpreis von 25 bis 35.000 Pfund Überlegungen zu einer alternativen Karosserie für den BMW 507 angegeben, so dass Christie’s mit dem hohen Endergebnis sehr an. Ende Juli 1957 fertigte er eine erste Zeichnung an, die schon zufrieden war. Der Autoenthusiast Oscar Davis, zu dessen sehr nah an der endgültigen Version des Fahrzeugs war. Zu diesem Sammlung damals auch ein serienmäßiger BMW 507 gehörte, Zeitpunkt war das Fahrzeug noch als Coupé gedacht. Im Sep- zwei BMW 328 Roadster sowie diverse Ferrari, Lancia und Bugatti, tember 1958 erwarb er über den italienischen BMW Importeur, die ließ das Einzelstück restaurieren und in rot umlackieren. Im Jahr Casa dell’Automobili von Alessandro Paolini & Figlio, das BMW 2001 erwarb die Blackhawk Collection mit Sitz in Danville, Kalifor- 507 Fahrgestell mit der Nummer 70184. Am 8. September 1958 nien, den BMW 3200 Michelotti Vignale. Im August 2004 entdeck- begann die Montage und am 11. September 1958 wurde es nach te Klaus Kutscher, Werkstattleiter der BMW Mobile Tradition, in Italien ausgeliefert. Pebble Beach, Kalifornien, den Wagen mit einem „For Sale“- Die von Michelotti kreierte Karosserie war viel kantiger als der Schild. Er berichtete dem Leiter der BMW Mobile Tradition, Holger BMW 507 und zeigte deutlich die italienischen Einflüsse. Die Fertigung der Karosserie übernahm Sergio Scaglietti in Modena, der sich mit seinen Arbeiten für Enzo Ferrari schon einen Namen gemacht hatte. Der Zusammenbau erfolgte bei der Carrozzeria Alfredo Vignale in Turin. Das Heck des Roadsters mit Hardtop ähnelt dem des BMW 700 Coupé, der auch von Michelotti ent- worfen wurde. Diese Heckgestaltung wurde von Michelotti 1961 für den Triumph TR 4 wieder aufgegriffen. Von 31. Oktober bis 11. November 1959 wurde der BMW 3200 Michelotti Vignale auf dem Autosalon in Turin zum ersten Mal ausgestellt. Die Presse berichtete, dass er 1,5 Millionen Lire (10.098 D-Mark) billiger war als ein serienmäßiger BMW 507, der Michelottis Zeichnung zur Form des 3200 Michelotti Vignale, 1957. damals in Italien 7,222 Millionen Lire (48.619 D-Mark) kostete. Im Vergleich dazu war der BMW 507 in Deutschland um einiges güns- Lapp, davon, und in der Folge wurde die Entscheidung zum Ankauf tiger: 31.700 D-Mark inklusive Coupé-Aufsatz. getroffen und die Blackhawk Collection kontaktiert. Ende 2004 war Nach der Ausstellung verliert sich die Spur des seltenen der Kauf perfekt, das Auto kam per Luftfracht nach München. Wagens. Er taucht erst wieder auf, als er vom Auktionshaus Die Laufleistung des BMW 3200 Michelotti Vignale in den Christie's am 21. April 1986 in Beaulieu für 50.760 Pfund (inklusive Jahren 1986 bis 2004 betrug lediglich 550 Kilometer. Der erste öf- Aufgeld, 169.234 D-Mark) an den Amerikaner Oscar Davis verkauft fentliche Auftritt des außergewöhnlichen Einzelstücks in Deutsch- wird. Der Kilometerstand betrug lediglich 10.315 Kilometer. Aus land war die Oldtimermesse Techno Classica in Essen im April dem Auktionskatalog erfuhr man, dass das Fahrzeug von 1980 bis 2005, wo es Seite an Seite mit dem BMW 507 Prototyp ausgestellt 1986 zum Besitz des Earl of Chichester gehörte. Das Auktions- wurde. Im Anschluss war das Fahrzeug Ende April beim Concorso haus hatte für den BMW mit der rotbraun-metallic lackierten d’Eleganza auf dem Gelände der Villa d’Este zu bewundern.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 17 Die neue Motorradklasse: 25 Jahre BMW GS

Die BMW R 80 G/S ist ein Meilenstein der BMW Motorradgeschichte. Bis heute, 25 Jahre nach ihrer Vorstellung, hat das neue Marktsegment, das sie begründete, nichts von seiner Faszination für die Motorradfahrer verloren. Mit Innovationen und einem prägnanten Design eroberten sich die verschiedenen Modellgenerationen der „GS“ immer neue Zielgruppen.

Von Fred Jakobs

Im September 1980 präsentierte BMW Die Geburtsstunde der BMW GS fiel in eine das Motorradgeschäft wieder auf Kurs zu in Avignon der Presse die BMW R 80 Phase des Absatzrückgangs nach einem bringen. Als erstes Produkt präsentierte ihr G/S. Dass BMW mit dieser Enduro ein- knappen Jahrzehnt stetigen Wachstums die Entwicklungsabteilung einen Gelände- deutig ein großer Wurf gelungen war, des BMW Motorradgeschäfts. Als Ursache prototypen als Basis für ein neues zeigten schon die ersten Testfahrten. Mit wurde neben dem starken Dollar, der vor Serienmodell. der R 80 G/S begründete BMW zudem allem die Ausfuhr in den Hauptexportmarkt Dieser Prototyp bestand weitgehend erfolgreich ein neues Marktsegment, USA erschwerte, eine im Vergleich zum aus Serienkomponenten des Straßenmo- das auch heute, ein Vierteljahrhundert Wettbewerb konservative Modellpolitik dells BMW R 80, die einfallsreich mit neu nach der ersten Präsentation, nichts von ausgemacht. Zum 1. Januar 1979 trat eine entwickelten Bauteilen kombiniert wurden. seiner Attraktivität eingebüßt hat. neue Führungsmannschaft ihr Amt an, um Ein leichteres Heck und ein größeres Vor-

Seite 18 Freiheit und Abenteuer im Land der unbe- grenzten Möglichkeiten: Die BMW R 80 G/S im ureigenen Terrain.

sport gewann Herbert Schek auf einer mo- difizierten BMW R 75/5 in den Jahren 1970 bis 1972. Als das Reglement 1978 auch Viertaktmotorrädern wieder eine Chance eröffnete, errang Lazlo Peres aus der BMW Versuchsabteilung den zweiten Platz der Deutschen Meisterschaft mit einem 142 kg leichten 800-ccm-Eigenbau. Von diesem Erfolg angestachelt, gründete BMW 1979 wieder ein Werksteam, um nun auch offiziell an den Geländewettbewerben teil- zunehmen. Mit Erfolg: Zwei Deutsche Meistertitel durch Richard Schalber und Werner Schütz in den Jahren 1979 und 1980 sowie Rolf Witthöfts Gewinn der Europameisterschaft 1980 waren die Ausbeute der beiden ersten Jahre. Ein erfolgreiches Gerät für den Sport aufzubauen, ist eine Sache, ein wirtschaft- lich erfolgreiches Serienmotorrad zu ent- wickeln hingegen eine weiter reichende Art der Herausforderung. So war von Anfang an klar, dass das neue Modell keine Replica der Geländesportmaschinen werden sollte, die nur zu einem relativ hohen Preis an einige wenige aktive Motorsportler oder Sammler hätte abgesetzt werden können. Das neue Modell musste in erster Linie all- tagstauglich sein, und der Verkaufspreis musste sich im vernünftigen Rahmen der derrad waren die Basis für die Gelände- BMW nicht zu vergleichen war. Der Proto- Marktgegebenheiten bewegen. tauglichkeit. Die herausragende technische typ entstand übrigens ohne formellen Ent- Die Suche nach der Position im Markt Innovation aber war eine Einarmschwinge wicklungsauftrag und diente dann gleich am Hinterrad. Diese war zuvor schon von der Versuchsabteilung als Begleitfahrzeug Blieb nur noch die Frage nach den zu er- den BMW Ingenieuren „für die Schublade“ für die Geländesport-Werksmannschaft. zielenden Stückzahlen. Mit der Honda XL entwickelt worden und passte nun hervor- 250 und der Yamaha XT 500 hatten japa- Tradition im Gelände ragend zum Projekt einer ganz neuen nische Hersteller bewiesen, dass Enduro- Enduro. Einarmschwingen wurden zwar Geländesport war für BMW kein Neuland, Modelle wegen ihrer Handlichkeit sehr schon in den 50er Jahren verbaut, aller- bereits in den 20er und 30er Jahren ging wohl auch bei Straßenfahrern Anklang fin- dings nur bei Kleinstkrafträdern wie der man erfolgreich bei Sechstagefahrten an den konnten, und sie hatten damit vor allem deutschen „Imme“ oder bei einigen Rol- den Start, und auch in den 50er und 60er in den USA eine wahre Enduro-Welle aus- lern, also Fahrzeugen, deren Gewicht und Jahren errangen BMW Fahrer Titel in Serie. gelöst. Der Markt war also zu erkennen. Leistung mit einer „ausgewachsenen“ Die letzten drei Meistertitel im Gelände- Doch diese Einzylinder-Motorräder entsprachen nicht den Vorstellungen von BMW. Zu spartanisch war ihre Ausstattung, was dank des daraus resultierenden nied- rigen Gewichts zwar für kurzfristigen Spaß im Gelände ausreichte, auf langen Touren aber das Fahren zur Strapaze machte. Und an die Mitnahme eines Beifahrers oder

Prototypen der BMW R 80 G/S von 1979. Deutlich erkennbar ist hier die Herkunft aus dem Geländesport.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 19 Die neue Motorradklasse: 25 Jahre BMW GS

einer Beifahrerin war erst recht nicht ernst- haft zu denken. Eine BMW musste anders aussehen. Komfort, Tourentauglichkeit und Langle- bigkeit als typische Tugenden waren unver- zichtbar. Und so kristallisierte sich allmäh- lich die Idee heraus, Geländetauglichkeit mit hohen Fahrleistungen und komfortab- lem Fahrverhalten auf der Straße zu kombi- nieren. Dem Markt fehlte ein Motorrad, das die Vorteile beider Fahrzeugkonzepte opti- mal miteinander verband. Ein genaues Stu- dium des Enduro-Marktes brachte zudem die Erkenntnis: Lediglich zwei Prozent der gefahrenen Kilometer wurden wirklich im schweren Gelände zurückgelegt, 98 Pro- zent entfielen auf Straßen, unbefestigte Wege oder schmale Pfade. Raffinierte Hinterradführung Dies war der Hintergrund, vor dem die Füh- rung dem Projekt grünes Licht gab. Rüdi- ger Gutsche, Leiter der Fahrwerksentwick- lung, wurde zum verantwortlichen Projekt- leiter ernannt. Gutsche war – und ist bis heute – selbst ein begeisterter Gelände- fahrer, der in der Vergangenheit mit seinen BMW Eigenbauten bei Veranstaltungen schon mehrfach für Aufsehen gesorgt hatte. Schwerpunkt der Entwicklung war die neue einarmige Hinterradführung. Erprobungsfahrt mit dem Vorserienmodell. BMW Pressesprecher Kalli Hufstadt und der Journalist Hans Peter Leicht prüften die R 80 G/S 1980 in Ecuador auf Herz und Nieren. Durch eine Verstärkung der Lagerung des Tellerrades im Hinterradantrieb wurde es möglich, das Hinterrad direkt mit dem sprecher Kalli Hufstadt startete gemeinsam Erfahrungen mit den Wettbewerbsmo- Achsantrieb zu verschrauben. Damit wurde mit dem Journalisten Hans Peter Leicht auf torrädern profitieren. der Radwechsel so einfach wie beim Auto- zwei Vorserienfahrzeugen zu einer Reise Die Presse ist begeistert mobil. Doch man betrat technisches Neu- von 2.000 km durch Ecuador. land, und die Frage war zunächst, ob eine Das Motto lautete: „Vom Urwald zum Am 1. September 1980 war es dann so solche Konstruktion auch härtesten Belas- ewigen Eis“, denn während der Reise weit, BMW stellte im südfranzösischen tungen gewachsen war. sollten die Motorräder sich in extremen Avignon die BMW R 80 G/S der internatio- Die ersten Tests verliefen vielver- Klima- und Straßenverhältnissen be- nalen Presse vor. Nicht einmal 21 Monate sprechend, und im Januar 1980 sollte die währen: vom feuchten und heißen Ama- waren seit dem Projektstart vergangen, und GS einen Praxistest unter extremsten Be- zonasbecken bis hinauf auf 5.000 Meter die BMW Beteiligten waren gespannt auf dingungen absolvieren: Der BMW Presse- in die Gletscherwelt der Anden mit ihrer die Resonanz. Natürlich stand zunächst die dünnen Höhenluft. Diese Gewalttour „Monolever“ genannte Hinterradschwinge überstanden Mensch und Motorrad mit im Fokus der Aufmerksamkeit. Doch die lediglich leichten Blessuren. Einarmschwinge war kein Selbstzweck: Die Entwicklungsarbeit der BMW Rund zwei Kilogramm leichter bauend als Ingenieure hatte sich hierbei ebenso eine konventionelle Lösung, war die Ver- ausgezahlt, wie das intensive körper- windungssteifigkeit um rund 30 Prozent liche Training der beiden Fahrer vor ihrer größer, was die unerwünschten Seiten- Abreise nach Südamerika. Die Ent- kräfte beim Einfedern merklich reduzierte. wickler konnten sich nun an die Feinab- Mit einem Trockengewicht von nur stimmung machen, und natürlich 167 kg war sie das leichteste Motorrad der konnten sie bei ihrer Arbeit von den 800-ccm-Klasse, 218 mm Bodenfreiheit – 50 mehr als bei der /7-Reihe – und Feder- Herbert Schek bei der Gelände- wege von 200 mm vorn und 170 mm hinten Europameisterschaft Amtzell 1978. boten den meisten Fahrern ausreichende

Seite 20 BMW Group Mobile Tradition: Motorrad

tenen Pneus lediglich für Geschwin- digkeiten bis 130 km/h zugelassen waren, allein diese Zahlen verdeutlichen die Sonderstellung der BMW G/S. Die Kunden wollen die G/S Als sie dann am 19. September auf der IFMA der breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war der Andrang am BMW Stand groß: Das Publikum war gespannt auf den „Bayerischen Allrounder“, der in der Presse Links: Die Pressevorstellung der BMW R 80 G/S im September 1980 in Avignon. Nach der Probefahrt herrschte Begeisterung. Recht: Die R 80 G/S beweist Off-Road-Qualität. so viel Vorschusslorbeeren bekommen hatte. Die Begeisterung am Messestand schlug sich in den Bestellungen für die Offroad-Qualitäten. Aus den Erfahrungen Nie zuvor animierte ein neues Modell die kommende Motorradsaison nieder: 6.631 des Geländesports resultierten auch die Journalisten auch zu einer solchen Motorräder – mehr als doppelt so viele wie elektronische Zündanlage und – ein Novum Vielzahl von Wortspielen: „Naturboxer“, geplant – verließen bis zum Jahresende bei einer Enduro – die vordere Scheiben- „Geländemeister“, „Einarmiger Pfadfin- 1981 die Berliner Werkshallen. 1981 war bremse. der“, „Bergstiefel zum Sprinten“, „BMW jede fünfte verkaufte BMW eine G/S. Damit Doch die Frage war: Wie nimmt die für Seitensprünge“ – um nur die präg- trug die Reise-Enduro entscheidend dazu Presse das Fahrzeugkonzept einer großen nantesten zu nennen. Einige Zeitschriften, bei, dass es mit den BMW Verkaufszahlen Reise-Enduro auf? Wird die BMW R 80 wie die deutsche „Motorrad“ oder die wieder stetig aufwärts ging; und bis heute, G/S, wie erhofft und in der Namensgebung britische „ sport“, sprachen 25 Jahre nach der Präsentation, hat dieses impliziert – „G“ steht für Gelände und „S“ mit einem Augenzwinkern vom „besten Marktsegment seine enorme Bedeutung für Straße –, als positive Synthese akzep- Straßenmotorrad von BMW“, so beein- für BMW behalten. tiert oder als fauler Kompromiss vom Publi- druckt waren sie von den Fahreigen- Erfolge in der Wüste kum zerrissen? Die Antwort ließ nicht lange schaften. Fazit nahezu aller Tester: „Ein auf sich warten. Selten war die Begeiste- Motorrad für jedes Terrain“. Parallel zur Markteinführung verstärkte rung von Journalisten bei der Vorstellung Nebenbei gesagt, war die BMW R 80 BMW sein Engagement im Geländesport, eines Motorrades so einhellig. Stellvertre- G/S mit 800 ccm nicht nur die hubraum- als Bühne wurde die schwerste und publi- tend für unzählige andere soll hier der stärkste straßenzugelassene Enduro, son- cityträchtigste Offroad-Veranstaltung der Journalist der Schweizer Zeitschrift „Moto dern mit einer Höchstgeschwindigkeit von Welt, die Rallye Paris-Dakar, ins Auge ge- Sport“ zu Wort kommen: 168 km/h auch die mit Abstand schnellste. fasst. 1979 zum ersten Mal ausgetragen, „Unglaublich! Den Bayerischen Mo- Hierfür entwickelte Metzeler spezielle Rei- führte dieses Rennen über 9.500 Kilometer. toren Werken ist es gelungen, ein Motor- fen, da die bisher auf dem Markt angebo- Lediglich 30 Prozent der Strecke bestan- rad zu schaffen, das alle Vorausset- zungen für einen wahren Verkaufshit hat: die R 80 G/S! Zähes Festhalten an Altüberliefertem und Besterprobtem in Kombination mit sorgfältiger Beobach- tung des Markttrends und mutigen neuen Ideen schufen ein Motorrad, auf das viele echte Motorradfans gewartet haben. Zwar gibt es „Enduros“, mit denen man auch größere Strecken an- ständig hinter sich bringen kann, aber eben schon von der Leistung ist ein Mithalten mit modernen Straßenmaschi- nen nicht möglich… Die G/S fühlt sich zu Hause auf dem engen Kurvengeschlän- gel eines voralpinen Schotterweges wie auch auf breit ausgebauten Passstraßen oder – keine Übertreibung – der Auto- bahn. Und welchen Spaß man dabei hat.“

Maximaler Fahrspaß: Die BMW R 80 G/S bot auch auf der Straße perfektes Handling.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 21 Die neue Motorradklasse: 25 Jahre BMW GS

Links: G/S 80 Projektleiter Rüdiger Gutsche auf Afrika-Tour 1985. Rechts: Hubert Auriol und Gaston Rahier nach dem Sieg bei der Paris-Dakar, 1984.

Paris-Dakar-Schriftzug und eine Einzelsitz- bank mit ausladender Gepäckbrücke ver- mittelten optisch den Eindruck der Wett- bewerbsmotorräder, auch wenn unter dem neuen Kleid die Technik der Serie steckte. Die G/S verkaufte sich prächtig, doch Erfolg zieht auch Nachahmer an: Die Kon- kurrenten aus Japan und später auch Europa boten nun ebenfalls stärker auf die Straße zugeschnittene Enduros an. Spätestens als die ersten Zweizylinder- modelle auf dem Markt erschienen und man sich den 800 ccm Hubraum näherte, war klar, dass BMW sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen durfte und seine führende Position aktiv verteidigen musste. den aus befestigten Straßen. 1979 schied 1985 gewann der Belgier Gaston Rahier die Der Paralever der einzige BMW Fahrer, Fenouil, mit tech- Dakar. Es sollten für lange Jahre die letzten nischem Defekt aus. 1980 hing der Start BMW Siege sein, denn nach der Saison Das Ergebnis der Weiterentwicklung wurde bei der Paris-Dakar am seidenen Faden, als 1986 zog BMW das Werksteam zurück. am 24. August 1987 erstmal in Florenz der der Hauptsponsor absprang und erst eine Das Offroad-Potenzial hatte BMW mit vier Öffentlichkeit präsentiert: R 80 GS und Spendensammlung unter den französi- Siegen bei der Paris-Dakar mehr als ein- R 100 GS hießen die Nachfolgemodelle. schen BMW Motorradhändlern in letzter drucksvoll unter Beweis gestellt. Der Schrägstrich in der Typenbezeichnung Minute die notwendigen finanziellen Mittel Auf der G/S in die Ferne zusammenbrachte. Es schien, als sollte sich dieser persönliche finanzielle Einsatz Die Werbewirksamkeit der Erfolge bei der lohnen: Hubert Auriol, als zweiter Fahrer Paris-Dakar verhalf der BMW zu neuen neben Fenouil von BMW France gemeldet, Kunden. Natürlich war es einem Straßen- führte nach elf Etappen, doch in der fahrer, der nur ab und an mal über Feldwege zwölften Etappe wurde er wegen unerlaub- fuhr, relativ egal, ob „sein“ Motorrad sich ter Hilfestellung disqualifiziert. Immerhin bei der schwersten Rallye der Welt bewährt konnte Fenouil mit seinem fünften Platz hatte. Für Weltenbummler, die sich auf zwei einen Achtungserfolg erringen. Rädern auch abgelegenen Zivilisationen 1981 wurde die Rallye professioneller nähern wollten, zählten solche Ergebnisse angegangen, und BMW ging nun mit drei aber schon. von HPN vorbereiteten Motorrädern an den Zwar offerierte BMW schon ein um- Start: Auriol erreichte Dakar als Erster, und fangreiches Zubehörangebot für die G/S, er war es auch, der 1983 den Gesamtsieg doch daneben etablierte sich ein zweiter für BMW wiederholen konnte. 1984 und Markt, der speziell auf die Anforderungen von Fernfahrten abgestimmt war: Von größeren Tanks aus allen erdenklichen Ma- terialien über Gepäck- und Navigationssys- Die revolutionäre Einarmschwinge der BMW R 80 G/S: Radwechsel leicht gemacht. teme bis hin zu besonderen Schutzblechen reichte das Angebot. Und dann boten zahl- reiche Spezialisten – allen voran die Dakar- erprobten Teams von HPN und Schek – BMW Pilot Hubert Auriol auf seinem Weg durch die Umbauten an, um das Motorrad ganz auf die geplanten Touren hin anzupassen. Dass sich dabei schon mal die Anschaffungs- kosten gegenüber dem Serienmodell ver- war entfallen, was die Interpretation von GS doppelten, nahm diese exklusive Kunden- als „Geländesport“ nahe legte. Mit der gruppe in Kauf. BMW selbst brachte 1984 1.000 ccm großen R 100 GS hatte BMW ein „Paris-Dakar“-Sondermodell auf den wieder die mit Abstand hubraumstärkste Markt, ein 32-Liter-Tank mit auffälligem Enduro auf dem Markt im Angebot. Doch

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Gaston Rahier stürmt bei der Paris-Dakar 1984 zum Sieg.

es war nicht der Motor, der ja von den Straßenmodellen bereits hinlänglich be- kannt war, der das Interesse auf sich zog. Es war wiederum das Fahrwerk, das weit- gehende Änderungen erfahren hatte, und hier vor allem auf die Hinterradschwinge fokussiert. Zwar war BMW mit der ersten Einarmschwinge bei einem hubraum- und leistungsstarken Motorrad ein großer Wurf gelungen, doch getreu dem Motto, dass das Bessere des Guten Feind ist, hatten sich die BMW Entwickler daran gemacht, den Fortschritt weiter auszubauen. Der Monolever hatte zwar bei der Vorstellung 1980 für Aufsehen gesorgt und wurde ab 1983 in der neuen Vierzylinder- baureihe und ein Jahr später auch in den man die Schwinge verlängern können. Dies schwinge mit Doppelgelenk und Moment- großen Boxer-Modellen verbaut, die war jedoch nur ein theoretischer Ansatz, da abstützung entwickelt und patentieren typischen Kardanreaktionen konnte aber für die Neutralisierung des Aufstellmo- lassen. Aus Kostengründen war diese auch die Einarmschwinge nicht eliminieren: ments eine Schwingenlänge von 1,7 Me- Lösung nie in die Serie eingeflossen und Beim Beschleunigen federte das Hinterrad tern erforderlich gewesen wäre. wohl auch im Lauf der Zeit etwas in aus und tauchte beim Gaswegnehmen ein. Beim „Paralever“, wie die neue Vergessenheit geraten. Im Vergleich zur Straße war dies im Schwinge getauft wurde, ging man einen Beim Paralever wurde diese Idee dann aber nach drei Jahrzehnten wieder auf- gegriffen: Das Gehäuse des Hinterrad- antriebs wurde drehbar in der Schwinge gelagert und die Reaktionskräfte über eine Momentstütze in den Rahmen geleitet. Die Drehbarkeit des Achsantriebs wurde durch zwei Kegelrollenlager in der Schwinge und ein zweites Kreuzgelenk in der Kardanwelle ermöglicht. Diese Lösung erbrachte ledig- lich 1.600 Gramm Mehrgewicht gegenüber dem Monolever, entsprach aber in ihrer Wirkung einer theoretischen Schwingen- länge von 1.400 mm, womit die uner- wünschten Reaktionen auf ein Minimum reduziert wurden. Zudem wurde der Feder- weg von 170 auf 180 mm verlängert, das schräg gestellte Federbein von Boge war vierfach einstellbar und arbeitete in seiner Kennung leicht progressiv. Perfektion im Detail Daneben flossen in die neue GS zahlreiche endlose Weite der Sahara: Rallye Paris-Dakar 1983. Detailverbesserungen ein. So wurden Rahmen und Heckteil zusätzlich verstärkt, am Vorderrad wurde eine neue Marzocchi- Teleskopgabel verbaut. Marzocchi war Gelände besonders bedeutsam, da das anderen Weg, den bereits der frühere bereits bei den Dakar-Werkseinsätzen Aufstellen des Hinterrades beim Gasgeben Entwicklungsleiter Alexander von Falken- involviert, und das Ergebnis der gemein- die Federung verhärtete und so die im hausen in den 50er Jahren eingeschlagen samen Entwicklungsarbeit war eine Gabel Gelände wichtige Traktion verschlechterte. hatte. Falkenhausen hatte für Walter Zellers mit einem von 200 auf 225 mm ver- Um diese Reaktionen zu beseitigen, hätte Werksrennmaschine 1955 eine Hinterrad- größerten Federweg, die auch bei hartem

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Geländeeinsatz eine aktive Dämpferwir- Speziell für den deutschen Markt mit zuvor Eddy Hau geleistet, der auf einer von kung garantierte und das Verziehen beim seinen Versicherungsklassen und der HPN modifizierten Serien-G/S die Mara- Bremsen eliminierte. Die vordere Brems- Stufenführerscheinregelung wurde den thonwertung als bester Privatfahrer bei der scheibe wurde vergrößert und ein größerer beiden großen Enduros auch ein Ein- Rallye Paris-Dakar gewonnen hatte. Die bei Bremssattel von Brembo verbaut. Bei den steigermodell mit 27 PS und einem Preis dieser Langstreckenrallye gemachten Er- Rädern handelte es sich um neue Kreuz- unter 10.000 D-Mark zur Seite gestellt, die fahrungen flossen in das neue Sonder- speichenräder, die die Verwendung BMW R 65 GS. Diese hatte, im Gegensatz modell ein, das folgende Komponenten schlauchloser Reifen ermöglichten. Durch zu den beiden großen Modellen, weiterhin aufwies: einen ergonomisch geformten 35- die Führung durch das Felgenhorn konnten die Monolever-Hinterradführung verbaut. Liter-Tank mit 5 Liter großem Staufach, ei- auch einzelne Speichen ohne Reifen- und Der R 65 GS war jedoch nur eine kurze ne mit einem robusten Rohrbügel befestig- Radmontage ausgetauscht werden. Das Bauzeit beschieden. Nachdem in knapp te Verkleidung, Motorschutz und Motorver- Tankvolumen wurde auf 26 Liter vergrößert drei Jahren nur 1.727 Exemplare verkauft kleidung, Kotflügelverbreiterung sowie eine und lag damit in der Mitte der alten Serien- werden konnten, wurde sie 1990 wieder Einzelsitzbank mit großer Gepäckbrücke. G/S und des bisher angebotenen Dakar- aus dem Programm genommen. Diese Teile konnten auch als Nachrüst-Kit geordert werden, wobei die Komponenten neben der weiß-roten Lackierung des Sondermodells auch lediglich grundiert bezogen werden konnten, was den Kunden die Möglichkeit einer weitgehenden Indivi- dualisierung ihrer GS ermöglichte. Darüber hinaus bot BMW für die GS ein umfang- reiches Programm an Zubehör und Fahrer- ausstattung an, angefangen von Helm und Bekleidung über speziell angepasste Koffer- und Taschensysteme bis hin zu Enduro-Reisen und Fahrertrainings. Professionelles Fahrertraining Nachdem die Nachfrage nach Enduro- Fahrertrainings in den 80ern immer größer wurde, erwarb BMW Anfang der 90er Jahre ein 22 Hektar großes Gelände an einer ehemaligen Sand- und Kiesabbauanlage. 1994 erfolgte die offizielle Eröffnung des „Enduropark Hechlingen“: Unter Anleitung erfahrener Instruktoren können seitdem GS-Fahrer auf Schotter- und Kiesstrecken, abgesteckten Trialparcours, steilen Auf- und Abfahrten sowie Sand- und Was- serdurchfahrten das kleine Offroad- Einmaleins erlernen, und auch fortgeschrit- tene Fahrer fanden in der Vergangenheit Zwei erfolgreiche Schwestern abseits der Straße: BMW R 100 GS (links) und R 80 GS. hier durchaus noch ihre Herausforderung. Dabei richteten die Planer ihr Augenmerk nicht nur auf die Anforderungen und Vor- lieben der Fahrer, sondern räumten auch Sondermodells. Mehr Komfort versprach Die Paralever-Modelle knüpften nahtlos an dem Umwelt- und Naturschutz einen sehr die längere und breitere Sitzbank sowie ein den Erfolg und die Stückzahlen der R 80 hohen Stellenwert ein, wie unter anderem kleines Windschild, das bei der R 100 GS G/S an: Bis 1996 sollten über 45.000 auch eine Auszeichnung des Bundesum- serienmäßig und bei der R 80 GS als Exemplare einen Käufer finden, wobei sich weltministeriums bestätigte. Sonderzubehör erhältlich war. mehr als drei Viertel der Kunden für das Ambitionierte GS-Fahrer konnten ab 1.000-ccm-Modell entschieden. Frühjahr 1990 ein von BMW mit der Firma Einsteigermodell White Power entwickeltes Sportfahrwerk Behutsame Modellpflege Die Presse zeigte sich wiederum begeistert ordern, und ab September 1990 wurden und attestierte der GS hervorragende 1988 präsentierte BMW auf der IFMA das alle BMW Boxermodelle mit dem Sekun- Fahreigenschaften: BMW setzte mit der von der GS-Gemeinde schon sehnsüchtig där-Luft-System (SLS) angeboten. Das Neuauflage weiterhin den Maßstab im erwartete Dakar-Sondermodell. Die sport- SLS arbeitete nach dem Prinzip der Abgas- Segment der Reise-Enduros. liche Legitimation hatte ein paar Monate Nachverbrennung und reduzierte die Emis-

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Käufer in drei Jahren fand, gingen bei der R sorgte die R 1100 GS für einen Pauken- 100 R bereits nach sechs Monaten 7.000 schlag in der Enduro-Gemeinde. Viele Bestellungen ein. Dabei profitierte das Betrachter äußerten spontan die Frage, ob Modell mit seiner klassischen unver- ein Motorrad dieser Dimension überhaupt kleideten Optik auch von der Retrowelle auf als Reise-Enduro geeignet sein könnte. dem Zweiradmarkt, die Anfang der 90er Doch die Nachfrage nach der neuen „Über- Jahre einsetzte. Bis zum Produktionsende Enduro“ war enorm: 9.500 Exemplare ver- 1996 konnten über 24.000 Exemplare der R ließen bis Ende 1994 die Bänder des BMW 100 R und der „kleinen“ R 80 R abgesetzt Werks in Spandau. Dies ist um so beacht- werden. licher, wenn man bedenkt, dass nicht nur die R 100 GS weiterhin angeboten wurde, Enduro einer neuen Dimension sondern dass BMW ab 1993 mit der 1992 präsentierte BMW auf der IFMA ei- Einzylinder-„Funduro“ F 650 auch ein Paralever der BMW R 100 GS von 1987. nen neuen Vierventil-Boxermotor, im Janu- geländetaugliches Einsteiger-Motorrad im ar 1993 folgte die Vorstellung der R 1100 Programm hatte. sionen von Kohlenmonoxid um 40 Prozent, die von Kohlenwasserstoffen um 30 Prozent. Die Mehrzahl der Kunden war sofort bereit, für das SLS einen geringen Aufpreis von 150 D-Mark zu zahlen, um damit die Umwelt zu entlasten. Aufwertung zum zehnten Geburtstag 1990, zum zehnten Geburtstag der GS- Baureihe, wurde auf der Kölner IFMA eine umfangreiche Modellüberarbeitung für R 80 GS und R 100 GS vorgestellt: Nun bekamen auch die Basismodelle eine rah- menfeste Cockpitverkleidung mit außenlie- gendem Rohrrahmen spendiert. Neu war der verstellbare Windabweiser und ein ge- meinsam mit Bilstein entwickeltes Feder- Gewichtheber Manfred Nerlinger beim Fahrertraining auf der GS. bein. Der Rechteck-Scheinwerfer und die Lenkerarmaturen wurden von der K-Bau- reihe übernommen. Es sollten dies die RS, des ersten Motorrads mit diesem Was machte also den Erfolg der neuen GS letzten größeren Änderungen an der revolutionären Antrieb. Der Pressemappe aus? Zunächst einmal das Herzstück, der zweiten GS-Generation bleiben. zur R 1100 RS lag die Entwurfszeichnung Vierventil-Boxermotor mit Luft-/Ölkühlung, Allerdings hatte BMW für die Fan- einer neuen Enduro bei, die den Journa- der vom Aggregat der R 1100 RS abge- gemeinde noch eine Überraschung parat: Im listen schon mal einen Vorgeschmack auf leitet wurde. Bei der GS erhielt der Motor Oktober 1991 wurde eine von den GS künftige Modelle geben sollte. Ihre Pre- allerdings eine andere Leistungscharakte- Modellen abgeleitete Straßenversion, die R miere feierte die R 1100 GS dann im ristik, die einen besseren Drehmoment- 100 R, präsentiert. Damit knüpfte BMW an September 1993 auf der IAA in Frankfurt: verlauf und damit mehr Durchzug garan- die Tradition der ersten Enduro-Generation Mit ihrem gewagten Styling und der tierte: 97 Nm lagen schon bei 5.200 U/min an, denn auch von der G/S wurde 1982 eine imposanten Größe – gegenüber der R 100 an (R 1100 RS: 95 Nm bei 5.500), während Straßenversion aufgelegt, die R 80 ST. GS war die Neue 65 mm höher, und das die Leistung von 90 PS (66 kW) auf 80 PS Während jene allerdings nur knapp 6.000 Leergewicht hatte um 23 kg zugelegt – (59 kW) reduziert wurde. Trotz dieser Leis- tungseinbuße erreichte die R 1100 GS eine Höchstgeschwindigkeit von annähernd 200 km/h – für eine Enduro mehr als genug. Der Telelever Dass diese Geschwindigkeiten auch bei der hoch – und damit naturgemäß aerody- namisch ungünstig – bauenden R 1100 GS

Links: Gaston Rahier im Marlboro BMW Team von 1986. Rechts: Eine R 100 GS von 1987.

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problemlos auf die Straße gebracht werden bremse. Die Einscheibenbremse mit Zwei- wichtig, die ein Motor auf dem Prüfstand konnten, dafür sorgte das Fahrwerk, des- kolbenschwimmsattel war mit 276 mm erreichte, sie waren vielmehr an der sen Konzept ebenfalls von der R 1100 RS Durchmesser etwas kleiner ausgeführt als Leistung interessiert, die ein Fahrer auch übernommen wurde: Der Rahmen wurde bei der RS. nach stundenlanger Fahrt sicher auf die dreiteilig, mit Motor- und Getriebegehäuse Mit den beiden Scheibenbremsen und Straße bringen konnte. als mittragender Einheit ausgeführt. Am dem Telelever waren die perfekten Voraus- Diesem selbstgesteckten Anspruch Hinterrad kam eine verbesserte Paralever- setzungen für den Einsatz eines Anti- wurde BMW auch bei der neuen GS ge- Einarmschwinge, bei der Vorderradführung Blockiersystems gegeben, und so wurde recht, wie der Tester der Zeitschrift „Motor- der Telelever zum Einsatz. Beim Telelever, den Kunden das BMW ABS II als Sonder- rad“ tief beeindruckt zu Papier brachte: der ebenfalls ein Jahr zuvor mit der R 1100 ausstattung angeboten – in der Enduro- „Hat man sich erst einmal an die ausla- RS Premiere hatte, handelt es sich um eine klasse eine Weltpremiere. Das ABS konnte denden Dimensionen der Groß-Enduro ge- Kombination der Teleskopgabel mit einer für den Einsatz im Gelände, wo blockieren- wöhnt, was schnell geschieht, lernt man Längslenker-Abstützung zwischen Gabel- de Räder eventuell erwünscht waren, bald die angenehmen Seiten der GS brücke und Rahmen. deaktiviert werden. Wer nicht nur etwas für schätzen: etwa die bequem aufrechte Hal- die Fahrsicherheit, sondern auch für die tung, die der Fahrer wie von selbst ein- Sicherheit und Umwelt Umwelt tun wollte, konnte seine GS mit nimmt, als auch das gut gepolsterte Sitz- Diese technische Lösung garantierte ein geregeltem Katalysator ordern; ab 1995 kissen, das Fahrer wie Beifahrer gleicher- hervorragendes Ansprechverhalten und wurde dieser dann serienmäßig verbaut. maßen auch nach vielen hundert Kilome- eine hohe Steifigkeit in Verbindung mit Doch nur mit diesen Innovationen und tern Fahrt schmerzfrei entlässt… In Ver- einem Nickausgleich (Anti-Dive), der ein der imposanten – ja Respekt einfordernden bindung mit den 200 mm Federweg am

Bereits heute gesuchte Sammlerstücke

Mit edler Optik glänzte die BMW R 100 GS PD Classic, die 1994 auf den Markt kam. Retro pur mit der BMW R 80 GS Basic aus dem

Verhärten der Federung beim Bremsen – Optik allein lässt sich der Erfolg der Hinterrad zeigt sich die GS allen Boden- verhinderte. Natürlich wurden für den nunmehr dritten GS-Generation von BMW wellen, schlechten Wegstrecken bis hin zu Geländeeinsatz die Federwege verlängert, nicht erklären. Es war vielmehr der Gesamt- derben Schlaglöchern gewachsen. Es ist, statt 120 mm vorn und 135 mm hinten, wie charakter des Motorrades, mit dem sich die als gleite ein Luftkissenboot über die rauhe bei der Straßenversion RS, waren es bei der Überlegenheit der R 1100 GS erklären See… So gelangt die GS mühelos an jedes GS 190 mm vorn und 200 mm hinten. lässt. Dieses perfekte Aufeinanderab- abgelegene Ziel, erklimmt jeden ausge- Die gelochte Doppelscheibenbremse stimmen der einzelnen Komponenten zu waschenen Schotterpass ohne Proble- mit Vierkolbenfestsätteln und 305 mm einem harmonischen Ganzen war übrigens me… Auf kurvenreichen Straßen steckt sie Durchmesser wurde von den K-Modellen schon seit der R 32 von 1923, dem ersten dank niedriger Schwerpunktslage und brei- und der R 1100 RS übernommen. Auch Motorrad mit dem weißblauen Logo auf ten Geländelenkers auch die versammelte am Hinterrad verzögerte nun erstmals bei dem Tank, die große Stärke der BMW Big Bike-Clique in die Tasche. In Sachen einer BMW Enduro eine Scheiben- Ingenieure. Ihnen war nie allein die Leistung Handling ist sie in dieser Gewichtsklasse

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nicht zu überbieten… Mit 3,9 Sekunden Monaten verließen 3.003 Exemplare das von Null auf 100 km/h oder in nur 10,6 Berliner Werk. Die letzte R 80 GS Basic und Sekunden auf 160 km/h bleibt sie jedem damit der letzte BMW Zweiventil-Boxer lief großvolumigen Sporttourer dicht auf den am 19. Dezember 1996 vom Band. Das Fersen… Mit der neuen Boxer-Generation Motorrad mit Fahrgestellnummer 0267503 und der damit verbundenen Fahrwerks- wurde vom damaligen Leiter der Sparte technik stößt BMW in Form der R 1100 GS Motorrad und heutigem Mitglied des Vor- in Dimensionen vor, die großen Reise-En- stands der BMW AG, Dr. Michael Ganal, in duros bislang fremd waren.“ einer feierlichen Zeremonie der Sammlung der BMW Mobile Tradition übergeben. Abschied vom Zweiventil-Boxer 1998 erschien zum 75-jährigen Ge- Abseits der Euphorie um den Erfolg der burtstag des BMW Motorrades ein Jubilä- Der damalige Leiter BMW Motorrad, neuen Boxer-Generation wurde so langsam umsmodell der R 1000 GS mit Sonder- Dr. Michael Ganal, nimmt am 19.12.1996 die letzte Zweiventil vom Band. das Ende der alten luftgekühlten Zweiven- lackierung und üppigem Zubehör. Im Sep- tilboxer eingeläutet. Mit diesem Motoren- tember 1998 wurde auf der INTERMOT in konzept, seit 1923 untrennbar mit den München mit der R 850 GS eine kleine nach 13-jähriger Pause wieder mit einer BMW Motorrädern verbunden, waren die Schwester zur 1100er präsentiert. Der Werksmannschaft an der Rallye Paris- verschärften Abgas- und Lärmschutzbe- Motor war bereits vom 1994 vorgestellten Dakar teilnahm. Das vierköpfige Team stimmungen auf Dauer nicht mehr zu erfül- Roadstermodell R 850 R bekannt und bis war diesmal nicht auf großen Boxer- len. So legte BMW zur IFMA 1994 eine auf die Bohrung, die von 99,0 auf 87,8 mm modellen unterwegs, sondern auf Ein-

Jahre 1996. Das Sondermodell der BMW R 1100 GS zum Jubiläum „75 Jahre BMW Motorrad“, 1998.

Classic Edition der erfolgreichen Zweiven- reduziert wurde, nahezu identisch mit dem zylindermotorrädern auf Basis der F 650. tiler auf. Das GS-Sondermodell in edlem 1100er Aggregat. Er leistete 70 PS Die Ansprüche waren bescheiden, man Schwarz mit silberner Beklebung wurde (52 kW), war allerdings auch in einer wollte lediglich durchkommen und noch bis Januar 1996 produziert. Damit gedrosselten Variante mit 34 PS (24 kW) für zumindest ein Motorrad im Spitzenfeld schien die Ära der Zweiventiler-Enduros bei Führerscheinneulinge erhältlich. Die BMW platzieren. Doch konnten die Erwar- BMW endgültig zu Ende gegangen zu sein. R 850 GS wurde nur drei Jahre produziert, tungen beim Comeback nicht erfüllt Doch BMW legte nach und präsentierte die 2000 wurde sie im Programm von einem werden, am Ende stand als beste Plat- R 80 GS Basic, mit ihrem 19,5-Liter-Tank Einzylindermodell, der F 650 GS, ersetzt. zierung des Teams lediglich Rang 35 zu und der weißen Lackierung optisch stark Buche. Im Jahr darauf besann sich das Historischer Erfolg in der Wüste an der Ur-G/S von 1980 orientiert, aller- Werk auf seine Stärken und ging das dings ausgestattet mit der Paralevertechnik Bereits 1998 hatte BMW im Gelän- Unternehmen „Dakar“ professioneller der zweiten Generation. In nur wenigen desport ein Comeback gefeiert, als man an. Der große Konkurrent kam aus Ös-

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terreich: 75 Piloten, davon neun Werks- feierte BMW in Dakar einen historischen fahrer, starteten auf KTM, zwölf Lkw Erfolg, als nicht nur Richard Sainct allein für den Service standen bereit. seinen Erfolg wiederholen konnte, Doch die kleine BMW Mannschaft – es sondern BMW auch die Plätze 2 bis 4 waren wiederum nur vier Werkspiloten errang. Zwischen drei Einzylindermo- gemeldet – setzte sich gegen diese dellen hatte Jimmy Lewis seinen Boxer Übermacht durch: Richard Sainct, erst auf Rang 3 pilotiert. 1999 ins Team gekommen, gewann die Die F 650 GS Motorradwertung und sorgte damit nach den Erfolgen von Auriol und Rahier in Als BMW im Januar 2000 die F 650 GS den 80ern für den fünften BMW Sieg bei präsentierte, war der Sieg noch frisch und dieser Veranstaltung. Dass BMW zudem gab zusätzlichen Rückenwind für die Auf dem Weg zum Sieg der Granada-Dakar alle vier gestarteten Maschinen ins Ziel Modellvorstellung in Malaga, die zeitgleich 1999: Richard Sainct mit der F 650. brachte, war Beweis für die Zuver- mit der Zielankunft des Dakar-Trosses in lässigkeit der Einzylinder-Enduro – und Kairo stattfand. Die F 650 GS lehnte sich in natürlich die Klasse der Piloten. ihrem Styling stark an das Design der und die Kraftstoffversorgung aus der Ein- spritzanlage – die F 650 hatte noch Ver- gaser – steuerte. Die F 650 GS war auch das erste Einzylinder-Motorrad mit geregeltem Katalysator. Damit war BMW wieder einmal Vorreiter in Sachen Umwelt- schutz, denn im Jahr 2000 war BMW der einzige Hersteller, dessen komplette Modellpalette mit der effektivsten Form der Abgasreinigung ausgestattet war. Die F 650 GS wurde in zwei Varianten vorgestellt: Die F 650 Dakar kam zeitgleich mit dem Basismodell auf den Markt und war stärker für den Off-Road-Gebrauch konzipiert. Auffallendstes Unterschei- dungsmerkmal neben der Sonderlackie- rung waren Handprotektoren und Wind- schild, wie sie auch die Wettbewerbs- motorräder hatten. Das Fahrwerk wurde entsprechend angepasst, der Federweg wuchs an beiden Rädern auf 210 mm (F 650 GS vorn 170, hinten 165 mm), das 19-Zoll-Vorderrad wurde durch ein 21 Zoll großes ersetzt. Dies ergab bei der „Dakar“ rund 45 mm mehr Bodenfreiheit. Das Konzept der „kleinen“ Enduro ging auf, bereits im ersten Jahr wurden über 18.000 F 650 GS produziert. Modellpflege bei der Boxer-GS Die R 1100 GS wurde nach sechs Jahren und über 40.000 verkauften Exemplaren im Staubige Angelegenheit: Andrea Mayer auf der BMW F 650 bei der Granada-Dakar 1999. Herbst 1999 von der R 1150 GS abgelöst. Die Leistung war um 5 PS angehoben worden, im Drehzahlbereich von 3.000 und 6.500 U/min lagen permanent mehr als Im Jahr 2000 trat BMW mit sechs Mo- Boxer-Enduros an, unter der Hülle steckte 90 Nm an, was der R 1150 GS in allen Fahr- torrädern an: Neben vier Einzylindermo- eine komplette Überarbeitung der Funduro situationen überlegene Durchzugskraft dellen gingen nun auch wieder zwei F 650. Die größten Modifikationen hatte verlieh. Die Leistung wurde nun über ein 6- Boxer an den Start. Die beiden R 900 RR der Vierventilmotor erfahren. BMW hatte Gang-Getriebe an die Kardanwelle abge- waren von HPN aufgebaut worden, das dem Triebwerk als erstem Motorrad- geben, der sechste Gang war als Overdrive drehfreudige 900-ccm-Aggregat leistete Einzylindermotor überhaupt eine digitale ausgelegt, was bei hohen Geschwindig- 90 PS bei 8.200 U/min. In diesem Jahr Motorelektronik spendiert, die die Zündung keiten für mehr Komfort und niedrigen

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dimensioniert. Anstelle des 22-Liter-Tanks gab es auf Wunsch auch einen Kraftstoff- behälter mit 30 Litern Inhalt, und für aus- reichend Stauraum sorgte ein eigens für die Adventure entwickeltes Kofferset aus Aluminium. Zwei Seitenkoffer und ein Topcase boten zusammen 105 Liter Platz. Dazu gab es noch einen großen Zylinder- schutzbügel, Schutzgitter für den Haupt- scheinwerfer sowie Nebelscheinwerfer, ebenfalls mit Schutzgitter. Richard Sainct bei der Rallye Paris-Dakar- Paris-Dakar 2001: John Deacon vom BMW Mit diesem Sonderzubehör hatte sich Kairo 2000. Motorrad Team Gauloises auf R 900 RR. BMW einmal mehr als Systemanbieter profiliert und konnte nun auch der Gruppe der Weltenbummler eine perfekte Lösung Verbrauch sorgte. Ab 2001 konnte der der nach, die in den entlegensten Winkeln „aus einer Hand“ offerieren. sechste Gang auch in sportlicher Ausle- der Welt oft Schwierigkeiten hatten, Super- Neuer Maßstab: Die BMW 1200 GS gung geordert werden. benzin aufzutreiben. Hierzu benötigten die Fahrwerk und Rahmen erfuhren zahl- Fahrer einen Codierstecker, der ein ver- Während die Adventure bis heute im Pro- reiche Detailverbesserungen, angefangen ändertes Zündkennfeld aktivierte. Als Son- gramm geblieben ist, wurde die R 1150 von der verbesserten Telelevergabel über derausstattung konnte ein extrem kurz GS 2004 von der R 1200 GS abgelöst. die kürzere Paraleverschwinge bis hin zum übersetzter erster Gang für Fahrten im Das neue Modell überraschte mit einem optimierten Heckrahmen. Hinzu kam eine schwierigen Gelände geordert werden, der Gewicht von 225 Kilogramm, was im Überarbeitung des Designs, die die R 1150 sechste Gang war nicht mehr als Overdrive, Vergleich zur R 1150 GS eine Ersparnis GS auch optisch vom Vorgängermodell ab- sondern ebenfalls kurz ausgelegt. von 30 Kilogramm bedeutete. Dieses setzte. Mit der R 1150 GS behauptete Weitere Modifikationen dienten in niedrige Gewicht wurde jedoch nicht mit BMW den Vorsprung in der Klasse der gro- erster Linie dem Komfort des Fahrers: So Kompromissen erkauft – im Gegenteil: In ßen Reise-Enduros und konnte die Kon- wurden Windschild und der vordere Kot- allen Eigenschaften überbot sie das kurrenten, die ebenfalls in dieses lukrative flügel verlängert und verbreitert, was einen anerkannt gute Vorgängermodell, und in Segment drängten, auf Distanz halten. besseren Schutz des Fahrers vor Wind, puncto Agilität, Dynamik und Fahr- Wetter, Spritzwasser und Schlamm garan- verhalten wurden sogar noch neue Maß- Die GS für Abenteuer und Fernreise tierte. Lenkerprallschutz und Handprotek- stäbe gesetzt. Für Globetrotter brachte BMW im Früh- toren waren serienmäßig, und auch der Mit 1.200 ccm war der Boxermotor jahr 2002 als neues Modell die R 1150 GS Unterfahrschutz des Motors wurde stärker wieder der größte, den es bei einer Enduro Adventure auf den Markt. Dabei offerierte BMW nicht nur ein umfangreiches Angebot an Sonderausstattungen und Sonderzubehör, sondern modifizierte auch die Serienausstattung. So wurden die Federwege um je 20 mm auf 210 mm vorn und 220 mm hinten vergrößert. Hinten kam ein Federbein mit weg- abhängiger Dämpfung von Showa zum Einsatz, die Federbasis war vorn mit einem Hakenschlüssel, hinten per Hand- rad verstellbar. Am Vorderrad befand sich die zwölf Monate zuvor eingeführte EVO- Bremse, als Sonderausstattung bot BMW das Integral-ABS in der Teilintegralver- sion an. Wie bei allen GS war die Brems- regelung abschaltbar. Der Motor wurde unverändert von der R 1150 GS übernommen, allerdings war er auch für Normalbenzin geeignet. Damit kam BMW dem Wunsch vieler Fernreisen-

Paris-Dakar-Kairo 2000: Jimmy Lewis fährt den Boxer auf Rang 3.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 29 Die neue Motorradklasse: 25 Jahre BMW GS

nale durch modernste Mikroelektronik sind sentiert. Die Modellbezeichnung ist kurz ihre wichtigsten Features. Die 2003 in allen und knapp und entspricht so gar nicht der großen Boxern eingesetzte Doppelzün- bisherigen BMW Typologie. BMW HP2 dung wurde weiter verbessert. Wichtig für lautet der prägnante Name, und dieser Fernreisende: Der auf bleifreies Super- Name ist Programm: HP steht für „High benzin ausgelegte Motor schluckte auch Performance“ und die „2“ verweist auf ohne manuellen Eingriff klaglos Normal- den Zweizylinder-Boxermotor. benzin. Überhaupt der Verbrauch: Dieser Mit der HP2 hat sich BMW bei einem konnte bei knapp 18 Prozent höherer frei käuflichen Motorrad erstmals von den Leistungs- und Drehmomentausbeute Zwängen des Großserienbaus gelöst. Ge- gegenüber dem Vorgänger um 8 Prozent treu der Devise „von begeisterten Profis für reduziert werden. begeisterte Profis“ hat ein eingeschwo- Das Prinzip des Fahrwerks wurde renes Team aus endurobegeisterten Inge- nicht verlassen, doch ist der Rahmen neu nieuren und Mechanikern ein puristisches, Bis in die entlegensten Winkel der Erde mit und jedes Detail wurde modifiziert und aber dennoch mit edlen technischen De- der BMW R 1200 GS. gewichtsoptimiert. Auffällig am Paralever: tails ausgestattetes Fahrzeug entwickelt. Die Momentabstützung lag jetzt oberhalb Dabei soll die HP2 nur die erste Vertreterin gab. Mit 100 PS (74 kW) und einem der Schwinge, was eine größere Boden- einer kommenden neuen Motorradkate- maximalen Drehmoment von 115 Nm freiheit ergab und zudem die Strebe im gorie von BMW sein. HP Motorräder hatte die GS eine souveräne Kraftent- schwierigen Gelände besser vor Beschä- nutzen zwar die Basis von Serienmotor- faltung und überlegene Zugkraft in allen digungen schützte. Optisch erneuert auch rädern, differenzieren sich aber von diesen Drehzahlbereichen und Fahrsituationen. das Gesicht der GS: Behutsame Verände- klar durch eine kompromisslose Ausle- Durch den erstmaligen Einsatz einer rungen am asymmetrischen Doppel- gung auf ihren Einsatzzweck, durch eine Ausgleichswelle bei einem Boxer war der scheinwerfer und ein auch ohne Werk- konsequente Sportorientierung und Motor trotz größerem Hubraum noch zeug fünffach verstellbares Windschild exklusive Produktfeatures. vibrationsärmer als der des Vorgänger- gaben der R 1200 GS ihr unver- Die HP2 basiert auf der R 1200 GS. modells. Das Motormanagement über- wechselbares Aussehen. Bis auf das Bordnetz wurden jedoch nahm die digitale Motorelektronik BMS-K: nahezu alle Komponenten neu entwickelt Die Sport-Enduro Vollsequenzielle Einspritzung, integrierte oder zumindest modifiziert. Dazu wurde Klopfregelung und eine schnellere Im April 2005 wurde der jüngste Spross ein umfangreiches Testprogramm auf- Verarbeitung umfangreicher Sensorsig- der GS Familie der Öffentlichkeit prä- gelegt, welches neben den üblichen Prüf-

Der Traum eines jeden Endurofahrers: Mit der kraftvollen BMW R 1150 GS durch die Wüste.

Seite 30 25 Jahre Erfolg: Technische Daten der GS Reihe

BMW R 80 G/S BMW R 100 GS BMW R 80 GS Bauzeit 1980 - 1987 Bauzeit 1987 - 1996 Bauzeit 1987 - 1996 Hubraum 797,5 ccm Hubraum 980 ccm Hubraum 797,5 ccm Leistung 37 kW/50 PS Leistung 44 kW/60 PS Leistung 37 kW/50 PS Gewicht 186 kg Gewicht 210 kg Gewicht 210 kg Höchstgeschwindigkeit 168 km/h Höchstgeschwindigkeit 181 km/h Höchstgeschwindigkeit 168 km/h

BMW R 65 GS BMW R 1100 GS BMW R 850 GS Bauzeit 1987 - 1990 Bauzeit 1994 - 1999 Bauzeit 1998 - 2000 Hubraum 649,6 ccm Hubraum 1.085 ccm Hubraum 848 ccm Leistung 20 kW/27 PS Leistung 59 kW/80 PS Leistung 52 kW/70 PS Gewicht 198 kg Gewicht 243 kg Gewicht 192 kg Höchstgeschwindigkeit 146 km/h Höchstgeschwindigkeit 195 km/h Höchstgeschwindigkeit 187 km/h

BMW R 1150 GS BMW F 650 GS BMW F 650 GS Dakar Bauzeit 1999 - 2004 Bauzeit Ab 2000 Bauzeit Ab 2000 Hubraum 1.130 ccm Hubraum 652 ccm Hubraum 652 ccm Leistung 62,5 kW/85 PS Leistung 37 kW/50 PS Leistung 37 kW/50 PS Gewicht 249 kg Gewicht 192 kg Gewicht 193 kg Höchstgeschwindigkeit 195 km/h Höchstgeschwindigkeit ca. 170 km/h Höchstgeschwindigkeit 170 km/h

BMW R 1150 GS Adventure BMW R 1200 GS BMW HP2 Bauzeit Ab 2002 Bauzeit Ab 2004 Bauzeit Ab 2005 Hubraum 1.130 ccm Hubraum 1.170 ccm Hubraum 1.170 ccm Leistung 62,5 kW/85 PS Leistung 72 kW/98 PS Leistung 77 kW/105 PS Gewicht 253 kg Gewicht 225 kg Gewicht 196,5kg Höchstgeschwindigkeit 192 km/h Höchstgeschwindigkeit über 200 km/h Höchstgeschwindigkeit 200 km/h Die neue Motorradklasse: 25 Jahre BMW GS

Prinzip der Paraleverschwinge am Hinter- parentem und schlagzähem Kunststoff rad wurde beibehalten, jedoch bei der HP2 ist komplett neu, er ist zwischen den neu ausgelegt: Beim neuen Paralever – oberen Rahmenrohren eingebettet und 30 mm länger als bei der GS – handelt es von einem leichten Kunststoffcover sich um eine Schweißkonstruktion aus abgedeckt. Tankbereich und Sitzbank hochfesten geschmiedeten Leichmetall- sind bei der HP2 besonders schlank schalen, die auch härtestem Geländeein- ausgeführt. Zahlreiche Innovationen gibt satz standhält. Das Federbein am Hinter- es auch bei sonst eher unscheinbaren rad ist eine Weltpremiere im Motorradbau: Details wie dem Fußbremshebel, der Es ist das erste Feder-Dämpfsystem, das sich über ein klappbares Distanzstück ausschließlich mit Luft arbeitet. ohne Werkzeug an die Position des Die Vorderradbremse – eine „semi- Fußes anpassen lässt. schwimmend“ gelagerte Einscheiben- Alles in allem ist die HP2 der kom- bremse mit einer Dicke von lediglich promissloseste Serien-Gelände-Boxer, BMW F 650 GS mit passendem Rallye-Anzug aus dem BMW Fahrer-Ausstattungsprogramm. 4,5 mm – ist eine Neuentwicklung, die den es je gab. Die hochwertige Produkt- Einscheiben-Hinterradbremse wurde von substanz, die herausragenden Gesamt- der GS übernommen. Für die Kreuz- eigenschaften und nicht zuletzt die ver- standsläufen und Fahrten auf den BMW speichenräder der Dimension 1,85“ x 21 gleichsweise niedrigen Stückzahlen Te stgeländen auch Erprobungen in (vorne) und 2,5“ x 17 (hinten) entwickelte haben selbstverständlich auch Auswir- extrem kalten oder heißen Ländern, Voll- BMW gemeinsam mit der Firma Metzeler kungen auf die Preisgestaltung: Rund gasfahrten auf Autobahnen oder die einen neuen schlauchlosen Höchstleis- 16.000 Euro wird der Einstiegspreis für Teilnahme bei der Rallye „Baja California“ tungs-Geländereifen. Für den überwie- die HP2 betragen, wenn sie im Herbst einschloss. genden Geländebetrieb wird als Sonder- 2005 zu den Händlern kommt. Noch vor Das Ergebnis ist die sportlichste zubehör auch ein Motocross-ähnlicher Markteinführung werden internationale BMW Enduro, die es je gab: Das Trocken- Reifen mit hohem Negativ-Profilanteil Topfahrer mit der HP2 bei verschie- gewicht beträgt 175 kg, und selbst voll- angeboten. Auch dieser entstand aus der denen Rennen in Europa und den USA getankt bringt die HP2 mit 196,5 kg Kooperation von BMW mit Metzeler. an den Start gehen. weniger als vier Zentner auf die Waage. Somit schließt sich der Kreis wieder, Keine Kompromisse Die Leistung des Motors wurde gegen- denn am Anfang der Enduro-Erfolgs- über der R 1200 GS geringfügig auf 105 Aufs Wesentliche beschränkt bleibt die geschichte war es die Geländesport- PS (77 kW) angehoben, allerdings nicht Gestaltung von Tank, Sitzbank und begeisterung einiger BMW Spezialisten, auf Kosten des Drehmoments, dessen Bedienelementen, die an den ergono- die den Anstoß für die erste große Serien- maximale Spitze von 115 Nm weiterhin mischen Anforderungen des Enduro- Reise-Enduro überhaupt gab. Und auch bei 5.500 U/min anliegt. Da die HP2 Einsatzes, bei dem viel im Stehen heute, bei der HP2, sind es solche Enthu- hauptsächlich für den sportlichen Einsatz gefahren wird, angepasst wurden. Der siasten, die mit ihrer Leidenschaft ein im Gelände konzipiert ist, wurde aus Ge- 13-Liter-Kraftstofftank aus halbtrans- phantastisches Produkt zur Serienreife wichtsgründen beim Motor auf die Ausgleichswelle verzichtet. Da für die HP2 keine Koffer vorgesehen sind, konn- te die Abgasanlage kürzer und 2 kg leichter ausgelegt werden. Das Fahrwerk ist eine komplette Neu- entwicklung, in das die 25-jährige Enduro- erfahrung und die Erkenntnisse der Wüsteneinsätze mit der R 900 RR in den Jahren 1999 bis 2001 eingeflossen sind. Eng angelehnt an die R 900 RR ist das Layout des Gitterrohrrahmens. Die Vorder- radfederung wird von einer Teleskopgabel übernommen, da die Telelever-Konstruk- tion für einen Federweg von 270 mm nicht sinnvoll ist. Die Gabel mit einem Stand- rohrdurchmesser von 45 mm hat eine wegabhängige Dämpfung, Zug- und Druckstufe sind getrennt einstellbar. Das

Vorgestellt im April 2005: BMW HP2, die sportlichste Enduro, die es je gab.

Seite 32 BMW Group Mobile Tradition: Motorrad

Links: Fahrwerk der BMW R 1150 GS, daneben die BMW R 1200 GS mit dem oben liegenden Paralever.

der Ur-G/S von 1980. Weltenbummler finden mit der R 1150 GS Adventure die richtige Maschine für Fernreisen auch abseits der Zivilisation. Diesem Globe- trotter ist auch das Editionsmodell „25 Jahre GS“ gewidmet, mit Heizgriffen, einem Fahrer-Informations-Display, Endu- brachten. Und wie damals werden es auch Im Jubiläumsjahr: Jedem die rogetriebe mit kurzem ersten Gang, teil- heute harte Geländesportveranstaltungen passende GS integralem BMW Motorrad-ABS, weißen sein, in denen sich die BMW Enduro mit 25 Jahre sind seit der Vorstellung der Blinkern, einem 30-Liter-Tank sowie ihren Konkurrenten, aber auch an den BMW R 80 G/S, der ersten großen Reise- Motor-Schutzbügel. Lackiert in den Son- eigenen Ansprüchen messen lassen wird. Enduro überhaupt, vergangen. In diesem derfarben Alpinweiß matt, Blau und Grau. Und der Start war viel versprechend: Beim Vierteljahrhundert hat sich dieses Für Einsteiger gibt es die beiden Ein- „Iron Road Prolog“ des Erzbergrodeos in Segment auf dem Weltmarkt prächtig ent- zylindermodelle F 650 GS und F 650 GS der österreichischen Steiermark sicherte wickelt, und BMW als Pionier hat zu jeder Dakar. Und mit der HP2 hat BMW mit sich der Finne Simo Kirssi in einem Zeit mit seinen Modellen den Standard reichlich Rallye-Erfahrung die ultimative Starterfeld mit mehr als 1.000 Fahrern den einer unerreichten harmonischen Synthe- Sport-Enduro auf die Räder gestellt. Mit Gesamtsieg. Mit Platz 3 und 5 für Jimmy se aus Offroad- und Onroad-Eigenschaf- dieser stimmigen Modellpalette und dem Lewis und Christian Pfeiffer konnten sich ten definiert. Heute hat BMW fünf Enduros Stolz auf das in 25 Jahren Erreichte kann zwei weitere BMW Piloten im Spitzenfeld im Angebot: den Allrounder R 1200 GS, BMW Motorrad optimistisch in die Enduro- platzieren. den Nachfolger in der fünften Generation Zukunft blicken.

Auch im schwersten Gelände wird die HP2 ihren Konkurrenten das Leben schwer machen.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 33 Wo der bayerische Automobilbau seinen Anfang nahm BMW in Eisenach (1928 bis 1952)

Am 13. Mai wurde das neue BMW Werk in Leipzig offiziell durch Bundeskanzler Gerhard Schröder eröffnet. BMW kann auf eine gewisse Tradition des Automobilbaus in Ostdeutschland zurückblicken: Der Ursprung der BMW PKW-Produktion lag nichtetwa in München, sondern in Eisenach. Als die Direktion gegen Ende der 20er Jahre beschloss, nach den Erfolgen im Bau von Motoren und Krafträdern auch in den Automobilbau einzustei- gen, standen nurdie hohen Investitionen des Aufbaus neuerProduktionsanlagen im Weg. Als die Fahrzeugfabrik Eisenach 1928 zum Verkaufstand, bot sich für BMW die Möglichkeit, ohne aufwändige Entwicklungs- und Aufbaukosten direkt mit der Produktion von Automobilen zu beginnen.

Von Caroline Schulenburg

Nachdem sich BMW mit der Herstellung zu übernehmen. Daher er- von Motoren und Krafträdern einen Namen griff man die Gelegenheit, gemacht hatte, entschied die Unterneh- als im Herbst 1928 von der mensleitung in der zweiten Hälfte der 20er Gothaer Waggonfabrik die Jahre, sich nun auch mit der Produktion Fahrzeugfabrik Eisenach von Automobilen zu beschäftigen. Schon („Dixi-Werke“) zum Ver- 1925 waren erste Versuchsmodelle aus- kauf angeboten wurde. führlichen Erprobungen unterzogen Dieses Unternehmen war worden. Nur der kostspielige Aufbau neuer Werksanlagen hinderte die BMW AG zu- nächst noch daran, in die Reihen der Auto- Drei in 3/15-Dixis umge- wandelte Austin Seven vor mobilhersteller einzutreten. Es erschien dem Direktionsgebäude der der BMW Direktion erstrebenswerter, Fahrzeugfabrik Eisenach. bereits existierende Produktionsanlagen Rechts: der BMW Kaufvertrag.

Seite 34 BMW Group Mobile Tradition: Unternehmen

Familientauglich: Der BMW 326, der meist- 1936 vorgestellt, ging der BMW 326 Mitte verkaufte BMW vor dem Weltkrieg, 1936. des Jahres in Serie und avancierte zum meistverkauften BMW Automobil der Zwi- dieser Lizenz basierte. Schon im April schenkriegszeit. Ende 1937 stieg BMW mit desselben Jahres wurde das erste Modell dem Sportkabriolett 327 in den Bereich der präsentiert, das von Ingenieuren der BMW Hersteller von Luxuswagen auf. AG entworfen worden war. Während der Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges Motor des neuen 3/20 PS Typ AM 1 aus wurde die Produktion von zivilen Fahrzeu- dem Stammwerk in München kam und das gen merklich reduziert und im April 1941 Chassis in Eisenach hergestellt wurde, schließlich komplett eingestellt. Gleichzei- stammten die Karosserien aus dem Daim- tig wurde ab Dezember 1941 und vor allem ler-Benz-Werk in Sindelfingen. während des Jahres 1942 die Motorrad- Da kurz nach Abschluss des Kaufs des produktion von München nach Eisenach Eisenacher Werks wegen der Weltwirt- verlegt. Aber auch diese wurde im Laufe schaftskrise die Nachfrage an Automobilen desselben Jahres eingestellt, das Werk merklich nachließ, hätte der Automobilbau stand nun völlig im Dienst der Flugmoto- der BMW AG zu Beginn der 30er Jahre bei- renproduktion. Zwischen 1928 und 1941 nahe schon wieder ein Ende gefunden – hat BMW in Eisenach 18 verschiedene hätte es für das Eisenacher Werk einen Automobiltypen mit vier und sechs Zylin- Käufer gegeben. Weder der Aufsichtsrat dern hergestellt. Insgesamt wurden in noch der Vorstand konnten jedoch Interes- diesem Zeitraum 88.622 PKW ausgeliefert. senten ausfindig machen, und so wurde die Erfolg mit Flugmotoren Produktion weitergeführt. Der Schwer- punkt lag zunächst weiter auf einem Seit 1936 hatte BMW noch ein zweites Kleinwagen. Das änderte sich mit dem Standbein in Eisenach. Am 16. Oktober Aufschwung der deutschen Wirtschaft ab wurde die Eisenacher Flugmotorenfabrik der zweiten Hälfte des Jahres 1932. GmbH als Zweigniederlassung der BMW bereits 1896 gegründet worden und stellte So wurde auf der Internationalen Auto- Flugmotorenbau GmbH gegründet. Eine ursprünglich vor allem nicht-motorisierte mobil-Ausstellung in Berlin im Februar Vorgabe des Reichsluftfahrtministeriums Militärfahrzeuge und Fahrräder her. Seit 1933 der Typ 303 vorgestellt, der erste (RLM) bedingte, dass die Werksanlagen 1899 beschäftigte man sich in Eisenach BMW Wagen mit Sechszylindermotor. Im des Motorenbaus den gängigen Luft- auch mit der Herstellung von Kraftfahr- April des Jahres begann die Serienproduk- schutz- und Tarnungsbestimmungen ent- zeugen, bis 1918 sehr erfolgreich. Um sich tion, und BMW stieß in ein neues Markt- sprechen mussten. Daher konnte das Mo- der bis Mitte der 20er Jahre anhaltenden segment vor. Als erstes Automobil wies der torenwerk nicht an das Automobilwerk an- schwierigen wirtschaftlichen Situation der 303 das typische BMW Merkmal auf, die geschlossen werden, sondern wurde auf Weimarer Republik anzupassen, wurde „Niere“ als Kühlergrill. ein neu erschlossenes und größeres entschieden, einen Kleinwagen nach einer Bereits ein Jahr nach Produktionsbe- Werksgelände am Stadtrand, nach Dürrer- Lizenz der Austin Motor Company zu pro- ginn dieses ersten Sechszylinders kam hof, ausgelagert. Fabrikation und Vertrieb duzieren. Es handelte sich hierbei um eine als Nachfolger der BMW 315 auf den der Motoren wurden am 1. Januar 1937 Fertigung des „Austin Seven“, der auch in Markt. Bis auf den stärkeren Motor ent- aufgenommen. Die Anlagen für Heeresge- den USA unter der Bezeichnung „Bantam“ sprach der Wagen in Technik, Optik und rätebau wurden vom alten BMW Werk in und in Japan als „Datsun“ gefertigt wurde. Ausstattung weitgehend dem Vorgänger- das neue Motorenwerk überführt. Im Som- Neben der Automobilproduktion wurde in modell. Im Mai dessel- Eisenach auch die Herstellung von ben Jahres erschien Heeresgütern weitergeführt. der BMW 315/1, ein Nach der Übernahme durch BMW Sport-Zweisitzer mit wurde der nach Austin-Lizenz gefertigte Dreivergasermotor und Kleinwagen 3/15 (Dixi) weiterproduziert. höherer Verdichtung. Der BMW 3/15 Typ DA 2 war das erste Mit diesem Roadster Automobil mit dem weiß-blauen Marken- erzielte BMW beacht- zeichen. Am 22. März 1929 verließ die liche Rennsporterfolge erste Limousine die Produktionshalle. Bis in der 1,5-Liter-Klasse. Anfang der 30er Jahre wurden die Autos in Auf der Internatio- Eisenach weiter nach der Lizenz der Firma nalen Automobil-Aus- Austin gefertigt. Im März 1932 kündigte stellung im Februar BMW den Lizenzvertrag mit der Austin Motor Company jedoch vorzeitig. Der BMW BMW 3/20 PS AM 1 aus Typ DA 4 war das letzte Modell, das auf Eisenach, 1932.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 35 BMW in Eisenach

mer 1937 wurde das Kapital der Flugmo- lager des KZs in Buchenwald, in beiden entlohnen zu können, wurde schon im torenfabrik GmbH von 20.000 Reichsmark Werken eingesetzt. Sommer 1945 mit einer Notproduktion be- auf fünf Millionen Reichsmark erhöht, gonnen. Diese setzte sich vor allem aus Notproduktion auch in Eisenach wobei rund zwei Drittel des Kapitals die Haushaltsgeräten (Besteck, Töpfe, Bügel- staatliche Luftfahrtkontor GmbH als Vertre- Durch die Bombardierungen im Zweiten bretter) und Handkarren zusammen. Durch terin des Reichs hielt. Dies hatte zur Folge, Weltkrieg waren 60 Prozent der Werksan- persönliches Engagement von BMW Ar- dass weitere benötigte finanzielle Mittel als lagen des Automobilbaus in Eisenach zer- beitern konnte die Sowjetische Militärad- zinslose Reichskredite aufgenommen stört worden. Während der amerikani- ministration für Deutschland (SMAD) davon werden konnten. schen Besetzung Thüringens (April bis Juli überzeugt werden, dass die noch vorhan- Die Teilhaberschaft des Reiches er- 1945) zeigten die Behörden wenig Inter- denen Produktionsanlagen nicht demon- möglichte dem RLM, in betriebliche und esse an einer Wiederaufnahme der Pro- tiert wurden. Stattdessen erging ein Befehl produktionsbezogene Arbeitsabläufe ein- zugreifen. Auch bei der Besetzung des Beirates oder der Bestellung von Prokuris- ten hatte das Ministerium ein Mitsprache- recht. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der BMW Konzern von Anfang an bestrebt war, die Schulden zu tilgen und die Reichsbeteiligung in Eisenach zu beenden. Auch das Reich hatte wegen der sich ver- schlechternden wirtschaftlichen Situation ab der zweiten Hälfte der 30er Jahre ein Interesse, Beteiligungen an Rüstungsbe- trieben abzustoßen. Im Februar 1940 über- nahm die BMW Flugmotorenbau GmbH sämtliche noch im Besitz des Reiches befindlichen Anteile. Das Flugmotorenwerk der BMW in Ei- senach zählte zu den modernsten und pro- duktivsten seiner Zeit. Da die Motoren zwischen 1934 und 1939 nach einem iden- tischen Baumuster hergestellt wurden, BMW 3/15 PS DA 2 Zweisitzer auf dem beschwerlichen Weg zur Wartburg, 1930. konnten sie zu wesentlich geringeren Preisen als die der Konkurrenz angeboten werden. Neben den niedrigen Preisen duktion. Das änderte sich erst, als Thürin- zur Inbetriebnahme der Automobil- und zeichnete sich das BMW Flugmotorenwerk gen der Sowjetischen Besatzungszone Motorradproduktion im ehemaligen BMW Eisenach bis zum Zweiten Weltkrieg auch (SBZ) zugeteilt wurde. Durch einen Be- Werk in Eisenach. Noch im Oktober 1945 durch hohe Leistungsfähigkeit aus. schluss vom 7. September 1945 wurden wurden hier die ersten PKW (BMW 321) Sowohl in Eisenach als auch in Dürrer- sämtliche Besitztümer der BMW AG in und Motorräder (BMW R 35) produziert. hof haben während des Krieges Zwangsar- Thüringen beschlagnahmt. Während die Vor dem Krieg waren die Karosserien beiter gearbeitet. Schon 1939 kam es zum Automobilproduktion in Eisenach wieder für die BMW Wagen durch die in Berlin Einsatz von Kriegsgefangenen. Der Anteil aufgenommen werden sollte, durfte das ansässige Firma Ambi Budd bzw. zwischen der Zwangsarbeiter betrug in Eisenach bis Flugmotorenwerk wegen seiner aus- 1931 und 1937 von Daimler-Benz gefertigt zu 40 Prozent und in Dürrerhof bis zu 65 schließlichen Produktion militärischer Gü- worden. Die von der SMAD geforderten Prozent. Seit März 1944 wurden verstärkt ter nicht reaktiviert werden. Die Gebäude- Produktionszahlen bedingten jedoch die KZ-Häftlinge, vor allem aus dem Außen- substanz des Motorenwerkes wurde ver- Karosseriefertigung in Eisenach selbst, so wendet, um die Produktionsstätten des Automobilbaus wieder aufzubauen. Die Instandsetzungsmaßnahmen der Fabrika- tionsanlagen waren langwierig, und zu Beginn der 50er Jahre waren erst rund 87 Prozent des ursprünglichen Vorkriegs- zustands wiederhergestellt worden. Um die Arbeitskräfte der Instandsetzung

Links: Luftbild des Werks Dürrerhof, wegen der Tarnung „Waldwerk” genannt, 1940. Rechts: die BMW 303 Limousine.

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dass alle noch verwertbaren Maschinen der S1 und BMW 340/1 basierten auf einem Werk in Eisenach nach dem Namen nun Firma Ambi Budd nach Eisenach trans- Vorkriegsmodell, dem BMW 328. Beson- auch sein Firmenlogo. Die Form und feriert wurden. ders erfolgreich ließen sich die Eisenacher Aufteilung in vier Farbfelder wurde über- Durch die Einteilung Deutschlands in BMW Wagen in den Ostblock (vor allem nommen, allerdings waren die ehemaligen vier Besatzungszonen und das Verbot für UdSSR, Ungarn und Polen) und in die blauen Felder nun rot ausgefüllt. Als Firmen im Westsektor, Teilelieferungen in skandinavischen Länder ausführen. Abgrenzung der farbigen Felder hatte man die SBZ durchzuführen, kam es immer Neben den Automobilen produzierte die Form eines Vierzacksterns gewählt, wieder zu Engpässen in der Produktion. das Werk in Eisenach auch weiterhin was wiederum die Daimler-Benz AG auf Daher wurde das Werk im September 1946 Motorräder. Die jährlichen Produktionszah- den Plan rief. in die staatliche sowjetische Aktien- len der BMW R 35 erreichten bis 1950 rund Im Sommer 1952 wechselte der Be- gesellschaft AWTOWELO eingegliedert. 6.650 Einheiten. Die Unternehmenspla- sitzer des Werkes, als dieses von der

Strichzeichnungen früher BMW Automobile (von links): BMW 3/20 PS Cabriolet (1932), BMW 315/1 von 1934 und BMW 327 aus dem Jahre 1938.

Zwischen 1945 und 1949 konnte die nung sah nicht vor, von diesem Modell UdSSR als Volkseigentum der DDR Produktion von PKW und Motorrädern abzugehen, sondern einige Details zu ver- klassifiziert wurde. Durch den Besitzer- stetig gesteigert werden. Ein Großteil der ändern, um Verbesserungen zu erreichen. wechsel änderte sich auch der Name. Die Automobile wurde exportiert, vor allem in Im Oktober 1949 wurde die Zweig- neue Firmenbezeichnung lautete „VEB IFA die UdSSR. Die Exporterfolge der BMW Niederlassung in Eisenach Produkte ermöglichten die Erwirtschaftung auf Antrag des Vorstands Mit dem Werk 8.1 bei Eisenach dringend notwendiger Devisen. Um das Ex- in München aus dem portgeschäft zu steigern, wurde be- Handelsregister gelöscht. knüpfte BMW 1992 an eine über schlossen, die Modellpalette weiter aus- Offizielle Bezeichnung war 60-jährige Geschichte an. zubauen, und schon 1949 wurden auf der nun „Awtowelo AG“, und Leipziger Frühjahrs-Messe die neuen in Kontakt mit dem Westen BMW Modelle aus Eisenach präsentiert. nannte man sich selbst „Eisenacher – Automobilfabrik EMW Eisenach“. Die Wagen trugen alle das BMW Logo Motorenwerke“. Trotz der Namens- Nach der Wiedervereinigung eröffnete und waren auf der Basis von Vorkriegsmo- änderung zierte die Wagen zunächst auch 40 Jahre später, 1992, das neue Werk der dellen konstruiert. Bis 1948 produzierte Ei- weiterhin das BMW Logo, auf dem auch BMW Fahrzeugtechnik GmbH in Thürin- senach nach den Baumustern des BMW immer noch der Name „BMW“ zu lesen gen. Im Werk 8.1, das westlich von Eise- 321. Erst ab 1949 wurde dann die Produk- war. Das ehemalige „Mutterwerk“ BMW nach im neuen Industriegelände Deu- tion eines neuen Modells, des BMW 340, München ging darauf gerichtlich gegen bachshof steht, werden Großwerkzeuge für aufgenommen. Dieser Typ war zwar das mehrere Importeure und ausländische den Karosseriebau gefertigt. Gemeinsam erste in Eisenach eigenständig entwickelte Generalvertretungen des Eisenacher mit dem neuen Werk in Leipzig, das 2005 in Modell, aber immer noch eine Weiterent- Werkes vor, um den Firmennamen für seine Betrieb genommen wurde, knüpft BMW wicklung des BMW 326. Auch die gleich- Produkte zu schützen. In Eisenach pro- somit an seine Tradition des Automobil- zeitig entwickelten Sportfahrzeuge BMW duzierte Fahrzeuge durften fortan gemäß baus in Ostdeutschland an. des Gerichtsbeschlusses unter dem Firmennamen und Firmenlogo nur in der DDR, nicht aber im Ausland abgesetzt werden. Somit war die Ausfuhr in westliche Länder, die für die Devisenbeschaffung besonders interessant war, ab Ende 1950 nicht mehr möglich. Daraufhin änderte das

Links: Das neue Logo der Eisenacher Motorenwerke behielt die ursprüngliche Struktur bei, änderte jedoch die Farben. Rechts: Firmenbezeichnung „AWTOWELO“ am BMW Werk Eisenach, 1950.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 37 Heinrich Richter-Brohm – der Sanierer

In schwieriger Lage übernahm Dr. Heinrich Richter-Brohm die Leitung der BMW AG. Sein Sanierungsprogramm wies einen Weg in eine bessere Zukunft, scheiterte jedoch kurz vor dem Ziel an internen und externen Hemmnissen. Aus der Sicht des Managements bestand im Herbst 1959 die letz- te Chance für das Unternehmen in der Anlehnung an einen starken Partner: die Daimler-Benz AG. In einer denkwürdigen Hauptversammlung verwei- gerten Kleinaktionäre und Händlervertreter die Zustimmung zu diesem Plan, für den Richter-Brohm stand, und retteten BMW so die Selbstständigkeit.

Von Dr. Florian Triebel

Die Situation Investitionen für den Aufbau einer BMW aus. Ferner wurden schon bald schwer- Die Geschäftsentwicklung der BMW AG Automobilproduktion erwirtschaftet. wiegende Mängel in der Qualität und der bot in der Mitte der 50er Jahre keinen In der Unternehmenssparte Automo- Zuverlässigkeit der Wagen sichtbar. Anlass zu großen Hoffungen für das Un- bil erwies sich zudem die Entscheidung, Außerdem entwickelte sich der ternehmen. Das bisherige Produktions- zunächst einen „Großwagen“ zu bauen, Markt für große Automobile in Deutsch- programm bot keine Basis für zukunfts- als schwerwiegender strategischer Feh- land keineswegs so progressiv, wie es weisende Strategien. ler. Zwar erforderte eine Kleinserie von die sehr groben Händlerbefragungen der Der Motorradmarkt zeigte seit 1953 Automobilen der oberen Klasse insge- BMW Vertriebsabteilung vorausgesagt Schwächen – der Zweirad-Boom der samt weniger Investitionen für die Ferti- hatten. Mit der 1955 aufgenommenen Li- ersten Nachkriegsjahre schwand und gung, doch zeigte sich, dass die „Ba- zenzfertigung des Motocoupés „Isetta“ mit ihm die Gewinne aus diesem rockengel“ nicht zu BMW und den in der lastete das Unternehmen zwar einen Teil Geschäftsbereich. In den vergangenen Zwischenkriegszeit erarbeiteten Werten der brachliegenden Kapazitäten des Mo- Jahren hatten die Erträge aus dem der Marke passten. Die Großwagen fielen torradbaues aus. Doch konnten die Motorradverkauf den Großteil der zu schwer, zu wenig agil und zu unsportlich durchaus erfreulichen Absatzzahlen des

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Helmut Werner Bönsch (M.) und Heinrich 1932 mit Prädikat und schloss zwei Pro- Diese „Technokraten“ waren nach 1945 Richter-Brohm (li.) mit einem BMW 700, 1959. motionen zum Doktor der Wirtschafts- eine der tragenden Säulen für den wissenschaften und zum Doktor der Aufbau der Nachkriegswirtschaft in den Kleinstwagens keine größeren Beiträge Rechtswissenschaften an. Noch im glei- verheerten Staaten Mitteleuropas. So für eine Besserung der Unternehmens- chen Jahr trat er beim Preußischen In- gelang es auch Richter-Brohm 1947 finanzen leisten. nenministerium als Abteilungsleiter der wieder, einen aussichtsreichen und ver- Zu allem Überfluss entschieden die Bau- und Finanzdirektion ein. antwortungsvollen Posten in der Indus- US-Truppen 1955, das Werk Allach, in 1934 wechselte er von der Staats- trie zu übernehmen. In diesem Jahr trat dem sie bislang einen Reparaturbetrieb verwaltung in die Industrie. Zum 1. Juni er als Generaldirektor in die neu gegrün- für ihren Fahrzeugpark unterhalten hat- übernahm er die Leitung der juristi- deten Vereinigten Österreichischen Ei- ten, aufzugeben und die Anlagen der schen Abteilung der Mannesmann AG. sen- und Stahlwerke (VÖEST) mit Sitz in BMW AG wieder zurückzugeben. Somit Nach der deutschen Annexion der Linz ein. Ab 1952 überprüfte er als Be- fielen zukünftig auch die Pachtzah- Tschechoslowakei 1939 sandte ihn sei- auftragter einer Gruppe süddeutscher lungen der Amerikaner weg, die das ne Firma nach Prag. Die Mannesmann Banken Fabriken auf Sanierungsmög- operative Betriebsergebnis des Unter- AG war dort an der Prager Eisen- und lichkeiten; in dieser Eigenschaft beglei- nehmens bislang geschönt hatten. Industriegesellschaft beteiligt, bei der er tete er auch die Liquidation der IG Far- Diese Lage und die sich daraus nun als Oberdirektor und Vorstandsmit- ben AG. Drei Jahre später wechselte er ableitenden düsteren Aussichten für die glied fungierte. Drei Jahre später wech- als Vorsitzender des Vorstandes zur BMW AG hoben sich vor dem Hinter- selte Richter-Brohm als Generaldirektor Maschinenfabrik Pintsch Bamag AG im grund eines gesamtwirtschaftlichen zur Böhmisch-Mährischen Maschinen- hessischen Butzbach. Im Aufsichtsrat Booms, der bald schon als „Wirtschafts- fabrik AG. dieser Gesellschaft hatte das Vor- wunder“ bezeichnet wurde, grotesk ab. Diesen steilen Aufstieg im Zeichen standsmitglied der Deutschen Bank AG, Der Aufsichtsrat des Unternehmens der nationalsozialistischen musste reagieren. Zum Jahreswechsel Expansionspolitik und 1956/57 enthob er Hanns Grewenig Kriegswirtschaft verdankte (MTL 03/2004) und Kurt Donath (MTL Richter-Brohm allerdings 02/2004) ihrer Ämter. Der Aufsichtsrat nicht einer engen Ver- machte diese beiden Mitglieder des bindung zur NSDAP. Nach Vorstandsgremiums für die unerfreuli- der nationalsozialistischen che Situation des Unternehmens Machtübernahme gab er verantwortlich. Einzig Heinrich Krafft noch 1933 sein Partei- von Dellmensingen (MTL 01/2005), im buch zurück. Ungeklärt ist, Vorstand zuständig für die innere Ver- ob sein Wechsel aus der waltung des Unternehmens, blieb als Staatsverwaltung in die Mitglied des engeren Leitungsgremi- Wirtschaft ebenfalls aus ums im Amt und sicherte so eine gewis- Opposition zur Politik des se Kontinuität in der Unternehmens- Regimes erfolgte. Den- führung. noch profitierte Richter- Die drei Vorstände hatten die BMW Brohms Karriere offen- AG bis dahin gemeinschaftlich und ohne sichtlich von der Politik nominellen Vorsitzenden geführt. Mög- Hitlers. Er ist als Vertreter licherweise sah der Aufsichtsrat auch in der „technokratischen Eli- dieser Konstellation eine Ursache dafür, te“ zu sehen, die ungeach- dass wichtige Entscheidungen nur zö- tet persönlicher mora- gerlich getroffen und halbherzig umge- lischer Bedenken und Vor- setzt wurden. Jedenfalls entschloss behalte gegenüber der sich das Kontrollgremium nun, erstmals Politik der nationalsozialis- in der Nachkriegsgeschichte einen Vor- tischen Regierung die ihr standsvorsitzenden zu berufen. Als anvertrauten Funktionen Kandidaten für diesen Posten hatte man und Posten pflichtgemäß Dr. Heinrich Richter-Brohm vorgesehen. ausfüllte – und dadurch er- folgreich Karriere machte. Der Kandidat

1904 in Kehl am Rhein geboren, hatte Münchens Oberbürgermeis- Richter-Brohm in Göttingen, Marburg, ter Thomas Wimmer besich- tigt das Werk 1 in Milberts- Lausanne und Berlin Jura studiert, hofen (oben mit Vorstand unterbrochen von einem Aufenthalt in Willy Black, links. Richter- den USA. Er beendete das Studium Brohm jeweils rechts), 1957.

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Titelbild „Der Spiegel“ 3/1960 mit BMW Vor- Das Zukunftsprogramm standsvorsitzendem Heinrich Richter-Brohm. Um sich ein Bild über die Situation sei- nes neuen Aufgabenbereichs zu Robert Frowein, den stellvertretenden machen, begann Richter-Brohm unmit- Vorsitz inne. Als Frowein im Juni 1956 telbar nach seinem Amtsantritt damit, dieselbe Funktion bei der BMW AG über- einen umfangreichen Bericht über die nahm und die deprimierende Situation BMW Aktiengesellschaft zu erstellen. Er des Unternehmens erkannte, empfahl er sollte bereits zur ersten Aufsichtsrats- seinen Aufsichtsratskollegen im Rahmen sitzung unter seiner Unternehmens- des geplanten größeren Revirements in leitung im Juni 1957 fertig sein. Da je- der BMW Führung Richter-Brohm als doch noch einige Daten der Marktfor- neuen Vorsitzenden des Vorstands. schung zu diesem Zeitpunkt nicht ver- Ausschlaggebend für Richter-Brohms fügbar waren, verschob Richter-Brohm Wahl waren dessen Anfang der 1950er die Vorlage seines Berichts auf die Jahre erworbenen Erfahrungen als nächste Sitzung des Kontrollgremiums. Unternehmenssanierer, die er nun für die In seiner Analyse legte der neue Oben: Der erste Entwurf für den „Mittel- Restrukturierung der BMW AG nutzbrin- Vorstandsvorsitzende schonungslos die wagen“ BMW 530, der in Anlehnung an den gend einsetzen sollte. Missstände und Fehler offen, die zur BMW 503 gestaltet ist. Der neue Vorstandsvorsitzende trat betrüblichen Lage der BMW AG bis zu zum 1. März 1957 sein Amt an und führ- seinem Amtsantritt geführt hatten. Den Unten: Der zweite Entwurf wies in der Frontpartie Bezüge zum BMW 507 auf. te umgehend eine Reihe von Neuerun- größten Anteil an der finanziell schwieri- gen ein. Er richtete ein Vorstandssekre- gen Lage hatte der Geschäftszweig Au- tariat ein, das erstmalig detaillierte Pro- tomobile. Seit der Aufnahme der Auto- tokolle des Leitungsgremiums anfertigte mobilfertigung war die Produktion der und die zentrale Statistik verantwortete. Großwagen unrentabel. Die größten Einen der größten Missstände hatte Löcher in die Ergebnisrechnung rissen Richter-Brohm darin identifiziert, dass dabei die Sechszylinder-Modelle. Aus die bei BMW entwickelten und produ- diesem Grund war bereits beschlossen zierten Produkte nicht absetzbar, also worden, deren Produktion einzustellen. nicht marktgerecht waren. Aus diesem Auf Basis dieser Unternehmens- Grund führte er im Oktober einen neuen analyse und der Ergebnisse der Markt- Arbeitskreis ein, in dem regelmäßig forschungsstudien entwarf Richter- hochrangige Vertreter des Vertriebs mit Brohm ein „Zukunftsprogramm“ für die ihren Kollegen aus dem Entwicklungs- BMW AG. Aus den gewonnenen Daten ressort kundenorientierte Änderungen gab es für ihn keine Zweifel daran, dass und Verbesserungen an den Modellen ein „Mittelwagen“ mit BMW typischen besprechen und beschließen sollten. Eigenschaften die Rettung bringen Allerdings verließ er sich nicht allein würde. Er sollte schnell und wendig sein darauf, wie diese BMW Manager den und über eine großzügige Motorisierung getrieben worden. Im „Zukunftspro- Markt und die Kunden beurteilten. verfügen. Die Ergebnisse der Marktfor- gramm“ veranschlagte Richter-Brohm Bereits zum 1. April 1957 schuf er eine schung hatten gezeigt, dass ein solcher die Entwicklungszeit für einen solchen neue Abteilung, die sich mit systemati- Wagen, der „an die Tradition des bis „Mittelwagen“ aufgrund der Vorarbeiten scher Marktforschung und Erfahrungen bei beschäftigte. In rascher BMW mit ähnlichen Folge erstellten die Mit- Trotz treffender Analyse konnte Richter- Baumustern aus der arbeiter eine Reihe von Brohm die Sanierung nicht beenden. Vorkriegszeit auf etwa grundlegenden Studien. 18 Monate – und damit Richter-Brohm war die bei auf deutlich weniger als BMW in der Vergangenheit vernachläs- heute noch in weiten Kreisen der Bevöl- die für ein solches Projekt damals übli- sigte Beobachtung der Märkte ein wich- kerung unvergessenen BMW 1,5-Liter- chen zwei bis drei Jahre. Die Produktion tiges Anliegen. So ließ er in einer der Wagens“ anknüpfte, großen Erfolg ver- könne BMW mit den bewährten und gut ersten Vorstandssitzungen die aus- sprechen würde. ausgebildeten Fachkräften und den drückliche Bitte an seine Kollegen pro- Zwar wurde ein solcher Fahrzeugtyp durch die Einstellung der unrentablen tokollieren, unabhängig von diesen seit 1946 immer wieder in der BMW Großwagen frei werdenden maschi- Spezialstudien „ihr besonderes Augen- Entwicklungsabteilung diskutiert, doch nellen Kapazitäten ohne weiteres und merk der vermutlich künftigen Entwick- die notwendigen Arbeiten waren nur zügig aufnehmen. lung auf dem in- und ausländischen halbherzig und wegen der knappen Un- Doch müsse man die Zeit bis zur Kraftfahrzeugmarkt“ zu widmen. ternehmensfinanzen schleppend voran- Produktionsaufnahme des vorgeschla-

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 41 Heinrich Richter-Brohm – der Sanierer

Richter-Brohm spricht auf der Hauptver- sammlung 1959. Rechts: die Aufsichtsräte.

genen „Mittelwagens“ überbrücken. und auf den „Mittelwagen“ hinleiten. und die Kostenentwicklung während der Hierfür schlug Richter-Brohm mehrere Zusätzlich sah das „Zukunftspro- Sanierung unter strenger Kontrolle stehe. Maßnahmen vor. gramm“ vor, im Werk Allach die Lizenz- Das Scheitern der Planungen Mit Ausnahme der Sechszylinder- fertigung eines Triebwerk-Modells des Typen sollte die Großwagenproduktion amerikanischen Herstellers Lycoming Nach der grundsätzlichen Zustimmung bis zur Fertigungsaufnahme des „Mit- aufzunehmen. Schließlich sollten die des Aufsichtsrats zu Richter-Brohms telwagens“ einstweilen weitergeführt anerkannt guten V-8- und Motorradmo- Plänen im August 1957 ging man bei werden. Daneben müssten jedoch zwei toren als Industrie- und Marinemotoren BMW daran, die ersten Schritte einzu- neue Modelle die Kapazitäten beschäf- angeboten werden. Diese Zweitverwen- leiten. Doch ergaben sich bei der Um- tigen und zumindest die Fixkosten dung der BMW Aggregate würde setzung unerwartete Schwierigkeiten. erwirtschaften. zusätzlich einen Teil der Fertigungs- Zunächst entwickelten sich die Ver- Ein aus der Isetta weiterentwickel- kapazitäten auslasten und ohne weitere kaufszahlen für die BMW Isetta und den tes größeres Fahrzeug, in gleicher große Investitionen Einnahmen bringen. BMW 600 im Laufe des Jahres rückläu- kugeliger Formgebung, aber mit zusätz- Sowohl die Zwischenlösung als fig – ein Trend, der sich 1958 verstärkte. licher Tür und einer zweiten Sitzbank, auch das „Zukunftsprogramm“ würden Zudem gestalteten sich die von Richter- stehe bereits kurzfristig zur Verfügung. jedoch nur unter zwei Voraussetzungen Brohm geführten Verhandlungen mit Daneben arbeiteten die Entwicklungs- zu realisieren sein: den Banken und dem Freistaat Bayern abteilungen bereits an einem Fahrzeug Zum einen müssten die Banken und zur Finanzierung der notwendigen In- der unteren Fahrzeugklasse, das eben- die staatlichen Stellen der BMW AG vestitionen äußerst schwierig. falls einen Motorradmotor als Antrieb noch einmal Finanzmittel in einer Ge- Einziger Lichtblick in dieser Situa- habe, aber wieder wie ein „normales samthöhe von 55 Millionen D-Mark zur tion blieb, dass die Entwicklung des Automobil“ aussehe. Dies verlangten Verfügung stellen. BMW 700 planmäßig verlief, der „Hoff- die Kunden von BMW. Beide, die „große Von äußerster Wichtigkeit sei es zum nungsträger“ im Frühjahr 1959 der Isetta“ unter dem Namen BMW 600 und anderen, dass bei der Umsetzung des Presse vorgestellt werden konnte und der BMW 700, würden die Funktion Programms diszipliniert und gemäß dem im Spätherbst die ersten Fahrzeuge einer Übergangslösung gut ausfüllen aufgezeigten Plan vorgegangen werde vom Band liefen.

Links: Titelseite des Berichts über die BMW AG aus dem Jahre 1957. Darin analysierte Richter-Brohm das Ergebnis der BMW AG aus den Jahren 1948 bis 1956 und legte eine Prognose bei Umsetzung des „Zukunftsprogramms“ vor.

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Den Plänen Richter-Brohms brach je- zierte die anwesenden Anteilseigner zu- Nach mehr als neun Stunden Dauer doch ein „Vorratsauftrag“ für Großwagen sätzlich. Aufgebracht titulierten sie ihn stellte Mathern einen Antrag zur Ver- das Genick, den der Fertigungsleiter gut-bayerisch als „Bazi“. Für sie war tagung der Hauptversammlung. Damit Kurt Deby unter Missachtung anders Richter-Brohm der Verantwortliche für lief das befristete Angebot aus Stuttgart lautender Vorstandsbeschlüsse ein- den Niedergang des Unternehmens. aus und wurde nicht mehr verlängert. geleitet hatte, sowie eine vom Produk- Damit befanden sie sich jedoch nicht im Für Heinrich Richter-Brohm bedeutete tionsvorstand Willy Black zu verantwor- Recht. dies das Scheitern seiner letzten Lö- tende Verzögerung von Investitions- Sicherlich hatte er einige Ver- sung für die Sanierung des Unterneh- anträgen für den Produktanlauf des säumnisse und Schwierigkeiten bei der mens. Für Alternativen stand er nicht geplanten „Mittelwagens“. Umsetzung des „Zukunftsprogramms“ mehr zur Verfügung. Im Herbst 1959 sah die Finanzlage zu verantworten. So neigte er zu einsa- Mit Wirkung vom 26. Februar 1960 der BMW AG derart desolat aus, dass men Entscheidungen und ging ohne entband der Aufsichtsrat Richter-Brohm alternative Sanierungsszenarien geprüft wurden. Am zukunftsträchtigsten schien Vorstand und Aufsichtsrat ein Verkauf der Firma an einen starken industriellen Partner. Schon im Frühjahr 1958 waren hierfür erste Sondierungen mit Vertre- tern der Daimler-Benz AG aufgenommen worden, die sich nun im Augenschein der unmittelbaren Insolvenz konkreti- sierten. Zur Hauptversammlung der BMW AG über das Geschäftsjahr 1958 am 9. Dezember 1959 lag nun ein Angebot aus Stuttgart zur Sanierung von BMW vor. Es sah einen Kapitalschnitt mit anschließender neuer Erhöhung des Eigenkapitals vor. Vom Bezug der jungen Aktien waren jedoch alle alten Aktionäre ausgeschlossen. Die neuen Anteile soll- ten nur die Firmen des Sanierungs- konsortiums mit Daimler-Benz an der Spitze zeichnen können. Alle an diesen Plänen Beteiligten hofften, dass die alten Aktionäre dieser partiellen Ent- eignung zustimmen würden, um wenig- stens einen Teil ihres Kapitals zu retten. Die Hoffnungen zerstoben jedoch im Laufe der Hauptversammlung. Erich Heinrich Richter-Brohm erläutert Wirtschaftsminister Ludwig Erhard den BMW Stand auf der Nold als Vertreter der Kleinaktionäre IAA in Frankfurt im Jahre 1959. und Dr. Friedrich Mathern, der im Auf- trag einer Reihe von BMW Händlern sprach, zogen die Entscheidungsfin- Absprache mit seinen Vorstandskol- von seinen Aufgaben. Trotz des Schei- dung hinaus. Mathern warf Aufsichtsrat legen und dem Aufsichtsrat vor. Ferner terns ist seine kurze Amtszeit von und Vorstand vor, nicht alle Alternativen verprellte er durch seine Verhandlungs- großer Bedeutung für die BMW AG. Die zur vorgeschlagenen Verkaufslösung führung die Vertreter des Bayerischen von ihm eingeleiteten organisatorischen eingehend und vorurteilsfrei betrachtet Wirtschaftsministeriums. Änderungen professionalisierten das zu haben. Außerdem seien in den Kalku- Doch hatte er 1957 bei BMW eine Unternehmen, und die im „Zukunfts- lationen zum Verkaufswert von BMW nur unter Anspannung aller Kräfte lös- programm“ entworfenen Konzepte wa- zwei der besten Unternehmenswerte bare Aufgabe übernommen. Für das ren die Basis für die erfolgreiche Sanie- nicht eingeflossen: Die ausgebildeten Scheitern seiner Pläne und den beab- rung von BMW in den Jahren nach und motivierten Mitarbeiter und die sichtigten Verkauf der BMW AG an 1960. Marke, die immer noch über eine große Daimler-Benz waren maßgeblich die Nach seinem Ausscheiden bei Strahlkraft verfüge. internen Hindernisse bei der Um- BMW übernahm Richter-Brohm Auf- Während der Versammlung saß setzung des Programms und der nicht gaben bei ausländischen Explorations- Richter-Brohm unbewegt auf dem Po- geplante Einbruch der Absatzzahlen bei gesellschaften. Er starb am 12. April dium des Kongress-Saals. Dies provo- den Kleinwagen verantwortlich. 1994 im Alter von 90 Jahren.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 43 „Why don’t you paint a car?“

Als am 14. Juni 1975 um 16 Uhr der Startschuss zum 24-Stunden-Rennen von Le Mans fiel, war die Geschichte um diese legendäre Rennstrecke im Nordwesten Frankreichs um eine Facette reicher. In der Startaufstellung grollte der Motor eines BMW 3.0 CSL, um sich endlich mit der Konkurrenz zu messen. Nicht seine 430 PS machten das Renncoupé mit der Startnummer 93 zur Attraktion, Leistung und Hubraum waren auch andernorts im Überfluss zu bewundern. Vielmehr bestach der BMW durch seine Lackierung. In schillernden Farben erhob er sich aus der Menge der Sponsorenschriftzüge und zeigte sich dem Publikum mehr als Kunstwerk, denn als Träger ökonomischer Interessen. Tatsächlich handelte es sich bei dem CSL um eine Synthese aus Kunstund Rennsportfahrzeug. Was die Zuschauerdamals bewundern konnten, markierte den Beginn einer weltweit einzigartigen Fahrzeugsammlung: der BMW Art Cars.

Von Manfred Grunert

Die Idee, Kunst und Rennsport zu vereinigen, stammte vom ter bei der Verwirklichung seines Projekts. Selbst als er den französischen Auktionator und Rennfahrer Hervé Poulain. Im Wunsch äußerte, in Le Mans zu fahren, willigte Neerpasch ein. Jahre 1973 hatte er sich bereits in seinem Buch „L’Art et Keine Selbstverständlichkeit, denn am selben Wochen- l’Automobile“ mit dem Thema öffentlich beschäftigt. Er be- ende stand ein Rennen der amerikanischen IMSA-Serie an, klagte, wie wenig Brücken zwischen beiden Gebieten mensch- bei dem dann nur ein Fahrzeug statt der geplanten zwei lichen Schaffens bis dahin geschlagen worden seien und wie starten konnte, denn eine Mechaniker-Crew musste schließ- selten diese beschritten wurden. lich in Frankreich ihren Dienst tun. Die Präsenz der Marke bei Heute gelesen, klingt sein Fazit fast wie eine Aufforderung an der amerikanischen Rennserie war damals von großer Bedeu- sich selbst, neue Impulse zu setzen. Anfang 1975 nahm er das tung, denn auf diesem Wege konnte man im größten Automo- Projekt in Angriff: Die Assoziation von Kunst und Industrie als Ge- bilmarkt der Welt für Aufmerksamkeit sorgen und damit am genentwurf zur zunehmenden Degradierung des Mythos Auto- Ende auch für Fahrzeugbestellungen. mobil in Zeiten der Ölkrise und des industriellen Pessimismus, so Um eine – wenn auch kurzfristige – Absenz beim amerikani- skizzierte er theoretische Grundzüge des Vorhabens in seinem schen Rennzirkus im Unternehmen durchzusetzen, benötigte Aufsatz „Les mobiles de Calder et les miennes“. Neerpasch Schützenhilfe. Die erhielt er von Horst Avenarius, Der Übergang von der Theorie zur Umsetzung gestaltete dem damaligen Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. sich dagegen eher unspektakulär: „Why don’t you paint a car?“ Avenarius erkannte schnell den Wert des Vorhabens für das fragte er bei einem Mittagessen seinen Freund Alexander Calder, Unternehmen. Dabei standen aus seiner Sicht keine werblichen einen der renommiertesten Bildhauer seiner Zeit, und konfron- Aspekte im Vordergrund, denn ihm war sehr bewusst: „Wo sie tierte ihn mit seiner Idee. Calder, bekannt als Künstler ohne [die Industrie, der Verf.] sich mit den Künstlern verbindet, lässt Berührungsängste, willigte begeistert ein und forderte ihn auf, sie sich auf ein Abenteuer ein. Sie kann vor Abgründe gestellt sich sogleich nach einem geeigneten Fahrzeug umzusehen. werden oder Gesänge zu lauschen bekommen“, so Avenarius in Poulain hatte mit einer derartigen Reaktion nicht gerechnet. Er seinem Nachwort zur Ausstellung „Das Automobil in der Kunst“ hatte bis dahin weder an eine bestimmte Marke noch einen aus dem Jahre 1986. Sein Verständnis von Mäzenatentum folg- bestimmten Fahrzeugtyp gedacht. te vielmehr der Idee einer Auseinandersetzung mit der Kunst, Bekannt mit vielen Personen der Tourenwagenszene, wandte die einen Erfahrungshorizont eröffnen und damit dem eigenen – er sich mit seinem Anliegen an den französischen Piloten Jean industriellen – Handeln Tiefe geben sollte. Todt, „einen der fortschrittlichsten Männer der Motorsportwelt“, Nachdem für die notwendige Rückendeckung gesorgt war, wie ihn Poulain damals charakterisierte. Todtversicherte ihm, dass fiel die Fahrzeugauswahl nicht schwer. Mit dem BMW 3.0 CSL es aus seiner Sicht nur eine Person im Rennzirkus gebe, die hatte die Marke zwei Jahre zuvor mit einem sensationellen sowohl den künstlerischen Aspekt verstehen würde als auch Sieg für Furore in Le Mans gesorgt und schließlich die Verständnis für das öffentliche Interesse habe: den BMW Tourenwagen-Europameisterschaft errungen. Hans-Joachim Rennleiter Jochen Neerpasch. Todt kannte Neerpasch aus dem Stuck hielt mit dem Renncoupé den Rundenrekord für Jahre 1973, als der Franzose zusammen mit Achim Warmbold auf Tourenwagen auf dem Nürburgring (08:09), und auch in der BMW 2002ti den Gesamtsieg bei der österreichischen Alpenfahrt IMSA-Serie bestach das Fahrzeug durch Leistung und einfahren konnte. Fahrdynamik. Doch bevor Calder diese „rasende Leinwand“ Poulain folgte dem Rat seines Landsmannes und rief den zur Verfügung gestellt werden konnte, mussten noch Rennen BMW Rennleiter an. Die Antwort aus München erinnerte er in den USA bestritten werden. Die Zeit bis Le Mans wurde folgendermaßen: „Unsere Autos sind in den Vereinigten jedoch immer knapper. Staaten. Wir wollen in diesem Jahr an keinem Rennen in Euro- pa teilnehmen, aber… das geht in Ordnung!“ Todt hatte Recht Vereinigung von Kunst und Technik in den Hallen der Motorsport GmbH. behalten, und Poulain war einen entscheidenden Schritt wei- Titelblatt der Pressemappe zum 24-Stunden-Rennen in Le Mans, 1975.

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Why don’t you paint a car?

Damit Calder einen Eindruck von der Außergewöhnlich schien jedoch die das Spiel zwischen Statik und Dynamik Form des Fahrzeugs gewinnen konnte, Aufgabenstellung, ausgerechnet einen war schon weit früher zu erkennen. behalf sich Poulain mit einem einfachen Bildhauer, also einen, der Formen Bereits 1932 hatte er 15 Motoren, unter Trick: Er gab seinem Freund ein Spiel- schafft, damit zu beauftragen, eine anderem durch Farbgebung, verändert zeugauto. Das Glück war, dass Calder feste, bereits durch technische Maßga- und stilisiert. über reichlich Erfahrung verfügte bei der ben definierte Form allein durch Farb- Zunächst von der überschwäng- Projektion seiner Kunst vom kleinen gebung zu verändern. lichen Kritik als „L’art automobile“ Modell zum großen Kunstwerk. Wieder Aber auch dies war Calder nicht neu, gefeiert, bezeichnete der französische und wieder hatte er diese Technik bei hatte er doch zwei Jahre zuvor für die Künstler Marcel Duchamp die Skulp- der Produktion seiner riesigen Skulp- Braniff South American Airlines einen turen als „Mobile“. Sowohl der Begriff turen angewandt. Linienjet bemalt. Seine Leidenschaft für Duchamps als auch das Wesen dieses

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frühen Werkes charakterisierten damals Male. Die beiden Freunde einigten sich schon die Konstanten von Calders drauf, nach dem Spielzeugauto eine Schaffen: die Nutzung der Mechanik, der Maquette im Verhältnis 1:5 zu bemalen. Bewegung und der lebendigen Farben. Der Künstler fragte den Rennfahrer Bis heute zählen seine „Mobiles“ zu den immer wieder nach seinen Gefühlen, die innovativsten Skulpturen des 20. Jahr- er während des Rennens empfinde. hunderts. Poulains Schilderungen dieser Situation verglich Calder mit dem Rennen der Ganz klein angefangen Stiere, ihrer gleichzeitigen Sucht nach Poulain besuchte Calder während der Farbe und Angst vor dem Tod. seiner Arbeit in der Tourraine mehrere Bald begann Calder mit der Bema- lung. Er verteilte die Farben Gelb, Rot und Blau großflächig auf das Modell, als wären es „die Schweife eines dreifarbigen Kometen“, so Poulain. „Wie ein vorzeit- licher Priester bei den Wandbemalungen, der weiß, dass die Farben forttragen und vorwärts streben.“ Calder benutzte die Calders Signet auf der Heckflosse des BMW: Geschwindigkeit einer Dreifarbigkeit, die „Farben, die fortwährend vorwärts streben“. in ihrer Zusammensetzung eine Dynami- sierung hervorbrachte – eine unentwegte, nie enden wollende Beschleunigung. Der gemalt und Möbel entworfen. Dies und Künstler beschrieb sein Schaffen weitaus seine Leidenschaft für Literatur und lakonischer: Als ihn ein Kameramann, der Film machte ihn zur Idealbesetzung für Poulain bei einem seiner Besuche beglei- das CSL-Cockpit. Damit waren alle not- tete, fragte, warum er immer nur diese wendigen Voraussetzungen für einen drei Farben verwende, entgegnete ihm Start in Le Mans gegeben. Calder schmunzelnd: „Das ist alles, was Doch die Rennstrecke war keines- ich kann!“ wegs die erste Bühne, auf dem das Nach der Fertigstellung der Ma- „Kunstauto“, wie es damals noch ge- quette wurde diese nach München ge- nannt wurde, zu bewundern war. Seine bracht. Sie diente dort als Vorlage für die Premiere feierte es am 30. Mai 1975 im Lackierung des originalen Rennfahr- Musée des Arts Décoratifs des Pariser zeuges. Zu dieser Zeit hatte man sich bei der BMW Motorsport GmbH Poulain und Calder waren ein für die Fahrerkombina- ideales Gespann für dieses Projekt. tion entschieden. Hervé Poulain als Initiator des Projektes sollte gemein- sam mit seinem Landsmann Jean Gui- Louvre – und war damit wahrscheinlich chet und dem Amerikaner Sam Posey in das erste Rennsportfahrzeug der Welt, Le Mans an den Start gehen. das sein Debüt in einem Museum gab. Die Bedeutung des Fahrzeugs für die Start in Le Mans: kein Problem zeitgenössische Kunst und ihr Verhält- Posey fuhr für BMW mit Hans-Joachim nis zu ökonomischen Interessen erläu- Stuck und Brian Redman in der IMSA- terte der Kurator François Mathey bei Serie und hatte nicht nur reichlich seiner Eröffnungsrede: „Die Kunst Erfahrung mit dem Leichtbaucoupé, macht sich über die Industrie lustig. Die sondern auch Erfolg, gewann er doch Industrie ignoriert die Kunst. Alle Ver- kurz zuvor das 12-Stunden-Rennen von suche, die darauf abzielen, das Gegen- Sebring. Doch Posey war ebenso wenig teil zu beweisen, sind nichts als Alibis, nur Rennfahrer, wie Poulain nur Auktio- um das Gewissen zu beruhigen. nator war. So hatte Posey an der Rhode Aber selbst das ist schon nicht Island School of Design studiert, Bilder schlecht. Sich bewusst werden, dass ein solches Problem existiert und es Calder und Poulain mit dem Spielzeugauto, sich nicht um dekorative oder werbliche das als Vorlage für das erste Art Car diente. Zwecke handelt, ist Calders Verdienst,

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 47 Why don’t you paint a car?

Premiere auf Asphalt: Das BMW Art Car von Alexander Calder in Le Mans 1975.

da er weiß, dass es nichts Ernsthafteres Eine Woche später bekamen die Münch- Dahinter steht beiderseits die Über- gibt als das Spiel und ein Rennwagen ner den außergewöhnlichen Rennwagen zeugung, dass ein Gegenstand nicht nur das hochentwickeltste Spielzeug derer zu sehen – im Haus der Kunst. Horst nach seinem schieren Nutzen und Ge- ist, die ernst sein wollen. Wir danken Avenarius betonte damals, welch brauchswert bemessen werden sollte, Calder und wir danken Hervé Poulain, außergewöhnlichem Moment die Gäste sondern darüber hinaus nach dem Le- weil sie noch wissen, wie man sich der Vernissage beiwohnten: „Ein BMW bensgenuss, den er vermittelt; nach dem amüsiert und sie uns erfreuen.“ im Haus der Kunst, wie vor Tagen im Spiel (und Sport), das er ermöglicht.“ Um Louvre und demnächst voraussichtlich im Museum of Modern Art in New York: Das ist für BMW kein alltägliches Er- eignis. Wir haben es Alexander Calder zu verdanken.“ Ein ganz neues Renn-Design Anschließend charakterisierte Avenarius die Verbindung von BMW zu Calder: „Seine Freude an der Farbe entspricht unserer Freude am Fahren. Diese Da- seinsfreude ist uns beiden gemeinsam.

Links: Calders Auto im Haus der Kunst in München 1975. Rechts: vor dem BMW Hochhaus.

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eben dieses Spiel und den Sport ging es zung des Motorsports und die der Kunst Rennen den Anfang machte, das Auto vor dann eine Woche später. gleichermaßen – Kunst in Le Mans und dem ersten Wechsel zu Schrott fuhr.“ Motorsport im Museum. Calder war Nichts davon passierte: Um 22 Uhr, Der Reiz des Verbotenen selbst zu Gast in Le Mans und einer der nach neun Stunden Rennzeit, raste Das Auto war pünktlich im Nordwesten meistfotografierten Männer des Wo- Poulain durch die Dämmerung, auf Rang 1 Frankreichs angekommen, um sich nach chenendes. der Tourenwagenwertung platziert und als den Kunstkritikern nun auch der PS- Beim Training zuvor hatte der CSL die Fünfter im Gesamtfeld, als ein lauter Krach starken Konkurrenz zu stellen. Ange- Bestzeit in seiner Klasse erreicht – unter seinen Füßen die Siegesfahrt sichts der in Le Mans erwarteten allerdings nicht ohne Schrecksekunden. plötzlich stoppte. Die Antriebswelle war Höchstgeschwindigkeiten jenseits der Poulain erinnert sich, wie ihm in der gebrochen. 280 Stundenkilometer stand beim Start Hunaudières ein Porsche rückwärts ent- The most craziest idea des Kunstautos viel auf dem Spiel. BMW gegengeflogen kam: „Bei 290 km/h war hatte das Auto zwar mit einer Million es unmöglich, auszuweichen, und ich fuhr Dies war das Ende der „most craziest D-Mark versichert, jedoch fürchtete man in eine Wolke aus Staub, verbranntem (and most refreshing) idea of this troubled viel mehr um den ideellen Wert als um Gummi und Kieselsteinchen und habe decade“, wie Ron Wakefield in „Road& reale finanzielle Verluste. mysteriöserweise nichts berührt.“ Seine Track“ damals befand, und zugleich war Aber genau darin bestand die An- größte Angst galt ab diesem Moment es der Anfang einer einzigartigen ziehungskraft des Projektes, sozusagen nicht mehr sich selbst: „Meine einzige Sammlung zeitgenössischer Kunst: der der Reiz des Verbotenen: die Entgren- Furcht war, dass Sam Posey, der im BMW Art Car Collection.

Der Künstler und seine Werke: Alexander Calder mit Hervé Poulain (links hinten) und Jochen Neerpasch (rechts) vor dem BMW 3.0 CSL und einigen seiner Mobiles.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 49 Der BMW V12 Rennsportwagen, den die amerikanische Konzeptkünstlerin Jenny Holzer 1999 gestaltete. Die BMW Art Car Collection

In der BMW Art Car Collection, einer außergewöhnlichen Kunstsammlung, berühren sich zwei Welten – die Welt des Automobils und die Welt der Kunst. Die mittlerweile 15 Fahrzeuge, allesamt gestaltet von weltberühmten Künstlern, waren vom 23. Mai bis 10. Juni 2005 im Atrium, FIZ Projekthaus, zu sehen. Unter dem Titel „30 Jahre BMW Art Car Collection“ informierte die Ausstellung über die Schöpfer und bot eine der seltenen Gelegenheiten, alle Art Cars an einem Ort versammelt zu sehen. In Zusammenarbeit mit dem IOS-Team entstand das Konzept für die Ausstellung.

Von Gudrun Freier

Mit kräftigen Farben und geschwungenen Flächen bemalte Künstler aller Stilrichtungen abstrakt oder gegenständlich, Alexander Calder 1975 den BMW 3.0 CSL seines Freundes kritisch oder heroisierend damit auseinander. Mit den BMW Hervé Poulain, Auktionator und Rennfahrer des 24-Stunden- Art Cars wurde nun erstmals das Automobil selbst zum künst- Rennens von Le Mans. Calder verbindet auf diese Weise lerischen Objekt. Kunst und Motorsport – die Idee, ein Automobil von Künstler- Mit dieser ungewöhnlichen Kunstsammlung machte hand gestalten zu lassen, ist geboren. BMW in den vergangenen 30 Jahren weltweit von sich reden. Die Faszination der Künstler durch das Automobil ist alt. Ob in den Guggenheim Museen New York und Bilbao, im In mehr als 100 Jahren Automobilgeschichte setzten sich Pariser Louvre oder in Sydneys Powerhouse Museum – eine

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Die Art Cars von Andy Warhol (links), der mit eigener Hand auf das Auto malte, Robert Rauschenberg (Mitte) und David Hockney (rechts).

neue Art der Begegnung zwischen staltete. Er zeigt mit seinen Figuren und „beschreibt“ das 15. Art Car, einen BMW Kunst und Technik war geschaffen. Zeichen „Kunst auf Kunst, Kunst auf V12 Rennsportwagen für die BMW Art Nach namhaften Pop-Art-Künstlern, Technik – vor allem auf einem plastischen Car Collection. Als kritische Künstlerin wie Roy Lichtenstein und Andy Warhol, Objekt“. Für Penck war die künstlerische der Gegenwart provoziert Jenny Holzer der den BMW M1 als erster Künstler Gestaltung eine kreative Auseinander- mit ihren Sprüchen die Welt des Motor- selbst bemalte und das Auto gelun- setzung wie bei der Entwicklung eines sports durch überraschende Botschaf- gener fand als das Kunstwerk, gab es Automobils. Die Kreativität der Ingenieure ten wie „MONOMANIA IS A PRE- neue Stilrichtungen und Künstler wei- und Designer, beim Z1 besondere REQUISITE OF SUCCESS“ bei spek- terer Nationalitäten – der Österreicher Freiheiten der Phantasie entfalten zu takulären Autorennen. Ernst Fuchs, die Australier Michael können, inspirierte auch Penck. Die Zahlreiche Mitarbeiter der BMW Group Jagamara Nelson und Ken Done oder Herausforderung für den Betrachter ist, nutzten die exklusiv für sie präsentierte auch der Japaner Matazo Kayama. sich auf die Zeichensprache Pencks ein- BMW Art Car Collection zu einem Es wurden nicht mehr nur Renn- zulassen und die eigentlich einfachen Zwischenstopp, um die berühmten Werke sportfahrzeuge bemalt, sondern auch Fahr- Symbole als Chiffren zu entschlüsseln… einmal live und aus der Nähe zu betrachten zeuge aus dem Serienbau wie der BMW Jenny Holzer, amerikanische Kon- – und verbanden auf diese Weise Faszina- 635 CSi von Robert Rauschenberg (1986) zeptkünstlerin, schließt 1999 den Kreis – tion, Innovation und Kunstgenuss. Weitere oder der BMW Z1, den A. R. Penck 1991 eine Rückkehr nach Le Mans, dem kulturelle Aktivitäten der BMW Group: als erster Deutscher künstlerisch ge- Ursprungsort der BMW Art Cars. Sie www.bmwgroup.com/kultur

Wie alle anderen Art-Car-Künstler gestaltete auch der Pop-Art-Vertreter Roy Lichtenstein den BMW (vorne) in seinem unverkennbaren Stil.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 51 Helmut Polensky – der Senkrechtstarter

Nur selten war es einem Fahrer vergönnt, einen so fulminanten Einstieg ins Renngeschehen zu erleben: erstes Rennen – erster Sieg, erste Saison – erster Meistertitel. Doch es sollten harte und entbehrungsreiche Jahre folgen, bis ein weiterer Titel, der des Europameisters, die Karriere des Helmut Polensky krönen sollte.

Von Hagen Nyncke

Für Helmut Polensky, den gebürtigen Berli- gehen, und so sammelte er die ersten mo- er, es auch einmal mit einem Rennen zu ner, war schon früh klar, dass er sich nicht torsportlichen Erfolge bei Langstrecken- versuchen. In der Kundendienstabteilung dem familieneigenen Baugeschäft widmen und Geländeprüfungen. Eine solide kauf- des Münchner BMW Werkes wurde der wollte. Vielleicht war die Nähe der Avus männische Ausbildung erwarb er sich dann Wagen wettbewerbsmäßig zurechtge- zum elterlichen Haus in Zehlendorf mit bei der Auto-Union, denn irgendetwas mit macht. Auch drei Wagen der NSKK-Mann- daran schuld. Wenn dort nämlich Rennen Autos wollte er machen, so viel stand fest. schaft waren dort mit einem enormen stattfanden, verlief sich der Junge auf dem Seinen gebrauchten BMW 328 kaufte finanziellen Aufwand auf den neuesten Weg zur Schule regelmäßig. Sobald er er im Frühjahr 1939. Und da ihm der Sport- Stand gebracht worden. Bisher waren Motorrad fahren durfte, musste es schnell wagen so viel Freude bereitete, beschloss diese nur bei Veranstaltungen im Ausland

Seite 52 Polensky im Monopoletta Formel-3-Rennwagen.

zu sehen gewesen, in diesem Jahr sollten ling. Ansonsten waren einige erfahrene sie auch auf heimischem Boden Siege für Fahrer gemeldet. Unfälle im Training hatten die Parteiorganisation gewinnen. Erstmals allerdings auch zwei der Favoriten um ihre gab es für die Rennsaison 1939 nämlich die Startchance gebracht: Dr. Fritz Werneck Ausschreibung einer deutschen Meister- und Fritz Huschke von Hanstein waren zu schaft für Sportwagen, und die Aussicht Zuschauern degradiert. auf den Titel „Großdeutscher Meister“ soll- Im Rennen selbst ließ es Polensky erst te eine spürbare Belebung der deutschen mal ruhig angehen. Erst kurz vor Schluss Rennszene nach sich ziehen. gab er richtig Gas und beendete sein erstes Rennen zur Verwunderung aller als Sieger. Erster Start – erster Sieg Jetzt hatte ihn der Ehrgeiz gepackt. Das Das Hamburger Stadtparkrennen im Mai folgende Eifelrennen auf dem Nürburgring war der erste Lauf zur neuen Meisterschaft. konnte er leider nur als Zuschauer mit- Schon im Training hatte Polensky aus- erleben, da sein Motor im Training gezeichnete Zeiten gefahren, doch das war blockierte und der weiße Sportwagen weitgehend unbemerkt geblieben, schließ- daraufhin einige kleinere Fichten in der Polensky nach seinem ersten Sieg im BMW lich kannte niemand den 23-jährigen Neu- Eifel unsanft zu Boden gelegt hatte. 328 beim Hamburger Stadtparkrennen 1939.

Mobile Tradition live / Ausgabe 02.2005 Seite 53 Helmut Polensky – der Senkrechtstarter

Links: Mit dem ersten Neumaier BMW am Großglockner. Mit dem Sieg beim Großen Bergpreis erwarb er den erstmals verliehenen Titel „Großdeutscher Meister“. Rechts: Leichtbau à la Neumaier: das Chassis für den „Kurpfalz“.

Beim Training für das Rennen „Rund um Schotten“ im Vogelsberg fiel ihm der Wa- gen eines Konkurrenten besonders auf, da er die normalen BMW 328 deutlich hinter sich ließ. Es war Anton Neumaiers Eigen- Hochgeschwindigkeitskurs in Hockenheim Der schöne Rennwagen ließ ihn noch öfter bau mit 328er-Motor, der nicht nur mit einer starten sollte. Der Kriegsausbruch ver- im Stich, so dass er sich nach einem neuen formschönen Karosserie Blicke und Kame- hinderte die Austragung des letzten Ren- Projekt umsah. ralinsen auf sich zog, sondern vor allem mit nens, und so wurde Polensky zum ersten Mittlerweile war er nach Karlsruhe einer phänomenalen Straßenlage brillierte. deutschen Sportwagenmeister ernannt. umgezogen, wo er sich nun seine eigene Kurzentschlossen überredete Polensky Im Jahr darauf stellte er die Weichen für Zylinderschleiferei einrichtete. Von jeher Neumaier, den Wagen zu verkaufen, und seine spätere berufliche Laufbahn und war Polensky von der Konstruktion der fuhr damit im Rennen die schnellste Run- kaufte die Berliner BMW Vertretung „Kur- Auto-Union-Rennwagen begeistert gewe- denzeit. Ein Benzinrohrbruch zwang ihn pfalz“ am Kurfürstendamm. Diese Planung sen, und so verwundert es nicht, dass er allerdings zur Aufgabe, und sein ärgster erwies sich bei Kriegsende als Fehlinves- dieses Prinzip der Heckmotor-Bauweise Rivale, Huschke von Hanstein, konnte den tition. Polensky war vor dem Einmarsch der (heute würde man von einem Mittelmotor Sieg erringen. Roten Armee noch die Flucht geglückt. Mit sprechen) in seine eigene Planung ein- einer BMW R75, im Beiwagen seine bezog. Die für die Saison 1948 neu ge- Erste Saison – erster Titel spätere Frau und im Anhänger das zum schaffene Formel 2 für Rennwagen bis Das nächste Rennen fand nicht auf einer Überleben Notwendigste, hatte er sich 2.000 ccm sollte für ihn das neue Betäti- Rundstrecke statt, sondern am Berg. Der nach Westen durchgeschlagen. gungsfeld werden. Als Antriebsquelle Große Bergpreis von Deutschland wurde In Hamburg übernahm er später die nahm er den Motor des BMW 328, die seit dem Vorjahr am Großglockner ausge- Leitung einer Zylinderschleiferei. Sein Vorderachse vom VW, die Hinterachse von tragen. Hier war die leichte Neumaiersche Neumaier-Chassis hatte den Krieg, bei Mercedes und montierte alles in ein selbst Konstruktion gegenüber den normalen einem Bauern in der Scheune versteckt, konstruiertes Rohrrahmen-Fahrgestell. Ka- BMW 328 deutlich im Vorteil. Polensky ver- gut überstanden. Jetzt brachte er es mit in rossiert wurde der Wagen als Monoposto, wies alle Favoriten, einschließlich der den Westen und ließ darauf eine schnittige die Form des Wagens in Kombination mit Fahrer der NSKK-Mannschaft, erneut auf Karosserie in „Intertyp“-Bauweise bauen. dem Namen des Erbauers ergab die Be- die Plätze. Dass auch die 1,5-Liter-Klasse Mit diesem in Erinnerung an die Berliner zeichnung „Monopol“. Nach der Über- von Hermann Kathrein auf einem Neumaier Jahre mit dem Namen „Kurpfalz“ ver- windung der üblichen Kinderkrankheiten BMW gewonnen wurde, dürfte bei den sehenen Wagen fuhr er in der Rennsai- errang er im August 1948 beim Aachener Ingenieuren in München einiges Kopf- son 1947 in der Sportwagenklasse bis Waldrennen seinen ersten Lorbeerkranz. schütteln verursacht haben. Polensky lag 2.000 ccm. Nachdem er in Schotten wieder Am Wochenende darauf beim Rennen in Schotten hieß es wieder einmal: „Schnells- te Runde“ für Helmut Polensky – und dann verweigerte der Motor seine Mitarbeit. Abschied vom „Monopol“ Seine alte Idee einer speziellen Stromli- nienkarosserie für das schnelle Rennen in Hockenheim griff Polensky nun wieder auf und ließ dem Monopol im Frühjahr 1949 ein neues Kleid in „Vollstromlinie“ anpassen. Motorprobleme ließen im Rennen aber nur einen fünften Platz zu. Bei seinem vierten Auftritt in Schotten gelang Ein eleganter Sportwagen, aber im Rennen leider erfolglos: Neumaier BMW „Kurpfalz“. nicht nur wiederum die schnellste Runde, sondern endlich mal der erste Platz in der Rennwagenklasse. Die folgenden Rennen jetzt auf Platz 1 in der Meisterschaftswer- eine Rekordrunde hingelegt hatte, brach brachten wieder nur mäßige Platzierungen, tung und ließ sich bei Neumaier noch ein ihm in voller Fahrt ein Hinterrad. Polensky und es wurde deutlich, dass der Wagen weiteres Chassis bauen, das, mit einer konnte den Wagen zwar auf der Strecke dringend einer Weiterentwicklung bedurfte Stromlinienkarosserie versehen, auf dem abfangen, aber der Sieg war wieder dahin. – doch dazu fehlte einfach das Geld. Da der

Seite 54 BMW Group Mobile Tradition: Rennsport

Motoren-Konstrukteur Richard Küchen jun. aus Ingolstadt gerade nach einem geeig- neten Fahrgestell zur Erprobung seiner neu entwickelten V8-Motoren suchte, fiel es Polensky nicht allzu schwer, sich von dem Monopol zu trennen. Es gab nämlich schon länger ganz neue Pläne. Einen großen Aufschwung hatte es in der notleidenden deutschen Rennszene gegeben, nachdem man mit den Kleinstrennwagen eine preisgünstige Klasse nicht nur für den Nachwuchs ge- Im Monopol beim Rennen „Rund um Schotten“. Polensky Ungewöhnliche Konstruktion: schaffen hatte. Die Motoren bis 750 ccm fuhr zwar die schnellste Runde, musste aber mit Motor- der BMW 328 Motor im Heck von BMW oder Zündapp waren aus Wehr- schaden aufgeben. des Monopol. machtsbeständen reichlich vorhanden, bei den Fahrgestellen konnten sich Bastler fessionell gestylten Karosserien baute Ein kurzes Gastspiel gab Polensky noch im ebenso wie gestandene Ingenieure aus- Hans Klenk, dessen Ruhm im Rennsport gleichen Jahr bei der Targa Florio in Sizilien. toben. Fred Eckhardt, ein Ingenieur aus erst noch kommen sollte. Sogar ein eigener Für dieses Rennen hatte Eckhardt noch Neu-Isenburg, hatte bereits drei solcher Prospekt wurde gedruckt. einen kleinen Sportwagen mit 750er BMW Fahrzeuge ins Rennen geschickt, die unter In der Saison 1950 blies den deut- Motor entworfen. Der „Fidelitas“ getaufte den Namen LTE „Juwel“ und „Brillant“ mit schen Formel-3-Fahrern allerdings starker Wagen brachte aber auch kein Glück und Ferdi Lehder als Fahrer hervorragende Gegenwind entgegen. Die schnellen eng- streikte mit gebrochener Antriebswelle. Erfolge errungen hatten. lischen Cooper mit ihren JAP-Motoren wa- Damit endete auch Polenskys Beziehung ren trotz ihrer einfachen Bauweise den zu BMW Produkten. Nächster Versuch mit der Monopoletta deutschen Konstruktionen meist überle- Von Vespas und Porsches Polensky erwarb die Rechte an dieser gen. Dennoch konnten sich die drei gebau- Konstruktion von Eckhardt in der Absicht, ten Monopolettas im Renngeschehen gut In Zukunft sollte er sich um den Verkauf von eine Serie dieser kleinen Rennwagen mit behaupten und erste Preise beim Freibur- Vespas und vor allem Produkten aus dem 500 ccm BMW Motor für die neue Formel 3 ger Bergrekord und beim Großen Preis auf Hause Porsche kümmern. Die Leiden- aufzulegen. Ein Name war sofort gefunden, dem Nürburgring gewinnen. Einer gestei- schaft für das Schnellfahren ließ ihn aller- denn in Anlehnung an den großen Vor- gerten Motorleistung waren die ver- dings lange nicht los. Durch seine Bezie- gänger sollten die Kleinen nun „Monopo- wendeten Motorradgetriebe aber nicht hungen zu Porsche nahm er auch einige letta“ heißen. Die Basiskonstruktion der in mehr gewachsen, zudem zeigte sich, dass Male an großen Langstreckenprüfungen Polenskys Karlsruher Firma entstehenden aus den Motoren auch nicht viel mehr wie der Rallye Lüttich-Rom-Lüttich teil, die Rennwagen blieb weitgehend unverändert. herauszuholen war. An eine Weiterent- er zweimal gewinnen konnte. Beim 24- Als Motorenspezialisten konnte er Hans wicklung oder gar eine Serienfertigung war Stunden-Rennen in Le Mans sah man ihn Meier aus München gewinnen, Bruder des aus finanziellen Gründen nun nicht mehr zu mehrmals im 550 Spyder. Der Höhepunkt legendären „Schorsch“. Die neuen, pro- denken. war aber im Jahre 1953 erreicht, als er auf Porsche zusammen mit seinem Freund Walter Schlüter den ersten Titel eines Rallye-Europameisters gewinnen konnte. Helmut Polensky feiert am 10. Oktober seinen 90. Geburtstag. Wir gratulieren herzlich.

Extra für das Rennen in Hockenheim wurde der Monopol mit einer Vollstromlinienkarosserie ver- Großer Preis von Deutschland (Nürburgring): sehen. Wegen Motorproblemen reichte es aber nur für Platz 5. Der Ausfall kam in der letzten Runde.

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