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journal umweltRheinland Pfalz

Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Herausgegeben vom Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Rheinland-Pfalz

Heft 59 Juli 2016 impressum umweltinhalt umweltjournal editorial 3 Rheinland-Pfalz Nr. 59 (März 2016) Titel-Thema „Nationalpark Hunsrück-Hochwald“ Das umweltjournal ist kostenlos. Der Nationalpark

Herausgeber: –– Segregation Integration? 4 Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten –– Welchen Anforderungen muss der Nationalpark genügen? 8 Kaiser-Friedrich-Straße 1 55116 Mainz –– Die Nationalparkidee 10 Tel. 06131 – 16 4433 –– Flora und Fauna im Nationalpark 14 Fax. 06131 – 164629 Redaktion: Ein Nationalpark für die Menschen Landeszentrale für Umweltaufklärung Rheinland-Pfalz –– Zugänge zum Nationalpark 18 Gestaltung: –– Kinder- und Jugendprojekt des NABU Rheinland-Pfalz 22 media machine GmbH, Mainz –– BNE Angebote für Schulen und Kitas 24 Druck: Druckerei Schwalm, Mainz Entwicklung der Natur Titelbild: Konrad Funk –– Prozessschutz und Zonierung 26

Fotos: –– Klimawandel und Baumarteneignung 28 Konrad Funk Sofern nicht besonders erwähnt, –– Die Flechten der Rosselhalden 38 wurden die Fotos von den jeweiligen –– Das LIFE-Projekt „Hangmoore im Hochwald“ 41 Autoren zur Verfügung gestellt. –– Abflussmonitoring auf Moorstandorten 44 Die mit Namen der Autoren –– Biodiversität in Buchen-Naturwaldreservaten 48 gezeichneten Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Kulturgeschichte

–– Natürlich, mit Geschichte! 50 –– Die Kulturlandschaft 54 Entstehungsgeschichte, partizipative Ansätze –– Von der Idee zur Realisation 56 –– Politische Gliederung 60 –– Naturpark Saar-Hunsrück mit Nationalpark Hunsrück-Hochwald 62 Einordnungen, Organisation –– Der Nationalpark im Schutzgebietssystem von Rheinland-Pfalz 66 –– Das Nationalparkamt 70 Wirtschaftliche Entwicklung, Regionalentwicklung –– Holz aus dem Nationalpark – ein Widerspruch? 72 –– Der Nationalpark, Paradies für Tiere, Managementaufgabe oder doch „nur“ Jagd? 76 –– Regionalentwicklung und Nationalpark 80 –– Buchtipps 82

LZU-Journal 33

2 umweltjournal 59/2016 umwelt editorial

Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald ist der jüngste in der Reihe der 16 deut- schen Nationalparke. Und er hat viel Neues zu bieten. Ganz im Westen der Republik ist hier ein grenzüberschreitendes Schutzgebiet entstanden, das nicht nur einer der 30 deutschen „Hotspots der Biodiversität“ ist.

Vor nahezu einem Vierteljahrhundert hat die Weltgemeinschaft Verein- barung zum Erhalt der Biologischen Vielfalt getroffen. Der sogenannte Rio- Prozess verpflichtet die Mitgliedsstaaten, eigene Programme und Initiativen zu entwickeln. Deutschland hat dazu mit der Nationalen Strategie zur biologi- schen Vielfalt im Jahr 2007 einen wichtigen Schritt unternommen. Unter an- derem ist dort festgehalten, dass im Staatswald zehn Prozent der Fläche einer eigendynamischen Wildnisentwicklung vorbehalten sein sollen. Damit erfüllt die öffentliche Hand die Verpflichtung, mit ihrem Eigentum dem Gemeinwohl zu dienen.

Rheinland-Pfalz steht zu dieser Verantwortung. Der naturnah bewirtschaftete Wirtschaftswald, in den bereits heute Elemente wie Biotopbaumgruppen eingebunden sind, wird ergänzt um ein Netz von Wildnisgebieten. Der neue Nationalpark trägt maßgeblich dazu bei, das Zehn-Prozent-Ziel zu erreichen. Dort gilt künftig auf der überwiegenden Fläche das Motto: „Natur Natur sein lassen.“

Der Gründung des Nationalparks ist ein intensiver und ergebnisoffener Beteiligungsprozess vorausgegangen. Er hat Vor- bildfunktion. Dies gilt auch für seine umfassende und fachübergreifende Ausrichtung. Die Herausforderung, bestehende Organisations- und Territorialgrenzen zu überwinden, ist groß. Im Hochwald wächst nun eine zusammen.

Der Nationalpark ist ein großes, auf Dauer angelegtes Freilandlabor für naturdynamische Prozesse. Forscher von inzwi- schen 20 wissenschaftlichen Einrichtungen beobachten, wie sich die Natur ohne unmittelbaren Eingriff des Menschen selbst organisiert, auch vor dem Hintergrund des Klimawandels.

Nahezu unbekannt sind die vielen Naturschätze des Nationalparks: Die Felsen und Blockschutthalden sowie die Hang- moore sind einzigartig. Auf der einen Seite entdeckt man Biotope, die tausende Jahre alt sind. Auf der anderen Seite be- ginnt pflanzliches Leben, wenn sich Flechten auf Quarzitfelsen etablieren. Deutlich wird auch die Notwendigkeit, Flächen wieder zu entwickeln, wenn sie in einem schlechten Erhaltungszustand sind. Zum Beispiel ist der Schutz der Moore ein wichtiger Beitrag zum Hochwasserschutz in den Flusstälern sowie zum Klimaschutz. Die Einbettung des Nationalparks in den Naturpark Saar-Hunsrück ist eine große Chance, die Aspekte der Wildnis und der naturnah bewirtschafteten Kultur- landschaft miteinander zu verbinden.

Auch Umweltbildung und Naturerlebnis gehören zu den Aufgaben des Nationalparks. Insbesondere junge Menschen lernen vor Ort das Zusammenspiel von Mensch und Natur kennen. Damit entsteht Wertschätzung für die Natur und der Wunsch, sie zu schützen. Zudem setzt der Nationalpark wichtige Impulse für den Tourismus in der ländlichen Hochwald- region. Er ist attraktiv für Erholungssuchende und Gäste, die neben der einzigarten Natur auch Spuren von Kelten und Römern entdecken können.

Die Inhalte dieses Heftes sollen einen Überblick über das Nationalparkgebiet und seine Besonderheiten geben. Men- schen aus der Region sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schildern, welche Projekte bereits angelaufen sind und welcher Prozess vor uns liegt. Die Ausführungen sollen Lust machen auf mehr. Sie sollen ermuntern, den Nationalpark Hunsrück-Hochwald zu besuchen und zu erkunden. Das Team vor Ort freut sich auf Sie.

Ihre

Ulrike Höfken Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten

3 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald: Segregation oder Integration?

Auf der einen Seite Vollschutz, Reservat, Nationalpark, Natur – auf der anderen Kahlschlag, „Fracking“, völli- ge Zerstörung und Verseuchung. Das ist ein Bild vieler Europäer beim Blick über den Atlantik: Segregation. In Mitteleuropa dagegen kleinräumige Bewirtschaf- tung, Nachhaltigkeit, im Wald sogar Naturschutz, Bo- denschutz, Quellschutz, Artenschutz, Klimaschutz, Kultur, Erholung und Holzproduktion auf derselben Fläche: Integration.

Mit dem Nationalpark Hunsrück-Hoch- Die Bewirtschaftung der Wälder, na- wald verfügt Rheinland-Pfalz und grenz- mentlich der Wälder im Eigentum der überschreitend gleichzeitig auch das öffentlichen Hände, erfolgt seit vielen Saarland über einen Landschaftsbe- Jahrzehnten unter Berücksichtigung reich, in dem der Mensch seinen Ein- und Entfaltung ihrer Multifunktionalität. fluss auf ein Mindestmaß zurücknimmt. In diesem Zusammenhang wurde die Wälder, Moore und Blockschutthal- Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion den bestimmen in der Mittelgebirgs- der Wälder unterstrichen. Nutz- und landschaft dieses Nationalparks die Erholungsfunktionen bezogen sich aus- Naturausstattung, die künftig dem mög- schließlich auf den Menschen. lichst ungestörten Ablauf der natürli- chen Dynamik vorbehalten bleiben soll. Viele Schutzfunktionen bezogen sich ebenfalls auf Interessenlagen des Men- Mit den schon zuvor ausgewiesenen Na- schen, beispielsweise zu Abwendung tionalparken im Norden und Keller- oder Minderung von Lärm-, Immissions- wald-Edersee im Osten verfügt der auf oder Erosionswirkungen. Naturschutz- Deutschland entfallende Teil des Rhei- funktionen berücksichtigten allerdings nischen Schiefergebirges nunmehr über auch Schutzaspekte für andere Arten eine bemerkenswerte Ausstattung an und ganze Lebensgemeinschaften. Flächen, in denen die freie Entwicklung der Natur großräumig wirksam wird. In den 1980er Jahren traten in der Be- wirtschaftung der Wälder Herangehens- Nationalpark Hunsrück-Hochwald: weisen in den Vordergrund, die deren Raum für Natur im Rheinischen Eigenschaften als mehr oder weniger Schiefergebirge oder ein Schritt zur intakter Ökosysteme in den Blick nah- Segregation? Beziehungsweise In- men. Gerade in Deutschland setzte tegration als moderne Herausforde- sich in der Folge das Bestreben, in der rung am Beispiel der Waldwirtschaft Waldwirtschaft von Grundsätzen der und am rheinland-pfälzisch-saar- Naturnähe auszugehen, weithin durch: ländischen Nationalpark Naturnahe Waldbewirtschaftung als In- tegration Zielsetzungen. Die möglichst weitgehende Integration aller bekannten und mutmaßlichen Ele- Integration wird, über den Wald und mente von Bedarfen oder Bedürfnissen seine Bewirtschaftung hinaus, heute ist heute eine besondere Herausforde- häufig als grundlegende Anforderung rung. In besonderer Weise aber richtet an nachhaltiges Vorgehen adressiert. sie sich an Wirtschaftende, die in und So wird beispielsweise im Umweltgut- mit Ökosystemen mit dem Anspruch achten 2016 des Sachverständigenra- tätig sind, die natürlichen Lebensgrund- tes für Umweltfragen, das unter ande- lagen ungeschmälert zu wahren. Bei rem das Schwerpunktthema Wildnis aller Überprägung durch den Menschen zum Gegenstand hat, schon einleitend bieten in Mitteleuropa Wälder auf gro- gefordert, dass Umweltpolitik integrativ ßer Fläche Lebensräume, die natürli- werden muss1. chen Ökosystemen vergleichsweise am nächsten stehen. Foto: Konrad Funk

4 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald Segregation oder Integration? >

Gerade im Zusammenhang mit der lagen hinausreichende Ausbildung des Umwelt und Verbrauch sind moder- Schaffung von Nationalparken wird Rechtes auf Verfügungsgewalt, ja sogar ne Leitbegriffe der Segregation aber kritisch diskutiert, ob diesen eine auf Eigentum des Menschen letztlich an flächige Segregation auf Landschaftse- allem, was auf dem festen Land nicht Schon die Begrifflichkeiten zeigen aber bene zugrunde liegt. selbst Mensch ist, entspricht dieser Po- deutlich, dass mit diesen Entwicklun- sitionierung des Menschen zu seiner gen bis heute keine grundsätzliche Der Geschichte des Menschen grün- Mitwelt, bis hin zu deren Verbrauch. Auseinandersetzung mit der Repo- det auf eine lange Zeit seiner Inte- sitionierung des Menschen in Bezug gration. Mit Beginn der Industrialisierung und auf seine Mitwelt zur Debatte steht. dem zunehmenden Einsatz nichtkör- Die prägende menschliche Sichtweise In ihrer gut 2 Millionen Jahre umfassen- perlicher Energien hat sich die Wirkung geht weiterhin von Um-Welt aus. Sie den Geschichte war die Lebensweise dieser Einstellung des Menschen in bewertet generell nach dem Nutzen für der Menschen durch ihre weitgehende Raum und Zeit extrem verstärkt. Bis- den Menschen, der sich, ohne dass Integration in die unterschiedlichsten lang deutet wenig darauf hin, dass die dies negativ belegt wäre, durchaus als Ökosysteme dieser Erde geprägt, in rasch voranschreitende Informatisie- Ver-Braucher versteht und bezeichnet. denen sie ihr Auskommen fanden. Es rung und Virtualisierung des Handelns Auch wenn die Erscheinungsformen ist davon auszugehen, dass die Men- einer Entwicklung hin zu einer stärke- der Minderung unerwünschter Nebe- schen ihren Lebensbedarf weitgehend ren Wahrnehmung der Einpassung des neffekte zum Beispiel in Gestalt von im Abgleich mit den natürlichen Le- Menschen in Lebensnetze leitet. Er städtischen Parkanlagen, von straßen- bensbedingungen deckten, ohne diese scheint sich Desintegration und Natu- begleitendem Großgrün oder von nut- wesentlich oder gar zielgerichtet zu ver- rentfremdung zu verstärken. zungsfreien Ackerrandstreifen dies mil- ändern. Einzig von der Beherrschung dern sollen. des Feuers gingen Wirkungen der Men- Die Segregation des Menschen be- schen aus, die über den Einsatz ihrer stimmt den heutigen Begriff einer Segregation hat sich als Begleiterschei- körperlichen Energie unter dem zuneh- bestimmten Kultur nung von Spezialisierung, Funktionali- menden Einsatz immer besserer Werk- sierung und Industrialisierung im Um- zeuge hinausreichten. Die Entkoppelung des Menschen von gang des Menschen mit Umwelt und den Lebensbedingungen und den Mit- natürlichen Lebensgrundlagen verselb- Diese Lebensweise des Menschen lebewesen dieser Erde wird als Kultur- ständigt und gilt als erfolgsstützende, kann mit der Bezeichnung „starke In- leistung häufig günstig beurteilt. Be- jedenfalls unabdingbare Voraussetzung tegration“ charakterisiert werden. Die gleiterscheinungen, die sich unmittelbar für die Aufrechterhaltung und Mehrung Menschen haben diese starke Integra- auf den Menschen selbst beziehen, wie der gängigen Auffassung von Wohl- tion inzwischen nahezu vollständig auf- Bevölkerungswachstum, macht- und stand für den Menschen. Annahmen gegeben. Es ist nicht auszuschließen, wettbewerbsgeprägte Regelungsweisen, der Unabdingbarkeit verkennen freilich, dass die integrierte Lebensweise in Verstädterung, Funktionalisierung und dass Nutzenerwartungen der Gegen- sehr kurzer Zeit mit den letzten Vertre- Spezialisierung des Wirkens, zunehmen- wart in der Zukunft völlig bedeutungs- tern ethnischer Restgruppen vollständig der Einsatz von Zeit und Energie in einer los werden können. verschwinden wird, die vornehmlich in Kombination aus anspruchsvoller Sess- tropischen Lebensräumen bis in diese haftigkeit und außerordentlicher Orts- Ansatzpunkte der Integration Tage praktiziert, inzwischen aber völlig beweglichkeit, verbrauchender Umgang marginalisiert wurde2. mit Lebensgrundlagen werden in Kauf Gestaltungen der Umwelt, die auf die genommen. Ja selbst offensichtlich mit Erfüllung mehrerer Nutzenfunktionen Die Abkehr von der umfassenden der Lebensweise in Verbindung stehen- am gleichen Ort und zur gleichen Zeit Integration liegt noch nicht lange de Krankheiten und Seuchen, aber auch ausgerichtet sind, werden als integrativ zurück Gewaltausbrüche bis hin zu Kriegen bezeichnet und gelten je nach Sichtwei- werden in ihrer Abträglichkeit lediglich se im Positiven als anspruchsvoll und Wenige Tausend Jahre erst ist es her, flankiert oder kompensiert, aber nicht komplex, im Negativen als ineffizient dass der Mensch in einer Epoche, die grundsätzlich als Folgen einer grund- oder inkonsequent. wir als Jungsteinzeit bezeichnen, sein sätzlichen Entkopplung wahrgenommen. Verhältnis zu den Lebensbedingungen, Ein mindestens flächenbezogen bedeu- vor allem aber zu den Mitlebewesen Neben dieser entwicklungsgeschicht- tungsvoller Anwendungsbereich in die- fundamental änderte. Dieser Wandel ist lich sehr jungen Kultur besteht die sem Sinne integrativer Gestaltung ist im von immer weiter reichenden und wirk- Natur fort. Die Wahrnehmung von dichtbevölkerten Raum der gemäßigten sameren Schritten der Beherrschung Menschen, dass Natur im Schwinden Zone Europas die Waldbewirtschaftung, geprägt, die mit einer Zurücklassung begriffen sein könnte, machte sich mit bei der mehrere Wirkungen, Güter und der Einpassung in das Lebensnetz ein- der voranschreitenden Industrialisie- Leistungen im Verbund, gegebenenfalls hergeht. Die über die im Bedarf zum rung durchaus bemerkbar, ebenso wie allerdings in unterschiedlicher Gewich- schieren Leben begründete Berechti- die Gegenbewegung zum Schutz der tung ihrer Bedeutung, angestrebt wer- gung zum Gebrauch der Lebensgrund- Natur, der menschlichen Mitwelt. den. Diese Multifunktionalität wird auch

1. Sachverständigenrat für Umweltfragen (2016): Umweltgutachten 2016. Impulse für eine integrative Umweltpolitik. 2. Z.B. durch die Mbuti (Afrika), die Penan (Borneo), indigene Gruppen im Amazonas 5 umweltjournal 59/2016 >

Landkartenflechte auf einer Rosselhalde Foto: Konrad Funk auf ökologisch orientierte Zielsetzungen Integratives Wirtschaften wahrt den systems kein beliebiger Anteil seiner angewandt, die keinen unmittelbaren Selbstregulierungsspielraum der Holzerzeugung in einem beliebig kurzen Bezug auf Nutzenerwartungen für den Ökosysteme Erzeugungszyklus auf beliebigen Flä- Menschen nehmen. cheneinheiten entzogen werden kann. Es geht darum, Nutzen aus dem im In den letzten Jahren zunehmend be- Idealfall nicht beeinträchtigten Naturab- Inseln der umfassenden Integration deutungsvolle Zielausrichtungen ver- lauf zu ziehen, statt diesen möglichst binden sich mit dem Begriff Biodiversi- perfekt zu beherrschen oder völlig zu Im selbstregulierten Ökosystem wirken tät. In diesem Zusammenhang rücken ersetzen. sehr viele Arten in einem Lebensnetz spezialisierte Arten in den Blick, de- zusammen. Es leuchtet ein, dass eine ren Bedarf an Lebensraum nur gedeckt Damit erlangt die ökologische Kompo- umfassende Artenausstattung von der werden kann, wenn die Überlegungen nente der Multifunktionalität der Wälder Verwirklichung des vollständigen Na- zum Umgang mit den Wäldern weit eine über ihre kulturell nicht verankerte turzyklus abhängt, in einer wirksamen, über eng gefasste Nutzenerwartungen und damit im Bewusstsein der meisten zeitlichen und räumlichen Verteilung. für den Menschen hinausgehen. Menschen nicht vorhandene Eigenwer- tigkeit hinausreichende grundlegende Naturnahe integrativ-multifunktionale Die Gütererzeugung in den Wäldern Bedeutung für die Erzeugung höchsten Waldwirtschaft wird jedenfalls darauf beschränkt sich in Europa heute weit- Gesamtnutzens auch für den Fall, dass achten, dass die Verwirklichung des gehend auf den Rohstoff Holz mit ver- dieser nur dem Menschen zugedacht Naturzyklus in Flächeneinheiten unter- gleichbar sehr langen Investitionszeit- wird. schiedlicher Ausdehnung, auf jeden räumen. Die erwarteten Wirkungen und Fall aber in möglichst günstiger räum- Leistungen der Wälder haben sich in den Allein reduziert auf die Erzeugung von licher Verknüpfung gestützt wird. Die letzten Jahrzehnten nach Zahl und ge- Holz ist es in der Waldwirtschaft eine aktuellen Erfolgselemente dieser Wald- sellschaftlicher Bedeutung ganz erheb- hergebrachte Selbstverständlichkeit, wirtschaft reichen in Rheinland-Pfalz lich ausgeweitet ohne diesen Wäldern in dass Bäume gleichzeitig Produktions- derzeit von der generellen Einhaltung ihrer finanziellen Bedeutung zugeordnet mittel und mögliches Produkt sind. In eines Mindestdurchmessers bereitge- zu werden, jedenfalls dann nicht, wenn der naturnahen Waldwirtschaft reicht stellter Hölzer über Einzel-Habitatbäu- diese, jenseits des sonst üblichen indi- das Verständnis immer weiter über die me, Biotopbaumgruppen, Waldrefugien, viduellen Verfügungsrechtes über Eigen- Bäume hinaus und immer tiefer in die Naturwaldreservate, Biosphärenreser- tum, allen Menschen zugänglich sind. ökosystemaren Verknüpfungen hinein. vat-Kernflächen. Die Krönung dieses Ein zunehmend beachtetes Moment vielteiligen Schutzsystems, wie es in setzt sich damit auseinander, dass oh- der von der Idee der Nachhaltigkeit ge- ne Beeinträchtigung des Selbstregu- prägten Kultur gedacht wird, ist der lierungsvermögens einem Waldöko- relativ großflächige Nationalpark.

6 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Herbst im Buchenwald Foto: Konrad Funk

Segregativ sind alle diese Kategori- Vor dem Hintergrund dieser Perspek- en jedenfalls nicht, da mit ihnen keine tive, mag man sie auch als sehr fern Absichten und Ziele verfolgt werden, betrachten, ist es sehr wichtig, dass denen der enge kausale Zusammen- menschennutzungsfreie Bereiche zur hang zur Sicherung der Erfolgsgrund- verträglichen Erholung, Anschauung lage für naturnahe Waldwirtschaft, und Bildung nicht nur offen bleiben, nämlich möglichst vollständige, ver- sondern auch bewusst und gezielt „ge- netzte Lebensgemeinschaften, fehlt. nutzt“ werden. Nationalparken kommt Ihre integrative Bedeutung nimmt mit hierzu eine herausragende Bedeutung der Stressbelastung der Ökosysteme zu. Eine umfassende Integration des Autoren durch verbrauchendes und entkoppel- Menschen würde voraussetzen, dass tes Handeln der Menschen, wie es sich er den Bedarf aller Lebewesen absolut Dr. Harald Egidi, beispielsweise im Klimawandel äußert, setzt, seine Bedürfnisse aber an diesem Leiter des Nationalparkamtes bis heute zu. Bedarf relativiert. Hunsrück-Hochwald

Integrative Lebensweisen des Men- Die Verwirklichung der vollen Integrati- Georg Wilhelm schen spielen in Mittel- und Westeu- on ist vielleicht utopisch. Nationalparke Waldbaureferent ropa zuletzt keine Rolle mehr. Die in als die wenigen Räume, in denen dies im Umweltministerium den letzten Jahrzehnten entstandenen bei uns überhaupt wieder möglich wä- vergleichsweise größten, wenn auch re, mit Segregation in Verbindung zu nicht absolut größten Flächen, auf de- bringen, ist, mit der hiesigen, gelebten nen der materielle Nutzen für den Men- Kultur irreführend. schen dem möglichst ungestörten Na- turablauf hintangestellt wird, nämlich die Nationalparke, bieten zugleich die Ansatzpunkte einer überhaupt wieder möglichen, umfassenden Integration des Menschen in einen Lebensraum, der ihm mit allen Arten gemeinsam ist.

7 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald Welchen Anforderungen muss der Nationalpark genügen?

1. Internationale Verpflichtungen nalpark Hunsrück-Hochwald gibt es logischen Prozessen sowie die Förde- nunmehr insgesamt 16 Nationalparke in rung von Bildung und Erholung“. Neben Mit der Errichtung eines länderübergrei- Deutschland. diesem Vorrangziel werden weitere Zie- fenden, gemeinsamen Nationalparks le definiert, u. a. die Besucherlenkung wollen die Länder Rheinland-Pfalz und Nationalparke sind großräumige natür- im Nationalpark, die Unterstützung der Saarland einen wichtigen Beitrag zu der liche oder naturnahe Landschaften von örtlichen Wirtschaft durch angepassten im Jahr 2007 verabschiedeten „Natio- nationaler Bedeutung, mit deren Un- Tourismus und die Berücksichtigung nalen Strategie zur biologischen Viel- terschutzstellung primär das Ziel ver- der Bedürfnisse der lokalen Bevölke- falt“ und der „Waldstrategie 2020“ des folgt wird, das Nationalparkgebiet sich rung. Bundes leisten. Die Strategien sehen selbst und seiner natürlichen Entwick- vor, dass im öffentlichen Wald bis zum lung zu überlassen. In Nationalparken Die IUCN-Kriterien werden für die deut- Jahr 2020 landesweit zehn Prozent der sind die Landschaften so zu schützen, schen Nationalparke von EUROPARC Waldfläche sich frei entwickeln und dass die Eigengesetzlichkeiten der Na- Deutschland e.V., dem Dachverband möglichst großräumige Wildnisgebie- tur bewahrt werden, um Rückzugsorte der Nationalen Naturlandschaften, te entstehen sollen. Der Nationalpark für wildlebende Pflanzen und Tiere zu durch eigene EUROPARC-Qualitäts- Hunsrück-Hochwald soll dazu beitra- erhalten und zu schaffen. Nationalparke kriterien und -standards konkretisiert. gen, dass die Bundesrepublik Deutsch- sind daher für den Erhalt der biologi- Diese Anforderungen umfassen zehn land ihre internationalen Verpflichtun- schen Vielfalt unverzichtbar. Ihnen liegt Handlungsfelder mit einzelnen Kriterien gen nach dem Übereinkommen über das Leitbild „Natur, Natur sein lassen“ und Standards. Einige dieser Kriterien die biologische Vielfalt erfüllen kann. zugrunde. Sie sind in erster Linie auf und -standards waren für die Auswei- Das UN-Übereinkommen erkennt den einen Prozessschutz gerichtet, um ei- sung sowie die organisatorische Aus- Eigenwert der biologischen Vielfalt und nen möglichst ungestörten Ablauf der gestaltung des Nationalparks relevant, deren Bedeutung für die Evolution und natürlichen Vorgänge zu gewährleisten. insbesondere soll: Bewahrung der lebenserhaltenden Sy- Mit anderen Worten, die Natur und de- steme der Biosphäre an. Die Unter- ren Schutz hat in einem Nationalpark • das Nationalparkgebiet möglichst zeichnerstaaten haben sich verpflich- die oberste Priorität. Nur soweit damit vollständig im Eigentum der öffentli- tet, ein System von Schutzgebieten zu vereinbar, dürfen in einem Nationalpark chen Hand stehen, errichten, in denen besondere Maß- auch andere Ziele (mit-)verfolgt werden, nahmen zur Erhaltung der biologischen z. B. der Umweltbildung, des Naturerle- • der Nationalpark eine Mindestgröße Vielfalt ergriffen werden. Bei der Erfül- bens, des naturnahen Tourismus oder von 10 000 ha aufweisen, lung dieser Pflicht kommt der Einrich- der Regionalentwicklung. tung von Nationalparken weltweit eine • der Prozessschutz auf mindestens entscheidende Bedeutung zu. 3. IUCN- und EUROPARC-Kriterien 75 Prozent der Nationalparkfläche für Nationalparke gewährleistet sein, 2. Schutzkonzept „Nationalpark“ Die Weltnaturschutzunion „International • für Entwicklungsnationalparke ein Das Schutzkonzept „Nationalpark“ Union for Conservation and Nature“ Übergangszeitraum von längstens stammt ursprünglich aus den USA. Dort (IUCN) hat international anerkannte 30 Jahren gelten und wurde erstmals im Jahre 1872 mit dem Kriterien für die Errichtung und Unter- Yellowstone-Nationalpark ein großräu- haltung von Nationalparken festgelegt. • die Nationalparkverwaltung direkt miges Gebiet als Nationalpark ausge- Die Bundesrepublik Deutschland ist der obersten Naturschutzbehörde wiesen. Nach dessen Vorbild gründeten staatliches Mitglied bei IUCN, einem unterstellt sein. die USA bald weitere Nationalparke und Zusammenschluss von mehr als 200 es entwickelte sich in, aber auch au- Regierungen und ca. 900 Nichtregie- Den Qualitätsanforderungen von EU- ßerhalb der USA eine „Nationalpark- rungsorganisationen. Für Deutschland ROPARC kommt in der Praxis erhebli- bewegung“. Die ersten Nationalpar- als IUCN-Mitglied sind die IUCN-Kriteri- che Bedeutung zu. Sie haben sich beim ke in Europa wurden bereits 1909 in en bei der Errichtung und Unterhaltung Management von Nationalparken lang- Schweden und 1914 in der Schweiz von Nationalparken zu berücksichtigen. jährig bewährt. Sie erleichtern zudem errichtet. Als die ersten Nationalpar- bei der inzwischen großen Anzahl von ke in Deutschland wurden 1970 der Die von der IUCN-Nationalparkkommis- Nationalparken nicht nur national, son- Nationalpark Bayerischer Wald und sion verabschiedeten „Richtlinien für dern europa- und weltweit als Natio- 1978 der Nationalpark Berchtesgaden Management-Kategorien von Schutz- nalpark anerkannt und wahrgenommen jeweils im Freistaat Bayern gegründet. gebieten“ legen für Nationalparke im zu werden. In Deutschland werden Na- Andere Bundesländer folgten mit der Wesentlichen folgende IUCN-Kriterien tionalparke gemäß einem Beschluss Gründung eigener Nationalparke vor fest: Vorrangiges Ziel eines National- der Bund-Länder Arbeitsgemeinschaft allem in den neunziger Jahren. Baden- parks ist der „Schutz der natürlichen Naturschutz (LANA) am Maßstab der Württemberg errichtete jüngst im Jahre biologischen Vielfalt zusammen mit der EUROPARC-Qualitätskriterien und 2014 den Nationalpark Schwarzwald. ihr zugrunde liegenden ökologischen -standards evaluiert. Mit dem länderübergreifenden Natio- Struktur und den unterstützenden öko-

8 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Das Gesetz differenziert zwischen dem vorrangigen Haupt bzw. Primärziel des Prozessschutzes und den nachrangigen Neben- bzw. Sekundärzielen der Um- weltbeobachtung, Bildung und des Na- turerlebens. Hinsichtlich des Schutzni- veaus von Nationalparken ist bestimmt, dass Nationalparke „unter Berücksich- tigung ihres besonderen Schutzzwecks sowie der durch die Großräumigkeit und Besiedlung gebotenen Ausnahmen wie Naturschutzgebiete zu schützen“ sind. Der Schutz von Naturschutzge- bieten verlangt, dass alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Gebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nach- haltigen Störung führen können, nach Maßgabe näherer Bestimmung verbo- ten sind. Die Großräumigkeit von Na- tionalparken bringt es allerdings mit Autor: Dr. Ulrich Klein sich, dass Nationalparke auch Sied- LL.M. Referat 26 „Recht der Umwelt- lungs- oder Erholungsflächen, ggf. politik“ im Ministerium für Umwelt, auch im Privateigentum stehende Flä- Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau chen oder Nutzungsrechte betreffen und Forsten, Rheinland-Pfalz. Seit können. Aus diesen Gründen wird das 2009 für das rheinland-pfälzische Um- Nationalparkgebiet regelmäßig in Zonen weltministerium auf dem Gebiet des unterschiedlicher, abgestufter Schutz- fachübergreifenden Umweltrechts tä- Foto: Konrad Funk anforderungen gegliedert (Zonierung). tig. Zuvor Rechtsanwalt beim Bun- Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald desverband der Energie- und Was- 4. Nationale Rechtsvorschriften für wird in Pflege- oder Naturzonen und serwirtschaft in Berlin (2006 – 2009) Nationalparke diese wiederum in Wildnis- und Ent- und wissenschaftlicher Mitarbeiter am wicklungsbereiche gegliedert. Institut für Umwelt- und Planungs- Das Bundesnaturschutzgesetz recht sowie am Institut für öffentliches (BNatSchG) regelt die nationalen recht- Das Regelwerk zum Nationalpark Huns- Wirtschaftsrecht der Westfälischen lichen Anforderungen für Nationalpar- rück-Hochwald besteht aus folgenden Wilhelms-Universität Münster (1998 – ke. Als Schutzziele für Nationalparke Rechtsvorschriften: 2005). Rechtsreferendariat am Ober- wird bestimmt, dass Nationalparke das landesgericht Oldenburg, Masterstudi- Ziel haben, „in einem überwiegenden • dem Staatsvertrag über die Errich- um „Umweltrecht“ an der University of Teil ihres Gebiets den möglichst un- tung und Unterhaltung des National- Auckland (NZ), Promotion und Studium gestörten Ablauf der Naturvorgänge in parks Hunsrück-Hochwald, der alle an der Universität Münster. ihrer natürlichen Dynamik zu gewährlei- wesentlichen Regelungen enthält, sten. Der Nationalpark muss sich also Buchtipp: nicht von Anfang an in einem natürli- • den beiden Zustimmungsgesetzen chen oder naturnahen Zustand befin- (d. h. Nationalparkgesetzen) zum Nationalpark Hunsrück-Hochwald: den. Es genügt, wenn sich das Gebiet Staatsvertrag, die ergänzende, lan- Kommentar zum Staatsvertrag! ohne menschliches Zutun selbst in desspezifische Sonderregelungen, z. einen Zustand entwickelt oder durch B. Ermächtigungen zum Erlass von Auf der letzten Seite Entwicklungs- oder Wiederherstel- Rechtsverordnungen, Zuständigkei- in diesem Heft lungsmaßnahmen (z. B. Waldumbau, ten, enthalten, Moorrena-turierung) in einen Zustand überführt wird, der einen möglichst un- • den beiden Jagdverordnungen, die gestörten Ablauf der Naturvorgänge in Vorgaben zur Wildtierregulierung im ihrer natürlichen Dynamik ermöglicht. Nationalpark konkretisieren, und Voraussetzung ist, dass der natürliche Zustand in einem überschaubaren und • der saarländischen Forstzuständig- angemessenen Zeitraum erreicht wer- keitsverordnung, welche die Über- den kann. Ein Zeitraum von höchstens tragung von Aufgaben der saar- 30 Jahren wird als zulässig angesehen ländischen Forstbehörde auf das (Entwicklungsnationalpark). Nationalparkamt regelt.

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Die Nationalparkidee

„Kann man das nicht umbenennen? ‚Nationalpark‘ erinnert mich doch allzu sehr an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte.“ Als ich diesen Satz zum ersten Mal bei einem der vielen Gespräche im Rahmen der Bürgerbeteiligung zur Entste- hung des Nationalparks Hunsrück-Hochwald hörte, war ich zunächst etwas sprach- los. Als Kind hatte ich vom Yellowstone-Nationalpark geträumt und mich erst viel später als Jugendlicher mit der jüngeren Geschichte Deutschlands auseinanderge- setzt. Dass jemand den Begriff „Nationalpark“ mit „Nationalsozialismus“ in Verbin- dung bringen könnte, wäre mir nicht im Traum eingefallen. So wurde mir erst im Laufe der Bürgerbeteiligung bewusst, dass Nationalpark auch eine Projektionsflä- che ist. Menschen verbinden ganz unterschiedliche Gedanken, Vorstellungen und Assoziationen mit diesem Begriff. Deshalb lohnt es sich, mal genauer hinzuschau- en, was hinter dieser Idee eigentlich steckt oder stecken kann.

Auch wenn der Schweizer National- dene Menschen, dass hier ein Schatz eine der großen Herausforderungen ei- park einer der ältesten in Europa ist der Menschheit unwiederbringlich un- nes Nationalpark-Managements und - erfunden haben sie’s nicht. Die Ur- terzugehen drohte. Es entstand etwas, erfordert ein stetiges Lernen, Umsteu- sprünge der Nationalparkidee liegen in was wir in der heutigen Sprache als ern und Anpassen bei der Besucher- Amerika, genauer gesagt in den Verei- „Naturschutzbewegung“ bezeichnen lenkung. nigten Staaten von Amerika. Dort fand würden und führte 1872 dazu, dass im 19. Jahrhundert eine der gewaltig- der Oberlauf des Yellowstone-Flusses Doch auch in rein ökologischer Hinsicht sten Landschaftstransformationen der vom amerikanischen Kongress als so- hat man in den Nationalparks vieles Menschheitsgeschichte statt. Dass Zi- genannter Nationalpark ausgewiesen hinzugelernt und gewinnt stetig neue vilisationen das Erscheinungsbild der wurde. Erkenntnisse. Das bekannteste Beispiel Erdoberfläche grundlegend verändern ist die Geschichte der Wölfe im Yellow- können, kennen wir von Europa. Dies Die grundsätzliche Idee war, dieses Ge- stone-Nationalpark. In den dreißiger geschah allerdings über so lange Zeit- biet zu schützen und gleichzeitig der Jahren des 20. Jahrhunderts wurden räume hinweg, dass wir nur noch eine Bevölkerung als Naturerlebnis- und sie dort ausgerottet. Dies war nach der vage Ahnung davon haben, wie unsere -erfahrungsort zugänglich zu machen. gesetzlichen Lage zulässig, da „dange- Landschaften früher ausgesehen haben Dies war verbunden mit der touristi- rous animals“ nicht als schützenswert könnten. Das war in den USA anders. schen Erschließung der Region, wo- galten. In den Jahrzehnten darauf geriet Zwar gab es auch dort Regionen, die durch man bei der Realisierung des jedoch das ökologische Gleichgewicht sehr stark vom Menschen beeinflusst Projektes Unterstützung auch von Wirt- zunehmend in Schieflage, da die Beu- waren, wie etwa die Siedlungsgebiete schaftsunternehmen erhielt. So wurde tetiere der Wölfe, wie etwa die Wapitis, der Pueblo-Indianer. Darüber hinaus hat die Ausweisung des Yellowstone-Na- an Zahl zunahmen. In den 1990er Jah- auch die indigene Bevölkerung Ame- tionalparks von der Northern Pacific ren wilderte man daher Wölfe im Yel- rikas einen nicht unerheblichen Ein- Railroad, die des Yosemite National- lowstone-Gebiet aus, weil man erkannt fluss auf die Megafauna, vor allem auf parks von der Southern Pacific Railroad hatte, dass sie ein wichtiger Bestandteil die großen Säugetiere, ausgeübt. Aber unterstützt. Diese beiden Eisenbahn- des Ökosystems sind. durch technische Innovationen wie Ei- gesellschaften erhofften sich durch die senbahn oder Telegrafie entfaltete die Ankurbelung des Tourismus zusätzliche Die Gründung des Yellowstone-Natio- sogenannte Landnahme durch die eu- Einnahmen, wobei die Southern Pacific nalparks war die Intitialzündung. Seit- ropäischen Siedler eine Dynamik und auch ein Interesse an der Erhaltung dem hat sich die Nationalparkidee Wucht, die das Gesicht Nordamerikas von intakten Wassereinzugsgebieten weltweit verbreitet, wobei sich eine grundlegend und fast flächendeckend hatte, da sie in den ariden Gebieten irritierende Interpretationsvielfalt des veränderte. des Westens im Bewässerungslandbau Begriffes Nationalpark ergeben hat. Da investiert war. dies auch bei anderen Schutzgebiets- Die fast vollständige Ausrottung des bezeichnungen der Fall ist, hat die In- , der millionenfach die Prärien Die Balance zu halten zwischen dem ternational Union for Conservation of des Mittleren Westen bevölkerte, ist ein Schutzziel einerseits, zu dem auch eine Nature and Natural Resources (IUCN), besonders anschauliches Sinnbild für möglichst geringe Störung der Tierwelt die größte Naturschutzorganisation der diese gravierenden Veränderungen. In gehört, und der Beanspruchung durch Welt, nach dem zweiten Weltkrieg Ma- dieser Situation erkannten naturverbun- Besucher andererseits, ist bis heute nagementkategorien für Schutzgebiete

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Nationalpark Hunsrück-Hochwald >

kennung durch die IUCN erhielt, haben alle deutschen Nationalparks lediglich eine Generalanerkennung als Schutz- gebiete der Kategorie II. Dies ist inter- national nicht unumstritten, denn nach den Kriterien der IUCN soll auf 75 % der Nationalparkfläche Prozessschutz herrschen, es dürfen also keine Ma- nagement-Maßnahmen durchgeführt werden, die das Ökosystem beeinflus- sen. Den Deutschen wird aber eine Übergangszeit von 30 Jahren ab Grün- dung eines Nationalparks eingeräumt, um dieses Ziel zu erreichen. Dies ist notwendig, weil in Deutschland keine großräumigen Naturlandschaften exi- stieren, die vom Menschen weitgehend unbeeinflusst sind. Aus diesem Grund wird hier oft der Ausdruck „Entwick- lungsnationalpark“ verwendet.

Eine weitere Besonderheit der deut- schen Festland-Nationalparks ist ihre relativ geringe Größe. In unserer sehr dicht besiedelten Kulturlandschaft ist es schlichtweg nicht möglich ein komplettes Ökosystem unter Schutz zu stellen. So reicht zum Beispiel der Lebensraum der größeren Säugetiere in der Regel über die Nationalparkgren- zen hinaus (eine Situation, die aller- dings nicht selten auch in wesentlich größeren Nationalparks anderer Kon- tinente gegeben ist). Deshalb wurde in Deutschland die Idee des Schutzge- bietssystems aufgegriffen und weiter- entwickelt. So kann zum Beispiel ein Nationalpark und ein Naturpark, der diesen umgibt, als eine Einheit gesehen werden und das Ziel sollte es sein, dass das Management im und um den Natio- nalpark aufeinander abgestimmt ist.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass Foto: Konrad Funk unsere Schutzgebiete, auch wenn sie einen anderen Namen, etwa Biosphä- definiert. Diese werden mit zunehmen- rade in der heutigen Zeit der globa- renreservat, tragen, miteinander in Ver- dem Erkenntnisgewinn in regelmäßigen len Mobilität zu einiger Verwirrung, weil bindung stehen. Selbst in den großen Abständen aktualisiert und angepasst. die meisten Reisenden zunächst davon Nationalparks Nordamerikas ist das Jede Nation kann sich daran orientieren ausgehen, dass das Management von Phänomen der genetischen Verarmung und ihre Schutzgebiete in diese Syste- Nationalparks weltweit gleich sei, was ein Problem. Wenn sich die Individuen matik einordnen, wodurch sie interna- allerdings nicht der Fall ist. einer Tier- oder Pflanzenpopulation im- tional vergleichbar werden. Weltweit mer nur untereinander, also mit mehr gesehen findet man Nationalparks von In Deutschland wurde im Jahr 1970 mit oder weniger entfernten Verwandten Kategorie I, den Wildnisgebieten, über dem Nationalpark Bayerischer Wald der kreuzen, kommt es zur Inzuchtdepres- Kategorie II, den Nationalparks nach erste und mit dem Nationalpark Huns- sion. Diese Gefahr besteht immer dann, IUCN, bis hin zur Kategorie VI, den Na- rück-Hochwald am 01. März 2015 der wenn die einzelnen Teilpopulationen turgebieten mit nachhaltiger Nutzung sechzehnte Nationalpark ausgewiesen. einer Art voneinander isoliert sind. Im der natürlichen Ressourcen, in allen Außer dem Nationalpark - ungünstigsten Fall kann dies so weit Schutzgebietskategorien. Dies führt ge- Edersee, der die direkte, formale Aner- gehen, dass die Population nicht mehr

11 umweltjournal 59/2016 >

»Wir alle brauchen nicht nur Brot, sondern auch Schönheit, Orte zum Spielen und Beten, wo die Natur uns heilen und auf- muntern und unserem Körper und unserer Seele gleicherma- ßen Kraft verleihen kann.« John Muir

überlebensfähig ist und erlischt. Aus Jahren und zeigen, dass die Verbindung untersucht werden kann, wie die Natur diesem Grund hat sich in Nordamerika des Schutzes von Naturlandschaften ohne Nutzung der stofflichen Ressour- 1993 die „Yellowstone to Yukon Con- mit der geistigen und seelischen Er- cen durch den Menschen „funktioniert“. servation Initiative (Y2Y)“ gegründet. holung des Menschen zur Grundidee Solche Erkenntnisse können wiederum Mit Hilfe von zum Beispiel Wildtierbrüc- der Nationalparks gehört. Im Laufe des hilfreich für die naturnahe Bewirtschaf- ken über stark befahrene Straßen wird 20. Jahrhunderts wurde zudem immer tung unserer Kulturlandschaft sein. Er versucht, die großen Schutzgebiete der offensichtlicher, dass sich gerade Na- kann als Sehnsuchtsort, als Ort der Be- Rocky Mountains vom Yellowstone bis tionalparks zur aktiven Umweltbildung sinnung, der Beschaulichkeit und der zum Yukon River miteinander zu verbin- in hervorragender Weise eignen. Dies Erholung dienen, womit er auch ein Im- den. In unserer dicht besiedelten und spiegelt sich in den IUCN-Management- pulsgeber zur Weiterentwicklung eines damit noch viel stärker durch Straßen, kategorien für Schutzgebiete wider: Hier sanften Tourismus ist. Dadurch ergeben Eisenbahnlinien und Siedlungen zer- werden Naturschutz „sowie Förderung sich wiederum viele Querverbindungen schnittenen Landschaft ist die Verbes- von Bildung und Erholung“ als die drei zur Umweltbildung, da viele Besucher serung eines solchen Biotopverbunds gleichwertigen, vorrangigen Ziele ei- offen dafür sind, sich den Fragen zu eine noch viel dringlichere Aufgabe. nes Nationalparks nach IUCN genannt. stellen, die sich mit der Existenz eines So ist es nur folgerichtig, dass in § 10 Nationalparks ergeben. In ökologischer Hinsicht hat die des Staatsvertrages über den National- Menschheit seit Ende des vorletzten park Hunsrück-Hochwald dem Natio- Bei dieser Vielfalt ist es nicht ver- Jahrhunderts nicht zuletzt durch die Na- nalparkamt explizit ein Bildungsauftrag wunderlich, dass Nationalparks als tionalparks vieles hinzugelernt. Doch im Sinne einer Bildung für nachhaltige Projektionsfläche für die verschie- auch in anderen Bereichen hat sich die Entwicklung erteilt wird, wobei sich die densten Wünsche, Begehrlichkeiten, Nationalparkidee weiter entwickelt. „Wir Bildungs- und Naturerlebnisangebote Träume, Ängste und Hoffnungen her- alle brauchen nicht nur Brot, sondern im Nationalpark und im Naturpark Saar- halten müssen. Zudem ist ein Natio- auch Schönheit, Orte zum Spielen und Hunsrück ergänzen sollen. nalpark immer auch ein großes Fra- Beten, wo die Natur uns heilen und auf- gezeichen in der Landschaft: Warum muntern und unserem Körper und unse- Die Nationalparkidee beinhaltet also ei- können wir die Ressourcen nicht nut- rer Seele gleichermaßen Kraft verleihen ne komplexe, ja schillernde Vielfalt von zen, die im Nationalparkgebiet vor- kann.“ Diese Worte stammen von John Aspekten: Ein Nationalpark ist als groß- handen sind? Ist es nicht übertrieben, Muir, dem legendären „Vater des Na- räumiges Schutzgebiet zunächst einmal so viel Land „sinn- und nutzlos“ der turschutzes“ in den USA, der eine der ein wichtiger Bestandteil des Biotop- Natur zu überlassen? Reicht es, wenn treibenden Kräfte hinter der Ausweisung verbundes. Für die Wissenschaft stellt wir einen geringen Flächenprozentsatz des Yosemite-Nationalparks war. Sie er darüber hinaus als Freiluftlabor ein als Nationalpark ausweisen oder ist sind genau so aktuell wie vor hundert wertvolles Erkenntnisobjekt dar, da hier das nicht viel zu kurz gedacht? Müs-

12 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Foto: Konrad Funk sen wir unseren Blick nicht viel stärker gen stellen. Damit entwickeln sich auf die Gesamtheit unserer Landschaft die Nationalparkidee und auch unser richten? Sind wir in der Lage die Flä- Verständnis von Natur weiter. Durch chen, auf denen wir „Natur Natur sein die intensive Bürgerbeteiligung ist in lassen“, und unsere Kulturlandschaft Rheinland-Pfalz und dem Saarland der als Einheit zu sehen und nicht als kon- Grundstein für den Denkanstoß Natio- kurrierende Landbehandlungsmodelle? nalpark gelegt worden. Viele Bürger Muss unser Bemühen nicht weit über haben sich mit großer Intensität und die Ausweisung von Schutzgebieten Tiefe dem Thema Natur- und Umwelt- hinausgehen, damit die Nationalparks schutz zugewandt. Diese Diskussions- nicht nur zur Gewissensberuhigung kultur gilt es zu erhalten, zu erweitern dienen, um ungehemmt den Rest der und auszubauen. Damit bietet sich die Welt ausbeuten können? Chance den Nationalpark Hunsrück- Autor: Claus-Andreas Lessander Hochwald auch gedanklich zu dem Fragen über Fragen. Auch darin liegt zu machen, was er de facto schon Buchtipp: der Wert und vielleicht sogar das größ- ist: zum Nationalpark aller Rheinland- te Potenzial unserer Nationalparks: Pfälzer und Saarländer. Claus-Andreas Lessander Dass sich viele Menschen diese Fra- »Der Ruf nach Wildnis Auf der letzten Seite in diesem Heft

Litheratur Yellowstone to Yukon Conservation Initiative. [https://y2y.net] Diamond, J. (2012): Kollaps, Frankfurt am Main EUROPARC Deutschland e.V. (2013): Bündnisse für die Natur. Wege zu einem funktionalen Schutzgebietssystem in Deutschland, Berlin. EUROPARC Deutschland e.V. (2010): Richtlinien für die Anwendung der IUCN-Managementkategorien für Schutzgebiete. Deutsche Übersetzung (stellenweise gekürzt oder ergänzt), Berlin. Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474). Lessander, C.-A. (2016): Der Ruf nach Wildnis. Die Geburtsstunde eines Nationalparks, München. Liste der Nationalparks in Europa. [https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Nationalparks#Nationalparks_in_Europa] Staatsvertrag zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und dem Saarland über die Errichtung und Unterhaltung des Nationalparks Hunsrück-Hochwald vom 4. Oktober 2014 (GVBl. vom 12. Februar 2015, S. 3; Amtsbl. Saarl vom 19. Februar 2015, S. 170). Steiner, D. (2011): Die Universität der Wildnis. John Muir und sein Weg zum Naturschutz in den USA, München. Yellowstone National Park Protection Act. [https://www.nps.gov/yell/learn/management/yellowstoneprotectionact1872.htm Yellowstone to Yukon Conservation Initiative. [https://y2y.net] 13 umweltjournal 59/2016 Flora und Fauna im Nationalpark >

Unter einem National- park stellt man sich ein Gebiet zum größtmögli- chen Schutz von beson- deren Tier- und Pflanzen- arten vor. So wird im Falle von afri- kanischen Nationalpar- ken auch gerne von den sogenannten „Big Five“ gesprochen.

Auf einzelne Arten bezogenes Handeln kann aber aufgrund begrenzter Res- sourcen und begrenzten Wissens nie- Waldeidechse auf einer Rosselhalde Foto: Konrad Funk mals alle Arten der belebten Welt voll- ständig mit einschließen. Hierbei würde Wer von einem Wald-Nationalpark redet 1. Rosselhalden: man Klein- und Kleinstlebewesen all zu der weiß, dass es hier um Artenvielfalt leicht außer Betracht lassen. geht. Biodiversität lautet das Zauber- „Rosselhalden“ ist der regionale Be- wort und diese zeichnet sich beileibe griff im Hunsrück für Blockschutthal- Ziel von Nationalparken ist es daher nicht nur durch „große Tiere“ aus. Die den. Die riesigen Steinansammlungen vielmehr, Raum für möglichst unge- ungeheure und auf den ersten Blick entstanden durch physikalische Ver- stört ablaufende Prozesse zu schaf- gerne übersehene Welt der Klein- und witterungsprozesse. Da diese Kleinode fen. So verfolgt auch der Nationalpark Kleinstlebewesen und die faszinierende immer schon behutsam behandelt wur- Hunsrück-Hochwald in der Naturzone Welt der Pflanzen, Pilze und Algen ma- den und größtenteils bereits länger als den Prozessschutz. In ihr gilt es:“ Natur chen die Biodiversität – die Artenvielfalt Naturschutzgebiete ausgewiesen sind, Natur sein lassen“. Hier werden also – im Nationalpark aus. Lassen wir daher konnte sich die Natur hier frei entfalten. keine gezielten Maßnahmen für eine gedanklich die „Big Five“ außen vor Blockschutthalden sind Extremstand- bestimmt Tier oder Pflanzenart durch- und richten unseren Blick auf die Viel- orte, die wegen ihrer Lage nicht nur in geführt. falt, die häufig im Verborgenen unseres der Eiszeit, sondern heute noch hohen Wald-Nationalparks lebt. Temperaturschwankungen ausgesetzt Die Entwicklungsbereiche der Natur- sind. Baumpionier wie die Sandbirke zone in denen der Mensch noch ein- Daher sind die nachfolgend aufgeführ- und Eberesche siedeln sich in ihrem greifen kann sind laut Staatsvertrag auf ten Pflanzen und Tiere auch nicht als Randbereich an. Erwähnenswert ist die längstens 30 Jahre befristet. „Top-Ten Liste“ dieses unseres Natio- Karpartenbirke, die eine Besonderheit nalparks zu verstehen. Sie sind viel- im Nationalpark darstellt. Auch mäch- Nur in den dauerhaft verbleibenden mehr ein winziger Ausschnitt aus ei- tige Feldahorne findet man im Bereich Pflegezonen werden gezielte Maßnah- nem gigantischen Potential, das sich der Rosselhalden. Abgesehen von den men zur Unterstützung der Tier und selbst unseren Wissenschaftlern wohl typischen Birken-Ebereschenwäldern Pflanzenarten verfolgt (z.B. die Arnika- nie ganz erschließen wird. ist ansonsten keine großflächige Be- wiesen) siedlung mit Gehölzen möglich. Das Wälder - Moore – Rosselhalden, sind mag daran liegen, dass sich zwischen Prozessschutz lässt der Natur Raum die aussagekräftigen Lebensräume die- den mächtigen Blöcken auf Dauer kein und Zeit, sich ständig nach ihren Ge- ses Nationalparks. Nicht zuletzt bedingt Feinboden hält. Gerade diese fehlende setzmäßigkeiten zu verändern. Wild- durch die unterschiedlichen Höhenla- Vegetationskonkurrenz höherer Pflan- nis entsteht und diese bedarf unserer gen von 300 bis fast 900 m und ihrer zen erlaubt es den scheinbar „ schwä- uneingeschränkten Akzeptanz. Sie ist Exposition bieten sie einer ihnen an- cheren“ Arten, hier dauerhaft Fuß zu unabhängig von dem was wir uns wün- gepassten Tier- und Pflanzenwelt Ent- fassen. Es sind die auf den ersten Blick schen. wicklungsraum. eher unscheinbaren Moose und Flech-

14 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Riedbruch, gewöhnliches Frauenhaarmoos Foto: Konrad Funk ten, die sich beim näheren Betrachten 2. Moore: gewöhnliche Frauenhaarmoos welches als Wunderwerke der Natur entfalten. hier flächendecken vorkommt. Dane- Flechten sind eine Verbindung zwi- Die Hunsrückmooore werden als „Brü- ben sind es vor allem Seggen, Farne schen Alge und Pilz die als Symbio- cher“ bezeichnet. Wegen Ihrer La- und Binsen, ferner Moosbeere, europä- se bezeichnet wird. Während der Pilz- ge am Hang, der bei ihrer Entstehung ischer Siebenstern, Orchideen, Schei- körper für Bodenhaftung, Struktur und von Bedeutung ist, nennt man sie auch diges- und Schmalblättriges Wollgras. Wasseraufnahme sorgt, betreiben die „Hangbrücher“. Bedeutsame Hangmoo- Der rundblättrige Sonnentau nimmt eine Algen darin Photosynthese zum Nutzen re im Nationalpark sind z.B. Riedbruch, besondere Stellung ein: Er gehört zu den beider Teile. Flechten wachsen extrem Langbruch und das Ochsenbruch. Das fleischfressenden Pflanzen. Seine stand- langsam, gerade einmal im Bereich von niederschlagsreiche, nebelreiche und ortbedingten Stickstoffdefizite deckt er wenigen Millimeter jährlich. Die Land- kühle Klima des Hunsrücks ist ideale aus der Verdauung von Insekten, die er kartenflechte kommt hier vor und die Ausgangsvoraussetzung für ihre Ent- mit seinen klebrigen Blättern umschließt. gelbe Schwefelflechte wächst an nie- stehung. Das „ Fundament“, auf dem Der Sumpfhaubenpliz leuchtet knallig mals beregneten Vertikal- und Über- sich die Moore aufbauen, ist gestau- orange im Kontrast zum saftig grünen hangsflächen von sauren Silikatfelsen. tes, nährstoffarmes Wasser. Neben den Torfmoos. Die Moosbeere als immer- Das wollige Zackenmützenmoos ist die Hangmooren findet man auch Quellmoo- grüner, niedrigliegender Zwergstrauch Charakterart der Silikatblockhalden, re und alle möglichen Übergangsstadien schlängelt sich mit seinen dünnen Fäden die Rentierflechte die Charakterart der der einzelnen Moortypen vor. Moore sind über die Moospolster. Während ihre ro- Felsbandheiden. Wechselwarme Tiere mit ihrer hochspezialisierten Tier- und ten Früchte gut zu erkennen sind blei- wie die Waldeidechse finden sich über Pflanzenwelt zum Überleben auf Was- ben die winzigen wunderschönen Blüten Tage zum Sonnen auf den Steinen. ser angewiesen. Die Moorbirke ist ei- meist verborgen. Pfeifengras, Heidelbee- ne besondere Charakterart der Moore. re und Heidekräuter säumen auf den im Sie ist die bestimmende Art der Birken- Sommer ausgetrockneten Moorheiden Bruchwälder, die großflächig feucht sind, den ganzjährig nassen Zentralbereich im Sommer aber auch mal austrock- der Moore. Als Besonderheiten der Fau- nen können. Im Nationalpark finden sich na seien Mooreidechse und Hochmoor- mächtig Moorbirken mit einem Alter von Perlmutterfalter erwähnt. bis zu 120 Jahren. Neben den Torfmoo- sen fällt vor allem eine Moosart auf, die in Bulten wächst und deren leuchtend goldene Sporenkapseln im Gegenlicht wie Frauenhaare aussehen. Es ist das Moosbeere Foto: Konrad Funk

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Totholz Foto: Konrad Funk

3. Wälder: nicht nur alte Buche sondern auch alte ganze Kronen können vom Sturm zu- Fichten. Im unteren Stammteil von fau- sammenfallen. Mulmkörper entstehen Durch so manchen Kopf geistern noch len Fichten oder deren Stümpfen sucht in den Astkehlen und flächige Wunden. immer die reinen Fichtenwälder, die in er nach Rossameisen. Alte Bäume dür- Aber auch Pilze wie der flache Schiller- den Nachkriegsjahren (Reparationshie- fen im Nationalpark einen natürlichen porling sind als Großhöhlenbildner an be) aufkamen und oft nahe der Asphalt- Tod sterben. Zwieseläste brechen aus, lebenden Rotbuchen und Bergahornen straße zu sehen sind. Etwas versteckt aktiv und schaffen Lebensraum. Totholz dahinter liegt der Nationalpark mit sei- lebt – was wir aber nicht gleich auf den nen mitunter sehr großen, altholzrei- ersten Blick erkennen. Bohrmehlhäuf- chen Buchenwäldern. So wird manch chen der Käfer und Larven unter einem einer auch verwundert sein, dass die alten Buchenstamm signalisieren uns, Buche bei der Baumartenverteilung das dass hier fleißig gearbeitet wird. Run- Feld mit 48 % anführt und dann erst de Bohrlöcher der Holzwespen, ovale von der Fichte mit 37 % und den son- Bohrlöcher der Bockkäfer. Wer diese stigen Laub-und Nadelhölzern mit 15% Erkennungsschlüssel genau studiert gefolgt wird. Für die Buche tragen wir wird schnell auch ohne direkten An- gerade in Mitteleuropa eine sehr große blick der Tiere von der enormen Be- Verantwortung – sie kommt nur hier siedlungsintensität überrascht sein. 20 bei uns vor. In den Alt-und Totholzrei- % aller Waldarten leben von alten und chen Beständen entsteht Lebensraum toten Bäumen, alleine 1.400 Käferarten für unzählige Arten. Der Schwarzspecht sind auf abgestorbene Bäume ange- erschließt als „Erfinder des sozialen wiesen. Wohnungsbaus“ den Wald für andere Höhlenbrüter, die selbst keine Brutstät- te zimmern können. Ihm folgen so allen voran Hohltaube, Waldkauz, Raufuß- kauz, Kleiber, Fledermäuse, Sieben- schläfer, Eichhörnchen, Hornissen und viel mehr. Der Schwarzspecht braucht Schwarzspechte Foto: Konrad Funk

16 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Schwarzstorch Foto: Konrad Funk Wildkatze Foto: Konrad Funk

Einzig in den Entwicklungszonen ( be- Dabei muss man bedenken, dass der fristet ) und in den dauerhaft verblei- Raumanspruch einer weiblichen Wildkatze benden Pflegezonen greift der Mensch etwa bei 1.000 bis 2.000 Hektar beträgt, noch ein. So wachsen auf einmal im für die männliche Katze ( Kuder ) beträgt Jahr gemähten Wiesen reichlich Arni- er sogar 2.000 bis 2.500 Hektar. Als vor- ka und Bärwurz, finden wir mitten in nehmliche Mäusejägerin bevorzugt die Thranenweier ein Eldorado für Schmet- Wildkatze frisch gemähte Wiesen, die in terlinge wie den Lila-Gold Feuerfalter, der Pflegezone des Nationalparks auch in den Braunfleckigen Perlmutterfalter und Zukunft offen gehalten werden. Dennoch viele mehr. Im Frühling verzaubern die verlässt sie nicht gerne die Deckung und wilden Narzissen das Trauntal zwischen profitiert vom Strukturreichtum, wie ihn der Abentheuer und Börfink. Nationalpark künftig zu bieten hat. Vom Autoren: Wind umgefallene Fichten bleiben in der Der Schwarzstorch ist eine Leitart des Wildniszone liegen. Wurzelteller bleiben Konrad Funk und Willi Zimmermann Waldnaturschutzes. Er brütet im Natio- aufgerichtet und dienen so als Windbrem- nalpark Hunsrück-Hochwald. Die natur- se. Für die Aufzucht ihrer Jungen benötigt nahen geschlossenen Wälder mit ihrem die Wildkatze Höhlen in Bäumen oder in Buchtipp: alten Baumbestand und den vielen klei- den kluftigen Felsrippen und Blockschutt- Konrad Funk nen Bachläufen, die er zu Nahrungssu- halden, die es reichlich im Nationalpark Nationalpark Hunsrück-Hochwald che nutzt, bieten ihm ideale Lebensbe- gibt. Sie bevorzugt abwechslungsreiche, Im Kleinen das Große entdecken- dingungen. naturnahe Laubmischwälder. Dabei kom- Auf der letzten Seite men ihr besonnte Hangwälder sehr entge- in diesem Heft Die Wildkatze ist die Galionsfigur des gen. Die Wildkatze benötigt Verbreitungs- jüngsten deutschen Nationalparks. Sie korridore zur genetischen Blutauffrischung. stellt eine regionale Verantwortungsart Besonders gefährdet ist sie dabei durch für Rheinland Pfalz und das Saarland dar. den dichten Straßenverkehr. Wer sie im Rheinland-Pfalz bildet mit bis zu 3000 Sommer nicht zu Gesicht bekommt, kann Tieren sogar das größte geschlossenes sie anhand ihrer Spuren im winterlichen Verbreitungsgebiet in ganz Deutschland. Schnee leicht bestätigt finden.

17 umweltjournal 59/2016 Zugänge zum Nationalpark Ein Nationalpark für die Menschen >

„Was gibt es denn da zu sehen, im neuen Nationalpark?“ Diese Frage wird in den Tourist-Informationen in der Nationalparkregion häufig gestellt. Und bereits ein Jahr nach der Gründung des Nationalparks können hierauf gleich mehrere Antwor- ten gegeben werden.

Foto: Timo Volz

Wer den Nationalpark Hunsrück-Hoch- weg“, „Kirschweiler Festung“ oder „Hu- Saar verlagert wurde), Köhlerdörfer, in wald erleben will, packt am Besten die bertusrunde“ , die Traumschleifen sind denen Holzkohle hergestellt wurde und Wanderschuhe ein. Denn zu Fuß lässt als Premium-Rundwanderwege unver- eben Rodungsinseln wie Thranenweier. sich das Schutzgebiet besonders gut laufbar beschildert und mit reichlich Dies ist nur eine der vielen erstaunli- erkunden. Rastmöglichkeiten und kleinen Beson- chen Geschichten, die der Besucher derheiten am Wegesrand versehen. Bei im Nationalpark erfährt. Doch zurück Mit dem Saar-Hunsrück-Steig verläuft einer Länge zwischen 9 und13 sowie zur Natur. Bei Thranenweier sind auf ein Premium-Fernwanderweg auf rund unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden einem geführten, rund 1,5 km langen 28 Kilometern mitten durch das Herz ist für viele Besucher die ideale Strecke und barrierearmen Rundweg so viele des Nationalparks. Entlang der Strecke dabei. Naturwunder zu entdecken, dass man gibt es viel zu entdecken: geheimnis- das Gefühl „Nationalpark“ bereits heu- volle Moorlandschaften wie das Och- Wer es kürzer und leichter mag, aber te intensiv erleben kann. Oder wus- senbruch, mit Wollgras, Moosbeeren dennoch Nationalpark intensiv erleben sten Sie, dass die Gelbe Wiesenameise und Sonnentau. Steinige, schroffe Ros- möchte, besucht Thranenweier. Das verantwortlich ist für seltsame Hügel selhalden, die zahlreichen Amphibienar- kleine Örtchen im Zentrum des Natio- mit „Thymianmütze“? Welche Wirkung ten ein Zuhause bieten. Uralte Buchen, nalparks liegt auf einer so genannten Torfmoos auf den Wasser- und Klima- Fichten, Vogelgezwitscher und anson- Rodungsinsel. Dies gibt dem aufmerk- haushalt hat und wie unsere heimi- sten - Stille. samen Besucher bereits einen Hinweis schen Orchideen eigentlich aussehen? auf einen Industriezweig, der vor rund Es sind die kleinen Dinge, die es hier Ruhe und Wald und ganz viel Natur 250 Jahren die Hochwaldlandschaft zu bestaunen gibt. Und ihre beeindruc- findet der Wanderer auch auf den sechs prägte: die Eisenindustrie des Saarlan- kende Wirkung auf das große Ganze. Nationalpark-Traumschleifen. Ob „Gip- des nahm ihren Ausgang gleich hier im (barrierefreie Rangertour: dienstags, im felrauschen“, „Börfinker Ochsentour“, Zentrum des Nationalparks. Es gab Ei- nahe gelegenen Ort Muhl Rangertour: „Dollbergschleife“, „Trauntal-Höhen- senhütten (deren Betrieb später an die donnerstags)

18 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Headline Hunsrück-Hochwald Subheadline

Foto: Timo Volz

An beiden Enden des Nationalparks gibt es - für jedermann sichtbar - hi- Extra-Tipps storisch Interessantes zu sehen. Ganz im Westen, im saarländischen Park- Besucher haben die Wahl, ob sie den Nationalpark teil gelegen, der keltische Ringwall bei individuell erkunden, oder sich einer geführten Tour Otzenhausen. Die Wallanlage beein- anschließen. Täglich außer montags nehmen im Som- druckt, wer bei der Wanderung den merhalbjahr die Nationalparkranger Besucher mit auf Kamm erreicht hat staunt, welche ar- ihren Kontrollgängen im Wald. Diese Rangertouren chitektonische und logistische Leistung sind geeignet für alle Einzelgäste bzw. Familien. Die unsere Vorfahren vor gut 2000 Jahren Teilnahme ist kostenfrei und kann nicht im Vorfeld hier erbracht haben. Zahlreiche Infota- gebucht werden. feln auf dem Archäologischen Rundweg erläutern das Leben in einer Keltenfe- Wer zu einem bestimmten Termin, mit einer Gruppe stung der Eisenzeit. Im Keltenpark, am oder zu einem speziellen Thema geführt werden möchte, Fuße des Ringwalls, entsteht derzeit greift auf die Zertifizierten Nationalparkführer zurück. der Nachbau eines keltischen Dorfes. Ob Kindergruppen, Vereinsausflüge, Touren für Men- (Rangertour: sonntags) schen mit Behinderung, Entdeckertouren zu speziellen Naturthemen oder Kostümführungen, das Angebot Im Osten des Nationalparks erhebt sich der Nationalparkführer ist umfangreich, auf individuelle auf einem Bergrücken die Wildenburg. Wünsche kann genau eingegangen werden. Die Natio- Die mittelalterliche Burganlage steht nalparkführer können über das Nationalparkamt oder ebenfalls auf keltischen Siedlungsre- die Tourist-Informationen gebucht werden. sten. Vom Aussichtsturm aus genießt man einen weiten Blick ins Land. Am In den Tourist-Informationen ist auch die „Freizeit- Fuße der Burg befindet sich das Wild- karte Rund um den “ erhältlich, die die freigehege Wildenburg, samt Wildkat- wichtigsten Wander-, Rad und Ausflugstipps im zenzentrum. Die hier eingerichteten In- Nationalpark und in der umliegenden Region fostellen des Nationalparks und des umfasst. Naturparks Saar-Hunsrück bieten Be- suchern einen guten Überblick zu Geo- Anreise in die Nationalparkregion Hunsrück-Hochwald per logie und Geschichte sowie Flora und Bahn im Stundentakt auf der Nahestrecke nach Idar-Oberstein Fauna der Region. (Rangertour: sonn- (östlicher Teil des Nationalparks), Neubrücke (Zentrum) oder tags, Junior-Wildkatzentour: sonntags) Türkismühle (westlicher Teil des Nationalparks).

19 umweltjournal 59/2016 >

Fotos: Timo Volz

Eine historische Kuriosität liegt auf hal- den Bäumen klettern. Der steile Hang ber Strecke, am Südrand des National- bis hinauf zum Gipfel des Erbeskopfes parks. Petersquelle und Sauerbrunnen, dient im Sommer einer Rodelbahn, im zwei der vielen Quellen in der wasserrei- Winter wird er zur Skipiste. Auf dem chen Nationalparkregion, wurden einst Gipfelplateau, auf 816 Metern über regelmäßig von Kurgäste aufgesucht, NN, hat man von der Aussichtsplatt- schließlich hatte man sogar ein Kurhaus form „Windklang“ einen guten Blick ins errichtet. Davon zeugen heute noch bei Land. (Rangertour: freitags) Oberhambach die beiden Quellenanla- gen. (Rangertour: mittwochs) Dies sind nur einige der Dinge, die es im und um den Nationalpark Hunsrück- Für Kinder gibt es hier besonders viel Hochwald zu entdecken und erleben zu entdecken. Neben dem historischen gibt. Es gäbe noch so viel mehr zu be- Brunnenhaus lockt ein Wasserspiel- richten. Von Mountainbiketrails und E- bereich. Gleich nebenan beginnt das Bike-Touren. Von Besucherbergwerken, Reich von Willy Wurzel, der als Wald- Edelsteinminen, Burgen und Museen. meister im Zauberwald Kindern spie- Autorin: Sandra Wenz lerisch die Natur erklärt. Verschiedene Zum Schluss noch das Wichtigste: Zertifizierte Nationalparkführerin, Spielstationen im Wald und schließlich gutes und Trinken. Wer in die Diplom-Geographin und Leiterin der der Aussichtsturm in Hattgenstein ma- Nationalparkregion kommt, sollte auf Tourist-Information des Birkenfelder chen den Familienausflug komplett. jeden Fall die Spezialitäten der Region Landes. probieren. Finden Sie heraus, wie ech- Ein weiteres Ziel für Familien ist das ter Spießbraten vom Buchenholzfeuer Hunsrückhaus am Erbeskopf. Hier schmeckt, was die beste Füllung für die befindet sich eine Infostelle zu Natio- traditionellen „Gefüllten Klöße“ ist, was nal- und Naturpark, sowie ein Aus- auf den Teller kommt wenn Sie eine stellungsbereich. Hier ist auch ein „Grumbierwurscht“ bestellen und was zentraler Punkt für die gemeinsamen der Saarländer mit „Hoorische“ meint. Umwelt-Erlebnisangebote. Ein Veran- Lecker ist es allemal, so viel kann ich staltungskalender informiert über alle Ihnen versprechen! Getrunken werden Programmangebote für Groß und Klein. bei uns gleichermaßen Bier und Wein - Im benachbarten Hochseilgarten gilt letzterer von der Mosel, der Nahe, der es, die eigene Geschicklichkeit unter Saar und dem Rhein. Schließlich ist Beweis zu stellen. Auf mehreren Strec- der Nationalpark Hunsrück-Hochwald ken und unterschiedlichen Schwierig- umgeben von den besten Weinanbau- keitsgraden können Mutige zwischen gebieten Deutschlands.

20 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Headline Hunsrück-Hochwald Subheadline

21 Keltenring Foto: Timo Volz umweltjournal 59/2016 Wir bilden Zukunft Das Kinder- und Jugendprojekt des NABU Rheinland-Pfalz

Der NABU Rheinland-Pfalz und seine Naturschutz- jugend NAJU haben das Kinder- und Jugendprojekt „Hunsrück-Hochwald: Wir bilden die Zukunft!“ ge- meinsam mit dem Nationalparkamt und der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz 2015 ins Leben ge- rufen. Ziel ist es zum einen, generell auf die Wunder- welt Nationalpark in Rheinland-Pfalz aufmerksam zu machen und zum anderen, die Umweltbildung in der Nationalparkregion zu stärken.

Unterwegs mit Rangern Foto: A. Kuckuck Moor-Renaturierung Foto: A. Kuckuck

Jugendliche zwischen 13 und 27 Jah- sich daraus leckere Mahlzeiten zu. Für einem Podest entzündet. Selbst wenn ren hatten bisher die Möglichkeit an viele überraschend war der Fakt, dass viel Holz zur Verfügung steht wird das drei Wildlife Camps teilzunehmen und sogenannte Unkräuter, wie die Bren- Lagerfeuer nur so groß, wie es tatsäch- die Natur vor Ort zu erleben ohne dem nesel einen hervorragenden Nährwert lich benötigt wird. Nach dem Rückbau eigentlichen Schutzzweck des Natio- haben. Mit bis zu 40 Prozent Eiweiß der Camps ist nicht erkennbar, dass nalparks zu schaden. Die Philosophie ist diese sogar nahrhafter als die Soja- Menschen dort waren. Denn wir be- der Nationalparks wird in Aktionen und bohne. Klar wird: die Perspektive spielt trachten uns als Gast in der Natur. Diskussionen immer wieder aufgegrif- eine wichtige Rolle bei der Einteilung fen und über die eigene Einstellung zur in Nutzpflanzen und Unkräuter. Im Um- Der Ansatz von Wildlife unterscheidet Natur reflektiert. Beispielsweise sam- kehrschluss gibt es keine mehr oder sich maßgeblich von einem Survival- melten die Jugendlichen unter Anlei- weniger schützenswerte Natur. Training. Es geht nicht darum die Natur tung essbare Kräuter und bereiteten als Gegnerin zu betrachten, sondern Für die Wildlife Camps wurden nach- darum ein rücksichtsvolles und wert- haltig Ressourcen aus der Natur ent- schätzendes miteinander zu erleben. nommen. Gut erklären lässt sich das am Beispiel der Feuerstelle. Gerade Neben den Wildlife-Veranstaltungen für wenn man versucht mit wenigen Hilfs- Jugendliche gibt es auch Angebote für mitteln in der Natur zu sein, ist das Feu- Kinder. Im Herbst 2015 fand im Natio- er zentral. Wir nutzen es um uns selbst nalpark die Rangerfreizeit statt. Hier zu wärmen, Essen zu kochen und als wurden Kinder aus der Region von 8-12 Lichtquelle. Um keine verbrannte Er- Jahren zu kleinen Nationalpark-Ran- de zu hinterlassen, wird das Feuer auf gern ausgebildet, indem sie die Tier- Foto: Isabell Braunger

22 umweltjournal 59/2016 Ein Nationalpark für die Menschen

NAJU-Wildlife Foto: Isabell Braunger

und Pflanzenwelt kennenlernten, einige Moor-Renaturierung Foto: A. Kuckuck Wildlifemethoden lernten und bei einer Moorrenaturierung sogar die Arbeit der echten Ranger unterstützen. Nach be- standener Rangerprüfung wurde der wohlverdiente Rangerpass ausgehän- digt. An Fronleichnam wird es ein Na- tionalpark-Camp am Hunsrückhaus ge- ben, bei dem ähnliches Programm auf die angehenden Naturschützer wartet. Was die NAJU Rheinland-Pfalz alles macht und wie man sich dort engagie- Im Zuge des Projekts wird auch Bil- ren kann, findet man auf dungsmaterial in Form von Broschüren www.NAJU-RLP.de und Flyern für Kinder, Jugendliche und Autorinnen Foto: Laura Kettenring und auf ihrer Facebookseite. Erwachsene sowie ausleihbaren Natio- nalparkboxen für Grund- und weiterfüh- Autorinnen: rende Schulen erarbeitet. Diese Materi- alien können von Rangern, Natur- und Vera Neugebauer, Ann-Sybil Kuckuk und Landschaftsführern, Schulen und Kin- Isabell Braunger (v.l.n.r.) sind die Mitar- dergärten zum Lernen genutzt werden. beiterinnen in der Landesgeschäftsstelle Mit diesen Mitteln wird für verschiedene der Naturschutzjugend im NABU Rhein- Altersstufen altersgerechtes Lernen und land-Pfalz. Sie kümmern sich um die das Erleben der Natur vor Ort, direkt im Betreuung der Ehrenamtlichen des Ver- Nationalpark, ermöglicht. eins und stellen viele Umweltbildungs- projekte auf die Beine, zu denen auch das Nationalparkprojekt gehört.

23 umweltjournal 59/2016 BNE Angebote für Schulen und Kitas im Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe „Bildung“ hat das Nationalparkamt „Im Kleinen das Besondere entdecken“. die Grundlagen für die Angebote für Dies ist das Motto, unter dem das Bildungsprogramm Schulen und Kitas erarbeitet. In dieser AG Bildung sind Experten und Akteure des Nationalparks Hunsrück-Hochwald steht. der Bildungslandschaft in Rheinland- Pfalz und dem Saarland vertreten: z.B. aus den Bildungsministerien der bei- den Bundesländer, der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier (ADD), dem Pädagogischen Landesinstitut Rheinland-Pfalz u.v.m.

Die Vereinten Nationen haben von 2005 bis 2014 die UN-Dekade der „Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)“ aus- gerufen, um das Konzept der BNE wei- ter zu verankern und publiker zu ma- chen. Auch im Staatsvertrag über den Nationalpark Hunsrück-Hochwald ist festgehalten, dass „Bildungsangebote im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) durchgeführt werden sollen.“

Nachhaltiges Denken und Handeln ist das Kernelement der BNE. Kinder, Ju- Foto: Konrad Funk gendliche und Erwachsene sollen be- greifen, dass ihr Handeln Konsequen- Und wie soll das in der Praxis funk- terschiedliches Wissen aneignen. Nur zen hat: nicht nur auf sie sondern auch tionieren? wenn die unterschiedlichen Experten- auf andere Menschen, die zum Teil in gruppen dann ihr Wissen miteinander ganz anderen Regionen der Welt leben. Zwei Säulen bilden die Grundlage für vernetzen und austauschen, können sie Durch die Bildung für nachhaltige Ent- die Inhalte von Bildungsprogrammen: das Gesamtbild erkennen und so auf wicklung sollen die Menschen dazu be- Wissen und Kompetenzen. eine Lösung der Fragestellung kommen fähigt werden, Lösungen für die drän- oder am Besten sogar neue Fragestel- genden globalen Probleme zu finden. Speziell im Nationalpark Hunsrück- lungen kreieren. Hochwald steht Wissen zu ökologi- schen und kulturhistorischen Themen Der Leitspruch des Bildungsprogramms im Mittelpunkt, ganz im Sinne des Leit- des Nationalparks Hunsrück-Hochwald spruchs „Natürlich, mit Geschichte“. „Im Kleinen das Besondere entdecken“ Diese Themen sollen verschiedene Di- vereint diese beiden Säulen des Wis- mensionen berücksichtigen: Ökologi- sens und der Kompetenzen. Nehmen sche, ökonomische, soziale und kul- wir einen Buchenkeimling als Beispiel. turhistorische Aspekte und so einen Dieses kleine Pflänzchen kann eine gro- Perspektivenwechsel ermöglichen. ße Buche werden. Im Nationalpark qua- si die erste Generation, auf die „born to Damit die Menschen ihr Wissen auch be wild“ zutrifft. entsprechend anwenden können, sind soziale und persönliche Kompetenzen Zum einen will der Nationalpark den essentiell. Eine dieser Kompetenzen Kindern und Jugendlichen den Raum ist z.B. das „Vernetzt arbeiten“. In den und die Chance geben, dass sie die Bildungsangeboten des Nationalparks kleinen Besonderheiten und Wunder Hunsrück-Hochwald wird dies bei- in der Natur erkennen. Im Mittelpunkt spielsweise durch spielerisches „For- steht auch der Aufbau eines Nahgefühls schen in Expertengruppen“ umgesetzt. Die Klasse wird in verschiedene Ex- pertengruppen eingeteilt, die sich un-

24 umweltjournal 59/2016 9

Ein Nationalpark für die Menschen

Wildnis für alle! Anfassen – verstehen – schützen.

Warum ist Wildnis nicht nur im Nationalpark wichtig? Orientiere dich im Wald und nimm seine verschiedenen Facetten unter die Lupe. Begib dich auf die Suche nach den Spuren der Wildnis.

Zielgruppe: Sekundarstufe 1 Treffpunkt: Hunsrückhaus am Erbeskopf, 54411 Deuselbach Dauer: Halbtags oder ganztags Maikäfer Foto: Konrad Funk Eine abenteuerliche Geschichte zieht sich wie ein Roter Faden durch den Tag und zur Natur und einer Identifizierung mit erzeugt Spannung und Motivation. Nach einer Kennenlernphase wird die Klasse in der Region. Zum anderen ist es auch verschiedene Expertengruppen eingeteilt (z.B. Navigation, Buche, Fichte, Wasser, eine Kompetenz, wenn man in der Lage Moos). Nun wird mit Hilfe von GPS-Geräten ein Treffpunkt im Wald angesteuert ist, in kleinen Dingen etwas Besonderes und so die Orientierung geschult. Das Navigationsteam übernimmt Verantwortung zu entdecken und sie wert zu schät- für sich und für die Gruppe. Dadurch dass die Kinder ihren Weg zum nächsten zen. Menschen, die diese Fähigkeit be- GPS-Punkt selber wählen, gibt es Raum für Mitbestimmung und Eigeninitiative. herrschen, gehen mit anderen Augen In der nächsten Phase steht das Erforschen im Mittelpunkt. Die Expertengruppen durchs Leben. Sie sind womöglich auch nehmen unterschiedliche Lebensräume unter die Lupe, z.B. ein Moor, einen na- mit einfacheren und kleineren Dingen turnahen Buchen- sowie einen stark veränderten Fichtenbestand. Die Vielfalt in zufrieden, was dann auch z.B. Auswir- der Natur wird erkannt und der Blick für die kleinen und großen Besonderheiten kungen auf das Konsumverhalten die- wird geschult. Anschließend tragen die Experten ihre Ergebnisse zusammen und ser Menschen hat. Und so schließt sich diskutieren über die unterschiedlichen Perspektiven. Dadurch üben die Kinder, ver- der Kreis und wir sehen Menschen, die netzt zu denken und sich auszutauschen. Zudem werden sie motiviert, in der Dis- nachhaltiger Denken und Handeln. kussion ihre eigenen Ergebnisse vorzutragen und die verschiedenen Standpunkte kritisch zu hinterfragen. Es stellt sich die Frage, ob der Mensch sich schon genug Das Team aus erfahrenen Nationalpark- zurückgezogen hat aus dem Nationalpark, oder ob es noch Handlungsbedarf Rangern und Experten der Archäolo- gibt. Am Nachmittag steht eine praktische Arbeit im Vordergrund. Zum Beispiel gie sowie Museumspädagogik hält für können Schälschutzmatten entfernt werden, da diese im Nationalpark nicht mehr Klassen von der Grundschule bis zur gebraucht werden, wo natürliche Prozesse ablaufen dürfen. Durch diese praktische gymnasialen Oberstufe sowie Kinder- Arbeit kann die Identifikation der Kinder mit dem Nationalpark gestärkt werden. gärten speziell abgestimmte Angebote Beim Rückweg wird auf das Erlebte zurückgeblickt und nochmal verinnerlicht. bereit. Diese Programme sind für Kin- Die Kinder haben sich einen Tag mit der Natur, dem Nationalpark und den großen dergärten und Schulklassen kostenfrei. Besonderheiten ihrer kleinen Entdeckungen auseinandergesetzt. Der Nationalpark Auf der Website finden Sie alle aktu- bietet den Kindern einen Rahmen und Möglichkeiten für Erlebnisse und die Chan- ellen Bildungsprogramme und weitere ce, etwas zu lernen. Was die Kinder tatsächlich erleben und in ihren Alltag mitneh- Informationen zur Buchung: www.natio- men, liegt immer noch in der Hand jedes Einzelnen. Ganz im Sinne der Förderung nalpark-hunsrueck-hochwald.de der Eigenverantwortung: Du entscheidest, was du draus machst

Sonderprogramme und Sonderwün- sche können durch die Zertifizierten Nationalparkführer/innen (ZNF) ermög- Autorin: Ricarda Höfle licht werden. Da diese Personen als Referentin für Umweltbildung und Selbstständige arbeiten, entstehen hier Naturerleben, Nationalparkamt Honorarkosten. Diese Kosten müssen Hunsrück-Hochwald in das jeweilige Projekt eingerechnet Ausbildung: werden. Das Nationalparkamt vermittelt Bachelorstudium Biologie mit Ihnen gerne einen passenden Zertifi- Schwerpunkt Ökologie zierten Nationalparkführer/in. Masterstudium „Naturschutz und Biodiversitätsmanagement“ Zertifizierte Erlebnispädagogin

25 umweltjournal 59/2016 Prozessschutz und Zonierung im Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Weshalb Prozessschutz und was ist das?

In Mitteleuropa und auch in Deutsch- land gibt es kaum Flächen, die nicht von menschlicher Beeinflussung ge- prägt sind. Praktisch überall wurde mehr oder weniger intensiv für die Be- dürfnisse früherer Generationen und uns heute „gemanagt“ und bewirt- schaftet. Rohstoffgewinnung, Sied- lungsbereiche, Kulturlandschaft u.a.m. (ver)brauchen viel Fläche und lassen seit vielen Jahrhunderten keinen Raum mehr für eine freie, ungestörte und na- türliche Entwicklung. Totholz Foto: Konrad Funk Auf die Wälder in Mitteleuropa bezogen existieren echte unbeeinflusste „Urwäl- tionalparkgebietes bereits weitgehend Ein Großteil dieser Flächen befindet sich der“ nur noch in schwer zugänglichen naturnahe Verhältnisse vorliegen. Ent- bereits heute im engeren Wildnisbereich Orten der Karpaten-Region (Westliche weder durch spontane natürliche Suk- des Nationalparks und ist streng ge- Ukraine, Rumänien und Slowakei). Sie zession oder durch begleitende aktive schützt. Die offizielle Bezeichnung nach sind heute unter Schutz gestellt und Maßnahmen soll das Gebiet insgesamt Staatsvertrag (StaatsV) spricht von der viele sind sogar als UNESCO-Weltna- in die Lage versetzt werden können, „Naturzone (1a)“. Zum aktuellen Zeit- turerbe anerkannt. Dort können Wis- den ungestörten Ablauf der Naturvor- punkt umfasst diese 1a-Zone etwa 2 400 senschaftler heute den ungestörten gänge in ihrer natürlichen Dynamik zu Hektar, sie erstreckt sich in einer Viel- Ablauf großräumiger ökologischer Pro- gewährleisten (§ 24 BNatschG). zahl von Einzelflächen über das gesamte zesse nachvollziehen, und Besucher Gebiet des NLP, hat gleichzeitig einen erleben echte Wildnis hautnah. Wildnis-Entwicklung und Zonie- Schwerpunkt im zentralen westlichen Teil rungskonzept im Nationalpark rund um die Ortslage von Börfink. Der Gedanke des Prozessschutzes Hunsrück-Hochwald kennt keinen festgelegten Zielzustand, Gleichzeitig herrschten zur Ausweisung vielmehr liegt das Augenmerk auf dem Die Ausgangslage vor der förmlichen des NLP auf einem nennenswerten Flä- ergebnisoffenen Zulassen und Beob- Ausweisung des Nationalparks war – chenanteil aber auch noch stark wirt- achten der freien und ungezügelten entgegen der häufig anzutreffenden schaftlich überprägte Bedingungen vor: natürlichen Abläufe („Natur Natur sein Annahme- bereits von weitgehend na- lassen“). Als charakteristisch zur vol- turnahen und sehr vielfältigen Verhält- • Die durch die Forstwirtschaft v.a. im len Entfaltung gelten ein hohes Maß nissen geprägt: 19. Und 20. Jahrhundert eingebrach- an Geduld, sehr lange Zeiträume und te Fichte bildet heute fast 40 % der gewisse Mindest-Flächengrößen. Die- • Der Anteil der Buche, die unter na- Baumartenanteile und kommt häufig se Gesichtspunkte grenzen den Pro- türlichen Verhältnissen vermutlich in Reinbeständen (Monokulturen) vor zessschutz klar ab vom klassischen die Baumarten-Ausstattung unge- Arten- oder Lebensraumschutz wie störter Wälder dominieren würde, • Moore, Bruchwälder und staunasse z.B. beim Schutzgebietsnetz NATURA beträgt ca. 48 %. Bereiche wurden etwa im gleichen 2000, welches häufig verbunden ist mit Zeitraum trockengelegt und mit um- einem konservierenden Management- • Die anzutreffenden Wälder befinden fangreichen Grabensystemen ent- Ansatz. sich in hohen Altersklassen, insb. wässert. Diese Strukturen sind bis viele Buchenwälder. Alte Wälder wei- heute erkennbar und haben noch Nach einem allgemeinen Standard von sen tendenziell viele Strukturen und immer einen immensen Einfluß auf EUROPARC sollte ein Nationalpark ei- einen gewissen Anteil toter und ab- den Wasserhaushalt und die hydro- ne Mindestflächengröße von 10 000 sterbender Bäume mit entsprechend logischen Zusammenhänge Hektar nicht unterschreiten. Das deut- seltenen Lebensräumen auf. sche Naturschutzrecht (BNatschG und • Die Wege-Erschließung im Natio- LNatschG) stellt an einen Nationalpark • Zahlreiche Sonderstandorte prägen nalparkgebiet hat sich historisch weitere Ansprüche hinsichtlich Zusam- das Gebiet! Der Wechsel auf engem entwickelt. Durch die schwierigen menhang der Lebensräume (z.B. keine Raum von feuchten Mooren und Bodenverhältnisse und die starke er- „Zerschneidung“ durch Verkehrswege) Bruchwäldern bis hin zu trocken- werbswirtschaftliche Ausrichtung gilt und ungestörter Entwicklungszustände warmen „Rosselhalden“ (Schutt- das Wegenetz heute als eines der dich- (Naturnähe der Flächen). So sollen auf hänge) ist ein besonderes Alleinstel- testen in Rheinland-Pfalz (bis zu 50 einem überwiegenden Teil eines Na- lungsmerkmal. Laufmeter Weg je Hektar Waldfläche)

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Buchenvoranbau unter Fichte Foto: Konrad Funk

Die sogenannte „Entwicklungszone tensives und schonendes Management vorbereitet. Spätestens 2045 verliert (1b)“ nach StaatsV hat einen großen weiterhin möglich und ggf. erforderlich, die Entwicklungszone ihre letzte Flä- Teil solcher Flächen aufgenommen und um bestimmte Lebensräume und Arten che zugunsten des Prozessschutzes, der Nationalpark Hunsrück-Hochwald gezielt zu erhalten (z.B. Lebensräume es existieren dann nur noch Zone 1 wird deshalb auch als „Entwicklungs- im Offenland, NATURA 2000-Flächen). (Prozessschutz!) und Zone 2 (Pflegezo- nationalpark“ bezeichnet. Auf diesen Die im Rahmen der Bürgerbeteiligung ne). Darüber hinaus gilt es als gesetztes Flächen sollen zunächst naturnähere der örtlichen Bevölkerung garantierte Ziel, bereits 2025 mindestens 50 % des Bedingungen aktiv geschaffen werden, Brennholzversorgung wird aus Wald- Nationalparkgebietes in der Naturzone um sie danach dem Prozessschutz voll- flächen der Zone 2 gewährleistet. (1a) zu führen. ständig zu überlassen. Fichten und stel- Aspekte des Naturschutzes und der lenweise Lärchen werden entnommen Landschaftspflege genießen bei sämt- und junge Buchen gepflanzt, um das lichen Maßnahmen Priorität. Die Flä- Waldschutzrisiko durch Borkenkäfer für chen der Pflegezone sind dauerhaft benachbarte Wälder und den damit ver- festgelegt. Hier erfolgt streng genom- bundenen Kontrollaufwand zu senken. men kein Prozessschutz, sie stehen Entwässerungsstrukturen werden zu- vielmehr kontinuierlich für die Pufferung rückgebaut bzw. unwirksam gemacht. zur umgebenden Kulturlandschaft und Dies geschieht in sehr sensiblen Berei- übergeordnete Maßnahmen zur Erfül- chen durch mühevolle Handarbeit, in lung des Nationalpark-Ziels zur Verfü- passenden Flächen auch mit maschi- gung. Die Größe der Pflegezone um- neller Unterstützung. Hier darf das En- fasst mit etwa 2 500 Hektar ca. 25 % gagement der Stiftung Natur und Um- der Fläche des Nationalparks. welt Rheinland-Pfalz nicht unerwähnt bleiben, die derzeit im Rahmen eines Resümee und Ausblick EU-LIFE-Projektes etwa 60 Hektar be- einträchtigte Hangmoore im Zentral- Schutzgebietsziel des Nationalpark bereich des Nationalparks renaturiert. Hunsrück-Hochwald ist in Übereinstim- Wege werden nach Maßgabe eines der- mung mit einschlägigen internationa- Autor zeit entwickelten Wegeplans aufgege- len Standards und Naturschutzrecht ben oder zurückgebaut. Perspektivisch der Prozessschutz („Natur Natur sein Georg Bauer werden alle Flächen der 1b-Zone von lassen“) auf dem überwiegenden Teil derzeit etwa 5 300 Hektar in längstens der Fläche. Zu diesem Zweck wurde Nationalparkamt, Leiter Abteilung 3 29 Jahren der Naturzone 1a Schritt für eine abgestufte Zonierung für das Ge- Forschung, Biotop-, Wildtiermanagement Schritt zugeführt und beruhigt. biet des Nationalparks entworfen und umgesetzt, das Zonierungskonzept Neben den bereits erwähnten Zonen 1a ist im Staatsvertrag (§ 3) festgeschrie- und 1b wurde die sogenannte „Pflege- ben und hat für das Management des zone (2)“ ausgewiesen (StaatsV), um Nationalparks unmittelbare Geltung. Übergänge zur benachbarten Kultur- In der Naturzone findet bereits heute landschaft oder rund um die Siedlungs- Prozessschutz statt, ca. 5 300 Hektar lagen innerhalb des Parkes zu schaffen. in der Entwicklungszone werden heu- Innerhalb solcher Bereiche ist ein ex- te auf den Übergang in die Naturzone

27 umweltjournal 59/2016 Klimawandel und Baumarteneignung in der Nationalparkregion

Die Zonierung für den Nationalpark sieht vor, dass sich nach einer Übergangs- phase langfristig 75 % der Fläche natürlich, d.h. frei von menschlichen Einflüssen entwickeln. Ganz „natürlich“ wird die Entwicklung freilich nicht ablaufen können, denn neben anhaltend hohen Stickstoffeinträgen in die Waldökosysteme und Um- gebungseinflüssen, wie vielerorts hohe Schalenwilddichten, beeinflusst der vom Menschen verursachte Klimawandel die Walddynamik. Für die künftige Baumarte- neignung könnte er sogar der Schlüsselfaktor sein.

Fragen Entwicklung der Temperatur im meteorologischen Jahr (Dez-Nov) im Der vom Menschen verursachte Kli- Nationalpark Hunsrück-Hochwald im Zeitraum 1882 bis 2015 mawandel macht sich auch in Rhein- land-Pfalz bemerkbar und wird die Walddynamik im Nationalpark Huns- rück-Hochwald beeinflussen. Am Aus- gangspunkt der natürlichen Waldent- wicklung wollen wir uns mit einigen Leitfragen näher befassen:

• Wie kann das Klima der Hunsrück- Region charakterisiert werden und welche Klimaveränderungen sind rückblickend bereits feststellbar, auch im Vergleich zu den angrenzen- den Flussregionen von Mosel, Saar und Nahe?

• Welche Klimaveränderungen sind auf- Abbildung 1: Die mittlere Jahrestemperatur für das meteorologische Jahr ist von 1882 grund regionaler Klimaprojektionen bis bis heute im Nationalpark Hunsrück-Hochwald von etwa 6,0 auf 7,7 °C angestiegen. Ende des Jahrhunderts möglich? Phänologische Uhr für Naturraumgruppe 24: Hunsrück • Welche Auswirkungen sind damit für die Eignung und das Wohlbefinden der Leitphasen, mittlerer Beginn und Dauer der phänologischen Jahreszeiten heute in der Nationalparkregion vor- Zeiträume 1961-1990 und 1991-2015 im Vergleich kommenden Baumarten verbunden? 1991-2015 Winter 112 Tage • Welche Potenziale haben heute mit geringen Anteilen vertretende Neben- 1961-1990 Vorfrühling baumarten und Pionierbaumarten? 122 Tage Spätherbst 21 Dez Jan 36 Klimaveränderungen in der 21 Nov Feb Nationalpark-Region bis heute 12 Okt März 35 19 Vollherbst 24 Sep Apr Erstfrühling Während das Klima der Hunsrück- 32 Aug Mai 32 Region insgesamt als relativ mild und 18 26 Juli Juni subozeanisch geprägt charakterisiert 30 Frühherbst 47 werden kann, ist die Nationalparkregion 24 durch ein eher raues und niederschlags- 17 32 reiches Hochflächenklima mit kühlen Spätsommer Vollfrühling 45 25 Sommermonaten geprägt. Bei einem Höhengradienten von 385 bis 810 m Hochsommer Frühsommer über dem Meeresspiegel liegen mehr Im äußeren Kreis ist der Zeitraum 1991-2015 dargestellt, im inneren Kreis der Referenzzeitraum 1961-1990. als 90 % der Fläche zwischen 500 und Datenquelle: Deutscher Wetterdienst | © www.kwis-rlp.de 750 m. Die Jahresmitteltemperatur liegt heute bei zirka 7,7 °C, die Niederschläge Abbildung 2: Phänologische Uhr für den Naturraum Hunsrück. Gegenüber 1961- 1990 ist der Winter in der Gegenwart (1991-2015) um 10 Tage kürzer geworden.

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Ensemble der Temperaturänderung im meteorologischen Jahr Veränderte Blüh- und Entwicklungsphasen

Folgen des Klimawandels sind in der Natur phänologisch am zeitlichen Eintritt von Blüh- und Entwicklungs- phasen bei ausgewählten Baum- und Straucharten beobachtbar. Vergleicht man die Gegenwart (1981-2010) mit der jüngeren Vergangenheit (1961-1990), hat sich die Vegetationszeit im Huns- rück auf heute 253 Tage verlängert. Vom kürzeren Winter profitiert fast aus- schließlich der Herbst, der früher ein- setzt und länger andauert.

Klimaprojektionen für die Hunsrück-Region bis 2100 Abbildung 3: Die Temperaturentwicklung zeigt bis 2100 unter Annahme des Szena- rios A1B einen deutlichen Trend nach oben, mit einem mittleren Anstieg von 2,7 ° C Das Waldklima in Rheinland-Pfalz wird und einer modellabhängigen Bandbreite zwischen 2 und ca. 4 °C. sich bis Ende des 21. Jahrhunderts nach den verfügbaren regionalen Kli- Ensemble der Niederschlagsänderung in der forstlichen Vegetationszeit maprojektionen zu warm-trockenen Verhältnissen in der forstlichen Vegeta- tionszeit verschieben. Die grobe räum- liche Auflösung der Projektionen erlaubt es allerdings nicht, Unterschiede zwi- schen aneinandergrenzenden Regionen aufzuzeigen.

Die Jahresmitteltemperatur in der Re- gion wird, wie auch in Rheinland-Pfalz insgesamt, nach den vorliegenden re- gionalen Klimaprojektionen bis Ende des Jahrhunderts um weitere + 2 °C bis + 4 °C gegenüber dem Referenz- zeitraum 1971-2000 ansteigen. Die an- gegebene Bandbreite basiert auf den Modellergebnissen von 15 regionalen Klimamodellen, unter Annahme des Abbildung 4: Die Niederschläge in der forstlichen Vegetationszeit können bis 2100 Emissionsszenarios A1B. Gegenüber im Mittel um ca. 15 % abnehmen, bei einer Bandbreite von ±0 bis fast 30 %, je nach heute 400 ppm (parts per million) an Klimamodell. Treibhausgasemissionen wird bei A1B ein Anstieg auf zirka 850 ppm bis 2100 betragen im Mittel annähernd 1200 mm. Abnahme als im Moseltal (minus 20 Ta- angenommen, was etwas unterhalb der Zum Vergleich: Die Jahresmitteltempe- ge) und im Saar-Nahe-Bergland (minus derzeitigen Emissionsentwicklung liegt. ratur für das Saar-Nahe-Bergland liegt 25 Tage). Enorm zugenommen haben heute bei 9,5 °C, im Moseltal liegt sie bei dagegen die Sommertage (Tagesma- Ein eindeutiger Richtungstrend lässt 10,2°C. Das Niederschlagsniveau kann ximumtemperatur größer 25 °C) in der sich für den Niederschlag nicht ange- für beide Regionen mit zirca 760 mm Nationalparkregion, auf heute im Mittel ben. Für die Region des Nationalparks angegeben werden. knapp 25 Tage pro Jahr gegenüber circa zeigen die Modelle bei der Entwicklung 5 um 1881. Somit werden gegenwärtig der Niederschlagssumme in der forst- Bei den klimatischen Kenntagen ist seit so viele Sommertage pro Jahr registriert lichen Vegetationszeit eine Bandbreite Beginn der systematischen Messungen wie im Saar-Nahe-Bergland Ende des zwischen – 25 % und ±0 %. Diese Ent- im Jahr 1881 im Hunsrück die Anzahl an 19. Jahrhunderts. „Heiße Tage“ mit ei- wicklung ist vergleichbar mit den Pro- Eistagen (Tagesmaximumtemperatur < nem Tagesmaximum über 30 °C waren jektionen für Rheinland-Pfalz gesamt. 0 °C) und Frosttagen (Tagesminimum- vor hundert Jahren im Hunsrück nahezu temperatur < 0 °C) signifikant zurückge- nicht bekannt; heute kommen sie min- gangen. Dreißig Frosttage weniger seit destens jedes zweite Jahr vor, im Mittel Ende des 19. Jh. bedeuten eine stärkere gibt es sogar 5 heiße Tage pro Jahr.

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Extreme Wetterereignisse wie Sturm, und Douglasie über das heutige und anbieten, bis 2100 werden sich die tie- Hagel und Starkregen sind in den ver- das künftige Waldklima eingeschätzt. feren Lagen des Nationalparks gering- gangenen Jahrzehnten auch im Huns- Dazu wurde der klimatische Einfluss fügig zu „geeignet“ verschlechtern. rück immer wieder aufgetreten, mit auf das Wachstum und die Vitalität der bekannten Folgen wie Sturmwurf und Wälder abgebildet. Im Ergebnis wird Mit der Trauben- und der Stieleiche in der Folge Schäden durch forstliche für alle fünf Hauptbaumarten bis Ende kommen in Rheinland-Pfalz zwei Ei- Insekten wie Borkenkäfer. Auch wenn 2100 eine generell abnehmende Eig- chenarten natürlich vor, die Waldland- Aussagen zum künftigen Auftreten von nung projiziert. Für den Nationalpark, schaften wie den Bienwald oder den Extremen schwierig sind, werden diese wie auch für die höher gelegenen La- Pfälzerwald ihr charakteristisches Er- mit hoher Wahrscheinlichkeit im Laufe gen von Eifel und , stellen scheinungsbild verleihen. Als Wärme des Jahrhunderts häufiger und intensi- sich die Entwicklungsperspektiven aber liebende Baumarten werden sie je nach ver werden. Daneben wird die Klimava- durchaus differenziert dar. Region unter künftigen Klimabedingun- riabilität, sowohl innerhalb eines Jahres gen noch bessere Bedingungen vorfin- als auch von Jahr zu Jahr, sehr wahr- Als prägende Baumart der potenziell den. Insbesondere in den gegenwär- scheinlich zunehmen. natürlichen Waldvegetation in Mitteleu- tig vielfach zu kalten höheren Lagen ropa befindet sich die Buche im Huns- des Hunsrück könnten sich durch mehr Risiken und Chancen von Hauptbau- rück-Hochwald in ihrem ökologischen Wärme die Bedingungen für die Eichen marten im Nationalpark Optimum. Auf etwa 45% der Fläche soll verbessern. Mehr noch als bei anderen durch Waldumbaumaßnahmen die Ent- Baumarten stellt sich bei den Eichen Die Klimaveränderungen werden für die wicklung zu Buchenwaldgesellschaften die Frage, wie sich Krankheiten und im Hunsrück vorkommenden Baumar- initiiert werden. Das dahinter stehende Schädlinge künftig verändern werden. ten mit Risiken, womöglich aber auch Leitbild ist kompatibel mit den klima- mit Chancen verbunden sein. Für den tischen Entwicklungsperspektiven der Die Fichte wird nicht nur in Rheinland- Wald in Rheinland-Pfalz insgesamt wur- Buche. Bis in die nahe Zukunft können Pfalz die am stärksten vom Klimawan- de die heutige und künftige Baumarte- selbst die heute nur bedingt geeigneten del betroffene Baumart sein. Die emp- neignung für die forstlich wichtigsten Höhenlagen ab etwa 650 m über dem findlich auf Sommertrockenheit bzw. Baumarten Buche, Eiche, Fichte, Kiefer Meer gute bis sehr gute Verhältnisse Dürre reagierende Baumart wird am

Eignungsschätzung für Eignungsschätzung für die Rotbuche für den die Rotbuche für die ferne Referenzzeitraum Zukunft (2071-2100) (1971-2000) nach A1B-trocken

Sehr gut geeignet Gut geeignet Geeignet Bedingt geeignet Nicht geeignet

limamodell: WETTREG 2006

Abbildung 5: Für die Buche im Hunsrück-Hochwald könnten die gegenwärtig nur „bedingt geeigneten“ Hochlagen (Grafik links) bis 2100 sogar günstigere Bedingungen anbieten (Grafik rechts).

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Pionierbaumarten verfügen auf Sturmwurfflächen über effektive Vermehrungs- und Ausbreitungsmechanismen und prägen die erste Sukzessionsphase der neuen Waldgeneration.

Ende des Jahrhunderts nur noch in den Die Douglasie weist, trotz ihrer bis 2100 Wie sich künftige Wirt-Parasit-Verhält- Höhenlagen von Rheinland-Pfalz „kli- auch im Nationalpark tendenziell ab- nisse entwickeln, ist jedoch von gro- magerechte“ Bedingungen mit ausrei- nehmenden Eignung, eine deutlich gün- ßer Bedeutung. Gerade Insektenarten chenden Sommerniederschlägen und stigere Entwicklungsperspektive als die könnten sich wesentlich schneller an nicht zu hohen Temperaturen vorfinden. Fichte auf. Aufgrund hoher Wassernut- den Klimawandel anpassen als unsere Die insgesamt düsteren Perspektiven zungseffizienz, tiefer Durchwurzelung Baumarten. Folglich könnten sie die für die Fichte in Rheinland-Pfalz werden auf geeigneten Standorten und guter Waldentwicklung auch im Nationalpark jedoch auch den Hunsrück-Hochwald Anpassung bzw. Unempfindlichkeit maßgeblich beeinflussen. Auch wenn tangieren. Ist heute nach den Baumar- gegenüber hohen Sommertemperatu- forstwirtschaftliche Aspekte auf der Na- teneignungskarten noch das gesamte ren, bei gleichzeitig geringem Krank- turwaldfläche des Nationalparks in den Gebiet für die Baumart sehr gut bis heits- und Schadensrisiko, kann die Hintergrund treten, ist die Walddynamik gut geeignet, wird bis 2100 mehr als Douglasie aus heutiger Sicht zu den unter dem Einfluss von Parasiten eines die Hälfte der Fläche nur noch bedingt klimastabilen Nadelbaumarten gerech- der interessantesten Forschungsfelder. geeignet sein. In den tieferen Lagen des net werden. Im Zuge der natürlichen Nationalparks könnte die Fichte sich ih- Waldverjüngung kann die Douglasie an Potenziale von Neben- und Pionier- rer Warm-Trockengrenze nähern. Konkurrenzkraft gewinnen und künftig baumarten größere Anteile einnehmen. Die günstigen Perspektiven für die Ei- In nicht mehr genutzten Wäldern ent- che gelten im Grunde auch für die Kie- Entwicklung von Wirt-Parasit-Ver- steht durch natürlichen Zerfall ein raum- fer. Als Baumart, die höhere Ansprüche hältnissen zeitliches Mosaik von Lücken und Kahl- an Wärme hat und Trockenheit besser flächen. Darüber hinaus können sich erträgt als z. B. die Buche oder insbe- Die Entwicklung von in der Regel an „Störungslücken“ aber auch infolge von sondere die Fichte, kann für die Kiefer bestimmte Baumarten gebundenen – sehr wahrscheinlich zunehmenden im Gegensatz zu heute bis Ende 2100 forstlichen Insekten oder Pilzen konn- – extremen Wetterereignissen bilden. nahezu die komplette Fläche zumindest te bei der Abschätzung der Baumar- Unter solchen Bedingungen besitzen „geeignet“ sein. teneignung nicht abgebildet werden. Pionierbaumarten wie Birke, Weide oder

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Aspe spezifische Eigenschaften, die ih- Für den Hunsrück können nahezu al- nen Konkurrenzvorteile verschaffen und len betrachteten Nebenbaumarten bzw. auch generell unter den Bedingungen Pionierbaumarten aufgrund ihrer spezi- des Klimawandels vorteilhaft sind: Sie fischen Eigenschaften und der Anpas- fruktifizieren häufig, verbreiten ihre Sa- sung an Wärme und Trockenheit unter- men effektiv, stellen geringe Standortan- schiedliche, aber insgesamt durchaus sprüche und verfügen generell über ein gute Zukunftsperspektiven attestiert hohes Anpassungsvermögen gegenüber werden. Insofern können diese Arten unterschiedlichen, variablen Umweltver- das Spektrum erweitern und die biolo- hältnissen. gische Vielfalt bereichern.

In einer Literaturstudie wurden 10 ge- Ein Forschungslabor unter Einfluss zielt ausgewählte Nebenbaumarten gut- des Klimawandels achtlich auf klimabedingte Risiken und Chancen geprüft. Beispielsweise wurde Für Monitoring und Forschung unter die Empfindlichkeit gegenüber Trocken- dem Einfluss des Klimawandels bie- heit, Staunässe sowie gegenüber Frost tet der Nationalpark Hunsrück-Hoch- und Sturm eingeschätzt; aber auch die wald ein Freilandlabor der besonderen Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und Art. Neben der Erforschung der „na- Autor: Dr. Ulrich Matthes Schädlingen und Wildverbiss, die gene- türlichen“ Sukzession ist eine zentrale ist Forstwissenschaftler und leitet das tische Diversität und Anpassungsfähig- Frage, wie sich Baumarten und Wald- bei der Forschungsanstalt für Waldöko- keit sowie das natürliche Areal wurden ökosysteme weitgehend ohne mensch- logie und Forstwirtschaft in Trippstadt einbezogen. Mit „Potenzial“ erzielten die lichen Einfluss an den Klimawandel angesiedelte Rheinland-Pfalz Kompe- an Wärme und Trockenheit gut angepas- anpassen. Welche Baumarten werden tenzzentrum für Klimawandelfolgen. sten Baumarten Elsbeere, Esskastanie sich künftig wohl fühlen bzw. sich unter Von 2008 bis 2011 koordinierte er das und Hainbuche die günstigste Bewer- den Konkurrenzbedingungen durchset- Landesprojekt Klima- und Landschafts- tung. Das gilt auch für die Stieleiche zen, wie werden die Wälder zusammen- wandel in Rheinland-Pfalz. Das im Jahr und die Weißtanne, da beide Baumarten gesetzt sein, werden an kühl-feuchte 2010 eingerichtete Kompetenzzentrum gegenüber Witterungsextremen wenig Verhältnisse angepasste Baumarten zu- befasst sich mit den Auswirkungen des anfällig sind und auch bei den weiteren gunsten von Wärme liebenden Baumar- Klimawandels auf alle Gesellschafts- aufgeführten klimawandelrelevanten Ei- ten zurückgedrängt? Was passiert auf und Umweltbereiche in Rheinland- genschaften günstig abschnitten. Lücken bzw. Kahlflächen, die infolge Pfalz. Es werden Risiken und Chancen von natürlichem Zerfall oder bedingt aufgezeigt und Anpassungsstrategien durch extreme Wetterereignisse ent- entwickelt. Einen vielfältigen und um- standen sind? Und wie werden sich fassenden Service bietet das Klima- Krankheiten sowie blatt- und nadelfres- wandelinformationssystem kwis-rlp sende Insekten entwickeln? Das sind (www.kwis-rlp.de). nur einige Fragen, mit denen sich die Forschung im Nationalpark künftig be- fassen wird.

32 umweltjournal 59/2016 lzujournal Mit dem Kochlöffel Klimasparbuch das Klima schützen! Rheinhessen 2016

Wie Erwachsene Vorbilder für unsere Beim Klimaschutz-Koch-Workshop Mit dem Klimasparbuch „Rheinhes- Zukunft werden. werden nützliche Hintergrundinforma- sen 2016“, das vom Bistum Mainz tionen vermittelt und die Kriterien einer gemeinsam mit der Landeszentra- Seit diesem Jahr veranstaltet die Lan- nachhaltigen und zukunftsfähigen Er- le für Umweltaufklärung Rheinland deszentrale für Umweltaufklärung (LZU) nährung gleich umgesetzt: – Pfalz und dem Oekom-Verlag ver- Rheinland-Pfalz eintägige Workshops öffentlicht wird, wollen wir die Men- zum Thema „Klimafreundliches Ko- • frisch Kochen schen (in Rheinhessen) einladen, Ihr chen“. Mitarbeitende aus der Kinder- • überwiegend vegetarisch Leben klimaschonend zu gestalten. und Jugendarbeit sowie der Erwachse- • regionale und saisonale Lebensmittel nenbildung erfahren dabei, wie sie mit • ökologischer Anbau Ihrer Zielgruppe klimafreundlich kochen • umweltverträgliche Verpackung können. • Fairer Handel • Genuss beim Essen Denn den wenigsten ist bekannt, dass • weniger Lebensmittelverschwen- 31% der weltweiten Klimagasemissio- dung. nen direkt der Landwirtschaft und der veränderten Landnutzung zuzuschrei- Auf dem Workshop werden neben dem ben sind. Verarbeitung, Transport, praktischen Kochen, Methoden spiele- Kühlung, Erhitzung, Zubereitung und rischer Wissensvermittlung ausprobiert Entsorgung von Lebensmitteln hinzu- und die eigenen Ernährungsgewohn- gerechnet, ergibt, das etwa 40% aller heiten reflektiert. Das eigene Vorbild ist Emissionen. eines der wichtigsten pädagogischen Elemente in der Arbeit mit Kindern, Ju- Wer etwas gegen schmelzendes Polar- gendlichen und Erwachsenen. eis, darauf folgende Überschwemmun- gen und Millionen von Klimaflüchtlingen Falls auch Sie in Ihrer Gemeinde, Ih- tun möchte, fängt am beste auf dem rer Stadt, Ihrem Landkreis, Ihrem Ver- eigenen Teller an. Und das können be- ein oder Ihrer Einrichtung einen Klima- reits die Kleinsten! schutz-Koch-Workshop mit mindestens Das Klimasparbuch ist ein handliches, 12 Teilnehmenden durchführen wollen, praxisorientiertes Ratgeber- und Gut- dann wenden Sie sich an Koray.kara- scheinbuch für den Klimaschutz in allen [email protected] oder per Telefon Bereichen des Alltags. Es nimmt die 06131 16-5971. LeserInnen an die Hand und führt sie in ihrer Region an all die Ecken, wo Autorin: Koray Karabiyik man Einkaufen, Essen und Entspannen kann und dabei sowohl das Klima als Nach dem Studium der Diplompäd- auch den eigenen Geldbeutel schont. agogik habe ich nebenberuflich eine Zahlreiche Gutscheine für vergünstigte Fortbildung in abenteuerlicher Natur- oder kostenlose Angebote regen zum und Umweltbildung gemacht, aus der klimafreundlichen Handeln im Kleinen eine selbstständige Tätigkeit mit dem an. Darüber hinaus gibt es viele Tipps Klimakochen entstand. Seit dem Jahr für ein klimafreundliches Leben, die oft 2014 bin ich bei der LZU in der Ernäh- ganz von selbst auch eine finanzielle rungsbildung, u.a. mit dem Kochbus Ersparnis mit sich bringen. So ist das aktiv. Außerdem engagiere ich mich bei Klimasparbuch ein praktisches Beispiel Foodsharing, sowie Naturschutz- und dafür, dass sich Klimaschutz rechnet – Bildungsverbänden. individuell, lokal und global.

Quelle und weitere Informationen: www.klimasparbuch.net

33 lzujournal 59/2016 Schulgarten

Die eigenen Hände in die Erde stec- ken, etwas säen, Keimlinge pflegen, Kompost herstellen, Regenwürmer und Schnecken beobachten, das Wachstum der Pflanzen und ihr Reifen verfolgen, Tomaten, Kartoffeln, Karotten, Radies- chen ernten, Beeren naschen oder aus geernteten Früchten gemeinsam et- was leckeres kochen - ein Schulgarten macht vieles möglich.

Er ist ein Ort, an dem sich Natur und Kultur auf intensive Weise begegnen. Hier lernen Kinder und Jugendliche, die Natur mit ihren jahreszeitlichen Rhyth- men kennen und gleichzeitig, wie sie genutzt werden kann. Wer die Gesetze der Natur respektiert, wird mit einer reichen Ernte belohnt. Sie entwickeln Empathie, Neugier und handwerkliches Geschick. Wer gärtnert, der muss rech- nen und planen, dokumentieren und Vertretern staatlicher Organisationen brauchen, eine Referentin für einen Stu- beobachten, reflektieren und optimie- getragene Gruppe, die sich aus be- dientag oder eine Lernwerkstatt zum ren. Und das alles in Bewegung und in ruflichen und ideellen Gründen für die Thema Schulgarten suchen, melden Sie frischer Luft. Förderung des Schulgartens als Lernort sich bei: einsetzen. Vertreter/innen des Umwelt- Dr. Birgitta Goldschmidt, Der Schulgarten erfüllt mithin in ho- und Bildungsministeriums, des päd. Tel: 0261 9522213, hem Maße den Anspruch an ganzheit- Landesinstitutes, der Gartenakademie E-Mail: [email protected]. liches und effektives Lernen nicht nur Rheinland-Pfalz, Bildung für Nachhal- alleine sondern auch in der Gruppe. tige Entwicklung-Berater und das Ge- In unregelmäßigen Abständen ver- Gemeinschaftliche Gartenarbeit braucht nerationenSchulGarten-Netzwerk der schickt die AG Schulgarten RLP den viele unterschiedliche Kompetenzen: Region Koblenz gehören ihm an. Garten-Rundbrief „Zukunft: Schulgar- Wissen und Können, Körperkraft und ten“. Wer in den Verteiler aufgenommen Kreativität, Erfahrung und Fantasie, Ge- Lehrkräften, die einen Schulgarten be- werden möchten, schickt bitte eine E- schicklichkeit und Ausdauer, Genauig- treiben, und Schulen, die einen Schul- Mail an Dr. Birgitta Goldschmidt. keit und Geduld, Erklären und Zeigen, garten planen, bietet die Arbeitsgruppe Rechnen und Schätzen, Risikofreude Schulgarten Rheinland-Pfalz („Zukunft: Mit dem Förderprogramm „naturnahe und Resilienz. Jede und jeder kann sich Schulgarten“) Unterstützung an: Erlebnisräume“ kann mindestens die einbringen, unabhängig von Alter, Ge- Hälfte der anfallenden Kosten für die schlecht, Sprache, kultureller und sozi- von der individuellen Schulgarten-Be- Anlage oder Umgestaltung eines Schul- aler Herkunft, körperlicher und geistiger ratung über zahlreiche Info-Materialien, gartens, aber auch eines KiTa-Gartens, Leistungsfähigkeit. Der Schulgarten er- einem eigenen Praxis-Leitfaden, einer eines Gemeinschafts- oder Generatio- öffnet damit Perspektiven für inklusives umfangreichen Webseite (http://nach- nenschulgartens abgedeckt werden. In- Lernen in der Schule, der die Grenzen haltigkeit.bildung-rp.de/schulische- teressenten/innen wenden sich bitte an: zwischen Sprachen, sozialen Schichten netzwerke/schulgartennetzwerk.html), und Ethnien überwindet. Und er kann Fortbildungen und Lernwerkstätten bis Ministerium für Umwelt, Energie, ein Ort der generationsübergreifenden zu mobilen Kistengärten und – ganz Ernährung und Forsten Bildungsarbeit sein. wichtig - einem Förderprogramm für Frau Martina Boost, Schulgärten Tel: 06131 – 162630 In Rheinland-Pfalz wird die Anlage und E-Mail: [email protected] der Betrieb von Schulgärten, aber auch Auf jährlichen landesweiten aber auch von KiTa-Gärten, Gemeinschaftsgärten regionalen Netzwerktreffen besteht für Weitere Hinweise zum Förderprogramm: oder Generationengärten auf vielfältige Schulgarten-Aktive zudem die Möglich- Weise begleitet und unterstützt. keit, sich auszutauschen und voneinan- http://mueef.rlp.de/de/themen/natur- der zu lernen. schutz/bildung-fuer-nachhaltigkeit/ In der Arbeitsgemeinschaft Schulgarten Rheinland-Pfalz sind dafür verschie- Wenn Sie eine kostenlose, individu- dene Institution und Personen enga- elle Schulgartenberatung für Anlage giert. Es ist eine von Vertreterinnen und und Management eines Schulgartens

34 lzujournal 59/2016 Hope Theatre Nairobi: Nachhaltiger Umgang mit Wasser weltweit

Das aus den Slums von Kenia stam- mende Hope Theatre Nairobi war in ganz Rheinland-Pfalz unterwegs, um mit seinem Theaterstück „Wasser“ an Schulen aufzutreten.

Seit 2012 reist das Ensemble des Hope Theatre Nairobi jährlich nach Deutsch- land und anderen europäischen Län- dern, um Stücke zum Thema Fairness im wirtschaftlichen und sozialen Kon- text zu präsentieren.

Nach ihrer erfolgreichen Tournee 2014 mit „The Fair Trade Play“ setzte sich die Truppe dieses Jahr mit dem The- ma Wasser auseinander. Hierbei wollen sie Schüler in Rheinland-Pfalz auf die Problematik mit dem Umgang von Was- ser durch die Menschheit aufmerksam machen.

Besonders will die Gruppe darüber auf- klären, dass Wasser ein begrenztes und auch von Natur aus ungleich verteiltes Element ist. Zurzeit ist ein Wirtschafts- gut daraus geworden, das für große Teile der Weltbevölkerung nur schwer zugänglich ist. Es wird verbraucht, ver- schmutzt, macht die einen reich und die anderen krank. Das Recht auf Was- ser jedoch ist essentiell für ein gesun- des Leben und ein Grundstein für eine nachhaltige Entwicklung.

Das Theaterstück ist eine Collage, be- stehend aus Spielszenen, Gesang, Tanz sowie Videosequenzen und deckt ein weites Spektrum von Themen rund um die essentielle Ressource ab.

Die sozial-politische Theatergruppe aus Nairobi, Kenia, wurde 2009 von dem der Truppe mittlerweile möglich gewor- Schulen, bei denen das Ensemble mit deutschen Regisseur Stephan Bruck- den, von ihrer Arbeit zu leben. Die In- großem Interesse von den SchülerInnen meier mit jungen Erwachsenen aus den itiative schafft somit also auch konkret empfangen wurde. Im Anschluss an das Armenvierteln der Metropole gegründet. nachhaltige Arbeitsplätze in den Slums. ca. 90-minütige Stück beantworteten Seitdem trainiert das Ensemble eigen- die Akteure Fragen der SchülerInnen ständig und kontinuierlich in Kariobangi Die Landeszentrale für Umweltaufklä- und diskutierten über die Folgen der für lokale Auftritte und arbeitet immer rung Rheinland-Pfalz hat Auftritte an ungleichen Wasserverteilung weltweit. wieder projektbezogen mit RegisseurIn- Fair-Trade-Schulen im ganzen Bundes- nen, SchauspielerInnen und StudentIn- land gefördert und aktiv bei der Pla- Autoren nen aus Europa und Afrika zusammen. nung mitgewirkt. Carla Schlösser und Speziell für das Theaterstück „Was- Dadurch kam es im Zeitraum vom Jan-Niklas Wiedenhöft ser“, welches eine Produktion des Ke- 22. Februar – 05. März 2016 zu ei- FÖJ- Rheinland-Pfalz bei der LZU nya Art Projects ist, übernahm Judith ner öffentlichen Abendveranstaltung in Kunz die Projektleitung. Durch die Ein- Mainz-Finthen und zu insgesamt neun nahmen aus dem Kartenverkauf ist es Auftritten des Hope Theatre Nairobi an

35 lzujournal 59/2016 4. Aktion-Bien Jahrestagung 2016

Felix steckt unter Aufsicht von Karen Lau mutig seinen Finger in den Bienenschwarm

Methodisch-didaktische Anregungen und Konzepte für Arbeitsgemeinschaf- ten im Aktion-Bien-Projekt der Lan- deszentrale für Umweltaufklärung im Verlauf des Schuljahrs bei unterschied- lichen Witterungsverhältnissen stan- den bei der Landesjahrestagung am 31.5.2016 im Vordergrund. Gleichzeitig konnte das neu eingerichtete Aktion- Bien-Kompetenzzentrum am Tagungs- ort „Johannesgymnasium/Lahnstein“ mit Schulgarten, Bienenwiese und Ar- beitsräumen vorgestellt werden. An diesem Bildungs- und Beratungszen- trum im Netzwerk Aktion-Bien besteht dienstags nachmittags – möglichst nach Absprache - Hospitationsmöglich- keit für Projektlehrer und –imker beim AG-Unterricht mit Grundschülern der Schillerschule und Johnny-Gymnasi- asten. 72 Lehrer, bzw. Imker, von den Heidi Scholl und ihre Schülerinnen zeigen und erklären die Herstellung insgesamt 120 Förder-, Grund-, Real-, von echten Bienenwachsmalstiften Berufsschulen, Gymnasien und Ju- gendbildungsstätten im Aktion-Bien- Kompetenzzentrums zusammen mit 25 im hohlen Fichtenstamm, in Klotz- und Netzwerk Rheinland-Pfalz besuchten Schüler/Innen einen Rundlauf durch Magazinbeuten, informierte sich über diese Fortbildungsveranstaltung. Un- neun weitere Workshops an. Dabei die Geschichte der Recyclinghonigglä- sere Gastreferentin Karen Lau von der konnten die Teilnehmer Bienenwachs ser von 1920 bis heute, den Einsatz der Bienenschule am Deister in Springe aus alten Waben gewinnen, Mittelwän- Pollenfalle, Pollenbestimmung mit APP bei Hannover stellte ihr Projekt „Som- de und farbige Wachsmalstifte selbst und Mikroskop), Gemülldiagnose und merbienen – vom Schwarm zum Bie- herstellen, in Enkaustiktechnik Oster-, Varroaentwicklung und –bekämpfung, nenvolk und Kindern, die zu Akteuren Weihnachtsschmuck und Kunstpostkar- Völkerkontrolle etc. Die Grundschüler werden“ vor. Besonders begeisterte ten kreieren, Beuten bauen und Rähm- zeigten Ihre selbst erstellten Bienenmo- die Teilnehmenden der Phänologische chen zusammenhämmern. Im ehema- delle, demonstrierten anschaulich mit Kreiskalender und das Einlogieren eines ligen Klostergarten konnte man sich Pappsammelbeinen am eigenen Körper, vorbereiteten Kunstschwarms in die nicht nur das Schul- und Bienengar- wie sich die Höschen mit Pollen füllen, modifizierte Mini-Plus-Überwinterungs- tenkonzept vorstellen und erklären las- und suchten im Tanzspiel Trachtquellen beute Danach boten die Mitarbeiter des sen, sondern man erlebte Honigbienen (Golfbälle).

36 lzujournal 59/2016 Bei der Jahrestagung 2017 wird wie- der die aktuelle Bienenforschung zum Schwerpunkt gemacht werden. Carlo demonstriert an Pollenhöschen aus der Pollenfalle die Trachtpflanzenbe- stimmung mit der APP und die Herstellung eines Mikropräparates Alle wesentlichen Fragen zum Projekt Aktion Bien sind unter www.groenert.bildung-rp.de/Bien.htm beantwortet.

Hansjörg Groenert, Autor - selbstän- diger Dozent für Biologiedidaktik und Projektleiter von Aktion Bien, ehemals Fachleiter für Biologie am Staatl. Studi- enseminar für das Lehramt an Gymna- sien – hier im Gespräch mit Lehrern und Imkern am Bienenstand – Jahrestagung 2016

Fotos: Hannah Groenert

Anmerkung: Die zweite Tagung von „Aktion Bien„ fand unter dem Titel “Bienen in Schulen und KiTas der Großregion„ am 15. Juni 2016 in Burg Reuland im deutschspra- chigen Teil Belgiens statt. Weitere Infor- mationen unter: www.umdenken.de ww.bne-Grossregion.net

Nurin und Emma simulieren mit ihren Sammelbeinmodellen die Entstehung der Pollenhöschen

37 lzujournal 59/2016 Überlebenskünstler auf schroffem Fels Die Flechten der Rosselhalden des Nationalparks Hunsrück-Hochwald

Abb 1 Halde Silberich im NSG Kirschweiler Festung.jpg

Abb 1 Halde Silberich im NSG Kirschweiler Festung

Eine Besonderheit des Nationalparks Hunsrück-Hoch- Flechten wald sind neben den Hangbrüchern die offenen, fast Flechten sind keine einheitlichen Orga- nismen wie Moose oder Blütenpflan- vegetationsfreien Quarzit-Blockhalden (Rosselhalden). zen. Sie bestehen aus einer Lebensge- Sie besitzen eine nur sehr geringe Rohhumus-Auflage meinschaft aus einem Pilz- und einem oder mehreren Algenpartnern. Als Ein- und sind am Rand mit dem sehr seltenen Karpatenbir- zelorganismen könnten weder der Pilz ken-Ebereschen-Blockwald bestanden. noch die Alge für sich allein auf den unwirtlichen Rosselhalden überleben. Denn diese sind durch starke Tempera- Es handelt sich um Lebensräume, die am Silberich (Abb. 1), am Ringkopf, turschwankungen geprägt: im Sommer seit der letzten Eiszeit waldfrei sind am Pfannenfels-Kopf, im NSG Rossel- durch große Hitze und damit verbun- und damit eine ganz besondere Flora halde sowie an der Mörschieder Burr. dene intensive UV-Strahlung, im Winter und Fauna beherbergen. Besonders In Deutschland gibt es nur sehr weni- durch klirrende Kälte und eine häufig felswohnende Flechten und Moose ha- ge vergleichbare Standorte, so z.B. im wochenlang liegende Schneedecke. ben hier ein Refugium gefunden. Gut , in der Rhön und am . Nur Spezialisten sind in der Lage, hier ausgeprägte Vorkommen finden sich zu überleben, und dazu gehören ne- ben einigen Moosarten vor allem die Flechten. Sie bilden auf den Felsen und Blockmeeren häufig dichte, weißliche Matten oder gelbe bzw. bräunliche, kru- stige Überzüge.

Flechten auf Rosselhalden

Zu den auffälligen, leicht erkennbaren Flechtenarten der Rosselhalden gehö- ren die Wald-Rentierflechte Cladonia arbuscula und die Gewöhnliche Land- kartenflechte Rhizocarpon geographi- cum. Die Wald-Rentierflechte (Abb. 2) bildet zwischen flachen Steinen dichte, fahlgelbe Polster. Im trockenen Zustand sind die Polster spröde und können bei Trittschäden leicht zerstört werden. Im feuchten Zustand ist die Flechte weich und elastisch. Sie ist eine typische Art für voll besonnte Standorte und saures, hartes Silikatgestein. Ähnliche Standor- tansprüche hat auch die Gewöhnliche

Abb. 3 Gewöhnliche Landkartenflechte Rhizocarpon geographicum Rosselhalde NWR Gottlob

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Abb 1 Halde Silberich im NSG Kirschweiler Festung

Abb 2 Wald-Rentierflechte Cladonia Abb. 4 Korallen-Porenflechte Pertusaria corallina, Halde Silberich arbuscula Halde Silberich

Landkartenflechte (Abb. 3). Ihr Name lei- per besitzt zahlreiche Pusteln, die der bestehen. Somit kann die Art auch an tet sich davon ab, dass sie auf den Fels- Flechte den Namen gegeben haben. regengeschützten Bereichen wachsen, flächen krustige, gelblich-grüne Über- Im trockenen Zustand ist die graue Art indem sie das notwendige Wasser in züge bildet, die an Landkarten erinnern. ebenfalls spröde und zerbricht leicht. Form von Tau oder Luftfeuchtigkeit auf- Sie ist an lichtreichen Standorten weit Wenn es regnet, färbt sie sich grünlich- nimmt. Die intensiv gelbe Farbe stammt verbreitet. Auf den Rosselhalden des braun und ist weich und elastisch. An von der Produktion von Pulvinsäure-De- Nationalparks ist mit der Landkarten- tieferen, abgelegenen Stellen der Ros- rivaten. Eine besonders bemerkenswerte flechte häufig die Korallen-Porenflechte selhalden, die nicht der direkten Son- Flechte ist Sphaerophorus globosus, Pertusaria corallina (Abb. 4) vergesell- neneinstrahlung ausgesetzt sind, fallen der Korallen-Kugelträger (Abb. 8), der schaftet, die jedoch deutschlandweit hellgelbe, leuchtende Flecken auf. Man in Rheinland-Pfalz aktuell nur aus dem eher selten ist und in niederschlags- könnte fast meinen, hier habe jemand Hunsrück bekannt und vom Aussterben reichen Lagen vorkommt. Die Koral- die Felsen mit gelber Farbe eingesprüht. bedroht ist. Auf den Rosselhalden des len-Porenflechte bildet gut kenntliche, Es handelt sich jedoch nicht um Far- Nationalparks ist sie sehr selten und grau-weiße Krusten, die in der Mitte klei- be aus der Sprühdose, sondern um die wächst in schattigen, nordexponierten ne, zylindrische Strukturen ausbilden. Lepra-Schwefelflechte Chrysothrix chlo- Bereichen. Der Korallen-Kugelträger ist Diese sogenannten Isidien dienen der rina (Abb. 7). Sie bildet dickliche Kru- ein Indikator für naturnahe Standorte in vegetativen Vermehrung, können leicht sten aus, die aus sehr feinen Körnchen niederschlagsreichen Lagen. abbrechen und dann wieder zu neuen Flechten heranwachsen. Ein besonderes Habitat, die Stirnflächen von exponierten Felskuppen, besiedeln die Nabelartige Schüsselflechte Parmelia omphalodes und die Pustelflechte Lasallia pustula- ta. Bei der erstgenannten Art (Abb. 5) handelt es sich um eine Blattflechte, die einen grauweißen bis dunkelbraunen Vegetationskörper besitzt. Die einzelnen Lappen liegen häufig dachziegelig über- einander. An schattigeren Standorten ist die Art blassgrau gefärbt, an exponier- ten sonnigen Standorten dunkelbraun. Es handelt sich hierbei um eine Anpas- sung an extreme Lichtverhältnisse durch Pigmentierung. Besonders auffällig und gut kenntlich ist die viel größere Pu- stelflechte (Abb. 6). Sie gehört zu der Gruppe der sogenannten Nabelflechten, da sie nur mit einer Stelle, dem Nabel, an der Unterlage festgewachsen ist. Der blättrige, relativ große Vegetationskör- Abb. 5 Nabelartige Schüsselflechte Parmelia omphalodes, Halde Silberich

39 umweltjournal 59/2016 >

Abb. 6 Pustelflechte Lasallia pustulata, Halde Silberich Abb. 7 Lepra Schwefelflechte Chrysothrix chlorina, Halde Silberich

Aber nicht nur für Flechten sind die Ros- schnell aus und werden dann spröde selhalden von Bedeutung, sondern auch und porös. Ein einziger, unbedachter für seltene und gefährdete Moosarten. Schritt mit festen Wanderschuhen oder Das Orkney-Lebermoos Anastrepta or- das Spielen und Klettern in den Fel- cadensis ist in Deutschland nur aus dem sen kann daher sehr schnell zum Aus- Hunsrück, dem Harz, dem Thüringer löschen ganzer Populationen führen. Wald, dem Schwarzwald und dem Bay- Die Flora und Vegetation der Halden erischen Wald nachgewiesen. Noch viel ist daher durch anthropogene Einflüs- seltener ist das Zypressen-Schuppen- se (Trittschäden) stark gefährdet. Das zweiglebermoos Lepidozia cupressina, Wegegebot im Nationalpark ist daher das nur aus dem Nationalpark Huns- unbedingt zu beachten und einzuhal- Autoren rück-Hochwald und einem weiteren ak- ten. Kritisch sind Bereiche, die an stark tuellen Vorkommen im Nordschwarzwald frequentierte Wanderwege grenzen. So Dr. Dorothee Killmann arbeitet als wis- bekannt ist. liegen z.B. die Halde Silberich oder die senschaftliche Mitarbeiterin an der Uni- Mörschieder Burr direkt am Saar-Huns- versität Koblenz-Landau am Campus Gefährdung und Schutz rück-Steig. Die exponierten Felsen am Koblenz. Zu ihren Forschungsschwer- Rand der Wanderwege laden hier zur punkten zählen die Erfassung von Die Rosselhalden des Nationalparks Rast ein. Hinweisschilder, die auf die Flechten und Rotalgen der deutschen Hunsrück-Hochwald beherbergen eine seltenen und schützenswerten Arten sowie Fragen von Ökolo- einzigartige Vielfalt seltener und ge- hinweisen, können zur Sensibilisierung gie und Bioindikation. Darüber hinaus fährdeter Flechtenarten. Diese trocknen der Wanderer beitragen. arbeitet sie an der Erforschung tropi- bei Wind und Sonneneinstrahlung sehr scher Flechten und Orchideen.

Prof. Dr. Eberhard Fischer, Lehrstuh- linhaber für Botanik an der Universi- tät Koblenz-Landau am Campus Kob- lenz, forscht seit vielen Jahren an der Diversität heimischer und tropischer Kryptogamen und Blütenpflanzen. Ei- nen Schwerpunkt bilden hierbei Moose, Flechten, Farne und unterschiedliche Algengruppen. Im tropischen Afrika, insbesondere in Ruanda und auf Mada- gaskar, arbeitet er seit mehreren Jahr- zehnten an der Erfassung von Moosen, Flechten, Farnen und Angiospermen.

Abb. 8 Korallen-Kugelträger Sphaerophorus globosus Literatur: Matzke, G. (1990): Der Karpatenbirken-Ebereschen-Blockwald – auch im Rheinischen Schiefergebirge. Decheniana 143, 160-172. Wirth, V. & Kirschbaum, U. (2014): Flechten einfach bestimmen. Quelle & Meyer, Wiebelsheim.

40 umweltjournal 59/2016 DasHeadline LIFE-Projekt „Hangmoore im Hochwald“ im Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Am Südhang des Erbeskopfs, der in alten Forstkarten auch „Moßberg“ genannt wird, erstreckt sich eins der spannendsten Moorkomplexe des Hunsrücks, die hier als „Brücher“ bezeichnet werden. Vom Langbruch bis hinunter zum Traunbach zieht sich ein Netz von ehemals zusammenhängenden Nassstandorten. Im EU LIFE-Na- turschutzprojekt „Hangmoore im Hochwald“, das im Januar 2015 gestartet ist, wird dieses gestörte System nun restauriert.

Das bedeutet, dass nach einer um- fassenden Planungsphase Entwässe- rungsgräben verschlossen, Fichten ent- nommen und Forstwege zurückgebaut werden. Dadurch wird der Anstoß zu Abb. 7 Lepra Schwefelflechte Chrysothrix chlorina, Halde Silberich einer positiven Entwicklung der Moor- standorte gegeben. Regenwasser ver- bleibt länger und nachhaltiger im Gebiet, wodurch auch die Degradation des Torfs angehalten wird. Die Arten der Moore können sich erholen und wieder ausbrei- ten und die charaktergebenden Brücher des Nationalparks werden mit den Arbei- ten für die Zukunft gesichert.

Die Stiftung Natur und Umwelt Rhein- land-Pfalz koordiniert das durch die EU zur Hälfte geförderte Projekt. Die Umset- Torfmoose speichern Wasser wie ein Schwamm zung erfolgt in enger Partnerschaft mit dem Nationalparkamt Hunsrück-Hoch- von unzersetzten Pflanzenteilen bildet bindungen zu den weiter hangabwärts wald, Landesforsten Rheinland-Pfalz und sich Torf. Torf und Torfmoose speichern gelegenen Mooren und bilden so zusam- dem Bergwaldprojekt. Weitere finanzielle Wasser wie ein Schwamm und tragen menhängende Systeme. Auf Standorten Unterstützung erhält das Vorhaben durch damit zusätzlich zur weiteren Vernässung mit ganzjährig guter Wasserversorgung den NABU Rheinland-Pfalz und die Na- des Standorts bei. entwickeln sich weitgehend gehölzfreie, turschutzabteilung des Ministeriums torfmoosdominierte Bereiche mit Arten für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Moore sind seltene Ökosysteme und als der Übergangsmoore. Weinbau und Forsten. Rückzugsgebiet für besondere Tier- und Pflanzenarten von großer Bedeutung. LIFE ist ein Förderprogramm der EU zur Im Hunsrück konnten die bis zu 6.000 Finanzierung von Naturschutzmaßnah- Jahre alten und bis zu 2 Meter mächti- men zur Erhaltung bzw. Wiederherstel- gen Torfe wegen wasserundurchlässi- lung natürlicher Lebensräume und der ger Erdschichten und durch das kühle, Populationen wildlebender Tier- und niederschlagsreiche Klima entstehen. Pflanzenarten in NATURA 2000 Schutz- Die Brücher wurden in der Vergangen- gebieten. „Hangmoore im Hochwald“ ist heit jedoch oftmals empfindlich gestört. das sechste EU LIFE-Projekt der Stiftung Anthropogene Einflüsse wie Entwässe- Natur und Umwelt. Aktuell koordiniert sie rungsgräben, Wegebau und anschließen- ein weiteres Moorprojekt mit Standorten de Aufforstung führten zu erheblichen in Hunsrück und Eifel sowie die Wieder- Veränderungen und teilweise sogar zum ansiedlung des Luchses im Pfälzerwald. Verlust von Moorlebensräumen.

Ohne Wasser kein Moor Die im Nationalpark noch großflächig zu findenden Moorbereiche sind hydro- Wenn Wasser im Überfluss vorhanden logisch als Quell- und Hangmoore an- Seltene Art der Hunsrückmoore: ist, so dass abgestorbene Pflanzentei- zusprechen. Viele der Brücher stehen die Arktische Smaragdlibelle le aufgrund von Sauerstoffmangel nicht untereinander in Kontakt. Ausgehend (Somatochlora arctica) mehr vollständig verrotten, kann ein von den kammnahen Quellaustritten zie- ©M. Papenberg Moor entstehen. Durch das Anhäufen hen unterschiedlich stark vernässte Ver-

41 umweltjournal 59/2016 Nutzung und Störung der Moore

Die Nutzung der Brücher im Hochwald be- gann schon im 18. Jahrhundert. Den Bau- ern der angrenzenden Dörfer stand das Recht am Weichholz und an der Grasnut- zung zu. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Moorstandorte zur wirtschaftli- chen Nutzung systematisch durch Gräben entwässert und mit Fichten bepflanzt. Au- ßerdem wurden Moore zur Trinkwasserge- winnung genutzt und ein weit verzweigtes Wegenetz gebaut, das manche Brücher komplett durchschneidet.

Die Folgen dieser Eingriffe sind heu- te noch allgegenwärtig: ein gestör- ter Wasserhaushalt, Erosion, Verlust der ursprünglichen Vegetation und die Freisetzung von CO2 durch das Zersetzen des bis zur Hälfte aus Kohlen- stoff bestehenden Torfs. Moorbirkenhain im Langbruch

Die ehemaligen Bruchstandorte kann man heute oft an den mit Fichten be- standenen Bereichen zwischen den angrenzenden Buchenwäldern erken- nen. Die schnellwüchsige, als Bau- und Papierholz begehrte Baumart war ur- sprünglich im Hunsrück nicht behei- matet. Auf den trockengelegten Moor- standorten kämpft sie mit Problemen wie Windwurfanfälligkeit, sommerlicher Trockenheit und Borkenkäferbefall.

Revitalisierung der Moorpotentiale

Für den sinnvollen Einsatz von Projekt- mitteln ist eine Erfassung des Ausgangs- zustands der biotischen und abiotischen Grundlagen der Projektflächen unerläs- slich. Die Maßnahmen müssen auf die verfügbaren Potentiale und die vorhan- Der „fleischfressende“ Rundblättrige Sonnentau © S. Caspari denen Arten eng abgestimmt werden. Um dies zu gewährleisten, werden im Rahmen des Vorhabens verschiedene Parameter erfasst, die auch der späte- ren Erfolgskontrolle dienen und als For- schungsgrundlage von Bedeutung sein können. Dazu gehören sowohl eine bo- denkundliche Standortskartierung mit Erfassung der Torfmächtigkeiten, eine computergestützte Analyse von Entwäs- serungsstrukturen, eine Kartierung des Abflussverhaltens und eine Auswertung historischer Karten als auch eine Kartie- rung der wertgebenden Vegetation, der Torfmoose (Sphagnum spec.) und der FFH-Lebensraumtypen sowie eine Erfas- sung der Libellen im Projektgebiet. Nebelstimmung im Hangmoor „Sausteiger Bruch„

42 umweltjournal 59/2016 Entwicklung der Natur

Eine Blüte der Moosbeere © M. Scholtes Typisch in den Hangbrüchern: Breitblättriges Wollgras Foto: M. Schmitt

Alle gesammelten Daten werden na- Kommunikation der Arbeiten turschutzfachlich bewertet und in den Maßnahmenplan integriert. Die Vorgaben Eine intensive Begleitung der Maßnah- des Plans müssen in enger Abstimmung men durch Öffentlichkeitsarbeit, aber mit den Ausführenden vor Ort weiter- auch durch das Einbinden von Interes- entwickelt werden, um eine zielgenaue, sensvertretern aus Naturschutz, For- möglichst schonende und technisch an- schung und Behörden ist ein wesent- gepasste Durchführung der Arbeiten zu licher Bestandteil der Projektarbeit. Es gewährleisten. gibt unter anderem Erklärungsbedarf, warum innerhalb eines Prozessschutz- Im Wesentlichen bestehen die Revitali- gebiets so große Anstrengungen zum sierungsarbeiten aus der Entnahme von Erhalt der Moore unternommen werden. Fichten, dem Verschließen von Entwäs- Ohne die Aufwertung des Wasserhaus- serungsgräben und dem Rückbau von halts würde ein Großteil der Brücher wei- Forstwegen. Eine mancherorts großflä- ter degradieren und letztlich verschwin- chige Entnahme von Fichten ist unum- den. Ist das Moor nass, erhält es sich gänglich, da die negativen Auswirkungen hingegen von selbst. Autor: Jan Hoffmann der standortsfremden Baumart beträcht- Stiftung Natur und Umwelt lich sind. Im Schatten der dichtgewach- In einem Forst-Protokoll von 1743 heißt Rheinland-Pfalz senen Monokulturen herrscht Trocken- es: „Das Thranengebrüch ist ein guter Projektleiter EU LIFE heit und Artenarmut, außerdem sind die Auerhahn Balzplatz. Deshalb bestens Projekt Hangmoore im Hochwald Bäume anfällig für Windwurf und Bor- zu verschonen und zu conservieren.“ www.life-moore.de kenkäferbefall. Erst durch das Auflichten Hoffentlich gelingt es uns, diesen Vor- der Standorte und den konsequenten schlag nach 250 Jahren in die Tat um- Verschluss der Entwässerungsstrukturen zusetzen. kann eine Restitution von stark degra- dierten Moorstandorten erreicht werden.

Neben dem Wissensaustausch mit an- deren Moorprogrammen und Experten kann das Projekt auch von den Erfahrun- gen des bereits seit 2011 laufenden LIFE Moore-Projekts profitieren. Beispielswei- se konnten sich die Freiwilligeneinsätze des Bergwaldprojekts zur Moorrestaurie- rung über Jahre entwickeln.

43 umweltjournal 59/2016 Abflussmonitoring auf Moorstandorten im Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Hangmoore gehören zu den typischen und schützenswerten Landschaftseinheiten im Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Sie entstehen natürlicherweise dort, wo ei- ne Sperrschicht die Versickerung des Wassers im Untergrund hemmt und das im Bodenkörper hangabwärts fließende Wasser, der sogenannte Interflow, bis in Ober- flächennähe aufgestaut wird. Die Staunässe führt zur Ansiedlung von Torfmoosen und zu einer stark verlangsamten Zersetzung des abgestorbenen Pflanzenmateri- als. So entsteht sukzessive eine Torfauflage, welche den Moorkörper bildet. Begün- stigt wird die Entstehung von Hangmooren durch schlecht wasserdurchlässiges Ge- stein in Verbindung mit hohen Jahresniederschlagsummen - Standortfaktoren, die im Nationalpark Hunsrück-Hochwald gegeben sind.

Hangmoore im Nationalpark Huns- rück-Hochwald: aktuelle Situation

Aktuell sind viele der Hangmoore im Hochwald, die lokal auch als (Hang-) Brücher bezeichnet werden, erheblich durch den Menschen beeinflusst und mitunter sogar stark degradiert. Grund dafür sind umfangreiche Entwässe- rungsmaßnahmen, die bereits seit napo- leonischer Zeit im Gebiet des heutigen Nationalparks vorangetrieben wurden.

Hangmoore sind aufgrund ihres hohen Wasserstandes im Boden für eine forst- wirtschaftliche Nutzung ungünstig bis völlig ungeeignet. Mit Beginn der mo- dernen Forstwirtschaft im frühen 19. Jahrhundert entstand daher ein dichtes Netzwerk von Entwässerungsgräben, Abb. 1: Hangmoor im Nationalpark Hunsrück-Hochwald um die staunassen Flächen zu entwäs- sern. Auf den trockengelegten Flächen wurden vor allem Fichtenmonokultu- Hangmoore erfüllen mehrere Ökosy- Die Moore im Gebiet des Nationalparks ren angelegt. Mit Unterbrechungen, stemfunktionen: Neben der Habitat- sind jedoch durch anthropogene Ent- vor allem während der beiden Welt- funktion für seltene Tier- und Pflan- wässerungsmaßnahmen entweder stark kriege, wurden bis Ende der 1980er zenarten, die sich an die feuchten und gefährdet oder bereits nahezu vollstän- Jahre mehr oder minder aktiv Gräben nährstoffarmen Standorte angepasst dig trockengelegt. Eine Moorrenaturie- angefertigt oder instand gehalten. Heu- haben, sorgen Hangmoore durch ihre rung durch Rückbau der entwässern- te beträgt die Länge aller Entwässe- wasserspeichernde Wirkung für eine den Strukturen soll den ursprünglichen rungsgräben im Nationalpark weit mehr Abflussverzögerung. Hierdurch kann in Zustand wiederherstellen. Der vorlie- als 100 km. Abbildung 2 zeigt die im Trockenphasen nicht nur länger Wasser gende Beitrag zeigt, wie das von Mitar- Untersuchungsgebiet kartierten Grä- in der Fläche zurückgehalten werden, beitern der Universität Koblenz-Landau ben vor dem Hintergrund der Daten zur auch der Scheitelabfluss und damit die südlich des Erbeskopfes durchgeführte Verbreitung staunasser Bereiche, die Entstehung von Hochwasserereignissen Abflussmonitoring zur Beurteilung des von den Landesforsten Rheinland-Pfalz in niederschlagsreichen Perioden wird Ist-Zustandes und zur Evaluierung der erhoben wurden. Die Passung zwischen in intakten Mooren vermindert. durchgeführten Maßnahmen beitragen Gräben und staunassen Bereichen ist kann. klar erkennbar.

44 umweltjournal 59/2016 Entwicklung der Natur >

Neben diesen Gräben existiert zusätz- lich ein dichtes Netz von Wegseitengrä- ben und unterirdischen Wiesendraina- gen, die ebenfalls eine entwässernde Funktion aufweisen. Zusammengenom- men sorgen diese Strukturen dafür, dass eigentlich im Boden gestautes Wasser schnell oberflächlich abgeführt wird.

Abflussmonitoring: eine wichtige Methode zur Beurteilung des Was- serrückhalts

Um den aktuellen Zustand bestehen- der und potentieller Moorflächen zu er- fassen, wird neben einer umfassenden bodenkundlichen Kartierung der Moore seit Anfang des Jahres 2015 auch ein detailliertes Abflussmonitoring betrie- ben. Hierzu wurde ein Messnetz von 90 diskontinuierlichen Messstellen, meist Abb. 2: Heutige Verteilung der Entwässerungsgräben (gelb) am Südhang des Erbe- direkt in Gräben gelegen, und derzeit skopfes in Abhängigkeit von der Staunässe (Kartenhintergrund: DTK25 und DGM1 15 Dauerpegeln im Untersuchungsge- des LVermGeo RLP. Quelle der Staunässedaten: Landesforsten Rheinland-Pfalz). biet eingerichtet. Abbildung 3 zeigt die Verteilung der Messpunkte im Untersu- chungsgebiet, die vor allem am Südost- hang des Erbeskopfes gelegen sind.

Die Messung des Abflusses an mög- lichst vielen Messpunkten im Einzugs- gebiet soll einen Einblick in die der- zeitigen Abflussprozesse ermöglichen. In Verbindung mit zeitlich hoch auf- gelösten Klimadaten der Wetterstation Hüttgeswasen, betrieben vom Dienst- leistungszentrum Ländlicher Raum Rheinland-Pfalz, kann spezifisch für je- den Messpunkt die Abflussreaktion auf Niederschlagsereignisse ermittelt wer- den. Dies erlaubt eine Aussage darüber, wie schnell das Niederschlagswasser aus dem Gebiet geleitet wird. Die La- tenzzeit zwischen Niederschlag und dem Anstieg des Abflusses ermöglicht einen Rückschluss auf den dezentralen Wasserrückhalt und den Zustand der im Gebiet vorhandenen Feuchtflächen und Moore. Auch kann genau beurteilt wer- Abb. 3: Abflussmessstellen im Untersuchungsgebiet. Die Positionen der in Abbil- den, welche der Gräben besonders viel dung 4 exemplarisch dargestellten Pegel Casparsbruch und Tierchbruch sind mit (A) Abfluss generieren und daher im Zuge und (B) angegeben. (Kartenhintergrund: DTK25 und DGM1 des LVermGeo RLP). von Renaturierungsmaßnahmen prio- ritär verschlossen oder zurückgebaut werden sollten.

45 umweltjournal 59/2016 >

Dezentraler Wasserrückhalt im Na- Zeitraum im März liegt - also zu einem Im Zuge einer wirksamen Renaturierung tionalpark Hunsrück-Hochwald Zeitpunkt, zu dem am Ende des Win- der Moorflächen sollen möglichst viele ters die maximale Wassersättigung der der Entwässerungsgräben verschlossen Alle Abflussmesspunkte, die in po- Flächen zu erwarten wäre. Die Dauer- und Wege zurückgebaut werden. Das tentiellen Hangmoorgebieten liegen, beobachtungen werden in den kom- sich langsam wieder im Gebiet rück- zeigen während der Messungen eine menden Sommermonaten wertvolle Er- stauende Wasser soll die Bildung eines schnelle Reaktion auf Niederschläge. gebnisse zu der Frage liefern, wie sich Moorkörpers begünstigen, Restflächen Abbildung 4 zeigt die Reaktion des Ab- die Flächen unter Trockenstress verhal- sollen wieder an den Stauwasserkör- flusses an zwei Dauermessstellen auf ten. Diskontinuierliche Messungen, die per angeschlossen werden. Bereits die Niederschlagsereignisse im Winterhalb- seit April 2015 durchgeführt wurden, derzeit vorliegenden Ergebnisse liefern jahr 2015/16. Die Position der Pegel ist zeigten bereits ein Trockenfallen zahlrei- schon Erkenntnisse darüber, welche Abbildung 3 zu entnehmen. cher Messstellen von Juni bis Septem- Gräben prioritär deaktiviert werden soll- ber 2015. Auch an anderen Dauerpegel ten, um den Wasserrückhalt im Natio- Während ausgeprägter Niederschlags- lassen sich ähnliche Beobachtungen nalpark zu verbessern. und Trockenphasen lässt sich gut nach- machen – dies lässt den Schluss zu, vollziehen, wie wirksam die Graben- dass die beobachteten Effekte nicht Ob die durchgeführten Renaturierungs- strukturen das Wasser aus dem Gebiet singulärer Natur, sondern vielmehr all- maßnahmen wirksam und nachhaltig leiten: Punkt (1) zeigt einen sehr nie- gemeingültig für das Untersuchungsge- erfolgversprechend sind, soll in Zukunft derschlagsreichen Tag (09.02.2016) mit biet sind. ebenfalls durch kontinuierliche und dis- einer Niederschlagssumme von 33,9 kontinuierliche Messungen evaluiert mm. Beide Pegel reagieren auf diesen Rückbau und Deaktivierung der ent- werden. In Verbindung mit gleichzeitig Input extrem schnell. Während der Pe- wässernden Strukturen: Schritte in durchgeführten Bodenuntersuchungen gel Tierchbruch 1 am Folgetag sein Richtung einer Moorrenaturierung lässt sich so dokumentieren, inwieweit höchstes Abflussmittel zeigt (34,5 l/s), die sukzessive Wiederherstellung ehe- weist Pegel Casparsbruch Ost dieses Die gemessenen Werte belegen, dass maliger Moorstandorte im Nationalpark schon am 09.02.2016 auf (10,2 l/s). die Grabensysteme eine schnelle und Hunsrück-Hochwald gelingt. Punkt (2) zeigt, dass der Abfluss be- nachhaltige Entwässerung potentieller reits am 11.2.2016 merklich abnimmt, Hangmoorstandorte bewirken und zu um nach einem weiteren Niederschlag- hohen Abflussspitzen nach Starkrege- sinput am 13.02.2016 von 12,73 mm nereignissen beitragen. ebenso schnell wieder anzusteigen. Hieran lässt sich das enorm sensiti- Tagesmittelwerte des Abflusses ve und schnelle Ansprechverhalten der entwässerten Flächen erkennen. Das beschriebene Muster wiederholt sich danach - wenngleich auch aufgrund des geringeren Niederschlags auf nied- rigerem Abflussniveau (Punkt 3).

Einen weiteren deutlichsten Hinweis darauf, welche Folgen die schnelle Ableitung des Wassers aus dem Ge- biet hat, gibt die vergleichsweise lan- ge Trockenphase bei Punkt (4). Hier fallen die Abflusswerte an beiden Pe- geln deutlich ab und erreichen ein sehr niedriges Basisniveau. Pegel Caspars- bruch Ost weist in diesem Zeitraum nur noch Abflusswerte zwischen 0,5 und 1 l/s auf. Es ist anzunehmen, dass der Gebietsspeicher nahezu vollstän- dig geleert wurde. Dieser Befund ist im Hinblick auf den Erhalt der Hangmoore recht dramatisch, da der betrachtete Abb. 4: Tagesmittelwerte des Abflusses (Q) an den Dauerpegeln Casparsbruch Ost und Tierchbruch 1 und tägliche Niederschlagssummen (P) an der Wetterstation Hütt- geswasen der DLR RLP.

46 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Im Ochsenbruch Foto: Konrad Funk

Julian Zemke ist Wissenschaftlicher Dieter König ist Professor für Physische Michael Tempel ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Geogra- Geographie und Geschäftsführender Mitarbeiter in der Abteilung Geogra- phie des Instituts für Integrierte Na- Leiter der Abteilung Geographie des In- phie des Instituts für Integrierte Natur- turwissenschaften am Campus Kob- stituts für Integrierte Naturwissenschaf- wissenschaften am Campus Koblenz lenz der Universität Koblenz-Landau. ten am Campus Koblenz der Universität der Universität Koblenz-Landau. Er be- Er untersucht seit 2011 den Einfluss Koblenz-Landau. Er arbeitet seit 1985 schäftigt sich seit 1999 mit Abflusspro- der forstwirtschaftlichen Nutzung auf auf dem Gebiet „Bodenerosion und Bo- zessen und dezentralem Hochwasser- Abflussentstehung und Bodenerosion denschutz“ und untersucht seit 1998 schutz in bewaldeten Einzugsgebieten, in bewaldeten Einzugsgebieten. Seine Abflussprozesse und Möglichkeiten zur insbesondere mit der abflussmodifizie- 2015 abgeschlossene Dissertation be- Verbesserung des dezentralen Hoch- renden Wirkung anthropogener Entwäs- handelt insbesondere den Einfluss von wasserschutzes in bewaldeten Einzugs- serungsgräben auf forstlich genutzten Forstwegen und Rückegassen. gebieten. Mittelgebirgsstandorten.

47 umweltjournal 59/2016 Biodiversität in Buchen-Naturwaldreservaten des Nationalparks Hunsrück-Hochwald

Bedeutung von Naturwäldern

Welchen Einfluss ein Nationalpark auf die Biodiversität bzw. auf den Arten- schutz ausübt, können wir in Rhein- land-Pfalz zurzeit nur in kleineren Wald- flächen wie Naturwaldreservaten bzw. NWR Gottlob in Kernzonen eines Biosphärenreserva- NWR Springenkopf tes oder mit einem Blick über die Gren- zen von Rheinland-Pfalz erfahren.

Naturwälder entwickeln sich im Gegen- NWR Ruppelstein satz zu bewirtschafteten Wäldern aus- schließlich spontan, mit der Folge, dass dort im Laufe der Zeit vielfältigere und reicher strukturierte Lebensräume ent- stehen, mit entsprechender Wirkung auf dortige Lebewesen. Insbesondere sel- tene und spezialisierte Arten, die Struk- Lage der drei Naturwaldreservate in der Gebietskulisse des Nationalparks Hunsrück- turen wie Totholz oder Mulmhöhlen im Hochwald (Grenze rot) Wirtschaftswald kaum finden, haben in Naturwäldern weit bessere Überle- bieten, von denen manche aus den zunehmen soll. Dabei spielt auch die benschancen, für manche Urwaldre- Wirtschaftswäldern ganz verschwun- Habitatqualität und die Habitattradition liktarten sind sie die einzige Rettung. den sind“. Ein weiteres, wie wohl dra- eine wesentliche Rolle. Naturwaldreser- stisches Beispiel zeigt, dass „Die eu- vate fungieren ausserdem als wichtige Beispiele für die Bedeutung der Natur- ropaweit seltensten Spechtarten, der Spenderflächen. wälder als Refugien zeigen die Unter- Dreizehenspecht und der Weißrücken- suchungen zur Artenvielfalt in den drei specht, praktisch nur noch in Naturwäl- Naturwaldreservate im Nationalpark Urwäldern Bialowieza (Polen), La Mas- dern vorkommen“2. Hunsrück-Hochwald sane (Pyrenäen) und Bödmerenwald (Schweiz)1, nämlich dass „Urwaldreste Auch wenn wir keine Urwälder mehr Die Wälder der Naturwaldreservate unzähligen und auch ökologisch spe- haben, enthalten unsere unterschiedlich Springenkopf, Gottlob und Ruppel- zialisierten seltenen Arten Lebensraum und verschieden stark bewirtschafteten stein liegen im heutigen Nationalpark Wälder Strukturen und Nischen als Le- Hunsrück-Hochwald und werden seit bensräume und Refugien für Arten, für mindestens 1982 nicht mehr bewirt- deren Erhaltung wir eine gesellschaftli- schaftet. Es handelt sich jeweils um che Verpflichtung tragen. Dass es Sinn Hochlagen-Buchenwälder mit Fichte, macht, einen Teil der Wirtschaftswälder Traubeneiche, Bergahorn, Vogelbeere aus diesem Grund aus der Bewirtschaf- und Mehlbeere als Mischbaumarten. tung zu nehmen, belegt ein Ergebnis Die Flächengrößen umfassen 6, 17 bzw. eines europaweiten Vergleiches zur Bio- 18 Hektar. Die Waldbestände sind un- diversität in Wäldern, indem sich die terschiedlich alt: 120-jährig im NWR Unterschiede zwischen bewirtschaftet Gottlob, 200-jährig im NWR Springen- und unbewirtschaftet mit der Dauer der kopf und über 260-jährig im NWR Rup- Nichtbewirtschaftung vergrößern und pelstein. Ausserdem haben NWR Gott- damit die Wiederherstellung der (ur- lob und NWR Springenkopf jeweils eine sprünglichen) Artenvielfalt indizieren3. langfristig gezäunte Teilfläche (Kernflä- che), die es ermöglicht den Einfluss des Naturwaldreservate fungieren als wich- Wildes zu beurteilen. NWR Gottlob und tige Referenzflächen zur Beurteilung NWR Ruppelstein beherbergen auch von Habitatqualitäten und Vollstän- sogenannte Rosselhalden, also vege- digkeit von Waldlebensgemeinschaf- tations- bzw. baumfreie Gesteinshalden ten4. 29 m_ Totholz je Hektar wurde als als besondere Lebensräume. Schwellenwert ermittelt, ab welchem NWR Springenkopf die Zahl gefährdeter Arten signifikant

1. W. Bücking, P. Meyer, S. Schmidt, U. Schulte und J. Willig (2004): Stand und Perspektiven der Untersuchung von Naturwald-Vergleichsflächen. Forstarchiv 75: 167-179 2. Bütler Sauvain, R.; Bolliger, M.; Senn-Irlet, B. und Wermerlinger, B.: Naturwälder als Lebensraum. In: Waldreservate – 50 Jahre natürliche Waldenwicklung in der Schweiz (2011), WSL Birmensdorf und ETH Zürich, Haupt Verlag Bern, Stuttgart, Wien: 38-55 3. Paillet, Y.; Bergès, L.; Hjältén, J.; Ódor, P.; Avon, C.; Bernhardt-Römermann, M.; Bijlsma, R.-J.; de Bruyn, L.; Fuhr, M.; Grandin, U.; Kanka, R.; Lundin, L.; Luque, S.; Magura, T.; Mate- sanz, S.; Mészáros, I.; Sebastià, M.-T.; Schmidt, W.; Standovár, T.; Tóthmérész, B.; Uotila, A.; Valladares, F.; Vellak, K. und Virtanen, R.: (2010): Biodiversity differences between ma- naged and unmanaged : meta-analysis of species richness in Europe. Conservation Biology, Volume 24, Nr. 1: 101-112 4. Müller. J. & Bußler, H. (2007): Naturwaldreservate als wichtige Referenzflächen zur Beurteilung von Habitatqualitäten und Vollständigkeit von Waldlebensgemeinschaften. Forstarchiv 78(6): 221-223

48 umweltjournal 59/2016 Entwicklung der Natur

Totholzkäfer, Vögel und Fledermäuse, die in rheinland-pfälzischen Naturwald- reservaten und ihren bewirtschafteten Vergleichsflächen nach einem Konzept bereits untersucht werden. Mit den Un- tersuchungen wurden Artenspezialisten von der Forschungsanstalt für Wald- ökologie und Forstwirtschaft Rhein- land-Pfalz beauftragt

Ergebnispräsentation

Die Ergebnisse der Artuntersuchungen werden durch die Spezialisten bei einer zweitägigen Veranstaltung (Vorträge und Exkursion) der rheinland-pfälzi- schen und saarländischen Forstbetrie- be zusammen mit dem Nationalpark am 7.7. und 8.7.2016 an der Europäischen Akademie Otzenhausen und am Erbe- skopf präsentiert. Sie zeigen uns, in welche Richtung sich die Wälder von Morgen im Nationalpark entwickeln NWR Ruppelstein könnten.

Vegetationskundliche Untersuchungen Weitere Artuntersuchungen

2013 hat die Universität Göttingen, Abt. In Anhalt an faunistische Untersuchun- Waldbau und Waldökologie der gemä- gen des Senckenberg-Museums (Hes- ßigten Zonen die drei Naturwaldreser- sen) wird eine weitgehend vollständige vate vegetationskundlich mit folgenden Untersuchung der NWR Gottlob, NWR Ergebnissen untersucht5: Ruppelstein und NWR Springenkopf auf Artvorkommen durchgeführt. Die Gemäß der geringen Größe von 6 Hekt- seit mehr als 30 Jahren aus der Nut- ar wurden im NWR Ruppelstein auch zung genommenen, unterschiedlich al- die wenigsten Arten (36) gefunden. Am ten Waldflächen lassen einen hohen Autorin artenreichsten war das NWR Gottlob Prozentsatz an Artvorkommen mon- mit 71 Arten, im NWR Springenkopf taner Buchenwälder erwarten. Neben Frau Dr. Patricia Balcar arbeitet seit wurden 57 Arten gefunden. Alle drei den typischen Waldarten wird auch die 1991 an der Forschungsanstalt für NWR repräsentieren den Hainsimsen- Detektion von Vorkommen seltener Ar- Waldökologie und Forstwirtschaft buchenwald und damit die natürliche ten erwartet, die in unbewirtschafteten Rheinland-Pfalz und leitet den Bereich Vegetation des Hochwaldes. Sie wer- Wäldern häufiger sind und damit über „Ökologische Waldentwicklung“. Dazu den fast ausschließlich von der Buche der Nachweisgrenze liegen können. Da- gehören die Forschungsgruppen „Na- dominiert. Insbesondere mit zuneh- mit soll eine solide Datenbasis für die turwaldreservate und Biodiversität“, mendem Alter nimmt der Strukturreich- Buchenwälder des künftigen National- „Wildökologie“ und „Waldlandschafts- tum in den Naturwaldreservaten be- parks generiert werden. ökologie“. sonders zu, was sich in der Anzahl sehr starker Bäume, der Biotopbäume und Die zu untersuchenden Artengruppen in der Menge des Totholzes ausdrückt. sollten neben typischen Waldbewoh- nern vor allem auch Totholzgemein- Die drei Naturwaldreservate geben da- schaften und Gemeinschaften mit Habi- mit Referenzwerte für die Kernzone des tattradition enthalten wie z.B. Spechte künftigen Nationalparks vor und können und verschiedene Höhlenbewohner. Es außerdem auch Ausgangspunkte für handelt sich um bestimmte Grup- Ausbreitung verschiedener v.a. seltener pen der Waldlebensgemeinschaft mit Arten sein, die auf bestimmte Mikroha- Schlüsselpositionen oder besonderen bitate und Sonderstrukturen angewie- Indikationseigenschaften im Wirkungs- sen sind. gefüge Wald: Moose, Flechten, Pilze,

5. „Flora, Vegetation und Waldstruktur-Elemente in drei Naturwaldreservaten des Hochwaldes in Rheinland-Pfalz“. Siehe Tab.A3-1 bis A3-3 hinten

49 umweltjournal 59/2016 Natürlich, mit Geschichte!

Wenn wir die atemberaubende Natur des Hunsrück-Hochwaldes genießen, verges- sen wir oft, dass sie das Produkt einer zum Teil intensiven Nutzung dieser Land- schaft durch den Menschen ist. Über mehrere Jahrtausende hinweg haben wir den kargen Böden eine Existenzgrundlage abgerungen, die Wälder zur Gewinnung von Brennstoff und Baumaterial ausgebeutet und die zahlreichen Bäche und Flüsse als Energiequelle genutzt. Entsprechend finden sich bis heute an fast jeder Ecke ar- chäologische Zeugnisse dieser wechselvollen Geschichte.

Die römischen Grabhügel bei Oberlöstern

Oft sind sie von Bäumen überwuchert, Der Hunsrück-Hochwald ist das, was Eine intensive Besiedlung des Hoch- unter Flechten verborgen, aber den- der Archäologe als eine periphere Sied- waldes wird erstmals in keltischer Zeit, noch bergen sie einen ganz beson- lungslandschaft bezeichnet – also ei- etwa ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. deren Schatz. Denn jene Spuren der ne Landschaft mit relativ schlechten fassbar. Im Nationalpark Hunsrück- Vergangenheit können uns helfen, ein Böden und rauem Klima, die stets nur Hochwald und seinem Umfeld finden lebendiges Bild vergangener Zeiten zu unter günstigen Bedingungen intensiv sich zahlreiche Relikte dieser wechsel- zeichnen, und sogar all das zu verste- genutzt werden konnte. Entsprechend vollen Epoche. Neben den gut sichtba- hen, wovon uns keine Schriftzeugnisse sind letztlich bis heute seine Besied- ren Hügelgräbern sind dies vor allem berichten. Sie zeigen uns, woher wir lung und landwirtschaftliche Nutzung eine Reihe keltischer Befestigungen, kommen und auch ein wenig, wohin in starkem Maße umweltabhängig. In welche uns lebendige Einblicke in die wir gehen. Und gleichzeitig eröffnen Zeiten klimatischer Krisen war es ohne Kulturentwicklung jener Zeit liefern. Die sie oft ungeahnte Perspektiven auf ver- moderne Errungenschaften, wie z.B. ältesten dieser Anlagen stammen aus gangene Lebenswelten, erzählen Ge- Kunstdünger, kaum möglich, hier zu dem späten 6. Jahrhundert v. Chr., der schichten von Krieg und Frieden, von überleben. Und bis heute sorgen Wet- Epoche der frühkeltischen Hunsrück- Not und Wohlstand, wie sie spannen- terkapriolen mitunter für Ernteausfälle. Eifel-Kultur. Sie besitzen kleine Innen- der kaum sein könnten. Hierbei ist die Entsprechend ist die Besiedlung des flächen von in der Regel etwa 1 ha und Natur einer der wichtigsten Verbünde- Hochwaldes von Beginn an ein steti- scheinen gänzlich unbebaut gewesen ten des Archäologen, denn gerade der ges Auf und Ab, in dem sich Faktoren zu sein. Ihre eindrucksvollen Befesti- Wald hat zahlreiche Relikte der Vergan- wie der Umweltwandel unmittelbar wi- gungsmauern zeigen jedoch, dass sie genheit vor der Zerstörung bewahrt. derspiegeln. Immerzu war der Mensch von einer größeren Gemeinschaft er- Und so eröffnet uns der Naturschutz auf der Suche nach neuen Möglich- richtet wurden. Die Funktion dieser An- im Hochwald die seltene Gelegenheit, keiten, sein Überleben zu sichern. Aus lagen – vielleicht zur Abhaltung von die Geschichte der Region zu erfor- dieser stetigen Anpassung an äußere Märkten oder Versammlungen, als Hei- schen – ausnahmsweise nicht, weil hier Gegebenheiten ging häufig die Einfüh- ligtum oder möglicherweise auch als eine unbeobachtete Zerstörung von rung technischer Innovationen oder Zuflucht in Krisenzeiten – ist jedoch Denkmälern droht, sondern weil sie die neuer Wirtschaftsformen hervor. Und letztlich bis heute unbekannt. Auf dem Entwicklung der Landschaft ganz we- nur selten lässt sich diese Wechselwir- Ringskopf bei Allenbach lässt sich ihre sentlich geprägt hat und bis heute all- kung von Mensch und Umwelt so klar besondere Atmosphäre wie an kaum gegenwärtig ist. nachvollziehen wie im Hochwald. Denn einem anderen Ort nachempfinden. über die Jahrtausende hinweg hat der Mensch dieser Kulturlandschaft immer wieder seinen Stempel aufgedrückt.

50 umweltjournal 59/2016 Kulturgeschichte >

delskontakte mit dem Mittelmeergebiet. Wein aus Italien gelangte damals über Südfrankreich und die Täler von Rhône und Saône bis in den Hochwald. Als Zeichen einer privilegierten Lebenswei- se hat man die Weinamphoren schließ- lich sogar in die Gräber der spätkelti- schen Oberschicht gegeben.

Im Zuge der Eroberung Galliens unter Gaius Julius Cäsar 58-51 v. Chr. wurde der Hunsrück-Hochwald dann Teil des römischen Weltreiches. Diese Episo- de der Weltgeschichte können wir so- gar direkt mit der Region in Verbindung bringen. Denn ein ganze 30 ha großes römisches Militärlager bei Hermeskeil wurde wohl im Jahre 51 v. Chr. ange- legt. Damals gelang dem Legaten Titus Labienus mit Hilfe zweier Legionen die Befriedung der aufständischen Treverer. Die römische Armee lagerte in direk- ter Sichtweite zum Ringwall „Hunnen- ring“, dessen Besiedlung tatsächlich um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. abbricht. Auch wenn wir derzeit noch Grabungsimpressionen Foto: O. Rensch keine Hinweise auf kriegerische Aus- einandersetzungen oder Zerstörungen Diese kleinen Befestigungen stehen am nalstandort zu bewundern ist. Die rund kennen, ist es dennoch Aufgabe der Beginn einer bemerkenswerten Kul- 3 ha große Anlage war dicht bebaut, Archäologie, diese historischen Ereig- turentwicklung, welche schließlich im wobei eine auffallend hohe Zahl von nisse in Zukunft weiter zu erforschen. späten 5. und frühen 4. Jahrhundert v. Speicherbauten zeigt, dass hier Schutz Erst dann können wir verstehen, inwie- Chr. zu einer ersten Blüte führte. Reiche und zentralisierte Verwaltung von Nah- fern die Zeit des Gallischen Krieges Grabfunde, wie z.B. die Fürstengrä- rungsmittelvorräten im Vordergrund einen Einschnitt in der Entwicklung des ber von Schwarzenbach, zeugen vom standen. Es ist schwerlich ein Zufall, Hochwaldes bedeutete. Denn in der Tat Wohlstand der keltischen Bevölkerung, dass Befestigungen dieser Art nach ei- entstanden in römischer Zeit mit den die in dieser Epoche sogar weitreichen- ner klimatischen Krise errichtet wurden. vici neue Zentren. Diese Kleinstädte de Handelskontakte bis in den Mittel- Erhöhte Niederschläge und eine gesun- zogen als regionale Mittelpunkte Hand- meerraum unterhielt. Dies illustrieren kene Durchschnittstemperatur hatten werker und Dienstleister an, verfüg- exklusive Bronzegefäße aus Werkstät- im Laufe des 4. und bis in das 3. Jahr- ten über Heiligtümer und spielten auch ten in Etrurien/ Mittelitalien, welche ei- hundert v. Chr. einen deutlichen Rück- in der Verwaltung des römischen Rei- nigen herausragenden Personen mit gang der Besiedlung des Hochwald- ches eine wichtige Rolle. Wie heutige ins Grab gegeben wurden. Goldener gebietes zur Folge. Auf diese durch Ortschaften lagen sie verkehrsgünstig Ringschmuck untermauert die beson- Missernten und Hungersnöte geprägte an Kreuzungspunkten römischer Stra- dere gesellschaftliche Stellung dieser Zeit reagierte die keltische Bevölkerung ßen, nicht selten in der Nähe der kelti- Sippen- oder Clanführer, die in Rie- mit einer verstärkten Vorratshaltung, die schen Vorgängersiedlungen – so z.B. in senhügeln beigesetzt wurden. In dieser wohl dazu beitragen sollte, das Überle- Schwarzenbach, zu Füßen des „Hun- Blütezeit entstand auf dem Dollberg ben in der Region zu sichern. nenrings“, in Hermeskeil oder auch in eine eindrucksvolle Befestigung von 10 Wederath/ Belginum. Die Masse der ha Fläche – der Vorgänger des spätkel- Wie so oft folgte auch auf diese Krise römischen Bevölkerung des Hochwal- tischen Ringwalls „Hunnenring“. Wie eine erneute Blüte. In spätkeltischer des lebte aber wohl in den zahlreichen genau diese von ihren Erbauern genutzt Zeit entstanden mit den Oppida sogar Gutshöfen der Region. Ein besonders wurde, liegt jedoch vorerst ebenfalls im stadtähnliche Siedlungen. Der Ringwall repräsentatives Beispiel befindet sich Dunkeln. „Hunnenring“ bei Otzenhausen ist eines bei Oberlöstern, wo die Eigentümer die- der bedeutendsten Zentren des Stam- ser sogenannten villa rustica zum Teil in Dies ändert sich erst mit Errichtung ei- mes der Treverer und heute Tor zum Grabhügeln bestattet wurden und ihre ner weiteren Gruppe von Befestigun- Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Sei- keltische Abstammung betonten. Aus gen, deren am besten erforschter Ver- ne Besiedlung erstreckte sich in spät- den Hochwald-Kelten waren allmählich treter – die Altburg bei Bundenbach keltischer Zeit auf bis zu 10 ha Fläche. Römer geworden, die jedoch vorerst an – heute in Teilrekonstruktion am Origi- Die Bewohner unterhielten erneut Han- ihrer Religion, ihren Glaubensvorstel-

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lungen und Traditionen, wie auch ihrer gesellschaftlichen Ordnung festhielten. Erst im Laufe der Zeit lassen sich dann verstärkt römische Einflüsse feststellen. Die Übernahme römischer Bauformen, wie der Steinarchitektur, oder fremder Grabsitten bedeutet jedoch nicht, dass die Bewohner der Region ihre eigenen Traditionen gänzlich aufgaben. In der Tat leben einige sogar bis heute fort.

In keltisch-römischer Zeit sah die Land- schaft des Hochwaldes ganz anders aus, als wir sie kennen. Wesentlicher Wirtschaftsfaktor war vermutlich die Viehzucht, die durch die naturräumliche Ausstattung begünstigt wurde. Da man das Vieh zum Weiden auch in die Wäl- der trieb, lichteten diese in den Rand- bereichen auf. Auch Grünland spielte eine wichtige Rolle. Selbstverständlich bauten Kelten und Römer auch Getrei- de an. Aufgrund der schlechten Böden und des rauen Klimas dürfte der Acker- Idealrekonstruktion drer römischen Siedlung „Auf dem Spätzrech“ bau allerdings eine untergeordnete Rol- bei Schwarzenbach Grafik: J. Bell le gespielt haben. Dennoch scheint mit einer erneuten Klimakrise im 4. Jahr- zwischen dem 11. und 13. Jahrhun- terung im späten 13. und 14. Jahrhun- hundert n. Chr., parallel zur Krise des dert lagen die Sommertemperaturen dert zusammen, deren Höhepunkt die römischen Reiches in dieser Zeit, ein um etwa 1 Grad höher als heute und Kleine Eiszeit 1315-1320 darstellte. Die Niedergang der römischen Kultur einher förderten so die Landwirtschaft. Bis in Bevölkerung des Hochwaldes wurde gegangen zu sein. Der Hochwald war die Hochlagen wurde rentabler Acker- durch Hungersnöte und den Ausbruch vermutlich nur noch dünn besiedelt. bau möglich. Und so ist im Hochwald der Pest dezimiert. Der Mensch war Auch für das folgende Frühmittelalter bereits für das Mittelalter ein ähnlich gezwungen, neue Ressourcen zu er- erschwert uns das bisherige Fehlen ar- intensiver Getreideanbau anzunehmen schließen, die sein Überleben sichern chäologischer Quellen jedoch letztlich wie heute – und das ganz ohne Einsatz konnten. ein genaueres Verständnis dieser Zeit von Kunstdüngern. Um 1300 wurde der des Umbruchs. Eine Siedlungsleere ist Höhepunkt des mittelalterlichen Lan- Die wohl wichtigste neue Ressource sicher nicht anzunehmen. Erst ab etwa desausbaus erreicht. Die Eingriffe in waren die Eisen- und Kupfererzlager- 600 n. Chr. liegen wieder erste Bele- die Landschaft waren damals tiefgrei- stätten der Hochwaldregion, deren ge vor. Die Abtei z. B. reicht fender, als man oft denkt. Durch die Ausbeutung seit dem 15. Jahrhun- in diese Zeit zurück, wie wir aus dem intensive Waldweide setzte selbst in dert belegt ist. Gerade in Bezug auf Testament des Adalgisel Grimo wis- den höchsten Mittelgebirgslagen eine die Herstellung von Eisen stellte die sen, der den Besitz 634 n. Chr. dem beträchtliche Erosion ein. Und auch das Übernahme der Hochofentechnologie Bistum Verdun schenkte. Ähnlich wie Leben der Menschen veränderte sich. eine ganz wesentliche Voraussetzung in der folgenden Karolingerzeit bleiben Die im frühen Mittelalter üblichen Na- für den Beginn dieser neuen wirtschaft- die archäologischen Funde jedoch vor- turalabgaben wurden im 12./13. Jahr- lichen Blütezeit dar, in deren Verlauf der erst zu spärlich, um uns ein präziseres hundert durch Geldzahlungen abgelöst. Hochwald zu einem blühenden Indu- Bild dieser Epoche zu vermitteln. Noch Dadurch entstanden Märkte, auf denen strierevier aufstieg. Denn die wesent- im frühen Hochmittelalter entstanden die Bauern ihre Erzeugnisse verkau- liche Eisenerzquelle der Region – die allerdings einfache Turmburgen gerade fen konnten. In deren Umfeld wuchsen Lebacher Eier – besitzen einen sehr ge- an den Orten, die seit keltischer Zeit Siedlungen, und diese bildeten schließ- ringen Eisenoxidgehalt. Nur bei hohen eine besondere Bedeutung besaßen. lich vielerorts die Wurzel unserer heu- Temperaturen, wie sie erst in den Hoch- Wesentliche Siedlungsmuster scheinen tigen Siedlungsstruktur. Gleichzeitig öfen erreicht wurden, lässt sich aus ih- also über ganze zwei Jahrtausende hin- stieg aufgrund der guten Nahrungsmit- nen gewinnbringend Eisen schmelzen. weg überdauert zu haben. telversorgung die Bevölkerung stark Da diese Erze oberflächennah selbst an. Auch die zahlreichen Burgen des von ungelernten Arbeitern im Tagebau Erst im Hochmittelalter intensivierte Hochwaldes reichen oft in diese mit- abgebaut werden konnten, waren sie sich die Besiedlung des Hochwaldes telalterliche Blütezeit zurück. Das Ende schließlich die Basis für den rasanten erneut. Dies wurde durch die klimati- der Gunstperiode fällt bezeichnender- Aufstieg des neuen Wirtschaftszweiges. schen Verhältnisse begünstigt. Denn weise erneut mit einer Klimaverschlech- Denn die ausgedehnten Wälder der Re-

52 umweltjournal 59/2016 Kulturgeschichte

des Mittelalters und der Neuzeit liegen vielerorts im Dunkeln. Es bleibt zu hof- fen, dass es uns gelingt, all die Spuren der Vergangenheit zum Sprechen zu bringen. Es wäre wenig verwunderlich, wenn sie nicht in Zukunft die eine oder andere Überraschung für uns bereit- hielten.

Autorin

Prof. Dr. Sabine Hornung studierte Vor- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Ägyptologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit ihrer Promotion zur frühkeltischen Hunsrück-Eifel-Kultur im Mai 2006 leitet sie ein landschaftsarchäologisches For- schungsprojekt im Hochwald. Im Fokus dieser Arbeiten steht die interdiszipli- näre Erforschung der Kulturgeschichte dieser Region – von der keltischen Zeit bis in die jüngste Vergangenheit. Im Neuzeitliche Eisenhütte bei Abentheuer: Ruine eines Hammerwerks Zuge dieser Arbeiten gelang u.a. bei Hermeskeil der Nachweis eines Mili- gion lieferten einen zunächst fast un- auf die durch die Hüttenindustrie und tärlagers aus der Zeit der Eroberung begrenzt scheinenden Vorrat an Holz- die folgenden Aufforstungen verursach- Galliens unter Julius Cäsar. Die For- kohle, die nicht nur für die Hochöfen, ten Umwelteingriffe, sondern auch mit schungen im Hochwald waren zugleich sondern auch die Weiterarbeitung des Blick auf die Struktur der Besiedlung. Basis für die 2014 angenommene Ha- Roheisens in großen Mengen benötigt Denn zahlreiche Dörfer des National- bilitationsschrift von Sabine Hornung. wurde. Zahlreiche Fließgewässer er- parkgebietes sind aus den Siedlungen Neben ihrer regelmäßigen Lehrtätig- möglichten den Einsatz wasserkraftge- der Holzfäller und Köhler entstanden, keit an der Universität Mainz ist sie im triebener Blasebälge – der Hochwald die in den Wäldern mit ihren Familien Nationalparkamt Hunsrück-Hochwald wurde zum Industrierevier. Zwar kam am Existenzminimum lebten. Auf der für die kulturgeschichtliche Forschung der Hüttenbetrieb während des Drei- anderen Seite war den wohlhabenden bzw. Inwertsetzung von Denkmälern ßigjährigen Krieges vorübergehend zum Hüttenherren ein oft bemerkenswerter zuständig. Erliegen, doch die Werke nahmen in sozialer Aufstieg beschieden. Sie lebten der Regel bereits während der zweiten in repräsentativen Herrenhäusern und Hälfte des 17. Jahrhunderts den Betrieb stiegen mitunter bis in den Adelsstand wieder auf, neue Standorte kamen hin- auf. Eine dieser Residenzen ist in Aben- zu. Wie so oft erwies sich die scheinbar theuer bis heute erhalten geblieben. unbegrenzte Verfügbarkeit von Res- sourcen auch in diesem Falle als Trug- Mit Einrichtung des Nationalparks schluss. Die schleichende Devastierung Hunsrück-Hochwald stehen wir heute der Wälder durch die Köhlerei führte am Beginn einer neuen, gänzlich an- zu Restriktionen und Ressourcenver- dersartigen Form der Umweltnutzung. knappung. Angesichts kontinuierlich Wir lassen der Natur wieder Raum und steigender Holzkohlepreise waren die fördern neue, zeitgemäße Werte. Span- Hochwaldhütten schließlich der Kon- nenderweise ist es gerade die reiche kurrenz der dank Einführung des Pud- Geschichte der Region, die dazu bei- delverfahrens auf Steinkohlebasis tragen kann, dass diese neue Nutzung arbeitenden Werke an der Saar nicht letztlich eine Nachhaltige wird. Wir kön- mehr gewachsen. Und so endete in der nen aus der Vergangenheit lernen für zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die unsere Zukunft. Die Geschichte der Re- wirtschaftliche Blüte des Hochwaldes. gion ist es wert, erzählt zu werden, be- Der letzte Hochofen wurde ausgebla- rührt sie doch bis heute Identitäten und sen und die Bevölkerung war gezwun- Mentalitäten ihrer Bewohner. Von wis- gen, sich neu zu orientieren. Dennoch senschaftlicher Seite stehen wir dies- wirkt die Zeit der Eisenhütten letztlich bezüglich gerade erst am Anfang. Und bis heute nach – nicht nur in Bezug besonders die vielfältigen Zeugnisse

53 umweltjournal 59/2016 Die Kulturlandschaft im Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Unsere Kulturlandschaft ist das „Ergebnis der Wechselwirkung zwischen na- turräumlichen Gegebenheiten und menschlicher Einflussnahme im Verlauf der Geschichte. Dynamischer Wandel ist daher ein Wesensmerkmal der Kulturland- schaft“.1 Das heutige Erscheinungsbild des Hunsrücks ist das Ergebnis einer Jahr- tausende langen anthropogenen Nutzung und Prägung. Die einstige Naturland- schaft wurde in eine Kulturlandschaft umgewandelt.

Im Staatsvertrag zur Gründung des eroberte sich durch natürliche Sukzes- Aufgrund der nicht nachhaltigen Wald- Nationalparks Hunsrück-Hochwald sion die Kulturlandschaft partiell zurück. wirtschaft führte der ständige Bedarf zwischen dem Saarland und Rhein- an Holzkohle zu starker Abholzung und land-Pfalz wird die „Kulturlandschaft“ Die heutige Kulturlandschaft entwickel- somit zu einer Verknappung nutzba- mehrfach erwähnt. Unter anderem te sich im Hochwald vor allem seit der rer Holzbestände. Daher wurde Ende heißt es in § 4, dass „die besonde- hochmittelalterlichen Rodungsperiode des 18. Jahrhunderts in der Region die re Eigenart, landschaftliche Schönheit, (etwa 900 – 1250 n. Chr.) und der da- Waldbewirtschaftung reguliert und die Ruhe und Ungestörtheit des Gebiets mit einhergehenden Gründung vieler forstliche Aufbauarbeit begann.7 Spä- bewahrt, entwickelt und wiederherge- Ortschaften am Rande des Hochwal- testens während der zweiten Hälfte der stellt“ werden soll. Außerdem ist Ziel, des.6 Die Auswirkungen dieser Land- französischen Periode (1795-1814) be- „kulturhistorisch und naturgeschichtlich nahmen beschränkten sich nicht nur gannen die engmaschige Erschließung wertvolle Denkmale und Flächen ein- auf die vollständige Umnutzung von des Hochwaldes und die Entwässerung schließlich ihrer Zugänglichkeit“ zu er- Flächen. Vor allem siedlungsnah er- der Hochwaldbrücher.8 Die Preußen halten.2 Weitere Ausführungen, wie in § fuhr der Wald starke Veränderungen, forcierten den Umbau des zuvor noch 5, sowie die Ausführungen zu den ein- weshalb er sich zunehmend zu einem partiell naturnahen und degradierten zelnen Bestimmungen unterstreichen Kulturwald entwickelte. Die wohl stärk- Waldes in einen Forst. Insbesondere die Bedeutung der Erforschung und sten Veränderungen der Hochwaldre- wurde die heimische Buche im Laufe Erhaltung der Kulturlandschaft im Na- gion lassen sich mit der Häufung von des 19. Jahrhunderts zunehmend durch tionalpark Hunsrück-Hochwald. eisenverarbeitendem Gewerbe in der die Fichte ersetzt. Offenlandflächen wie Region begründen. Insbesondere nach Brücher, Heiden und weiteres Ödland In der Hochwaldregion findet sich heu- dem Dreißigjährigen Krieg erfuhr die wurden ebenfalls mit Fichte aufgefor- te eine gewachsene, schützenswerte Eisenverhüttung und -verarbeitung eine stet.9 Diese Entwicklungen hielten bis in Kulturlandschaft. Diese ist Spiegel der Blüteperiode, die bis in das 19. Jahr- die jüngere Vergangenheit an.10 Vergangenheit und Gegenwart. Des- hundert andauerte. weiteren hatte die jahrhundertelange Nutzung der Landschaft für den Na- tur- und Artenschutz positive Effekte. Die Entwicklung großflächiger Wald- Offenlandschaften mit ihren ökologisch bedeutsamen Grenzen und Randzonen werden vom Naturschutz positiv bewer- tet und als erhaltenswürdig eingestuft.3 In der extensiv genutzten Hochwald- landschaft findet der Naturschutz in einer Kulturlandschaft statt, in der vor allem wertvolle biologischen und ökolo- gischen Werte geschützt und gefördert werden.

Seit der Vor- und Frühgeschichte ist die Region anthropogenen Einflüssen und Gestaltungsmaßnahmen ausgesetzt.4 Mit der keltischen und römischen Herr- schaft gingen erstmals intensive Verän- derungen der damals noch weitestge- hend naturbelassenen Wälder einher.5 Nach der römischen Herrschaft nahm der Nutzungsdruck deutlich ab. Es gab eine regressive Entwicklung, die Natur Abb. 1.: Ausschnitt des KuLaDig-Eintrags der Abentheuer Hütte12

54 umweltjournal 59/2016 Kulturgeschichte

In Abbildung 1 ist ein Ausschnitt des KuLaDig-Eintrags der Abentheurer Hüt- te dargestellt, Abbildung 2 zeigt eine naturschutzfachlich wertvolle Borst- grasrasenfläche bei Thranenweier.

Die bisherigen Erhebungen in der Re- gion sind nur der Anfang und werden ausgebaut. Darauf aufbauende kultur- landschaftliche Untersuchungen sollen ebenfalls verstärkt durchgeführt wer- den. Durch die ständige Nutzung von KuLaDig wird die Zugänglichkeit der Er- gebnisse für Interessierte gegeben sein.

Abb. 2.: Ausschnitt des KuLaDig-Eintrags der Borstgrasrasenfläche bei Thranenweier 13

Neben der Bestandszusammensetzung gion stehen die Untersuchungen noch des Forstes finden sich in der heutigen am Anfang; derzeit erfolgt eine kul- Autoren: Hochwaldlandschaft weitere preußische turlandschaftliche Bestandsaufnahme: Einflüsse, die das Landschaftsbild prä- Durch Feldbegehungen, Archiv- und Peter Burggraaff und Jörn Schultheiß gen wie das Wegenetz, die forstliche Literaturrecherchen, Interviews, Kar- (Institut für Integrierte Naturwissen- Einteilung in nummerierten Abteilungen ten- und Kulturlandschaftsanalysen schaften, Abteilung Geographie, Cam- und die grundlegende Erscheinung des wird die Kulturlandschaft erforscht. Die pus Koblenz der Universität Koblenz- Offenlandes.11 ersten Elemente sind bereits in das Landau) webbasierte Kulturlandschaftsregister Für den Schutz der Kulturlandschaft ist KuLaDig (Kulturlandschaft Digital) ein- das Erkennen von Nutzungsrelikten und gepflegt worden. Der Untersuchungs- historischen Kulturlandschaftselemen- schwerpunkt liegt auf dem National- ten und -strukturen eine grundlegende park Hunsrück-Hochwald sowie den Voraussetzung. Die Abteilung Geogra- angrenzenden Ortschaften und Of- phie der Universität Koblenz-Landau fenlandschaften. Für die Verbands- beschäftigt sich bereits seit vielen Jah- gemeinden Birkenfeld und Thalfang ren mit Kulturlandschaftsforschung. wurden bisher über 150 Elemente auf- Dies geschieht in enger Kooperation genommen. Bei einer ersten Auswer- mit dem Landschaftsverband Rhein- tung zeigt sich ein deutlicher Einfluss land (LVR) und dem Rheinischen Verein des historischen Eisengewerbes, der für Denkmalpflege und Landschafts- Forstwirtschaft sowie des Hochwaldes schutz e.V. (RDVL). Für die Hochwaldre- als historisches Grenzgebiet.

1. VDL (Vereinigung der Landesdenkmalpfleger) (2001): Denkmalpflege und historische Kulturlandschaft. URL: http://www.dnk.de/_uploads/media/230_2001_VdL_historKulturland- schaft.pdf. Abgerufen am 12.April 2016 2. Staatsvertrag zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und dem Saarland über die Errichtung und Unterhaltung des Nationalparks Hunsrück-Hochwald. Mainz und Saarbrücken 2015, S. 7 3. Hampicke, U. (2013): Kulturlandschaft und Naturschutz. Springer-Verlag, Wiesbaden 4. Klein, H. (1953): Der Haardtwald und die Mark Thalfang im ehemaligen Amte Dhronecken. Buchdruckerei Fritz Scheur, Birkenfeld 5. Bauer, E. (2007): Der Soonwald. K-Team, Seibersbach 6. Vgl. Fußnote 4 7. Gildemeister, R. (1962): Wald, Bauernland und Holzindustrie im östlichen und mittleren Hunsrück. In: Arbeiten zur Rheinischen Landeskunde, H. 17. Bonn. 8. Bergon (1807): Schreiben vom 3.1.1807 an den Conservateur des forêts. Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 302,001 Nr. 205 9. Unbekannter Verfasser (1925): Aufenthalt in der Oberförsterei Dhronecken. Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 537,32 Nr. 4 10. Schultheiß, J. (2014): Historische Beeinflussung des Wasserhaushaltes im Soonwald. Masterarbeit. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Landespflege 11. Kaiser, O. (1902): Die wirthschaftliche Eintheilung der Forsten mit besonderer Berücksichtigung des Gebirges in Verbindung mit der Wegenetzlegung. Springer-Verlag, Berlin 12. Schultheiß, J.; Bär, F.; Etzkorn, N.; Schellhas, M. (2016): „Abentheuerer Hütte”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-245885 (Abgerufen: 12. April 2016) 13. Krämer, N. (2016): „Borstgrasrasen in Thranenweier”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-249652 (Abgerufen: 12. April 2016)

55 umweltjournal 59/2016 Von der Idee zur Realisation

Der Gründung eines Nationalparks geht in der Regel eines Online-Blogs und Einzelgesprä- chen mit kommunalen Vertretern fanden ein jahrelanger Planungsprozess voraus. Formal kor- auch größere Informationsveranstaltun- gen vor Ort in Versammlungshallen statt. rekt abgewickelte Verwaltungsverfahren sind jedoch Diese verliefen sehr unterschiedlich und nicht zwangsläufig geeignet, Akzeptanz zu erzeugen. zuweilen in einer „frontalen“ Atmosphä- re, bei der die Vortragenden nicht immer Bei der Ausweisung des Nationalparks Hunsrück- leichtes Spiel hatten, ihre Informationen Hochwald hat man neue Wege gewagt. und Argumente darzulegen. Gegner des Nationalparks nutzten hier die Bühne, vehement ihre Sichtweise vorzutragen. Nach einer sehr turbulenten Veranstal- tung im Pfälzerwald kam vom dortigen Landrat die Bitte, das Vorhaben nicht weiter zu verfolgen.

Man konzentrierte sich fortan auf den Soonwald und den Hochwald. Im Soon- wald war die Meinung uneinheitlich. Während im nördlichen zum Rhein- Hunsrück Kreis gehörenden Bereich Zu- stimmung überwog, war man südlich im Kreis Bad Kreuznach zurückhaltend. So fassten bspw. allein in einer Ver- bandsgemeinde 27 von 32 Kommunen ablehnende Beschlüsse. So genannte Kombi-Varianten, bei denen ein Teil des Nationalparks im Soonwald und ein an- derer Teil im Hochwald liegen sollten, wurden diskutiert. Diese wiederum hät- ten aber den fachlichen Anforderungen an einen Nationalpark nach Bundesna- turschutzgesetz nicht genügt. Am Ende lag keine eindeutige Beschlusslage des Kreistages für einen eigenständigen Na- tionalpark vor. Noch unter dem recht frischen Ein- In die Vorauswahl kamen die Gebie- druck von „Stuttgart 21“ wurde im te Pfälzerwald, Soonwald, Hoch- und Anders verlief es im Hochwald. Hier war Koalitionsvertrag der rot-grünen Lan- Idarwald, Baumholder sowie der Saar- man sehr früh offen für das Thema. Es desregierung 2011 festgehalten, die gau. Bei den beiden letzteren war bildete sich eine Bürgerinitiative „Pro Suche nach einem geeigneten Gebiet schnell klar, dass aufgrund der weiteren Nationalpark“ und auch auf kommuna- mit Bürgerbeteiligung zu verbinden.1 militärischen Nutzung bzw. der Besitz- ler Ebene entwickelte sich Interesse, Nach einer zunächst rein fachlichen strukturen das Projekt dort nicht weiter welches in die Arbeit des grenzüber- Vorprüfung, welche Gebiete mit Blick verfolgt werden konnte. Es blieben also schreitenden Naturparks Saar-Hunsrück auf die Mindeststandards für einen de facto drei Regionen übrig. hinein wirkte. Die Gremien dort und auch Nationalpark überhaupt in die engere in den Kommunen fassten überwiegend Wahl kommen könnten, entschied man Interessensbekundung positive Beschlüsse. Hierdurch bot sich sich für ein mehrstufiges und vor allem wiederum an, das Projekt gemeinsam ergebnisoffenes Verfahren. Die Maxime Im September 2011 startete als Phase 1 mit dem Saarland zu betreiben. hierbei lautete von Beginn an: „Nicht die Interessensbekundung. Hierbei soll- gegen den Willen der Bevölkerung“. ten die Regionen am Ende mitteilen, ob Dialogphase Würde also eine Region von vornher- überhaupt das Interesse an einer weite- ein oder während des Prozesses Nein ren Befassung mit dem Thema gegeben Im Mai 2012 begann in der Hochwald- sagen, hätte er jeweils dort geendet. war. Adressaten waren sowohl die Kom- Region die Dialogphase. Es wurden Dieses Verfahren war gänzlich neu und munen als auch die Bevölkerung. Neben moderierte Informationsabende durch- zudem mit dem Risiko behaftet, im der allgemeinen Informationsarbeit des geführt, bei denen an insgesamt zehn ungünstigen Fall keine Zustimmung im Umweltministerium eingerichteten Thementischen Experten Rede und zu erhalten und mit dem Vorhaben zu Projetteams mit Flyern, einer Homepa- Antwort standen und Bürgerinnen und scheitern. ge, der Einrichtung einer Telefonhotline, Bürger Fragen stellen und diskutieren

56 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald >

konnten. Für jeweils drei Dörfer wurden reihum im gesamten Nationalparkge- biet diese Veranstaltungen angeboten. Man konnte bei Interesse sich in Listen eintragen, um in weiteren Bürger-Ar- beitsgruppen verschiedene Themen zu vertiefen und seine Vorstellungen ein- zubringen. In einer von mehreren hun- dert Personen besuchten Veranstaltung wurden die Ergebnisse vorgestellt. Über 200 Frauen und Männer hatten sich in den Arbeitskreisen engagiert.

Der Naturpark Saar-Hunsrück erstellte ein so genanntes kommunales Eck- punktepapier2, welches weitere wich- tige Hinweise gab, wie das Vorhaben „Nationalpark“ in der Region verankert werden sollte. Sehr früh wurde deutlich, dass die nachhaltige Entwicklung des ländlichen und strukturschwachen Rau- mes besonderen Stellenwert erlangen würde. Viele weitere Einzelgespräche mit Interessensgruppen wie Wanderern, Reitern, Mountainbikern, Handwerks- kammern, Handelskammern aber auch der sehr kritisch eingestellten Sägein- dustrie wurden geführt. Kreistagssitzun- gen und Ratssitzungen bei Orts- und Verbandsgemeinden wurden besucht.

Auf Basis dieser vielen Termine – es waren in summa ca. 400 - erstellte das Projektteam das „Landeskonzept zur Einrichtung des Nationalparks und zur nachhaltigen Entwicklung der Na- tionalparkregion“.3 Analog verlief die Entwicklung im Saarland. Sofern ein- zelne Teilergebnisse wie bspw. der Zu- schnitt des Gebietes schon klar waren, wurden diese im Laufe des Sommers 2013 in sogenannten Nationalparkforen vorgestellt. Es war ein fach- und res- sortübergreifendes Konzept der Lan- desregierung, welches im Ministerrat beschlossen wurde. Das über 140 Sei- ten umfassende Gesamtpapier wurde im September 2013 durch die Minister- präsidentin vorgestellt. Das Interesse der Bevölkerung und der Medien war groß. Die Region wurde nun gebeten, und Regionalentwicklung wurde eine rerseits konnte transparent vermittelt sich zu positionieren und ein Votum durchgängige Struktur eingehalten: werden, was geplant war und mit wel- abzugeben. Ausgangslage, Erwartungshaltung der chen Instrumenten der künftige Ent- Region, Ziele und Grundsätze, Rah- wicklungsprozess voran gebracht wer- In den Fachkapiteln zu Aspekten wie menbedingungen (insbesondere fach- den sollte. Als großer Vorteil stellte sich z.B. Lage des Gebietes, Wegeplanung, lich und finanziell), Maßnahmen kurz-, hierbei die weit über den engeren na- Brennholzversorgung, Jagd, Borken- mittel- und langfristig. So konnten ei- turschutzfachlichen Focus hinausge- käfermanagement, Regelwerk als auch nerseits die Ergebnisse des Dialog- hende Zusammenarbeit der Ressorts Mobilität, Demographie, Tourismus prozesses aufgegriffen werden. Ande- und nachgeordneten Behörden heraus.

57 umweltjournal 59/2016 >

So bildete sich bspw. eine Experten- gruppe bei Fragen zu Förderprogram- men, die sehr schnell und erfolgreich ihre Arbeit aufnehmen konnte. Insge- samt war der umfassende, auf nachhal- tige regionale Prozesse ausgerichtete Ansatz ein maßgeblicher Erfolgsfaktor. Ende des Jahres 2013 lag die Zustim- mung zum Nationalpark bei über 80%. Ein solches Ergebnis nach nur zweiein- halb Jahren hatte es in dieser Schnel- ligkeit und auch Deutlichkeit noch nicht gegeben. Der Auftrag, nun mit dem rechtsförmlichen Verfahren zu begin- nen, lag vor.

Gründungsphase

Der geplante von der ersten Stunde an gemeinsame länderübergreifende Na- tionalpark Hunsrück-Hochwald musste formal gegründet werden. Hierzu wählte man das Konstrukt des Staatsvertra- ges nebst Zustimmungsgesetzen in den Landtagen in Mainz und Saarbrücken (siehe Beitrag von Dr. Ulrich Klein auf S. XX-YY).

Parallel nahm im Februar 2014 ein so genanntes Starterteam in Birkenfeld seine Arbeit auf, um nun Zug um Zug die konkreten Vorbereitungen vor Ort treffen zu können. Die Personalakquise begann und die notwendigen Änderun- gen in der Forst-Organisation wurden vorbereitet. Aus zuvor vier Forstäm- tern wurden drei neue Forstämter plus das Nationalparkamt entwickelt. Die Forstorganisation wurde zum Jahres- wechsel 2014/2015 in Kraft gesetzt. Mit Beschluss des Zustimmungsge- setzes im Landtag im Januar 2015 und Inkrafttreten wurde der Nationalpark am 1. März 2015 gegründet. Eine von der ganzen Region organisierte Er- öffnungsfeier am Pfingstwochenende 2015 bildete den krönenden Abschluss der Vorbereitungs- und Gründungsar- beiten. Der Beteiligungsprozess setzt sich formal weiter fort über Gremien wie Gründung des Nationalparks der we- ist hierbei essentiell.4 Die besten Fach- die kommunale Nationalparkversamm- sentliche Erfolgsfaktor. Dennoch sind leute nützen nichts, wenn sie nicht auch lung, den Nationalpark-Beirat und das solche Verfahren nicht beliebig auf an- ein gerütteltes Maß an Empathie mit- Bürgerforum. dere Projekte und Regionen zu übertra- bringen und ein vernünftiges Augen- gen. Allein der Aufwand ist nicht überall maß für Notwendiges und Machbares Gedanken leistbar. Doch der Grundsatz, mit den haben. Menschen und mit der Region ein Na- Der Ansatz, zuerst die Dinge auszu- turschutzprojekt zu starten, ist richtig. Bürgerbeteiligung – einmal begonnen diskutieren und dann quasi als Resul- Ein Dialog auf Augenhöhe, der die Men- – ist eine Daueraufgabe. Nicht nur bis tierende am Ende das Regelwerk in schen schätzt und sie in ihrer jeweiligen zur Gründung („Ziel erreicht“), sondern Kraft zu setzen, ist neu. Er war für die Betroffenheit und Perspektive abholt, darüber hinaus müssen der Meinungs-

58 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald

austausch und die Möglichkeit, mitzu- gestalten, verstetigt werden. Dies erfor- dert Aufwand, der sich aber lohnt und am Ende auch die Arbeit des National- parkamtes leichter macht. Sehr wichtig dabei ist, immer sehr klar anzusagen, auf welcher Ebene man sich trifft. Han- delt es sich um reine Information, um das Einholen von Meinungen oder um echte Mitgestaltung und Mitentschei- dung? Die Dinge müssen im Vorfeld klar angesagt werden, um nicht am Ende Frustration hervorzurufen. Beispiel: Will man im Sinne einer Konsultation Mei- nungen in Erfahrung bringen und An- regungen einholen, darf man nicht den Eindruck erwecken, diese würden auch alle umgesetzt. Bei einer anderen Ent- scheidung wäre die Enttäuschung im Sinne von „warum haben wir uns denn die ganze Arbeit gemacht?“ groß. Hier werden alle Beteiligten weiter lernen und auch an sich arbeiten müssen. Man wird gemeinsam in diesem Miteinander wachsen.

Autor:

Dr. Harald Egidi, Leiter des Nationalpar- kamtes Hunsrück-Hochwald. Jahrgang 1961. Studium der Forstwissenschaften in München und Zürich. 1987-1999 Referent für Forstplanung bei der da- maligen Forstdirektion Koblenz. 2000- 2003 Leiter des Forstamtes Kempfeld. 2004 bis 2015 Referent für Waldbau, Forstplanung, Waldnaturschutz und Forschung im Umweltministerium Rheinland-Pfalz.

1. SPD und Bündnis90/DIE GRÜNEN Rheinland-Pfalz (2011): Koalitionsvertrag 2011 bis 2016, „Den sozial-ökologischen Wandel gestalten“, 101 S. 2. Naturpark Saar-Hunsrück (2013): Kommunales Eckpunktepapier zur Gründung eines Nationalparks „Hochwald-Idarwald“. 44 S. 3. Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten (2013): Nationalpark Hunsrück. Konzept der Landesregierung zur Einrichtung eines Nationalparks im Huns- rück und zur zukunftsfähigen Entwicklung der Nationalparkregion. 1. Auflage; Mainz, September 2013. 147 S. 4. Egidi, Harald (2015): Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Partizipativer Auswahlprozess und naturschutzfachliche Qualität des ersten Nationalparks in Rheinland-Pfalz und im Saar- land. Naturschutz und Landschaftsplanung 47 (1), 2015, 012-020, ISSN 0940-6808 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

59 umweltjournal 59/2016 Politische Gliederung

Der Hochwald: Ein großer zusammenhängender • Drei LEADER-Aktionsgruppen und drei regionalen Vermarktungsinitiativen. Naturraum. Doch Grenzen prägen ihn bis heute. Die • Zwei Regional-Bezirken von Landes- Herausforderung, ihn gemeinsam zu entwickeln, ist forsten Rheinland-Pfalz als übergeord- groß. Mit dem Nationalpark Hunsrück-Hochwald be- nete Stellen der Nachbar-Forstämter des Nationalparks. steht nun eine gesetzlich verankerte Klammer, diesen Weg weiter zu beschreiten. Es lässt sich erahnen, wie wichtig es ist, hier mit Blick auf eine Identität und einen selbstbewussten Auftritt als Nationalparkregion diese Grenzen zu überwinden und zusammen zu rücken. Geflügelte Worte wie „vor dem Wald“ und „hinter dem Wald“ (aus der jewei- ligen Perspektive immer zutreffend….) sind nicht ohne Grund entstanden. Der Hochwald war auch deshalb vielen Menschen nur unzulänglich bekannt. Hier hat bereits heute eine Trendwen- de eingesetzt und man verweist mit gewissem Stolz auf seine Herkunft aus der Nationalparkregion und nicht nur auf den Bereich „östlich von Trier und Saarbrücken“.

Wenige Großschutzgebiete fallen auf Der Nationalpark liegt – und diese Auf- Um eine Grundlage für eine gleich- so viele Gebietskörperschaften wie der zählung ist mit Sicherheit nicht ab- gerichtete und auch bevorzugte Ent- Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Le- schließend - im Zuständigkeitsbereich wicklung und Förderung der National- diglich das Biosphärenreservat Rhön von: parkregion zu ermöglichen, wurde im dürfte diese Situation noch übertreffen. Staatsvertrag definiert, welche Gebiets- • Zwei Bundesländern mit den jeweili- körperschaften zur Nationalparkregion Viele der heute gültigen Grenzen gehen gen Landes-Tourismusorganisationen. zählen. Dabei handelt es sich um die auf lange zurückliegende politische und vom Gebiet unmittelbar berührten Ge- verwaltungstechnische Zuschnitte der • Drei Kreisen in Rheinland-Pfalz, die meinden, quasi als geborene Mitglieder. Landkarte zurück. Manche Organisati- jeweils für den öffentlichen Personen- Darüber hinaus können weitere angren- onseinheiten wie z.B. die Regierungs- nahverkehr in ihrem Gebiet zuständig zende Kommunen auf Antrag durch die bezirke gibt es nicht mehr, ihre Struktu- sind. Einen Verbund gibt es nicht. oberste Naturschutzbehörde als da- ren wirken aber nach. zu gehörend erklärt werden, wenn sie • Der Hunsrück-Touristik und der Na- darstellen, mit welchen Beiträgen und Will man einen Nationalpark bewer- heland-Touristik als regionale Organi- Infrastrukturleistungen sie den Prozess ben und eine Destination entwickeln, sationen in Rheinland-Pfalz. Der Kreis unterstützen wollen. braucht man die Unterstützung der St. Wendel im Saarland hat wiederum Touristiker. Will man einen struktur- eine eigene Tourismus-Stelle. Die Landesregierungen unterstützen schwachen ländlichen Raum fördern, Vorhaben in der Nationalparkregion so wie es der Staatsvertrag ausdrück- • Zwei saarländischen Gemeinden und in besonderem Maße. So sind bspw. lich vorsieht, sind gleichgerichtetes Ver- vier Verbandsgemeinden in Rheinland- Premiumförderungen und höhere Mit- waltungshandeln und an den Belangen Pfalz, die auch ihre eigenen Touristiker telzuweisungen im Rahmen des LEA- der Region orientierte Förderprogram- haben. DER-Programmes möglich. In anderen me erforderlich. Will man den National- Fällen gilt, dass bei landesweiter gleich- park als Gast erreichen, sind Verkehrs- • Den ehemaligen Regierungsbezir- rangiger Beurteilung von Vorhaben im konzepte zu entwickeln. ken Koblenz und Trier mit der Folge, Zweifel die Maßnahmen in der Natio- dass es eigenen Bezirke bspw. der nalparkregion Vorrang haben. So sind Industrie- und Handelskammern, der zumindest die Grundlagen gelegt, die Handwerkskammern und der Schie- allgemeine Infrastrukturentwicklung und nen-Personennahverkehrszweckver- auch Pläne privater Leistungsträger be- bände gibt. sonders zu unterstützen. Vor Ort wird

60 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Nationalpark Hunsrück-Hochwald und Nationalparkregion diese Entwicklung unterstützt durch ei- Autor: nen neu gegründeten Verein Regional- entwicklung Hunsrück-Hochwald e.V., Dr. Harald Egidi, Leiter des Nationalpar- der einerseits den gemeinsamen Ent- kamtes Hunsrück-Hochwald. Jahrgang wicklungsprozess durch Beratung und 1961. Studium der Forstwissenschaften Erarbeitung eines so genannten Ma- in München und Zürich. 1987-1999 Re- sterplanes voran bringen wird, anderer- ferent für Forstplanung bei der damali- seits aber auch Träger von Maßnahmen gen Forstdirektion Koblenz. 2000-2003 bei Fördervorhaben sein kann. Leiter des Forstamtes Kempfeld. 2004 bis 2015 Referent für Waldbau, Forst- planung, Waldnaturschutz und For- schung im Umweltministerium Rhein- land-Pfalz

61 umweltjournal 59/2016 Gemeinsam aktiv Naturpark Saar-Hunsrück mit Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Per Staatsvertrag wurde der Nationalpark Hunsrück-Hochwald im Frühjahr 2015 als neues Großschutzgebiet im östlichen und nordöstlichen Teil des Naturparks Saar- Hunsrück ausgewiesen. Mit 10.120 Hektar umfasst der Nationalpark knapp fünf Prozent der Naturparkfläche.

Der Trägerverein des Naturparks Saar-Hunsrück hat die Idee der Ein- richtung eines Nationalparks im Na- turpark von Beginn an unterstützt. Mit den Beschlussfassungen der Mitglie- derversammlung Anfang 2012 wurde der Grundstein für die Interessensbe- kundung des Naturparks gelegt, sich an dem Diskussionsprozess für das Suchgebiet „Hochwald – Idarwald“ als Nationalparkregion im Naturpark Saar- Hunsrück zu beteiligen. Daneben wurde ein Arbeitsausschuss zu diesem Thema eingerichtet, in dem sowohl Vertreter der betroffenen Verbands-/Gemeinden und Landkreise als auch Fachexperten der Landesbehörden vertreten waren. Sie berieten u. a. über eine mögliche Gebietskulisse, mögliche Inhalte einer Schutzgebietsverordnung und über die weitere Vorgehensweise. In der Dialog- phase des vom Land Rheinland-Pfalz initiierten Beteiligungsverfahrens wur- den auf Beschluss des Nationalpark- ausschusses drei Arbeitskreise zur Er- arbeitung eines Eckpunktepapiers als gemeinsame Position der betroffenen Orts-, Verbandsgemeinden, Landkrei- se und deren Bürger im Rheinland- Pfalz und dem Saarland eingerichtet, an denen Vertretern der kommunalen Gebietskörperschaften, verschiedener Wirtschafts- und Sozialpartner und Bür- gervereine sowie der Ministerien und Abb. 1: Karte Naturpark Saar-Hunsrück mit Nationalpark Hunsrück-Hochwald Landesämter beteiligt waren. Im August 2012 wurden das TAURUSpro-Institut und BGHplan beauftragt ein kommuna- auch später schriftlich einzubringen. Naturpark Saar-Hunsrück les Eckpunktepapier zu verfassen. Es Der dementsprechend modifizierte Ent- fanden zahlreiche moderierte Sitzungen wurf wurde anschließend den betroffe- Mit einer Gesamtfläche von 2.055 km² und Workshops statt, deren Ergebnisse nen kommunalen Gebietskörperschaf- gehört der Naturpark Saar-Hunsrück zu zu einem ersten Entwurf zusammen- ten zur Beratung und Stellungnahme den größten Naturparken in Deutsch- gefasst wurden. Diese wurden öffent- zur Verfügung gestellt. Im Mai 2013 land. Im Dreiländereck von Deutsch- liche vorgestellt. In einem Workshop wurde schließlich der finale Stand des land, Frankreich und Luxemburg ge- erhielten Bürgerinnen und Bürger sowie Eckpunktepapiers beschlossen. In die- legen, umfasst er die Landkreise regionale Stakeholder und andere In- sem Papier wurden die Wünsche und Bernkastel-Wittlich, Birkenfeld, Merzig- teressenvertreter die Möglichkeit ihre Anregungen aller Betroffenen aus der Wadern, Neunkirchen, Saarlouis, Trier- Anmerkungen und Wünsche direkt oder Region gebündelt. Saarburg und mit Ihren

62 umweltjournal 59/2016 Naturpark Saar-Hunsrück >

Die vom Land Rheinland-Pfalz im Steckbrief Naturpark Saar-Hunsrück Landesnaturschutzgesetz geforder- ten zehnjährigen Handlungsprogram- 10. größter Naturpark von 103 in Deutschland me für die Naturparkarbeit, umfassen Gründungsjahr: 1980 sieben Handlungsfelder von denen Bundesländer: Saarland und Rheinland-Pfalz drei als Schwerpunkte benannt sind. Fläche: 205.522 ha, 55,0 % Saarland 45,0 % Rheinland-Pfalz Im aktuellen länderüberschreitenden Handlungsprogramm des Naturparks Schutzgebiete im Naturpark: Natura 2000-Gebiete: Saar-Hunsrück sind folgende Hand- 70,0 % Landschaftsschutzgebiete 13,0 % Flora-Fauna-Habitat-Gebiete lungsschwerpunkte festgelegt: 4,9 % Nationalpark 4,0 % Vogelschutzgebiete 3,0 % Naturschutzgebiete • „Angebote für Bildung und Informa- 0,3 % Naturwaldreservate tion zu Natur und Landschaft“ als „prioritäres Aufgabenfeld“ sowie

• „Maßnahmen zur Sicherung der bio- Verbandsgemeinden, Gemeinden und Schutzzweck und Ziel logischen Vielfalt“ und Städten und zeichnet sich besonders durch die vielfältige Kulturgeschichte Naturparke sind gemäß § 27 Bundes- • „Projekte zur naturnahen und natur- der Region mit ihren zahlreichen Denk- naturschutz Absatz 1 „einheitlich zu verträglichen Erholung“. mälern, den Burgen, Schlössern und entwickelnde und zu pflegende Gebie- Relikten aus keltischer und römischer te, die Die weiteren Handlungsfelder sind: Zeit, sowie durch die abwechslungsrei- che Flora und Fauna aus. Magerrasen • großräumig sind, • „Mitwirkung bei Landschaftspflege und Feuchtwiesen, bewaldete Bergrüc- und Landschaftsentwicklung“, ken und Kammhochflächen, bizarre Fel- • überwiegend Landschaftsschutzge- senlandschaften sowie tief eingeschnit- biete oder Naturschutzgebiete sind, • „Initiativen zugunsten eines nach- tene Fluss- und Bachtäler prägen das haltigen Tourismus“, Landschaftsbild. 71 % der Naturpark- • sich wegen ihrer landschaftlichen Vor- fläche gehören zu den ausgezeichne- aussetzungen für die Erholung beson- • „Initiierung dauerhaft umweltgerech- ten „Hotspot-Gebieten der biologischen ders eignen und in denen ein nachhal- ter Landnutzungen“ sowie die Vielfalt“ in Deutschland. 30 dieser Re- tiger Tourismus angestrebt wird, gionen wurden vom Bundesamt für Na- • „Moderation einer nachhaltigen Re- turschutz ausgewählt aufgrund ihrer • nach den Erfordernissen der Raumord- gionalentwicklung“. besonders hohen Dichte und Vielfalt nung für die Erholung vorgesehen sind, charakteristischer Tier- und Pflanzen- Im Rahmen dieser sieben Handlungs- arten, Populationen und Lebensräume. • der Erhaltung, Entwicklung oder felder wurden in den vergangenen Jah- Wiederherstellung einer durch vielfäl- ren mit finanzieller Unterstützung der Seit langem gehört der Naturpark Saar- tige Nutzung geprägten Landschaft Länder Rheinland-Pfalz und Saarland Hunsrück mit seinen vielfältigen Aktivi- und ihrer Arten- und Biotopvielfalt zahlreiche Projekte von und in den Na- täten zum Erhalt und zur Entwicklung dienen und in denen zu diesem turpark-Mitgliedskommunen und über der Kulturlandschaft und zur Aufwer- Zweck eine dauerhaft umweltge- die Geschäftsstelle des Naturparks tung der Erholungs-, Bildungs- und Er- rechte Landnutzung angestrebt wird umgesetzt. lebnisqualität der Region zur Spitzen- und gruppe der deutschen Naturparke. Als Nationale Naturlandschaften einer der ersten Qualitätsnaturparke • besonders dazu geeignet sind, eine Deutschlands hat er seine Spitzenposi- nachhaltige Regionalentwicklung zu Naturparke, Biosphärenreservate und tion auch in der letzten Evaluierung des fördern. Nationalparke gehören zu den Natio- Verbands deutscher Naturparke (VDN) nalen Naturlandschaften. Die Groß- halten können. Sie sollen entsprechend ihren in Absatz schutzgebiete haben jeweils unter- 1 beschriebenen Zwecken unter Beach- schiedliche Leitbilder, Aufgaben und 1978 in Rheinland-Pfalz und 1982 im tung der Ziele des Naturschutzes und Ziele. Unter dem Motto „Harmonisches Saarland gegründet, fusionierte der Na- der Landschaftspflege geplant, geglie- Miteinander für Mensch und Natur“ turpark 2004 zum länderüberschreitenden dert, erschlossen und weiterentwickelt arbeiten Naturparke am Erhalt und der Naturpark Saar-Hunsrück und geht seit- werden. Entwicklung von Landschaft und Natur, her als Verein Naturpark Saar-Hunsrück e. fördern und unterstützen eine nach- V. seinem gesetzlichen Auftrag nach.

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Nationalparks Biosphärenreservate Naturparks

Natur Natur sein lassen Modellregionen für ein ausgegliche- Harmonisches Miteinander für Mensch nes Zusammenleben von Mensch und Natur und Natur

1. Bewahrung der eigengesetzli- 1. Bewahrung und Entwicklung 1. Erhalt und Entwicklung von chen NaturEinblicke in die von Kulturlandschaften Landschaft und Natur Werkstatt Natur 2. Bewahrung von Lebensräumen 2. Förderung und Unterstützung einer 2. Von der Natur lernen nachhaltigen Regionalentwicklung 3. Naturschutz als regionaler 3. Nachhaltige Regionalentwicklung Entwicklungsfaktor 3. Entwicklung eines 4. Anschauungsbeispiele für naturverträglichen Tourismus Bildung und Wissenschaft 4. Entwicklung von Angeboten zur Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit

Abb. 3: Leitbilder der Nationalen Naturlandschaften in Deutschland (Quelle: EUROPARC Deutschland 2005) haltige Regionalentwicklung, tragen zur Funktionale Schutzgebietssysteme – müssen gemeinsame Ziele und Hand- Entwicklung eines naturverträglichen Die Ziele lungsfelder definiert werden. Auch die Tourismus bei und bieten Angebote zur personellen und finanziellen Kapazi- Umweltbildung und Öffentlichkeitsar- Ziel funktionaler Schutzgebietssyste- täten des im Wesentlichen kommunal beit. Das Motto der Nationalparke lau- me ist, dass die Großschutzgebiete getragenen Naturparks und des von tet „Natur Natur sein lassen.“ Hier geht sich gegenseitig ergänzen und vernetzt den Ländern getragenen Nationalparks, es in erster Linie um die Bewahrung der zusammenarbeiten. Hierbei ist es von die im Ungleichgewicht mit den zu be- eigengesetzlichen Natur und darum von grundlegender Bedeutung, dass die wältigenden Aufgaben stehen, müs- der Natur zu lernen. Weitere Schwer- Verwaltungsgrenzen im Interesse der sen berücksichtigt werden. Natürlich ist punkte bilden die Forschung und der Natur überwunden werden. Die Ver- auch der „Faktor Mensch“ als soziale Prozessschutz. netzung von Naturpark und National- Komponente für eine vertrauensvolle park kann besonders mit den engen und kooperative Zusammenarbeit der Die Aufgaben der Großschutzgebiete Wildnis-Kulturlandschaft-Übergängen Schutzgebietsverwaltungen auf Augen- sind zum Teil unterschiedlich, teilweise einen wichtigen Beitrag für die biologi- höhe von zentraler Bedeutung. Reflekti- aber auch sehr ähnlich. Alle existieren sche Vielfalt leisten. Die Synergieeffek- on und Evaluation der Zusammenarbeit sie jedoch gleichrangig nebeneinander. te schaffen Wertschöpfung und einen sorgen für eine bessere Prozesssteue- dauerhaften Benefit für die hier leben- rung und für eine bestmögliche Nut- Als Dachverband der Nationalen Natur- den Menschen und die Natur. zung von Synergien. landschaften hat EUROPARC Deutsch- land im Rahmen eines Forschungs- und Herausforderungen Entwicklungsvorhabens im Zeitraum einer guten Zusammenarbeit von 2010 bis 2013 modellhaft anhand von Praxisbeispielen die Chancen Die Auswertung der o. g. Studie von und Hindernisse einer engen Zusam- EUROPARC Deutschland ergab u. a. menarbeit von Großschutzgebieten dass eine erfolgreiche Zusammenar- untersucht und beschrieben. Dabei beit und eine systematische Vernet- arbeiteten die ausgewählten Groß- zung der Großschutzgebiete nur unter schutzgebiete in verschiedenen Hand- bestimmten Voraussetzungen möglich lungsfeldern zusammen. ist. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Erwartungen der Beteiligten im Vorfeld geklärt und ggf. angepasst wer- den. Da auf fachlicher Ebene teilweise unterschiedliche Interessen bestehen, Kinder auf der Streuobstwiese Foto: Andreas Schäfer

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Blick vom Galgenberg auf Saar und Kanzem Foto: Brigitte Krauth.jpg

Naturpark Saar-Hunsrück und breite Themenspektrum der Nationalen Die genannten Beispiele der Zusam- Nationalpark Hunsrück-Hochwald Natur- und Kulturlandschaften wieder. menarbeit zeigen, dass erste Schrit- – Auf dem Weg zum funktionalen So konnte nicht nur für Einheimische te hin zu einem funktionalen Schutz- Schutzgebietssystem und Touristen, die die gesamte Ange- gebietssystem bereits in kurzer Zeit botspalette aus einer Hand erhalten, gemeinsam gegangen und manche Mit der Bewilligung der zusätzlichen sondern auch für die gesamte Region Hindernisse bereits erfolgreich über- Fördermittel des Landes für den Na- ein Mehrwert generiert werden. Ferner wunden werden konnten. Nun gilt es turpark-Träger zur Schaffung von zwei wurde festgehalten, dass ein gemein- diesen Elan weiterhin aufrecht zu er- Stellen beim Naturpark für den Vernet- sames Bildungskonzept für Schulen halten, die Kräfte und Anstrengungen zungsprozess zum Nutzen für die Regi- der Nationalen Naturlandschaften er- zu bündeln, Synergien zu nutzen und on und zur Initiierung weiterer Projekte arbeitet werden soll. In einem Netz- gemeinsam auf das Ziel eines funktio- wurden wichtige Weichen für die erfolg- werk der „Nationalen Naturlandschaften nalen Schutzgebietssystems zu einem reiche Zusammenarbeit der Nationalen Schulen“ soll die Zusammenarbeit der dauerhaften Benefit für die hier leben- Naturlandschaften gestellt. im Naturpark geplanten Nationalpark- den Menschen und die Natur hinzuar- Schulen mit den bestehenden und zu- beiten. Bereits vor der Ausweisung des Na- künftigen Naturpark-Schulen gemäß tionalparks wurden in einem Gespräch den thematischen Schwerpunkten der mit Ministerin Höfken und weiteren Ver- Großschutzgebiete sichergestellt wer- tretern der Ministerien, des damaligen den. Bereits 2013 beteiligte sich der Starterteams sowie Vertretern aus Tou- Naturpark Saar-Hunsrück an dem von rismus, von Naturschutzbehörden und der Deutschen Bundesstiftung Um- -verbänden sowie Akteuren der Um- welt geförderten Pilotprojekt „Netz- weltbildung in der Region weitere ge- werk Naturpark-Schulen“ des Verbands meinsame Arbeitsfelder, Kooperationen Deutscher Naturparke. Aufgrund der und Projekte benannt und fixiert. Mit positiven Erfahrungen aus diesem Pilot- der Herausgabe des gemeinsamen Ver- projekt, beteiligt sich der Naturpark in anstaltungsprogramms nach dem Bei- 2016 auch an dem Pilotprojekt „Netz- spiel des Naturparks und Nationalparks werk Naturpark-Kindergärten“. Kellerwald-Edersee konnte das erste Autorin: gemeinsame Projekt bereits erfolgreich Weiterhin soll auf Wunsch der Mini- umgesetzt werden. Es ist ein positives sterien im Interesse der Region ein Susanne Schmid Bespiel für die gute Zusammenarbeit gemeinsames Kommunikations- und Dipl. Umweltwissenschaftlerin der Großschutzgebiete und zeigt, wie Sponsoringkonzept für beide Groß- Seit 2014 Mitarbeiterin beim Naturpark gut sich Kultur und Wildnis ergänzen. schutzgebiete, für Wildnis und Kultur- Saar-Hunsrück e. V. als ökologische Das vielfältige Angebot spiegelt das landschaft erarbeitet werden. Fachkraft/ Fachkraft Umweltbildung

65 umweltjournal 59/2016 Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald im Schutzgebietssystem von Rheinland-Pfalz

Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald ist Teil des Schutzgebietssystems in Rheinland-Pfalz, in dem sich verschiedene Gebietstypen und Räume ergänzen. Die Gebietstypen sind jedoch vielfältig und liegen für Außenstehende oft im Dunkeln.

Machen wir das Licht an, so sehen wir Ein wichtiges Puzzle-Teil mit vielen gu- Kreisläufe nicht abdecken können. Das vor uns ein hoch dynamisches Puzzle – ten Begründungen ist „Prozessschutz“, eine ergänzt das andere. Gute Natio- so könnte man Naturschutz jedenfalls der zu neuer Wildnis führt. Das heißt, nalparke sind aber der Schutzgebiet- (be)greifen (Altmoos 2014, Abbildung auf einer Fläche wird Landnutzung styp, der für relativ große Wildnis steht. 1): Es gibt verschiedene Schutzschwer- eingestellt und diese sich selbst über- punkte und Naturschutz-Ziele, die wie lassen (außer sanfter Tourismus/Bil- Andere Gebietstypen sind Biosphären- Puzzleteile ineinander greifen, einan- dung/Forschung). Das ist nicht weniger reservate und Naturparke: Das sind der ergänzen, sich gemäß dynamischer wichtig, aber auch nicht höherwerti- meist noch größere Räume, in denen Natur laufend verändern können und ger als die anderen Puzzleteile, jedoch der Schutz der Kulturlandschaften in sogar noch vielfältiger vernetzt sind als ein bedeutender Teil des Ganzen. Na- ihrer regionalen Eigenart im Vorder- dies eine zweidimensionale Fläche je turwaldreservate machen das im Klei- grund steht, aber in denen auch Wild- ausdrücken kann. Eigentlich ist Natur- nen - Nationalparke in etwas größerem nisanteile vorkommen können, bei schutz eines der mehrdimensionalsten Maßstab. Große zusammenhängende Biosphärenreservaten im internationa- und dynamischsten Puzzles, die über- Wildnisflächen sind unersetzbar, len Auftrag des MaB-Programms der haupt vorstellbar sind. Und erst alle aber auch kleine wilde Flächen UNESCO sogar müssen (mindestens Teile zusammen geben ein vernünf- in der Landschaft sind wichtig 3%). Naturschutzgebiete (NSG) sind tiges Bild, das wiederum wechseln und können hoch qualitäts- hingegen oft kleinere Räume, die spe- kann. Sets spannend! voll sein, auch wenn sie viele ziellen Zielen dienen, meist aber für komplette den Arten- und Lebensraumschutz ausgewiesen sind. Landschaftsschutz- gebiete (LSG) haben eher weichere Schutzverordnungen, sind aber nach wie vor zentrale Säulen für den ebenfalls wichtigen Land- schaftsschutz. Landschaftsschutz (Ästhetik, Verbund-Ökologie, große Freiräume) Dazu kommen FFH- Gebiete und Vogel- Artenschutz schutzgebiete der EU, die das europäische Netzwerk „Natura 2000“ bilden und sich teilweise mit den ande- ren Schutzgebieten überlappen. In ihnen stehen ganz bestimmte Arten und Lebensraumtypen im Vorder- Prozessschutz grund. Das alles ist Kern eines über- zu (neuer) Wildnis regionalen Biotopverbundes: Die Teile

Wirtschaft und ergänzen sich gezielt (= Kohärenz) und Naturverträgliche Nutzungsweisen haben Andockpunkte an weitere Auf- gaben (z.B. Bildung, Forschung, Tou- rismus). In allen Schutzgebieten kann es Wildnis geben, im Nationalpark ist Abbildung 1: Naturschutz mit das aber die Hauptaufgabe in relativ Kultur-Lebensräume seinen Strategien als Puzzle, großflächigem Maßstab. Eine Übersicht vereinfacht illustriert. über Schutzgebietstypen und ihre Stra- tegien zeigt Abbildung 2.

66 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald >

Strategien = Puzzle-Teile Netz-Kohärenz Netz-Kohärenz Besonderheit Größe Nut - Verträgliche zung - Kultur-Lebens raum Landschafts- Schutz Artenschutz Wildnis

National Park Relativ große Groß Nur in Pflegezone (NP / NLP) Wildnis (Zonen)

Naturwald-Reservat Kleine Wald- Klein (NWR) „Wildnis“

Großräume: Biosphären-Reservat Groß Modell für meh- Modell-Haft (BR) (Zonen) rere Puzzleteile

Großräume: Besonders Erholung in Groß Tourismus Naturpark (NP) Natur und Land- (fallweise + schaft, diverse Zonen) Erholung Puzzleteile

Naturschutz- Lebensraum- Artenschutz Divers, Gebiet nach örtlichem oft klein (NSG) Schutzziel

Landschaft Landschafts- Divers, als Ganzes, mit Schutzgebiet (LSG) oft groß Ästhetik

Natur-Denkmal Kleine sehr klein (ND / GLB) Besonderheit

Europäisches Netzwerk: Divers Bestimmte Natura 2000-Gebiet Bestimmte Bestimmte Netz- Lebensräu- FFH, VSG) Arten Flächen und Kohärenz me Verbund

Abbildung 2: Illustration wichtiger Schutzgebietstypen und ihrer strategischer Schwerpunkte, passend zu den Puzzleteilen aus

Der Nationalpark stellt also eine wich- Die Funktion des Nationalparks ist je- Dynamik. Die Offenheit der Natur-Ent- tige Teilstrategie dar. Er umfasst in doch von vorbildhafter Bedeutung. Hier wicklung ist das eigentliche Ziel, nicht seinem Rheinland-Pfälzischen Teil (im wird auf das Zulassen ungestört ab- der Schutz bestimmter Arten oder Zu- Saarland gibt es einen weiteren kleinen laufender, natürlicher Prozesse in ihrer stände (Abbildung 3). Teil) räumlich jedoch nur 0,47 % der gesamten Bandbreite fokussiert. Im Na- Landesfläche. Weitere Flächen, ja ein tionalpark verändern sich die Lebens- „Wildniskonzept“ für das ganze Land räume und ihre Lebensgemeinschaften wären nötig. ständig entsprechend ihrer natürlichen

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Abbildung 3: Pfade zur Wildnis – Mensch auf Besuch im Nationalpark, ohne Spuren zu hinterlassen. Foto: Ulrich Jäger

Im Nationalpark werden nur solche Ähnlich viel Raum für Wildnis wie zu- manche Flächen von Naturschutzver- Managementmaßnahmen im Randbe- künftig in den 7.500 ha zusammenhän- bänden, Stiftungen oder Privaten, die reich verfolgt, welche die Einbettung gender Naturzone des Nationalparks Puzzle und Wildnis lohnend ergänzen. der Wildnis des Nationalparks in die bieten in Rheinland-Pfalz derzeit nur umgebende Kulturlandschaft ermögli- wenige andere Gebiete und diese nur Der Nationalpark dient dabei auch als chen. Hierfür werden in einer längstens im kleineren Umfang, die jedoch alle- „Referenzgebiet“ und ist wichtig, da- 30 Jahre dauernden Entwicklungsphase samt wichtig sind. Im Biosphärenreser- mit Menschen eine größere natürliche randliche Fichtenforste zu Laubwald vat Pfälzerwald umfassen die nutzungs- Umgebung empfinden können. Die im umgebaut, um angrenzende forstwirt- freien Kernzonen nach einer aktuell Nationalpark erfahrbare Wildnis ist das schaftlich genutzte Flächen vorsorglich laufenden Erweiterung rund 5.400 ha natürliche Gegenstück zu der im All- vor etwaigen Borkenkäferbelastungen auf mehrere Teilgebiete verteilt. Zu- tag sehr viel präsenteren technisch und zu schützen. Langfristig sollen diese sammen mit der existierenden 1.680 baulich überprägten Umgebung oder und weitere vorübergehende Maßnah- ha großen Naturwaldfläche des Natur- zur Landnutzung. Die Möglichkeit, die- men zusammen mit der festgelegten schutzgroßprojektes Bienwald und 940 se Gegensätze zu erleben, wahrzuneh- Zonierung des Nationalparks in Natur- ha Rheinauenwäldern, sowie weiteren men und zu erfahren, ist wesentliche zone und Pflegezone dazu beitragen, kleineren Flächen ohne wirtschaftli- Grundlage für individuelle Entscheidun- weitere Managementmaßnahmen über- che Nutzung wie Naturwaldreservate gen zu einem tatsächlich nachhaltigen flüssig zu machen. Welcher Art diese und Waldrefugien stellen diese Räume Lebensstil und somit für ein langfristig und andere Maßnahmen sein werden den wesentlichen Anteil der staatlichen „gesundes Leben“. Insoweit leistet der und welchen Umfang sie haben wer- Bemühungen des Landes Rheinland- Nationalpark einen spezifischen Beitrag den, wird im Nationalparkplan festge- Pfalz dar, 10 % des Staatswaldes dem zur Umsetzung des Erholungsauftrags, legt werden, der bis 2020 vorzulegen Schutz und der Entwicklung von Wild- wie andere Schutzgebietsinstrumente und mit der Region abzustimmen ist. nis zu überlassen (Abbildung 2). Dazu des Naturschutzes auf ihre eigene Art Der Nationalpark ist also ein eigenes kommen weitere meist kleine Flächen und Weise auch. Puzzle im Puzzle. in nicht-staatlichem Engagement, z.B.

68 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Das Ermöglichen und der Schutz frei Bevor wir das Licht wieder dimmen ablaufender natürlicher Prozesse in al- und den Leser entspannt in die ande- len Wildnisflächen, andauernde gezielte ren Artikel dieses Heftes entlassen, sei Arten- und Biotopschutzmaßnahmen noch betont, dass unser Naturschutz- woanders, sowie umweltgerechte Land- Puzzle keinesfalls nur abstrakt besteht. nutzungen in der genutzten Kulturland- Man kann es als wirkliches funktionales schaft sind gleichermaßen wichtige Schutzgebietssystem vielerorts selbst Puzzleteile, die durch unterschiedliche erleben. Als ein Beispiel sei das Mitein- Kategorien an Schutzgebieten abge- ander vom Naturpark Saar-Hunsrück sichert werden. Letztlich stellt das ein und dem Nationalpark Hunsrück-Hoch- Gebietssystem und Ansatzpunkte für wald in ihm genannt. Während Pro- Autoren einen weiteren Biotopverbund dar, mit zessschutz und die daraus entstehende dem die faszinierende und dynamische Wildnis im Nationalpark ja die zentra- Ulrich Jäger ist Diplom-Biologe und Re- Biodiversität erst lebendig bleiben kann le Aufgabe ist, so steht die genutzte ferent für Großschutzgebiete und Na- – ein schönes Puzzlebild. Und Puzzeln Kulturlandschaft im Naturpark im Vor- turschutzgroßprojekte, in der Abteilung ist nicht nur ein Spiel, sondern bekannt- dergrund - mit NSGs und LSGs sowie für Naturschutz, am Landesamt lich eine wichtige Kulturleistung der dem weiteren Natura 2000-System in für Umwelt Rheinland-Pfalz (LfU). Menschen - so wie Naturschutzhan- europäischer Dimension. Die eigenen deln eine kulturelle Leistung ist, zu der Handlungsmöglichkeiten des Natur- Dr. Michael Altmoos ist Biologe, Geo- auch das Zulassen von Wildnis gehört. parks unterstützen den Biotopverbund graf und Umweltbildner mit Schwer- Im guten Licht! mit dem Nationalpark, schaffen Syner- punkt Naturschutz. Er beschäftigt sich gien außerhalb und liefern ergänzende mit Schutzgebietssystemen, Natura Angebote, die das reizvolle Erlebnis des 2000 und Naturdynamik. Gemeinsam Nebeneinanders von Wildnis und Kul- mit Ulrich Jäger arbeitet er dazu im LfU, turlandschaft ermöglichen. Abteilung Naturschutz.

69 umweltjournal 59/2016 Das Nationalparkamt

Für den Nationalpark Hunsrück-Hochwald, dessen im Saarland. Das Nationalparkamt wur- de daher als rheinland-pfälzische un- schrittweise Entwicklung und die Nationalparkregion tere Verwaltungsbehörde eingerichtet, die aber in beiden Bundesländern zu- setzen sich viele Menschen privat oder beruflich ein. ständig ist. Das Nationalparkamt führt Eine Gruppe macht dies aber ausschließlich: die Mitar- dazu auch ein „Länder-Doppelwappen“. Im Nationalparkteam arbeiten Saarlän- beiterinnen und Mitarbeiter des Nationalparkamtes. Es der und Rheinland-Pfälzer gemeinsam gibt keinen Tag im Jahr, an dem nicht zumindest eini- und grenzüberschreitend auf der gan- zen Nationalparkfläche. Ihre Aufgaben ge von ihnen für den Nationalpark arbeiten. finden sich in ihren Bundesländern in keiner anderen Verwaltung und da- zu arbeiten sie auch mit „eigenen“ Rechtsgrundlagen. Das Nationalpar- kamt hat daher Eigenart - Chance und Nationalparkamt Hunsrück-Hochwald Herausforderung zugleich.

Zur Erfüllung seiner vier gesetzlichen Leitung Kernaufgaben soll das Team des Natio- Nationalparkamt Leitungsassistenz nalparkamtes:

Abteilung 1 Abteilung 2 Abteilung 3 • den Nationalpark betreiben und un- Querschnittsfunktionen Umweltbildung, Forschung, Biotop-, terhalten, Naturerleben, Wildtiermanagement Kommunikation • den 10jährigen Nationalparkplan, den Wegeplan und den jährlichen Büroleitung Öffentlichkeitsarbeit Forschung Maßnahmenplan erstellen, und um- setzen, sowie Geschäftszimmer Umweltbildung und Waldentwicklung Naturerleben • die Geschäfte der kommunalen Na- tionalparkversammlung, des Natio- nalparkbeirats und des Bürgerfo- IT-Service, GIS Kultur und Land- Wildtiermanagement rums führen. schaftsgeschichte Wie aber „betreibt“ man einen National- Einsatzleitung Unterstützung Jagdbetrieb park – wie ein Geschäft? Sicher nicht! Ranger Regionalenwicklung Ein Nationalpark kann positive regional- und volkswirtschaftliche Effekte haben1, Ranger sozio-ökonomisches Inventuren ist aber ein öffentliches Umweltgut. Vie- Monitoring le können ihn grundsätzlich gleichzeitig nutzen, ohne dass Personen(gruppen) ausgeschlossen werden (dürfen). Das Nationalparkamt kann daher seine Zur Zeit arbeiten im Nationalparkamt ber 2016 bildet das Nationalparkamt Aufgaben wirtschaftlich erfüllen, aber fast 50 Personen (einschl.des saarländi- auch aus, eine junge Frau aus der Na- selbst keinen wirtschaftlichen Erfolg schen Personals), die meisten davon in tionalparkregion startet dann ihre Aus- haben, ebenso wenig wie z. B. Schulen. Vollzeit. Das ganze Jahr über kann man bildung als Informatikkauffrau. Mit „betreiben“ ist beispielsweise ge- im Nationalparkamt aber einer weiteren meint, dass durch menschliche Eingriffe Personengruppe begegnen, die eines Was genau ist eigentlich das National- beeinträchtigte Moore wieder durch ge- verbindet: sie lernen dazu - als Prakti- parkamt und wer arbeitet dort? Als Tier- zielte Eingriffe renaturiert werden oder kanten, Freiwillige oder Auszubildende. oder Pflanzenart ständen die deutschen Bildungs- und Naturerlebnisangebote Als Praktikumsplatz ist der National- Nationalparkverwaltungen allesamt auf entwickelt und durchgeführt werden. park bei Schülern und Studenten unter- einer roten Liste: es gibt bundesweit schiedlicher Fachrichtungen inzwischen nur 16, als letzte ging das National- Das Organigramm zeigt die wesent- so beliebt, dass z. T. auch Anfragen parkamt Hunsrück-Hochwald an den lichen Aufgabenbereiche des Natio- abgelehnt werden müssen. Bereits im Start. Aber nicht nur deshalb ist diese nalparkamtes in seinen drei Abtei- Startjahr 2015 begannen zwei junge Verwaltung ein Unikat. Der Nationalpark lungen, die sich in ihren Aufgaben, Leute einen freiwilliges ökologisches Hunsrück-Hochwald ist der erste von Kunden(gruppen) und Leistungen/Pro- Jahr im Nationalpark, ab August 2016 Beginn an grenzüberschreitende, mit dukten klar unterscheiden. Nicht auf- werden es sogar drei sein. Ab Septem- dem kleineren Flächenanteil (rund 10%) geführt sind die vielfältigen externen

1. Vgl. Mayer M. (2013) Kosten und Nutzen des Nationalparks Bayerischer Wald

70 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Eine Gruppe fehlt im Nationalparkamt - bewusst. Das sind Forstwirte, die nur in der Waldarbeit tätig sind, z.B. beim Fällen und Aufarbeiten von Bäumen, die im Rahmen der Waldentwicklung noch entnommen werden. Diese Waldarbei- ten führt der Landesbetrieb Landes- forsten aus, nach der Planung der Abt. 3. Der Verkauf des Holzes, das bei der Waldentwicklung anfällt ist ebenfalls nur Aufgabe von Landesforsten. Durch diese Kooperation konnte insbesondere eine schlanke Organisation umgesetzt werden.

Unter Organisatoren kursiert das Bon- mot: Form follows function – aber maximal einmal im Leben einer Orga- nisation. Für die Organisation des Na- tionalparkamtes wurde dieses „einmal“ erreicht. Abgeschlossen ist der Aufbau aber nicht, z. B. soll dieses Jahr noch Kooperationspartner der Abteilungen, kein Forstamt, es ist nicht in Forstrevie- ein zentraler Rangerstützpunkt einge- ohne die diese „schlanke“ Verwaltung re aufgeteilt und ist als eigenständige richtet werden. nicht so leistungsfähig sein könnte. Da- Verwaltung direkt den für Naturschutz zu zählen z. B. viele Hochschulen im zuständigen Ministerien unterstellt. Forschungsbereich. So ist auch das Hoheitliche Aufgaben für das Natio- Ziel verständlich mit der Nationalpark- nalparkgebiet wurden dem National- verwaltung möglichst auf den Umwelt- parkamt ebenfalls zugewiesen; es ist campus Birkenfeld der Hochschule Tri- untere Forstbehörde und (im Unter- er zu ziehen. Der erste provisorische schied zu den Forstämtern) auch untere Standort der Verwaltung ist aktuell di- Jagdbehörde. rekt in Birkenfeld. Die größte Gruppe im Nationalparkamt, Der Blick in das Organigramm, auf die noch vor denjenigen, die ein Forststudi- Aufgaben der Abteilungen 2 und 3, um absolviert haben, sind die Ranger. zeigt ein Spanungsfeld das in allen Na- Diese haben alle eine abgeschlossen tionalparken in den Kernzielen angelegt Ausbildung als Forstwirte. Vor ihrem ist. Auf der einen Seite sollen vorrangig Wechsel in den Nationalpark haben sie menschlich möglichst unbeeinflusste, eine zusätzliche Ausbildung als Ge- natürliche ökosystemare Prozessdyna- prüfter Natur- und Landschaftspfleger miken gesichert werden (Aufgabe Abt. (GNL) absolviert. Das ist in Deutschland 3). Auf der anderen Seite soll Erholung die einzige nichtakademische berufliche und Umweltbildung im Nationalpark er- Qualifikation im Naturschutz - geregelt möglicht werden (Aufgabe Abt. 2). Hier nach dem Berufsbildungsgesetz. Diese Autor gilt es im Einzelfall, z. B. bei der Geneh- Ausbildung qualifiziert breit, von den migung von Sportveranstaltungen, ab- fachlichen Grundlagen der Natur- und Dipl. Ing. (FH) Lars Temme M.A. (*1965) zuwägen und vor allem Nutzungen auf Landschaftspflege, über Information leitet die Abteilung 1 Querschnittsfunk- Dauer räumlich zu entzerren, z. B. mit und Umweltbildung bis hin zu prakti- tionen des Nationalparkamtes Huns- Hilfe des zu erstellenden Wegeplans. schen Schutz- und Pflegemaßnahmen. rück-Hochwald. Er hat Forstwirtschaft, Die Ranger können daher auch flexibel, Soz. Verhaltenswiss., Erziehungswiss. Der Nationalpark baut auf der Arbeit mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Personalentwicklung studiert. Von von Generationen von Förstern der im Jahresverlauf, in allen Aufgabenbe- 1991 bis zu seinem Wechsel in das Landesforstverwaltung auf. Und ohne reichen des Nationalparkamtes einge- Nationalparkamt 2015 arbeitete er in das überwiegend forstlich ausgebildete setzt werden, zentral gesteuert durch verschiedenen Aufgabenbereichen in Personal des Nationalparkamtes, das die Abt. 1. Im Nationalparkamt sind der Ministerialforstabteilung in Mainz, von den Landesforstverwaltungen in darüber hinaus weitere Professionen zunächst Betriebswirtschaft und Haus- den Nationalpark gewechselt ist, hät- vertreten, z. B. aus der Umweltpädago- halt, dann Personal- und Organisati- te das Nationalparkamt nicht starten gik, der Biologie, der Informationstech- onsentwicklung sowie Projekt- und Ge- können. Das Nationalparkamt ist aber nologie oder der Öffentlichkeitsarbeit. schäftsprozessmanagement.

71 umweltjournal 59/2016 Holz aus dem Nationalpark ein Widerspruch?

Wieviel Holz wird künftig eingeschlagen? An wen wird es geliefert? Werden die Holzindustrie und die örtliche Sägeindustrie ausreichend be- liefert? Bekommt die örtliche Bevölkerung ge- nug Brennholz? Ist Holznutzung überhaupt mit dem Schutzzweck vereinbar?

Brennholz aus dem Nationalpark

Wo Kultur aufhört, fängt Wildnis an 3. Das Wildtiermanagement und die Befürchtung der umliegenden Oberste Leitlinie des Nationalpark Landnutzer vor Wildschäden und – Hunsrück-Hochwald ist der Schutz- seuchen durch zunehmende Scha- zweck: In einem überwiegenden Teil lenwildpopulationen. Dieser Aspekt des Gebietes soll der möglichst un- wir in dieser Ausgabe an anderer gestörte Ablauf der Naturvorgänge in Stelle eingehend beleuchtet. ihrer natürlichen Dynamik gewährleistet werden. Einfach formuliert: Wo Kultur Die Brücke zwischen Schutz aufhört, fängt Wildnis an. Einfach den und Nutzung Schalter umlegen, heute noch Wirt- schaftswald, morgen ein Schutzgebiet, Betrachtet man das Nationalparkgebiet würde diese einfache zentrale Zweck- mit seinen 10.230 ha in einem Vergleich bestimmung erfüllen. Aber können und zu internationalen Schutzgebieten, ist dürfen unter dieser Prämisse überhaupt die Flächenausdehnung relativ klein. noch Nutzungen im Nationalparkgebiet Sie erfüllt mit dieser Größe allerdings, erfolgen? Dies war ein zentrales Thema und das ist ein weiteres Ziel, die Be- bei vielen Bürgerdialogen und Fachver- stimmungen der Schutzgebietskatego- anstaltungen in der Entstehungsphase rie II der International Union of Nature des Nationalparks. and Natural Resources (IUCN). Hier befindet sich die Brücke zwischen Gerade diese aktive Bürgerbeteiligung Schutz und Nutzung. Die Richtlinien brachte drei große Handlungsfelder von IUCN gewähren einen 30-jährigen Buchenvoranbau unter Fichte hervor, die es gilt umzusetzen: Entwicklungszeitraum. In dieser Zeit werden Maßnahmen durchgeführt, Revitalisierung der Hunsrückbrücher 1. Der Waldschutz und die Gefahr, die eine natürliche Entwicklung ansto- dass Borkenkäfer aus dem Natio- ßen oder beschleunigen. Diese sind der Etwa 15 % der Nationalparkfläche sind nalpark umliegende Wälder schä- Zonierung entsprechend Schutz-, Pfle- für die Hochlagen des Hunsrück typi- digen könnten. Schließlich ist das ge- und Entwicklungsmaßnahmen. Be- sche Brücher. Dies sind Hangquellmoo- Gebiet in die umliegenden Ge- trachten wir die Maßnahmen, bei denen re, die über lange Zeiträume nur exten- meinde-, Privat-, und Staatswälder Holz anfällt, sind es im Schwerpunkt siv genutzt wurden. Im 19. und Anfang eingebettet. Maßnahmen der Moorrevitalisierung des 20. Jahrhundert durchzog man sie und des Waldumbaus aus Gründen des systematisch mit Gräben, um sie troc- 2. Das Brennholz und die Bedenken Forstschutzes. Eine weitere besondere ken zu legen. Es war Ziel sie für den der Bevölkerung, dass sie nicht Form der Nutzung stellt die Bereitstel- Anbau von Fichten nutzbar zu machen. mehr ausreichend mit dem ortsna- lung von Brennholz für die örtliche Be- Das Entwicklungsziel Moorrevitalisierung hen und traditionellen Energieträ- völkerung dar. bedeutet, dass auf einigen Mooren die ger versorgt werden könnten. Fichte entnommen wird und die Gräben wieder verschlossen werden. Dies be- wirkt eine dauerhafte Wiedervernässung

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Buchenvoranbau unter Fichte

Mit der Buche gegen den Borkenkäfer Das Kompetenzzentrum Waldtech- nik Landesforsten ist Partner und Der Waldschutz gegen den Fichten- Dienstleister borkenkäfer nimmt einen besonderen Stellenwert ein. Ein 1000 Meter tiefer Der Nationalpark ist kein Wirtschafts- Streifen entlang der Nationalpark-Au- betrieb. Waldbauliche Ziele wie Wert- ßengrenze steht in der gefährdeten und Massenleistung sind nicht Gegen- Zeit unter besonderer Beobachtung. stand der Entwicklungsmaßnahmen. Besonders intensiv wird die Kontrolle Daher agiert der Nationalpark auch der Fläche sogar im 500-m Korridor nicht selbst, sondern bedient sich bei durchgeführt. Erkennen und frühzeitiger der Umsetzung der Maßnahmen des Einschlag der befallenen Hölzer sind Kompetenzzentrums für Waldtechnik die laufenden und akuten Maßnahmen. der Landesforsten mit Sitz in Hermes- Begleitet werden sie von einem Wald- keil. Das Nationalparkamt bereitet die umbauprogramm in diesem Korridor. Maßnahmen vor, KWL übernimmt die Um den Außenbereich von dauernden, Ausführung. KWL führt alle Dienstlei- störenden Maßnahmen zu entlasten, stungen bis hin zum Holzverkauf und wird ein laubbaumreicher Puffer inner- dem Holzflussmanagement für das zur halb des Nationalparks aufgebaut. Das Verfügung gestellte Holz aus. Die Ein- heißt, dass der Anteil der Fichten in nahmen aus dem Holzverkauf gehen diesem Gebiet zu Gunsten von anderen an Landesforsten. Das anfallende Holz Bäumen zurückgenommen wird. Hier wird überwiegend in der Nationalpark- Buchenvoranbau unter Fichte gehen wir behutsam durch die Licht- region verarbeitet, so dass auch dem steuerung in den Wäldern vor. Durch Anspruch der Sägeindustrie auf Roh- der Fläche und eine Bruchwaldgesell- punktuelle Auflichtungen werden Licht- stoffversorgung Folge geleistet wird. schaft mit der Leitbaumart Moorbirke verhältnisse geschaffen, welche die Zur Beruhigung des Gebietes und unter kann sich wieder einstellen. Bis zum Verjüngung der Schattbaumart Buche Berücksichtigung der Brut- und Setz- Ende des Jahres 2019 bildet das EU begünstigen. Da die Laubbäume aber zeiten werden die Maßnahmen erst ab LIFE Projekt „Wiederherstellung und Er- oft in den Fichtenbeständen nicht vor- September begonnen. Das letzte Holz halt von Hang- und Zwischenmooren handen sind, wird die Buche im Nach- muss bis Ende März aus dem Natio- im Hochwald (Hunsrück)“ den Schwer- gang der Holznutzung in die Bestände nalpark abgefahren sein. Dementspre- punkt der Maßnahmen. Projektträger ist gepflanzt. Hierbei werden Wildlinge und chend endet die reguläre Maßnahmen- die Stiftung Natur und Umwelt (SNU). Pflanzen aus Schattkämpen bevorzugt. durchführung schon im Februar. Aus Durch die Entnahme standortsfremder Grund der Erfahrung mit den schwieri- Bestockungen fällt sehr konzentriert gen Witterungsverhältnissen in diesem Fichtenholz an, das bodenschonend mit Jahr wird derzeit geprüft, ob wir das Seilkränen aus den sensiblen Standor- Zeitfenster für die Durchführung der ten geerntet wird. Es findet seine Ver- Maßnahmen noch verkleinern. wendung in den holzverarbeitenden Be- trieben im Umfeld des Nationalparks.

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Fichten Monokultur vor dem Unterbau mit Buche

Wieviel Holz dem Nationalpark entnom- zu dem Ergebnis, dass 19 Ortschaften Wie kann dies gewährleistet werden? men wird richtet sich nach den Wald- in der Frage des Brennholzes von der entwicklungsmaßnahmen. Derzeit wird Ausweisung eines Nationalparks direkt In der Nähe der Ortschaften, die im eine aktuelle Bestandsaufnahme durch betroffen wären. Hierzu zählen auch oder direkt am Nationalpark liegen, die Forsteinrichtung erarbeitet, um die Ortschaften, deren Gemarkung nicht wurden Pflegezonen innerhalb des Na- Grundlagendaten für die Waldentwick- unmittelbar von der Nationalparkflä- tionalparks ausgewiesen. Hier darf Bu- lung zu liefern. che berührt ist, die aber ihr Brennholz chenholz geerntet werden, das dann zumindest teilweise aus den National- als Brennholz an die lokale Bevölkerung Brennholz für die örtliche Bevölkerung parkwäldern bezogen haben. Im Unter- verkauft wird. Dies kann aber nur einen suchungsgebiet wurden (im Mittel der Teil des Bedarfs abdecken. Daher wur- Ein wichtiges Handlungsfeld ist die Jahre 2010 bis 2012) jährlich ca. 8.000 den zusätzlich externe Brennholzzonen Bereitstellung von Brennholz für den Festmeter Brennholz aus dem umlie- in den Staatswäldern der umliegenden Bedarf der Orte, die sich traditionell genden Staatswald für die in der Nähe Forstämter ausgewiesen. Hier wird vor- aus dem Nationalparkgebiet versorgt liegenden Ortschaften bereitgestellt. rangig der restliche, größere Bedarf be- haben. Dieses Thema nahm bei den reitgestellt. Vorrangig bedeutet in die- Dialogveranstaltungen regelmäßig brei- Aus der Erwartungen der Bevölkerung sem Fall, dass durchaus auch für die ten Raum ein. Im Jahr 2013 wurde bei wurden folgende Ziele und Grundsätze industrielle Verarbeitung vorgesehene den Forstämtern eine Erhebung des festgelegt: Holzsortimente als Brennholz zur Verfü- durchschnittlichen Brennholzbedarfs gung gestellt werden. und des Brennholzaufkommens aus • Sicherstellung dieser Brennholzmen- dem Gebiet erhoben. Es zeigte sich, ge als ein Privileg für die lokale Be- Aus dem Wald an den Bürger dass die Situation sehr unterschiedlich völkerung war. Einige Ortsgemeinden konnten ih- Bei der praktischen Umsetzung des ren Bedarf durchaus in den ortsnahen • Gleiche Preisgestaltung wie in ande- Brennholzkonzeptes stellte sich zu- Gemeinde- und Privatwäldern decken, ren Staatswaldgebieten nächst die Frage, wie hoch ist der Be- andere waren aber zu einem großen darf der lokalen Bevölkerung und in Teil auf das Brennholz aus dem Gebiet • Gewährleistung einer ortsnahen Ver- welcher Ortschaft entsteht die Nach- angewiesen, da sie selbst keinen oder sorgung frage? Nun brennt ja Holz aus dem Ge- nur geringen Gemeindewald besitzen. meinde- und Privatwald genauso gut, Die ortsbezogene Bedarfsanalyse kam und auch die Waldbesitzer sollten nicht

74 umweltjournal 59/2016 Waldumbau

Buchenvoranbau unter Fichte benachteiligt werden. Gerade deswe- Lösung ist die folgende: KWL arbeitet gen sollte deren Vermarktung Vorrang das Holz auf und transportiert es zu genießen. Also erschien eine umfas- festgelegten Brennholzlagerplätzen. sende Bedarfsermittlung der umliegen- Die jeweiligen Forstämter bekommen den Ortschaften notwendig. Mit den die Aufmaßdaten und verkaufen das Forstämtern wurde ein abgestimmtes Holz an die Kunden in den berechtigten schriftliches Bestellverfahren erarbeitet. Orten. Aber nicht in allen Fällen ist es So haben die Forstämter frühzeitig den gelungen geeignete Plätze außerhalb Überblick über den jeweiligen Bedarf des eigentlichen Nationalparkgebiets und gleichen diesen mit dem National- zu finden. Liegen die sogenannten parkamt ab. Steht im Forstamt nicht „Inselgemeinden“ Neuhütten-Muhl ausreichend Brennholz zur Verfügung, und Börfink doch so vom Nationalpark meldet dieses dann den zusätzlichen umschlossen, dass sich kein geeigneter Bedarf beim Nationalparkamt an. Das Platz außerhalb der Nationalparkflächen Nationalparkamt stellt dann im Rahmen finden ließ. Hier wurden entsprechende der gegebenen Zusage aus den Maß- Plätze in Randlage im Nationalparkge- nahmen in den Pflegezonen das erfor- biet, aber in der Nähe von öffentlichen derliche Brennholz zur Verfügung. Straßen gesucht. Dieses sollten na- turschutzfachlich nicht problematisch, Aber auch hier wollen wir die Beruhi- gut erreichbar, aber doch so entfernt gung des Gebietes umsetzen. Keine von der Wohnbebauung liegen, dass lärmenden Motorsägen, keine Aufarbei- die Anwohner nicht unzumutbaren Be- tung nach Ende März, keine Fahrbe- lastungen ausgesetzt sind. Hier gilt al- rechtigungen, keine haftungsrechtlichen lerdings, dass die Brennholzwerber bis Autor: Hans-Joachim Brusius Fragen innerhalb des Gebiets, das Ende März das Holz aufgearbeitet und Mitarbeiter im Nationalparkamt Nationalparkamt verkauft kein Holz im abtransportiert haben müssen. Abteilung 3 Biotopmanagement eigenen Namen: Diese Fragestellungen waren am besten zu lösen, wenn auch das Brennholz aus dem Nationalpark- gebiet heraus transportiert wird. Die

75 umweltjournal 59/2016 Der Nationalpark Paradies für Tiere, Managementaufgabe oder doch „nur“ Jagd?

Ausgangslage: In einem Großschutzgebiet mit dem Die Vertreter der Landwirtschaft äußer- ten die Sorge vor vermehrten Wildschä- Ziel, Prozessschutz auf großer Fläche zu realisieren, den - insbesondere durch Schwarzwild- infolge möglicherweise unzureichend dürfen die Wildtiere unbehelligt von Jagd und Jägern regulierter Wildbestände im NLP-HH. in Frieden leben – so könnte der unvoreingenommene Die angrenzenden Forstbetriebe be- Naturfreund denken. fürchteten einen Anstieg der Waldwild- schäden durch Rotwild und Rehwild aus demselben Grund.

Angrenzende Jagdgenossenschaften sorgten sich um den Werterhalt ihrer Jagdbezirke, sofern es dort zu unkalku- lierbaren Wildschadensrisiken kommen sollte. Hier wurde aber auch gesehen, dass der Jagdwert durch eine höhere Rotwilddichte ansteigen könnte.

Die Jägerschaft der Region wünschte sich eine Beteiligung ortsansässiger Jäger bei den jagdlichen Maßnahmen des WTM.

Grundsätze zum WTM in Großschutzgebieten

Rheinland-Pfalz und das Saarland ha- ben sich früh darauf verständigt, die Hirsch im Winterwald Foto: Konrad Funk Positionen von IUCN und der AG der deutschen Nationalparke zum Thema Die Angelegenheit ist aber doch etwas Die Regulierung der Wildbestände durch WTM als Orientierung für den NLP-HH komplizierter, schließlich leben wir im jagdliche Maßnahmen ist also erforderlich. zu verstehen. dichtbesiedelten Deutschland und ha- ben es mit Wildtieren zu tun, für die ein Als Besonderheiten bei der Ausweisung Demnach stellen jagdliche Maßnahmen Nationalpark von 10.000 ha häufig nur des Nationalparks Hunsrück-Hochwald des WTM eine Abweichung vom Grund- einen Teillebensraum darstellt. Wir müs- (NLP-HH) sind zwei Umstände der Ent- satz der ungestörten Entwicklung der sen uns mit Land- und Forstwirten sowie stehung zu nennen, die Auswirkungen dynamischen Prozesse in einem Natio- unseren Jagdnachbarn austauschen, da auf den Inhalt und die Organisation des nalpark dar. Hierfür kann es drei Gründe das Schalenwild mobil ist und die men- Wildtiermanagements (WTM) haben: geben: schengemachten Grenzen nicht kennt. Diese Konstellation trifft im Prinzip für al- 1. Der Nationalpark entstand in einem 1. Die Wildwirkungen stehen den le Waldnationalparke in Deutschland zu. umfassenden Bürgerbeteiligungspro- Schutzzielen des Nationalparks zess. Hierbei haben sich sowohl Bürger/ entgegen. Außerdem sind wir Entwicklungsna- Verbände/Vereine als auch speziell die tionalpark. Das bedeutet, dass wir 30 benachbarten Grundeigentümer (Wald- 2. Es treten Schäden durch Wild in Jahre Zeit haben, um dann 75% der besitzer und Landwirte) des NLP in viel- der Nachbarschaft des NLP-HH Schutzgebietsfläche sich selbst zu über- fältiger Weise zum Thema geäußert. Die auf, die unakzeptabel sind. lassen. Bis es soweit ist, wird der Wald Erwartungen und Wünsche sind in das umgebaut, d.h. wir pflanzen die schat- Landeskonzept zum NLP eingeflossen. 3. Die Tierseuchenentwicklung erfor- tentolerante Baumart Buche in den Fich- dert regulierende Eingriffe in die tenbeständen, die im Randbereich des 2. Die Aufgabenverteilung im Natio- Wildtierbestände. Nationalparks liegen. Ziel dieser Laub- nalparkamt erfolgt funktional. Ein Ver- holzanreicherung ist es, die Borkenkä- bleib der zuvor auf dieser Staatswald- Die Eingriffe sollen möglichst störungs- fergefahr für benachbarte Wälder zu ver- fläche territorial zuständigen Revierleiter arm und effektiv sein, wobei sich die mindern. Die Voranbauten kosten Geld in der NLP-Verwaltung war nicht vorge- Störungsarmut durchaus auch auf die und sollten deshalb nicht durch zu hohe sehen. Damit war eine umfassende Ein- Besucher eines NLP beziehen darf und Wilddichten gefährdet werden. bindung von freiwilligen Jägern bei der nicht ausschließlich für die Wildtierpo- Wildtierregulierung erforderlich. pulationen gilt.

76 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald >

4. Es sollen Wildruhezonen und Wild- Jagdzeiten im Nationalpark Hunsrück-Hochwald 2016/2017 beobachtungsflächen eingerichtet werden. Hier ruht die Jagd grund- Kontrollbezirk: Eins bis Sechs sätzlich. Ansitzjagt 5. Fütterung und Kirrung sind ver- Dez Jan vorwiegend Ansitzjagt als gemeinsamer Ansitz in boten. Fangjagd ist grundsätzlich Nov Feb den jeweiligen Jagdbögen, Einzeljagd möglich verboten Okt März keine Jagd Jagdruhe ab KW 42 1DJ/Woche 6. Das NLP-Amt sorgt für ein Mo- Sep Apr nitoring, um eine Grundlage für Anrührjagd Planung und Erfolgskontrolle der Aug Mai Ansitzjagd mit der Option, dass wenige, Juli Juni Wildtierregulierung zu erhalten. leise Anrührer mit kurzläufigen Hunden das Wild in Bewegung bringen 7. Es ist jährlich ein Plan zur Wildtier- regulierung zu erstellen, der Teil des Freigabe: jährlichen Maßnahmenplans wird. alles Schalenwild gem. Jagdzeiten RLP, außer Inhalt: Beschreibung der Situation führenden Stücken und Hirschen der KL. 2 und 1 der Wildbestände und der Wildwir- kungen im NLP und der Wildscha- Der rechtliche Rahmen den in den an den NLP grenzenden denssituation bei den Nachbarn, ei- Bereichen und der Vorbeugung oder ne Bewertung dieser Beschreibung, Aufgrund der o.g. Vorgaben wurde in § Bekämpfung von Tierseuchen bei Wild- getrennt nach Zonen. Hieraus ab- 8 (3) des Staatsvertrages zur Errichtung tieren, die auf den Menschen oder sei- geleitet die Ziele der Wildbestands- und Unterhaltung des NLP-HH geregelt: ne Nutzviehbestände übertragbar sind, regulierung, nämlich eine Festle- zulässig. gung von Abschusszahlen sowie „Die Bestandsregulierung dem Jagd- eine Beschreibung der zur Zieler- recht unterliegender Tiere mit jagdli- Die Länder RLP und SL können das reichung erforderlichen Jagdzeiten chen Mitteln ist aus Gründen der Ver- Nähere jeweils für ihren Gebietsteil des und der Jagdmethoden. wirklichung des Zwecks des NLP (§4), NLP durch Rechts-VO regeln.“ der Vermeidung übermäßiger Wildschä- 8. Der Plan zur Wildtierregulierung Das NLP-Amt nimmt die Aufgaben der berücksichtigt die nachbarschaftli- Unteren Jagdbehörde wahr (§20 (2) chen Ansprüche einer ordnungsge- Staatsvertrag). mäßen land-, forst- und fischeiwirt- schaftlichen Nutzung. Er wird mit Beide Bundesländer haben inzwischen den Jagdbeiräten der Landkreise von dem Gestaltungsrecht Gebrauch und den angrenzenden Hegege- gemacht und inhaltsgleiche Verordnun- meinschaften erörtert. gen für ihren Bereich erlassen. 9. Private Jägerinnen und Jäger kön- Stichpunkte der Rechtsverordnung nen im Rahmen von unentgeltli- über die Wahrnehmung des Jagdrechts chen Jagderlaubnisscheinen nach zur Wildtierregulierung im NLP-HH sind: den Vorgaben des NLP-Amtes be- teiligt werden. Voraussetzung hier- 1. Die Jagdausübung beschränkt sich für ist Vorlage eines Schießnach- auf die Schalenwildarten sowie weises und die Teilnahme an einer Waschbär und Marderhund. jährlichen Schulungsmaßnahme des NLP-Amtes. 2. Das NLP-Amt nimmt das Jagd- recht wahr, eine Verpachtung die- 10. Jagdliche Einrichtungen sollen in ses Rechtes ist ausgeschlossen. den Wildnis- Bereichen des NLP transportabel ausgestaltet sein. 3. Das anfallende Wildbret wird ver- wertet, anfallende Trophäen wer- 11. Die Verwendung bleifreier/ bleiar- den Eigentum des NLP-Amts. mer Munition ist vorgeschrieben.

Von Rotwild geschälte Vogelbeere Foto: Konrad Funk

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wählen. Für jeden Jagdbogen konnte Schälinventur ein Verantwortlicher gefunden werden, der sich um die Koordination der Aktivi- täten der zugewiesenen Jägerinnen und Jäger im vorgegebenen Rahmen küm- mert. Dazu gehören z. B. die Terminie- rung von Gemeinschaftsansitzen und Hilfseinsätzen zur Instandhaltung jagd- licher Einrichtungen, die Organisation von Nachsuchen und die Sicherstellung der erforderlichen Meldungen an das NLP-Amt, wie z.B. die Erlegungsmel- dungen oder die Ansitzprotokolle.

Wann wird gejagt?

Unser Ziel, möglichst störungsarm zu jagen, mündete in ein Intervalljagd- konzept, dass mit dreieinhalb Monaten Jagdzeit statt der gesetzlich möglichen neunmonatigen Jagdzeit auskommt. Dazu kamen zehn herbstliche Drück- jagden.

Juni und Juli bleiben ohne jagdliche Ak- Die praktische Umsetzung Jeder Jäger und jede Jägerin wurde tivitäten, da diese Monate eher geringe einem Jagdbogen zugewiesen. Es wur- jagdliche Erfolge versprechen, außer- Vorrangiges Ziel im Startjahr 2015 war den ein Jagderlaubnisschein und eine dem fällt die Setz-Zeit des Rotwildes in es, eine ausreichende Zahl an jagd- Fahrerlaubnis für die Zeiten der Jagdin- diesen Zeitraum. Von Mitte September lich versierten Mitjägern zu gewinnen, tervalle ausgegeben. Dazu wurde ver- bis Anfang Oktober wird nicht gejagt, die sich in den Örtlichkeiten des Na- einbart, das erste Jahr beiderseits als damit das Rotwild ungestört brunften tionalparks auskennen und die die Zie- ein Probejahr zu verstehen. Das NLP- kann. le der Wildtierregulierung kennen und Amt prüft danach, ob die Jäger den akzeptieren. Es wurden die in Frage Anforderungen entsprochen haben und Ende Dezember wird die Bejagung mit kommenden Personen angesprochen: die Mitjäger mögen beurteilen, ob Ihnen Rücksicht auf den eingeschränkten aktive und ehemalige Mitarbeiter von die Mitwirkungsmöglichkeit beim WTM Winterstoffwechsel und dem damit ein- Landesforsten, die dienstlich auf den zugesagt hat. hergehenden Ruhebedürfnis von Reh- Flächen des NLP vormals zuständig und Rotwild vorzeitig beendet. waren, sowie ortskundiger Jagdgäste Auf ein formales Bewerbungsverfah- der Forstämter, deren Teilflächen nun ren wurde bewusst verzichtet, weil der Monitoring-Ergebnisse den NLP bilden. bürokratische Aufwand nicht zu leisten gewesen wäre. Zur Schätzung der Rotwildbestände Es wurden intensive Gespräche in wurde 2015 und 2016 eine Scheinwer- Kleingruppen geführt, in denen die Be- Auch wäre eine Entscheidung für oder fertaxation nach bereits seit 2011 be- sonderheiten erläutert wurden und in gegen einen Bewerber allein aufgrund währten Verfahren durchgeführt denen offene Fragen geklärt werden dessen schriftstellerischen Fähigkeiten konnten. kaum nachvollziehbar zu begründen. Die Zählergebnisse aus dem April 2016 legen die Vermutung nahe, dass die Bei den allermeisten Jägern gab es Jagdliche Gliederung der Flächen Rotwilddichte nach dem ersten Jahr kaum Vorbehalte gegen die Neuerun- des NLP-HH Nationalpark etwa gleich geblieben sein gen, die die Schutzgebietsausweisung dürfte. Die jeweils ermittelte Höchstzahl im Vergleich zur bekannten Regiejagd Um eine räumliche Ordnung auf ca. der Rotwild-Sichtungen (Mindestbe- mit sich bringt. 10.000 ha zu erhalten, wurde die Fläche stand) sind der Tabelle zu entnehmen. des NLP in 21 Jagdbögen aufgeteilt, Daneben gab es eine Anzahl von In- die im Durchschnitt 300-500 ha groß Jahr Zählergebnis itiativbewerbungen für eine Mitwirkung sind. Es wurde der Versuch unternom- beim WTM, denen im Regelfall, nach men, im Gelände gut wahrnehmbare 2015 500 einem persönlichen Gespräch, entspro- Straßen, Waldwege und Gewässer als 2016 475 chen wurde. Grenze der jeweiligen Bögen auszu-

78 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Ausblick

Wir wollen den im ersten Jahr eige- schlagenen Weg durchaus hinterfragen, was die Intensität der Jagd betrifft.

Im Sinne der Überschrift wollen wir künftig deutlich mehr Fläche für einen umfassenden Prozessschutz vorsehen. Vielleicht gelingt es uns, kurzfristig im Herzen des Schutzgebietes 1000 bis 2000 ha Waldfläche ohne jagdliche Ein- flussnahme sein zu lassen.

Hierfür brauchen wir Mut und einen intensiven, langfristig angelegten Aus- tausch mit ganz vielen Gruppierungen. Es sind eben nicht nur die Jagdpächter und die Land- und Forstwirte in der Umgebung, sondern auch die vielen Vereine und Verbände, die als Jäger, Naturfreunde, Wissenschaftler, Wande- Schwarzwild im Winter Foto: Konrad Funk rer, Fahrradfahrer, etc. direkt oder in- direkt Einfluss auf die Ausweisung und Um die Wildwirkungen des Rotwildes Das Jagdjahr 2015/16 den Erfolg einer großen Wildruhezone zu untersuchen, wurde im Bereich von hätten. 500 m jenseits der NLP-Grenze und Die Erlegungszahlen beim Rehwild lie- 500 m diesseits der NLP-Grenze eine gen mit 3,1 Rehen/ 100ha Wald etwa So gesehen beinhaltet das Thema Wild- Schälerhebung im Anhalt an das Wald- 25% unter den Erlegungszahlen der tiermanagement viel mehr als nur die bauliche Gutachten RLP beauftragt und Forstämter aus den Vorjahren. Bei den Verminderung von Wildtieren mit jagd- durchgeführt. Das Ergebnis der Erhe- Erlegungen gab es einen leichten Über- lichen Mitteln. Auch wenn im Ergebnis bung ist auf der Karte ersichtlich. hang beim männlichen Wild. das „Paradies für Tiere“ nur auf Teilf- lächen des Nationalparks Wirklichkeit Mit einem Schälprozent von 2,9 liegt Beim Rotwild haben wir 1,8 Stck Wild/ werden kann. das Ergebnis der Erhebung für das ge- 100ha Wald erlegt. Das entspricht dem samte Untersuchungsgebiet knapp un- jagdlich nutzbaren Zuwachs, der auf- terhalb der 3-Prozent-Schwelle, ab der grund der Scheinwerferzählung ermit- das forstliche Betriebsziel als stark ge- telt wurde. fährdet gilt. Beim Schwarzwild haben wir ein Stück/ Für das Rehwild wurden in 2015 noch 100ha Wald erlegt, und zwar ganz über- keine speziellen Untersuchungen zur wiegend auf den Drückjagden. Wilddichte und zu den Wildwirkungen gemacht. In 2016 wird es eine Erhe- Es gab einige wenige Fehlabschüsse, bung des Verbisses von holzigen Pflan- die jeweils die Einleitung eines Ord- zen durch Schalenwild und Hase ge- nungswidrigkeiten-Verfahren nötig ben. machten.

Um ein „kleines Monitoring“ zu ma- Erfreulich viele Hundeführer mit ihren chen, sind die Jäger im NLP gebeten, Nachsuchehunden haben uns bei der jeden Ansitz in einem Protokollbogen Ansitzjagd und bei den Drückjagden zu dokumentieren. Neben den jagbaren unterstützt, wenn das Stück nicht am Wildarten werden auch Beobachtungen Anschuss lag oder der Sitz der Kugel anderer seltener Tiere dokumentiert. nicht optimal war. Es gab mehrere Ver- Hierdurch können über längere Zeiträu- kehrsunfälle mit verletztem Wild. Auch me Tendenzen zur Populationsentwick- hier haben die Hundeführer und ihre Autor lung verschiedener Tierarten im Schutz- Tiere gute Arbeit zum Wohle des Wildes Martin Döscher, Jahrgang 1964, Mit- gebiet abgelesen werden. geleistet. arbeiter in der Abt 3, WTM, zuvor bei Landesforsten in verschieden Funktio- nen eingesetzt.

79 umweltjournal 59/2016 Großes beginnt im Kleinen: Regionalentwicklung und Nationalpark

Ein Landkreis mit knapp 80.000 Einwohnern, von denen jedes Jahr etwa 1.000 „ver- loren“ gehen. 28.000 sanierungsbedürftige Gebäude. Kommunen, bei denen der Kämmerer oder die Kommunalaufsicht mehr zu sagen hat, als der Gemeinderat. Das spricht nicht gerade für eine Region. Doch trotzdem tut sich hier eine Menge. Euro- pas bester Premiumwandersteig. Einer von ganz wenigen hot-spots der biologischen Vielfalt. Und nun ein Nationalpark. Aus 200 Studenten werden binnen weniger Jahre mehr als 2000 an einem peripheren Standort. Ein Hotelier investiert einige Millionen Euro in ein Kloster und wird Gastgeber des Jahres 2014 in Rheinland-Pfalz.

Wo geht die Reise also hin im Hunsrück-Hochwald?

Die Natur lehrt uns einiges. Zum Bei- Hunsrück und Hochwald. Es gibt einen pflegungsmöglichkeiten lassen sich spiel, dass ein organisches Wachs- neuen Trend, der Hoffnung macht. Die nicht an jedem Etappenstandort finden. tum nachhaltiger ist als ein rasantes. Reisebranche hat eine gewaltige Ent- Mobile Lösungen als Antwort, nicht Im Wald bedeutet das: Bäume, die am wicklung genommen. So hat sich ne- die Bettenburg. Eine im Wald gedeck- Anfang schnell wachsen, sind risiko- ben booking.com und hrs, trivago oder te Bierzeltgarnitur mit Produkten der anfälliger, beispielsweise gegenüber opodo gerade ein Portal namens airbnb Regionalmarken, zubereitet zu authen- Windwürfen. Die Fichte ist ihr promi- etabliert. Hier wird nicht das 4-Sterne- tischen Leckereien erzählen eine Ge- nentestes Beispiel. Bäume, die am An- Hotel angeboten oder gesucht. Es wird schichte. Das ist die Chance, die sich fang eher bedächtig wachsen, können ein Angebot gesucht, das manchmal bietet, wo die Zahl der Besucher Ruhe jedoch älter, dicker und auch ertragrei- unkonventionell erscheint. Ferienwoh- verspricht. Im Hunsrück-Hochwald kön- cher vermarktet werden. Die Buche und nungen gibt es viele. Eine ganz beson- nen sie wandern und laufen Gefahr, ei- die Eiche beispielsweise. Die Kernfrage: dere zu finden, ist aber nicht leicht. nen Tag lang keinen Menschen zu tref- Risiko- oder nachhaltiges Investment? fen. Dieses Naturerlebnis ist besonders. Oder: gebe ich dem Kleinen die Zeit Darum geht es auch dem Nationalpark. Es kann zu einem einmaligen Erlebnis groß zu werden? Was nun aber, wenn Das Besondere herausstellen. Das Be- werden. Schon jetzt ist es in jedem Fall ich das Holz gar nicht mehr verkaufe? sondere, was häufig im Kleinen liegt. eines: Schön. Ein Partnerbetriebssystem wird der- Im wirtschaftlichen Kontext gibt es zeit entwickelt. Betriebe können sich Schön sind jedoch nicht die Dorfbilder, zahlreiche Beispiele, wo Unternehmen mit einem Fragebogen bewerben. Er die sich in einigen Orten zeigen. De- sehr schnell wachsen, expandieren und wurde mit Betrieben und Tourismusex- mografischer Wandel und Leerstand. die Kosten auf einmal explodieren. Per- perten aus der Region erarbeitet. Ziel sonal zu finden, ist in solchen Fällen ist es, die Betriebe besser miteinander nicht leicht, interne Betriebsabläufe lei- zu vernetzen. Mit den Gastgebern wird den schnell. Diese betriebswirtschaftli- begonnen. Eine einzelne Spinnwebe ist chen Fälle sind Warnung genug für re- nicht besonders stabil, das Netz aber gionalwirtschaftliche Zusammenhänge. schon. Vor allem aber muss die Re- Und sie lassen sich auf ganze Volks- gion zusammenarbeiten. Sie steht im wirtschaften übertragen. Wettbewerb mit anderen Destinationen. Wenn Betriebe also miteinander ko- Die Nationalparkregion ist gut beraten, operieren, sind deren Chancen deutlich nicht zu schnell zu wachsen. Vor al- besser, Reisende für die Region zu ge- lem aber muss sie organisch wachsen, winnen. wenn Wachstum ihr Ziel ist. Aus den bestehenden Strukturen heraus. An vie- Für den Reisenden kann die Kooperati- len Stellen zeigen sich im Nationalpark on auch ganz einfach praktische Folgen Anlaufpunkt Wildenburg bei Kempfeld und um ihn herum noch Versorgungs- haben. So führt der Saar-Hunsrück- engpässe. Doch warum dafür externe Steig, Europas am besten bewerteter Möchte die Region mit dem National- Investoren suchen, wenn die heimische Premiumwandersteig, mit mehreren park vom Tourismus profitieren, muss Wirtschaft auch bereit steht? Etappen durch den Nationalpark. Auch sich hier etwas tun. Das hat schon eine Traumschleifen gibt es. Premium-Wan- Studie vom Alpenforschungsinstitut ein- Gerade kleine Betriebe haben oft kei- dern im Premium-Naturschutzgebiet. dringlich gefordert. Was ist seither pas- ne guten Vermarktungsstrukturen. Gibt es auch die Premium-Lösung für siert? Bäche wurden renaturiert, Dörfer Doch genau diese sind die Chance im den Gast? Übernachtungs- und Ver- damit aufgewertet. Mehrere Millionen

80 umweltjournal 59/2016 Nationalpark Headline Hunsrück-Hochwald Subheadline

Zukünftiges NLP-Tor Hunsrückhaus am Erbeskopf

Euro wurden investiert. Doch die alten, 20.000 Besucher. Ein Jahr später waren eine Chance in der Ruhe des National- verlassenen Gebäude wurden damit es fast doppelt so viel. Doch ist der parks. Sind es nicht genau diese Kon- nicht einladender. Es heißt also nicht nur Gewinn gestiegen? Der Gewinn steigt traste, die erlebt werden wollen? See Kommunen zu unterstützen. Sie haben dann, wenn die Erträge auch gesteigert und Wald? Natur und Kultur? Im Na- es bitter nötig, das sei nebenbei gesagt. werden, ohne dass die Kosten explo- tionalpark können Sie beides erleben. Doch werden auch die richtigen Wei- dieren. Die richtige Zielgruppe muss Uralte Bäume und keltisch, römische chen gestellt? Was tun die Kommunen, angesprochen werden. Das richtige An- Relikte. Cäsars Spuren auf dem Weg damit es besser wird? Was tut die Pri- gebot dazu unterbreitet werden. zu Asterix und Obelix. Ein Wein von der vatgesellschaft für die Region? Nahe, Mosel oder Saar im Wald des Wo Outdoor-Firmen mit Ruhe werben, Hunsrücks. Eine einmalige Chance für Wenn die Region vom Nationalpark entsteht genau dort der Charme. Im den Naturtourismus. Der Nationalpark profitieren will, dann müssen die Bür- Schwarzwald oder Berchtesgardener kann zeigen, wie sexy seine Angebote gerinnen und Bürger engagierter auf- Land sind an einem Tag 2.000 Men- für den Mainstream sind. Doch dafür treten. Ideen müssen nicht nur geboren schen, in der Eifel noch mehr gezählt braucht es die Menschen in der Region, und kommuniziert, sondern auch um- worden. Dimensionen, die im Huns- die diesen Weg mitmachen. gesetzt werden. Die Ideengeber sind rück-Hochwald weit weg sind. Sie sind hier gefragt, nicht das Nationalparkamt. auch (jetzt) nicht erstrebenswert. Denn Hierfür gibt es nicht nur zinsgünstige genau das würde die Region an Kapa- Darlehen, sondern sogar Investitions- zitäten nicht verkraften. Der Gast wä- zuschüsse. Je nachdem wie gut die re unzufrieden und käme so schnell Idee ist, kann das sehr lukrativ werden. nicht wieder. Wir alle kennen das aus Zwischen 20 % und 40 % ist die Regel. unseren Besuchen bei Gastronomen, Wo gibt es so etwas? Wer seine Bäcke- die uns zu lange auf das Essen war- rei, Gastronomie oder Ferienwohnung ten lassen, mit unfreundlichem (weil umbaut, energetisch verbessert, Ne- überlastetem) Personal abspeisen oder benkosten spart, etwas für Umwelt tut, eben zeigen, dass wir als Kunde nicht bekommt bares Geld geschenkt. Doch König sind. Keine Erfahrung, die man wo ist der Haken? Neuansiedlungen in nur im Hunsrück macht. Übernachten strukturschwachen Räumen: häufig un- im Nationalpark oder um ihn herum, ist lukrativ. Vom Nationalpark leben, wenn schon jetzt möglich. Doch die Angebote auf einer Traumschleife gerade mal 20 der Privatwirtschaft müssen attraktiver Besucher am Tag unterwegs sind? Der werden und den Nationalpark stärker Hunsrück-Hochwald hat noch einen wei- einbinden. Daran knüpft die Partner- ten Weg vor sich. Doch er hat eine Chan- initiative an. Doch es wird noch dauern ce. Es gibt eben noch andere Besucher, bis Betriebe vor´m Wald und hinter´m die nicht nur des Nationalparks wegen Wald zusammenarbeiten. Autor kommen. Aber sie werden immer mehr. Sören Sturm Der Nationalpark setzt deshalb derzeit Bachelor Regionalwissenschaften Einen Unternehmer interessiert nicht vor allem auf den Tagesbesucher. Rei- Master Europawissenschaften (Schwer- nur der Umsatz, sondern vor allem der sende, die ohnehin in der Region sind. punkt EU-Regionalpolitik) Gewinn. Den Umsatz kann ich steigern. Wer zweimal um den Bostalsee gelau- Abteilungsleiter Umweltbildung, Na- Das zeigen Wildenburg und Hunsrück- fen ist, der hat auch genug. Wer den turerleben, Kommunikation und Regio- haus. 2014 kamen noch etwas mehr als Menschenmassen entfliehen will, hat nalentwicklung

81 umweltjournal 59/2016 Buchtipps

Der Ruf nach Wildnis: Die Geburtsstunde eines Nationalparks

Dass rheinland-pfälzische Förster gut Im Rahmen der Bürgerbeteiligung zur Geschichten erzählen können, hat Nationalparkentstehung wurden die jüngst Peter Wohlleben mit seinem Kernfragen des Naturschutzes kontro- Überraschungserfolg »Das geheime vers und intensiv diskutiert – und die Leben der Bäume« bewiesen. Diesel- Diskussionen gehen weiter. Während im be Erzählfreude zeigt nun auch sein Saarland alle fünf im Landtag vertrete- Kollege Claus-Andreas Lessander, nen Parteien hinter dem Nationalpark der die Entstehung des Nationalparks stehen, lehnt ihn die von Julia Glöckner Hunsrück-Hochwald in verschiedenen geführte rheinland-pfälzische CDU nach Funktionen miterlebt und -gestaltet wie vor ab. Sie kündigte an, im Falle hat. In »Der Ruf nach Wildnis: Die Ge- eines Sieges bei der im März 2016 an- burtsstunde eines Nationalparks« (Er- stehenden Landtagswahl dem National- scheinungstermin 03.03.16) berichtet park alle finanziellen Mittel zu kürzen, er von Irrungen und Wirrungen, von was nach Meinung der Regierungspar- Stolpersteinen und Fußangeln auf dem teien de facto einer Abschaffung des spannenden Weg zum Nationalpark Nationalsparks gleichkäme. Hunsrück-Hochwald. »Bei einem Na- tionalpark geht es um sehr viel mehr Claus-Andreas Lessander stellt sein als um nicht eingeschlagenes Holz oder Buch »Der Ruf nach Wildnis« zusam- um die touristische Entwicklung einer men mit seinem Sohn Leonard, der die Region«, so der Autor. Anekdotenreich Zeichnungen für das Buch beigesteuert Claus-Andreas Lessander und eindringlich zugleich lässt er seine hat, mit einer Lesung in der Bibliothek Der Ruf nach Wildnis: Die Ge- Leserinnen und Leser hinter die Kulis- des Umwelt-Campus erstmalig der Öf- burtsstunde eines Nationalparks« sen blicken und gewährt auch Einblicke fentlichkeit vor (29.02.16, 17.30 Uhr, in seine ganz persönlichen Ansichten UCB, Campusallee, Gebäude 9922, 208 Seiten, Paperback, und Erfahrungen, die sein Welt- und 55768 Hoppstädten-Weiersbach). ISBN 978-3-86581-787-7, Naturbild geprägt haben. 19,95 Euro /20,50 Euro (A).

Nationalpark Hunsrück-Hochwald – Im Kleinen das Große entdecken

Der Fotograf und Autor Konrad Funk, der immer in der Natur war glaubt, man Jahrgang 1958, studierte Forstwirtschaft kenne die Natur, dann hat man sich ge- und war lange Jahre Revierförster in täuscht. Wissbegierig wie Konrad Funk (Saarland). Seit seiner Ju- ist, merkt er, dass auch er die Natur Tag gend ist er begeisterter Fotograf. Schon für Tag gerade durch die Kamera wirklich mit seiner ersten Kamera, einer Canon noch besser kennen lernen kann. Die A1, hat er ambitioniert fotografiert und Möglichkeiten direkt vor der Haustür, in auch an Wettbewerben teilgenommen. „seinem“ Wald und vor allem im neu Bis heute hat er unzählige Fotos einge- gegründeten Nationalpark Hunsrück- schickt, regelmäßig gute Platzierungen Hochwald sind unerschöpflich. Hinter erreicht, und bereits mehrere, renom- jeder geöffneten Tür folgt eine weitere mierte und internationale Fotowettbe- Tür – die es zu öffnen gilt. werbe gewonnen. Konrad Funk Konrad Funk setzt seine Fotos ein, um Nationalpark Hunsrück-Hochwald Die Liebe zur Natur ist der Motor für sei- Menschen die Natur näher zu bringen. Im Kleinen das Große entdecken ne Fotoleidenschaft. Entweder er sucht Bildpräsentationen, Presseberichte, Foto- Motive, die er im Kopf hat und versucht ausstellungen etc. sollen auch künftig als Hardcover, 4-farbige Schutzumschlag diese bei entsprechenden Lichtverhält- Teil seiner neuen Tätigkeit im Nationalpark Großformat quer 310 x 240 mm nissen umzusetzen – oder er findet sie in dazu beitragen. Nur was wir sehen und 176 Seiten, mehr als 300 Fotos ihrer Schönheit direkt vor Ort. Makroauf- kennen, können wir auch schützen. Dazu Verlag: TiPP 4 nahmen entschlüsseln ihm einen unend- möchte er mit diesem Buch beitragen ISBN-Nr.: 978-3-9439691-4-6 lichen Kosmos – ebenso wie die Sicht- 29,90 Euro weisen mit langer Brennweite – gerade bei Wildtieren. Wenn man als Förster,

82 umweltjournal 59/2016 Ökoroutine. Damit wir tun, was wir für richtig halten Nationalpark

Dieses Buch macht Schluss mit um- Hunsrück-Hochwald: weltmoralischen Appellen! Es zeigt: Wir können nachhaltig leben, ohne uns Kommentar zum tagtäglich mit Klimawandel oder Mas- Staatsvertrag sentierhaltung befassen zu müssen. Wir machen ökologisches Leben einfach Am 1. März 2015 ist der „Staatsvertrag zur Routine! zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und dem Saarland über die Errichtung und Was unmöglich erscheint, ist konzep- Unterhaltung des Nationalparks Huns- tionell einfach: Mülltrennung, Spar- rück-Hochwald“ in Kraft getreten. Die lampen, Effizienzhäuser – alles längst beiden Bundesländer errichten damit akzeptiert oder in Reichweite. Was wir länderüber-greifend den 16. National- zur Durchsetzung einer gelebten Nach- park in Deutschland. Zum ersten Mal für haltigkeit brauchen, ist eine Politik, die einen deutschen Nationalpark erläutert neue, innovative Standards und Limits der vorliegende Kommentar die gesetz- durchsetzt: Wenn Geräte weniger oft lichen Regelungen sowie den rechtlichen kaputtgehen, die Tierhaltung artgerech- und naturschutzfachlichen Kontext. Er ter wird oder bedenkliche Zusatzstoffe bezweckt eine praxis-nahe Darstellung aus Lebensmitteln verschwinden – wel- des Regelwerks und richtet sich vor al- cher Verbraucher würde sich darüber lem an Kommunal- und Landespolitik, beschweren? Michael Kopatz Behörden und Justiz, Unternehmen und Ökoroutine. Damit wir tun, Grundstückseigentümer, Planungsbüros Michael Kopatz präsentiert in diesem was wir für richtig halten und Fachverbände sowie interessierte Buch eine Vielzahl leicht umsetzbarer, Bürgerinnen und Bürger. politischer Vorschläge für alle Lebens- 416 Seiten, bereiche, damit die Utopien von heute oekom verlag München, 2016 Autoren: Regierungsdirektor schon bald die Realitäten von morgen ISBN-13: 978-3-86581-806-5 Dr. Klein, Leitender Ministerialrat werden. Preis: 24.95 Euro Schrenk, Forstdirektor Stipp, Biolo- giedirektor Jäger, Bauoberinspektor Münch.

Kommunal- und Schul-Verlag, 140 Seiten, 24,80 Euro, ISBN 978-3-8293-1167-0

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Postfach 3160 55021 Mainz 83 umweltjournal 59/2016 Fest der Nationalparkregion zum einjährigen Bestehen der Nationalparkregion Hunsrück-Hochwald Schwollen 26. Mai 2016