Das Schweizer Jazz & Blues Magazin Sept./Okt. N r . 5 / 2018 S Schweiz CHF 11.00 / Deutschland € 5.90 / Österreich € 6.10

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Maria Schneider Meisterin Ihrer Klasse Vincent Peirani Fricktaler Jazz und 1968? Steve Coleman Blues festival Generations JazzFestival Irène Schweizer Pepe Lienhard Shemekia Copeland 40 Jahre WIM 15 Jahre 10 Jahre Weekly jazz Stefan AebY Lebewohlfabrik Roli Mosimann 50 Jahre Globe Unity Martin Schütz Hermann Meier Mehr als 100 CD-Besprechungen

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Maria Schneider Meisterin ihrer Klasse

Die Komponistin, Arrangeurin und Bandleaderin Maria Schneider leitet am kommenden generations International Jazzfestival Frauenfeld eine Masterclass. Mit JAZZ'N'MORE sprach sie darüber, was in ihr vorgeht, wenn sie eine Big Band leitet, wie sie ihre eigene musikalische Vergangenheit betrachtet und wie ihre Zukunft – und diejenige der kreativen Musik insgesamt – aussehen könn- te. Von Christof Thurnherr

Die goldene Ära der che Masterclasses eine sehr wichtige, viel- Als Komponist musst du beispielsweise da- Jazz-Big-Bands ist längst vergangen. Umso leicht die wichtigste Form der Ausbildung für mit umgehen können, dass die Musik, die du grösser ist heute die Leistung, eine so grosse einen Musiker. Ich selbst habe früher an vie- im Kopf hast, nicht gleich klingt wie das, Band während mehr als 20 Jahren zu halten. len solchen Kursen teilgenommen und ohne was die Musiker aus deinen Noten herausle- Doch noch vor dieser organisatorischen Leis- diese Erfahrungen wäre ich heute nicht, wo sen. Es ist für mich enorm wichtig herauszu- tung ist es Maria Schneiders Musik, die be- ich bin. finden, woran das liegt, und das kann ich geistert, die im Jazz als einzigartig bezeichnet Eine Masterclass ist eine konzentrierte Chan- ohne die Meinungen der Musiker nicht errei- werden muss und der es zu verdanken ist, dass ce, mit jemandem konkret zusammenzuar­ chen. Dann kannst du lernen, wie du über das Format der Big Band gegenwärtig da und beiten und dadurch eröffnen sich meistens deine Musik sprechen kannst, sodass deine dort ein wahrhaftes kleines Revival erlebt. neue Perspektiven – für mich jedenfalls waren Ideen verstanden werden, damit die Musiker Verdientermassen wird die Musikerin für ihr das immer sehr starke und prägende Erfah- sie auf eine Art interpretieren, die deinen Vor- Schaffen regelmässig mit Preisen und Ehrun- rungen. Ich erinnere mich speziell an einen stellungen entspricht. gen überhäuft: Durch die Nennung in den dreiwöchigen Workshop, vom Aufbau her nicht Zu diesem Austausch gehört weit mehr als entsprechenden Kategorien der jährlichen Polls, unähnlich dem, was wir im nächsten Monat nur das Beherrschen einer Sprache, z. B. die mit Grammys (von denen Schneider bereits in Frauenfeld machen. Unsere Musik wurde Kenntnis technischer Begriffe; es braucht Ein- fünf im Regal stehen hat) und 2013 sogar mit von einem Orchester gespielt und wir erhiel- fühlungsvermögen, aber auch eine gewisser- einem Ehrendoktor, der ihr von der University ten viel Feedback, einerseits von den "Meistern", massen "charakterliche" Stärke, eine gut ent- of Minnesota verliehen wurde. Ganz aktuell andererseits aber auch von den Musikern wickelte eigene Persönlichkeit. gewann Schneider als eine von nur vier Musi- und schliesslich auch von uns "Schülern" ge- JNM: Dieser Begriff der "eigenen Persön- kerinnen die NEA Jazz Masters Fellowship, genseitig. Gerade bei grossformatiger Musik lichkeit" ist ja wiederum ebenso interessant gewissermassen eine der höchsten Weihen ist es extrem aufwendig und entsprechend wie unklar – und schwer zu fassen. Was be- im Jazz. schwierig, ein Übungsfeld zu finden, in dem deutet das für dich bei deiner Arbeit, kon- Diese Lorbeeren schei- du deine eigene Musik ausprobieren, mit ihr kret als Leaderin einer Big Band? nen die Person Maria Schneider allerdings experimentieren und sie weiterentwickeln MS: Es ist tatsächlich schwierig, das in Worte kaum zu berühren. Noch immer ist diese un- kannst. Ich bin der festen Überzeugung, dass zu fassen; vielleicht hilft ein Beispiel: Wenn du gebändigte Leidenschaft zu spüren, wenn sie du nur durch solche praktische Erfahrungen etwas Neues hörst, dann macht es Angst – über ihre Arbeit, die Musik, die Zusammen­ wirklich weiterkommst. das geht auch mir immer noch so. In mir ist arbeit mit ihr vertrauten oder neuen Musikern JNM: Gerade der Kontakt zwischen dem dann diese Stimme, die sagt: "Oh mein Gott, spricht. "Ich liebe es einfach, über Komposi­ Komponisten und den Musikern ist offen- das klingt ja gar nicht so, wie ich mir das vor- tion zu sprechen." Diesen Enthusiasmus trägt sichtlich sehr kritisch. Denn hier verlässt gestellt hatte." Als Urheber eines Werks ist es die Wahl-New-Yorkerin jedes Jahr auf alle Kon- die kreative Idee den ideellen Bereich des dabei sehr schwierig, sich von diesem nega­ tinente an unzählige Teachings, Workshops Schöpfers und dabei muss sie kommu- tiven, ablehnenden Gefühl zu distanzieren. Es und Weiterbildungsveranstaltungen. Ende Ok- niziert und in die Realität übersetzt wer- ist sehr leicht möglich, dass man in der tober werden sich auch in der Schweiz, im den ... Selbstkritik versinkt. Oder man verfällt in die- Rahmen des 'generations' Frauenfeld 25 hand- MS: ... und das, ohne dass dafür eine klare, sen sogenannten "Panik-Modus" und weist verlesene junge Musikerinnen und Musiker präzise Sprache existiert und man zusätzlich die Musiker ganz einfach an, alles noch ein- anstecken lassen können. meistens einer sehr heterogenen Vielzahl von mal – und diesmal gefälligst "besser!" – zu Individuen gegenübersteht. Inzwischen ver- spielen. Stattdessen ist der einzige Ausweg, Jazz'n'More: Was bedeutet dir dieses En- stehe ich etwas besser, was bei diesem Pro- dass man sich vom eigenen Gefühl separiert. gagement in der Ausbildung junger Musike- zess passiert, und es ist mir gelungen, einige Erst dann ist es möglich, wirklich zu analysie- rinnen und Musiker? der wichtigen Aspekte herauszuschälen, da- ren, sprichwörtlich zu "sezieren", was tatsäch- Maria Schneider: Neben der Universität und mit ich sie für sich gesondert betrachten lich falsch läuft, um sich dann in einem drit- dem Sammeln von Live-Erfahrungen sind sol- kann. ten Schritt Gedanken zu machen, wie man die ­24 JAZZ

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Schwierigkeiten und Missverständnisse an- dass die anderen, die Musiker, mich beurtei- rasch zur Hand hat. Und schliesslich braucht gehen könnte. Das ist eines meiner Ziele, len – dass gewissermassen ich im Auge des es einen kühlen Kopf beim raschen Entscheid, wenn ich einen Workshop betreue: Ich will Tornados stehe. Dabei ist es aber so, dass je- welche Auseinandersetzungen es lohnen, ge- den Teilnehmenden helfen, die hinderlichen der Musiker genauso verletzlich ist wie ich, führt zu werden und welche Schwierigkeiten Emotionen herauszunehmen, damit sie dann dass auch er sich nicht sicher ist, ob er die besser unangetastet bleiben. Jede Gruppe sagen können: "Okay, das ist der Unterschied Sache richtig macht. Alle Beteiligten dieses stösst an ihre Grenzen; in einem eigenen Or- zwischen dem, was ich höre, und dem, was Austauschs, nicht nur ich als Komponistin, chester, das ich auf meine Vorstellungen hin ich hören möchte; und da ich jetzt nur eine haben ein verletzliches Ego. Natürlich ist es besetzen, für das ich die Musik gezielt schrei- halbe Stunde habe, um das alles viel besser dein Ziel, jeden Einzelnen zu seiner Höchst- ben und das ich über lange Zeit begleiten ic as T Foto: Dragan

tönen zu lassen, muss ich mir nur noch über- leistung zu bringen. Aber dabei ist nicht jedes kann, rücken diese Reibungsflächen lediglich legen, wie ich am direktesten und am effizien- Mittel recht. Es gibt dieses Klichee des Band- an andere Orte. testen an dieses Ziel komme und um welche leaders, der in Rage gerät, wenn es nicht nach Aber diese Herausforderung wird auch be- Aspekte ich mich in dieser Zeit nicht küm- seinem Plan läuft. Ich meine, das ist nicht im- lohnt: Das Faszinierendste einer Masterclass mern kann." mer die richtige, konstruktive Art, auf ein Pro- ist es, einen jungen Musiker dabei zu beob- JNM: Gilt dies für jede Art der Kompositi- blem zu reagieren. achten, wie seine Persönlichkeit durch die onsarbeit oder ist der Jazz hier speziell? JNM: So bleibt wohl jede Masterclass – bei Arbeit an seiner eigenen Musik hervortritt. MS: Diese Brücke zwischen dem Geschriebe- der in erster Linie die Studierenden an ihr Denn das ist es letztlich, was wir wollen: Wir nen und dem Musiker ist sicher abhängig von Limit kommen – auch für dich eine grosse möchten, dass durch die Musik – die zwar wir der Freiheit, die dem Musiker trotz der Vor­ Herausforderung? komponiert haben, die aber von anderen ge- gaben des Komponisten bleiben. Beim Jazz – MS: Natürlich, vor allem wenn ich – wie hier in spielt wird – doch letztlich unsere eigene als Musik, die immer mehr oder weniger im- Frauenfeld – die Musiker, mit wenigen Aus- Persönlichkeit erklingt. provisiert ist – bleibt immer eine Lücke, ein nahmen, nicht kenne. In einem solchen Set- JNM: Wechseln wir das Thema und kom- Freiraum des interpretierenden Musikers; ihm ting, in dem man trotz allem für einen so kom- men auf deine eigene Arbeit als Komponis- wird nicht vorgeschrieben, wie er diesen Raum plexen Prozess sehr wenig Zeit hat, braucht tin zu sprechen. Du blickst mit deinem zu füllen hat. Und trotzdem geht es auch hier es ein sensibles Ohr, eine Stimmung rasch Orchester auf ein Vierteljahrhundert und darum, ihn dazu zu bringen, das zu tun, was aufzufassen, sie aus allen zur Verfügung ste- acht vielbeachtete Veröffentlichungen zurück. man will – ohne dass er sich dabei unwohl henden Dingen – die Persönlichkeiten der fühlt, denn es ist ja im Rahmen der ihm zuge- einzelnen Musiker, das Zusammenspiel der standenen Freiheit ebenso sein künstlerischer Gruppe, die Interpretation der eigenen Musik Ausdruck, um den es hier geht. Dieser Aus- – rasch aufzufassen. Als Zweites braucht es tausch erfordert oft sehr viel Zeit. ein breites Repertoire an Reaktionsmöglich- Und dazu kommt ein Aspekt, den ich selbst keiten. Es hilft, wenn man ähnliche Situatio- erst sehr spät verstanden habe: In diesem Di- nen schon einmal erfolgreich gemeistert hat alog mit der Gruppe ging ich lange davon aus, und die dortigen oder ähnliche Werkzeuge ­25 JAZZ

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Dabei bist du keineswegs stehen geblieben, "Days of Wine And Roses" waren ziemlich ge- benennen kann – zu vertrauen. Es ist nicht man könnte aus deinen Platten vielleicht radlinige Jazz-Alben. Die Musik, die ich da- leicht, daran zu glauben, dass der kreative sogar eine ziemlich starke stilistische Ent- mals machte, war hart und aggressiv und da- Prozess tatsächlich einsetzt, nur indem ich wicklung ablesen. Siehst du das auch so? mit entsprach sie den Erwartungen, die man lange genug vor einem weissen Blatt Papier MS: Der Umgang mit der eigenen künstleri- an Jazz normalerweise hat. In Brasilien da­ sitze und dass dabei etwas entsteht, mit dem schen Vergangenheit ist einer der Bereiche, in gegen traf ich auf all diese Musik, die so viel ich mich identifizieren kann. denen ein Künstler wohl nie ausgelernt hat. Im Freude und Schönheit und Leichtigkeit in sich JNM: Zeichnet sich bereits ab, in welche Nachhinein sieht man zwar oft klarer, wo eine hatte. Sie zeigte mir diese andere Seite, eine Richtung die Entwicklung weitergehen Zäsur stattgefunden hat. Aber nur selten ge- neue Seite, die auch meine Musik haben könnte? lingt es auch herauszufinden, aus welchen könnte. MS: Ja, ein neuer "shift" ist für mich bereits Gründen. Ich bekam dadurch den Mut, Schönheit als ziemlich deutlich spürbar. Meine aktuellsten Aus heutiger Sicht würde ich schon auch sa- Wert anzuerkennen. Ich schämte mich nicht Kompositionen, an denen ich gegenwärtig ar- gen, dass sich meine Musik seit meiner ers- mehr für die Freude in meiner Musik. So ent- beite, werden wohl wieder näher bei meinen ten Veröffentlichung stark verändert hat. Ein standen die Aufnahmen zu "Allégresse", "Sky Anfängen sein. Kurz vor seinem Tod arbeitete erster grosser "shift" trat auf, als ich das erste Blue" und auch zu "". ich mit David Bowie (für dessen Track "Sue Mal in Brasilien war. Diese Reise hat mich und Darum klingt diese Musik anders: es ist der [Or in a Season of Crime]" Maria Schneider als meine Musik tiefgehend geprägt. Meine ers- brasilianische Einfluss, den ich in meine Mu- Co-Autorin und Arrangeurin wirkte). David ten beiden Studio-Alben "Evanescence" und sik einfliessen liess. war sehr angezogen von der Kraft meiner frü- "Coming About" und auch das Live-Album Wiederum anders klingt die CD "Winter Mor- heren Musik und das brachte mich wieder ning Walks", das Projekt mit Dawn Upshaw. zurück in jenen "headspace". Hier hatte es mir Hier waren es ganz andere Faktoren, die zu immer gut gefallen, es war ja auch dieser ro- einem erneuten "shift" in meinem Ausdruck he und überwältigende Jazz, der mich über- führten. Für diese Zusammenarbeit wurde ich haupt dazu gebracht hatte, eine Karriere als von Dawn angefragt und das Schreiben für Musikerin einzuschlagen. So schreibe ich ak- Stimme, das Schreiben zu Worten brachte tuell wieder Musik, die intensiv und agressiv meine Musik wieder an einen anderen, mir ist. Ich könnte mir vorstellen, dass meine vorher unbekannten Ort. Hier bin ich mir al- nächste Platte – die möglicherweise 2019 lerdings noch nicht sicher, was diese weitere aufgenommen werden wird – wieder in diese Entwicklung für mich persönlich bedeutet Richtung geht. und wie genau sie meine Musik beeinflusste. JNM: Tatsächlich klingen die Kompositio- Und es ist dieses "mög- nen deiner "ersten Phase" dramatischer, licherweise", das Maria Schneider auf ihr vielleicht auch rauher, wohingegen die Stü- nächstes, aktuell viel Zeit beanspruchendes cke deiner "zweiten Phase" sich sanfter und Thema, zu sprechen bringt. Letztes Jahr be- lyrischer entwickeln und deine Musik mit gann sich Schneider vermehrt musikpolitisch Dawn Upshaw fast schon eine klassische zu engagieren, weil gerade für Musikerinnen ­Dimension hat. Gibt es dabei etwas Verbin- wie sie infolge der beunruhigenden Entwick- dendes der Musik dieser drei Phasen? Wie lungen des Internets die Möglichkeiten der klingt Maria Schneider? eigenen künstlerischen Entfaltung zusehends MS: Was meine Musik ausmacht, ist mir eingeschränkt würden. So begann sie gegen selbst überhaupt nicht klar, auf jeden Fall "Big Data" – Google, Facebook, Amazon und nicht explizit. Es ist schon so, dass ich etwas Co. – anzuschreiben, für einmal nicht mit No- erst dann loslasse, wenn ich davon überzeugt ten, sondern mit fundierten, stichhaltigen und Diskographie bin, dass es fertig ist, dass aus einer Kompo­ überzeugenden Argumenten. Wer aktuell die Maria Schneider Jazz Orchestra: sition meine Persönlichkeit so heraustritt, wie Begriffe "Maria Schneider Big Data" suchen ➤ evanescence (Enja, 1994) ich das will. Aber was meine eigene "Stimme" lässt, stösst auf mehrere lesenswerte offene ➤ coming About (Enja, 1996) ➤ Days of Wine And Roses – Live At the Jazz ist, worin diese meine eigene Persönlichkeit Briefe und diverse Videos und Konferenz­ Standard (Artistshare, 2000) besteht, wie sie klingt, woran man sie erken- beiträge, in denen Schneider im Namen der ➤ allégresse (Enja, 2000) nen könnte, das kann ich nicht sagen. künstlerischen Freiheit auf die Gefahren der ➤ concert In the Garden (Artistshare, 2004) ➤ sky Blue (Artistshare, 2007) Das Schwierigste der Aufgabe eines Kompo- Datenverarbeitung durch grosse, den Daten- ➤ (Artistshare, 2013) nisten ist es, gerade diesem Unbekannten – verkehr dominierende und doch selbst kaum ➤ (Artistshare, 2015) das man in sich spürt, aber gleichzeitig nicht kontrollierte Korporationen aufmerksam macht. Es bleibt zu hoffen, dass Schneiders weitere Pläne, trotz der immer deutlicher in Erschei- www.vovox.com nung tretenden negativen Entwicklungen des Internets – und trotz ihres wichtigen Engage- ments dagegen – weiterhin realisiert werden „VOVOX sonorus is the best cord I‘ve können. Und dass sie so klingen werden, wie played, by a substantial margin; no other sich das Maria Schneider vorgestellt hat. ■ cord conveys the sound of my instrument

with the fidelity of sonorus...” generations-Masterclass: Am diesjährigen generations international jazz- festival in Frauenfeld leitet Maria Schneider eine Steve Swallow Masterclass in Komposition. 25 Teilnehmende, die sich in diesen Frühling dem öffentlich ausge- schriebenen Auswahlverfahren unterzogen hatten, besuchen den sechstägigen Kurs und führen am beschliessenden Festival-Samstag im Rahmen des neuen „generations performance program“ zwei Big-Band-Konzerte unter Schneiders Leitung auf.

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29. September – 06. Oktober 2018 Programmdetails unter generations.ch

JNM_05_18_24-27_Schneider.indd 27 28.08.18 11:05 generations – Das Frauenfelder 'generations', das vom 29.9. bis 6.10. zum elften Mal stattfindet, bleibt sich treu – und bricht zu neuen Ufern auf. Dominik Deuber, der neue künstlerische Leiter, wagt ein offeneres Programm, zwei Late-Night-Shows und mit Maria Schneider ein doppeltes Novum. Von Steff Rohrbach

Montreux bietet mehr Pop als Jazz, gorz Wlodarczyk, Peter Primus Frosch, Yumi Willisau, risikofreudig wie eh, stets viel Neues Ito oder Paco Andreo umfasst. 2006 erfuhren und Schaffhausen das unverzichtbare Schwei- die Masterclasses eine Aufwertung: Die Teil- zer Fenster, Basel setzt am liebsten auf gros- nahme ist seither kostenlos, jedoch auf 25 se, wiederkehrende Namen und Zürich auf unter 26-Jährige limitiert, die sich anhand die Vielfalt gleich dreier Festivals. In der Land- von Tonbeispielen qualifizieren müssen. schaft der Schweizer Jazzfeste ragen zwei Schon zuvor wurde das anfänglich Orte heraus, die weit mehr sind als die Abfol- ganz auf Straight-ahead-Jazz ausgerichtete ge von Konzerten: Sowohl Langnau als auch Programm leicht geöffnet. Nun waren auch Frauenfeld widmen sich zentral dem Nach- Musikerinnen und Musiker wie Irène Schwei- wuchs und füllen mit Masterclasses ausser- zer, Hilaria Kramer, Lauren Newton, Pierre halb der staatlichen Jazzausbildung eine Lü- Favre, Vera Kappeler, Gabriela Friedli und cke zwischen der jungen Jazzgeneration und ­Samuel Blaser zu hören. Das Galakonzert im der Elite. Stadtcasino brachte 2002 die Festival-Big- Die Langnau Jazz Nights starte- Band mit dem Vienna Art Orchestra zusam- ten bereits 1991. Ihr künstlerischer Leiter, der men, das, längst aufgelöst, 2012 zu einer ein- Bassist Walter Schmocker, war dann zusam- maligen Reunion in Originalbesetzung kam. men mit George Gruntz, Peter Rüedi, Joe Vie- Andere Galas waren Joe Haider, dem Swiss ra (Burghausen) und Marco Läuchli (Kultur- Jazz Orchestra mit Jim McNeely und seinem stiftung des Kantons Thurgau) auch Geburts- Klee-Programm oder dem Don Ellis Tribute helfer in Frauenfeld. Dort hatten sich Ende der Orchestra gewidmet, oft präsentierte sich Neunzigerjahre zwei Persönlichkeiten aufge- auch eine international beachtliche Festival- macht, ein Festival zu entwickeln, das in ers- Big-Band. ter Linie ein Fest für Musiker werden sollte: Zehn Ausgaben mit vielen Höhe- Das Frauenfelder, erst nach München "aus­ punkten stand Roman Schwaller als künstle- gewanderte", jetzt in Wien lebende europäi- rischer Leiter vor. Das Festival erfreut sich ei- sche Saxophon-Phänomen Roman Schwaller nes Publikumszuspruchs, von dem andere

als künstlerischer Leiter und der enorm kultur- träumen. Daran hat sich auch nichts geän- indmüller affine, jazzbegeisterte, beidfüssig im Leben dert, nachdem sich das OK fast ganz erneuert W stehende Anwalt und Menschenfreund Ro- hat. Fast: Robert Fürer und Brigitte Conrad, bert Fürer mit seinem immensen Netzwerk als die das Festivalbüro souverän und umsichtig der ideale Präsident. leitet, beides Glücksfälle, sind weiterhin da- Foto: Peewee Foto: bei. Masterclasses im Zentrum Dominik Deuber, Erstmals 1998 und seither alle zwei Luzerner Wechselwirkungen ... Jahre steht das 'generations' auf den drei fi- xen Pfeilern Masterclasses, überraschende Nun hat sich, wie JAZZ'N'MORE Club-Szene und konzertanter Jazz. Frauenfeld berichtete, auf der zentralsten Position ein als florierendes "Little Jazz Village"? Was in Wechsel vollzogen: Das 11. 'generations' wird einer weltläufigeren Stadt, wo Events Events künstlerisch erstmals von Dominik Deuber jagen, kaum funktionierte: Hier gelingt's. geleitet, "aber weiterhin", wie Robert Fürer Rund um ein kleines Organisationskomitee betont, "auf den drei bewährten Pfeilern ste- werden Beizen zu Clubs und eine ansehnli- hen. Das war die Vorgabe." che Schar von Helferinnen und Helfern sorgt Dominik Deuber ist in Frauenfeld eine Woche lang für reibungslose Konzertab- aufgewachsen und war bereits seit 2002 läufe – länger, als andernorts die Fasnacht Schwallers Assistent. Er studierte an der Hoch- tobt. Seit Beginn werden namhafte Musiker schule der Künste in Bern Schlagzeug und aus aller Welt für eine Woche als Teacher schloss mit dem Performance- und Lehrdip- ­engagiert, die abends auch in Konzerten zu lom ab. Selbst spielte er zwar in Jazz- und erleben sind: von Joe Lovano, George Gruntz, Popbands, begann aber schon während sei- Cedar Walton, George Mraz, Brad Leali bis nes ergänzenden Berner Masterstudiums in zu Louis Hayes, Peter Bernstein, Mark Turner, Music Management für die von Pierre Boulez Alex Sipiagin, Lewis Nash, Kenny Werner, gegründete LUCERNE FESTIVAL ACADEMY Thomas Stabenow, Adrian Mears oder Sea- zu arbeiten, die, wenn auch in weit grösse- mus Blake. rem Rahmen, ähnlich wie 'generations' funk­ Eindrücklich auch die Teilnehmer- tioniert. 2011 übernahm Dominik Deuber den liste, die Namen wie Tobias Preisig, Tomas Job als Managing Director, eine enge Zusam- Sauter, Fabian Gisler, Dominic Egli, Samuel menarbeit mit Boulez war so unerlässlich wie Blaser, Stefan Rusconi, Matthias und Andreas seit 2016 mit dessen Nachfolger Wolfgang Tschopp, Mario Rom, Samuel Leipold, Grze- Rihm. Weitere illustre Namen wie Simon Ratt-

JNM_05_18_48-49_generations.indd 48 28.08.18 11:15 Festival – the musician's festival le, Anne-Sophie Mutter, Heinz Holliger oder laden wurden, je ein Stück zu komponieren, Deshalb war es mir wichtig, auch die Work- Peter Eötvös kamen dazu – den Jazz verlor welches besprochen werden kann. Gut mög- shops ein bisschen zu öffnen", erklärt der Dominik Deuber trotzdem nie aus den Augen. lich aber auch, dass spezifische Themen der künstlerische Leiter. Andersherum bringt er von seiner neuen Tä- Eingeladenen genauso im Mittelpunkt stehen Um Maria Schneider herum hat sich tigkeit aber auch andere Perspektiven, Erfah- werden, es geht in erster Linie darum, die teilweise auch das übrige Programm erge- rungen und Ideen mit, die das 'generations' Jüngeren an der reichen Erfahrung der re- ben, auf das ihre Handschrift zumindest ab- befruchten – eine Frischzellenzufuhr, die auch nommierten New Yorkerin teilhaben zu las- gefärbt hat. So waren etwa Gary Versace oder aus kritischer Distanz Sinn macht. "Die Neue sen. Sie werden zudem erleben, wie Maria Donny McCaslin ihre Vorschläge oder auch Musik hat meine Ohren und mein Bewusst- Schneider die mitgebrachten Kompositionen die Belgierin Nathalie Loriers, die mit ihrem sein verändert, auch bezüglich des Verhält- mit der 'generations'-Big-Band einstudiert und Trio spielen wird. Sie ist Pianistin im Brüsse- nisses, das Musik zu Kunst, Literatur und Ge- im Konzert erklingen lässt. Mit derselben ler Jazz Orchestra, mit dem Maria Schneider sellschaftlichem haben kann", wie er bemerkt. Band wird sie sowohl eigene Musik als auch im Anschluss an Frauenfeld arbeiten wird. Im Trio wird auch der Drummer Ari Hoenig zu geniessen sein: "Bei seinem Spiel kommen mir Tränen", erzählt Deuber, "er hat so viel Energie und ist dabei wie ein Kind, sein En­ gagement war mein persönlicher Wunsch." So verbreitert sich zwar der inhaltli- che Horizont des Festivals, verliert aber durch die Stringenz, die sich durchs Programm zieht, keineswegs an Profil. Der grössere Blick- winkel manifestiert sich bereits beim Eröff- nungskonzert des Kaleidoscop String Quar- tetts: Simon Heggendorn, der eine Violinist, ist ein ehemaliger Masterclass-Teilnehmer und wusste vom neuen Album mit neuen Kom­ positionen – u. a. von Mathias Rüegg. Das Frauenfelder Konzert bringt die Uraufführung. Neu im Programm stehen auch zwei Late- Night-Konzerte: Adrian Mears mit seinem ­heissen Electric Trio und Eliyah Reichens ­Aphrotek, von dem – mit den Gastmusikern Donny McCaslin und Jason Lindner – eben- falls eine neue CD erscheint. Beide stossen nach dem Galakonzert zur Band, "dann wird es zum Abschluss endgültig explodieren", ist Robert Fürer überzeugt. Joe Haider, der bei der Erstausgabe Foto: Peewee W indmüller Foto: und seither mehrmals dabei war und 2016 Die Arbeit mit Boulez und Rihm habe bei ihm ein Stück von Adrian Mears mit Didgeridoo unfallbedingt nicht spielen konnte, wird im eindeutig etwas ausgelöst, "wobei ich mit zur Aufführung bringen. Eisenwerk wie Marie Krüttli und Michael Ar- meinem Jazzhintergrund wohl auch ganz an- Mit Maria Schneiders 'generations'- benz erst solo und danach im Trio zu hören ders auf beide zugegangen bin. Musiker aus Teilnahme mögen sich die 160 Bewerbungen sein: eine Pianistin, zwei Pianisten, drei Gene- dem klassischen Bereich erstarren jeweils für die Masterclasses teils erklären, die aus rationen. fast in Ehrfurcht vor solchen Koryphäen. Da aller Welt eingegangen sind. Doch Dominik Der polnische Saxophonist Adam bin ich aus dem Jazz im Vorteil und bringe Deuber hat auch selbst weltweit Kontakte ge- Pieronczyk tritt zusammen mit Miroslav Vi- mich auch anders ein." knüpft und über viele Kanäle geworben. Die touš, u. a. Urbassist von Weather Report, erst Selektion hat er dann mit Adrian Mears vor­ im Duo und dann im Trio mit dem indischen ... und Neuland genommen, dem Festival-Habitué, dessen Er- Perkussionisten Trilok Gurtu auf, der mit Grös- mit Maria Schneider fahrungsschatz zentral ist und der auch sen weit über den Jazz hinaus gearbeitet hat. die 'generations unit' betreut, deren Mitglie- Zudem ist Pieronczyk mit Adrian Mears, Bänz Frauenfeld kann von Deubers Lu- der aus dem Masterclass-Kreis erkoren wer- Oester und Kevin Chesham und auch mit sei- zerner Erfahrungen profitieren. So wird es, den und die im Folgejahr mit einer Tournee nem Spoken-Word-Projekt "Migratory Poets doppeltes Novum, eine Masterclass für junge belohnt wird. with Anthony Joseph" zu hören. Dass auch Jazz-Komponistinnen und -Komponisten ge- die Masterclass-Teacher in mehreren Konstel- ben – nicht mit irgendwem, sondern mit der Adrian Mears, die Master, lationen auftreten, versteht sich. Am ersten nach Carla Bley wohl bedeutendsten Band- stringentes Programm Wochenende wird zudem ein Lindy-Hop- leaderin und Komponistin für grosse Forma- Workshop für alle Interessierten angebo- te, die 1992 als 32-Jährige ihr eigenes Jazz Adrian Mears gehört mit Donny ten, verbunden mit einer sonntäglichen Tea- Orchestra gründete: Maria Schneider ist am McCaslin, Jason Lindner, Jonathan Maron Time-Party. Nicht genug. An sechs Abenden 'generations' zugleich die erste Lady als und Nate Wood zum Teacher-Kreis der Mas- treffen sich eine Stunde vor Mitternacht Tea- Teacher. Deuber lernte sie vor zwei Jahren in terclasses, Musiker, die Standards spielen cher und übrige Musiker mit den Jungen zur Luzern kennen. Sie wird mit Cinzia Catania, können, aber auch anderes wie Big-Band- Jam-Session: Alles in allem wahrlich ein Fest Luzia von Wyl, Sarah Chaksad, Basile Rosse- oder Produktionserfahrung mitbringen. "Ge- für Musikerinnen und Musiker – und nicht let und Bardia Charaf arbeiten, die bereits mit rade auch Letzteres ist heute ein zentraler minder für das Publikum. ■ spannenden Eigenkompositionen hervorge- Faktor, wo jede und jeder auch selbst mit dem www.generations.ch treten sind und mit der Aufforderung einge­ Computer bastelt und Musik aufnehmen kann. ­49 JAZZ

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