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https://doi.org/10.5771/9783968216874, am 01.10.2021, 07:42:22 Open Access - http://www.nomos-elibrary.de/agb Hof manns thal Jahrbuch · Zur europäischen Moderne 23/2015 https://doi.org/10.5771/9783968216874, am 01.10.2021, 07:42:22 Open Access - http://www.nomos-elibrary.de/agb https://doi.org/10.5771/9783968216874, am 01.10.2021, 07:42:22 Open Access - http://www.nomos-elibrary.de/agb HOf MANNSTHAL JAHRBUCH · ZUR EUROPÄISCHEN MODERNE 23/2015 Im Auftrag der Hugo von Hof manns thal-Gesellschaft herausgegeben von Maximilian Bergengruen · Gerhard Neumann · Ursula Renner Günter Schnitzler · Gotthart Wunberg Rombach Verlag Freiburg https://doi.org/10.5771/9783968216874, am 01.10.2021, 07:42:22 Open Access - http://www.nomos-elibrary.de/agb Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Universität Duisburg-Essen © 2015, Rombach Verlag KG, Freiburg im Breisgau 1. Auflage. Alle Rechte vorbehalten Typographie: Friedrich Pfäfflin, Marbach Redaktion: Dr. Friederike Wursthorn Satz: TIESLED Satz & Service, Köln Herstellung: Rombach Druck- und Verlagshaus GmbH & Co. KG, Freiburg i. Br. Printed in Germany ISBN 978–3–7930–9826–3 https://doi.org/10.5771/9783968216874, am 01.10.2021, 07:42:22 Open Access - http://www.nomos-elibrary.de/agb Inhalt Henriette von Motesiczky: »Erinnerungen« Mitgeteilt und kommentiert von Julian Werlitz 7 Rudolf Kass ner an Marie von Thurn und Taxis Briefe (1902–1933) und Dokumente Teil II: 1907–1933 Mitgeteilt und kommentiert von Klaus E. Bohnenkamp 51 Paul Bourget Théorie de la décadence Herausgegeben und übersetzt von Rudolf Brandmeyer 253 Maria Euchner Of Words, Bloody Deeds, and Bestial Oblivion: Hamlet and Elektra 265 Heinz Rölleke Rainer Maria Rilkes »Alkestis« und Hof manns thals »Jedermann« Parallelen und Einflüsse 291 Gabriele Brandstetter Harry Graf Kessler und die ›Ballets Russes‹ Plastische Körperkunst Nijinskys im Kontext der europäischen Moderne 301 https://doi.org/10.5771/9783968216874, am 01.10.2021, 07:42:22 Open Access - http://www.nomos-elibrary.de/agb Daniel Hilpert ›Triumph des Körpers‹ Literarische Eugenik in Frank Wedekinds »Mine-Haha oder Über die körperliche Erziehung der jungen Mädchen« und »Hidalla« 327 Hugo von Hof manns thal-Gesellschaft e.V. Mitteilungen 363 Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 365 Anschriften der Mitarbeiter 375 Register 377 https://doi.org/10.5771/9783968216874, am 01.10.2021, 07:42:22 Open Access - http://www.nomos-elibrary.de/agb Henriette von Motesiczky: »Erinnerungen« Mitgeteilt und kommentiert von Julian Werlitz Zur Einführung Die Verbindungen Hugo von Hofmanns thals zu der Familie von Lieben sind schon dort wirksam, wo sie nur in der engen Verflechtung mit den Familien Auspitz, Gomperz und Wertheimstein und der Verzweigung im gesellschaftlichen Leben Wiens liegen: Josefine von Wertheimstein war eine Schwester Sophie Todescos, deren Tochter Anna 1871 Leopold Lieben heiratete. Der erfolgreiche Bankier und spätere Präsident der Wiener Börsenkammer gilt als gebildet und künstlerisch veranlagt. Ne- ben eigenen Versuchen in der Malerei sammelt er Gemälde; das Palais der Familie wird über die Jahre ein »Sammelpunkt von Gelehrten und Künstlern«.1 Seine Brüder Adolf und Richard Lieben machen sich in der Wissenschaft einen Namen, Schwester Helene heiratet Rudolf Auspitz, Ida, die jüngere, Franz Brentano. Aus der Ehe Leopold Liebens mit Anna gehen fünf Kinder hervor: Ilse, Valerie, Ernst, Robert und Henriette. 1894 freundet sich der junge Hof manns thal mit dem Erfinder Robert von Lieben an. Aus dem Brief- wechsel der beiden weiß man, dass es auch eine Beziehung zur jüngsten Lieben-Tochter Henriette gab, doch deren nähere Umstände werden aus der Korrespondenz nicht ganz klar, nur dass zwischen der 14-jährigen Henriette und dem 22-jährigen Hof manns thal wohl – für die Familie problematische – Briefe gewechselt wurden. Im April 1896 schreibt Hof- manns thal an Robert von Lieben über dessen Schwester: Ich glaube, ich brauche nicht zu sagen, dass sich ja in meinem Verhältnis zu Henriette nicht das geringste verändert hat. Nur will ich absolut vermeiden, 1 Friederike Hillbrand, Leopold von Lieben. In: Österreichisches Biographisches Lexi- kon. Bd. 5. Wien 1972, S. 192. Henriette von Motesiczky: »Erinnerungen« 7 https://doi.org/10.5771/9783968216874, am 01.10.2021, 07:42:22 Open Access - http://www.nomos-elibrary.de/agb dass sie zu den Menschen in ihrer nächsten Umgebung in ein Verhältnis von Lügen und gegenseitigem Misstrauen kommt.2 In seiner Antwort berichtet Robert: Sie schrieben mir, ich sollte Ihnen etwas über Henriette und mich mittheilen. Da gibt es denn noch so manches zu erzählen. Henriette hat, von Fräulein und Yella falsch behandelt und gedrückt, sich schon vor etwa 1 Monat den Anlauf genommen und dem Papa die ganze Geschichte gesagt und ihm auch die Briefe übergeben, die das Fräulein ihr versiegelt hatte, damit sie ja nicht mehr, der verbotenen Frucht sich freuen könne.3 Es wird wohl etwas wie eine Liebeserklärung gewesen sein, die die klei- ne Henriette dem älteren Hof manns thal gemacht hat, jedenfalls ist von einem Vers die Rede, der diesen »verwundert und verstört hat«.4 Dass es Henriette mit dieser Schwärmerei gar nicht so unernst war, zeigt sich wenige Jahre später. Wohl nachdem sie von der Verlobung Hof manns- thals erfahren hat, reitet sie zu dessen zukünftiger Schwiegerfamilie, den Schlesingers, um ihn zu sprechen. In einem Brief des Bruders an Hof- manns thal daraufhin heißt es: Von Ihrem Erlebnis mit Henriette wusste ich, bevor Sie mirs schrieben. Hen- riette hatte mir es nämlich in einem Briefe gebeichtet, dass sie Sie wieder einmal sprechen wollte und deshalb in der Früh zu Schlesingers geritten ist. […] Sie haben gewiss an dem allen durchaus keine Schuld und ich hoffe nur, dass die Geschichte bei Henriette nun aus ist[.]5 Der hier vorliegende Text, Henriette von Motesiczkys in den 1960er Jahren niedergeschriebene »Erinnerungen«, schafft nun weitgehend Klarheit über diese Beziehung und die »Geschichte« mit den Briefen. Hof manns thal führt Henriette zusammen mit ihrer Schwester Ilse von Lieben, verheiratete Leembruggen (1873–1962), in seiner Liste bis zur Verlobung begehrter Frauen.6 Persönliche Erinnerungen von Freunden und Bekannten an Hof manns thal sind nicht gerade selten überliefert. Auch Schilderungen von Frauen aus seiner Umgebung, etwa von Marie Herzfeld oder Grete Wiesenthal, gibt es, doch liegt mit den »Erinnerun- 2 BW Lieben, S. 32. 3 Ebd., S. 33. Gabriele (Yella/Jella) Oppenheimer ist Anna von Liebens Schwester. 4 Ebd., S. 36. 5 Ebd., S. 48. 6 Vgl. SW XXXVIII, S. 434. 8 Julian Werlitz https://doi.org/10.5771/9783968216874, am 01.10.2021, 07:42:22 Open Access - http://www.nomos-elibrary.de/agb gen« wohl der erste Text vor, der aus der Feder einer jener Frauen dieser kuriosen Liste stammt. Auch in einer Notiz aus dem Frühjahr 1896 wird »[d]ie Geschichte mit der kleinen Henriette L« erwähnt, auch hier neben der älteren Schwester, auf die sich die darunter notierten Ereignisse be- ziehen.7 Henriette, benannt nach ihrer Urgroßmutter Henriette Gomperz, wur- de am 5. Mai 1882 als jüngstes der fünf Kinder geboren. Auch Henriet- tes »Erinnerungen« zeigen ihre Kindheit als zwar weitgehend sorgenfrei und privilegiert, beleuchten aber ebenso das problematische Verhältnis zur Mutter, die wegen Depressionen und Morphiumsucht ihr Zimmer nur selten verließ. Der schweigsame Vater sei den Kindern als »stei- nerner Gast« am Esstisch erschienen. Erst die »unbefangene Jüngste«, Henriette, habe überhaupt gewagt, bei Tisch zu sprechen, berichtet die Cousine Josephine Winter.8 Wie ihre Mutter und die älteren Schwes- tern zeigt Henriette künstlerische Begabung: Sie schreibt Gedichte9 und »modelliert«.10 Die »Erinnerungen« an die Begegnungen mit Hof manns thal ver- schweigen den Ausritt zu Schlesingers. Dass dieser als höchst unpassend empfunden wurde, zeigt die Reaktion des Bruders, der ihr vorwirft, dass »ihre Gefühle und Stimmungen sich übertrieben gesteigert haben« und letztlich unvernünftig und naiv kindlich seien.11 Die im August 1903 geschlossene Ehe mit Edmund von Motesiczky endet früh mit dem Tod Edmunds 1909. Dieser Verlust trifft sie zwar hart, erlaubt ihr aber als junge, finanziell abgesicherte Witwe auch, mit gerade einmal 27 Jahren ein ungewöhnlich selbstbestimmtes Leben zu führen. Das Verhältnis zu den eigenen Kindern Marie-Louise und Karl ist zwar gut, doch mit deren Erziehung sind Kindermädchen betraut. Henriette leidet zunehmend unter Depressionen, verlässt oft tagelang 7 Vgl. ebd., S. 354. 8 Josefine Winter, Fünfzig Jahre eines Wiener Hauses. Wien 1927, S. 18. 9 Ein Band »Gedichte« soll 1903 in Wien im Verlag F. Przibram erschienen sein (vgl. Jill Lloyd, Die Wiener Jahre. Familiärer Hintergrund und frühe Werke. In: Marie-Louise von Motesiczky. 1906–1996. Hg. von Jeremy Adler und Birgit Sander. München u.a. 2006, S. 22–45, hier S. 44). Der Band ist aber bibliographisch nicht zu ermitteln. 10 Vgl. BW Lieben, S. 34. Diese Begabung führt Hofmanns thal auf die Mutter zurück. Im Kondolenzbrief an Henriette heißt es: »Vieles von dem, was in Ihrer guten und schönbegab- ten, merkwürdigen Mutter gelebt und gewebt hat, lebt auch in Ihnen und Sie müssen es sich erhalten und müssen es zum Blühen bringen.« (B II, S. 40) Ähnlich bezieht er sich gegenüber Henriettes Sohn Karl auf die Großmutter, vgl. unten stehenden Brief. 11 BW Lieben, S. 48. Henriette von Motesiczky: »Erinnerungen« 9 https://doi.org/10.5771/9783968216874, am 01.10.2021, 07:42:22 Open Access - http://www.nomos-elibrary.de/agb nicht das Schlafzimmer und wird stark übergewichtig. Wie ihre Mutter erwirbt sie sich den Ruf einer Exzentrikerin: Die Porträts der Tochter zeigen sie Pfeife rauchend und nur mit einem Nachthemd bekleidet auf Entenjagd. Nachdem das Schloss in Vázsony verkauft wurde, ersteht sie vom Erlös ihr erstes Auto, und ein Bekannter der Familie schildert, wie sie einmal eine wertvolle Schmuckdose aus einem Salon stahl und erklärte: »Ja, die war so hübsch, da habe ich sie mitgenommen.«12 Ein Tag nach dem ›Anschluss‹ fliehen Henriette und ihre Tochter nach Den Haag, wo sie bei Henriettes Schwester Ilse wohnen, bevor sie schließlich im Frühjahr 1939 in Amersham, London, ein Haus beziehen.