Lost Circles Im Bau Ana Andromeda
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Lost Circles Im Bau Ana Andromeda Ein Musiktheaterprojekt von æquatuor Musik | Michel Roth und Alfred Zimmerlin Installation/Regie | Marie-Thérèse Jossen und Georges Delnon Anne-May Krüger | Mezzosopran Matthias Arter | Oboe und Lupophon Tobias Moster | Violoncello Ingrid Karlen | Klavier Stephan Widmer | Schauspieler Ueli Würth | Klangregie Koproduktion: Lucerne Festival, Theater Basel, 1 Opera Butxaca i Nova Creació, Theater Chur, æquatuor 2 Lost Circles Michel Roth (*1976) Im Bau Fünfzehn Klangräume nach einem Fragment von Franz Kafka Uraufführung Alfred Zimmerlin (*1955) Ana Andromeda Sieben lyrische Bilder auf einen Text von Ingrid Fichtner Uraufführung Ensemble æquatuor: Anne-May Krüger | Mezzosopran Matthias Arter | Oboe, Lupophon Tobias Moster | Violoncello, Maracas, Singende Säge Ingrid Karlen, | Klavier, Orgel, Melodica Stephan Widmer | Schauspieler Tonzuspielungen | «Im Bau»: Sylvia Nopper Tonzuspielungen | «Ana Andromeda»: Sylvia Nopper (Ana Andromeda/Innere Stimme, Mutter, Flüsterchor) und Andreas Müller-Crepon (Per) Ueli Würth | Klangregie und Audiotechnik Marie-Thérèse Jossen, Georges Delnon | Installation Roland Edrich, Cornelius Hunziker | Licht Ute Vollmar | Dramaturgie Matthias Arter | Projektleitung und Koordination Künstlerische Produktionsleitung | Ulrike Jühe Regieassistenz | Barbara Schröder Bühnenbildassistenz | Cornelia Schmidt, Katharina Scheicher Regiehospitanz | Clara Stadler Alle Fotos: © Priska Ketterer 3 Die Ausstattung wurde in den Werkstätten des Theater Basel hergestellt: Technische Direktion | Joachim Scholz; Mitarbeiter | Claude Blatter; Techn. Assistent / Veranstaltungs- technik | Beat Weissenberger Leitung Bühnenbetrieb | Adi Vossen Leiter Beleuchtung | Roland Edrich Leitung Tonabteilung | Robert Hermann Leitung Möbel / Tapezierer | Rolf Burgunder Leitung Requisite / Pyrotechnik | Stefan Gisler Leitung Maske | Elisabeth Dillinger-Schwarz Leitung Hausdienste | Alexander Stumpp, Stellv. Paul Wakefield Werkstätten- / Produktionsleitung | René Matern, Gregor Janson Leitung Kostümabteilung | Karin Schmitz Bühnenbildatelier | Marion Menziger Koproduktion von LUCERNE FESTIVAL mit dem Theater Basel, dem Theater Chur, der Opera Butxaca i Nova Creació und Ensemble æquatuor. Unterstützt von | Präsidialdepartement der Stadt Zürich, Fachstelle Kultur Kanton Zürich, Pro Helvetia, Landis & Gyr Stiftung, Fondation Nicati-de Luze, Fondation Nestlé pour l’Art, Kanton Luzern, Migros Kulturprozent und Ernst Göhner Stiftung Dauer: ca. 2 Stunden (Pause nach «Im Bau») 4 Lost Circles Aus der Tiefe ans Licht: So könnte das Motto toren» des Instrumentalklangs, färben ihn also, dieses Musiktheaterabends lauten. Ausgangs- meist ohne direkt wahrgenommen zu werden. punkt für Michel Roths Kammeroper Im Bau Im Mittelteil durchbricht das Wesen die Gren- auf Kafkas fragmentarischen Text ist das Höh- ze der Moosdecke, tritt ins Freie, atmet frische lensystem eines Fuchses oder Maulwurfs, der Luft, die Elektronik verstummt. Doch hier fühlt im Glauben, seinen Bau abschirmen zu müs- es sich verloren, bedroht und kehrt in den Bau sen, ruhelos durch die Gänge schweift und sei- zurück. Nun stellt sich dort aber ein unfass- ne Gefühle eifrig kommentiert. Die Sängerin bares Geräusch ein. Der präzis formulierende verkörpert in diesem Monodram das Tier, das Kafka wird gezielt unscharf. Das irritierende Ensemble vermittelt die Akustik der Räume. Pfeifen erinnert an Erfahrungen mit Tinnitus, Im Burgplatz, verkörpert durch das tonnen- wie sie auch der Komponist machen musste: schwere Klavier, begegnen wir Hall-Klängen; «Seine Wahrnehmung ist ähnlich wie bei Kafka, der Flügel hat etwas Bergendes, umhüllt als extrem nah und doch entrückt. Es wirkt wie ein Resonanzraum die Sängerin. Gleichzeitig ist Filter. Autosuggestion hat mir geholfen, so wie er aber auch Gegenspieler und kann die Stim- dieses Wesen jeweils für kurze Zeit beruhigt me verzerren oder gar (akustisch) verschlu- einschläft, nachdem es eine vorläufige Erklä- cken. Im Labyrinth der Gänge herrscht be- rung des Phänomens gefunden hat. Ich suchte drohliche Enge; hier dominiert ein Tappen in nach einem ähnlichen Klangphänomen, diffus gleitenden Celloklängen; die enge Röhre der und bohrend zugleich, und kam darauf, dass Oboe schliesslich steht für die Moosdecke, die man mit meinem ungewöhnlichen Beschal- Grenze zur Oberwelt. lungssystem im Innenraum der Instrumente Raum und Klang werden durch Live-Elektronik gezielte Rückkopplungen erzeugen konnte. mitgestaltet. Der Beginn ist noch Raum-los, die Dies sind ja auch Töne ohne Ort, schwer loka- Sängerin unsichtbar. Die knackenden, kaum zu lisierbar und scheinbar ohne Ursprung – das ortenden Geräusche bilden den doppelten Bo- System erzeugt sie von selbst. Doch verwende den: Man spürt das Unheimliche, fühlt sich be- ich nicht Rückkopplungen, wie man sie beim engt, desorientiert wie das Wesen im Bau. Die Soundcheck störend erlebt, sondern solche, die Ensemble-Besetzung bringt unterschiedliche äusserst subtil gestaltbar sind.» Resonanzkörper mit sich, in welche einzelne Nach der Rückkehr in den Bau kommen wieder Klänge der Sängerin hinein projiziert werden: die Klangprojektionen, nun jedoch stellen weise Im Innern der Oboe ist es ein rohrförmiger Laut- live von der Sängerin in die Instrumente hinein sprecher, wie er von Rapmusikern zur Manipu- «gesungen». Das Wesen streift erneut durch lation ihrer Stimme benutzt wird, bei Violoncel- Moosdecke, Labyrinth und Burgplatz, doch das lo und Klavier ein Kontaktlautsprecher, der den Gefühl von Vertrautheit kann gar nicht mehr Korpus in Schwingung versetzt und so zu einem aufkommen, da sich immer jener Ton dazwi- riesigen Lautsprecher umfunktioniert. Dabei schen stellt, der nun von den Interpreten selbst sind die projizierten Gesangspartien «Modula- moduliert wird: Öffnet man beispielsweise die 5 Oboen-Klappen, beeinflusst das die Rückkopp- auf der Bühne zurückbleiben. Das Ensemble lung, und wenn sich die Sängerin den Instru- tritt in den Zuschauerraum: man ist als Publi- menten nähert, steuert sie ihrerseits die Klänge. kum nun in derselben Situation wie das Wesen, Wie in neurotischem Zwang muss Kafkas Tier umgeben von Klängen, deren Herkunft und Ort seine Schritte begründen, ja geradezu vertei- man nicht genau eruieren kann. Die Auswahl digen. Auch Michel Roth gibt sich ständig Re- der Variantinstrumente orientierte sich an ih- chenschaft: «Ich benutzte in diesem Stück nicht rem fremdartigen Klang, der allerdings durch nur Materialvorordnungen, sondern auch eine ähnliche Spieltechniken wie beim Hauptinstru- Art Ethik, die mir bestimmte künstlerische ment zustande kommt. Letztere bleiben also Handlungsweisen aufzwingt und ungewöhn- nicht nur verlassen auf der Bühne zurück, sie liche Entscheidungsprozesse auslöst. Ich wollte verlieren auch charakteristische Wesenszüge, mich beim Komponieren selbst in die Enge etwa wenn die Melodica das Klavier ersetzt und meines eigenen Baus treiben und schränkte dessen typische Anschlags- und Ausklangs- meinen kreativen Spielraum bewusst so weit charakteristik aufhebt. Dadurch soll die Uto- wie möglich ein.» Kafkas Protagonist bemerkt pie der Stille zum ‹Unort› werden, entfremdet, einmal: «Freilich manche List ist so fein, dass denaturiert, tot.» sie sich selbst umbringt.» Auch der Komponist Das Ende ist bewusst offen gehalten. Da- muss sich vor der eigenen Raffinesse schüt- rauf spielt auch der Titel an: Im Bau ist dop- zen, um Freiheit zu bewahren. Oftmals sind es peldeutig und bezeichnet den Aufenthalt im vertrackte Umwege, die etwas ganz Einfaches Gebäude und den prozesshaften Vorgang des ermöglichen: «Ich bin mir bewusst, dass dies Bauens, der in dieser Geschichte wohl nie zu auch eine Art Selbstüberlistung ist, um in einen einem Ende kommen wird. Die Erzählung ist kreativen Prozess hinein zu kommen. Es kann bezeichnenderweise ein Fragment, wobei man aber durchaus geschehen, dass ich dann die nicht weiss, ob Kafka einfach aufgehört hatte ausgeklügelten Methoden im Stück gar nicht oder der Schluss bloss verloren gegangen ist. verwende oder zumindest nicht konsequent. Im Der letzte Satz «Aber alles blieb unverändert, Unterschied zu diesem Wesen glaube ich nicht das …» steht an einem Seitenende, so dass es an den perfekten Bau.» wahrscheinlich ist, dass zumindest dieser Satz Dieser würde in Kafkas Erzählung einen Bau auf einer unbekannten Folgeseite noch zu Ende im Bau bedeuten, mit absoluter Stille. Doch geschrieben wurde. dies bleibt ein utopisches Ziel – im doppelten Sinne. Das Wesen kann diesen Raum nicht bau- en und es würde ihn auch nicht bewohnen wol- Auch in Alfred Zimmerlins Ana Andromeda len, sondern lieber im Zwischenraum die Stille stand eine Raum-Vorstellung am Anfang: In von dessen Innerem bewachen – diese Passa- der Mitte die Szene, das Publikum ringshe- ge zählt zu Roths prägendsten literarischen rum, links und rechts zwei Schattenensem- Erfahrungen, weshalb er einzig hier in Kafkas bles. Auch hier kommt es zu zuvor nie gehörten Dramaturgie eingegriffen hat und sie erst kurz Klängen als Ausdruck eines in der Unwirklich- vor Schluss des Stücks bringt. Nun wechselt keit schwebenden Zeit-Raums: dem Zustand das Instrumentarium allmählich zu Lupophon zwischen Leben und Tod. Während Im Bau in (Bassoboe), Singender Säge und Melodica: 15 Szenen das Wesen bei seiner Bautätigkeit «Ich wollte, dass die Hauptinstrumente am und seinen Reflektionen begleitet und Aktivi- Ende wie tote Hüllen oder verlassene Räume tät und Ruhe, Getriebensein und Schlaf dem 6 Libretto eine eigene Zeitstruktur geben, die Von dort her erklingt auch der Chor – nicht all-