Gericht Entscheidungsdatum Geschäftszahl Spruch Text
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04.04.2017 Gericht BVwG Entscheidungsdatum 04.04.2017 Geschäftszahl W197 2109210-1 Spruch W197 2109210-1/22E IM NAMEN DER REPUBLIK! Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA.: Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.06.2015, Zahl: 831643008/1748852/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.05.2016, zu Recht erkannt: A) Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt." B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: I. Verfahrensgang: 1. Der Beschwerdeführer führt den im Verfahren verwendeten Namen, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, ist sunnitischen Bekenntnisses, reiste am 08.11.2013 schlepperunterstützt und unrechtmäßig ins Bundesgebiet ein, stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde hiezu am folgenden Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Zum Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, aufgrund seiner Arbeit als Wächter auf einer Baustelle Probleme mit den Taliban gehabt zu haben. 2. Am 09.01.2015 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er im Wesentlichen an, aus dem Dorf XXXX (in weiterer Folge: X) in der Provinz Kandahar zu stammen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer soweit wesentlich vor, bei einer Baufirma namens XXXX (in weiterer Folge: Y) gearbeitet zu haben. Sein Vater habe jeden Tag Streitigkeiten mit dem Mullah aus der Moschee gehabt, weil der Beschwerdeführer aufgrund seiner Arbeit nicht in die Moschee habe kommen können. Der Mullah habe Kontakte zu den Taliban gehabt, weshalb der Beschwerdeführer von einigen Taliban-Mitgliedern entführt worden sei. Während der Beschwerdeführer in www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 24 Bundesverwaltungsgericht 04.04.2017 deren Gewalt gewesen sei, sei der Mullah gekommen und hätte den Beschwerdeführer gefragt, ob er wie sein Vater der Hezbe angehöre und die Ausländer, damit meine er Inder oder andere Landsleute, die in der Baufirma gearbeitet hätten, unterstütze. Der Beschwerdeführer sei gefoltert und gezwungen worden, ein Schreiben zu unterzeichnen, in dem er sich verpflichtet habe, nicht mehr für die Baufirma zu arbeiten. Nach der Gefangenschaft habe der Beschwerdeführer aus wirtschaftlichen Gründen wieder die Arbeit für seine Baufirma aufgenommen. Nach einer Woche sei der Vater des Beschwerdeführers von den Taliban zusammengeschlagen worden; diese hätten dem Vater des Beschwerdeführers vorgeworfen, dass der Beschwerdeführer Ausländer unterstütze. Der Beschwerdeführer habe mit einem Kommandanten Namens XXXX (in weiterer Folge: Z) gesprochen, dieser habe einen Taliban festnehmen können, sei aber nach drei oder vier Tagen getötet worden. Nach Kabul habe der Beschwerdeführer mit seiner Familie nicht gehen können, weil sein Vater dort bereits zweimal aufgrund seiner Angehörigkeit zur Hezbe verhaftet worden sei. In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Verwandten, in Vereinen oder Organisationen sei er nicht tätig. In seiner Freizeit lerne er, manchmal spiele er Fußball. 3. Die belangte Behörde stellte am 12.02.2015 folgende Anfrage an die Staatendokumentation: "1. Gibt es in Kandahar eine Baufirma namens Y? Welche Staatsangehörigen bzw. Volksgruppen werden dort beschäftigt? 2. Sind Vorfälle bekannt bezüglich. Bedrohungen von Arbeitern dieser Baufirma durch die Taliban? Gab es Anschläge? 3. Ist bekannt, dass vor zwei Jahren der Kommandant von Kandahar namens Z getötet wurde und dessen Bruder XXXX an seine Stelle trat?" 4. Am 19.05.2015 erstattete ein von der Staatendokumentation beauftragtes Unternehmen einen Abschlussbericht, aus dem im Wesentlichen hervorgeht, dass die Existenz der Baufirma Y nicht verifiziert werden konnte. Einen Kommandanten namens Z habe es ebenfalls nie gegeben. Auch das vom Beschwerdeführer genannte Dorf X existiere nicht. 5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den angefochtenen Bescheid mit dem es den Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten Asyl gem. § 3 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich des Status des subsidiären Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 i. V. m.§ 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abwies (Spruchpunkt II.), ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilte, gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 Asyl i. V. m. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 und Abs. 3 erließ, gem. § 52 Abs. 9 FPG feststellte, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und gem. § 55 Abs. 1–3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festsetzte (Spruchpunkt III.). 6. Dagegen erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde. 7. Anlässlich der vom nunmehr zuständigen Bundesverwaltungsgericht anberaumten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 31.05.2016, wurde Beweis erhoben durch Einvernahme des Beschwerdeführers und Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts. Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht soweit wesentlich vor, der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören und sunnitischen Glaubens zu sein. Er gab an, aus dem Dorf X, in einem Namensgleichen Distrikt in der Provinz Kandahar zu stammen. Zu den Ergebnissen des Abschlussberichtes befragt, gab der Beschwerdeführer an, er verstehe nicht, wie die Staatendokumentation zu diesem Ergebnis komme. Ursprünglich habe der Beschwerdeführer bis 1996 in Kabul gelebt, dann sei er mit seinem Vater nach Kandahar gegangen, wo er fünf Jahre in die Schule gegangen sei. Dann seien "die Probleme" größer geworden, weshalb er von einem weiteren Schulbesuch Abstand genommen habe. Der Vater des Beschwerdeführers sei seinerzeit Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen und habe als Ingenieur im Kulturministerium gearbeitet. Da er Kommunist gewesen sei, sei der Vater des Beschwerdeführers insgesamt zwei Monate im Gefängnis gewesen, die Amerikaner hätten ihn aus dem Gefängnis befreit, halb totgeschlagen aber letztendlich freigelassen. In Kandahar sei der Vater des Beschwerdeführers von den Taliban ein paar Mal mitgenommen worden, er sei jedoch alt gewesen, hätte keine Funktion mehr gehabt, weshalb er freigelassen worden sei. Auf Vorhalt, dass aufgrund der Erhebungen bewiesen sei, dass seine Geschichte nicht stimme, antwortete der Beschwerdeführer, dass er bei seinem Vorbringen bleibe. www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 24 Bundesverwaltungsgericht 04.04.2017 Erörtert wurde, dass ein weiteres Gutachten eingeholt werde, welches dem Rechtsvertreter zur Stellungnahme binnen 14 Tagen übermittelt werde. 8. Am 10.02.2017 wurde dem Beschwerdeführer das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten sowie ein Konvolut an weiteren Informationen zu seinem Herkunftsland, die dieser Entscheidung zugrunde liegen, übermittelt. 9. Am 24.02.2017 nahm der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter dazu Stellung. Neben der Vorlage allgemeiner Informationen zu Afghanistan brachte er vor, dass der Beschwerdeführer keine Beschwerden gesundheitlicher Natur habe, er sich in Österreich gut integriert habe und über viele soziale Kontakte im Bundesgebiet verfüge. II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen (Sachverhalt) 1.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird der zu Punkt I.1. angeführte Sachverhalt zur Feststellung erhoben, der Beschwerdeführer stammt aus Kandahar. 1.2. Der Beschwerdeführer lebt seit rund dreieinhalb Jahren in Österreich, ist gesund und arbeitsfähig, hat im Bundesgebiet keine Verwandten und verfügt bisher nur über geringfügige Deutschkenntnisse. Weder kann erkannt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers Mitglied der Kommunistischen Partei oder der Hezbe war, noch, dass der dieser oder der Beschwerdeführer dessentwegen Probleme hatten. Der Beschwerdeführer wurde in seinem Herkunftsland nie aus asylrelevanten Gründen verfolgt. Der Beschwerdeführer ist gesund und im arbeitsfähigen Alter. Der Beschwerdeführer hat bereits in Kabul gelebt. Da er Paschtune ist, besteht keinerlei Zweifel daran, dass er sich im Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsland in Kabul niederlassen kann. Einerseits um allfälligen Behelligungen zu entgehen und andererseits um sich eine Existenz aufzubauen. 1.3. Entscheidungsrelevante Länderfeststellungen: Paschtunen Es existieren keine zuverlässigen statistischen Angaben zu den Völkerschaften Afghanistans und zu den Sprecherzahlen der verschiedenen Sprachen. Es lässt sich nur vermuten, dass ca. die Hälfte der Bevölkerung zu den Paschtunen zu rechnen sind. Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gürtel, der sich von Nordwest- Afghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben. (Vgl. Tapper, Nancy