Seite 1779 Heimatkundliche Blätter Januar 2012 Heimatkundliche Blätter, Jahrgang 58 Das gesamte Inhaltsverzeichnis für das Jahr 2011

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Das Grabkreuz für Regina Nieffer, Balingerin in Ehe mit dem Bauinspektor Nieffer. Adolf Klek 1728 Schmuckstück für die ganze Stadt. Kapuziner: Saniertes Rottweiler Kolstergebäude ist eingeweiht worden. 1730 Krippenfahrt nach zur Ausstellung: „Krippen diese Welt und Besuch der Bischoffsresidenz. Hans Kratt 1730 Jahrgang 59 31. Januar 2012 Nr. 1 Von der Alb nach Germantown, Schicksale einer Ebinger Auswandererfamilie. Dr. Peter Thaddäus Lang 1733 „Den Teufel holt keiner“, Otto Hahn, zum Buch von Volker Lässing. Dr. Michael Walther 1734 Die Mode, Groz-Beckert und der Damenstrumpf, gestrick und gewirkt von Martin Gaß und Dr. Peter Thaddäus Lang 1736 A vierb nige Ba. Eine schwäbische Betrachtung. Roland Groner 1738 Ein spannendes Kapitel aus der Regionalgeschichte. Der Nobelpreisträger Otto Hahn in Tailfingen. 1739 Revolution im Schmiechatal (1). Gerhard Hauser und Dr. Peter Thaddäus Lang Fänger des Lichts und der Stimmungen. Ausstellung „Schwäbischer Impressionismus im Umfeld von Heinrich Zügel“. 1741 „Wir mussten erst einmal deutsch lernen“. Erinnerungen an Hans Gideon. Paula Kienzle 1742 Nationalsozialismus in Ebingen (1). Die Stadt von 1933 bis 1945. Dr. Peter Thaddäus Lang 1744 Ein Gehweg aus dem Mittelalter. und überrascht die Experten. Auf der Rottweiler Pürschkarte nicht verzeichnet. 1748 Mit David Rötlin das 16. Jahrhundert erleben – Kostümierte Stadtführungen in Rottweil. 1749 „Ein Traum wurde wahr“. Die Heimatkundlichen Blätter im Internet. Dr. Andreas Zekorn 1750 „Eine Wurzel allen Übels“. Tailfingen und die Schattenseiten des Wirtschaftswunders. Dr. Peter Thaddäus Lang 1752 Bierbrauer und Unothwirt. Gedenkstein zum Andenken an Andreas Schmid (1802 – 1857). Hans Wolfer 1754 Einzigartige Römerfunde werden neu präsentiert. Erweiterte Dauerausstellung im Rottweiler Dominikaner Museum. 1754 Kassettendecke feiert Geburtstag. Barockes Kleinod in der Nusplinger Friedhofskirche wird 100 Jahre alt. Udo Klaiber 1756 Bedeutung der Pflanzenmalerei in barocken Kirchen. Die Kassettendecke der Nusplinger Friedhofskirche Herbert Schäfer 1757 Geschichte und Geologie der Ostalb. Exkursion mit interessanter Thematik. Dr. Karl-Eugen Maulbetsch 1757 „A brennte Supp“ zum Frühstück. Die Lage der Arbeiterschaft im Raum der heutigen Albstadt. Dr. Peter Thaddäus Lang 1760 Frankreichs Schwabe Nummer 1. Zum 250. Geburtstag von Karl Friedrich Reinhard. 1762 Tradition und Fortschritt. 150 Jahre Handels- und Gewerbeverein Balingen (1861 – 2011). Dr. Ingrid Helber 1764 Die Lebensgeschichte des „Gold Huonker“. Ein Leidringer Zeitgenosse von Jack London. Rosalinde Conzelmann 1766 Der Gold-Huonker im Hunker-Tal. Der Leidringer ist heute noch bekannt im Yukon-Tal. Rosalinde Conzelmann 1766 Als vor 100 Jahren die Erde bebte. Zum Vortrag von Prof. Dr. Götz Schneider, Stuttgart im Lautlinger Schloss. 1767 Die Fruchtkästen in Ebingen. Zum 25-jährigen Bestehen des Museums im Kräuterkasten. Dorothea Reuter 1768 Die Schwengersburg zu Geislingen. Hans Peter Müller 1770 Von den Alemannen zur Architekturgeschichte. 130. Band der Schriftenreihe des Hohenzollerischen Geschichtsverein. 1771 Wahlen in Balingen 1919 – 1933. Reichstags- und Landtagswahlen in Stadt und Oberamt (Teil 1). Dr. Michael Walther 1772 Ein sozialer und intelligenter Singvogel. Die Dohle ist der Vogel des Jahres 2012. Dr. Karl-Eugen Maulbetsch 1774 Jahresprogramm der Heimatkundler in neuem Gewand. Dr. Andreas Zekorn 1775 Exkursionen und Termine Die Termine der Heimatkundlichen Vereinigung im Februar und im März Der Balinger Gemeinderat, um 1923. Foto: Stadtarchiv FEBRUAR ligen evangelischen Stadtpfarrer von Haigerloch Ju- Reinhard / 1761 – 1837) – Schwabe, französischer Dip- lius Theobald gerettet werden. Dieser bringt sie in Bie- lomat, Vordenker Europas. Eintritt frei; Gäste sind wie Mittwoch, 8. Februar, 20 Uhr: Autorenlesung Gerd tenhausen unter, einem ebenfalls hohenzollerischen immer willkommen. Stiefel: Stiefels Stein. Ein Frauenschicksal von der und damit vorwiegend katholischen Dorf. Gegen den Schwäbischen Alb. Veranstaltungsort: Albstadt-Ebin- Widerstand der örtlichen, katholischen Bevölkerung Anmeldungen zu den Exkursionen, auch Anfragen Wahlen in Balingen 1919 1933 gen, Stadtbücherei, Johannesstr. 5 (Eintritt frei). wird die Familie dort zur Keimzelle des noch heute exis- bei: Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 Hechingen, - Am Anfang steht ein Mord: Der Bauer Friedrich Stie- tierenden, evangelischen Diasporahauses. Tel.: 07471/155 40 - Fax: 07471/12283, oder per E-Mail fel wird 1893 auf dem nächtlichen Heimweg von Bur- Der Autor dieser Familiengeschichte der beson- über: [email protected] Reichstags- und Landtagswahlen in Stadt und Oberamt - Von Dr. Michael Walther, Teil 2 ladingen zu seinem bescheidenen Hofgut „Küche“ bei deren Art ist Gerd Stiefel, 1959 in Ebingen geboren, Hermannsdorf ermordet. Karoline Stiefel, Friedrichs und Leiter der Polizeidirektion Sigmaringen. Mit Hil- Stammtische DasOberamtBalingen der erwerbstätigen Bevölkerung, die in der Land- und Dennoch gab es auch weiterhin Gemeinden, wie Erla- Frau (und die Urgroßmutter des Autors), steht nach fe historischer Quellen rekonstruierte er die Ereig- Jeweils am ersten Mittwoch eines Monats trifft sich un- Forstwirtschaft beschäftigt war, im Jahr 1895 noch bei heim oder Leidringen, die ihre landwirtschaftlichen der Bluttat plötzlich allein da mit zwölf Kindern und ei- nisse. Obwohl fiktional bearbeitet, erhalten wir da- ter der Ebinger Stammtische unter der Leitung von Dr. Das württembergische Oberamt Balingen mit seinen 52,2%, und nur 41,1% waren in Industrie und Handwerk Strukturenbewahrenkonnten. nem hoch verschuldeten Hof. Es trifft eine evange- durch eine Sozial- und Konfessionsgeschichte mit un- Peter Th. Lang im Café Wildt-Abt, Sonnenstraße. 67, 31 Teilgemeinden war in den 30er Jahren des 20. Jahr- tätig. Der Wandel in eine industriell geprägte Region Die Ergebnisse im Oberamt Balingen sind hinsicht- lische Familie im damals vorwiegend katholischen Ho- mittelbarem Bezug zu unserer Gegend. Nicht zu- 72458 Albstadt-Ebingen, Telefon (0 74 31) 41 88. hunderts eine Region im Umbruch. (9) So lag der Anteil ging von den Städten und Gemeinden wie Balingen, lich der Wahlergebnisse von SPD und KPD mit denen in henzollern. Die Frau und ihre Kinder entkommen letzt stellt die Erzählung ein Denkmal für Karoline Stie- Ebingen, Reich und Land insofern vergleichbar, dass das Milieu knapp dem Bettelstab, indem sie durch den dama- fel dar, einer wahrhaften Heldin des Alltags, die das Onstmet- der Industriearbeiter relativ immun gegenüber der Agi- Überleben ihrer Kinder sicherte. Gerd Stiefel wird aus tingen und tation und den Wahlversprechen der Nationalsozialis- seinem Buch vortragen und Hintergrundinformati- Tailfingen ten war. Diese hohe Stabilität wird bei der Darstellung onen zu dessen Entstehung geben. aus: so ar- der Wahlergebnisse des sozialistischen Milieus für zwei Herausgegeben von der beiteten Gemeinden mit einem hohen Anteil an Industriearbei- Heimatkundlichen Vereinigung 1933 nur terschaft – Onstmettingen und Tailfingen – noch deutli- Zollernalb noch 33% cher: Die Autoren dieser Ausgabe MÄRZ der er- Vorsitzender: werbstä- Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, tigen Be- Samstag, 3. März, und Sonntag, 4. März: Tag der Ar- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 völkerung Dr. Michael Walther chive: Feuer, Wasser, Krieg und andere Katastro- in der Schwanenstr.13 phen Geschäftsführung: Land- und 72336 Balingen Erich Mahler, Mörikeweg 6, Forstwirt- Mittwoch, 7. März: Wolfgang Willig, Rückschau auf die 72379 Hechingen, schaft aber Studienfahrt nach Venetien mit Stehimbiss. Beginn: Telefon (0 74 71) 1 55 40 schon Adolf Klek 18 Uhr in Balingen im Landratsamt Zollernalbkreis, E-Mail: e. [email protected] 54,6% in Balingen-Heselwangen Hirschbergstr. 29. Eintritt frei. der In- Redaktion: dustrie Freitag, 30. März: Mitgliederversammlung in Alb- Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, und dem stadt-Lautlingen, Stauffenberg Schloss. Den Fest- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 Hand- vortrag hält Frau Dr. Ingeborg Grolle: Karl Friedrich werk. (10) Seite 1777 Heimatkundliche Blätter Januar 2012 Januar 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1778

Der Zugewinn der KPD weist auf ein weiteres Ergeb- vielen ländlichen Gemeinden des Oberamtes Balingen Die NSDAP erzielte von ihrem ersten Auftritt an, 1924 gische Zentrumspartei in der Zeit der Weimarer Re- amt Balingen nicht deckungsgleich mit dem spä- 16) Der Landkreis Balingen, Bd. 2, 1961, S. 63 nis der wahlhistorischen Analysen zur Weimarer Re- lange Zeit eine gewisse Barriere gegen das Eindringen nochalsVölkisch-SozialerBlock,inBalingenwesentlich publik, in: Schwäbische Heimat 2011/2, S. 191 - 205 teren Landkreis Balingen war 17) ErgebnissederGemeinderatswahlenin:VF,Nr.111, publik hin: im Gegensatz zu der landläufig verbreiteten der Nationalsozialisten in das protestantisch-konser- höhere Stimmenzuwächse als im Reich, Württemberg 6) Vgl. Reinhold Weber, Der Württembergische Bau- 10) Der Landkreis Balingen, Bd. 1,1960, S. 418 ff 14.5.1919; Nr. 284, 4.12.1922; Nr. 286, 7.12.1925; Meinung, dass die Wahlerfolge der Nationalsozialisten vativeMilieu. und im Oberamt. Wie kamen diese Wahlergebnisse zu- ernbund 1895 – 1933: Ländliche Solidargemein- 11) Ergebnisse der Reichs- und Landtagswahlen in: VF, Nr. 298, 19.12.1928; Nr. 287, 8.12.1931 mit der steigenden Arbeitslosigkeit in Zusammenhang Die Wahlergebnisse der Nationalsozialisten im stande und weshalb wurde Balingen schon früh zu einer schaft und regionale Milieupartei, in: Dieter Lang- Nr. 9, 13.1.1919; Nr. 15, 20.1.1920; Nr. 131, 8.6.1920; 18) Vgl. Falter (wie Anmerkung 3), S. 117 ff zu sehen sind, zeigen die Ergebnisse, dass vor allem die Oberamt lagen bis zu den Reichstagswahlen vom Juli HochburgderNationalsozialisteninWürttemberg? ewiesche, u.a., Der deutsche Südwesten. Regio- Nr. 104, 5.5.1924; Nr. 288, 8.12.1924; Nr.117, 19) Frank Raberg, Balinger Abgeordnete im Würt- KommunistenvondieserEntwicklungprofitierten. (12) 1932 über denen des Landes Württemberg. Die Gründe Ein Grund war, dass es vermutlich schon in den frü- nale Traditionen und historische Identitäten, 21.5.1928; Nr. 215, 15.9.1930; Nr. 95, 25.4.1932; Nr. tembergischen Landtag von 1815 – 1933, in: 750 Erstaunlich ist der Stimmenzuwachs der KPD von dafür lassen sich exemplarisch an den Wahlergebnissen hen 1920er Jahren Persönlichkeiten gab die politisches Stuttgart 2008, S. 69-82 177, 1.8.1932; Nr. 261, 7.12.1932; Nr. 54, 6.3.1933 Jahre Stadt Balingen 1255 – 2005, Balingen 2005, über 60% bei der Novemberwahl 1932 im Vergleich zur derStadtBalingennachvollziehen. Gedankengut gut zu kommunizieren wussten und 7) Zum Beispiel die Wahlanzeige im Volksfreund (VF), 12) Vgl. Falter (wie Anmerkung 3), S. 290ff S. 348 – 360; Joachim Lilla, Statisten in Uniform. Juliwahl desselben Jahres. Zwar gewannen die Kom- schnell ihre Anhänger fanden. Der in einer Balinger Nr. 116, 19.5.1928 13) Vgl. Jürgen W. Falter, Thomas Lindenberger, Sieg- Die Mitglieder des Reichstags 1933-1945, Düssel- munistenauchaufReichs-undLandesebenehinzu,was Textilfabrik als Färber arbeitende Emil Kiener war einer 8) Paul Sauer, Württemberg in der Weimarer Re- fried Schumann, Wahlen und Abstimmungen in dorf 2004, S. 309 auf eine Radikalisierung der Arbeiterschaft hindeutet DieStadtBalingen davon. Emil Kiener war viele Jahre ein einflussreiches publik, in: Handbuch der Baden-Württembergi- der Weimarer Republik. Materialien zum Wahl- 20) VF, Nr. 238, 11.10.1932 und vor allem zu Lasten der SPD ging. (13) Ein Grund für Mitglied der württembergischen NSDAP. Er gehörte ihr schen Geschichte, 4. Bd., Die Länder seit 1918, verhalten 1919 – 1933, München 1986, S. 20f 21) VF, Nr. 174, 1.8.1923 diese Sonderbewegung ist der höhere Anteil der Indust- Balingen war in den 1920er und 1930er Jahren eine seit 1922 und nach ihrer Neugründung 1925 an. Im Jahr Stuttgart 2003, S. 115ff 14) Vgl. Thomas Schnabel, Geschichte von Baden und 22) VF, Nr. 95, 24.4.1924 und Nr. 215, 15.9.1925 riearbeiterschaft an den Gesamterwerbstätigen im württembergische Landstadt mit einer überwiegend 1931 wurde er in den Balinger Gemeinderat gewählt. 9) Die Oberämter sind als Verwaltungseinheiten den Württemberg 1900 – 1952, Stuttgart 2000 23) Vgl. Falter (wie Anm. 3), S. 364ff OberamtgegenüberdemLand. (14) WeshalbdieKPDaber evangelischenBevölkerung–imJahr1900warenes92%. Außerdem bekleidete er zwischen 1930 und 1936 das heutigen Landkreisen vergleichbar. Die folgenden 15) Aus einem Wahlaufruf des WBWB in: VF, Nr. 116, 24) Rafael Binkowski, Die Entwicklung der Parteien in auch in der Stadt Balingen (vgl. Tabelle 7) einen ähnlich (16) Mit dem Bau der Eisenbahn in den 1870er Jahren Amt des NSDAP-Kreisleiters. Kiener war Mitglied des Angaben sind nur Annäherungswerte, da das Ober- 19.5.1928 Herrenberg, Stuttgart 2007 hohen Zugewinn verzeichnen konnte, ist aufgrund der wuchs zwar die Zahl der Katholiken und 1899 wurde die württembergischen Landtags (1932-1933) und zwi- gegenwärtigenQuellenlagenichtnachzuvollziehen. neu erbaute Heilig-Geist Kirche geweiht. Entscheidend schen1933und1938MitglieddesReichstags. (19) Die Ergebnisse der letzten Reichstagswahl vom März änderte sich die konfessionelle Zusammensetzung aber Auch organisatorisch wurden früh die Weichen ge- 1933erklärensichdadurch,dassdieNationalsozialisten erst mit dem Zuzug von Flüchtlingen nach dem 2. Welt- stellt: so datiert die Gründung der Ortsgruppe wahr- sofort nach der Machtergreifung begannen ihre politi- krieg. Die Zahl der Einwohner mit katholischer Konfes- scheinlich auf das Jahr 1922, da im Zuge eines „Deut- schenGegnerzubehindernoderauszuschalten. sion entspricht für den Untersuchungszeitraum auch schen Abends“ im Oktober 1932 dem 10jährigen Beste- Die bürgerlich-liberale DDP war im Oberamt nach dem Anteil an Zentrumswählern. Als Verwaltungszent- henderBalingerOrtsgruppegedachtwurde. (20) Dererste denSozialdemokratenlangediezweitstärkstepolitische rum des Oberamtes wurde die Stadt vor allem von An- bekannte öffentliche Auftritt der Nationalsozialisten Kraft. Dies verdankte sie vor allem ihren Ergebnissen in gestellten und Beamten, aber auch von selbständigen fand am 3. August 1923 statt. (21) Der Volksfreund berich- Das 12 Uhr-Läuten vom Kirchturm Städten wie Balingen, Ebingen, Tailfingen oder auch Handwerkern und Kleingewerbetreibenden geprägt, tet über eine Veranstaltung des „Völkisch-sozialen Meßstetten. Sie blieb sogar noch bei den Reichstags- die größtenteils noch als Nebenerwerbslandwirte tätig Blocks Balingen“ am 11. April 1924 und am 15.9.1925 wahlen vom September 1930 zweitstärkste Partei in der waren. Die mit dem Anschlussan das württembergische wird schließlich über die nationalsozialistischen Orts- Die Tradition des Glockenrufs zum Friedensgebet - Von Adolf Klek, Teil 1 Region. Zum Ende der Republik waren die Liberalen der Eisenbahnnetz 1874 begonnene Industrialisierung gruppeausBalingenberichtet. (22) Deutschen Staatspartei im Oberamt zwar nicht, wie im hatte zunächst nur einen geringen Einfluss auf die Be- Mittagsläutenlandauf,landab den Klöstern. Im Benediktiner-Kloster auf der Insel Rei- MittagsgebetalsFriedensgebet Reich und im Land, auf den Rang einer Splitterpartei völkerungsstruktur, da ein großer Teil der in den Balin- chenau, das berühmt geworden ist für seine Gelehr- abgerutscht, aber mit unter 10% der Anteile weit von ih- ger Fabriken arbeitenden Arbeiterschaft von außerhalb Fazit Wer an einem Werktag in Ebingen zu Fuß unterwegs samkeit und Handwerkskunst im 9. bis 12. Jahrhundert, Ein weiterer Gebetsinhalt für das tägliche Läutezei- rer einstigen Größe entfernt. Die DVP dagegen, kam, kamen. ist, hört um 12 Uhr das Geläute einer tiefen, großen Glo- verstanden sich die Mönche schon früh auch auf das chen am Mittag wurde im Jahre 1456 durch ein Rund- analog zum Land, nie über den Status einer Randpartei Die politische Prägung der Stadt Balingen war bür- Die einzelnen Parteien blieben ihren Milieus verhaf- cke. Auch in Tailfingen ist zu dieser Stunde ein Glocken- Glockengießen und belieferten Klöster in Süddeutsch- schreiben des Papstes Calixt III. angeordnet. Die Türken hinaus. gerlich – liberal. So war die DDP bis zu den Reichstags- tet. Damit bereiteten sie, wenn auch ungewollt, das Feld rufzuhören. land. Nach der Ordensregel des Hl. Benedikt kamen sie hatten damals das oströmische Reich samt der Haupt- Aufgrund der Zugehörigkeit zu Württemberg waren wahlen des Jahres 1930, zusammen mit den Sozialde- für die NSDAP, der es als einziger Partei gelang, die klas- In Ulm tönt vom hohen Münsterturm täglich zur immer nach drei Stunden in der Kirche zum Stunden- stadt Konstantinopel erobert, die großartige Hauptkir- die meisten Gemeinden evangelisch geprägt. Das kor- sischen sozialen, kon- Mittagszeit über den Straßenlärm hinweg die Große gebet zusammen. Mit dem Läuten einer Glocke rief der che Hagia Sophia zur Moschee erklärt und kämpften respondiert mit den Stimmanteilen des Zentrums im fessionellen und welt- Betglocke mit vollem, tiefem Klang. In der Landes- Bruder Glöckner seine Mitbrüder dazu tagsüber aus sich durch Ungarn auf die deutsche Reichshauptstadt Oberamt, wo die Partei des politischen Katholizismus anschaulichen Gren- hauptstadt Stuttgart ist um 12 Uhr von vielen Kirchtür- Werkstatt und Garten herbei und weckte sie sogar in der Wienzu. nie mehr als 12% der Stimmen bekam. Bei den wenigen zen des deutschen Par- men die Mittagsglocke zu hören. Vom Turm der Stifts- NachtausdemSchlaf. Der Friede im Reich und der christliche Glaube, auch Gemeinden im Oberamt, die eine überwiegend (auch teiensystems zu über- kirche,der Hauptkirche der Evangelischen Landeskir- Sieben Mal am Tag wollten überall in den Klöstern die HabundGutwarenbedroht.DerPapstriefdeshalbdazu bäuerliche) katholische Einwohnerschaft auswiesen – winden und in allen che in Württemberg, lädt eine Glocke jeden Werktag um Mönche und Nonnen gemeinsam Gott loben, wie es auf, allgemein beim Mittagsläuten drei Ave Maria und z.B. die bis zum Ende des alten Reiches zu Vorderöster- Milieus mehr oder we- 12.15 Uhr zum gemeinsamen Friedensgebet in dieser auch in der Bibel im Psalm 119, Vers 164 heißt: „ Ich lobe dreiVaterunserfürdenFriedenzubeten.Ererinnertean reich gehörenden Gemeinden Erlaheim und Unterdi- niger erhebliche Stim- Kirche ein. In fanden im Jahr 2004 die Euro- dich des Tages siebenmal…“ An unzähligen Stellen des biblische Berichte von Gottes Hilfe zum Sieg über feind- gisheim und die zu den reichsritterschaftlichen Stauf- menanteile zu gewin- päischen Glockentage statt, die mit dem Guss einer rie- Alten und des Neuen Testaments ist vom unablässigen liche Heere. Hatte doch schon Mose durch sein beharr- fenbergischenBesitztümernzählendenOrte Geislingen nen. Ihr Charakter als sigen Friedensglocke verbunden waren. Sie dröhnt vom Beten die Rede (2). Die Klöster wollten das nach festgele- liches Gebet erreicht, dass die Israeliten bei ihrem Zug und Lautlingen - waren die Stimmanteile des Zentrums „Volkspartei des Pro- Turm der evangelischen Christuskirche als größte Glo- ger Ordnung gemeinsam tun. Sie gliederten ihren Ta- durch die Wüste die feindlichen Amalekiter besiegen konstantüber50%. testes“ (23) ist deshalb cke Baden-Württembergs täglich um 12 Uhr fünf Minu- gesablauf in lateinisch benannte Chorgebetszeiten: 3 konnten. Tatsächlich konnten die Ungarn die Türken ein wichtiges Merkmal ten lang über das geschäftige Treiben in der Stadt und Uhr Matutin, 6 Uhr Prim, 9 Uhr Terz, 12 Uhr Sext, 15 Uhr besiegen und so das christliche Abendland vor islami- ihres Aufstiegs. Dieser will zum Gebet für den Frieden aufrufen. Auch die Frei- Non,18UhrVesper,21UhrComplet. scherHerrschaftbewahren. konnte aber nur über heitsglocke im Schöneberger Rathaus zu , von Solange die mechanische Uhr noch nicht erfunden Aber ab dem Jahr 1520 drangen die Türken erneut die den Niedergang der li- Amerikanern gespendet, läutet seit 1950 jeden Tag um war, richteten sich die Glöckner nach dem Sonnen- Donau herauf. Sie besiegten diesmal die Ungarn und beralen und protes- 12Uhr. stand. Dadurch variierte der Abstand der Stundengebe- näherten sich mit einem Riesenheer von rund 100 000 tantisch-konservativen DieBeispieleließensichmühelosvermehren.Das12- te voneinander je nach Jahreszeit. Hauptbestandteile Mann der Stadt Wien, Schrecken und Not, Raub und mokraten die stärkste bzw. zweitstärkste Partei. Die Af- Parteien gelingen, denen es an integrativen Kräften und Uhr-Läuten ist hierzulande weit verbreitet. In manchen des Chorgebetes sind bis heute: Psalmen, Lesung eines Plünderung um sich verbreitend. Die Angst und Sorge finität der Balinger zum liberalen Lager zeigen auch die Strukturen fehlte. Dagegen wiesen sowohl das Arbeiter- Orten läutet schon um 11 Uhr eine kleinere Glocke. Auf Bibeltextes, Hymnus, Tagesgebet mit Vaterunser, Se- der Christenmenschen in Deutschland wuchs von Jahr ErgebnissederGemeinderatswahlen. wie auch das katholische Milieu gegenüber dem Natio- das 12-Uhr-Läuten wird dort verzichtet oder es ge- gensbitte. Die Psalmen wurden so auf die Stundenge- zuJahr. Es fällt auf, dass gleichzeitig mit der Erosion zunächst nalsozialismuseinevergleichsweisegroßeStabilitätauf. schiehtzusätzlichmiteineranderen,tieferenGlocke. bete verteilt, dass innerhalb einer Woche alle 150 Psal- Im Frühjahr 1529 brachte Martin Luther seine DassdieNSDAP geradeinBalingenschonfrühsolche men in lateinischer Sprache durchgebetet werden Druckschrift „Vom Kriege wider die Türken“ heraus. Er überdurchschnittlichen Wahlergebnisse erreichen konnten.„IhrTagwerkwarSingenundBeten“,berichtet schrieb darin, dass es unnütz sei, mit vielen (liturgisch konnte, liegt auch in diesen strukturellen Vorausset- DiekirchlicheLäuteordnung von den Dominikanerinnen im Kloster Kirchberg der festliegenden lateinischen) Messen oder Prozessionen zungen, also den fehlenden „Widerstandsfaktoren“, königlicheAufhebungskommissar1806 (3). gegen die Türkengefahr angehen zu wollen. Besser sei begründet. Eine neuere Studie belegt inzwischen, dass Inder„HandreichungfürörtlicheLäuteordnungenin es, wenn jeder Mensch im Herzen oft und kurz zu Chris- diese Entwicklung auf weitere protestantisch und länd- derWürtt.Evang.Landeskirche“,dieseit 1956vorliegt (1), tus seufze und um Gnade zu besserem Leben und um ( lich geprägte Städte in Württemberg zutrifft. 24) Und, istsowohldas11-Uhr-Läutenwiedas12-Uhr-Läutenals Hilfe gegen die Türken bitte. In der Kirche solle man in- Bei den konservativen Parteien erzielte die Bürger- auch wenn die Quellenlage noch sehr dünn ist, spricht herkömmlich aufgeführt. Es heißt dort (Pkt 3a): „Wo das AuchdasVolksollbeten nerhalb der Gottesdienste vor allem „das junge Volk partei vor allem in den Städten hohe Wahlergebnisse. vielfürdieVermutung,dassesschonfrühBestrebungen Mittagsläuten um 11 Uhr stattfindet, kann die zusätzli- singen oder lesen“ lassen (5). Es müsste in eine schlimme Der Bauernbund dagegen kam in den ländlichen Ge- der (württembergischen?) Nationalsozialisten gegeben che Einführung eines Läutens um 12 Uhr erwogen wer- Die Knechte und Mägde in den Klöstern und ebenso Zeit hineinwachsen. Mit bloßer Waffengewalt sei ein meinden auf wesentlich höhere Stimmanteile. Er posi- hat, Balingen langfristig als eine „Hochburg der Bewe- den. Das 11-Uhr- Läuten erhält dadurch die Beziehung die Bevölkerung in der Umgebung hatten jedoch in ih- Feindnichtzubezwingen. tionierte sich mit seiner Argumentation als regionale gung“auszubauen. auf Jesu Leiden, auf den Beginn der 6. Stunde (Matth. rem Tagwerk noch anderes zu tun. Sie konnten nicht so Ab September 1529 belagerten die Türken tatsächlich Interessenvertretung der ländlichen Bevölkerung, von 27,45; daher Kreuzglocke), das 12-Uhr-Läuten wird lange die Hände ruhen lassen und beherrschten auch die Stadt Wien. Die Wiener Bürgerwehr war durch rund „… Männer[n] aus dem Volk die noch mit der Scholle Anmerkungen dannzureigentlichenMittagsglocke(Betglocke)“. nichtdielateinischenPsalmenauswendig.Wennsiedas 20 000 Kämpfer aus dem Reich verstärkt worden. Mit verbunden sind…“ (15). Insgesamt bildete der Bauern- Die tiefe Betglocke ist im allgemeinen auch um 6 Uhr Glockenzeichen hörten, konnten sie aber doch in Ge- Tapferkeit und Klugheit konnten türkische Angriffe ab- bund damit nicht nur in Württemberg sondern auch in 1) Oberamt ist die alte Bezeichnung einer württem- zum Morgengebet und nach Einbruch der Nacht zum danken oder mit den Lippen ein Gebet sprechen. Des- gewehrt werden. Nach drei Wochen zogen die Belagerer bergischen Verwaltungseinheit. 1934 wurden die Abendgebet zu hören. Die kleinere Kreuzglocke wird halb ordnete Papst Sabinian schon ums Jahr 605 n.Chr. wieder ab. Anhaltendes Regenwetter hatte ihre Kampf- Oberämter in Kreise umbenannt. noch um 15 Uhr zur Todesstunde Jesu geläutet, man- an, dass die Gebetszeiten in den Klöstern auch von der maßnahmen stark behindert und zu Seuchen im Heer 2) Ich beziehe mich im Folgenden auf den Ansatz von cherorts statt dessen um 16 oder 17 Uhr zum Begräbnis Christenheit außerhalb der Klostermauern zubeachten geführt. Der Drang der Türken, ihre Herrschaft in Rich- M. Rainer Lepsius, in: Ders., Parteiensystem und Jesu. seien (4). tung Ungarn und Österreich auszudehnen, lebte aber Sozialstruktur. Zum Problem der Demokratisie- Es wurde den Menschen „in der Welt“ empfohlen, ständig weiter. Österreich führte durch die Jahrhunder- rung der deutschen Gesellschaft, 1966, wieder ab- beim Läuten der Glocke den Gruß des Verkündigungs- te hindurch insgesamt acht Türkenkriege. Am Ende des der liberalen und später der protestantisch-konservati- gedruckt in: Ders., Demokratie in Deutschland. So- HerkunftausStundengebetderKlöster Engels an Maria – den „Angelus“(= Engel) - zu beten. Er 17. Jahrhunderts erlangte in einem solchen Krieg der ven Milieuparteien eine Reihe von Interessen- und Re- ziologisch-historische Konstellationsanalyse, Göt- war in lateinischer Sprache als das „Ave Maria“ (= Ge- kaiserliche Feldherr Prinz Eugen von Savoyen als Sieger gionalparteien entstanden, die im Nachhinein be- tingen 1993, S. 25-50 Im Tagesverlauf ist so vier oder fünf Mal ein Glocken- grüßet seist du, Maria) einigermaßen bekannt. Noch besonderen Ruhm. Die Bevölkerung in Mitteleuropa trachtet, als „Zwischenwirte“ auf dem Weg zur NSDAP 3) Jürgen W. Falter, Hitlers Wähler, Darmstadt 1991 Klangzeichen in den öffentlichen Straßen und Plätzen heute kennt man sogar in evangelischen Dörfern die musste sich ständig durch Türken bedroht fühlen. gedient haben. (18) Diese Parteien, stellvertretend seien 4) Vgl. Sigmund Neumann, Die Parteien der Wei- wie auch in nahen Häusern und auf Feldern zu hören. entsprechende mundartliche Bezeichnung dafür, das Dementsprechend finden sich in Anordnungen auch die „Volksrechtspartei“ sowie der „Volksbund der Ent- marer Republik, Stuttgart 1973 (3. Auflage), erst- Die Gemeinden setzten immer schon ihre Ehre darein, „AuveMerga-Läuten“. der württembergischen Herzöge immer wieder Anwei- rechteten und der betrogenen Sparer“ genannt, hatten mals erschienen 1932, S. 87ff vom Kirchturm einen Glockenschall mit großer Reich- sungen, beim Läuten einer Betglocke als „Türkenglo- ihre stärkste Zeit zwischen den Reichstagswahlen vom 5) Vgl. Frank Raberg, „Der Kern …, um den sich die weite ertönenlassenzukönnen. cke“ mittags um 12 Uhr um Bewahrung vor diesen Un- Mai1924undSeptember1930. anderen Parteien gruppieren“. Die Württember- Aber ihren Ursprung haben diese Glockenzeichen in gläubigenzubeten (6). (Fortsetzungfolgt) Seite 1777 Heimatkundliche Blätter Januar 2012 Januar 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1778

Der Zugewinn der KPD weist auf ein weiteres Ergeb- vielen ländlichen Gemeinden des Oberamtes Balingen Die NSDAP erzielte von ihrem ersten Auftritt an, 1924 gische Zentrumspartei in der Zeit der Weimarer Re- amt Balingen nicht deckungsgleich mit dem spä- 16) Der Landkreis Balingen, Bd. 2, 1961, S. 63 nis der wahlhistorischen Analysen zur Weimarer Re- lange Zeit eine gewisse Barriere gegen das Eindringen nochalsVölkisch-SozialerBlock,inBalingenwesentlich publik, in: Schwäbische Heimat 2011/2, S. 191 - 205 teren Landkreis Balingen war 17) ErgebnissederGemeinderatswahlenin:VF,Nr.111, publik hin: im Gegensatz zu der landläufig verbreiteten der Nationalsozialisten in das protestantisch-konser- höhere Stimmenzuwächse als im Reich, Württemberg 6) Vgl. Reinhold Weber, Der Württembergische Bau- 10) Der Landkreis Balingen, Bd. 1,1960, S. 418 ff 14.5.1919; Nr. 284, 4.12.1922; Nr. 286, 7.12.1925; Meinung, dass die Wahlerfolge der Nationalsozialisten vativeMilieu. und im Oberamt. Wie kamen diese Wahlergebnisse zu- ernbund 1895 – 1933: Ländliche Solidargemein- 11) Ergebnisse der Reichs- und Landtagswahlen in: VF, Nr. 298, 19.12.1928; Nr. 287, 8.12.1931 mit der steigenden Arbeitslosigkeit in Zusammenhang Die Wahlergebnisse der Nationalsozialisten im stande und weshalb wurde Balingen schon früh zu einer schaft und regionale Milieupartei, in: Dieter Lang- Nr. 9, 13.1.1919; Nr. 15, 20.1.1920; Nr. 131, 8.6.1920; 18) Vgl. Falter (wie Anmerkung 3), S. 117 ff zu sehen sind, zeigen die Ergebnisse, dass vor allem die Oberamt lagen bis zu den Reichstagswahlen vom Juli HochburgderNationalsozialisteninWürttemberg? ewiesche, u.a., Der deutsche Südwesten. Regio- Nr. 104, 5.5.1924; Nr. 288, 8.12.1924; Nr.117, 19) Frank Raberg, Balinger Abgeordnete im Würt- KommunistenvondieserEntwicklungprofitierten. (12) 1932 über denen des Landes Württemberg. Die Gründe Ein Grund war, dass es vermutlich schon in den frü- nale Traditionen und historische Identitäten, 21.5.1928; Nr. 215, 15.9.1930; Nr. 95, 25.4.1932; Nr. tembergischen Landtag von 1815 – 1933, in: 750 Erstaunlich ist der Stimmenzuwachs der KPD von dafür lassen sich exemplarisch an den Wahlergebnissen hen 1920er Jahren Persönlichkeiten gab die politisches Stuttgart 2008, S. 69-82 177, 1.8.1932; Nr. 261, 7.12.1932; Nr. 54, 6.3.1933 Jahre Stadt Balingen 1255 – 2005, Balingen 2005, über 60% bei der Novemberwahl 1932 im Vergleich zur derStadtBalingennachvollziehen. Gedankengut gut zu kommunizieren wussten und 7) Zum Beispiel die Wahlanzeige im Volksfreund (VF), 12) Vgl. Falter (wie Anmerkung 3), S. 290ff S. 348 – 360; Joachim Lilla, Statisten in Uniform. Juliwahl desselben Jahres. Zwar gewannen die Kom- schnell ihre Anhänger fanden. Der in einer Balinger Nr. 116, 19.5.1928 13) Vgl. Jürgen W. Falter, Thomas Lindenberger, Sieg- Die Mitglieder des Reichstags 1933-1945, Düssel- munistenauchaufReichs-undLandesebenehinzu,was Textilfabrik als Färber arbeitende Emil Kiener war einer 8) Paul Sauer, Württemberg in der Weimarer Re- fried Schumann, Wahlen und Abstimmungen in dorf 2004, S. 309 auf eine Radikalisierung der Arbeiterschaft hindeutet DieStadtBalingen davon. Emil Kiener war viele Jahre ein einflussreiches publik, in: Handbuch der Baden-Württembergi- der Weimarer Republik. Materialien zum Wahl- 20) VF, Nr. 238, 11.10.1932 und vor allem zu Lasten der SPD ging. (13) Ein Grund für Mitglied der württembergischen NSDAP. Er gehörte ihr schen Geschichte, 4. Bd., Die Länder seit 1918, verhalten 1919 – 1933, München 1986, S. 20f 21) VF, Nr. 174, 1.8.1923 diese Sonderbewegung ist der höhere Anteil der Indust- Balingen war in den 1920er und 1930er Jahren eine seit 1922 und nach ihrer Neugründung 1925 an. Im Jahr Stuttgart 2003, S. 115ff 14) Vgl. Thomas Schnabel, Geschichte von Baden und 22) VF, Nr. 95, 24.4.1924 und Nr. 215, 15.9.1925 riearbeiterschaft an den Gesamterwerbstätigen im württembergische Landstadt mit einer überwiegend 1931 wurde er in den Balinger Gemeinderat gewählt. 9) Die Oberämter sind als Verwaltungseinheiten den Württemberg 1900 – 1952, Stuttgart 2000 23) Vgl. Falter (wie Anm. 3), S. 364ff OberamtgegenüberdemLand. (14) WeshalbdieKPDaber evangelischenBevölkerung–imJahr1900warenes92%. Außerdem bekleidete er zwischen 1930 und 1936 das heutigen Landkreisen vergleichbar. Die folgenden 15) Aus einem Wahlaufruf des WBWB in: VF, Nr. 116, 24) Rafael Binkowski, Die Entwicklung der Parteien in auch in der Stadt Balingen (vgl. Tabelle 7) einen ähnlich (16) Mit dem Bau der Eisenbahn in den 1870er Jahren Amt des NSDAP-Kreisleiters. Kiener war Mitglied des Angaben sind nur Annäherungswerte, da das Ober- 19.5.1928 Herrenberg, Stuttgart 2007 hohen Zugewinn verzeichnen konnte, ist aufgrund der wuchs zwar die Zahl der Katholiken und 1899 wurde die württembergischen Landtags (1932-1933) und zwi- gegenwärtigenQuellenlagenichtnachzuvollziehen. neu erbaute Heilig-Geist Kirche geweiht. Entscheidend schen1933und1938MitglieddesReichstags. (19) Die Ergebnisse der letzten Reichstagswahl vom März änderte sich die konfessionelle Zusammensetzung aber Auch organisatorisch wurden früh die Weichen ge- 1933erklärensichdadurch,dassdieNationalsozialisten erst mit dem Zuzug von Flüchtlingen nach dem 2. Welt- stellt: so datiert die Gründung der Ortsgruppe wahr- sofort nach der Machtergreifung begannen ihre politi- krieg. Die Zahl der Einwohner mit katholischer Konfes- scheinlich auf das Jahr 1922, da im Zuge eines „Deut- schenGegnerzubehindernoderauszuschalten. sion entspricht für den Untersuchungszeitraum auch schen Abends“ im Oktober 1932 dem 10jährigen Beste- Die bürgerlich-liberale DDP war im Oberamt nach dem Anteil an Zentrumswählern. Als Verwaltungszent- henderBalingerOrtsgruppegedachtwurde. (20) Dererste denSozialdemokratenlangediezweitstärkstepolitische rum des Oberamtes wurde die Stadt vor allem von An- bekannte öffentliche Auftritt der Nationalsozialisten Kraft. Dies verdankte sie vor allem ihren Ergebnissen in gestellten und Beamten, aber auch von selbständigen fand am 3. August 1923 statt. (21) Der Volksfreund berich- Das 12 Uhr-Läuten vom Kirchturm Städten wie Balingen, Ebingen, Tailfingen oder auch Handwerkern und Kleingewerbetreibenden geprägt, tet über eine Veranstaltung des „Völkisch-sozialen Meßstetten. Sie blieb sogar noch bei den Reichstags- die größtenteils noch als Nebenerwerbslandwirte tätig Blocks Balingen“ am 11. April 1924 und am 15.9.1925 wahlen vom September 1930 zweitstärkste Partei in der waren. Die mit dem Anschlussan das württembergische wird schließlich über die nationalsozialistischen Orts- Die Tradition des Glockenrufs zum Friedensgebet - Von Adolf Klek, Teil 1 Region. Zum Ende der Republik waren die Liberalen der Eisenbahnnetz 1874 begonnene Industrialisierung gruppeausBalingenberichtet. (22) Deutschen Staatspartei im Oberamt zwar nicht, wie im hatte zunächst nur einen geringen Einfluss auf die Be- Mittagsläutenlandauf,landab den Klöstern. Im Benediktiner-Kloster auf der Insel Rei- MittagsgebetalsFriedensgebet Reich und im Land, auf den Rang einer Splitterpartei völkerungsstruktur, da ein großer Teil der in den Balin- chenau, das berühmt geworden ist für seine Gelehr- abgerutscht, aber mit unter 10% der Anteile weit von ih- ger Fabriken arbeitenden Arbeiterschaft von außerhalb Fazit Wer an einem Werktag in Ebingen zu Fuß unterwegs samkeit und Handwerkskunst im 9. bis 12. Jahrhundert, Ein weiterer Gebetsinhalt für das tägliche Läutezei- rer einstigen Größe entfernt. Die DVP dagegen, kam, kamen. ist, hört um 12 Uhr das Geläute einer tiefen, großen Glo- verstanden sich die Mönche schon früh auch auf das chen am Mittag wurde im Jahre 1456 durch ein Rund- analog zum Land, nie über den Status einer Randpartei Die politische Prägung der Stadt Balingen war bür- Die einzelnen Parteien blieben ihren Milieus verhaf- cke. Auch in Tailfingen ist zu dieser Stunde ein Glocken- Glockengießen und belieferten Klöster in Süddeutsch- schreiben des Papstes Calixt III. angeordnet. Die Türken hinaus. gerlich – liberal. So war die DDP bis zu den Reichstags- tet. Damit bereiteten sie, wenn auch ungewollt, das Feld rufzuhören. land. Nach der Ordensregel des Hl. Benedikt kamen sie hatten damals das oströmische Reich samt der Haupt- Aufgrund der Zugehörigkeit zu Württemberg waren wahlen des Jahres 1930, zusammen mit den Sozialde- für die NSDAP, der es als einziger Partei gelang, die klas- In Ulm tönt vom hohen Münsterturm täglich zur immer nach drei Stunden in der Kirche zum Stunden- stadt Konstantinopel erobert, die großartige Hauptkir- die meisten Gemeinden evangelisch geprägt. Das kor- sischen sozialen, kon- Mittagszeit über den Straßenlärm hinweg die Große gebet zusammen. Mit dem Läuten einer Glocke rief der che Hagia Sophia zur Moschee erklärt und kämpften respondiert mit den Stimmanteilen des Zentrums im fessionellen und welt- Betglocke mit vollem, tiefem Klang. In der Landes- Bruder Glöckner seine Mitbrüder dazu tagsüber aus sich durch Ungarn auf die deutsche Reichshauptstadt Oberamt, wo die Partei des politischen Katholizismus anschaulichen Gren- hauptstadt Stuttgart ist um 12 Uhr von vielen Kirchtür- Werkstatt und Garten herbei und weckte sie sogar in der Wienzu. nie mehr als 12% der Stimmen bekam. Bei den wenigen zen des deutschen Par- men die Mittagsglocke zu hören. Vom Turm der Stifts- NachtausdemSchlaf. Der Friede im Reich und der christliche Glaube, auch Gemeinden im Oberamt, die eine überwiegend (auch teiensystems zu über- kirche,der Hauptkirche der Evangelischen Landeskir- Sieben Mal am Tag wollten überall in den Klöstern die HabundGutwarenbedroht.DerPapstriefdeshalbdazu bäuerliche) katholische Einwohnerschaft auswiesen – winden und in allen che in Württemberg, lädt eine Glocke jeden Werktag um Mönche und Nonnen gemeinsam Gott loben, wie es auf, allgemein beim Mittagsläuten drei Ave Maria und z.B. die bis zum Ende des alten Reiches zu Vorderöster- Milieus mehr oder we- 12.15 Uhr zum gemeinsamen Friedensgebet in dieser auch in der Bibel im Psalm 119, Vers 164 heißt: „ Ich lobe dreiVaterunserfürdenFriedenzubeten.Ererinnertean reich gehörenden Gemeinden Erlaheim und Unterdi- niger erhebliche Stim- Kirche ein. In Karlsruhe fanden im Jahr 2004 die Euro- dich des Tages siebenmal…“ An unzähligen Stellen des biblische Berichte von Gottes Hilfe zum Sieg über feind- gisheim und die zu den reichsritterschaftlichen Stauf- menanteile zu gewin- päischen Glockentage statt, die mit dem Guss einer rie- Alten und des Neuen Testaments ist vom unablässigen liche Heere. Hatte doch schon Mose durch sein beharr- fenbergischenBesitztümernzählendenOrte Geislingen nen. Ihr Charakter als sigen Friedensglocke verbunden waren. Sie dröhnt vom Beten die Rede (2). Die Klöster wollten das nach festgele- liches Gebet erreicht, dass die Israeliten bei ihrem Zug und Lautlingen - waren die Stimmanteile des Zentrums „Volkspartei des Pro- Turm der evangelischen Christuskirche als größte Glo- ger Ordnung gemeinsam tun. Sie gliederten ihren Ta- durch die Wüste die feindlichen Amalekiter besiegen konstantüber50%. testes“ (23) ist deshalb cke Baden-Württembergs täglich um 12 Uhr fünf Minu- gesablauf in lateinisch benannte Chorgebetszeiten: 3 konnten. Tatsächlich konnten die Ungarn die Türken ein wichtiges Merkmal ten lang über das geschäftige Treiben in der Stadt und Uhr Matutin, 6 Uhr Prim, 9 Uhr Terz, 12 Uhr Sext, 15 Uhr besiegen und so das christliche Abendland vor islami- ihres Aufstiegs. Dieser will zum Gebet für den Frieden aufrufen. Auch die Frei- Non,18UhrVesper,21UhrComplet. scherHerrschaftbewahren. konnte aber nur über heitsglocke im Schöneberger Rathaus zu Berlin, von Solange die mechanische Uhr noch nicht erfunden Aber ab dem Jahr 1520 drangen die Türken erneut die den Niedergang der li- Amerikanern gespendet, läutet seit 1950 jeden Tag um war, richteten sich die Glöckner nach dem Sonnen- Donau herauf. Sie besiegten diesmal die Ungarn und beralen und protes- 12Uhr. stand. Dadurch variierte der Abstand der Stundengebe- näherten sich mit einem Riesenheer von rund 100 000 tantisch-konservativen DieBeispieleließensichmühelosvermehren.Das12- te voneinander je nach Jahreszeit. Hauptbestandteile Mann der Stadt Wien, Schrecken und Not, Raub und mokraten die stärkste bzw. zweitstärkste Partei. Die Af- Parteien gelingen, denen es an integrativen Kräften und Uhr-Läuten ist hierzulande weit verbreitet. In manchen des Chorgebetes sind bis heute: Psalmen, Lesung eines Plünderung um sich verbreitend. Die Angst und Sorge finität der Balinger zum liberalen Lager zeigen auch die Strukturen fehlte. Dagegen wiesen sowohl das Arbeiter- Orten läutet schon um 11 Uhr eine kleinere Glocke. Auf Bibeltextes, Hymnus, Tagesgebet mit Vaterunser, Se- der Christenmenschen in Deutschland wuchs von Jahr ErgebnissederGemeinderatswahlen. wie auch das katholische Milieu gegenüber dem Natio- das 12-Uhr-Läuten wird dort verzichtet oder es ge- gensbitte. Die Psalmen wurden so auf die Stundenge- zuJahr. Es fällt auf, dass gleichzeitig mit der Erosion zunächst nalsozialismuseinevergleichsweisegroßeStabilitätauf. schiehtzusätzlichmiteineranderen,tieferenGlocke. bete verteilt, dass innerhalb einer Woche alle 150 Psal- Im Frühjahr 1529 brachte Martin Luther seine DassdieNSDAP geradeinBalingenschonfrühsolche men in lateinischer Sprache durchgebetet werden Druckschrift „Vom Kriege wider die Türken“ heraus. Er überdurchschnittlichen Wahlergebnisse erreichen konnten.„IhrTagwerkwarSingenundBeten“,berichtet schrieb darin, dass es unnütz sei, mit vielen (liturgisch konnte, liegt auch in diesen strukturellen Vorausset- DiekirchlicheLäuteordnung von den Dominikanerinnen im Kloster Kirchberg der festliegenden lateinischen) Messen oder Prozessionen zungen, also den fehlenden „Widerstandsfaktoren“, königlicheAufhebungskommissar1806 (3). gegen die Türkengefahr angehen zu wollen. Besser sei begründet. Eine neuere Studie belegt inzwischen, dass Inder„HandreichungfürörtlicheLäuteordnungenin es, wenn jeder Mensch im Herzen oft und kurz zu Chris- diese Entwicklung auf weitere protestantisch und länd- derWürtt.Evang.Landeskirche“,dieseit 1956vorliegt (1), tus seufze und um Gnade zu besserem Leben und um ( lich geprägte Städte in Württemberg zutrifft. 24) Und, istsowohldas11-Uhr-Läutenwiedas12-Uhr-Läutenals Hilfe gegen die Türken bitte. In der Kirche solle man in- Bei den konservativen Parteien erzielte die Bürger- auch wenn die Quellenlage noch sehr dünn ist, spricht herkömmlich aufgeführt. Es heißt dort (Pkt 3a): „Wo das AuchdasVolksollbeten nerhalb der Gottesdienste vor allem „das junge Volk partei vor allem in den Städten hohe Wahlergebnisse. vielfürdieVermutung,dassesschonfrühBestrebungen Mittagsläuten um 11 Uhr stattfindet, kann die zusätzli- singen oder lesen“ lassen (5). Es müsste in eine schlimme Der Bauernbund dagegen kam in den ländlichen Ge- der (württembergischen?) Nationalsozialisten gegeben che Einführung eines Läutens um 12 Uhr erwogen wer- Die Knechte und Mägde in den Klöstern und ebenso Zeit hineinwachsen. Mit bloßer Waffengewalt sei ein meinden auf wesentlich höhere Stimmanteile. Er posi- hat, Balingen langfristig als eine „Hochburg der Bewe- den. Das 11-Uhr- Läuten erhält dadurch die Beziehung die Bevölkerung in der Umgebung hatten jedoch in ih- Feindnichtzubezwingen. tionierte sich mit seiner Argumentation als regionale gung“auszubauen. auf Jesu Leiden, auf den Beginn der 6. Stunde (Matth. rem Tagwerk noch anderes zu tun. Sie konnten nicht so Ab September 1529 belagerten die Türken tatsächlich Interessenvertretung der ländlichen Bevölkerung, von 27,45; daher Kreuzglocke), das 12-Uhr-Läuten wird lange die Hände ruhen lassen und beherrschten auch die Stadt Wien. Die Wiener Bürgerwehr war durch rund „… Männer[n] aus dem Volk die noch mit der Scholle Anmerkungen dannzureigentlichenMittagsglocke(Betglocke)“. nichtdielateinischenPsalmenauswendig.Wennsiedas 20 000 Kämpfer aus dem Reich verstärkt worden. Mit verbunden sind…“ (15). Insgesamt bildete der Bauern- Die tiefe Betglocke ist im allgemeinen auch um 6 Uhr Glockenzeichen hörten, konnten sie aber doch in Ge- Tapferkeit und Klugheit konnten türkische Angriffe ab- bund damit nicht nur in Württemberg sondern auch in 1) Oberamt ist die alte Bezeichnung einer württem- zum Morgengebet und nach Einbruch der Nacht zum danken oder mit den Lippen ein Gebet sprechen. Des- gewehrt werden. Nach drei Wochen zogen die Belagerer bergischen Verwaltungseinheit. 1934 wurden die Abendgebet zu hören. Die kleinere Kreuzglocke wird halb ordnete Papst Sabinian schon ums Jahr 605 n.Chr. wieder ab. Anhaltendes Regenwetter hatte ihre Kampf- Oberämter in Kreise umbenannt. noch um 15 Uhr zur Todesstunde Jesu geläutet, man- an, dass die Gebetszeiten in den Klöstern auch von der maßnahmen stark behindert und zu Seuchen im Heer 2) Ich beziehe mich im Folgenden auf den Ansatz von cherorts statt dessen um 16 oder 17 Uhr zum Begräbnis Christenheit außerhalb der Klostermauern zubeachten geführt. Der Drang der Türken, ihre Herrschaft in Rich- M. Rainer Lepsius, in: Ders., Parteiensystem und Jesu. seien (4). tung Ungarn und Österreich auszudehnen, lebte aber Sozialstruktur. Zum Problem der Demokratisie- Es wurde den Menschen „in der Welt“ empfohlen, ständig weiter. Österreich führte durch die Jahrhunder- rung der deutschen Gesellschaft, 1966, wieder ab- beim Läuten der Glocke den Gruß des Verkündigungs- te hindurch insgesamt acht Türkenkriege. Am Ende des der liberalen und später der protestantisch-konservati- gedruckt in: Ders., Demokratie in Deutschland. So- HerkunftausStundengebetderKlöster Engels an Maria – den „Angelus“(= Engel) - zu beten. Er 17. Jahrhunderts erlangte in einem solchen Krieg der ven Milieuparteien eine Reihe von Interessen- und Re- ziologisch-historische Konstellationsanalyse, Göt- war in lateinischer Sprache als das „Ave Maria“ (= Ge- kaiserliche Feldherr Prinz Eugen von Savoyen als Sieger gionalparteien entstanden, die im Nachhinein be- tingen 1993, S. 25-50 Im Tagesverlauf ist so vier oder fünf Mal ein Glocken- grüßet seist du, Maria) einigermaßen bekannt. Noch besonderen Ruhm. Die Bevölkerung in Mitteleuropa trachtet, als „Zwischenwirte“ auf dem Weg zur NSDAP 3) Jürgen W. Falter, Hitlers Wähler, Darmstadt 1991 Klangzeichen in den öffentlichen Straßen und Plätzen heute kennt man sogar in evangelischen Dörfern die musste sich ständig durch Türken bedroht fühlen. gedient haben. (18) Diese Parteien, stellvertretend seien 4) Vgl. Sigmund Neumann, Die Parteien der Wei- wie auch in nahen Häusern und auf Feldern zu hören. entsprechende mundartliche Bezeichnung dafür, das Dementsprechend finden sich in Anordnungen auch die „Volksrechtspartei“ sowie der „Volksbund der Ent- marer Republik, Stuttgart 1973 (3. Auflage), erst- Die Gemeinden setzten immer schon ihre Ehre darein, „AuveMerga-Läuten“. der württembergischen Herzöge immer wieder Anwei- rechteten und der betrogenen Sparer“ genannt, hatten mals erschienen 1932, S. 87ff vom Kirchturm einen Glockenschall mit großer Reich- sungen, beim Läuten einer Betglocke als „Türkenglo- ihre stärkste Zeit zwischen den Reichstagswahlen vom 5) Vgl. Frank Raberg, „Der Kern …, um den sich die weite ertönenlassenzukönnen. cke“ mittags um 12 Uhr um Bewahrung vor diesen Un- Mai1924undSeptember1930. anderen Parteien gruppieren“. Die Württember- Aber ihren Ursprung haben diese Glockenzeichen in gläubigenzubeten (6). (Fortsetzungfolgt) Seite 1779 Heimatkundliche Blätter Januar 2012 Heimatkundliche Blätter, Jahrgang 58 Das gesamte Inhaltsverzeichnis für das Jahr 2011

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Das Grabkreuz für Regina Nieffer, Balingerin in Ehe mit dem Bauinspektor Nieffer. Adolf Klek 1728 Schmuckstück für die ganze Stadt. Kapuziner: Saniertes Rottweiler Kolstergebäude ist eingeweiht worden. 1730 Krippenfahrt nach Bruchsal zur Ausstellung: „Krippen diese Welt und Besuch der Bischoffsresidenz. Hans Kratt 1730 Jahrgang 59 31. Januar 2012 Nr. 1 Von der Alb nach Germantown, Schicksale einer Ebinger Auswandererfamilie. Dr. Peter Thaddäus Lang 1733 „Den Teufel holt keiner“, Otto Hahn, zum Buch von Volker Lässing. Dr. Michael Walther 1734 Die Mode, Groz-Beckert und der Damenstrumpf, gestrick und gewirkt von Martin Gaß und Dr. Peter Thaddäus Lang 1736 A vierb nige Ba. Eine schwäbische Betrachtung. Roland Groner 1738 Ein spannendes Kapitel aus der Regionalgeschichte. Der Nobelpreisträger Otto Hahn in Tailfingen. 1739 Revolution im Schmiechatal (1). Gerhard Hauser und Dr. Peter Thaddäus Lang Fänger des Lichts und der Stimmungen. Ausstellung „Schwäbischer Impressionismus im Umfeld von Heinrich Zügel“. 1741 „Wir mussten erst einmal deutsch lernen“. Erinnerungen an Hans Gideon. Paula Kienzle 1742 Nationalsozialismus in Ebingen (1). Die Stadt von 1933 bis 1945. Dr. Peter Thaddäus Lang 1744 Ein Gehweg aus dem Mittelalter. und überrascht die Experten. Auf der Rottweiler Pürschkarte nicht verzeichnet. 1748 Mit David Rötlin das 16. Jahrhundert erleben – Kostümierte Stadtführungen in Rottweil. 1749 „Ein Traum wurde wahr“. Die Heimatkundlichen Blätter im Internet. Dr. Andreas Zekorn 1750 „Eine Wurzel allen Übels“. Tailfingen und die Schattenseiten des Wirtschaftswunders. Dr. Peter Thaddäus Lang 1752 Bierbrauer und Unothwirt. Gedenkstein zum Andenken an Andreas Schmid (1802 – 1857). Hans Wolfer 1754 Einzigartige Römerfunde werden neu präsentiert. Erweiterte Dauerausstellung im Rottweiler Dominikaner Museum. 1754 Kassettendecke feiert Geburtstag. Barockes Kleinod in der Nusplinger Friedhofskirche wird 100 Jahre alt. Udo Klaiber 1756 Bedeutung der Pflanzenmalerei in barocken Kirchen. Die Kassettendecke der Nusplinger Friedhofskirche Herbert Schäfer 1757 Geschichte und Geologie der Ostalb. Exkursion mit interessanter Thematik. Dr. Karl-Eugen Maulbetsch 1757 „A brennte Supp“ zum Frühstück. Die Lage der Arbeiterschaft im Raum der heutigen Albstadt. Dr. Peter Thaddäus Lang 1760 Frankreichs Schwabe Nummer 1. Zum 250. Geburtstag von Karl Friedrich Reinhard. 1762 Tradition und Fortschritt. 150 Jahre Handels- und Gewerbeverein Balingen (1861 – 2011). Dr. Ingrid Helber 1764 Die Lebensgeschichte des „Gold Huonker“. Ein Leidringer Zeitgenosse von Jack London. Rosalinde Conzelmann 1766 Der Gold-Huonker im Hunker-Tal. Der Leidringer ist heute noch bekannt im Yukon-Tal. Rosalinde Conzelmann 1766 Als vor 100 Jahren die Erde bebte. Zum Vortrag von Prof. Dr. Götz Schneider, Stuttgart im Lautlinger Schloss. 1767 Die Fruchtkästen in Ebingen. Zum 25-jährigen Bestehen des Museums im Kräuterkasten. Dorothea Reuter 1768 Die Schwengersburg zu Geislingen. Hans Peter Müller 1770 Von den Alemannen zur Architekturgeschichte. 130. Band der Schriftenreihe des Hohenzollerischen Geschichtsverein. 1771 Wahlen in Balingen 1919 – 1933. Reichstags- und Landtagswahlen in Stadt und Oberamt (Teil 1). Dr. Michael Walther 1772 Ein sozialer und intelligenter Singvogel. Die Dohle ist der Vogel des Jahres 2012. Dr. Karl-Eugen Maulbetsch 1774 Jahresprogramm der Heimatkundler in neuem Gewand. Dr. Andreas Zekorn 1775 Exkursionen und Termine Die Termine der Heimatkundlichen Vereinigung im Februar und im März Der Balinger Gemeinderat, um 1923. Foto: Stadtarchiv FEBRUAR ligen evangelischen Stadtpfarrer von Haigerloch Ju- Reinhard / 1761 – 1837) – Schwabe, französischer Dip- lius Theobald gerettet werden. Dieser bringt sie in Bie- lomat, Vordenker Europas. Eintritt frei; Gäste sind wie Mittwoch, 8. Februar, 20 Uhr: Autorenlesung Gerd tenhausen unter, einem ebenfalls hohenzollerischen immer willkommen. Stiefel: Stiefels Stein. Ein Frauenschicksal von der und damit vorwiegend katholischen Dorf. Gegen den Schwäbischen Alb. Veranstaltungsort: Albstadt-Ebin- Widerstand der örtlichen, katholischen Bevölkerung Anmeldungen zu den Exkursionen, auch Anfragen Wahlen in Balingen 1919 1933 gen, Stadtbücherei, Johannesstr. 5 (Eintritt frei). wird die Familie dort zur Keimzelle des noch heute exis- bei: Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 Hechingen, - Am Anfang steht ein Mord: Der Bauer Friedrich Stie- tierenden, evangelischen Diasporahauses. Tel.: 07471/155 40 - Fax: 07471/12283, oder per E-Mail fel wird 1893 auf dem nächtlichen Heimweg von Bur- Der Autor dieser Familiengeschichte der beson- über: [email protected] Reichstags- und Landtagswahlen in Stadt und Oberamt - Von Dr. Michael Walther, Teil 2 ladingen zu seinem bescheidenen Hofgut „Küche“ bei deren Art ist Gerd Stiefel, 1959 in Ebingen geboren, Hermannsdorf ermordet. Karoline Stiefel, Friedrichs und Leiter der Polizeidirektion Sigmaringen. Mit Hil- Stammtische DasOberamtBalingen der erwerbstätigen Bevölkerung, die in der Land- und Dennoch gab es auch weiterhin Gemeinden, wie Erla- Frau (und die Urgroßmutter des Autors), steht nach fe historischer Quellen rekonstruierte er die Ereig- Jeweils am ersten Mittwoch eines Monats trifft sich un- Forstwirtschaft beschäftigt war, im Jahr 1895 noch bei heim oder Leidringen, die ihre landwirtschaftlichen der Bluttat plötzlich allein da mit zwölf Kindern und ei- nisse. Obwohl fiktional bearbeitet, erhalten wir da- ter der Ebinger Stammtische unter der Leitung von Dr. Das württembergische Oberamt Balingen mit seinen 52,2%, und nur 41,1% waren in Industrie und Handwerk Strukturenbewahrenkonnten. nem hoch verschuldeten Hof. Es trifft eine evange- durch eine Sozial- und Konfessionsgeschichte mit un- Peter Th. Lang im Café Wildt-Abt, Sonnenstraße. 67, 31 Teilgemeinden war in den 30er Jahren des 20. Jahr- tätig. Der Wandel in eine industriell geprägte Region Die Ergebnisse im Oberamt Balingen sind hinsicht- lische Familie im damals vorwiegend katholischen Ho- mittelbarem Bezug zu unserer Gegend. Nicht zu- 72458 Albstadt-Ebingen, Telefon (0 74 31) 41 88. hunderts eine Region im Umbruch. (9) So lag der Anteil ging von den Städten und Gemeinden wie Balingen, lich der Wahlergebnisse von SPD und KPD mit denen in henzollern. Die Frau und ihre Kinder entkommen letzt stellt die Erzählung ein Denkmal für Karoline Stie- Ebingen, Reich und Land insofern vergleichbar, dass das Milieu knapp dem Bettelstab, indem sie durch den dama- fel dar, einer wahrhaften Heldin des Alltags, die das Onstmet- der Industriearbeiter relativ immun gegenüber der Agi- Überleben ihrer Kinder sicherte. Gerd Stiefel wird aus tingen und tation und den Wahlversprechen der Nationalsozialis- seinem Buch vortragen und Hintergrundinformati- Tailfingen ten war. Diese hohe Stabilität wird bei der Darstellung onen zu dessen Entstehung geben. aus: so ar- der Wahlergebnisse des sozialistischen Milieus für zwei Herausgegeben von der beiteten Gemeinden mit einem hohen Anteil an Industriearbei- Heimatkundlichen Vereinigung 1933 nur terschaft – Onstmettingen und Tailfingen – noch deutli- Zollernalb noch 33% cher: Die Autoren dieser Ausgabe MÄRZ der er- Vorsitzender: werbstä- Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, tigen Be- Samstag, 3. März, und Sonntag, 4. März: Tag der Ar- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 völkerung Dr. Michael Walther chive: Feuer, Wasser, Krieg und andere Katastro- in der Schwanenstr.13 phen Geschäftsführung: Land- und 72336 Balingen Erich Mahler, Mörikeweg 6, Forstwirt- Mittwoch, 7. März: Wolfgang Willig, Rückschau auf die 72379 Hechingen, schaft aber Studienfahrt nach Venetien mit Stehimbiss. Beginn: Telefon (0 74 71) 1 55 40 schon Adolf Klek 18 Uhr in Balingen im Landratsamt Zollernalbkreis, E-Mail: e. [email protected] 54,6% in Balingen-Heselwangen Hirschbergstr. 29. Eintritt frei. der In- Redaktion: dustrie Freitag, 30. März: Mitgliederversammlung in Alb- Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, und dem stadt-Lautlingen, Stauffenberg Schloss. Den Fest- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 Hand- vortrag hält Frau Dr. Ingeborg Grolle: Karl Friedrich werk. (10) Seite 1783 Heimatkundliche Blätter Februar 2012 ten der „Türkenglocke“ zur Mittagszeit.. sion „nach außen“, in die real wahrnehmbare Welt hi- 2) Schon die frühchristlichen Kirchenväter haben da- Die Melodie dazu brauchte er nicht zu erfinden. nein („zeitlicher Friede“). rauf und auf die Gebetszeiten im alten Volk Israel Sie gab es schon seit dem 12. Jahrhundert, wo sie im Aus dem Namen „Friedensglocke“ kann die Dank- hingewiesen, wie belegt wird von Herbert Goltzen Kloster Einsiedeln aufgeschrieben worden war. In Lu- barkeit sprechen für die lange Friedenszeit seit 1945, in „Der tägliche Gottesdienst. Die Geschichte des thers „Türkenbüchlein“, das er wenige Jahre später zugleich aber auch die Aufforderung, sich weiterhin Tagzeitengebetes, seine Ordnung und seine Er- drucken ließ, bringt er diese Liedstrophe wieder, und um Frieden als Grundlage menschlichen Lebens in un- neuerung in der Gegenwart“, Teil B von „Leitur- zwar unter der Überschrift: „Das Da pacem domine serer Welt zu bemühen. In den Städten und Dör- gia“, Kassel o.J. deutsch, mit schönen Kollekten (Gebeten), zu bitten fern, wo das Mittagsläuten auch heute noch täglich 3) Carl Friedrich Dizinger: Denkwürdigkeiten aus um zeitlichen und ewigen Frieden’“8. zu hören ist, wird es so verstanden werden. meinem Leben und aus meiner Zeit; Tübingen 1833 Die Balinger Friedensglocke zählt mit der Tiefe ih- 4) Kurt Kramer: Klänge zwischen Zeit und Ewigkeit – res Schlagtones „gis“ aus der Kleinen Oktav (Null-Ok- Faszination Glocken, Kevelaer 2006, S. 16 Jahrgang 59 29. Februar 2012 Nr. 2 Und die Balinger Friedensglocke? tav) durchaus zur Reihe der eingangs aufgeführten gro- 5) Otto Schlißke: Handbuch der Lutherlieder. Göt- ßen Glocken, die im Lande zum 12-Uhr-Friedens- tingen 1948, S. 297 Die Luther-Strophe „Verleih uns Frieden gnädig- gebet rufen. Ihr Schlagton liegt sogar tiefer als in Ulm 6) Gustav Bossert berichtet in der Württembergi- lich“ wird am Schluss der Gottesdienste in Balingen und Stuttgart9. Bisher ist sie allerdings nur an Hö- schen Kirchengeschichte des Calwer Verlagsver- und Umgebung häufig gesungen. Die neue, siebte Glo- hepunkten des Kirchenjahres als Erweiterung des Ge- eins 1893 auf S. 450, dass ein Württembergisches cke für den Stadtkirchenturm, die im Oktober 2010 ein- samtgeläutes zu hören. Wenn sie allein auch um 12 Kirchen-und Landgesetz vom Jahr 1594 eine sol- geweiht werden konnte, trägt die Aufschrift „Ehre sei Uhr an Werktagen ertönen würde, könnte ihr wohl- che Bestimmung enthielt. Was steckt hinter „Hinter Burg“? Gott – Friede auf Erden“. Sie soll mit ihrem Klang ge- tuender, tiefer Klang aus ihrem ruhigem Schwingen 7) Philipper 4, 7 wissermaßen einstimmen in den Gesang der Engel im sehr wohl zum gedanklichen Innehalten in der Hast 8) wie Nr. 5 Weihnachtsevangelium: „Ehre sei Gott in der Höhe und des Tages anregen. 9) Aus der Aufstellung der Glockengießerei Bachert, Das Geheimnis eines Tieringer Straßennamens - Von Jörg Berbalk Friede auf Erden“. Damit ist wie bei Luther zum Aus- Karlsruhe, „Die schwersten Glocken von Würt- druck gebracht, dass es für den Christenglauben ei- temberg“, vom Dezember 1997 sind als Schlagtö- Die Hinter Burg-Straße, die Schlichemstraße so- nige fast ganz vergangene Eisenbeigaben.“ nerseits die Vorstellung einer Dimension über die ir- Quellennachweis ne zu ersehen: Große Betglocke im Ulmer Müns- wie die Wagnerstraße wurden erst im zweiten Drit- Anschließend untersuchte Maute, zuerst nur per Au- dische Welt hinaus „nach oben“ gibt („ewiger Frie- ter „b“, (tiefste, größte Glocke dortt „as“), größte tel des 20. Jahrhunderts erschlossen. Davor war das genschein, die Umfassung einer kreisrunden Vertie- de“). Sie ist andererseits verquickt mit der Dimen- 1) Amtsblatt Bd. 37, Beiblatt Nr. 3, S.28 Glocke der Stuttgarter Stiftskirche „a“. dortige Land Jahrhunderte lang Obst- und Grasgar- fung (Abb. 2; Punkt b). Schnell wurde klar, dass er es ten und somit kaum unter dem Pflug. Mögliche Spu- hier mit Mauerwerk, wahrscheinlich den Funda- ren der Vergangenheit konnten somit erhalten blei- menten eines Rundturmes, zu tun hatte. Maute ver- ben. mutete jedoch aufgrund der räumlichen Nähe zum Grabhügel, zuerst die Burgstelle als vormittelalter- lich, also alemannischen Ursprungs. Heimatkundler blicken zurück Die Ausgrabung der Burgstelle Die komplette Freilegung und genaue Untersu- chung des Fundamentes ergab allerdings die Grund- Anfang des 20. Jahrhunderts erregte der Flurname lage für einen quadratischen Turm mit einer äuße- Mitgliederversammlung findet in Lautlingen statt - Vortrag über Karl Friedrich Reinhard „Hinter Burg“ (Mitte des 19. Jahrhunderts auch „Hin- ren Seitenlänge von annähernd 7 Meter. Innerhalb des ter der Burg“ oder einfach „Burgstrasse“ genannt), die Turmfundaments, welches aus gewaltigen Jurablö- Am Freitag 30. März, findet um 18 Uhr die Mit- denker Europas“ statt. Dr. Grolle, Historikerin aus hards (1761 – 1837), französischer Diplomat, Staats- Aufmerksamkeit des Oberlehrers Theodor Maute aus cken bestand, fand Maute viele mittelalterliche Ge- gliederversammlung mit Vortrag in Albstadt-Laut- Hamburg, wurde 1931 als Pfarrerstochter in Win- mann und Schriftsteller, der teilweise in Balingen auf- Gächingen, im heutigen Landkreis Reutlingen. Auch fäßscherben und Hohlziegelstücke. Daher konnte er lingen im Stauffenbergschloss statt. terlingen geboren und ist damit dem Zollernalbkreis gewachsen war und dort ab 1783 zeitweilig als Vi- auffällige Geländespuren (Abb. 2; Punkt c) fielen dem mit Sicherheit sagen, dass die vor ihm liegende An- Auf der Tagesordnung stehen unter anderem die verbunden. kar wirkte. geschulten Auge des Lehrers auf, der schon damals ei- lage ins Mittelalter zu datieren ist. Rückblicke des Vorstandes und Nachwahlen zum Aus- Im Zusammenhang mit ihrem wissenschaftlichen Im Jahr 2007 erschien von Ingeborg Grolle das Buch nige archäologische Grabungen durchgeführt hatte. Nun war der Beweis dafür geliefert, dass der Na- schuss. Nach dem offiziellen Teil findet ein Vortrag von Schwerpunktthema, der Frauenbewegung des 19. Jahr- „Eine Diplomatenehe im Bann von Napoleon und Goe- Oberlehrer Maute schilderte daraufhin seine Be- me „Hinter (der) Burg“ wörtlich genommen werden Dr. Ingeborg Grolle zu „Karl Friedrich Reinhard (1761 hunderts, befasste sie sich mit Christine Reinhard geb. the“, worin sie das Lebensbild Christine und Karl Fried- obachtungen dem Tübinger Gymnasialprofessor Eu- darf! – 1837) – Schwabe, französischer Diplomat, Vor- Reimarus, der ersten Ehefrau Karl Friedrich Rein- rich Reinhards nachzeichnet. gen Nägele und bat ihn um Rat. Nägele, der Mit- Wir dürfen uns eine Burganlage, an einem nach Süd- begründer und langjährige Vorsitzende des Schwä- Westen abfallenden Hang zur Schlichem hin, vor- bischen Albvereins, beauftragte Maute, in den Herbst- stellen. Diese bestand aus dem beschriebenen quad- ferien 1902 die Geländespuren zu untersuchen. Fi- ratischen Steinturm und höchstwahrscheinlich aus ei- nanziert wurde die Ausgrabung von der Reichsli- ner Anzahl von Häusern und Hütten aus vergängli- Exkursionen und Termine meskommission. Die Reichslimeskommission be- chem Material, wie Holz, Lehm (Fachwerk) und Stroh. schäftigte sich mit der Erforschung römischer Spu- Von der Position dieser Anlage lässt sich trefflich das ren. Die Reichslimeskommission hatte an der Aus- Schlichemtal in westlicher Richtung, in entgegenge- Die Veranstaltungen im März grabung in Tieringen großes Interesse, da ein römi- setzter Richtung das Bäratal bis Oberdigisheim, so- scher Weg von Meßstetten über Hossingen bis ober- wie der strategisch wichtige Lochenpass leicht über- Tag der Archive: werden einige restaurierte Bände (so ein Güterbuch von Brandverhütungs- und Bekämpfungsmaßnahmen ge- halb Oberdigisheim damals bereits nachgewiesen war. wachen. Tailfingen aus dem Jahr 1661) der Öffentlichkeit vor- nauso wie die Bewältigung einer Brandkatastrophe Er ist höchstwahrscheinlich mit dem 1565 genann- Das mittelalterliche und 1138 erstmalig erwähnte Stadtarchiv Albstadt: gestellt. Um 14.30 und 16 Uhr besteht die Möglichkeit vorgestellt. Erweitert wird die Thematik mit dem Stadt- ten „Burgsteig“ identisch. Der seit 1895 als Stre- Tieringen muss nachgewiesenermaßen im Bereich des Samstag, 3. März, 14 bis 17 Uhr einer Führung durchs Archiv. brand von Rosenfeld von 1868. ckenkommissar für Württemberg von der Reichsli- Winkels (s. Abb. 2), der Kirche (Abb. 2, Ziffer 3), der „hin- Feuer, Wasser, Krieg und andere Katastrophen In einer kleineren Ausstellung wird gezeigt, wie der- meskommission berufe Eugen Nägele vermutete ei- teren“ Mühle (Abb. 2 Ziffer 1) sowie des sogenann- artige Katastrophen in den Archiven dokumentiert sind. ne Fortsetzung dieses Weges über Tieringen. ten „Hofes“ (Abb. 2 links unterhalb Punkt c) zu su- Im Stadtarchiv Albstadt können die Besucherinnen und Stadtarchiv Balingen: Existieren zum Erdbeben von 1911 noch relativ weni- Maute untersuchte die augenfälligste Gelände- chen sein. An dessen Stelle stand aller Wahrschein- Besucher sehen, wie Katastrophen dokumentiert wer- Sonntag, 4. März, 14 bis etwa 14.45 Uhr ge Unterlagen, so ist das Erdbeben von 1978 durch ei- Abb. 1: Heutiger Bebauung. Schlichemstraße (Ehemals „Im Win- spur, im Gewann Hinter Burg, die sich als Grabhü- lichkeit nach der ehemalige Wirtschaftshof der Burg. den. So zum Beispiel das Hochwasser von 1895, das Präsentation eindrucksvoller Dokumente. ne Vielzahl von Archivalien dokumentiert, z.B. Fotos, kel“), Hohlgasse, Hohlweg und Hinter-Burg Straße bilden die geo- gel herausstellte. Die Erdbeben von 1911 oder der Brand in der Ebinger Dr. Hans Schimpf-Reinhardt Versicherungsakten genauso wie die Unterlagen von metrische Form eines Drachens. Am Ende der Wagnerstraße be- erste, oberste Schicht Marktstraße ebenfalls 1911. Fotografien, Sammlungen Einsatzkräften. Ähnliches gilt für Flutkatastrophen: Zur findet sich das Gebiet auf dessen unser Hauptaugenmerk liegen des Grabhügels be- oder Zeitungsberichte dokumentieren diese ein- Schriftstücke, Bilder, Zeichnung: vielfältig sind die im Hochwasser-Katastrophe in Rangendingen am 16. Mai soll. stand aus mittelalter- schneidenden Ereignisse. Zugleich möchte das Stadt- Stadtarchiv verwahrten Dokumente, welche uns un- 1924 gibt es gerade zwei umfangreichere Akten im lichem Schutt (Steine, archiv Albstadt auch zeigen, welche Schäden an den mittelbar Auskunft über die Geschehnisse geben, zu- Kreisarchiv. Das Starzelhochwasser des Jahres 2008 ist Eine Straße sowie ein Flurstück in Tieringen, das je- Holziegel, Gefäß- einmaligen Archivalien durch solche Unglücke verur- gleich aber auch eine direkte Handreichung mit der bereits jetzt sehr umfangreich, insbesondere auch deseinheimischeKindkennt,heißt„HinterBurg“.Doch scherben und Eisen- sacht werden können und wie man sie beheben kann. Vergangenheit sind. Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahr- durch neue Medien, im Kreisarchiv belegt. Insgesamt kaum jemand, ob alt oder jung, weiß etwas mit dem stücke). Die unteren Das Stadtarchiv lässt zurzeit einige der ältesten Ar- hunderte haben sie überdauert und sind heute noch wird es vergleichend um die Themenbereiche Katast- vielsagenden Namen anzufangen oder weiß wo er her- Schichten bestanden chivalien restaurieren. Pünktlich zum Tag der Archive vorhanden. Durch sie können wir die Vergangenheit rophenvorbeugung und -bewältigung gehen rührt. Dieser Fragestellung soll in dem vorliegenden aus gelblichem Lehm. „in die Hand nehmen“, sie auch mit unseren Sinnen er- Beitrag nachgegangen werden. Auf Höhe des ge- fahren und „begreifen“. wachsenen Bodens Vorgestellte Themen sind: Stadtbrand 1809, Hoch- Herausgegeben von der stieß Maute auf, wie er Die Autoren dieser Ausgabe wasserkatastropheimEyachtal1895,Feldpostbriefedes Heimatkundlichen Vereinigung Geographische Abgrenzung selber in seinem Gra- Ersten Weltkrieges, Gefallenenbenachrichtigungen des Zollernalb bungsbericht schreibt: Zweiten Weltkrieges, Kriegstagebuch eines Kindes 1939 Im Tieringer Norden zeichnen die Straßen Schli- „…eine regelrechte Jörg Berbalk – 1949, Lebenserinnerungen eines holländischen Vorsitzender: chemstraße, Hohlgasse, Hohlweg und Hinter Burg- Brandplatte, an deren Nackstraße 20 Zwangsarbeiters. Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, Straße die geometrische Form eines Drachens. Die südlichem Ende eine 72469 Meßstetten-Tieringen 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 nördliche Spitze dieses Körpers stellt die Schli- deutliche, Feuerspuren chemhalle dar und weist in das sogenannte „Lange Tal“ zeigende, etwa ½ Kreisarchiv Zollernalbkreis: Geschäftsführung: hinein. Auf der Nord–Süd- Achse des Körpers liegt die Quadratmeter große, Dr. Peter Thaddäus Lang Sonntag, 4. März, 15 bis etwa 16.30 Uhr Erich Mahler, Mörikeweg 6, Wagnerstraße. Vom untersten Punkt der Schli- viereckige Steinplatte Lammerbergstraße 53 „Brände, Beben, Fluten – Katastrophen im Raum des 72379 Hechingen, chemstraße steigt das Gelände sanft gegen die Hin- senkrecht eingefügt 72461 Albstadt heutigen Zollernalbkreises“. Telefon (0 74 71) 1 55 40 ter Burg-Straße an. war. Zu entdecken war Vortrag und Ausstellung Dr. Andreas Zekorn, E-Mail: e. [email protected] Unterhalb der Hinter Burg-Straße befindet sich das außer etlichen starken, Adolf Klek, Wohngebiet Hinter Burg, das in dem dem Dorf zu- regellos liegenden Balingen-Heselwangen Verschiedentlich zerstörten Brandkatastrophen ganze Redaktion: gewandten Teil aus Gärten mit Obstbäumen be- Knochen nur eine An- Ortschaften. Exemplarisch werden in einem Vortrag am Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, steht. Auf den Bereich, zwischen Wagnerstraße, Hohl- zahl alter Scherben, die Beispiel des verheerenden Stadtbrandes von Binsdorf 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 weg und Hohlgasse, sei das Hauptaugenmerk ge- Nägele für mittelal- Abb. 2: T(h)ieringen um die Jahrhundertwende. 1 Hintere Mühle (heute Schlichemstraße ); 2 Schul- im Jahre 1904, der die gesamte Stadt einäscherte, richtet. terlich erklärt, sowie ei- haus (heute Sparkasse und Arztpraxis); 3 Kirche Seite 1781 Heimatkundliche Blätter Februar 2012 Februar 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1782

Die Herren von Tieringen und bis heute unverändert als Wappen der Gemeinde Tieringen dient, ist in dieser Wap- Die vermutlichen Inhaber der mittelalterlichen pensammlung auf Tafel XIV. aufgeführt. Burganlage waren die 1275 erstmals erwähnten Her- Das Geschlecht der Herren von Tierin- ren von Tieringen, deren Abstammung noch weit- gen teile sich bald in eine Tieringer und ei- gehend unerforscht ist. Diese Ortsadligen waren so- ne Haigerlocher Linie. Mit dem aus der Hai- genannte Ministeriale, Gefolgsmänner mächtiger Ad- gerlocher Linie stammenden Hans von Tier- liger, beginnend mit Heinrich von Tieringen, der Pfar- ingen, einem der überlebenden Verteidiger rer in Tieringen, Ebingen, Engstlatt, Lautlingen und an- der 1423 zerstörten ersten Burg Hohenzol- deren Orten war. Dieser ist höchstwahrscheinlich mit lern, und welcher am 3. Juni 1447 eine Ur- dem Kappadocier gleichzusetzen, der Notar des Gra- kunde siegelte, starb das Geschlecht derer von fen Albrecht II. von Hohenberg (1253- 1298) war. Über Tieringen vermutlich in der männlichen Li- den Kappadocier, der als „aufrechter und klarden- nie aus. kender Mann“ beschrieben wird, sind einige Ge- Eine Heila von Tieringen, die um 1400 in ei- schichten erhalten, die seinen Witz und seine Schläue ner Urkunde erscheint, ist wahrscheinlich die beweisen. Namengeberin unserer Burganlage, die im Dass die Herren von Tieringen im 14. Jahrhun- Volksmund des Mittelalters (1565) als „Hey- dert ein nicht unbedeutendes Ministerialgeschlecht liburch“ bezeichnet wird. waren beweist zudem die sogenannte Zürcher Wap- penrolle. Diese gilt als die älteste noch erhaltene Wap- pensammlung des hohen und niederen Adels im Mit- Straßenpflaster zwischen telalter. Sie beschreibt über 550 Adelsgeschlechter und Tieringen und Hossingen Bistümer der Schweiz, des weiteren Bodenseerau- mes sowie Badens und dem heutigen Elsass. Der un- Nachdem die Burgfrage von Oberlehrer bekannte Chronist arbeitete zwischen 1335/1345 ver- Maute soweit geklärt war, stand noch jene mutlich im St. Gallen, Konstanz oder Päfers, welche al- nach einem römischen Weg auf der Hoch- lesamt schon seit dem frühesten Mittelalter bedeu- fläche zwischen Tieringen und Hossingen tende kulturelle Zentren sind. in der Schwebe. Verschiedene Spuren von Das Wappen „der Tieringer“, welches ein dreimal ge- Straßenpflasterung zwischen Hossingen und brochener weißer Balken auf blauem Hintergrund zeigt Tieringen im Gewann „Naitling“ und „Ross- lauf“ sowie beim ehemaligen Tierin- ger Schafhaus, ga- ben Maute Anlass Abb. 4: Zürcher Wappenrolle, Taf. XIV. Wappen und Helmzier der „Tier- dort zu suchen. Die- inger“ (dritte Reihe von Oben, viertes von links), welches heute unver- Das Stauffenberg-Schloss in Lautlingen. Foto: Privat se zusammenge- ändert als Gemeindewappen dient. nommen zielen ge- nau auf die Fundamente in 2.) Im Garten (Abb. 2 Punkt d) wurde aus zeitlichen Abb. 2 Punkt b hin. Gründen nicht mehr gegraben. Im Gewann „Naitling“, zwi- 3.) Nägele berichtet außerdem: „Den Weg von Hos- Neues zum Stauffenberg-Schloss schen Tieringen und Hos- singen her hatte ich schon früher einmal vergeblich singen, liegt dieses Pflaster, wie nach Pflasterung untersucht. In seiner, das Eyachtal Maute berichtet: „…hier trefflich beherrschenden Lage, mag der Wegzug alt sein Zum neuen Buch von Heiko Peter Melle - Von Dr. Peter Thaddäus Lang prächtig auf einer Strecke von (das Sträßchen weicht an mehren Stellen vom Fuß- verschiedenen Metern in ei- weg ab und heißt oben, bis gen Thieringen her „Roß- Als Heimatforscher hat sich Heiko Peter Melle im Zol- herrschaft an Württemberg überging. Für die Zeit des sich außerdem bei der äußeren Gestaltung seines nem Feldweg offen da.“ Der al- lauf“), und so kann auch die Pflasterung am Schaf- lernalbkreis durchaus einen Namen gemacht, kein Früh- und Hochmittelalters fließen die Quellen spär- Büchleins überaus große Mühe gegeben, was an der te Fußweg nach Hossingen haus aus alten Zeiten stammen, in denen das Pflas- Wunder, ist er doch schon mehr als zwei Jahrzehnte flei- lich; seit dem Spätmittelalter hingegen sind sie in aus- ausnehmend reichen Bebilderung zu sehen ist. Mit die- führt merkwürdigerweise über tern sonst selten war, etwa aus der Zeit des mittel- ßig am Forschen. Unter seinen Veröffentlichungen sind reichendem Maß vorhanden. So lösen sich die Adels- sem Büchlein hat Melle ein buchstäblich zentrales genau diese „gepflasterte“ alterlichen Zufahrtsweges a (Abb. 2 Punkt a). Rö- insbesondere zu nennen die Ortschronik aus dem Jahr geschlechter der Tierberg, Westerstetten und Stauf- Lautlinger Thema anschaulich und erschöpfend abge- Strecke. Dies ist auch die kür- misch braucht sie daher nicht zu sein, während dies 1993 (zusammen mit Helmut Hofele und Klaus Het- fenberg als Ortsherren ab. handelt. Und ein Weiteres: Seit 1625 ist das Lautlinger zeste Verbindung zwischen die Strecke Oberdigisheim- Meßstetten zweifellos ist.“ ges), im selben Jahr eine Chronik der Lautlinger Kir- Während Melle die meisten Fakten über diese The- Schloss mit dem Namen Stauffenberg eng verbunden. Hossingen und Tieringen. 4.) Über das Pflaster im Gewann „Naitling“ schrieb ein chengeschichte, und seit 2001 für den Lautlinger Ar- men der Literatur entnahm, beruhen seine Ausfüh- Ab 1928 hatten hier die Eltern der Widerstandskämpfer In der Nähe des ehemali- Bekannter Nägeles, Pfarrer Dr. Engel, ein Hobby- beitskreis Schloss-Scheuer alljährlich eine kleine Bro- rungen über das nun folgende Hauptthema meisten- Berthold und Claus von Stauffenberg ihren Lebens- gen Tieringer Schafhauses (das geologe und ausgesprochener Kenner des genann- schüre mit Auszügen aus der alten Ortschronik. 2003 teils auf eigenen Recherchen: die Baugeschichte des mittelpunkt, hier verbrachten die Brüder einen Teil ih- sich in der Abb. 2 am rech- ten Gewannes, Professor Nägele, daß das dortige Pflas- trug er einige Texte zur Festschrift der Musikkapelle Schlosses. Bereits im Spätmittelalter war ein Gebäude- rer Kindheit und Jugend. Hier auch wurden die Ge- ten Rand befindet), berichtet ter „rein natürliche Gebilde“, also keine Pflasterung sei- Frohsinn bei, desgleichen zur Festschrift zur Eröffnung Ensemble vorhanden, das ab 1500 „Schloss“ genannt danken gedacht, die letztendlich zum Attentatsversuch Maute das: „…man beim Le- en. Diese entstehen aus einem ziemlich weichen Kalk- der Lautlinger Schloss-Scheuer. wird und von dem es 1807 heißt, es sei „alt, unbe- führten. Damit hat Heiko Peter Melles Büchlein eine gen von Wasserleitungsröh- stein, der aufgrund Auswaschungen immer in recht- Die nun vorliegende Veröffentlichung ist das Ergeb- wohnt“. 1841 wurde es abgerissen; in den beiden Fol- Bedeutung, die weit über das Lokale hinausgeht. ren an verschiedenen Stellen eckige (rombische und quadratische Stücke) zerfal- nis jahrelangen Forschens, wobei er merklich über das gejahren errichtete man den Neubau, der indes äu- mitunter in ganz namhafter len und nach weiterer Auswaschung wie gerundete engere Thema hinausgeht. Er beginnt mit dem Laut- ßerstkargundschmucklosausfiel.1970gingdasSchloss Tiefe gerade unter dem al- Pflastersteine erscheinen. linger Römerkastell, von dem oberirdisch allerdings an die Gemeinde Lautlingen über, um einige Jahre spä- INFO ten, jetzt nicht mehr befahr- Dies nun ist die Geschichte, die sich hinter einem nichts zu sehen ist, dann widmet er sich der Erster- ter als Museum und Stauffenberg-Gedächtnisstätte ge- baren Weg nach Hossingen noch heute in Tieringen allseits geläufigen Stras- wähnungsurkunde aus dem Jahr 793, um anschließend nutzt zu werden. Heiko Peter Melle: Die Lautlinger Ortsherren und das (heute: Straße „Auf Breiten“) senname verbirgt. Er gibt Einblick in die Vergan- den Blick zu richten auf die Lautlinger Ortsherren von Heiko Peter Melle hat nicht nur fleißig Fakten zu- Schloss Lautlingen, Lautlingen, Eigenverlag, 2011, 36 auf ein aus Kugelsteinen her- genheit eines Dorfes und seiner Umgebung sowie de- der Zeit der Alamannen bis zum Jahr 1806, als die Orts- sammengetragen und sorgfältig recherchiert, sondern S., zahlreiche Abb. gestelltes, fast undurch- ren Menschen, die dort lebten. dringliches Pflaster.“ Um si- cher zu gehen, ließ Maute beim Schafhaus ein Probeloch gra- Literatur: ben und fand tatsächlich in ei- Das 12 Uhr-Läuten vom Kirchturm ner Tiefe von 80 – 90 cm ein – Maute, Theodor: Thieringer Altertümer, in: Blätter nach einer Seite hin scharf ab- des Schwäbischen Albvereins 15.Jg. (1903) S. 23- 24 gegrenztes Pflaster. – Der Landkreis Balingen. Amtliche Kreisbeschrei- Die Tradition des Glockenrufs zum Friedensgebet - Von Adolf Klek - Fortsetzung Desweiteren, und ganz un- bung, hrsg. v. Statistischen Landesamt Baden-Würt- anfechtbar, konnte Maute ein temberg in Verbindung mit dem Landkreis Balin- „Dona nobis pacem” CUM PACE“, zu deutsch „O König der Herrlichkeit, chen Frieden meint der Pfarrer in seinem Segen am ca. 2 Meter breites Straßen- gen, Balingen 1960 Bd.1, S. 221ff., 1961 Bd. 2, S. 843ff. Christe, komm mit deinem Frieden“ trug eine Glo- Schluss des Sonntagsgottesdienstes. Sein letztes Wort pflaster (in Abb. 2 Punkt a) – Schmid, Ludwig: Geschichte der Grafen von Zollern- Seit dem 9. Jahrhundert ist eine lateinische Anti- cke, die 1416 für die Michaelskirche in Albstadt-Burg- heißt „Frieden“. nachweisen, das augen- Hohenberg und ihrer Grafschaft, Stuttgart 1862 Bd.1 phon bekannt, die mit den Worten beginnt: „Da pa- felden gegossen worden war. Sie ist heute nicht mehr scheinlich noch sehr wenig S.120 cem domine in diebus nostris“. In deutscher Spra- vorhanden. Auf viele mittelalterliche Glocken wurde benützt worden war und ge- – Steimle, Heinrich: Beschreibung einer Römerstraße che heißt das „Gib Frieden, Herr, in unseren Ta- diese oder eine ähnliche Aufschrift gegossen. Sie soll- „Verleih uns Frieden gnädiglich“ nau auf die Fundamente des im Dorfe Hossingen bei Ebingen. Literarische Bei- gen.“ Von einer Türkengefahr wusste man damals noch ten – so weit ihr Schall reicht – als Stimme der Ge- Burgturmes führten. lage zum Staatsanzeiger 1892, S. 106 f. nichts, wenn man diesen Rahmenvers beim Psal- meinde den umfassenden Frieden herbeirufen. Da- Sowohl im Evangelischen Gesangbuch (Nr. 421) wie Nägele,derimOktober1902, – Wedler, Kurt: Der Kappadocier von Tieringen. Hei- modieren sang. Zu den ähnlichen Worten „Dona no- mit ist nicht nur der äußere, weltliche Friede als Zeit oh- im katholischen „Gotteslob“ (Nr. 310) ist eine ein- nach Abschluss der Unter- matkundliche Blätter 6. (1959) S. 273 bis pacem“, deutsch „Gib uns Frieden“, ist heute nicht ne Krieg gemeint, sondern auch der innere, geistli- zige Liedstrophe enthalten, die mit diesen Worten be- suchungen, die Ergebnisse in – Ruge, Heinrich: Die Wappenrolle von Zürich. Ein he- nur ein volkstümlicher Kanon bekannt (Ev Gesang- che Friede. Zu ihm gehören der göttliche Beistand im ginnt. Sie gibt den ganzen Wortlaut der oben an- Augenschein nahm, kam zu raldisches Denkmal des vierzehnten Jahrhunderts, buch Nr. 435), sondern gibt es auch großartige Ver- Kampf gegen alles Böse, auch Schutz und Gebor- fangsweise zitierten mittelalterlichen Antiphon in folgendem Ergebnis: Zürich 1860 Taf. XIV tonungen der bedeutendsten Komponisten. Die Bit- gensein in Gottes Gnade. Der Apostel Paulus erbit- deutscherSprachewieder.DieÜbersetzungisteinWerk Abb. 3: Ehrentafel in der Michaelskirche auf Burg Hohenzollern für die überlebenden Vertei- 1.) Die Turmfundamente in – http://de.wikipedia.org/ te um Frieden ist ein Teil des Agnus Dei (Christe, du tet für die Christengemeinde in Philippi: „Der Frie- Martin Luthers. Er gab sie im Jahr der Türkenangst 1529 diger der ersten Burg 1423. Unter ihnen ist Hans von Tieringen aus dem Geschlecht der Her- Abb. 2 Punkt b sind unbe- wiki/Z%C3%BCrcher_Wappenrolle Lamm Gottes) im Ablauf des Messgottesdienstes. de Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, be- in Wittenberg heraus und wollte damit sicher eine Hil- ren von Tieringen. dingt mittelalterlich. Stand: 20.02.2012 Die Aufschrift „O REX GLORIAE CRISTE VENI wahre eure Herzen und Sinne in Christo Jesu!“7. Sol- fe geben zum häufigen Beten, gerade auch beim Läu- Seite 1781 Heimatkundliche Blätter Februar 2012 Februar 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1782

Die Herren von Tieringen und bis heute unverändert als Wappen der Gemeinde Tieringen dient, ist in dieser Wap- Die vermutlichen Inhaber der mittelalterlichen pensammlung auf Tafel XIV. aufgeführt. Burganlage waren die 1275 erstmals erwähnten Her- Das Geschlecht der Herren von Tierin- ren von Tieringen, deren Abstammung noch weit- gen teile sich bald in eine Tieringer und ei- gehend unerforscht ist. Diese Ortsadligen waren so- ne Haigerlocher Linie. Mit dem aus der Hai- genannte Ministeriale, Gefolgsmänner mächtiger Ad- gerlocher Linie stammenden Hans von Tier- liger, beginnend mit Heinrich von Tieringen, der Pfar- ingen, einem der überlebenden Verteidiger rer in Tieringen, Ebingen, Engstlatt, Lautlingen und an- der 1423 zerstörten ersten Burg Hohenzol- deren Orten war. Dieser ist höchstwahrscheinlich mit lern, und welcher am 3. Juni 1447 eine Ur- dem Kappadocier gleichzusetzen, der Notar des Gra- kunde siegelte, starb das Geschlecht derer von fen Albrecht II. von Hohenberg (1253- 1298) war. Über Tieringen vermutlich in der männlichen Li- den Kappadocier, der als „aufrechter und klarden- nie aus. kender Mann“ beschrieben wird, sind einige Ge- Eine Heila von Tieringen, die um 1400 in ei- schichten erhalten, die seinen Witz und seine Schläue ner Urkunde erscheint, ist wahrscheinlich die beweisen. Namengeberin unserer Burganlage, die im Dass die Herren von Tieringen im 14. Jahrhun- Volksmund des Mittelalters (1565) als „Hey- dert ein nicht unbedeutendes Ministerialgeschlecht liburch“ bezeichnet wird. waren beweist zudem die sogenannte Zürcher Wap- penrolle. Diese gilt als die älteste noch erhaltene Wap- pensammlung des hohen und niederen Adels im Mit- Straßenpflaster zwischen telalter. Sie beschreibt über 550 Adelsgeschlechter und Tieringen und Hossingen Bistümer der Schweiz, des weiteren Bodenseerau- mes sowie Badens und dem heutigen Elsass. Der un- Nachdem die Burgfrage von Oberlehrer bekannte Chronist arbeitete zwischen 1335/1345 ver- Maute soweit geklärt war, stand noch jene mutlich im St. Gallen, Konstanz oder Päfers, welche al- nach einem römischen Weg auf der Hoch- lesamt schon seit dem frühesten Mittelalter bedeu- fläche zwischen Tieringen und Hossingen tende kulturelle Zentren sind. in der Schwebe. Verschiedene Spuren von Das Wappen „der Tieringer“, welches ein dreimal ge- Straßenpflasterung zwischen Hossingen und brochener weißer Balken auf blauem Hintergrund zeigt Tieringen im Gewann „Naitling“ und „Ross- lauf“ sowie beim ehemaligen Tierin- ger Schafhaus, ga- ben Maute Anlass Abb. 4: Zürcher Wappenrolle, Taf. XIV. Wappen und Helmzier der „Tier- dort zu suchen. Die- inger“ (dritte Reihe von Oben, viertes von links), welches heute unver- Das Stauffenberg-Schloss in Lautlingen. Foto: Privat se zusammenge- ändert als Gemeindewappen dient. nommen zielen ge- nau auf die Fundamente in 2.) Im Garten (Abb. 2 Punkt d) wurde aus zeitlichen Abb. 2 Punkt b hin. Gründen nicht mehr gegraben. Im Gewann „Naitling“, zwi- 3.) Nägele berichtet außerdem: „Den Weg von Hos- Neues zum Stauffenberg-Schloss schen Tieringen und Hos- singen her hatte ich schon früher einmal vergeblich singen, liegt dieses Pflaster, wie nach Pflasterung untersucht. In seiner, das Eyachtal Maute berichtet: „…hier trefflich beherrschenden Lage, mag der Wegzug alt sein Zum neuen Buch von Heiko Peter Melle - Von Dr. Peter Thaddäus Lang prächtig auf einer Strecke von (das Sträßchen weicht an mehren Stellen vom Fuß- verschiedenen Metern in ei- weg ab und heißt oben, bis gen Thieringen her „Roß- Als Heimatforscher hat sich Heiko Peter Melle im Zol- herrschaft an Württemberg überging. Für die Zeit des sich außerdem bei der äußeren Gestaltung seines nem Feldweg offen da.“ Der al- lauf“), und so kann auch die Pflasterung am Schaf- lernalbkreis durchaus einen Namen gemacht, kein Früh- und Hochmittelalters fließen die Quellen spär- Büchleins überaus große Mühe gegeben, was an der te Fußweg nach Hossingen haus aus alten Zeiten stammen, in denen das Pflas- Wunder, ist er doch schon mehr als zwei Jahrzehnte flei- lich; seit dem Spätmittelalter hingegen sind sie in aus- ausnehmend reichen Bebilderung zu sehen ist. Mit die- führt merkwürdigerweise über tern sonst selten war, etwa aus der Zeit des mittel- ßig am Forschen. Unter seinen Veröffentlichungen sind reichendem Maß vorhanden. So lösen sich die Adels- sem Büchlein hat Melle ein buchstäblich zentrales genau diese „gepflasterte“ alterlichen Zufahrtsweges a (Abb. 2 Punkt a). Rö- insbesondere zu nennen die Ortschronik aus dem Jahr geschlechter der Tierberg, Westerstetten und Stauf- Lautlinger Thema anschaulich und erschöpfend abge- Strecke. Dies ist auch die kür- misch braucht sie daher nicht zu sein, während dies 1993 (zusammen mit Helmut Hofele und Klaus Het- fenberg als Ortsherren ab. handelt. Und ein Weiteres: Seit 1625 ist das Lautlinger zeste Verbindung zwischen die Strecke Oberdigisheim- Meßstetten zweifellos ist.“ ges), im selben Jahr eine Chronik der Lautlinger Kir- Während Melle die meisten Fakten über diese The- Schloss mit dem Namen Stauffenberg eng verbunden. Hossingen und Tieringen. 4.) Über das Pflaster im Gewann „Naitling“ schrieb ein chengeschichte, und seit 2001 für den Lautlinger Ar- men der Literatur entnahm, beruhen seine Ausfüh- Ab 1928 hatten hier die Eltern der Widerstandskämpfer In der Nähe des ehemali- Bekannter Nägeles, Pfarrer Dr. Engel, ein Hobby- beitskreis Schloss-Scheuer alljährlich eine kleine Bro- rungen über das nun folgende Hauptthema meisten- Berthold und Claus von Stauffenberg ihren Lebens- gen Tieringer Schafhauses (das geologe und ausgesprochener Kenner des genann- schüre mit Auszügen aus der alten Ortschronik. 2003 teils auf eigenen Recherchen: die Baugeschichte des mittelpunkt, hier verbrachten die Brüder einen Teil ih- sich in der Abb. 2 am rech- ten Gewannes, Professor Nägele, daß das dortige Pflas- trug er einige Texte zur Festschrift der Musikkapelle Schlosses. Bereits im Spätmittelalter war ein Gebäude- rer Kindheit und Jugend. Hier auch wurden die Ge- ten Rand befindet), berichtet ter „rein natürliche Gebilde“, also keine Pflasterung sei- Frohsinn bei, desgleichen zur Festschrift zur Eröffnung Ensemble vorhanden, das ab 1500 „Schloss“ genannt danken gedacht, die letztendlich zum Attentatsversuch Maute das: „…man beim Le- en. Diese entstehen aus einem ziemlich weichen Kalk- der Lautlinger Schloss-Scheuer. wird und von dem es 1807 heißt, es sei „alt, unbe- führten. Damit hat Heiko Peter Melles Büchlein eine gen von Wasserleitungsröh- stein, der aufgrund Auswaschungen immer in recht- Die nun vorliegende Veröffentlichung ist das Ergeb- wohnt“. 1841 wurde es abgerissen; in den beiden Fol- Bedeutung, die weit über das Lokale hinausgeht. ren an verschiedenen Stellen eckige (rombische und quadratische Stücke) zerfal- nis jahrelangen Forschens, wobei er merklich über das gejahren errichtete man den Neubau, der indes äu- mitunter in ganz namhafter len und nach weiterer Auswaschung wie gerundete engere Thema hinausgeht. Er beginnt mit dem Laut- ßerstkargundschmucklosausfiel.1970gingdasSchloss Tiefe gerade unter dem al- Pflastersteine erscheinen. linger Römerkastell, von dem oberirdisch allerdings an die Gemeinde Lautlingen über, um einige Jahre spä- INFO ten, jetzt nicht mehr befahr- Dies nun ist die Geschichte, die sich hinter einem nichts zu sehen ist, dann widmet er sich der Erster- ter als Museum und Stauffenberg-Gedächtnisstätte ge- baren Weg nach Hossingen noch heute in Tieringen allseits geläufigen Stras- wähnungsurkunde aus dem Jahr 793, um anschließend nutzt zu werden. Heiko Peter Melle: Die Lautlinger Ortsherren und das (heute: Straße „Auf Breiten“) senname verbirgt. Er gibt Einblick in die Vergan- den Blick zu richten auf die Lautlinger Ortsherren von Heiko Peter Melle hat nicht nur fleißig Fakten zu- Schloss Lautlingen, Lautlingen, Eigenverlag, 2011, 36 auf ein aus Kugelsteinen her- genheit eines Dorfes und seiner Umgebung sowie de- der Zeit der Alamannen bis zum Jahr 1806, als die Orts- sammengetragen und sorgfältig recherchiert, sondern S., zahlreiche Abb. gestelltes, fast undurch- ren Menschen, die dort lebten. dringliches Pflaster.“ Um si- cher zu gehen, ließ Maute beim Schafhaus ein Probeloch gra- Literatur: ben und fand tatsächlich in ei- Das 12 Uhr-Läuten vom Kirchturm ner Tiefe von 80 – 90 cm ein – Maute, Theodor: Thieringer Altertümer, in: Blätter nach einer Seite hin scharf ab- des Schwäbischen Albvereins 15.Jg. (1903) S. 23- 24 gegrenztes Pflaster. – Der Landkreis Balingen. Amtliche Kreisbeschrei- Die Tradition des Glockenrufs zum Friedensgebet - Von Adolf Klek - Fortsetzung Desweiteren, und ganz un- bung, hrsg. v. Statistischen Landesamt Baden-Würt- anfechtbar, konnte Maute ein temberg in Verbindung mit dem Landkreis Balin- „Dona nobis pacem” CUM PACE“, zu deutsch „O König der Herrlichkeit, chen Frieden meint der Pfarrer in seinem Segen am ca. 2 Meter breites Straßen- gen, Balingen 1960 Bd.1, S. 221ff., 1961 Bd. 2, S. 843ff. Christe, komm mit deinem Frieden“ trug eine Glo- Schluss des Sonntagsgottesdienstes. Sein letztes Wort pflaster (in Abb. 2 Punkt a) – Schmid, Ludwig: Geschichte der Grafen von Zollern- Seit dem 9. Jahrhundert ist eine lateinische Anti- cke, die 1416 für die Michaelskirche in Albstadt-Burg- heißt „Frieden“. nachweisen, das augen- Hohenberg und ihrer Grafschaft, Stuttgart 1862 Bd.1 phon bekannt, die mit den Worten beginnt: „Da pa- felden gegossen worden war. Sie ist heute nicht mehr scheinlich noch sehr wenig S.120 cem domine in diebus nostris“. In deutscher Spra- vorhanden. Auf viele mittelalterliche Glocken wurde benützt worden war und ge- – Steimle, Heinrich: Beschreibung einer Römerstraße che heißt das „Gib Frieden, Herr, in unseren Ta- diese oder eine ähnliche Aufschrift gegossen. Sie soll- „Verleih uns Frieden gnädiglich“ nau auf die Fundamente des im Dorfe Hossingen bei Ebingen. Literarische Bei- gen.“ Von einer Türkengefahr wusste man damals noch ten – so weit ihr Schall reicht – als Stimme der Ge- Burgturmes führten. lage zum Staatsanzeiger 1892, S. 106 f. nichts, wenn man diesen Rahmenvers beim Psal- meinde den umfassenden Frieden herbeirufen. Da- Sowohl im Evangelischen Gesangbuch (Nr. 421) wie Nägele,derimOktober1902, – Wedler, Kurt: Der Kappadocier von Tieringen. Hei- modieren sang. Zu den ähnlichen Worten „Dona no- mit ist nicht nur der äußere, weltliche Friede als Zeit oh- im katholischen „Gotteslob“ (Nr. 310) ist eine ein- nach Abschluss der Unter- matkundliche Blätter 6. (1959) S. 273 bis pacem“, deutsch „Gib uns Frieden“, ist heute nicht ne Krieg gemeint, sondern auch der innere, geistli- zige Liedstrophe enthalten, die mit diesen Worten be- suchungen, die Ergebnisse in – Ruge, Heinrich: Die Wappenrolle von Zürich. Ein he- nur ein volkstümlicher Kanon bekannt (Ev Gesang- che Friede. Zu ihm gehören der göttliche Beistand im ginnt. Sie gibt den ganzen Wortlaut der oben an- Augenschein nahm, kam zu raldisches Denkmal des vierzehnten Jahrhunderts, buch Nr. 435), sondern gibt es auch großartige Ver- Kampf gegen alles Böse, auch Schutz und Gebor- fangsweise zitierten mittelalterlichen Antiphon in folgendem Ergebnis: Zürich 1860 Taf. XIV tonungen der bedeutendsten Komponisten. Die Bit- gensein in Gottes Gnade. Der Apostel Paulus erbit- deutscherSprachewieder.DieÜbersetzungisteinWerk Abb. 3: Ehrentafel in der Michaelskirche auf Burg Hohenzollern für die überlebenden Vertei- 1.) Die Turmfundamente in – http://de.wikipedia.org/ te um Frieden ist ein Teil des Agnus Dei (Christe, du tet für die Christengemeinde in Philippi: „Der Frie- Martin Luthers. Er gab sie im Jahr der Türkenangst 1529 diger der ersten Burg 1423. Unter ihnen ist Hans von Tieringen aus dem Geschlecht der Her- Abb. 2 Punkt b sind unbe- wiki/Z%C3%BCrcher_Wappenrolle Lamm Gottes) im Ablauf des Messgottesdienstes. de Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, be- in Wittenberg heraus und wollte damit sicher eine Hil- ren von Tieringen. dingt mittelalterlich. Stand: 20.02.2012 Die Aufschrift „O REX GLORIAE CRISTE VENI wahre eure Herzen und Sinne in Christo Jesu!“7. Sol- fe geben zum häufigen Beten, gerade auch beim Läu- Seite 1783 Heimatkundliche Blätter Februar 2012 ten der „Türkenglocke“ zur Mittagszeit.. sion „nach außen“, in die real wahrnehmbare Welt hi- 2) Schon die frühchristlichen Kirchenväter haben da- Die Melodie dazu brauchte er nicht zu erfinden. nein („zeitlicher Friede“). rauf und auf die Gebetszeiten im alten Volk Israel Sie gab es schon seit dem 12. Jahrhundert, wo sie im Aus dem Namen „Friedensglocke“ kann die Dank- hingewiesen, wie belegt wird von Herbert Goltzen Kloster Einsiedeln aufgeschrieben worden war. In Lu- barkeit sprechen für die lange Friedenszeit seit 1945, in „Der tägliche Gottesdienst. Die Geschichte des thers „Türkenbüchlein“, das er wenige Jahre später zugleich aber auch die Aufforderung, sich weiterhin Tagzeitengebetes, seine Ordnung und seine Er- drucken ließ, bringt er diese Liedstrophe wieder, und um Frieden als Grundlage menschlichen Lebens in un- neuerung in der Gegenwart“, Teil B von „Leitur- zwar unter der Überschrift: „Das Da pacem domine serer Welt zu bemühen. In den Städten und Dör- gia“, Kassel o.J. deutsch, mit schönen Kollekten (Gebeten), zu bitten fern, wo das Mittagsläuten auch heute noch täglich 3) Carl Friedrich Dizinger: Denkwürdigkeiten aus um zeitlichen und ewigen Frieden’“8. zu hören ist, wird es so verstanden werden. meinem Leben und aus meiner Zeit; Tübingen 1833 Die Balinger Friedensglocke zählt mit der Tiefe ih- 4) Kurt Kramer: Klänge zwischen Zeit und Ewigkeit – res Schlagtones „gis“ aus der Kleinen Oktav (Null-Ok- Faszination Glocken, Kevelaer 2006, S. 16 Jahrgang 59 29. Februar 2012 Nr. 2 Und die Balinger Friedensglocke? tav) durchaus zur Reihe der eingangs aufgeführten gro- 5) Otto Schlißke: Handbuch der Lutherlieder. Göt- ßen Glocken, die im Lande zum 12-Uhr-Friedens- tingen 1948, S. 297 Die Luther-Strophe „Verleih uns Frieden gnädig- gebet rufen. Ihr Schlagton liegt sogar tiefer als in Ulm 6) Gustav Bossert berichtet in der Württembergi- lich“ wird am Schluss der Gottesdienste in Balingen und Stuttgart9. Bisher ist sie allerdings nur an Hö- schen Kirchengeschichte des Calwer Verlagsver- und Umgebung häufig gesungen. Die neue, siebte Glo- hepunkten des Kirchenjahres als Erweiterung des Ge- eins 1893 auf S. 450, dass ein Württembergisches cke für den Stadtkirchenturm, die im Oktober 2010 ein- samtgeläutes zu hören. Wenn sie allein auch um 12 Kirchen-und Landgesetz vom Jahr 1594 eine sol- geweiht werden konnte, trägt die Aufschrift „Ehre sei Uhr an Werktagen ertönen würde, könnte ihr wohl- che Bestimmung enthielt. Was steckt hinter „Hinter Burg“? Gott – Friede auf Erden“. Sie soll mit ihrem Klang ge- tuender, tiefer Klang aus ihrem ruhigem Schwingen 7) Philipper 4, 7 wissermaßen einstimmen in den Gesang der Engel im sehr wohl zum gedanklichen Innehalten in der Hast 8) wie Nr. 5 Weihnachtsevangelium: „Ehre sei Gott in der Höhe und des Tages anregen. 9) Aus der Aufstellung der Glockengießerei Bachert, Das Geheimnis eines Tieringer Straßennamens - Von Jörg Berbalk Friede auf Erden“. Damit ist wie bei Luther zum Aus- Karlsruhe, „Die schwersten Glocken von Würt- druck gebracht, dass es für den Christenglauben ei- temberg“, vom Dezember 1997 sind als Schlagtö- Die Hinter Burg-Straße, die Schlichemstraße so- nige fast ganz vergangene Eisenbeigaben.“ nerseits die Vorstellung einer Dimension über die ir- Quellennachweis ne zu ersehen: Große Betglocke im Ulmer Müns- wie die Wagnerstraße wurden erst im zweiten Drit- Anschließend untersuchte Maute, zuerst nur per Au- dische Welt hinaus „nach oben“ gibt („ewiger Frie- ter „b“, (tiefste, größte Glocke dortt „as“), größte tel des 20. Jahrhunderts erschlossen. Davor war das genschein, die Umfassung einer kreisrunden Vertie- de“). Sie ist andererseits verquickt mit der Dimen- 1) Amtsblatt Bd. 37, Beiblatt Nr. 3, S.28 Glocke der Stuttgarter Stiftskirche „a“. dortige Land Jahrhunderte lang Obst- und Grasgar- fung (Abb. 2; Punkt b). Schnell wurde klar, dass er es ten und somit kaum unter dem Pflug. Mögliche Spu- hier mit Mauerwerk, wahrscheinlich den Funda- ren der Vergangenheit konnten somit erhalten blei- menten eines Rundturmes, zu tun hatte. Maute ver- ben. mutete jedoch aufgrund der räumlichen Nähe zum Grabhügel, zuerst die Burgstelle als vormittelalter- lich, also alemannischen Ursprungs. Heimatkundler blicken zurück Die Ausgrabung der Burgstelle Die komplette Freilegung und genaue Untersu- chung des Fundamentes ergab allerdings die Grund- Anfang des 20. Jahrhunderts erregte der Flurname lage für einen quadratischen Turm mit einer äuße- Mitgliederversammlung findet in Lautlingen statt - Vortrag über Karl Friedrich Reinhard „Hinter Burg“ (Mitte des 19. Jahrhunderts auch „Hin- ren Seitenlänge von annähernd 7 Meter. Innerhalb des ter der Burg“ oder einfach „Burgstrasse“ genannt), die Turmfundaments, welches aus gewaltigen Jurablö- Am Freitag 30. März, findet um 18 Uhr die Mit- denker Europas“ statt. Dr. Grolle, Historikerin aus hards (1761 – 1837), französischer Diplomat, Staats- Aufmerksamkeit des Oberlehrers Theodor Maute aus cken bestand, fand Maute viele mittelalterliche Ge- gliederversammlung mit Vortrag in Albstadt-Laut- Hamburg, wurde 1931 als Pfarrerstochter in Win- mann und Schriftsteller, der teilweise in Balingen auf- Gächingen, im heutigen Landkreis Reutlingen. Auch fäßscherben und Hohlziegelstücke. Daher konnte er lingen im Stauffenbergschloss statt. terlingen geboren und ist damit dem Zollernalbkreis gewachsen war und dort ab 1783 zeitweilig als Vi- auffällige Geländespuren (Abb. 2; Punkt c) fielen dem mit Sicherheit sagen, dass die vor ihm liegende An- Auf der Tagesordnung stehen unter anderem die verbunden. kar wirkte. geschulten Auge des Lehrers auf, der schon damals ei- lage ins Mittelalter zu datieren ist. Rückblicke des Vorstandes und Nachwahlen zum Aus- Im Zusammenhang mit ihrem wissenschaftlichen Im Jahr 2007 erschien von Ingeborg Grolle das Buch nige archäologische Grabungen durchgeführt hatte. Nun war der Beweis dafür geliefert, dass der Na- schuss. Nach dem offiziellen Teil findet ein Vortrag von Schwerpunktthema, der Frauenbewegung des 19. Jahr- „Eine Diplomatenehe im Bann von Napoleon und Goe- Oberlehrer Maute schilderte daraufhin seine Be- me „Hinter (der) Burg“ wörtlich genommen werden Dr. Ingeborg Grolle zu „Karl Friedrich Reinhard (1761 hunderts, befasste sie sich mit Christine Reinhard geb. the“, worin sie das Lebensbild Christine und Karl Fried- obachtungen dem Tübinger Gymnasialprofessor Eu- darf! – 1837) – Schwabe, französischer Diplomat, Vor- Reimarus, der ersten Ehefrau Karl Friedrich Rein- rich Reinhards nachzeichnet. gen Nägele und bat ihn um Rat. Nägele, der Mit- Wir dürfen uns eine Burganlage, an einem nach Süd- begründer und langjährige Vorsitzende des Schwä- Westen abfallenden Hang zur Schlichem hin, vor- bischen Albvereins, beauftragte Maute, in den Herbst- stellen. Diese bestand aus dem beschriebenen quad- ferien 1902 die Geländespuren zu untersuchen. Fi- ratischen Steinturm und höchstwahrscheinlich aus ei- nanziert wurde die Ausgrabung von der Reichsli- ner Anzahl von Häusern und Hütten aus vergängli- Exkursionen und Termine meskommission. Die Reichslimeskommission be- chem Material, wie Holz, Lehm (Fachwerk) und Stroh. schäftigte sich mit der Erforschung römischer Spu- Von der Position dieser Anlage lässt sich trefflich das ren. Die Reichslimeskommission hatte an der Aus- Schlichemtal in westlicher Richtung, in entgegenge- Die Veranstaltungen im März grabung in Tieringen großes Interesse, da ein römi- setzter Richtung das Bäratal bis Oberdigisheim, so- scher Weg von Meßstetten über Hossingen bis ober- wie der strategisch wichtige Lochenpass leicht über- Tag der Archive: werden einige restaurierte Bände (so ein Güterbuch von Brandverhütungs- und Bekämpfungsmaßnahmen ge- halb Oberdigisheim damals bereits nachgewiesen war. wachen. Tailfingen aus dem Jahr 1661) der Öffentlichkeit vor- nauso wie die Bewältigung einer Brandkatastrophe Er ist höchstwahrscheinlich mit dem 1565 genann- Das mittelalterliche und 1138 erstmalig erwähnte Stadtarchiv Albstadt: gestellt. Um 14.30 und 16 Uhr besteht die Möglichkeit vorgestellt. Erweitert wird die Thematik mit dem Stadt- ten „Burgsteig“ identisch. Der seit 1895 als Stre- Tieringen muss nachgewiesenermaßen im Bereich des Samstag, 3. März, 14 bis 17 Uhr einer Führung durchs Archiv. brand von Rosenfeld von 1868. ckenkommissar für Württemberg von der Reichsli- Winkels (s. Abb. 2), der Kirche (Abb. 2, Ziffer 3), der „hin- Feuer, Wasser, Krieg und andere Katastrophen In einer kleineren Ausstellung wird gezeigt, wie der- meskommission berufe Eugen Nägele vermutete ei- teren“ Mühle (Abb. 2 Ziffer 1) sowie des sogenann- artige Katastrophen in den Archiven dokumentiert sind. ne Fortsetzung dieses Weges über Tieringen. ten „Hofes“ (Abb. 2 links unterhalb Punkt c) zu su- Im Stadtarchiv Albstadt können die Besucherinnen und Stadtarchiv Balingen: Existieren zum Erdbeben von 1911 noch relativ weni- Maute untersuchte die augenfälligste Gelände- chen sein. An dessen Stelle stand aller Wahrschein- Besucher sehen, wie Katastrophen dokumentiert wer- Sonntag, 4. März, 14 bis etwa 14.45 Uhr ge Unterlagen, so ist das Erdbeben von 1978 durch ei- Abb. 1: Heutiger Bebauung. Schlichemstraße (Ehemals „Im Win- spur, im Gewann Hinter Burg, die sich als Grabhü- lichkeit nach der ehemalige Wirtschaftshof der Burg. den. So zum Beispiel das Hochwasser von 1895, das Präsentation eindrucksvoller Dokumente. ne Vielzahl von Archivalien dokumentiert, z.B. Fotos, kel“), Hohlgasse, Hohlweg und Hinter-Burg Straße bilden die geo- gel herausstellte. Die Erdbeben von 1911 oder der Brand in der Ebinger Dr. Hans Schimpf-Reinhardt Versicherungsakten genauso wie die Unterlagen von metrische Form eines Drachens. Am Ende der Wagnerstraße be- erste, oberste Schicht Marktstraße ebenfalls 1911. Fotografien, Sammlungen Einsatzkräften. Ähnliches gilt für Flutkatastrophen: Zur findet sich das Gebiet auf dessen unser Hauptaugenmerk liegen des Grabhügels be- oder Zeitungsberichte dokumentieren diese ein- Schriftstücke, Bilder, Zeichnung: vielfältig sind die im Hochwasser-Katastrophe in Rangendingen am 16. Mai soll. stand aus mittelalter- schneidenden Ereignisse. Zugleich möchte das Stadt- Stadtarchiv verwahrten Dokumente, welche uns un- 1924 gibt es gerade zwei umfangreichere Akten im lichem Schutt (Steine, archiv Albstadt auch zeigen, welche Schäden an den mittelbar Auskunft über die Geschehnisse geben, zu- Kreisarchiv. Das Starzelhochwasser des Jahres 2008 ist Eine Straße sowie ein Flurstück in Tieringen, das je- Holziegel, Gefäß- einmaligen Archivalien durch solche Unglücke verur- gleich aber auch eine direkte Handreichung mit der bereits jetzt sehr umfangreich, insbesondere auch deseinheimischeKindkennt,heißt„HinterBurg“.Doch scherben und Eisen- sacht werden können und wie man sie beheben kann. Vergangenheit sind. Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahr- durch neue Medien, im Kreisarchiv belegt. Insgesamt kaum jemand, ob alt oder jung, weiß etwas mit dem stücke). Die unteren Das Stadtarchiv lässt zurzeit einige der ältesten Ar- hunderte haben sie überdauert und sind heute noch wird es vergleichend um die Themenbereiche Katast- vielsagenden Namen anzufangen oder weiß wo er her- Schichten bestanden chivalien restaurieren. Pünktlich zum Tag der Archive vorhanden. Durch sie können wir die Vergangenheit rophenvorbeugung und -bewältigung gehen rührt. Dieser Fragestellung soll in dem vorliegenden aus gelblichem Lehm. „in die Hand nehmen“, sie auch mit unseren Sinnen er- Beitrag nachgegangen werden. Auf Höhe des ge- fahren und „begreifen“. wachsenen Bodens Vorgestellte Themen sind: Stadtbrand 1809, Hoch- Herausgegeben von der stieß Maute auf, wie er Die Autoren dieser Ausgabe wasserkatastropheimEyachtal1895,Feldpostbriefedes Heimatkundlichen Vereinigung Geographische Abgrenzung selber in seinem Gra- Ersten Weltkrieges, Gefallenenbenachrichtigungen des Zollernalb bungsbericht schreibt: Zweiten Weltkrieges, Kriegstagebuch eines Kindes 1939 Im Tieringer Norden zeichnen die Straßen Schli- „…eine regelrechte Jörg Berbalk – 1949, Lebenserinnerungen eines holländischen Vorsitzender: chemstraße, Hohlgasse, Hohlweg und Hinter Burg- Brandplatte, an deren Nackstraße 20 Zwangsarbeiters. Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, Straße die geometrische Form eines Drachens. Die südlichem Ende eine 72469 Meßstetten-Tieringen 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 nördliche Spitze dieses Körpers stellt die Schli- deutliche, Feuerspuren chemhalle dar und weist in das sogenannte „Lange Tal“ zeigende, etwa ½ Kreisarchiv Zollernalbkreis: Geschäftsführung: hinein. Auf der Nord–Süd- Achse des Körpers liegt die Quadratmeter große, Dr. Peter Thaddäus Lang Sonntag, 4. März, 15 bis etwa 16.30 Uhr Erich Mahler, Mörikeweg 6, Wagnerstraße. Vom untersten Punkt der Schli- viereckige Steinplatte Lammerbergstraße 53 „Brände, Beben, Fluten – Katastrophen im Raum des 72379 Hechingen, chemstraße steigt das Gelände sanft gegen die Hin- senkrecht eingefügt 72461 Albstadt heutigen Zollernalbkreises“. Telefon (0 74 71) 1 55 40 ter Burg-Straße an. war. Zu entdecken war Vortrag und Ausstellung Dr. Andreas Zekorn, E-Mail: e. [email protected] Unterhalb der Hinter Burg-Straße befindet sich das außer etlichen starken, Adolf Klek, Wohngebiet Hinter Burg, das in dem dem Dorf zu- regellos liegenden Balingen-Heselwangen Verschiedentlich zerstörten Brandkatastrophen ganze Redaktion: gewandten Teil aus Gärten mit Obstbäumen be- Knochen nur eine An- Ortschaften. Exemplarisch werden in einem Vortrag am Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, steht. Auf den Bereich, zwischen Wagnerstraße, Hohl- zahl alter Scherben, die Beispiel des verheerenden Stadtbrandes von Binsdorf 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 weg und Hohlgasse, sei das Hauptaugenmerk ge- Nägele für mittelal- Abb. 2: T(h)ieringen um die Jahrhundertwende. 1 Hintere Mühle (heute Schlichemstraße ); 2 Schul- im Jahre 1904, der die gesamte Stadt einäscherte, richtet. terlich erklärt, sowie ei- haus (heute Sparkasse und Arztpraxis); 3 Kirche Seite 1787 Heimatkundliche Blätter März 2012 Termine und Exkursionen

April 2012 Montag, 7. Mai 2012: Eisenbahnerlebnistag mit der vorgesehen. Zum Härtsfeld gehören auch die impo- Landesbahn durch hohenzollerische Stammlande. sante Burg Katzenstein und das Schloss Taxis bei Di- schingen, das als Sommerresidenz in Besitz der Adels- Albrecht Dorow ist ‚Zugbegleiter‘ bei der Rundfahrt mit familie von Thurn und Taxis ist. An der Rückfahrt- Mittwoch, 14. April 2012: Werksbesichtigung der Fir- der Landesbahn von Ebingen (ab 7.03) über Balingen strecke liegt Machtolsheim mit der schönsten evan- ma IDEAL Krug & Priester. (ab 7.34) und Hechingen (Abfahrt 8.03) in die hohen- gelischen Barockkirche Baden-Württembergs. zollerischen Stammlande über die Europäische Was- Anmeldungen zu den Exkursionen, auch Anfragen Herr Dr. Walther wird uns auf Einladung der Ge- serscheide bei Burladingen durch Killer-, Starzel- Feh- bei: Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 Hechingen, Tel.: Jahrgang 59 31. März 2012 Nr. 3 schäftsführung der Krug & Priester GmbH & Co. KG la-, Lauchert- Donau- und Schmeiental. Die Fahrt wird 07471/155 40 – Fax: 07471/12283, oder per E-Mail über: durch das Werk in der Simon-Schweitzer-Str. 34 in Ba- jeweils unterbrochen um das Deutsche Peitschen- [email protected] lingen führen. Die Firma Krug & Priester, die letztes museums in Killer zu besichtigen, sowie die Bahnbe- Jahr ihr 60-jähriges Jubiläum feierte, produziert am triebswerkstätte der Hohenzollerischen Landesbahn in Standort Balingen mit derzeit 360 Beschäftigten Ak- Gammertingen, und das Wasserwerk (Gallus-Quelle) tenvernichter und Papierschneidemaschinen der Mar- in Hermentingen. In Sigmaringen geht es durch den Stammtische Schwabe, Franzose, Europäer ken EBA und IDEAL, die weltweit exportiert werden. Fürstengarten zur Josefskirche mit schöner Aussicht Krug & Priester genießt in der Branche einen hervor- über die Stadt. Rückkehr: Albstadt an 20.30, Balingen Jeweils am 1. Mittwoch eines Monats trifft sich unter ragenden Ruf als Marktführer von hochwertigen, nach- an 20.26, Hechingen an 20.38. (Teilnahme: 30 Euro). der Ebinger Stammtische unter der Leitung von Dr. Pe- Der Diplomat Karl Friedrich Reinhard (1761 - 1837) - Von Dr. Ingeborg Grolle haltig produzierten Produkten „Made in Germany“. Da ter Th. Lang im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 letztes Jahr nicht alle Interessenten zum Zuge kamen, Albst.-Ebingen: Telefon 07431 / 4188. „Ich fange nun selbst an zu glauben, dass die Be- fer Angriff gegen die Enge des Tübinger Stifts, die- das theologische. Die Schönheit der Schweiz sättigt wiederholen wir die Werksbesichtigung. Die Teilneh- Samstag, 19. Mai 2012: 3. Kunst- und Geschichts- schreibung meines Lebens interessant werden könn- sen Stolz des Schwabenlandes, erregte Ärger in höchs- nicht seinen geistigen Hunger und in Bordeaux be- merzahl ist wieder auf 30 Personen begrenzt, eine früh- wanderung „Auf dem Panoramaweg rund um From- te.“ (Reinhard an Goethe, 11. Juli 1814) ten Kirchenkreisen. In dem anonymen Autor des Ar- gegnetervielabstoßendseelenlosemReichtum.Erfühlt zeitige Anmeldung ist erbeten. Treffpunkt ist um 13:00 mern und Weilstetten“. tikels war Karl Reinhard leicht zu erkennen. Der Va- sich isoliert, schwunglos, ausgebrannt. Aber da liegt et- Uhr an der oben angeführten Anschrift. Teilnahme frei; Interessant war das Leben des schwäbischen Pfar- ter Reinhard ist enttäuscht. Er wirft seinem Sohn Über- was in der Luft, das seinen Missmut vertreibt, ihn er- (Kleiner Obolus für soziale Projekte die K & P unter- Auf einem von Dr. Ingrid Helber ausgearbeiteten „Pa- rerssohnes Karl Friedrich Reinhard gewiss, oft auch tur- heblichkeit und Laschheit vor. Der Sohn seinerseits hat regt und mitreißt. Seit der Einberufung der Gene- stützten). noramaweg“ geht es rund um Frommern und Weil- bulent, gefährlich und angefochten. Dass er einmal ein sich innerlich längst losgesagt von dem Glauben, den ralstände 1787 hofft er, dass die Gedanken der Auf- stetten. Die Veranstaltung beginnt um 9.30 Uhr am TSV berühmter Diplomat werden würde, hätte dem er predigen soll. Beide haben ein schlechtes Gewis- klärung politisch so verwirklicht werden, wie Jean Sportheim in Balingen Frommern, Zeitentalstraße. Ne- schüchternen Jungen niemand vorhergesagt. Am 2. Ok- sen, wollen den anderen nicht verletzen und tun es Jacques Rousseau es im „Contrat Social“ entworfen hat. Dienstag, 24. April 2012: Erinnerungstafeln zum ben herrlichen Ausblicken wird die Exkursionsleiterin tober 1761 ist Karl Friedrich in Schorndorf als erstes doch ständig. Die ganze Familie leidet unter den Aus- Im März 1789 schreibt er an Freund Stäudlin: „Wenn Russlandfeldzug 1812 um Rottenburg, Schloss Wa- auch interessante Informationen und Forschungser- Kind seiner Eltern geboren. Dreizehn Geschwister folg- einandersetzungen. Alle empfinden es wie eine Er- Frankreich eine neue Konstitution bekommt, dann chendorf. gebnisse bieten. Am Wanderweg liegen verschiedene ten im Lauf der Zeit. Der Lebensweg des ältesten Soh- lösung, als der Vikar den Kirchendienst quittiert und hätten zum ersten Mal Federn eine Revolution her- Einkehrmöglichkeiten. Sollten sich bei dem einen oder nes war vorgezeichnet: Eine liebevolle, strenge häus- im Frühjahr 1786 Balingen den Rücken kehrt. Fast drei vorgebracht!“ Mit gespannter Aufmerksamkeit ver- Vor 200 Jahren (1812) zog die Große Armee Napole- anderen Teilnehmer „Gehbeschwerlichkeiten“ ein- liche Disziplin, eine Schule mit viel Latein und Grie- Jahre lang hat er versucht, sich in die vorgeschrie- folgt er die Vorgänge in Paris, die Verfassunggeben- ons nach Russland. Darunter auch Soldaten aus Würt- stellen, ist für einen Rücktransport zum Ausgangs- chisch, freier Auslauf in den Remswiesen. Weil er bene Berufslaufbahn zu fügen. Seinen Eltern und Ge- de Versammlung, die Erklärung der Menschenrech- temberg, von denen rund 95% nicht mehr zurück- punkt gesorgt, der ansonsten spätestens um 17 Uhr er- selbstverständlich Pfarrer werden sollte wie der Va- schwistern bleibt er weiter verbunden. Als seine Mut- te. Im April 1790 wird er Mitglied der „Gesellschaft der kehrten. Dieses traurige Jubiläum nimmt Wolfgang reicht wird. Bei schlechtem Wetter kann eine Abkür- ter, kam der dreizehnjährige Karl ins Seminar nach ter am Ende des Jahres bei der Geburt ihres vier- Verfassungsfreunde“ in Bordeaux. Hier findet er wah- Willig zum Anlass für den Besuch von Dörfern rund zung erfolgen. Bitte gute Wanderschuhe und –klei- Denkendorf. Das bedeutete eine Klosterklausur här- zehnten Kindes stirbt, ist Karl Friedrich Reinhard tief re Freunde und wird von ihnen anerkannt. Mit ih- um die Stadt Rottenburg, in denen künstlerisch ge- dung entsprechend der Witterung anziehen! Die Wege tester protestantischer Prägung, schwarze Kutten, un- erschüttert, er verfasst ein er- nen zusammen schwört er, frei zu leben oder zu ster- staltete Gedenktafeln zum Russlandfeldzug hängen. in Halbhöhenlage sind vorwiegend eben, leicht an- endlicher Paukstoff, magere Ernährung, Freiheits- greifendes Gedicht „Am ben. Von diesem Augenblick an, so sein persönlicher Insgesamt 13 derartige hölzerne Tafeln mit den Na- steigend, aber nicht immer befestigt (keine Traufgän- entzug. 1775 wurde Karls Vater als Dekan nach Ba- Sterbebett der Mut- Schwur, betrachtet er sich als Franzose. Ein unge- men der Gefallenen blieben erhalten. Eine davon hängt ge). Es wird keine Teilnahmegebühr erhoben. lingen versetzt. Dort wird der Seminarist seine Schul- ter“. heuer mutiges Bekenntnis des Schwaben. in der Wurmlinger Kapelle, weshalb ein Spaziergang ferien verbracht und dabei die Schönheit der Schwä- Im Herbst 1791 begleitet Reinhard seine zur Ge- zu diesem herrlich gelegenen Kultort führt. Eine an- bischen Alb und ein besonderes Heimatgefühl ken- setzgebenden Versammlung gewählten Freunde Verg- dere Tafel hängt in der Hemmendorfer Kirche, die ne- Donnerstag, 24. Mai 2012: Hinweis auf die Ausstel- nen gelernt haben. Den letzten Schuljahren in Maul- niaud und Ducos nach Paris. Gemeinsam verfolgen sie ben dem dortigen Schlösschen des Malteserordens lungseröffnung und Vortrag über Georg Elser und das bronn folgte ein Theologiestudium am traditions- den Fortgang der Revolution und entwerfen Reden. steht. Da eine weitere Tafel im Wachendorfer Schloss Attentat vom 8. November 1939. reichen Tübinger Stift. Außer in den theologischen Fä- Reinhard schickt Berichte über das Geschehen an sei- untergebracht ist, wird deren Besichtigung mit einer chern konnte Karl hier auch Kenntnisse in Natur- ne Freunde in Deutschland, wo sie in der „Minerva“ Führung durch Schloss Wachendorf verbunden, wozu Beginn: 19.30 Uhr Balingen im Landratsamt Zollern- wissenschaft und Sprachen wie Arabisch und Fran- von Archenholz erscheinen. Umgekehrt sorgt er da- sich Freiherr von Ow bereit erklärt hat. Die Exkursion albkreis. Eintritt frei. zösisch erwerben. Aber die Studierenden waren an die- für, dass im Pariser „Moniteur“ Meinungen deut- mit dem Bus – 30,00 Euro – leitet Wolfgang Willig. Ab- ser berühmten Bildungsstätte weiterhin Zwängen und scher Publizisten veröffentlicht werden. Reinhard be- fahrt ist in Ebingen, Busbahnhof um 7:00 Uhr, in Ba- Die Autoren dieser Ausgabe Beschränkungen unterworfen, die Auflehnung pro- trachtet die Entwicklung in Frankreich nicht unkri- lingen, Stadthalle um 7:30 Uhr, mit Halt in Hechingen vozierten. Gegen erstarrte Dogmen forderten sie Auf- tisch, ihn treibt nicht die Begeisterung für die Fran- um 7:54 Uhr an der evang. Kirche, gegenüber dem Mu- klärung. Es entstand die jugendliche Protestkultur in ty- zosen, sondern für die Sache der Menschheit. Er ist ent- seum. rannos. Friedrich Schiller, der an der Hohen Karls- täuscht von Schillers reservierter Haltung. Ein Mann, Vorausschau Juni 2012 schule nicht weniger litt als die Stiftler, gab dem Frei- dessen Stimme ein so großes Gehör in der deut- Dr. Ingeborg Grolle heitsdrang Ausdruck in dem Stück „Die Räuber“. Dich- schen Öffentlichkeit findet, dürfe von den Men- Donnerstag, 26. April 2012, Dr. Veronika Mertens hält tung, Poesie, befreite auch Karl Reinhard und seine schenrechten kein Jota abweichen. Reinhard erklärt einen Vortrag über: Kunst im Dritten Reich zwi- Isestraße 23 Freunde von den Gedankenfesseln. Zusammen mit den sein eigenes Engagement so: „Ich sah in der franzö- schen Widerstand und Gefährdung: Otto Dix, Wal- Von Montag 4. Juni 2012 bis Mittwoch 6. Juni 2012: 20144 Hamburg Brüdern Stäudlin und Conz bildete er im Stift einen sischen Revolution nicht die Angelegenheit einer Na- ther Groz und das Malerehepaar Caspar-Filser. 3-tägige Studienfahrt zur Kapfenburg, ins Ries und Dichterbund nach dem Vorbild des Göttinger Hains. tion, mit der ich vielleicht niemals ganz sympathi- aufs Härtsfeld. Leitung: Wolfgang Willig. Man schwärmte für die Oden von Klopstock. Im sieren werde, sondern einen Riesenfortschritt des Im Rahmen des Schwerpunkt-Themas 2012 "Wider- „Schwäbischen Almanach“ wurden die Gedichte der menschlichen Geistes überhaupt und eine glückliche stand im Dritten Reich" gibt der Vortrag Einblicke in Am Rande der Ostalb, über dem Quellgebiet von Jagst jungen Tübinger Poeten gedruckt. Reinhard über- Aussicht auf die Veredelung des ganzen Schicksals der die Konsequenzen der nationalsozialistischen Kunst- und Eger, ragt das Deutschordens-Schloss Kapfen- setzte Elegien des römischen Dichters Tibull in deut- Menschheit.“ politik für die Kunst anhand von zwei Beispielen: der burg massiv und elegant zugleich empor. Diese fes- sche Distichen. An einem schönen Sonntag las er sie In Paris werden einflussreiche Politiker aufmerk- beherzten Rettungsaktion von fast 40 Werken des tungsartige Anlage wird heute als Musikakademie ge- dem zwei Jahre älteren Schiller in Stuttgart vor, und sam auf den revolutionsbegeisterten Schwaben und Münchner Malerpaars Karl Caspar und Maria Caspar- nutzt und bietet ideale Bedingungen als Standquar- der war begeistert. Reinhard träumte vom Dichter- bekommen Einfluss auf Reinhards weiteren Lebens- Filser durch den Ebinger Industriellen und Kunst- tier. ruhm. Nach glänzend bestandenem Examen war er An- lauf. Es sind vor allem der Abbé Sieyès, Verfasser der freund Walther Groz und die Auswirkungen auf das wärter auf das Pfarramt und sah den Weg in eine selbst- Schrift: „Was ist der Dritte Stand?“ und der Diplo- künstlerische Schaffen von Otto Dix, der 1933 aus dem Der 1.Tag, steht unter dem Leitmotiv „Deutscher Or- bestimmte Freiheit offen. Er wurde Vikar bei seinem mat und Außenminister Charles Maurice de Talley- Lehramt an der Dresdner Akademie entlassen, 1934 mit den“ und es werden in einer Rundfahrt weitere Nie- Herausgegeben von der Vater in Balingen. Die Freiheit sah allerdings anders rand. Reinhard wird ein Posten als Gesandtschafts- Ausstellungsverbot belegt und als 'entarteter' Künstler derlassungen besucht: In Westhausen, Lauchheim und Heimatkundlichen Vereinigung aus als er sie erträumt hatte. Allerlei kleine Pflichten fes- sekretär in London angeboten. Die Zusage fällt ihm diffamiert wurde. Zipplingen hat dieser Ritterorden prachtvolle Kirchen Zollernalb selten ihn erneut: Katechismusunterricht, Kranken- nicht leicht, er wägt ab: „Was die Zukunft betrifft, so Beginn 20:00 Uhr: Ort: Albstadt-Ebingen, Städtische und in Unterschneidheim ein Schlösschen hinterlas- besuche, Bibelstunden und hin und wieder eine Pre- ist dieses Angebot gleichbedeutend mit dem Ver- Galerie, Kirchgraben 11, Eintritt frei. Über eine kleine sen. Vorsitzender: digt. Daneben blieb ihm zwar genug freie Zeit zum Karl Friedrich Reinhard zur zicht auf mein Vaterland, um gleichzeitig auf immer Spende werden wir uns freuen. Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, Dichten, was aber fehlte, waren ihm entsprechende Ge- Zeit seiner Heirat mit Chris- Frankreich zu wählen; es bedeutet, den Freuden ei- Der 2.Tag führt zu den Grafen Oettingen. Besichtigt 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 sprächspartner und ihre Anregungen. Briefe konnten tine Reimarus, um 1796. nes ruhigen und unabhängigen Lebens zu entsagen, werden die von ihnen gegründete Frauenzisterze die Freunde nicht ganz ersetzen. In diesen Briefen Gemälde von Jean-Laurent um statt dessen alle Unwägbarkeiten einer großen Re- Kirchheim und das prächtige Schloss Baldern. Gele- Geschäftsführung: schildert Reinhard seine Heimatstadt Balingen als ein Mosnier (1743 - 1806). volution auf sich zu nehmen, die täglich neue Teil- genheit zum Mittagessen besteht in der ehemaligen Erich Mahler, Mörikeweg 6, Zwittergebilde, das alle Nachteile eines Dorfes und ei- revolutionen hervorbringt.“ Der Verzicht auf die ru- Mai 2012 Reichsstadt Nördlingen. Die Fahrt entlang des Nörd- 72379 Hechingen, ner Großstadt in sich vereinige. In seinen Gedichten higen Freuden fällt Reinhard im Augenblick sicher nicht linger Rieses schließt mit einem Abendbummel im ver- Telefon (0 74 71) 1 55 40 schlägt er einen neuen, ironischen Ton an. Da er- so schwer wie der Verzicht aufs Vaterland. träumten Städtchen Öttingen ab. E-Mail: e. [email protected] scheint dann Balingen als ein neues Abderon der An- „Riesenfortschritt in den Fortgängen Dass die Revolution nicht überall sieghaft ist, er- Samstag, 5. Mai 2012: Ortsgang durch Jungingen. tike, von einer Art Schildbürgern bewohnt. Die Ba- des menschlichen Geistes“ fährt Reinhard bald. Nach der Hinrichtung des Kö- Am 3. Tag geht es über das Härtsfeld, dessen Karg- Redaktion: linger Gemeindeglieder reagierten irritiert auf die ar- nigs im Januar 1793 werden die französischen Dip- Dr. Peter lang führt durch den Ort Jungingen an der keit und Schroffheit („hartes Feld“) von besonderem Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, rogant herausfordernde Art des jungen Geistlichen. Die Reinhard nimmt Hauslehrerstellen an, zuerst in der lomaten aus England ausgewiesen. Reinhards nächs- Starzel. Treffpunkt ist um 15:00 Uhr vor dem Museum Reiz ist. Hier ist im Benediktinerkloster Neresheim ei- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 benachbarten Pfarrherren witterten in der Haltung des französischen Schweiz, dann in Bordeaux. Das pä- ter Auftrag in Neapel dauert ebenfalls nur so lange, neben der Kirche. Teilnahme frei. ne Kurzführung und ein Mittagessen im Klosterhospiz jungen Reinhard ketzerische Aufklärung. Ein schar- dagogische Geschäft sagt ihm nicht viel mehr zu als bis sich das Königreich beider Sizilien mit den Eng- Seite 1785 Heimatkundliche Blätter März 2012 März 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1786

dort wochenlang interniert, bis der russische Zar ihn dern nach Paris. Letzte Kämpfe und der Einmarsch der 1829 wird Reinhard von Karl X. aus Frankfurt ab- unter großen Entschuldigungen frei gibt. Körperlich Alliierten am 30. März beenden Reinhards letzte Hoff- berufen. Nach der Revolution von 1830 bestimmt ihn ländern verbündet und die Franzosen fliehen müs- Gehen wir in diesem ereignisreichen Jahr 1799 noch und seelisch erschöpft erreicht die Familie Reinhard nung, der große Napoleon könnte auf seine imperi- der „Bürgerkönig“ Louis Philippe zum provisori- sen. Ganz Europa steht gegen die französische Re- einmal zurück nach Balingen, dann begegnen wir dort im Frühjahr 1807 den Kuraufenthalt in Karlsbad. Dort alistischen Eroberungen verzichten und vernünftigen schen Außenminister und ernennt ihn dann in fester publik. In Paris herrschen die radikalen Jakobiner. dem Schatten des französischen Diplomaten Rein- ereignet sich die schicksalhafte Begegnung mit Jo- Friedensschlüssen zustimmen. Stellung zum verantwortlichen Geschäftsträger des Reinhards Freunde von der Gironde sind verhaftet und hard. Der zweite Koalitionskrieg hatte begonnen. Zu hann Wolfgang von Goethe. Die Neuordnung Europas wird beim Wiener Kon- französischen Königs beim königlich sächsischen Hof zum Tode verurteilt worden. „Die Revolution frisst ih- Ostern bereiteten Österreicher und Russen ihre Kam- gress ausgehandelt. Reinhard hofft, Talleyrand nach und den herzoglich sächsischen Höfen. Die Nähe zu re Kinder“ soll Vergniauds letztes Wort gewesen sein. pagne gegen die in Italien vorgedrungenen Franzo- „Mein eigentliches Vaterland Wien zu begleiten, aber er wird nicht ausgewählt, son- Goethe tröstet, hilft ihm, die große Enttäuschung über Reinhard ist auf ein gleiches Schicksal gefasst, aber zu sen vor. Die französischen Heere rüsteten sich zur Ver- ist Weimar“ dern bleibt als Kanzleidirektor des Außenministeri- den reaktionären Gang der Politik in Frankreich, in seinem Erstaunen bekommt er bei seiner Rückkehr die teidigung. General Vandamme, berühmt als genialer ums in Paris zurück. Dort gibt es viel Arbeit. Der wie- Deutschland und in ganz Europa zu ertragen. Die letz- Leitung der Abteilung „Nordische Länder“ im Au- Feldherr, berüchtigt wegen seiner Brutalitäten und be- Die Freundschaft mit Goethe hat Reinhard für al- dergekehrte Bourbone Ludwig XVIII. ist von einem te Würdigung Reinhards durch sein Adoptivvater- ßenministerium übertragen. Die Angst sitzt ihm im Na- rühmt wegen seiner eleganten Uniformen, bezog mit le erlittenen Strapazen entschädigt. Auch der Wei- Schwarm adliger Postenjäger umgeben. Ihnen ge- land ist die ihm 1832 verliehene Würde eines Pair de cken. Als der Wohlfahrtsausschuss die Entfernung al- seiner Einheit Quartier in Balingen. Er fragte den Amt- marer Dichterfürst befindet sich zum Zeitpunkt der Be- genüber versieht Reinhard sein Amt nach streng mo- France. Als Mitglied der Pairskammer muss er offi- ler Ausländer aus Armee und Verwaltung fordert, ver- mann nach dem Haus des Bürgers Reinhard, wurde gegnung in Karlsbad in einer Lebenskrise durch den ralischen Grundsätzen. Seine Frau hofft, er werde nun ziell als französischer Bürger anerkannt sein. Des- teidigt sich Reinhard: „Geboren in einer kleinen Stadt zum Dekan gewiesen und logierte sich selbst und sei- Tod von Schiller und die Okkupation Weimars durch nach Deutschland ziehen. Aber ehe es dahin kom- halb erhält er nun gegen Ende seines Lebens end- in Württemberg; 1787 nach Frankreich gekommen, um ne Offiziere bei dem Vater des bekannten französi- die Franzosen. Die beiden Männer richten sich an- men könnte, stirbt Christine im Februar 1816. Rein- lich die große Naturalisation. Die mit dem Amt ver- die Erziehung eines jungen Mannes zu vollenden... zum schen Politikers ein. Sehr begeistert kann der alte Rein- einander auf, diskutieren die Farbenlehre, sprechen hard hat nicht viel Zeit zur Trauer. Mit Napoleon keh- bundenen parlamentarischen Aufgaben nimmt er ge- Legationssekretär ernannt zu dem Zeitpunkt, an dem hard nicht gewesen sein, vor seiner Gemeinde als Va- über die neue deutsche Dichtung. Von Politik, von Na- ren 100 Tage lang Unruhe und Chaos nach Paris zu- wissenhaft wahr. die Verfassung von 1791 mich zum französischen Bür- ter eines Kollaborateurs zu erscheinen. Vandamme, so poleon und seinen Siegeszügen kein Wort, von Eu- rück. Erst nach der endgültigen Verbannung des Kai- Hoch geehrt ist der Schwabensohn an Weihnach- ger machte; zweimal von den Tyrannen vertrieben, die berichtet die Familiensaga, sei zufrieden unter Mit- ropa nur in geistigen Metaphern. Die Freundschaft, sers konsolidieren sich die Verhältnisse. Reinhard ist ten 1837 gestorben und auf dem Friedhof Mont- gegen uns Krieg führen; in Deutschland durch kai- nahme des Tafelsilbers weiter gezogen. Immerhin durch regen Briefwechsel untermauert, dauert le- nun von Ludwig VIII. abhängig und dient ihm eben- martre beerdigt worden. Keiner habe die staatsrecht- serliches Edikt geächtet... Der Französischen Revo- musste Balingen nicht ganz so viel Kriegskontributi- benslang, sie ist das innere Gerüst, das Reinhard auf- so loyal wie den früheren Regierungen. Der König dankt lichen Verhältnisse in Europa besser übersehen als er, lution durch alle Gewohnheiten des Herzens und des on zahlen wie etwa Rottenburg oder Tübingen. recht erhält, wenn ihn Wut und Zweifel über Napo- ihm seine Treue durch Erhebung in den Grafen- wird in einem der vielen Nachrufe festgehalten. Geistes verbunden und der Republik durch ihre Wohl- leons diktatorische Selbstherrlichkeit befallen. Schon stand. Lebenslang verstand sich Karl Friedrich Reinhard taten; bereit, mich im Dienst für sie aufzuopfern...“. Kehren wir zurück zum Außenminister Reinhard. ist er entschlossen, der Politik Valet zu sagen und in als Aufklärer. Sein innerer Kompass zeigte die libe- Trotz dieser devoten Geste der Unterwerfung ergeht Seiner einzigen Amtshandlung von Gewicht, der Rück- dem erworbenen Schlösschen Falkenlust im Rhein- Reinhard hat sich für das neue alte Frankreich ent- rale Mitte an. Er kann als ein Urbild des Liberalen gel- ein Haftbefehl gegen Reinhard. Mit knapper Not er- berufung des Generals Bonaparte aus Ägypten, kommt land das beschauliche Leben eines Landmannes zu schieden. Als Gesandter Frankreichs wird er zum Deut- ten, wie es sich erst seit der französischen Revoluti- rettet ihn der Sturz Robespierres am 9. Thermidor 1794. dieser neue Star zuvor, indem er ohne Weisung, ei- führen, da kommt ein Ruf, dem er sich nicht ent- schen Bundestag geschickt, wo er vierzehn Jahre lang on herausbildete. Als Anker jedes Staatswesens er- Nach dem Gemetzel steht ganz Frankreich unter genmächtig in Frankreich landet und wie ein Meteor ziehen kann. „Und führt uns wieder ins bewegte Le- wirkt. Wie immer beobachtet er den Gang der poli- achtete er eine Verfassung auf Grund der Men- Schock, langsam aufatmend kehrt man zur ge- in Paris erscheint. Von der strahlenden Persönlich- ben/des Schicksals Ruf und das Gebot der Pflicht“... tischen Entscheidungen in Europa sehr genau, ver- schenrechte. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, wie wich- wohnten Arbeit zurück, Reinhard zu seinem Schreib- keit des jungen Korsen ist Reinhard ebenso hinge- dichtet er beim Abschied vom Privatleben. fasst präzise Berichte für Paris und formuliert seine tig eine starke Exekutive war, ob Republik oder kons- tisch im Ministerium. Die Regierung des neu ge- rissen wie ganz Paris. Es brodelt in der Stadt. Rein- Karl Friedrich Reinhard wird leitender Minister am Meinung. Von manchen Mitgliedern des Bundestags titutionelle Monarchie. Reinhards Verhältnis zu Na- wählten Direktoriums verspricht den Besitzenden Si- hard ahnt, dass rings um ihn eine Intrige im Gange Hofe des neugeschaffenen Königreichs Westfalen. Zum wird er wegen seines Scharfblicks misstrauisch be- poleon war zunehmend ambivalent geworden. In je- cherheit und Ruhe. Der Bürger Reinhard findet wie- ist. Er fragt Sieyès, was denn los sei. Der antwortet sy- König hat Napoleon seinen jüngsten Bruder Jérome urteilt. Er gewinnt aber auch gleichgesinnte Freun- der Phase seines Lebens hatte er sich gegen kriege- der Verwendung. Am 24. Juni 1795 wird er zum Bot- billinisch: „Sie sind für derartige Intrigen nicht ge- eingesetzt, ihm soll der „Familienminister“ beistehen de. Während der Sitzungsferien reist er mit seinen Kin- risches Vorgehen ausgesprochen und zum Verhand- schafter bei den Hansestädten mit Sitz in Hamburg er- schaffen“. Der fein ausgeklügelte Staatsstreich der 18. und die Regierungsgeschäfte überwachen. Reinhard ist dern durch Frankreich und Deutschland. Den Au- lungsweg geraten. Als Vertreter von Freiheit, Men- nannt. Karl Friedrich Reinhard zur Zeit seiner zweiten Heirat mit Virginie Brumaire 1799 (9. November) vollzieht sich ohne Wis- wieder elektrisiert von Napoleons Genie und von der gust verbringen sie fast regelmäßig in Württemberg, schenrecht und Humanität konnte er unter wech- von Wimpffen, um 1825. Kreidezeichnung von Johann Joseph sen des Außenministers. Das Ergebnis – die Herr- Chance, die sich da bietet: Ein Staat nach den Grund- in Balingen besuchen sie das Grab von Reinhards El- selnden Regierungen – unter Konvent, Direktorium, Schmeller. schaft geht an drei Konsuln – findet Reinhard ak- sätzen von 1789 wird entstehen! Aber was er in Kas- tern. In Straßburg, der deutsch-französischen Stadt, Konsulat, Kaiser- und Königtum – sich selbst treu blei- zeptabel. Ohne Bedauern gibt Reinhard das Außen- sel vorfand, zerstörte diesen Traum: Aus sechserlei ter- studiert der 1802 in Hamburg geborene Sohn Charles. ben. Politischen Nationalismus lehnte er ab, hatte kein „Ein dreifach Vaterland“ ministerium an Talleyrand zurück. Das Wirken in den ritorialen Traditionen war das Staatsgebilde Westfa- Die Reisen dienen auch Reinhards Gesundheit, denn Verständnis für die deutsche Freiheitsbewegung und vermählten zusammen mit Kerner die Stätten von Kulissen der Weltbühne ist ihm gemäßer als der Auf- len zusammengefügt. Der Herrscher verstand kein er leidet häufig an Gicht. 1825 heiratet der 64-jähri- war blind für die Entwicklung der europäischen Na- Hamburg – ein neuer Meilenstein im Leben von Karl Reinhards Kindheit und Jugend. In Balingen lernt tritt auf großer Bühne. Deutsch, war hochgradig verschwendungssüchtig und ge die vierzig Jahre jüngere Freundin seiner Tochter. Al- tionalstaaten. Kultur sollte die Völker Europas ver- Friedrich Reinhard. Zusammen mit seinem Sekretär Christine die Familie ihres Mannes kennen. Es ist die Mit großen Erwartungen wird Reinhard als Ge- unbelehrbar. Napoleon selbst hatte den Bogen über- le Freunde und Verwandten stimmen überein, dass die binden. Zwischen Frankreich, Deutschland und Wei- und Freund Georg Kerner aus Ludwigsburg wird er vom letzte Begegnung mit seinem Vater, zwei Jahre spä- sandter der neu errichteten helvetischen Republik in spannt. Als Geschlagener kehrt er aus Russland zu- heitere und fürsorgliche junge Frau auf den oft de- mar blieb Reinhard Weltbürger. Er hat seine Erin- Rat der Stadt freundlich empfangen. Bei den Bür- ter ist Georg Christoph Reinhard in Balingen ge- der Schweiz empfangen. Das Land ist gespalten zwi- rück. Beim Anrücken der Feinde nach Kassel erklärt pressiven Intellektuellen einen wohltätigen Einfluss nerungen nicht selbst aufgeschrieben, sondern über- gern findet er Anschluss an einen Kreis aufgeklärter, to- storben. Karl ist bei diesem Besuch seltsam berührt. schen den republikanischen Ultras und den Aristo- Reinhard im Spätjahr 1813 seine Mission für been- hat, dabei ihren Platz an seiner Seite offenbar mit Wür- ließ der Nachwelt das Staunen, Urteilen, Würdigen und leranter und freiheitlich-revolutionär gesinnter Men- Er findet in Haus und Stadt alles wieder so vor, wie kraten. Reinhard, zu neutraler Haltung verpflichtet, det und flieht mit seiner Frau und den beiden Kin- de erfüllt und genießt. Nachdenken über seine Person. schen. Die Familien des Arztes Reimarus und des Han- es war, nur er selbst fühlt sich bis zur Fremdheit ver- versucht dennoch die liberalen Elemente beider Sei- delsherrn Sieveking nehmen den humanistisch ge- ändert, hier in Balingen empfindet er sich als Fran- ten zusammenzuführen – und erleidet damit schmerz- bildeten Würdenträger der neuen freien Republik be- zose. Während der Kriegszüge der letzten Zeit hatte Ba- lichen Schiffbruch. Die besten Freunde werfen ihm geistert auf. Am berühmten „Theetisch“ der „Doc- lingen wie die ganze Gegend immer wieder Kontri- Verrat am Geist der Revolution vor. Er wird zurück- Veranstaltung der Heimatkundlichen Vereinigung Zollernalb torin Reimarus“, an dem auch die Tochter Christine butionen zahlen, durchziehende französische Trup- berufen und empfindet den „Fluch der guten Inten- teilnimmt, bespricht man die Entwicklung der Re- pen verpflegen und beherbergen müssen. Da war man tionen“. volution, die Haltung der europäischen Mächte, man nicht gut auf Frankreich zu sprechen. Ein neuer Auftrag führt ihn 1801 zum zweiten Mal liest den Text „Zum ewigen Frieden“ von Immanuel Die Reinhards folgen nun in der Kutsche begeis- nach Hamburg als Bevollmächtigten beim Nieder- Lebensgeschichte berührt viele Menschen Kant, den Reinhard übersetzt und an Sieyès schickt. tert der Route des siegreichen Generals Bonaparte. Dem sächsischen Reichskreis mit Sitz in Hamburg. Dort hat Er fühlt sich verstanden und glücklich bei diesen Men- Herzogtum Toskana, umgeben von neu gegründeten sichinzwischendieStimmungdrastischverändert.Vom Gerd Stiefel liest aus seinem Buch „Stiefels Stein. Ein Frauenschicksal von der Schwäbischen Alb“ schen, deren Anziehungskraft und Beziehungen weit Republiken, soll Neutralität zugesagt werden. Nach der ersten Konsul Napoleon Bonaparte erhoffen sich die über Hamburg hinaus reichen Das Landhaus der Sie- Flucht des Herzogs wird Reinhard ermächtigt, die Zi- Hanseaten nichts Gutes, sie fürchten seinen Erobe- Gerd Stiefel las kürzlich in der Stadtbücherei Ebingen Die beiden Gast- veking empfängt jeden Sonntag bis zu 80 Gäste aus vilverwaltung der Provinz zu leiten. Es ist die Erfül- rungs- und Herrschaftsdrang. Auch dem Gesandten aus seinem Buch „Stiefels Stein. Ein Frauenschicksal geberinnen, die Lei- der Stadt und Durchreisende von überall her. Auch lung seines Traums, eine Musterrepublik zu einzu- dieses neuen Frankreich begegnet der Senat mit Miss- von der Schwäbischen Alb“. terinnen von Stadt- französische Emigranten verkehren hier, denen Rein- richten. Viel Zeit bleibt ihm nicht dazu. Kaum sind die trauen. Sogar durch die einst so freiheitsbeseelte Fa- bücherei und Stadt- hard geflissentlich ausweicht. Hier in Neumühlen wird ersten Freiheitsbäume gepflanzt, die ersten Ord- milie Reimarus geht ein schmerzlicher Riss. Den- Die Lesung war Teil des Veranstaltungsprogramms archiv, Christine im Oktober 1796 die Hochzeit von Karl Reinhard mit nungsmaßnahmen getroffen, als schon die feindli- noch erfüllt der französische Gesandte die Weisun- der „Heimatkundlichen Vereinigung Zollernalb“. Reale Widmann-Simon Christine Reimarus gefeiert. Bei diesem Fest dekla- chen Truppen das französische Militär zurückdrän- gen aus Paris mit gewohnter Zuverlässigkeit. Zu Guns- Personen und Ereignisse sowie fiktive Dialoge ergeben und Dorothea Reu- miert der Bräutigam ein langes Gedicht über seine „drei gen und die französischen Zivilbeamten in die Flucht ten der Hansestädte weist er darauf hin, wie wichtig ih- eine spannende Geschichte, die im Jahr 1893 „auf der ter, ließen es sich am Vaterländer“: Schwaben, Frankreich, Hamburg. Die treiben. Ein amerikanisches Handelsschiff nimmt die re Neutralität für den europäischen Handel sei, dass Küche“, eines zum hohenzollerischen Hermannsdorf Ende der gut orga- schwäbische Heimat habe sein Gewissen geformt und Flüchtlinge in Livorno an Bord. Auf See gibt es Schwie- er auch für die politische Haltung der Großmächte ei- gehörenden Weilers, beginnt. nisierten Veranstal- seinen Charakter gebildet, Frankreich verdanke er die rigkeiten, die Fahrt verzögert sich. Das halbjährige ne Rolle spiele. Reinhards Stellung wird schwierig durch Im Mittelpunkt der Erzählung steht Karoline Stiefel, tung nicht nehmen, Freiheit der Selbstbestimmung und Hamburg preist er Söhnchen der Reinhards erkrankt, stirbt und muss ins den Krieg zwischen England und Frankreich. Er kommt des Autors Urgroßmutter, die nach dem Mord an ih- die Besucher noch zu als Urbild republikanischer Verfassung. Dennoch ist Meer versenkt werden. Das erschütternde Erlebnis be- dem Befehl nach, englische Spione aufzuspüren, in- rem Mann mit zwölf Kindern mittellos zurück bleibt. bewirten. Reinhard sich bewusst, dass seine Eheschließung mit wirkt bei Christine eine Nervenkrankheit, von der sie dem er den englischen Gesandten Sir Rumbold ver- Sie muss den überschuldeten Hof verlassen und sieht ei- Gerd Stiefel ist von einer Deutschen Probleme aufwirft. Vorsorglich teilt sich nie mehr erholt hat. Ihr Ehemann, seit der Flucht dächtigt. Auf die bloßen Mutmaßungen hin lässt Na- ner ungewissen Zukunft entgegen. Auf Betreiben des Beruf Polizist und er seinem Minister die Eheschließung erst in letzter Mi- aus Florenz im Gefühl der Niederlage düster ver- poleon den britischen Geschäftsträger entführen und evangelischen Stadtpfarrers von Haigerloch, der die fast Leiter der Polizeidi- nute fest und setzt geschickt die Akzente: „Eine voll- schlossen, findet keine Weise, die Trauer seiner Frau verhaften. Der neugekrönte Kaiser der Franzosen ist ausgestorbene evangelische Diasporagemeinde von rektion Sigmaringen. ständige Übereinstimmung unserer Grundsätze und zu teilen. vor ganz Europa kompromittiert, zumal dem Eng- Bietenhausen wiederbeleben möchte, findet sie Er hat das Gesche- Meinungen führte mich in die Familie Reimarus. Was Bei der Ankunft in Toulon erfährt Reinhard, das er länder keine verschwörerische Absicht nachzuweisen schließlich dort mit neun ihrer Kinder ein neues Zu- hen ursprünglich für dann meine Wahl entschied, war die Tatsache, dass zum Außenminister der Republik Frankreich ernannt ist. Reinhard muss für den faux pas büßen. Er wird ab- hause. seine beiden Söhne Christine bereits französisch fühlte. Durch die Ver- ist. Seine Freunde und Verwandten gratulieren ihm zu berufen und verharrt ohne weiteren Auftrag als ein in Das Buch ist Kriminalgeschichte, vor allem aber auch recherchiert. „Damit bindung mit einer wertvollen Gefährtin habe ich der dieser Spitzenposition. Reinhard selbst sieht klar: Das Ungnade des Mächtigen Gefallener. Zieht er sich nun ein Stück regionale Alltagsgeschichte der ländlichen Be- diese wissen, woher Republik eine Bürgerin gewonnen.“ Aber so gut sich Amt wurde Talleyrand zu unsicher; er wollte es ger- zurück, entgeht er dem Sog des machtgierigen Kai- völkerung. Das Geschehen spielt sich vor dem Hinter- sie kommen“. Doch Reinhard in Hamburg bewährt hat, wundert sich doch ne abgeben an einen treuen Stellvertreter. Mit si- sers wie Freund Kerner, der sich in Hamburg als Arzt grund scharfer konfessioneller Gegensätze und er- das Buchberührtund niemand, dass er abberufen wird. cherem Griff hatte er Reinhard dazu ausersehen und niedergelassen hat? Es kommt anders. Napoleon schütternder sozialer Verhältnisse ab. bewegt viele Men- Das Direktorium ernennt ihn zum Gesandten am ihn wie eine Schachfigur an exponierte Stelle ge- braucht ihn wieder für eine wichtige Mission. Als Mi- Zwischen den einzelnen Passagen gibt Gerd Stiefel schen. „Stiefels Stein“ erscheint be- Hof des Großherzogs von Toskana. schoben. Reinhard übernimmt das Amt ohne Be- nisterresident in den türkischen Donauprovinzen Mol- immer wieder Anekdoten zur Entstehung des Buches reits in zweiter Auf- geisterung, aber absolut zuverlässig. Auf den Schwa- dau und Walachei soll er dem russischen Einfluss ent- zum Besten und die Zuhörer erhalten zusätzliche Ein- lage. ben kann man sich verlassen. Gewissenhaft pedan- gegenwirken. Nach langer mühsamer Reise hat Rein- drücke zu Personen und Orten des Romans. Die gut be- mw tisch bringt er Ordnung in das von Talleyrand hin- hard in Jassy die Arbeit gerade erst aufgenommen, als suchte Lesung endete mit einer Fragerunde und viele „Von der Adria bis zum Schwarzen Meer“terlassene bürokratische Chaos. Das ist ein großer die Russen dort einrücken. Kosaken entführen Rein- Zuhörer nutzten die Möglichkeit, sich ihr Exemplar mit Im Bild der Autor Dienst, den der Schwabe der französischen Republik hard, seine Familie und das Botschaftspersonal ohne einer persönlichen Widmung des Autors versehen zu Gerd Stiefel. Auf der Reise nach Florenz besuchen die Jung- geleistet hat. Zielangabe weit in die Ukraine hinein und halten ihn lassen. Foto: Gudrun Stoll Seite 1785 Heimatkundliche Blätter März 2012 März 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1786

dort wochenlang interniert, bis der russische Zar ihn dern nach Paris. Letzte Kämpfe und der Einmarsch der 1829 wird Reinhard von Karl X. aus Frankfurt ab- unter großen Entschuldigungen frei gibt. Körperlich Alliierten am 30. März beenden Reinhards letzte Hoff- berufen. Nach der Revolution von 1830 bestimmt ihn ländern verbündet und die Franzosen fliehen müs- Gehen wir in diesem ereignisreichen Jahr 1799 noch und seelisch erschöpft erreicht die Familie Reinhard nung, der große Napoleon könnte auf seine imperi- der „Bürgerkönig“ Louis Philippe zum provisori- sen. Ganz Europa steht gegen die französische Re- einmal zurück nach Balingen, dann begegnen wir dort im Frühjahr 1807 den Kuraufenthalt in Karlsbad. Dort alistischen Eroberungen verzichten und vernünftigen schen Außenminister und ernennt ihn dann in fester publik. In Paris herrschen die radikalen Jakobiner. dem Schatten des französischen Diplomaten Rein- ereignet sich die schicksalhafte Begegnung mit Jo- Friedensschlüssen zustimmen. Stellung zum verantwortlichen Geschäftsträger des Reinhards Freunde von der Gironde sind verhaftet und hard. Der zweite Koalitionskrieg hatte begonnen. Zu hann Wolfgang von Goethe. Die Neuordnung Europas wird beim Wiener Kon- französischen Königs beim königlich sächsischen Hof zum Tode verurteilt worden. „Die Revolution frisst ih- Ostern bereiteten Österreicher und Russen ihre Kam- gress ausgehandelt. Reinhard hofft, Talleyrand nach und den herzoglich sächsischen Höfen. Die Nähe zu re Kinder“ soll Vergniauds letztes Wort gewesen sein. pagne gegen die in Italien vorgedrungenen Franzo- „Mein eigentliches Vaterland Wien zu begleiten, aber er wird nicht ausgewählt, son- Goethe tröstet, hilft ihm, die große Enttäuschung über Reinhard ist auf ein gleiches Schicksal gefasst, aber zu sen vor. Die französischen Heere rüsteten sich zur Ver- ist Weimar“ dern bleibt als Kanzleidirektor des Außenministeri- den reaktionären Gang der Politik in Frankreich, in seinem Erstaunen bekommt er bei seiner Rückkehr die teidigung. General Vandamme, berühmt als genialer ums in Paris zurück. Dort gibt es viel Arbeit. Der wie- Deutschland und in ganz Europa zu ertragen. Die letz- Leitung der Abteilung „Nordische Länder“ im Au- Feldherr, berüchtigt wegen seiner Brutalitäten und be- Die Freundschaft mit Goethe hat Reinhard für al- dergekehrte Bourbone Ludwig XVIII. ist von einem te Würdigung Reinhards durch sein Adoptivvater- ßenministerium übertragen. Die Angst sitzt ihm im Na- rühmt wegen seiner eleganten Uniformen, bezog mit le erlittenen Strapazen entschädigt. Auch der Wei- Schwarm adliger Postenjäger umgeben. Ihnen ge- land ist die ihm 1832 verliehene Würde eines Pair de cken. Als der Wohlfahrtsausschuss die Entfernung al- seiner Einheit Quartier in Balingen. Er fragte den Amt- marer Dichterfürst befindet sich zum Zeitpunkt der Be- genüber versieht Reinhard sein Amt nach streng mo- France. Als Mitglied der Pairskammer muss er offi- ler Ausländer aus Armee und Verwaltung fordert, ver- mann nach dem Haus des Bürgers Reinhard, wurde gegnung in Karlsbad in einer Lebenskrise durch den ralischen Grundsätzen. Seine Frau hofft, er werde nun ziell als französischer Bürger anerkannt sein. Des- teidigt sich Reinhard: „Geboren in einer kleinen Stadt zum Dekan gewiesen und logierte sich selbst und sei- Tod von Schiller und die Okkupation Weimars durch nach Deutschland ziehen. Aber ehe es dahin kom- halb erhält er nun gegen Ende seines Lebens end- in Württemberg; 1787 nach Frankreich gekommen, um ne Offiziere bei dem Vater des bekannten französi- die Franzosen. Die beiden Männer richten sich an- men könnte, stirbt Christine im Februar 1816. Rein- lich die große Naturalisation. Die mit dem Amt ver- die Erziehung eines jungen Mannes zu vollenden... zum schen Politikers ein. Sehr begeistert kann der alte Rein- einander auf, diskutieren die Farbenlehre, sprechen hard hat nicht viel Zeit zur Trauer. Mit Napoleon keh- bundenen parlamentarischen Aufgaben nimmt er ge- Legationssekretär ernannt zu dem Zeitpunkt, an dem hard nicht gewesen sein, vor seiner Gemeinde als Va- über die neue deutsche Dichtung. Von Politik, von Na- ren 100 Tage lang Unruhe und Chaos nach Paris zu- wissenhaft wahr. die Verfassung von 1791 mich zum französischen Bür- ter eines Kollaborateurs zu erscheinen. Vandamme, so poleon und seinen Siegeszügen kein Wort, von Eu- rück. Erst nach der endgültigen Verbannung des Kai- Hoch geehrt ist der Schwabensohn an Weihnach- ger machte; zweimal von den Tyrannen vertrieben, die berichtet die Familiensaga, sei zufrieden unter Mit- ropa nur in geistigen Metaphern. Die Freundschaft, sers konsolidieren sich die Verhältnisse. Reinhard ist ten 1837 gestorben und auf dem Friedhof Mont- gegen uns Krieg führen; in Deutschland durch kai- nahme des Tafelsilbers weiter gezogen. Immerhin durch regen Briefwechsel untermauert, dauert le- nun von Ludwig VIII. abhängig und dient ihm eben- martre beerdigt worden. Keiner habe die staatsrecht- serliches Edikt geächtet... Der Französischen Revo- musste Balingen nicht ganz so viel Kriegskontributi- benslang, sie ist das innere Gerüst, das Reinhard auf- so loyal wie den früheren Regierungen. Der König dankt lichen Verhältnisse in Europa besser übersehen als er, lution durch alle Gewohnheiten des Herzens und des on zahlen wie etwa Rottenburg oder Tübingen. recht erhält, wenn ihn Wut und Zweifel über Napo- ihm seine Treue durch Erhebung in den Grafen- wird in einem der vielen Nachrufe festgehalten. Geistes verbunden und der Republik durch ihre Wohl- leons diktatorische Selbstherrlichkeit befallen. Schon stand. Lebenslang verstand sich Karl Friedrich Reinhard taten; bereit, mich im Dienst für sie aufzuopfern...“. Kehren wir zurück zum Außenminister Reinhard. ist er entschlossen, der Politik Valet zu sagen und in als Aufklärer. Sein innerer Kompass zeigte die libe- Trotz dieser devoten Geste der Unterwerfung ergeht Seiner einzigen Amtshandlung von Gewicht, der Rück- dem erworbenen Schlösschen Falkenlust im Rhein- Reinhard hat sich für das neue alte Frankreich ent- rale Mitte an. Er kann als ein Urbild des Liberalen gel- ein Haftbefehl gegen Reinhard. Mit knapper Not er- berufung des Generals Bonaparte aus Ägypten, kommt land das beschauliche Leben eines Landmannes zu schieden. Als Gesandter Frankreichs wird er zum Deut- ten, wie es sich erst seit der französischen Revoluti- rettet ihn der Sturz Robespierres am 9. Thermidor 1794. dieser neue Star zuvor, indem er ohne Weisung, ei- führen, da kommt ein Ruf, dem er sich nicht ent- schen Bundestag geschickt, wo er vierzehn Jahre lang on herausbildete. Als Anker jedes Staatswesens er- Nach dem Gemetzel steht ganz Frankreich unter genmächtig in Frankreich landet und wie ein Meteor ziehen kann. „Und führt uns wieder ins bewegte Le- wirkt. Wie immer beobachtet er den Gang der poli- achtete er eine Verfassung auf Grund der Men- Schock, langsam aufatmend kehrt man zur ge- in Paris erscheint. Von der strahlenden Persönlich- ben/des Schicksals Ruf und das Gebot der Pflicht“... tischen Entscheidungen in Europa sehr genau, ver- schenrechte. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, wie wich- wohnten Arbeit zurück, Reinhard zu seinem Schreib- keit des jungen Korsen ist Reinhard ebenso hinge- dichtet er beim Abschied vom Privatleben. fasst präzise Berichte für Paris und formuliert seine tig eine starke Exekutive war, ob Republik oder kons- tisch im Ministerium. Die Regierung des neu ge- rissen wie ganz Paris. Es brodelt in der Stadt. Rein- Karl Friedrich Reinhard wird leitender Minister am Meinung. Von manchen Mitgliedern des Bundestags titutionelle Monarchie. Reinhards Verhältnis zu Na- wählten Direktoriums verspricht den Besitzenden Si- hard ahnt, dass rings um ihn eine Intrige im Gange Hofe des neugeschaffenen Königreichs Westfalen. Zum wird er wegen seines Scharfblicks misstrauisch be- poleon war zunehmend ambivalent geworden. In je- cherheit und Ruhe. Der Bürger Reinhard findet wie- ist. Er fragt Sieyès, was denn los sei. Der antwortet sy- König hat Napoleon seinen jüngsten Bruder Jérome urteilt. Er gewinnt aber auch gleichgesinnte Freun- der Phase seines Lebens hatte er sich gegen kriege- der Verwendung. Am 24. Juni 1795 wird er zum Bot- billinisch: „Sie sind für derartige Intrigen nicht ge- eingesetzt, ihm soll der „Familienminister“ beistehen de. Während der Sitzungsferien reist er mit seinen Kin- risches Vorgehen ausgesprochen und zum Verhand- schafter bei den Hansestädten mit Sitz in Hamburg er- schaffen“. Der fein ausgeklügelte Staatsstreich der 18. und die Regierungsgeschäfte überwachen. Reinhard ist dern durch Frankreich und Deutschland. Den Au- lungsweg geraten. Als Vertreter von Freiheit, Men- nannt. Karl Friedrich Reinhard zur Zeit seiner zweiten Heirat mit Virginie Brumaire 1799 (9. November) vollzieht sich ohne Wis- wieder elektrisiert von Napoleons Genie und von der gust verbringen sie fast regelmäßig in Württemberg, schenrecht und Humanität konnte er unter wech- von Wimpffen, um 1825. Kreidezeichnung von Johann Joseph sen des Außenministers. Das Ergebnis – die Herr- Chance, die sich da bietet: Ein Staat nach den Grund- in Balingen besuchen sie das Grab von Reinhards El- selnden Regierungen – unter Konvent, Direktorium, Schmeller. schaft geht an drei Konsuln – findet Reinhard ak- sätzen von 1789 wird entstehen! Aber was er in Kas- tern. In Straßburg, der deutsch-französischen Stadt, Konsulat, Kaiser- und Königtum – sich selbst treu blei- zeptabel. Ohne Bedauern gibt Reinhard das Außen- sel vorfand, zerstörte diesen Traum: Aus sechserlei ter- studiert der 1802 in Hamburg geborene Sohn Charles. ben. Politischen Nationalismus lehnte er ab, hatte kein „Ein dreifach Vaterland“ ministerium an Talleyrand zurück. Das Wirken in den ritorialen Traditionen war das Staatsgebilde Westfa- Die Reisen dienen auch Reinhards Gesundheit, denn Verständnis für die deutsche Freiheitsbewegung und vermählten zusammen mit Kerner die Stätten von Kulissen der Weltbühne ist ihm gemäßer als der Auf- len zusammengefügt. Der Herrscher verstand kein er leidet häufig an Gicht. 1825 heiratet der 64-jähri- war blind für die Entwicklung der europäischen Na- Hamburg – ein neuer Meilenstein im Leben von Karl Reinhards Kindheit und Jugend. In Balingen lernt tritt auf großer Bühne. Deutsch, war hochgradig verschwendungssüchtig und ge die vierzig Jahre jüngere Freundin seiner Tochter. Al- tionalstaaten. Kultur sollte die Völker Europas ver- Friedrich Reinhard. Zusammen mit seinem Sekretär Christine die Familie ihres Mannes kennen. Es ist die Mit großen Erwartungen wird Reinhard als Ge- unbelehrbar. Napoleon selbst hatte den Bogen über- le Freunde und Verwandten stimmen überein, dass die binden. Zwischen Frankreich, Deutschland und Wei- und Freund Georg Kerner aus Ludwigsburg wird er vom letzte Begegnung mit seinem Vater, zwei Jahre spä- sandter der neu errichteten helvetischen Republik in spannt. Als Geschlagener kehrt er aus Russland zu- heitere und fürsorgliche junge Frau auf den oft de- mar blieb Reinhard Weltbürger. Er hat seine Erin- Rat der Stadt freundlich empfangen. Bei den Bür- ter ist Georg Christoph Reinhard in Balingen ge- der Schweiz empfangen. Das Land ist gespalten zwi- rück. Beim Anrücken der Feinde nach Kassel erklärt pressiven Intellektuellen einen wohltätigen Einfluss nerungen nicht selbst aufgeschrieben, sondern über- gern findet er Anschluss an einen Kreis aufgeklärter, to- storben. Karl ist bei diesem Besuch seltsam berührt. schen den republikanischen Ultras und den Aristo- Reinhard im Spätjahr 1813 seine Mission für been- hat, dabei ihren Platz an seiner Seite offenbar mit Wür- ließ der Nachwelt das Staunen, Urteilen, Würdigen und leranter und freiheitlich-revolutionär gesinnter Men- Er findet in Haus und Stadt alles wieder so vor, wie kraten. Reinhard, zu neutraler Haltung verpflichtet, det und flieht mit seiner Frau und den beiden Kin- de erfüllt und genießt. Nachdenken über seine Person. schen. Die Familien des Arztes Reimarus und des Han- es war, nur er selbst fühlt sich bis zur Fremdheit ver- versucht dennoch die liberalen Elemente beider Sei- delsherrn Sieveking nehmen den humanistisch ge- ändert, hier in Balingen empfindet er sich als Fran- ten zusammenzuführen – und erleidet damit schmerz- bildeten Würdenträger der neuen freien Republik be- zose. Während der Kriegszüge der letzten Zeit hatte Ba- lichen Schiffbruch. Die besten Freunde werfen ihm geistert auf. Am berühmten „Theetisch“ der „Doc- lingen wie die ganze Gegend immer wieder Kontri- Verrat am Geist der Revolution vor. Er wird zurück- Veranstaltung der Heimatkundlichen Vereinigung Zollernalb torin Reimarus“, an dem auch die Tochter Christine butionen zahlen, durchziehende französische Trup- berufen und empfindet den „Fluch der guten Inten- teilnimmt, bespricht man die Entwicklung der Re- pen verpflegen und beherbergen müssen. Da war man tionen“. volution, die Haltung der europäischen Mächte, man nicht gut auf Frankreich zu sprechen. Ein neuer Auftrag führt ihn 1801 zum zweiten Mal liest den Text „Zum ewigen Frieden“ von Immanuel Die Reinhards folgen nun in der Kutsche begeis- nach Hamburg als Bevollmächtigten beim Nieder- Lebensgeschichte berührt viele Menschen Kant, den Reinhard übersetzt und an Sieyès schickt. tert der Route des siegreichen Generals Bonaparte. Dem sächsischen Reichskreis mit Sitz in Hamburg. Dort hat Er fühlt sich verstanden und glücklich bei diesen Men- Herzogtum Toskana, umgeben von neu gegründeten sichinzwischendieStimmungdrastischverändert.Vom Gerd Stiefel liest aus seinem Buch „Stiefels Stein. Ein Frauenschicksal von der Schwäbischen Alb“ schen, deren Anziehungskraft und Beziehungen weit Republiken, soll Neutralität zugesagt werden. Nach der ersten Konsul Napoleon Bonaparte erhoffen sich die über Hamburg hinaus reichen Das Landhaus der Sie- Flucht des Herzogs wird Reinhard ermächtigt, die Zi- Hanseaten nichts Gutes, sie fürchten seinen Erobe- Gerd Stiefel las kürzlich in der Stadtbücherei Ebingen Die beiden Gast- veking empfängt jeden Sonntag bis zu 80 Gäste aus vilverwaltung der Provinz zu leiten. Es ist die Erfül- rungs- und Herrschaftsdrang. Auch dem Gesandten aus seinem Buch „Stiefels Stein. Ein Frauenschicksal geberinnen, die Lei- der Stadt und Durchreisende von überall her. Auch lung seines Traums, eine Musterrepublik zu einzu- dieses neuen Frankreich begegnet der Senat mit Miss- von der Schwäbischen Alb“. terinnen von Stadt- französische Emigranten verkehren hier, denen Rein- richten. Viel Zeit bleibt ihm nicht dazu. Kaum sind die trauen. Sogar durch die einst so freiheitsbeseelte Fa- bücherei und Stadt- hard geflissentlich ausweicht. Hier in Neumühlen wird ersten Freiheitsbäume gepflanzt, die ersten Ord- milie Reimarus geht ein schmerzlicher Riss. Den- Die Lesung war Teil des Veranstaltungsprogramms archiv, Christine im Oktober 1796 die Hochzeit von Karl Reinhard mit nungsmaßnahmen getroffen, als schon die feindli- noch erfüllt der französische Gesandte die Weisun- der „Heimatkundlichen Vereinigung Zollernalb“. Reale Widmann-Simon Christine Reimarus gefeiert. Bei diesem Fest dekla- chen Truppen das französische Militär zurückdrän- gen aus Paris mit gewohnter Zuverlässigkeit. Zu Guns- Personen und Ereignisse sowie fiktive Dialoge ergeben und Dorothea Reu- miert der Bräutigam ein langes Gedicht über seine „drei gen und die französischen Zivilbeamten in die Flucht ten der Hansestädte weist er darauf hin, wie wichtig ih- eine spannende Geschichte, die im Jahr 1893 „auf der ter, ließen es sich am Vaterländer“: Schwaben, Frankreich, Hamburg. Die treiben. Ein amerikanisches Handelsschiff nimmt die re Neutralität für den europäischen Handel sei, dass Küche“, eines zum hohenzollerischen Hermannsdorf Ende der gut orga- schwäbische Heimat habe sein Gewissen geformt und Flüchtlinge in Livorno an Bord. Auf See gibt es Schwie- er auch für die politische Haltung der Großmächte ei- gehörenden Weilers, beginnt. nisierten Veranstal- seinen Charakter gebildet, Frankreich verdanke er die rigkeiten, die Fahrt verzögert sich. Das halbjährige ne Rolle spiele. Reinhards Stellung wird schwierig durch Im Mittelpunkt der Erzählung steht Karoline Stiefel, tung nicht nehmen, Freiheit der Selbstbestimmung und Hamburg preist er Söhnchen der Reinhards erkrankt, stirbt und muss ins den Krieg zwischen England und Frankreich. Er kommt des Autors Urgroßmutter, die nach dem Mord an ih- die Besucher noch zu als Urbild republikanischer Verfassung. Dennoch ist Meer versenkt werden. Das erschütternde Erlebnis be- dem Befehl nach, englische Spione aufzuspüren, in- rem Mann mit zwölf Kindern mittellos zurück bleibt. bewirten. Reinhard sich bewusst, dass seine Eheschließung mit wirkt bei Christine eine Nervenkrankheit, von der sie dem er den englischen Gesandten Sir Rumbold ver- Sie muss den überschuldeten Hof verlassen und sieht ei- Gerd Stiefel ist von einer Deutschen Probleme aufwirft. Vorsorglich teilt sich nie mehr erholt hat. Ihr Ehemann, seit der Flucht dächtigt. Auf die bloßen Mutmaßungen hin lässt Na- ner ungewissen Zukunft entgegen. Auf Betreiben des Beruf Polizist und er seinem Minister die Eheschließung erst in letzter Mi- aus Florenz im Gefühl der Niederlage düster ver- poleon den britischen Geschäftsträger entführen und evangelischen Stadtpfarrers von Haigerloch, der die fast Leiter der Polizeidi- nute fest und setzt geschickt die Akzente: „Eine voll- schlossen, findet keine Weise, die Trauer seiner Frau verhaften. Der neugekrönte Kaiser der Franzosen ist ausgestorbene evangelische Diasporagemeinde von rektion Sigmaringen. ständige Übereinstimmung unserer Grundsätze und zu teilen. vor ganz Europa kompromittiert, zumal dem Eng- Bietenhausen wiederbeleben möchte, findet sie Er hat das Gesche- Meinungen führte mich in die Familie Reimarus. Was Bei der Ankunft in Toulon erfährt Reinhard, das er länder keine verschwörerische Absicht nachzuweisen schließlich dort mit neun ihrer Kinder ein neues Zu- hen ursprünglich für dann meine Wahl entschied, war die Tatsache, dass zum Außenminister der Republik Frankreich ernannt ist. Reinhard muss für den faux pas büßen. Er wird ab- hause. seine beiden Söhne Christine bereits französisch fühlte. Durch die Ver- ist. Seine Freunde und Verwandten gratulieren ihm zu berufen und verharrt ohne weiteren Auftrag als ein in Das Buch ist Kriminalgeschichte, vor allem aber auch recherchiert. „Damit bindung mit einer wertvollen Gefährtin habe ich der dieser Spitzenposition. Reinhard selbst sieht klar: Das Ungnade des Mächtigen Gefallener. Zieht er sich nun ein Stück regionale Alltagsgeschichte der ländlichen Be- diese wissen, woher Republik eine Bürgerin gewonnen.“ Aber so gut sich Amt wurde Talleyrand zu unsicher; er wollte es ger- zurück, entgeht er dem Sog des machtgierigen Kai- völkerung. Das Geschehen spielt sich vor dem Hinter- sie kommen“. Doch Reinhard in Hamburg bewährt hat, wundert sich doch ne abgeben an einen treuen Stellvertreter. Mit si- sers wie Freund Kerner, der sich in Hamburg als Arzt grund scharfer konfessioneller Gegensätze und er- das Buchberührtund niemand, dass er abberufen wird. cherem Griff hatte er Reinhard dazu ausersehen und niedergelassen hat? Es kommt anders. Napoleon schütternder sozialer Verhältnisse ab. bewegt viele Men- Das Direktorium ernennt ihn zum Gesandten am ihn wie eine Schachfigur an exponierte Stelle ge- braucht ihn wieder für eine wichtige Mission. Als Mi- Zwischen den einzelnen Passagen gibt Gerd Stiefel schen. „Stiefels Stein“ erscheint be- Hof des Großherzogs von Toskana. schoben. Reinhard übernimmt das Amt ohne Be- nisterresident in den türkischen Donauprovinzen Mol- immer wieder Anekdoten zur Entstehung des Buches reits in zweiter Auf- geisterung, aber absolut zuverlässig. Auf den Schwa- dau und Walachei soll er dem russischen Einfluss ent- zum Besten und die Zuhörer erhalten zusätzliche Ein- lage. ben kann man sich verlassen. Gewissenhaft pedan- gegenwirken. Nach langer mühsamer Reise hat Rein- drücke zu Personen und Orten des Romans. Die gut be- mw tisch bringt er Ordnung in das von Talleyrand hin- hard in Jassy die Arbeit gerade erst aufgenommen, als suchte Lesung endete mit einer Fragerunde und viele „Von der Adria bis zum Schwarzen Meer“terlassene bürokratische Chaos. Das ist ein großer die Russen dort einrücken. Kosaken entführen Rein- Zuhörer nutzten die Möglichkeit, sich ihr Exemplar mit Im Bild der Autor Dienst, den der Schwabe der französischen Republik hard, seine Familie und das Botschaftspersonal ohne einer persönlichen Widmung des Autors versehen zu Gerd Stiefel. Auf der Reise nach Florenz besuchen die Jung- geleistet hat. Zielangabe weit in die Ukraine hinein und halten ihn lassen. Foto: Gudrun Stoll Seite 1787 Heimatkundliche Blätter März 2012 Termine und Exkursionen

April 2012 Montag, 7. Mai 2012: Eisenbahnerlebnistag mit der vorgesehen. Zum Härtsfeld gehören auch die impo- Landesbahn durch hohenzollerische Stammlande. sante Burg Katzenstein und das Schloss Taxis bei Di- schingen, das als Sommerresidenz in Besitz der Adels- Albrecht Dorow ist ‚Zugbegleiter‘ bei der Rundfahrt mit familie von Thurn und Taxis ist. An der Rückfahrt- Mittwoch, 14. April 2012: Werksbesichtigung der Fir- der Landesbahn von Ebingen (ab 7.03) über Balingen strecke liegt Machtolsheim mit der schönsten evan- ma IDEAL Krug & Priester. (ab 7.34) und Hechingen (Abfahrt 8.03) in die hohen- gelischen Barockkirche Baden-Württembergs. zollerischen Stammlande über die Europäische Was- Anmeldungen zu den Exkursionen, auch Anfragen Herr Dr. Walther wird uns auf Einladung der Ge- serscheide bei Burladingen durch Killer-, Starzel- Feh- bei: Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 Hechingen, Tel.: Jahrgang 59 31. März 2012 Nr. 3 schäftsführung der Krug & Priester GmbH & Co. KG la-, Lauchert- Donau- und Schmeiental. Die Fahrt wird 07471/155 40 – Fax: 07471/12283, oder per E-Mail über: durch das Werk in der Simon-Schweitzer-Str. 34 in Ba- jeweils unterbrochen um das Deutsche Peitschen- [email protected] lingen führen. Die Firma Krug & Priester, die letztes museums in Killer zu besichtigen, sowie die Bahnbe- Jahr ihr 60-jähriges Jubiläum feierte, produziert am triebswerkstätte der Hohenzollerischen Landesbahn in Standort Balingen mit derzeit 360 Beschäftigten Ak- Gammertingen, und das Wasserwerk (Gallus-Quelle) tenvernichter und Papierschneidemaschinen der Mar- in Hermentingen. In Sigmaringen geht es durch den Stammtische Schwabe, Franzose, Europäer ken EBA und IDEAL, die weltweit exportiert werden. Fürstengarten zur Josefskirche mit schöner Aussicht Krug & Priester genießt in der Branche einen hervor- über die Stadt. Rückkehr: Albstadt an 20.30, Balingen Jeweils am 1. Mittwoch eines Monats trifft sich unter ragenden Ruf als Marktführer von hochwertigen, nach- an 20.26, Hechingen an 20.38. (Teilnahme: 30 Euro). der Ebinger Stammtische unter der Leitung von Dr. Pe- Der Diplomat Karl Friedrich Reinhard (1761 - 1837) - Von Dr. Ingeborg Grolle haltig produzierten Produkten „Made in Germany“. Da ter Th. Lang im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 letztes Jahr nicht alle Interessenten zum Zuge kamen, Albst.-Ebingen: Telefon 07431 / 4188. „Ich fange nun selbst an zu glauben, dass die Be- fer Angriff gegen die Enge des Tübinger Stifts, die- das theologische. Die Schönheit der Schweiz sättigt wiederholen wir die Werksbesichtigung. Die Teilneh- Samstag, 19. Mai 2012: 3. Kunst- und Geschichts- schreibung meines Lebens interessant werden könn- sen Stolz des Schwabenlandes, erregte Ärger in höchs- nicht seinen geistigen Hunger und in Bordeaux be- merzahl ist wieder auf 30 Personen begrenzt, eine früh- wanderung „Auf dem Panoramaweg rund um From- te.“ (Reinhard an Goethe, 11. Juli 1814) ten Kirchenkreisen. In dem anonymen Autor des Ar- gegnetervielabstoßendseelenlosemReichtum.Erfühlt zeitige Anmeldung ist erbeten. Treffpunkt ist um 13:00 mern und Weilstetten“. tikels war Karl Reinhard leicht zu erkennen. Der Va- sich isoliert, schwunglos, ausgebrannt. Aber da liegt et- Uhr an der oben angeführten Anschrift. Teilnahme frei; Interessant war das Leben des schwäbischen Pfar- ter Reinhard ist enttäuscht. Er wirft seinem Sohn Über- was in der Luft, das seinen Missmut vertreibt, ihn er- (Kleiner Obolus für soziale Projekte die K & P unter- Auf einem von Dr. Ingrid Helber ausgearbeiteten „Pa- rerssohnes Karl Friedrich Reinhard gewiss, oft auch tur- heblichkeit und Laschheit vor. Der Sohn seinerseits hat regt und mitreißt. Seit der Einberufung der Gene- stützten). noramaweg“ geht es rund um Frommern und Weil- bulent, gefährlich und angefochten. Dass er einmal ein sich innerlich längst losgesagt von dem Glauben, den ralstände 1787 hofft er, dass die Gedanken der Auf- stetten. Die Veranstaltung beginnt um 9.30 Uhr am TSV berühmter Diplomat werden würde, hätte dem er predigen soll. Beide haben ein schlechtes Gewis- klärung politisch so verwirklicht werden, wie Jean Sportheim in Balingen Frommern, Zeitentalstraße. Ne- schüchternen Jungen niemand vorhergesagt. Am 2. Ok- sen, wollen den anderen nicht verletzen und tun es Jacques Rousseau es im „Contrat Social“ entworfen hat. Dienstag, 24. April 2012: Erinnerungstafeln zum ben herrlichen Ausblicken wird die Exkursionsleiterin tober 1761 ist Karl Friedrich in Schorndorf als erstes doch ständig. Die ganze Familie leidet unter den Aus- Im März 1789 schreibt er an Freund Stäudlin: „Wenn Russlandfeldzug 1812 um Rottenburg, Schloss Wa- auch interessante Informationen und Forschungser- Kind seiner Eltern geboren. Dreizehn Geschwister folg- einandersetzungen. Alle empfinden es wie eine Er- Frankreich eine neue Konstitution bekommt, dann chendorf. gebnisse bieten. Am Wanderweg liegen verschiedene ten im Lauf der Zeit. Der Lebensweg des ältesten Soh- lösung, als der Vikar den Kirchendienst quittiert und hätten zum ersten Mal Federn eine Revolution her- Einkehrmöglichkeiten. Sollten sich bei dem einen oder nes war vorgezeichnet: Eine liebevolle, strenge häus- im Frühjahr 1786 Balingen den Rücken kehrt. Fast drei vorgebracht!“ Mit gespannter Aufmerksamkeit ver- Vor 200 Jahren (1812) zog die Große Armee Napole- anderen Teilnehmer „Gehbeschwerlichkeiten“ ein- liche Disziplin, eine Schule mit viel Latein und Grie- Jahre lang hat er versucht, sich in die vorgeschrie- folgt er die Vorgänge in Paris, die Verfassunggeben- ons nach Russland. Darunter auch Soldaten aus Würt- stellen, ist für einen Rücktransport zum Ausgangs- chisch, freier Auslauf in den Remswiesen. Weil er bene Berufslaufbahn zu fügen. Seinen Eltern und Ge- de Versammlung, die Erklärung der Menschenrech- temberg, von denen rund 95% nicht mehr zurück- punkt gesorgt, der ansonsten spätestens um 17 Uhr er- selbstverständlich Pfarrer werden sollte wie der Va- schwistern bleibt er weiter verbunden. Als seine Mut- te. Im April 1790 wird er Mitglied der „Gesellschaft der kehrten. Dieses traurige Jubiläum nimmt Wolfgang reicht wird. Bei schlechtem Wetter kann eine Abkür- ter, kam der dreizehnjährige Karl ins Seminar nach ter am Ende des Jahres bei der Geburt ihres vier- Verfassungsfreunde“ in Bordeaux. Hier findet er wah- Willig zum Anlass für den Besuch von Dörfern rund zung erfolgen. Bitte gute Wanderschuhe und –klei- Denkendorf. Das bedeutete eine Klosterklausur här- zehnten Kindes stirbt, ist Karl Friedrich Reinhard tief re Freunde und wird von ihnen anerkannt. Mit ih- um die Stadt Rottenburg, in denen künstlerisch ge- dung entsprechend der Witterung anziehen! Die Wege tester protestantischer Prägung, schwarze Kutten, un- erschüttert, er verfasst ein er- nen zusammen schwört er, frei zu leben oder zu ster- staltete Gedenktafeln zum Russlandfeldzug hängen. in Halbhöhenlage sind vorwiegend eben, leicht an- endlicher Paukstoff, magere Ernährung, Freiheits- greifendes Gedicht „Am ben. Von diesem Augenblick an, so sein persönlicher Insgesamt 13 derartige hölzerne Tafeln mit den Na- steigend, aber nicht immer befestigt (keine Traufgän- entzug. 1775 wurde Karls Vater als Dekan nach Ba- Sterbebett der Mut- Schwur, betrachtet er sich als Franzose. Ein unge- men der Gefallenen blieben erhalten. Eine davon hängt ge). Es wird keine Teilnahmegebühr erhoben. lingen versetzt. Dort wird der Seminarist seine Schul- ter“. heuer mutiges Bekenntnis des Schwaben. in der Wurmlinger Kapelle, weshalb ein Spaziergang ferien verbracht und dabei die Schönheit der Schwä- Im Herbst 1791 begleitet Reinhard seine zur Ge- zu diesem herrlich gelegenen Kultort führt. Eine an- bischen Alb und ein besonderes Heimatgefühl ken- setzgebenden Versammlung gewählten Freunde Verg- dere Tafel hängt in der Hemmendorfer Kirche, die ne- Donnerstag, 24. Mai 2012: Hinweis auf die Ausstel- nen gelernt haben. Den letzten Schuljahren in Maul- niaud und Ducos nach Paris. Gemeinsam verfolgen sie ben dem dortigen Schlösschen des Malteserordens lungseröffnung und Vortrag über Georg Elser und das bronn folgte ein Theologiestudium am traditions- den Fortgang der Revolution und entwerfen Reden. steht. Da eine weitere Tafel im Wachendorfer Schloss Attentat vom 8. November 1939. reichen Tübinger Stift. Außer in den theologischen Fä- Reinhard schickt Berichte über das Geschehen an sei- untergebracht ist, wird deren Besichtigung mit einer chern konnte Karl hier auch Kenntnisse in Natur- ne Freunde in Deutschland, wo sie in der „Minerva“ Führung durch Schloss Wachendorf verbunden, wozu Beginn: 19.30 Uhr Balingen im Landratsamt Zollern- wissenschaft und Sprachen wie Arabisch und Fran- von Archenholz erscheinen. Umgekehrt sorgt er da- sich Freiherr von Ow bereit erklärt hat. Die Exkursion albkreis. Eintritt frei. zösisch erwerben. Aber die Studierenden waren an die- für, dass im Pariser „Moniteur“ Meinungen deut- mit dem Bus – 30,00 Euro – leitet Wolfgang Willig. Ab- ser berühmten Bildungsstätte weiterhin Zwängen und scher Publizisten veröffentlicht werden. Reinhard be- fahrt ist in Ebingen, Busbahnhof um 7:00 Uhr, in Ba- Die Autoren dieser Ausgabe Beschränkungen unterworfen, die Auflehnung pro- trachtet die Entwicklung in Frankreich nicht unkri- lingen, Stadthalle um 7:30 Uhr, mit Halt in Hechingen vozierten. Gegen erstarrte Dogmen forderten sie Auf- tisch, ihn treibt nicht die Begeisterung für die Fran- um 7:54 Uhr an der evang. Kirche, gegenüber dem Mu- klärung. Es entstand die jugendliche Protestkultur in ty- zosen, sondern für die Sache der Menschheit. Er ist ent- seum. rannos. Friedrich Schiller, der an der Hohen Karls- täuscht von Schillers reservierter Haltung. Ein Mann, Vorausschau Juni 2012 schule nicht weniger litt als die Stiftler, gab dem Frei- dessen Stimme ein so großes Gehör in der deut- Dr. Ingeborg Grolle heitsdrang Ausdruck in dem Stück „Die Räuber“. Dich- schen Öffentlichkeit findet, dürfe von den Men- Donnerstag, 26. April 2012, Dr. Veronika Mertens hält tung, Poesie, befreite auch Karl Reinhard und seine schenrechten kein Jota abweichen. Reinhard erklärt einen Vortrag über: Kunst im Dritten Reich zwi- Isestraße 23 Freunde von den Gedankenfesseln. Zusammen mit den sein eigenes Engagement so: „Ich sah in der franzö- schen Widerstand und Gefährdung: Otto Dix, Wal- Von Montag 4. Juni 2012 bis Mittwoch 6. Juni 2012: 20144 Hamburg Brüdern Stäudlin und Conz bildete er im Stift einen sischen Revolution nicht die Angelegenheit einer Na- ther Groz und das Malerehepaar Caspar-Filser. 3-tägige Studienfahrt zur Kapfenburg, ins Ries und Dichterbund nach dem Vorbild des Göttinger Hains. tion, mit der ich vielleicht niemals ganz sympathi- aufs Härtsfeld. Leitung: Wolfgang Willig. Man schwärmte für die Oden von Klopstock. Im sieren werde, sondern einen Riesenfortschritt des Im Rahmen des Schwerpunkt-Themas 2012 "Wider- „Schwäbischen Almanach“ wurden die Gedichte der menschlichen Geistes überhaupt und eine glückliche stand im Dritten Reich" gibt der Vortrag Einblicke in Am Rande der Ostalb, über dem Quellgebiet von Jagst jungen Tübinger Poeten gedruckt. Reinhard über- Aussicht auf die Veredelung des ganzen Schicksals der die Konsequenzen der nationalsozialistischen Kunst- und Eger, ragt das Deutschordens-Schloss Kapfen- setzte Elegien des römischen Dichters Tibull in deut- Menschheit.“ politik für die Kunst anhand von zwei Beispielen: der burg massiv und elegant zugleich empor. Diese fes- sche Distichen. An einem schönen Sonntag las er sie In Paris werden einflussreiche Politiker aufmerk- beherzten Rettungsaktion von fast 40 Werken des tungsartige Anlage wird heute als Musikakademie ge- dem zwei Jahre älteren Schiller in Stuttgart vor, und sam auf den revolutionsbegeisterten Schwaben und Münchner Malerpaars Karl Caspar und Maria Caspar- nutzt und bietet ideale Bedingungen als Standquar- der war begeistert. Reinhard träumte vom Dichter- bekommen Einfluss auf Reinhards weiteren Lebens- Filser durch den Ebinger Industriellen und Kunst- tier. ruhm. Nach glänzend bestandenem Examen war er An- lauf. Es sind vor allem der Abbé Sieyès, Verfasser der freund Walther Groz und die Auswirkungen auf das wärter auf das Pfarramt und sah den Weg in eine selbst- Schrift: „Was ist der Dritte Stand?“ und der Diplo- künstlerische Schaffen von Otto Dix, der 1933 aus dem Der 1.Tag, steht unter dem Leitmotiv „Deutscher Or- bestimmte Freiheit offen. Er wurde Vikar bei seinem mat und Außenminister Charles Maurice de Talley- Lehramt an der Dresdner Akademie entlassen, 1934 mit den“ und es werden in einer Rundfahrt weitere Nie- Herausgegeben von der Vater in Balingen. Die Freiheit sah allerdings anders rand. Reinhard wird ein Posten als Gesandtschafts- Ausstellungsverbot belegt und als 'entarteter' Künstler derlassungen besucht: In Westhausen, Lauchheim und Heimatkundlichen Vereinigung aus als er sie erträumt hatte. Allerlei kleine Pflichten fes- sekretär in London angeboten. Die Zusage fällt ihm diffamiert wurde. Zipplingen hat dieser Ritterorden prachtvolle Kirchen Zollernalb selten ihn erneut: Katechismusunterricht, Kranken- nicht leicht, er wägt ab: „Was die Zukunft betrifft, so Beginn 20:00 Uhr: Ort: Albstadt-Ebingen, Städtische und in Unterschneidheim ein Schlösschen hinterlas- besuche, Bibelstunden und hin und wieder eine Pre- ist dieses Angebot gleichbedeutend mit dem Ver- Galerie, Kirchgraben 11, Eintritt frei. Über eine kleine sen. Vorsitzender: digt. Daneben blieb ihm zwar genug freie Zeit zum Karl Friedrich Reinhard zur zicht auf mein Vaterland, um gleichzeitig auf immer Spende werden wir uns freuen. Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, Dichten, was aber fehlte, waren ihm entsprechende Ge- Zeit seiner Heirat mit Chris- Frankreich zu wählen; es bedeutet, den Freuden ei- Der 2.Tag führt zu den Grafen Oettingen. Besichtigt 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 sprächspartner und ihre Anregungen. Briefe konnten tine Reimarus, um 1796. nes ruhigen und unabhängigen Lebens zu entsagen, werden die von ihnen gegründete Frauenzisterze die Freunde nicht ganz ersetzen. In diesen Briefen Gemälde von Jean-Laurent um statt dessen alle Unwägbarkeiten einer großen Re- Kirchheim und das prächtige Schloss Baldern. Gele- Geschäftsführung: schildert Reinhard seine Heimatstadt Balingen als ein Mosnier (1743 - 1806). volution auf sich zu nehmen, die täglich neue Teil- genheit zum Mittagessen besteht in der ehemaligen Erich Mahler, Mörikeweg 6, Zwittergebilde, das alle Nachteile eines Dorfes und ei- revolutionen hervorbringt.“ Der Verzicht auf die ru- Mai 2012 Reichsstadt Nördlingen. Die Fahrt entlang des Nörd- 72379 Hechingen, ner Großstadt in sich vereinige. In seinen Gedichten higen Freuden fällt Reinhard im Augenblick sicher nicht linger Rieses schließt mit einem Abendbummel im ver- Telefon (0 74 71) 1 55 40 schlägt er einen neuen, ironischen Ton an. Da er- so schwer wie der Verzicht aufs Vaterland. träumten Städtchen Öttingen ab. E-Mail: e. [email protected] scheint dann Balingen als ein neues Abderon der An- „Riesenfortschritt in den Fortgängen Dass die Revolution nicht überall sieghaft ist, er- Samstag, 5. Mai 2012: Ortsgang durch Jungingen. tike, von einer Art Schildbürgern bewohnt. Die Ba- des menschlichen Geistes“ fährt Reinhard bald. Nach der Hinrichtung des Kö- Am 3. Tag geht es über das Härtsfeld, dessen Karg- Redaktion: linger Gemeindeglieder reagierten irritiert auf die ar- nigs im Januar 1793 werden die französischen Dip- Dr. Peter lang führt durch den Ort Jungingen an der keit und Schroffheit („hartes Feld“) von besonderem Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, rogant herausfordernde Art des jungen Geistlichen. Die Reinhard nimmt Hauslehrerstellen an, zuerst in der lomaten aus England ausgewiesen. Reinhards nächs- Starzel. Treffpunkt ist um 15:00 Uhr vor dem Museum Reiz ist. Hier ist im Benediktinerkloster Neresheim ei- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 benachbarten Pfarrherren witterten in der Haltung des französischen Schweiz, dann in Bordeaux. Das pä- ter Auftrag in Neapel dauert ebenfalls nur so lange, neben der Kirche. Teilnahme frei. ne Kurzführung und ein Mittagessen im Klosterhospiz jungen Reinhard ketzerische Aufklärung. Ein schar- dagogische Geschäft sagt ihm nicht viel mehr zu als bis sich das Königreich beider Sizilien mit den Eng- Seite 1791 Heimatkundliche Blätter April 2012

– Fritz Stern, Deutschland 1933 – fünfzig Jahre da- neck 1939-1941. Die Täter – Ganz normale Deut- – Vinzenz von Paul Hospital gGmbH, Rottenmünster nach, in: Ders., Der Traum vom Frieden und die Ver- sche?, Vortrag vom 27.01.2012 (www.gedenkstaette- (www.vvph.de). suchung der Macht. Deutsche Geschichte im 20. grafeneck.de). Jahrhundert, München 2006, S. 144 – 174. – Henning Tümmers, Justitia und die Krankenmorde. – Thomas Stöckle, Grafeneck 1940. Die Euthanasie- Der „Grafeneck-Prozess“ in Tübingen, in: Stefanie Verbrechen in Südwestdeutschland, Tübingen, 3., Westermann, Richard Kühl, Tim Ohnhäuser (Hrsg.), Am 14. Juli veranstaltet die Heimatkundliche Verei- erweiterte Auflage 2012. NS-„Euthanasie“ und Erinnerung. Vergangenheits- nigung eine Exkursion zur Gedenkstätte Grafeneck aufarbeitung – Gedenkformen – Betroffenenper- sowie zur Dauerausstellung der Erinnerungsstätte – Ders., Die NS-„Euthanasie“-Verbrechen in Grafe- spektiven, Münster u.a. 2011, S. 95 – 119. Matthias Erzberger in Buttenhausen.

Jahrgang 59 30. April 2012 Nr. 4 Exkursionen und Termine (1) Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung im Mai und Juni Motor der Industrialisierung? MAI tung Dürrwangen. Von dort kann man auf ver- fingen und der Wasserfall bei Laufen auf dem Pro- schlungenen Wegen entlang der Eyach zum Aus- gramm. Nach einer kleinen Mittagspause führt uns Dr. Die Bedeutung des Pietismus in Altwürttemberg - Von Dr. Peter Thaddäus Lang Samstag, 5. Mai: Jungingen, Stadtrundgang durch die gangspunkt zurückkehren. Neben herrlichen Ausbli- Hans Schimpf-Reinhardt durch das Gerberviertel in Geschichte des Ortes im Killertal. cken wird die Exkursionsleiterin auch interessante In- Balingen. Anschließend wird der Rosengarten in Hai- Dass der Pietismus die Industrialisierung in Alt- Dr. Peter Th. Lang konnte den Junginger Heimat- formationen und Forschungsergebnisse bieten. Am gerloch besichtigt und eine Führung durch die Im- württemberg vorangetrieben hat, das ist eine im forscher Ludwig Bosch für eine Führung durch den Ort Wanderweg liegen verschiedene Einkehrmöglichkei- nauer Mineralquellen angeboten. Abschlusseinkehr ist Schwabenland weit verbreitete und lieb gewordene mit seinen beschaulichen Plätzen und Gassen ge- ten. Sollten sich bei dem einen oder anderen Teil- in Bad Imnau. Abfahrt in Balingen, Stadthalle 7:30 Uhr Vorstellung, die insbesondere von den Pietisten selbst winnen, der sich in den Jahrhunderten von einem ar- nehmer „Gehbeschwerlichkeiten“ einstellen, ist für ei- und in Ebingen, Busbahnhof um 8:00 Uhr. Umlage 25 sehr geschätzt wird. Dabei handelt es sich aller- men Bauern- und Handwerkerdorf zu einem Indust- nen Rücktransport zum Ausgangspunkt gesorgt. Treff- Euro. dings um eine wissenschaftlich schon vor vielen Jah- rieort, mit heute rd. 1000 Arbeitsplätzen, entwickelt hat. punkt ist um 9:30 Uhr am TSV Sportheim in Balin- ren angezweifelte Auffassung, denn bereits 1980 trat Die Pfarrkirche St. Sylvester birgt ganz interessante gen-Frommern. Teilnahme frei. Montag, 25. Juni. Georg Elsner. Allein gegen Hitler. der renommierte Tübinger Kulturwissenschaftler Mar- Dinge: Reste eines Hochaltars aus der einstigen He- Gastspiel des Theaters Lindenhof , Melchingen. tin Scharfe dieser Sehweise in seiner Habilitations- chinger Schlosskapelle, Skulpturen, Reliefs und ein Donnerstag, 24. Mai: Eröffnung der Ausstellung und Bei hinreichender Teilnehmerzahl erhält die Hei- schrift mit überzeugenden Argumenten entgegen (2). Kreuz, das um das 15./16. Jh. datiert wird. Treffpunkt Vortrag: „Ich habe den Krieg verhindern wollen“. Ge- matkundliche Vereinigung einen Gruppenpreis, da- Drei Punkte macht Scharfe geltend, die er jeweils pe- ist vor dem Museum bei der Kirche um 15:00 Uhr. Teil- org Elser und das Attentat vom 8. November 1939. Ei- her bitten wir um frühzeitige Anmeldungen. Balin- nibel mit Belegen aus den Quellen abstützt, so wie es nahme frei. ne Dokumentation der Landeszentrale für politi- gen, Stadthalle. Beginn 19:00 Uhr. Eintritt 13 Euro, sich für eine wissenschaftliche Arbeit von Rang ge- sche Bildung Baden-Württemberg und der Gedenk- Schüler 8 Euro. hört. Montag, 7. Mai: Ein Eisenbahnerlebnistag: Rund- stätte Deutscher Widerstand. Realisiert mit För-de- Erstens: Stärker als die charakterbildende Kraft des fahrt mit der HZL: Balingen – Hechingen – Gam- rung durch die Landesstiftung Baden-Württemberg. Donnerstag, 28. Juni: Naturschutzzentrum Ruhe- Religiösen, so Scharfe, habe die „vom Maschinen- mertingen – Sigmaringen mit unserem ‚Zugbeglei- Am 8. November 1939 versuchte der Schreiner Jo- stein und Gengenbach. takt bestimmte Disziplin“ gewirkt. „Die Neuerung der ter‘ Albrecht Dorow. hann Georg Elser aus Königsbronn, im Die Leitung bei dieser Tagesexkursion in den Produktionsweise stellt derart radikale Anforderun- In Killer wird die Herstellung und Verwendung der Münchener Bürgerbräukeller. Hitler verließ allerdings Schwarzwald hat Bodo-Lothar Fritschen. Unter dem gen an die Menschen, daß alle asketischen An- vielen unterschiedlichen Peitschen und Geiseln ge- wenige Minuten vor der Explosion den Versamm- Thema „Die Schwarzwaldhochstraße – Geschichte und strengungen und Traditionen des Pietismus allen- zeigt. In Gammertingen erfahren wir Interessantes über lungssaal. Elser wurde noch am selben Tag in Kons- Geschichten“ ist zunächst eine Information im Na- falls vorab geleistete Fingerübungen zur Eingewöh- Geschichte, Entwicklung und heutige Bedeutung der tanz verhaftet und kam zunächst in das KZ Sachsen- turschutzzentrum Ruhestein vorgesehen. Am Nach- nung sind – keineswegs Impulse zur Weiterent- Hohenzollerischen Landesbahn. Es folgt die Besich- hausen, später nach Dachau, wo er am 9. April 1945 er- mittag steht eine rund 2-stündige Stadtführung in Gen- wicklung. Die Maschine erzieht und prägt unerbitt- tigung des Wasserwerks des Zweckverbands Wasser- schossen wurde. Die Landeszentrale für politische Bil- genbach und die Besichtigung der Paramenten- licher als die „Stunde“. versorgung Zollernalb in Hermentingen, wo die Gal- dung hat in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte sammlung auf dem Programm. Abfahrt in Albstadt- Zweitens:NichteinvomPietismusausgehenderFleiß lusquelle, die größte Karstquelle Hohenzollerns, zu Deutscher Widerstand in Berlin und gefördert durch Ebingen am Busbahnhof (7:00 Uhr), Balingen an der habe zu einer gewissen Wohlhabenheit geführt, son- Trinkwasser aufbereitet wird. Ein Spaziergang führt ins die Landesstiftung Baden-Württemberg eine Ausstel- Stadthalle (7:30 Uhr). 30 Euro Umlage schließen ein: dern es sei gerade anders herum gewesen: „[Der] Pi- schöne Laucherttal, nach Veringenstadt. In Sigma- lung geschaffen, die die Erinnerung an diesen muti- Fahrt, Eintritte und Führungen. etismus […] habe sich nur dort entfalten können, wo ei- ringen besuchen wir den Fürstengarten, die evange- gen Mann wach halten und vertiefen soll. Der Jour- ne bestimmte Produktions- und Lebensweise gege- lische Stadtkirche und die Josefskapelle. Durch die His- nalist Ulrich Renz, Autor des Buches über Elser „Ein ben war.“ Das heißt im Klartext: Die armen Pietis- torische Innenstadt gelangen wir wieder zum Bahn- Meister der Tat“, der zugleich die Schriftenreihe der Ge- Stammtische ten blieben arm (also etwa die auf der Alb) und die rei- hof und fahren durch das wildromantische Schmei- org Elser Gedenkstätte in Königsbronn betreut, wird chen Pietisten wurden noch reicher. Als Beispiel führt ental über Albstadt. Die Rundfahrt mit der Landes- den Einführungsvortrag halten. Landratsamt Zol- Jeweils am 1. Mittwoch eines Monats trifft sich un- er die Verhältnisse im unteren Remstal an, womit die bahn beginnt in Albstadt-Ebingen (7:03 Uhr) und führt lernalbkreis, Balingen, Hirschbergstr. 29 (Sitzungs- ter der Ebinger Stammtische unter der Leitung von Dr. reichen Pietisten gemeint sind, die noch reicher wur- über Balingen (7:34 Uhr) und Hechingen (8:03 Uhr). saal). Beginn 19:30 Uhr. Eintritt frei. Peter Th. Lang im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 den. Die Umlage von 30 Euro schließt Fahrt und Führun- Albstadt-Ebingen: Telefon 07431 4188. Drittens: Die Stundenleute seien der aufkom- Das so genannte „Fünf-Brüder-Bild“, das Persönlichkeiten aus dem württembergischen Pietismus zeigt. Von links: Johann Schnait- gen mit ein. menden Industrie mit ihrer immer stärker hervor- mann, Anton Egeler, Johann Martin Schäffer, Immanuel Gottlieb Kolb, Johann Michael Hahn. Quelle: Stadtarchiv Albstadt tretenden Dominanz des Maschinenwesens eher re- Samstag, 19. Mai: Kunst- und Geschichtswanderung Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- serviert gegenüber gestanden; so „übten sich die Pi- rung im Jahr 2001 den Lehrstuhl für Europäische Eth- rung Scharfes wird die Ansicht von der enormen Prä- „Auf dem Panoramaweg rund um Frommern und schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- etisten der unteren Klassen … in Akten geistlichen Ma- nologie und Kulturforschung innehatte (4). Seine Ha- gekraft des Pietismus in den mehr volkstümlichen Weilstetten“ mit Dr. Ingrid Helber. JUNI chingen, Telefon 07471-15540 / Fax 07471-12283, schinensturms.“ Nicht umsonst bewegt sich auf dem bilitationsschrift wirbelte vor allem in den pietisti- Überblicksdarstellungen wieder und wieder vertre- Zunächst geht es zum Standort des einst vom be- Email: Bild „Der breite und der schmale Weg“ im Bereich des schen Gemeinschaften viel Staub auf (5), aber eine wis- ten. So schreibt Günter Huhndorf in seinem sei- rühmten württembergischen Baumeister Heinrich [email protected] breiten – moralisch verwerflichen – Wegs eine Ei- senschaftliche Entgegnung erfolgte, so weit ersicht- nerzeit viel gelesenen „Wurzeln des Wohlstands“: Schickhardt für Friedrich von Tegernau geplanten Montag, 4. Juni bis Mittwoch, 6. Juni: Studienfahrt oder über unsere Homepage senbahn (3). Dieses seinerzeit in zahllosen schwäbi- lich, bisher nicht. Die neueren Veröffentlichungen zum „... Ein religiöser, zeitweise pietistischer Antrieb er- Schlösschens bis zur Kirche und zum „Fronhof“. Ent- zur Kapfenburg, ins Nördlinger Ries und ins Härts- www.heimatkundliche-vereinigung.de schen Wohnungen vorhandene Bild kann als gra- Thema Pietismus gehen allesamt an den Einwen- klärt manches“(11). Wesentlich deutlicher äußert sich lang der Weinberge in herrlicher Südlage mit Blick auf feld. phisch gestaltetes Programm des schwäbischen Pi- dungen von Scharfe vorbei und befassen sich wie- der ehemalige Stuttgarter Ordinarius Willi A. Boel- die Albkette wandert man dann zum Hummelberg Für die 3-tägige Studienfahrt ins Ries und aufs Härts- Bei allen Veranstaltungen sind Gäste jederzeit herz- etismus gelten. derholt schwerpunktmäßig mit sozialgeschichtlichen cke in seinem Standardwerk „Wirtschaftsgeschichte (Erddeponie Hölderle) und nach Weilstetten, Rich- feld sind nur noch wenige Plätze frei. Unter der Lei- lich willkommen. Und hier noch ein weiteres Argument: Wenn der Pi- Aspekten (6). In diesem Kontext steht die im Win- Baden-Württembergs“: „Der Typ des Handwerker-Un- tung von Wolfgang Willig besuchen die Teilnehmer in etismus die Wirtschaft dermaßen angekurbelt hat, wie tersemester 2004/05 an der Universität Freiburg an- ternehmers, bescheiden, pietistisch, sparsam, emsig, den drei Tagen Niederlassungen des Deutschen Or- oftmals behauptet, dann müssten doch die örtli- gefertigte Seminararbeit über das Thema „Die Ent- der Tüftler, Bastler, Schaffer oder Brettlesbohrer, der dens, die Schlössern der Grafen Öttingen sowie die ehe- chen Zentren dieser Glaubensausprägung naturge- stehung der schwäbischen Tugenden im Zusam- die Muße wie die Todsünde fürchtete, war damals vor- malige Reichsstadt Nördlingen und das Kloster Ne- Herausgegeben von der mäß auch im Wirtschaftsleben eine bedeutsame Rol- menhang mit dem Einfluss des Pietismus in Würt- herrschend“(12). Otto Borst, vormals angesehener His- resheim. Abfahrtszeiten und Preise auf Anfrage oder Heimatkundlichen Vereinigung le spielen – zu denken ist an pietistische Hochbur- temberg (16. bis 18. Jahrhundert)“ von Simon Gon- toriker an der Universität Stuttgart, gerät schon fast auf unserer Homepage. Zollernalb gen wie Korntal, Walddorfhäslach, oder Wilhelms- ser. Ohne auf Martin Scharfe einzugehen stellt er fest, ins Schwärmen, wenn er auf dieses Thema zu schrei- Die Autoren dieser Ausgabe dorf. Diese drei Kommunen als Wirtschafts-Stand- dass der Pietismus „kaum unmittelbare Auswirkun- ben kommt: „Der Pietismus ist hier in Altwürttem- Sonntag, 10. Juni: Romanik und Ruinen, Rundgang Vorsitzender: orte von überragender Bedeutung zu bezeichnen wä- gen“ auf die Industrialisierung in Württemberg ge- berg der Industrialisierung entgegengekommen wie si- um Burgfelden. Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, re mit Sicherheit verfehlt. Eine weitere Beobachtung habt habe (7). Auf die schwäbischen Tugenden Fleiß, cherlich in keinem deutschen Territorium sonst. Wenn Dr. Michael Walther Die Balinger Kunsthistorikerin Dr. Ingrid Helber lädt 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 ist hier noch hinzuzufügen: In keinem der großen re- Ordnungsliebe, Sparsamkeit und Sauberkeit, so Gon- wir von den geistigen Antriebskräften der Industrie Schwanenstr. 13 zu einer Ortserkundung nach Albstadt-Burgfelden ein. präsentativen Nachschlagewerke, sei es „Die Religi- ser, wirkten neben dem Pietismus noch andere Kräf- hierzulande reden, dann haben wir in tiefster und ge- 72336 Balingen Zunächst erfolgt die Besichtigung der alten Micha- Geschäftsführung: on in Geschichte und Gegenwart“, die „Theologi- te wie die große Armut im vorindustriellen Würt- wichtigster Hinsicht auf das ethische Instrumenta- elskirche. Danach folgt ein Rundgang durch den Ort Erich Mahler, Mörikeweg 6, scheRealenzyklopädie“,das„LexikonfürTheologieund temberg (8), denn nur mit Fleiß und Sparsamkeit war rium der Pietisten zu verweisen. Sie haben diese In- und zum Böllat mit herrlicher Aussicht über das Land. 72379 Hechingen, Kirche“ oder auch „nur“ die „gewöhnlichen“ Lexika dort ein Überleben möglich. Außerdem führt er die dustrie hier in ihren Profilen, ja in ihrer Sinnge- Dr. Peter Thaddäus Lang Anschließend eine kleine Wanderung zur Schalks- Telefon (0 74 71) 1 55 40 wie der „Brockhaus“ oder „Meyers enzyklopädisches weltliche Gesetzgebung an, insbesondere die Gene- bung ebenso geprägt wie den altwürttembergischen Lammerbergstraße 53 burg. Beginn 14:00 Uhr vor der alten Michaelskirche. E-Mail: e. [email protected] Lexikon“ – nirgendwo findet man auch nur den lei- ralreskripte der Herzöge, beispielsweise das Reskript Volkscharakter im allgemeinen ...“(13). Wenig später im 72461 Albstadt Teilnahme frei. sesten Hinweis auf die wirtschaftlichen Auswirkun- von Herzog Eberhard III. aus dem Jahr 1658, das christ- Text wird ihm allerdings klar, dass er damit wohl doch Redaktion: gen des schwäbischen Pietismus. liche Sittlichkeit und Wohlanständigkeit zum Ziel hat- schon den Boden der Wissenschaftlichkeit verlassen Freitag, 22. Juni: „Entlang der Eyach“ mit Margarete Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, Aufgrund seiner Habilitationsschrift erhielt der ge- te (9), oder ein Reskript aus dem Jahr 1677 gegen nächt- hat: „Ob wir je mit Statistiken und abgesicherten Ver- Bühler-Weber. 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 bürtige Schwabe Martin Scharfe 1985 einen Ruf an die liches Johlen, Tanzen und Kleiderpracht (10). gleichszahlen werden aufwarten können, bezweifelt Zunächst stehen die Eyach-Quelle oberhalb Pfef- Universität Marburg, wo er bis zu einer Emeritie- Trotz der noch immer unwiderlegten Beweisfüh- man sehr ...“(14). Rainer Prewo, Oberbürgermeister der Seite 1789 Heimatkundliche Blätter April 2012 April 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1790

Stadt Nagold, räumt in seinem vor zwölf Jahren er- Letztgenannten kaum zu den bescheiden lebenden Pi- chen. Getreu seinem Herrn und Meister Jesus Chris- 1899. Vgl. dazu Peter Thaddäus Lang, Ebingen am gen 1953, S. 296. Diesem Sachverhalt eignet ein be- 31) Gottlieb Gühring (er heiratete nicht in Ebingen), schienenen Aufsatz gleichermaßen ein, dass ihm ein etisten gehört haben. Von Johannes Mauthe wurde be- tus will er nicht Schätze auf Erden, sondern im Him- Vorabend der Industrialisierung. Der Visitations- sonders hohes Maß an Glaubwürdigkeit, da er von Johannes Keller, Johann Martin Landenberger, Ja- stichhaltiger Nachweis nicht möglich ist (15): „Inwie- reits oben erwähnt, dass er keine kirchlichen Bü- mel sammeln. Das wird auch der Grund sein, dass die bericht des Ebinger Pfarrers aus dem Jahr 1859, einem Tailfinger Pietisten berichtet wird. kob Ott. weit die Fabrikgründer selbst aktive Gemein- cher besaß. Unterm Strich bleiben also in Ebingen nur Gründerpersönlichkeiten der Tailfinger Industrie kei- in: Heimatkundliche Blätter 47, 2000, S. 1241 f., 21) Peter Thaddäus Lang, Theodor Groz (1828-1892) – 32) Friedrich Wilhelm Binder (Stadtarchiv Albstadt, schaftsleute waren, ist mir … aus den Quellen nicht faß- zwei Fabrikanten der ersten Stunde, die pietistische Er- ne Pietisten waren, jedoch mancher mit pietisti- 1245-1247. Aus diesem Bericht geht hervor, dass ein Ebinger Industriepionier. In: Heimatkundli- Stadt Ebingen, Inventuren und Teilungen bar geworden.“ bauungsbücher mit in die Ehe brachten: Johannes scher Prägung (ich denke da z.B. an Johannes Ma- in besagtem Jahr kaum mehr als ein Prozent der Be- che Blätter Mai/Juni 2002. 3469/1843), Jakob Adam Daiber (ebendort, Schauen wir uns also die einschlägigen Quellen an Kauffmann (40) und Gottlieb Maag (41). Demnach ha- yer, den Chef von Mayer & Cie). Der CVJM sowohl in völkerung aktive Pietisten waren. Für Württem- 22) Gerhard Penck, Die phantastische Geschichte der 1991/1827), Andreas Ott (ebendort, 6050/1867). und beginnen wir mit Ebingen: Die dortigen Un- ben wir zwei aus dreizehn, somit fünfzehn Prozent der Tailfingen als auch in Ebingen hat seine Wurzeln di- berg geht Joachim Trautwein von acht Prozent aus, Villen des Friedrich Haux, Tübingen-Berlin 2008. 33) Stadtarchiv Albstadt, Stadt Ebingen, Inventuren terlagen geben keinerlei Hinweise auf den Pietismus in Ebingen maßgeblichen Fabrikanten, die wir dem Pi- rekt im Pietismus. Diese Jungendarbeit prägte da- vgl. ders., Religiosität und Sozialstruktur, Calwer 23) Vgl. die vor wenigen Jahren in Kleinstauflage er- und Teilungen 4497/1852. als Triebkraft der Industrialisierung: Die Visitati- etismus zurechnen können. Was aber darüber hi- mals und auch heute noch viele junge Menschen. Hefte 123, Stuttgart 1972, S. 51, zitiert bei Gonser schienene Biographie von Wilhelm Maute über 34) Ebendort 7212/1877. onsberichte aus der zweiten Hälfte des 19. Jahr- naus zu denken gibt: die beiden frühesten dieser er- Der Pietist wird eher der einfache Arbeiter oder An- (wie Anm. 7), S. 14. Christian Ludwig Maag, vorhanden im Stadtar- 35) Ebendort 7687/1881; neben dem Gesangbuch noch hunderts beispielsweise lassen ganz klar erkennen, dass folgreichen Geschäftsleute, Johannes Mauthe, ge- gestellte sein, dem es ein Anliegen ist, dass es sei- 17) Zu dieser Quellengattung noch immer grundle- chiv Albstadt. verschiedene französische Werke und zwei Bände der Pietismus innerhalb der Ebinger Kirchenge- boren 1807, und Friedrich Wilhelm Binder, geboren nem Chef und er Firma gut geht. Genau so wenig wird gend: Rolf Bidlingmaier, Inventuren und Teilun- 24) Peter Thaddäus Lang, Löwen-Mauthe: Ein Pio- „Illustrierte Welt“. meinde eine eher unbedeutende Rolle spielte (16). Die 1818, scheinen nach Ausweis ihres Bücherbesitzes der er politische Ämter unter allen Umständen anstre- gen. Entstehung und Auswertungsmöglichkeiten nier? In: Heimatkundliche Blätter Januar 1995. 36) Ebendort 8359/1886, im Gesamtwert von 35 Gul- Ebinger Inventuren und Teilungen(17) stützen diese Be- Kirche eher fern gestanden zu haben. ben. Von meinem Urgroßvater, dem „Semma-Jo- einer Quellengruppe in den württembergischen 25) Wie vorige Anm. den. obachtung ab: Nur in 14% dieser den Besitzstand von Kommen wir zu Tailfingen: Zu drei der elf aus- hannes“, weiß ich, dass er für eine Periode am En- Stadt- und Gemeindearchiven, in: Der fur- 26) Freundliche Mitteilung von Herrn Wilhelm Maute. 37) Ebendort 6028/1867, im Gesamtwert von 31 Gul- Eheleuten auflistenden Akten finden sich pietisti- gewählten Fabrikanten finden sich keine Quellen (42). de des 19. Jahrhundert im Tailfinger Gemeindepar- nehmbste Schatz. Ortsgeschichtliche Quellen in 27) Freundliche Mitteilung von Herrn Wilhelm Maute. den und 30 Kreuzer. sche Erbauungsbücher(18), wovon ein Teil sicherlich Bei zwei weiteren (43) haben wir jeweils mehrere Trä- lament war. Er hat dieses Geschäft dann sehr schnell Archiven. Vorträge eines quellenkritischen Kollo- 28) Freundliche Mitteilung von Herrn Wilhelm Mau- 38) Ebendort 6257/1869, im Gesamtwert von zehn nicht selbst erworben, sondern ererbt wurde. ger des gleichen Namens, des gleichen Geburts- abgegeben, weil er seiner Meinung nach Wichtige- quiums im Rahmen der Heimattage Baden-Würt- te; die Frau von Christian Ludwig Maag betref- Gulden. Wenden wir uns nun Tailfingen zu: Hier ist der An- jahrgangs und des gleichen Berufs, so dass eine Iden- res zu tun hatte, und sich mit der „Demokratie und temberg am 23. Oktober 1999 in Pfullingen, hrsg. fend stütze ich mich außerdem auf Erzählungen 39) Ebendort 5561/1863: vier kaufmännische und drei teil der Stundenleute in der Kirchengemeinde zur frag- tifizierung nicht möglich ist. Damit bleiben noch sechs, den vielen Meinungen und Ansichten“ etwas schwer von der Landesarchivdirektion Baden-Württem- meiner Frau, deren Großmutter vor ihrer Verhei- Gebetbücher. lichen Zeit zwar wesentlich höher als in Ebingen (19), von denen zwei lediglich ein Gesangbuch hatten – Mi- tat. Was aber auf jeden Fall bemerkt werden sollte, ist berg, Stuttgart 2001, S. 71-81. Ansonsten vgl. Anja ratung im Hause Maag tätig war. 40) Ebendort 5382/1862. was fraglos für eine größere Rolle des Pietismus in Tail- chael Bitzer (44) und Conrad Maier (45), während die üb- der große Einfluss des Mechanikerpfarrers Philipp R. Benscheidt, Kleinbürgerlicher Besitz. Nürtinger 29) Walter Stettner, Ebingen. Geschichte einer würt- 41) Ebendort 5166/1859. fingen spricht. Ob sich diese Bedeutung auch auf die In- rigen vier überhaupt keine Bücher besaßen; dies sind Matthäus Hahn, ein Vater des Pietismus, der durch sei- Handwerkerinventare von 1660 bis 1840, Müns- tembergischenStadt,Sigmaringen1986,S.366,374, 42) Martin Ammann, Johannes Hakenmüller, Bal- dustrialisierung bezieht, muss allerdings offen blei- Gottlieb Ammann (46), Balthasar Blickle (47), Martin Con- ne Erfindungen letztlich den Boden für die ganze fein- ter/Westf. 1985, S. 7-11. 414-417; Hermann Bizer, Tailfinger Heimatbuch, thasar Maier. ben. Die Tailfinger Stundenbrüder wurden nämlich von zelmann (48) und Johannes Gonser (49). Ein höchst ver- mechanische Industrie und den Maschinenbau im Tal- 18) Die Quellen des Jahres 1878 als Stichprobe. Die- Tailfingen 1953; Karl Bergmann, Die Trikotagen- 43) Johannes Conzelmann und Balthasar Merz. ihren Mitbürgern verspottet, weil sie so viel Zeit mit Be- blüffendes Ergebnis, in der Tat: kein einziger Pietist be- gang gelegt hat. ses Jahr wurde gewählt, weil es wegen der Eröff- industrie in Tailfingen/Württ., Tailfingen 1947, S. 44) Stadtarchiv Albstadt, Stadt Tailfingen, Inventuren ten zubrachten, anstatt zu arbeiten (20). Zweifel- gegnet uns in der Spitzengruppe; und was noch mehr nung der Ebingen passierenden Eisenbahnlinie 70-75. und Teilungen 1968/1875. sohne lässt diese Einstellung der Mehrheit der Tail- verwundert: die Gründer so namhafter Firmen wie gemeinhin als Beginn der Industrialisierung in 30) Für Ebingen: Friedrich Wilhelm Binder, Jakob 45) Ebendort 1567/1867. finger darauf schließen, dass Fleiß und Arbeitsam- Balthas Blickle's Witwe und Martin Conzelmann (EM- Ebingen gilt. Adam Daiber, Theodor Groz, Gottlieb Gühring, 46) Ebendort 1620/1868. keit schon lange vor dem Auftreten des Pietismus in CE) hatten mit Gedrucktem überhaupt nichts am Hut, 19) Dort war die Zahl der Pietisten wesentlich größer, Friedrich Haux, Johannes Kauffmann, Johannes 47) Ebendort 1939/1874. Tailfingen vorhanden waren. waren geschäftlich aber trotzdem überaus erfolg- nämlich im Jahr 1871 etwas mehr als drei Prozent, Keller, Wilhelm Keller, Johann Martin Landen- 48) Ebendort 1358/1862. Die hier herangezogenen Quellen lassen also eine reich. Anmerkungen vgl. Peter Thaddäus Lang, Eckig und unpoliert. Der berger, Christian Ludwig Maag, Gottlieb Maag, Jo- 49) Ebendort 1402/1863. besondere Bedeutung des Pietismus für die Indust- Wie die Dinge gegenwärtig stehen, muss man dem- Visitationsbericht des Tailfinger Pfarrers Adolf hannes Mauthe, Andreas Ott, Jakob Ott, Traugott 50) 100 Jahre Pauluskirche. Evangelische Kirchenge- rialisierung kaum erkennen. Aber vielleicht gibt es noch nach davon ausgehen, dass die Rolle des Pietismus für Kieser aus dem Jahr 1871, in: Heimatkundliche Ott, Albert Sauter, Gottlieb Schmid; für Taifingen: meindeTailfingenimWandelderZeiten1907-2007, andere Quellen und auch noch andere Gesichts- die Entwicklung der Wirtschaft im Württemberg des 1) Herrn Simon Gonser danke ich auch an dieser Stel- Blätter 49, 2002, S. S. 1315-1319, 1324, hier bes. S. Gottlieb Ammann, Martin Ammann, Michael Albstadt-Tailfingen 2007, S. 56. punkte, die bisher in der Diskussion noch nicht be- 19. Jahrhunderts bisher überschätzt wurde. Was je- le für seine äußerst konstruktiven Anregungen. 1316. Für den Bücherbesitz ergeben sich anhand Bitzer, Balthasar Blickle, Johannes Conzelmann, 51) Diese Aussage fußt auf zahlreichen Gesprächen mit rücksichtigt wurden. In Frage kommen beispiels- doch keineswegs bedeutet, dass der Pietismus eine 2) Zum Folgenden: Martin Scharfe, Die Religion des der Inventuren und Teilungen für das Jahr 1871 in Martin Conzelmann, Johannes Gonser, Johannes Pietisten aus dem Raum Albstadt, die ich seit mei- weise die Unternehmer der ersten Stunde. Ein nä- randständige Erscheinung gewesen sei. Seine Be- Volkes. Kleine Kultur- und Sozialgeschichte des Pi- Tailfingen 38 Prozent an pietistischen Büchern. Hakenmüller, Balthasar Maier, Conrad Maier, Bal- nem Amtsantritt in Albstadt November 1986 füh- heres Betrachten ihrer Biographien wird erkennen las- deutung in sozialer und auch in kultureller Hinsicht etismus, Gütersloh 1980, S. 123-130; vgl. auch ders., 20) Hermann Bizer, Tailfinger Heimatbuch, Tailfin- thasar Merz. ren konnte. sen, wie fromm sie waren und ob sie den Pietisten zu- bleibt auf jeden Fall unbestritten. Und wenn man die Pietistische Moral im Industrialisierungsprozeß, in: gerechnet werden können. Leider sind nur einige we- Rolle der Pietisten bei der Abwehr des Nationalso- Burkhard Gladigow (Hrsg.), Religion und Moral, nige der hier in Frage kommenden Personen eini- zialismus im Kirchenkampf betrachtet, so kommt dem Düsseldorf 1976, S. 27-47; ders., Fromme Rebel- germaßen hinlänglich biographisch erfasst. Dies sind: Pietismus sogar eine eminent politische Bedeutung zu. len, religiös begründeter Widerstand gegen Insti- Theodor Groz (21), Friedrich Haux (22), Christian Lud- Das Beispiel Tailfingen mag für viele andere, ähn- tutionen, in: Burkhard Gladigow (Hrsg.), Staat und wig Maag (23) und Johannes Mauthe (24). Der allseits be- lich gelagerte Fälle stehen: Der seit 1927 an der Tail- Religion, Düsseldorf 1981, S. 159-279. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ kannte Ebinger Industriepionier, Johannes Mauthe, finger Pauluskirche amtierende Pfarrer bekannte sich 3) Wiedergegeben bei Martin Scharfe, Die Religion genannt Löwen-Mauthe (1807-1882), war nicht ge- nach 1933 zu dem „Deutsche Christen“ genannten NS- des Volkes (wie Anm. 1), S. 85. rade ein ausgesprochen frommer Mensch. Man sieht Christentum, das unter anderem Jesus zum Arier er- 4) Recherchiert im Internet bei Wikipedia am 27. Au- Grafeneck 1940 - Von Dr. Michael Walther es zum einen an seinem Bücherbesitz, wo Erbau- klärte und das Alte Testament abgeschafft haben woll- gust 2010. ungsliteratur nicht vorhanden ist, und zum andern an te. Deshalb boykottierte die Gemeinde nicht nur sei- 5) Hans-Volkmar Findeisen, wie Anm. 6, Einleitung. Im Jahr 1940 wurden im ehemaligen Samariterstift Gra- ben ist. Natürlich lässt sich die gezielte Tötung an- weiligen Einrichtungen durch das ärztliche Personal dem Umstand, dass er kirchlicherseits gerügt wur- ne Gottesdienste, sondern auch alle anderen kirch- 6) Hier eine kleine Auswahl: Gerhard Schäfer, „Das feneck bei Münsingen auf der Schwäbischen Alb min- hand der Krankenakten nicht nachweisen. des Ordens. de, weil er seine Gesellen auch sonntags arbeiten ließ lichen Veranstaltungen, einschließlich der Sitzungen Gute bewahren, Abwege aber vermeiden“. Zur Ge- destens 10 654 Männer, Frauen und Kinder mit geis- Bei dem „Anstaltspersonal“ – in Grafeneck arbeite- Dennoch: seit den 1980er Jahren, nach vielen Jah- (25). Von Friedrich Haux (1860-1929), königlich-würt- des Kirchengemeinderats. Der Widerstand gegen die- schichte des württembergischen Pietismus, in: tigen Behinderungen und psychischen Erkrankungen ten etwa 100 Männer und Frauen – handelte es sich ren des Schweigens, Verdrängens und Leugnens die- tembergischer Kommerzienrat und um 1900 der sen Pfarrer ging ganz eindeutig von den Tailfinger Pi- BlätterfürwürttembergischeKirchengeschichte82, ermordet. Begründet wurde diese verbrecherische Tat um ganz gewöhnliche Menschen aus der Mitte der Ge- ses „Zivilisationsbruchs“, erfolgt nun durch die For- reichste Fabrikant in Ebingen, war zeitweise Mit- etisten aus. Die Situation wurde für den Pfarrer schließ- 1982, S. 218-236; Hans-Volkmar Findeisen, Pie- mit dem Argument der Stärkung und Gesundung des sellschaft. Thomas Stöckle, Leiter der Gedenkstätte, schung und über Gedenkinitiativen eine Aufarbeitung glied des Ebinger Kirchengemeinderats; ein Pietist war lich dermaßen unerträglich, dass er am 1. Novem- tismus in Fellbach 1750-1820 zwischen sozialem Volkskörpers oder aus zweckrationalen Gründen, wie weist weiterhin darauf hin, dass die Angst vor Re- dieses besonderen Kapitels der deutschen Geschichte. er jedoch sicherlich nicht (26). Dafür aber waren et- ber 1935 aus Tailfingen verschwand (50). Protest und bürgerlicher Anpassung. Zur histo- der Entlastung der öffentlichen Finanzen und der Um- pressionen nur eine untergeordnete Rolle bei der An- Der „Geschichtsort“ Grafeneck bietet mit dem Do- wa sowohl Theodor Groz (1828-1892), der Gründer des Um beim Nationalsozialismus zu bleiben: Auf- risch-sozialen Entwicklungsdynamik eines mille- wandlung von Heilanstalten in kriegswichtige Ein- nahme einer Arbeitsstelle in Grafeneck gespielt hat. Viel kumentationszentrum, der Gedenkstätte mit offener heute weltweit größten Herstellers von Industriena- grund ihrer ausgeprägten Glaubensstrenge war es den naristischen Krisenkults, Phil. Diss. Tübingen 1985; richtungen. Die ersten Euthanasieopfer durch gezielte mehr scheinen Karrierechancen und Verdienstmög- Kapelle, Namensbuch der Opfer und Alphabet-Gar- deln, als auch der Trikothersteller Christian Ludwig Pietisten viel früher als vielen anderen Glaubens- Hartmut Lehmann, Pietismus und weltliche Ord- Mangelernährung und mangelnde Pflege gab es in lichkeiten aber auch Staatsgläubigkeit und seelische ten, dem Friedhof mit dem frühen Gedenkort von 1962, Maag (1853-1927) sehr wohl ausgesprochen fromm (27). richtungen möglich, Hitler als das zu sehen, was er nung in Württemberg vom 17. bis 20. Jahrhun- Deutschland schon in den ersten Jahren nach der Verrohung durch die nationalsozialistische Propa- dem Schlossgebäude als Sitz der Täter und der nur noch Groz soll auch zeitweise an den pietistischen Stun- wirklich war: ein Rattenfänger (51). dert, Stuttgart 2001; Eberhard Fritz, Radikaler Pi- „Machtergreifung“. ganda bei der Mitwirkung an diesem Verbrechen eine in Umrissen sichtbaren Vernichtungsanlage ver- den teilgenommen haben, in seinen späteren Jah- Dazu die Stellungnahme des Pietisten Martin Gon- etismus in Württemberg. Religiöse Ideale im Kon- Im Zuge der „Aktion T4“ wurde die Euthanasie dann Rolle gespielt zu haben. Bemerkenswert dabei ist, dass schiedene Möglichkeiten der Annäherung an dieses ren allerdings nicht mehr. Ob Christian Ludwig Maag ser, Frickenhausen, Bruder von Gerhard Gonser, Tail- flikt mit gesellschaftlichen Realitäten, Epfen- in zentralen Vernichtungsanstalten wie Grafeneck sich vor allem das ärztliche Leitungspersonal ohne unfassbare Verbrechen. Grafeneck ist nur einer von vie- Pietist war, ist unbekannt. Seine Frau indes war ei- fingen dorf/Neckar 2003; Rosemarie Wehling, Pietismus erstmalig als „arbeitsteiliges Großverbrechen“ orga- Druck oder Angst vor Repressionen entscheiden konn- len Orten, die ein Forum für die nachfolgenden Ge- ne sehr eifrige Altpietistin (28). Auf dieser ausge- Grundsätzlich kann man sicherlich nicht alle „Pi- in Württemberg, in: Hans-Georg und Rosemarie nisiert und durchgeführt. Bisher wurden 48 staatli- te an dem Massenmord mitzumachen. Eine Feststel- nerationen anbietet sich seiner Geschichte zu erin- sprochen schmalen Grundlage lässt sich indes keine etisten“ über einen Kamm scheren. Zunächst will ich Wehling (Hrsgg.), Wegmarken südwestdeutscher che, private und konfessionelle Einrichtungen, vor al- lung die in Übereinstimung mit einer der zentralen nern, sie zu verstehen und hoffentlich Lehren aus ihr tragfähige Aussage über das Wirken des Pietismus in einmal die Ziele des Pietismus von meiner Seite aus for- Geschichte, Stuttgart 2004, S. 167 ff; Ulrike Gleix- lem aus Württemberg, Hohenzollern, Baden, Bayern Thesen des deutsch-amerikanischen Historikers Fritz zu ziehen. Ebingen gründen. mulieren. Das Hauptanliegen des Pietismus war und ner, Pietismus und Bürgertum: Eine historische und Hessen nachgewiesen, aus denen die Opfer Stern zum Erfolg des Nationalsozialismus in Deutsch- Deshalb ein weiterer Versuch: Fassen wir die Män- ist, dem Christusnachfolger zu helfen, dass der Mensch Anthropologie der Frömmigkeit, Württemberg 17. stammten. land steht, dem Versagen der deutschen Eliten und als ner der ersten Stunde ins Auge, überprüfen wir an- eine persönliche Beziehung zu dem Erlöser Jesus Chris- bis 19. Jahrhundert, Göttingen 2005. Über 9.000 der Grafeneck-Opfer können inzwi- deren Ursachen „…Opportunismus, Verwirrung und hand ihres Bücherbesitzes, ob sie Pietisten gewesen tus bekommt. Der Glaube soll nicht nur im Für-wahr- 7) Simon Gonser, Die Entstehung der schwäbischen schen namentlich benannt werden, davon ist bei ei- Karrierismus…“. Verwendete Literatur: sein könnten. Als Quelle dienen uns wieder die be- halten von verschiedenen Dogmen seine Erfüllung fin- Tugenden S. 8. nem Drittel auch der Herkunftsort bekannt. Im Ba- Bis heute gibt es Beispiele, die eigene Schuld zu ver- reits genannten Inventuren und Teilungen. Auf der den, sondern er soll, ja er muss sich im „Alltagsle- 8) Dort S. 8 und 14. linger Stadtarchiv finden sich Informationen zu sechs schleiern, wie beispielsweise der Internetauftritt des – Ernst Klee, „Euthanasie“ im Dritten Reich. Die Ver- Grundlage der einschlägigen Literatur (29) wurden für ben" bemerkbar machen. Zitat von Jesus: Nicht al- 9) Dort S. 15. Opfern, die ursprünglich aus Balingen, Endingen, Rottenmünsters zeigt: nichtung lebensunwerten Lebens, Frankfurt/M., Ebingen 17 (30) und für Tailfingen 11 (31) Männer aus- le, die zu mir Herr, Herr sagen werden in das Reich 10) Dort S. 16. Frommern und Heselwangen stammten und über die „Existentielle Bedrohung für Patienten und Or- vollständig überarbeitete Neuausgabe, 2010. gewählt, die jeweils die ersten und zumeist auch er- der Himmel kommen, sondern die den Willen mei- 11) Stuttgart 1984, S. 9. staatlichen Heil- und Pflegeanstalten Zwiefalten und densgenossenschaft brachte die Zeit des Nationalso- folgreichen – Firmengründer waren. Unter den 17 nes Vaters im Himmel tun. Der Pietist nimmt seine Bi- 12) Stuttgart 1987, S. 301. Weißenau sowie Einrichtungen der inneren Mission der zialismus mit sich. 1941 wurden alle Einrichtungen der – Landeszentrale für politische Bildung Baden-Würt- Ebinger Firmengründern befanden sich vier, bei de- bel sehr genau, und versucht das, was er an An- 13) Leitbilder und geistige Antriebskräfte. In: Otto evangelischen Kirche in Stetten i.R. und Schwäbisch Untermarchtaler Ordensschwestern, einschließlich temberg (Hg.), Grafeneck 1940. „Wohin bringt Ihr nen keine Quellen aufzuspüren waren (31). Drei wei- weisungen darin findet, in die Tat umzusetzen. Er ist al- Borst, Wege in die Welt. Die Industrie im deut- Hall nach Grafeneck deportiert und ermordet wurden. Mutterhaus, enteignet und einem ,Staatstreuhänder' uns?“ NS-„Euthanasie“ im deutschen Südwesten, tere besaßen überhaupt keine Bücher (32), drei wei- so bestrebt, seinem Nächsten Gutes zu tun. Das hat schen Südwesten seit Ausgang des 18. Jahrhun- Auch nach der Schließung der Vernichtungsanstalt unterstellt. Durch die sogenannte ,Euthanasieaktion' Stuttgart 2011. tere hatten wenigstens ein Gesangbuch, nämlich Theo- Auswirkungen in Bezug auf seinen Vorgesetzten und, derts, Stuttgart 1989, S. 23. Grafeneck im Dezember desselben Jahres ging das wurden über 300 Patienten von Rottenmünster in der dor Groz (33), Wilhelm Keller (34) und Christian Lud- sofern er welche hat, seinen Untergebenen gegen- 14) Ebenda, S. 24. Morden weiter – in den Vernichtungslagern des Os- staatlichen Tötungsanstalt Grafeneck ermordet.“ – Gabriel Richter, Die psychiatrische Abteilung des wig Maag (35). Friedrich Haux (36), Traugott Ott (37), Al- über. 15) Protestantische Ethik und Gewerbegeist im Na- tens und in anderen Euthanasieanstalten wie dem hes- Allerdings geschahen die Morde in Grafeneck im Jahr Fürst-Carl-Landeskrankenhauses in Sigmaringen im bert Sauter (38) und Gottlieb Schmid (39) verfügten je- Da sich der Pietist dessen bewusst ist, dass seine Hei- goldtal, in: Blätter für württembergische Kirchen- sischen Hadamar. Aber auch in den Pflegeeinrich- 1940, also noch vor der Enteignung. Die insgesamt ver- „Dritten Reich“, in: ZHG 30./31. Band 1994/95, S. weils über eine größere Zahl von Druckwerken, so dass mat nicht auf Erden ist, also das Leben hier auf die- geschichte 99, 1999, S. 186-207, hier bes. S. 192. tungen wurde weiter gemordet. So gibt es im Stadtar- harmlosende Darstellung der Vorgänge suggeriert dem 241 – 282. der Schreiber auf dem Ebinger Rathaus sich nicht der ser Welt nicht letztgültig ist, sondern bei seinem Herrn 16) Landeskirchliches Archiv Stuttgart, A 29/996: Vi- chiv Balingen Informationen über ein relativ junges Ge- Leser, dass die Ordensgenossenschaft nichts mit der Mühe unterzog, diese einzeln aufzuführen. Nach dem und Erlöser im Himmel, wird er nicht „unter allen Um- sitationsberichte Ebingen 1859, 1869, 1871, 1873, schwisterpaar, das in den Jahren 1944 und 1945 in der Selektion der Mordopfer zu tun hatte. Tatsächlich aber – Sammlung „Euthanasie, KZ-Morde“ im Stadtarchiv Zuschnitt ihrer übrigen Besitztümer dürften die drei ständen“ eine Karriere als Ziel seines Lebens zu su- 1875, 1877, 1880, 1882, 1885, 1887, 1888, 1890, 1892, Pflegeanstalt Zwiefalten kurz hintereinander verstor- erfolgte die Erfassung und Auswahl der Opfer in den je- Balingen. Seite 1789 Heimatkundliche Blätter April 2012 April 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1790

Stadt Nagold, räumt in seinem vor zwölf Jahren er- Letztgenannten kaum zu den bescheiden lebenden Pi- chen. Getreu seinem Herrn und Meister Jesus Chris- 1899. Vgl. dazu Peter Thaddäus Lang, Ebingen am gen 1953, S. 296. Diesem Sachverhalt eignet ein be- 31) Gottlieb Gühring (er heiratete nicht in Ebingen), schienenen Aufsatz gleichermaßen ein, dass ihm ein etisten gehört haben. Von Johannes Mauthe wurde be- tus will er nicht Schätze auf Erden, sondern im Him- Vorabend der Industrialisierung. Der Visitations- sonders hohes Maß an Glaubwürdigkeit, da er von Johannes Keller, Johann Martin Landenberger, Ja- stichhaltiger Nachweis nicht möglich ist (15): „Inwie- reits oben erwähnt, dass er keine kirchlichen Bü- mel sammeln. Das wird auch der Grund sein, dass die bericht des Ebinger Pfarrers aus dem Jahr 1859, einem Tailfinger Pietisten berichtet wird. kob Ott. weit die Fabrikgründer selbst aktive Gemein- cher besaß. Unterm Strich bleiben also in Ebingen nur Gründerpersönlichkeiten der Tailfinger Industrie kei- in: Heimatkundliche Blätter 47, 2000, S. 1241 f., 21) Peter Thaddäus Lang, Theodor Groz (1828-1892) – 32) Friedrich Wilhelm Binder (Stadtarchiv Albstadt, schaftsleute waren, ist mir … aus den Quellen nicht faß- zwei Fabrikanten der ersten Stunde, die pietistische Er- ne Pietisten waren, jedoch mancher mit pietisti- 1245-1247. Aus diesem Bericht geht hervor, dass ein Ebinger Industriepionier. In: Heimatkundli- Stadt Ebingen, Inventuren und Teilungen bar geworden.“ bauungsbücher mit in die Ehe brachten: Johannes scher Prägung (ich denke da z.B. an Johannes Ma- in besagtem Jahr kaum mehr als ein Prozent der Be- che Blätter Mai/Juni 2002. 3469/1843), Jakob Adam Daiber (ebendort, Schauen wir uns also die einschlägigen Quellen an Kauffmann (40) und Gottlieb Maag (41). Demnach ha- yer, den Chef von Mayer & Cie). Der CVJM sowohl in völkerung aktive Pietisten waren. Für Württem- 22) Gerhard Penck, Die phantastische Geschichte der 1991/1827), Andreas Ott (ebendort, 6050/1867). und beginnen wir mit Ebingen: Die dortigen Un- ben wir zwei aus dreizehn, somit fünfzehn Prozent der Tailfingen als auch in Ebingen hat seine Wurzeln di- berg geht Joachim Trautwein von acht Prozent aus, Villen des Friedrich Haux, Tübingen-Berlin 2008. 33) Stadtarchiv Albstadt, Stadt Ebingen, Inventuren terlagen geben keinerlei Hinweise auf den Pietismus in Ebingen maßgeblichen Fabrikanten, die wir dem Pi- rekt im Pietismus. Diese Jungendarbeit prägte da- vgl. ders., Religiosität und Sozialstruktur, Calwer 23) Vgl. die vor wenigen Jahren in Kleinstauflage er- und Teilungen 4497/1852. als Triebkraft der Industrialisierung: Die Visitati- etismus zurechnen können. Was aber darüber hi- mals und auch heute noch viele junge Menschen. Hefte 123, Stuttgart 1972, S. 51, zitiert bei Gonser schienene Biographie von Wilhelm Maute über 34) Ebendort 7212/1877. onsberichte aus der zweiten Hälfte des 19. Jahr- naus zu denken gibt: die beiden frühesten dieser er- Der Pietist wird eher der einfache Arbeiter oder An- (wie Anm. 7), S. 14. Christian Ludwig Maag, vorhanden im Stadtar- 35) Ebendort 7687/1881; neben dem Gesangbuch noch hunderts beispielsweise lassen ganz klar erkennen, dass folgreichen Geschäftsleute, Johannes Mauthe, ge- gestellte sein, dem es ein Anliegen ist, dass es sei- 17) Zu dieser Quellengattung noch immer grundle- chiv Albstadt. verschiedene französische Werke und zwei Bände der Pietismus innerhalb der Ebinger Kirchenge- boren 1807, und Friedrich Wilhelm Binder, geboren nem Chef und er Firma gut geht. Genau so wenig wird gend: Rolf Bidlingmaier, Inventuren und Teilun- 24) Peter Thaddäus Lang, Löwen-Mauthe: Ein Pio- „Illustrierte Welt“. meinde eine eher unbedeutende Rolle spielte (16). Die 1818, scheinen nach Ausweis ihres Bücherbesitzes der er politische Ämter unter allen Umständen anstre- gen. Entstehung und Auswertungsmöglichkeiten nier? In: Heimatkundliche Blätter Januar 1995. 36) Ebendort 8359/1886, im Gesamtwert von 35 Gul- Ebinger Inventuren und Teilungen(17) stützen diese Be- Kirche eher fern gestanden zu haben. ben. Von meinem Urgroßvater, dem „Semma-Jo- einer Quellengruppe in den württembergischen 25) Wie vorige Anm. den. obachtung ab: Nur in 14% dieser den Besitzstand von Kommen wir zu Tailfingen: Zu drei der elf aus- hannes“, weiß ich, dass er für eine Periode am En- Stadt- und Gemeindearchiven, in: Der fur- 26) Freundliche Mitteilung von Herrn Wilhelm Maute. 37) Ebendort 6028/1867, im Gesamtwert von 31 Gul- Eheleuten auflistenden Akten finden sich pietisti- gewählten Fabrikanten finden sich keine Quellen (42). de des 19. Jahrhundert im Tailfinger Gemeindepar- nehmbste Schatz. Ortsgeschichtliche Quellen in 27) Freundliche Mitteilung von Herrn Wilhelm Maute. den und 30 Kreuzer. sche Erbauungsbücher(18), wovon ein Teil sicherlich Bei zwei weiteren (43) haben wir jeweils mehrere Trä- lament war. Er hat dieses Geschäft dann sehr schnell Archiven. Vorträge eines quellenkritischen Kollo- 28) Freundliche Mitteilung von Herrn Wilhelm Mau- 38) Ebendort 6257/1869, im Gesamtwert von zehn nicht selbst erworben, sondern ererbt wurde. ger des gleichen Namens, des gleichen Geburts- abgegeben, weil er seiner Meinung nach Wichtige- quiums im Rahmen der Heimattage Baden-Würt- te; die Frau von Christian Ludwig Maag betref- Gulden. Wenden wir uns nun Tailfingen zu: Hier ist der An- jahrgangs und des gleichen Berufs, so dass eine Iden- res zu tun hatte, und sich mit der „Demokratie und temberg am 23. Oktober 1999 in Pfullingen, hrsg. fend stütze ich mich außerdem auf Erzählungen 39) Ebendort 5561/1863: vier kaufmännische und drei teil der Stundenleute in der Kirchengemeinde zur frag- tifizierung nicht möglich ist. Damit bleiben noch sechs, den vielen Meinungen und Ansichten“ etwas schwer von der Landesarchivdirektion Baden-Württem- meiner Frau, deren Großmutter vor ihrer Verhei- Gebetbücher. lichen Zeit zwar wesentlich höher als in Ebingen (19), von denen zwei lediglich ein Gesangbuch hatten – Mi- tat. Was aber auf jeden Fall bemerkt werden sollte, ist berg, Stuttgart 2001, S. 71-81. Ansonsten vgl. Anja ratung im Hause Maag tätig war. 40) Ebendort 5382/1862. was fraglos für eine größere Rolle des Pietismus in Tail- chael Bitzer (44) und Conrad Maier (45), während die üb- der große Einfluss des Mechanikerpfarrers Philipp R. Benscheidt, Kleinbürgerlicher Besitz. Nürtinger 29) Walter Stettner, Ebingen. Geschichte einer würt- 41) Ebendort 5166/1859. fingen spricht. Ob sich diese Bedeutung auch auf die In- rigen vier überhaupt keine Bücher besaßen; dies sind Matthäus Hahn, ein Vater des Pietismus, der durch sei- Handwerkerinventare von 1660 bis 1840, Müns- tembergischenStadt,Sigmaringen1986,S.366,374, 42) Martin Ammann, Johannes Hakenmüller, Bal- dustrialisierung bezieht, muss allerdings offen blei- Gottlieb Ammann (46), Balthasar Blickle (47), Martin Con- ne Erfindungen letztlich den Boden für die ganze fein- ter/Westf. 1985, S. 7-11. 414-417; Hermann Bizer, Tailfinger Heimatbuch, thasar Maier. ben. Die Tailfinger Stundenbrüder wurden nämlich von zelmann (48) und Johannes Gonser (49). Ein höchst ver- mechanische Industrie und den Maschinenbau im Tal- 18) Die Quellen des Jahres 1878 als Stichprobe. Die- Tailfingen 1953; Karl Bergmann, Die Trikotagen- 43) Johannes Conzelmann und Balthasar Merz. ihren Mitbürgern verspottet, weil sie so viel Zeit mit Be- blüffendes Ergebnis, in der Tat: kein einziger Pietist be- gang gelegt hat. ses Jahr wurde gewählt, weil es wegen der Eröff- industrie in Tailfingen/Württ., Tailfingen 1947, S. 44) Stadtarchiv Albstadt, Stadt Tailfingen, Inventuren ten zubrachten, anstatt zu arbeiten (20). Zweifel- gegnet uns in der Spitzengruppe; und was noch mehr nung der Ebingen passierenden Eisenbahnlinie 70-75. und Teilungen 1968/1875. sohne lässt diese Einstellung der Mehrheit der Tail- verwundert: die Gründer so namhafter Firmen wie gemeinhin als Beginn der Industrialisierung in 30) Für Ebingen: Friedrich Wilhelm Binder, Jakob 45) Ebendort 1567/1867. finger darauf schließen, dass Fleiß und Arbeitsam- Balthas Blickle's Witwe und Martin Conzelmann (EM- Ebingen gilt. Adam Daiber, Theodor Groz, Gottlieb Gühring, 46) Ebendort 1620/1868. keit schon lange vor dem Auftreten des Pietismus in CE) hatten mit Gedrucktem überhaupt nichts am Hut, 19) Dort war die Zahl der Pietisten wesentlich größer, Friedrich Haux, Johannes Kauffmann, Johannes 47) Ebendort 1939/1874. Tailfingen vorhanden waren. waren geschäftlich aber trotzdem überaus erfolg- nämlich im Jahr 1871 etwas mehr als drei Prozent, Keller, Wilhelm Keller, Johann Martin Landen- 48) Ebendort 1358/1862. Die hier herangezogenen Quellen lassen also eine reich. Anmerkungen vgl. Peter Thaddäus Lang, Eckig und unpoliert. Der berger, Christian Ludwig Maag, Gottlieb Maag, Jo- 49) Ebendort 1402/1863. besondere Bedeutung des Pietismus für die Indust- Wie die Dinge gegenwärtig stehen, muss man dem- Visitationsbericht des Tailfinger Pfarrers Adolf hannes Mauthe, Andreas Ott, Jakob Ott, Traugott 50) 100 Jahre Pauluskirche. Evangelische Kirchenge- rialisierung kaum erkennen. Aber vielleicht gibt es noch nach davon ausgehen, dass die Rolle des Pietismus für Kieser aus dem Jahr 1871, in: Heimatkundliche Ott, Albert Sauter, Gottlieb Schmid; für Taifingen: meindeTailfingenimWandelderZeiten1907-2007, andere Quellen und auch noch andere Gesichts- die Entwicklung der Wirtschaft im Württemberg des 1) Herrn Simon Gonser danke ich auch an dieser Stel- Blätter 49, 2002, S. S. 1315-1319, 1324, hier bes. S. Gottlieb Ammann, Martin Ammann, Michael Albstadt-Tailfingen 2007, S. 56. punkte, die bisher in der Diskussion noch nicht be- 19. Jahrhunderts bisher überschätzt wurde. Was je- le für seine äußerst konstruktiven Anregungen. 1316. Für den Bücherbesitz ergeben sich anhand Bitzer, Balthasar Blickle, Johannes Conzelmann, 51) Diese Aussage fußt auf zahlreichen Gesprächen mit rücksichtigt wurden. In Frage kommen beispiels- doch keineswegs bedeutet, dass der Pietismus eine 2) Zum Folgenden: Martin Scharfe, Die Religion des der Inventuren und Teilungen für das Jahr 1871 in Martin Conzelmann, Johannes Gonser, Johannes Pietisten aus dem Raum Albstadt, die ich seit mei- weise die Unternehmer der ersten Stunde. Ein nä- randständige Erscheinung gewesen sei. Seine Be- Volkes. Kleine Kultur- und Sozialgeschichte des Pi- Tailfingen 38 Prozent an pietistischen Büchern. Hakenmüller, Balthasar Maier, Conrad Maier, Bal- nem Amtsantritt in Albstadt November 1986 füh- heres Betrachten ihrer Biographien wird erkennen las- deutung in sozialer und auch in kultureller Hinsicht etismus, Gütersloh 1980, S. 123-130; vgl. auch ders., 20) Hermann Bizer, Tailfinger Heimatbuch, Tailfin- thasar Merz. ren konnte. sen, wie fromm sie waren und ob sie den Pietisten zu- bleibt auf jeden Fall unbestritten. Und wenn man die Pietistische Moral im Industrialisierungsprozeß, in: gerechnet werden können. Leider sind nur einige we- Rolle der Pietisten bei der Abwehr des Nationalso- Burkhard Gladigow (Hrsg.), Religion und Moral, nige der hier in Frage kommenden Personen eini- zialismus im Kirchenkampf betrachtet, so kommt dem Düsseldorf 1976, S. 27-47; ders., Fromme Rebel- germaßen hinlänglich biographisch erfasst. Dies sind: Pietismus sogar eine eminent politische Bedeutung zu. len, religiös begründeter Widerstand gegen Insti- Theodor Groz (21), Friedrich Haux (22), Christian Lud- Das Beispiel Tailfingen mag für viele andere, ähn- tutionen, in: Burkhard Gladigow (Hrsg.), Staat und wig Maag (23) und Johannes Mauthe (24). Der allseits be- lich gelagerte Fälle stehen: Der seit 1927 an der Tail- Religion, Düsseldorf 1981, S. 159-279. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ kannte Ebinger Industriepionier, Johannes Mauthe, finger Pauluskirche amtierende Pfarrer bekannte sich 3) Wiedergegeben bei Martin Scharfe, Die Religion genannt Löwen-Mauthe (1807-1882), war nicht ge- nach 1933 zu dem „Deutsche Christen“ genannten NS- des Volkes (wie Anm. 1), S. 85. rade ein ausgesprochen frommer Mensch. Man sieht Christentum, das unter anderem Jesus zum Arier er- 4) Recherchiert im Internet bei Wikipedia am 27. Au- Grafeneck 1940 - Von Dr. Michael Walther es zum einen an seinem Bücherbesitz, wo Erbau- klärte und das Alte Testament abgeschafft haben woll- gust 2010. ungsliteratur nicht vorhanden ist, und zum andern an te. Deshalb boykottierte die Gemeinde nicht nur sei- 5) Hans-Volkmar Findeisen, wie Anm. 6, Einleitung. Im Jahr 1940 wurden im ehemaligen Samariterstift Gra- ben ist. Natürlich lässt sich die gezielte Tötung an- weiligen Einrichtungen durch das ärztliche Personal dem Umstand, dass er kirchlicherseits gerügt wur- ne Gottesdienste, sondern auch alle anderen kirch- 6) Hier eine kleine Auswahl: Gerhard Schäfer, „Das feneck bei Münsingen auf der Schwäbischen Alb min- hand der Krankenakten nicht nachweisen. des Ordens. de, weil er seine Gesellen auch sonntags arbeiten ließ lichen Veranstaltungen, einschließlich der Sitzungen Gute bewahren, Abwege aber vermeiden“. Zur Ge- destens 10 654 Männer, Frauen und Kinder mit geis- Bei dem „Anstaltspersonal“ – in Grafeneck arbeite- Dennoch: seit den 1980er Jahren, nach vielen Jah- (25). Von Friedrich Haux (1860-1929), königlich-würt- des Kirchengemeinderats. Der Widerstand gegen die- schichte des württembergischen Pietismus, in: tigen Behinderungen und psychischen Erkrankungen ten etwa 100 Männer und Frauen – handelte es sich ren des Schweigens, Verdrängens und Leugnens die- tembergischer Kommerzienrat und um 1900 der sen Pfarrer ging ganz eindeutig von den Tailfinger Pi- BlätterfürwürttembergischeKirchengeschichte82, ermordet. Begründet wurde diese verbrecherische Tat um ganz gewöhnliche Menschen aus der Mitte der Ge- ses „Zivilisationsbruchs“, erfolgt nun durch die For- reichste Fabrikant in Ebingen, war zeitweise Mit- etisten aus. Die Situation wurde für den Pfarrer schließ- 1982, S. 218-236; Hans-Volkmar Findeisen, Pie- mit dem Argument der Stärkung und Gesundung des sellschaft. Thomas Stöckle, Leiter der Gedenkstätte, schung und über Gedenkinitiativen eine Aufarbeitung glied des Ebinger Kirchengemeinderats; ein Pietist war lich dermaßen unerträglich, dass er am 1. Novem- tismus in Fellbach 1750-1820 zwischen sozialem Volkskörpers oder aus zweckrationalen Gründen, wie weist weiterhin darauf hin, dass die Angst vor Re- dieses besonderen Kapitels der deutschen Geschichte. er jedoch sicherlich nicht (26). Dafür aber waren et- ber 1935 aus Tailfingen verschwand (50). Protest und bürgerlicher Anpassung. Zur histo- der Entlastung der öffentlichen Finanzen und der Um- pressionen nur eine untergeordnete Rolle bei der An- Der „Geschichtsort“ Grafeneck bietet mit dem Do- wa sowohl Theodor Groz (1828-1892), der Gründer des Um beim Nationalsozialismus zu bleiben: Auf- risch-sozialen Entwicklungsdynamik eines mille- wandlung von Heilanstalten in kriegswichtige Ein- nahme einer Arbeitsstelle in Grafeneck gespielt hat. Viel kumentationszentrum, der Gedenkstätte mit offener heute weltweit größten Herstellers von Industriena- grund ihrer ausgeprägten Glaubensstrenge war es den naristischen Krisenkults, Phil. Diss. Tübingen 1985; richtungen. Die ersten Euthanasieopfer durch gezielte mehr scheinen Karrierechancen und Verdienstmög- Kapelle, Namensbuch der Opfer und Alphabet-Gar- deln, als auch der Trikothersteller Christian Ludwig Pietisten viel früher als vielen anderen Glaubens- Hartmut Lehmann, Pietismus und weltliche Ord- Mangelernährung und mangelnde Pflege gab es in lichkeiten aber auch Staatsgläubigkeit und seelische ten, dem Friedhof mit dem frühen Gedenkort von 1962, Maag (1853-1927) sehr wohl ausgesprochen fromm (27). richtungen möglich, Hitler als das zu sehen, was er nung in Württemberg vom 17. bis 20. Jahrhun- Deutschland schon in den ersten Jahren nach der Verrohung durch die nationalsozialistische Propa- dem Schlossgebäude als Sitz der Täter und der nur noch Groz soll auch zeitweise an den pietistischen Stun- wirklich war: ein Rattenfänger (51). dert, Stuttgart 2001; Eberhard Fritz, Radikaler Pi- „Machtergreifung“. ganda bei der Mitwirkung an diesem Verbrechen eine in Umrissen sichtbaren Vernichtungsanlage ver- den teilgenommen haben, in seinen späteren Jah- Dazu die Stellungnahme des Pietisten Martin Gon- etismus in Württemberg. Religiöse Ideale im Kon- Im Zuge der „Aktion T4“ wurde die Euthanasie dann Rolle gespielt zu haben. Bemerkenswert dabei ist, dass schiedene Möglichkeiten der Annäherung an dieses ren allerdings nicht mehr. Ob Christian Ludwig Maag ser, Frickenhausen, Bruder von Gerhard Gonser, Tail- flikt mit gesellschaftlichen Realitäten, Epfen- in zentralen Vernichtungsanstalten wie Grafeneck sich vor allem das ärztliche Leitungspersonal ohne unfassbare Verbrechen. Grafeneck ist nur einer von vie- Pietist war, ist unbekannt. Seine Frau indes war ei- fingen dorf/Neckar 2003; Rosemarie Wehling, Pietismus erstmalig als „arbeitsteiliges Großverbrechen“ orga- Druck oder Angst vor Repressionen entscheiden konn- len Orten, die ein Forum für die nachfolgenden Ge- ne sehr eifrige Altpietistin (28). Auf dieser ausge- Grundsätzlich kann man sicherlich nicht alle „Pi- in Württemberg, in: Hans-Georg und Rosemarie nisiert und durchgeführt. Bisher wurden 48 staatli- te an dem Massenmord mitzumachen. Eine Feststel- nerationen anbietet sich seiner Geschichte zu erin- sprochen schmalen Grundlage lässt sich indes keine etisten“ über einen Kamm scheren. Zunächst will ich Wehling (Hrsgg.), Wegmarken südwestdeutscher che, private und konfessionelle Einrichtungen, vor al- lung die in Übereinstimung mit einer der zentralen nern, sie zu verstehen und hoffentlich Lehren aus ihr tragfähige Aussage über das Wirken des Pietismus in einmal die Ziele des Pietismus von meiner Seite aus for- Geschichte, Stuttgart 2004, S. 167 ff; Ulrike Gleix- lem aus Württemberg, Hohenzollern, Baden, Bayern Thesen des deutsch-amerikanischen Historikers Fritz zu ziehen. Ebingen gründen. mulieren. Das Hauptanliegen des Pietismus war und ner, Pietismus und Bürgertum: Eine historische und Hessen nachgewiesen, aus denen die Opfer Stern zum Erfolg des Nationalsozialismus in Deutsch- Deshalb ein weiterer Versuch: Fassen wir die Män- ist, dem Christusnachfolger zu helfen, dass der Mensch Anthropologie der Frömmigkeit, Württemberg 17. stammten. land steht, dem Versagen der deutschen Eliten und als ner der ersten Stunde ins Auge, überprüfen wir an- eine persönliche Beziehung zu dem Erlöser Jesus Chris- bis 19. Jahrhundert, Göttingen 2005. Über 9.000 der Grafeneck-Opfer können inzwi- deren Ursachen „…Opportunismus, Verwirrung und hand ihres Bücherbesitzes, ob sie Pietisten gewesen tus bekommt. Der Glaube soll nicht nur im Für-wahr- 7) Simon Gonser, Die Entstehung der schwäbischen schen namentlich benannt werden, davon ist bei ei- Karrierismus…“. Verwendete Literatur: sein könnten. Als Quelle dienen uns wieder die be- halten von verschiedenen Dogmen seine Erfüllung fin- Tugenden S. 8. nem Drittel auch der Herkunftsort bekannt. Im Ba- Bis heute gibt es Beispiele, die eigene Schuld zu ver- reits genannten Inventuren und Teilungen. Auf der den, sondern er soll, ja er muss sich im „Alltagsle- 8) Dort S. 8 und 14. linger Stadtarchiv finden sich Informationen zu sechs schleiern, wie beispielsweise der Internetauftritt des – Ernst Klee, „Euthanasie“ im Dritten Reich. Die Ver- Grundlage der einschlägigen Literatur (29) wurden für ben" bemerkbar machen. Zitat von Jesus: Nicht al- 9) Dort S. 15. Opfern, die ursprünglich aus Balingen, Endingen, Rottenmünsters zeigt: nichtung lebensunwerten Lebens, Frankfurt/M., Ebingen 17 (30) und für Tailfingen 11 (31) Männer aus- le, die zu mir Herr, Herr sagen werden in das Reich 10) Dort S. 16. Frommern und Heselwangen stammten und über die „Existentielle Bedrohung für Patienten und Or- vollständig überarbeitete Neuausgabe, 2010. gewählt, die jeweils die ersten und zumeist auch er- der Himmel kommen, sondern die den Willen mei- 11) Stuttgart 1984, S. 9. staatlichen Heil- und Pflegeanstalten Zwiefalten und densgenossenschaft brachte die Zeit des Nationalso- folgreichen – Firmengründer waren. Unter den 17 nes Vaters im Himmel tun. Der Pietist nimmt seine Bi- 12) Stuttgart 1987, S. 301. Weißenau sowie Einrichtungen der inneren Mission der zialismus mit sich. 1941 wurden alle Einrichtungen der – Landeszentrale für politische Bildung Baden-Würt- Ebinger Firmengründern befanden sich vier, bei de- bel sehr genau, und versucht das, was er an An- 13) Leitbilder und geistige Antriebskräfte. In: Otto evangelischen Kirche in Stetten i.R. und Schwäbisch Untermarchtaler Ordensschwestern, einschließlich temberg (Hg.), Grafeneck 1940. „Wohin bringt Ihr nen keine Quellen aufzuspüren waren (31). Drei wei- weisungen darin findet, in die Tat umzusetzen. Er ist al- Borst, Wege in die Welt. Die Industrie im deut- Hall nach Grafeneck deportiert und ermordet wurden. Mutterhaus, enteignet und einem ,Staatstreuhänder' uns?“ NS-„Euthanasie“ im deutschen Südwesten, tere besaßen überhaupt keine Bücher (32), drei wei- so bestrebt, seinem Nächsten Gutes zu tun. Das hat schen Südwesten seit Ausgang des 18. Jahrhun- Auch nach der Schließung der Vernichtungsanstalt unterstellt. Durch die sogenannte ,Euthanasieaktion' Stuttgart 2011. tere hatten wenigstens ein Gesangbuch, nämlich Theo- Auswirkungen in Bezug auf seinen Vorgesetzten und, derts, Stuttgart 1989, S. 23. Grafeneck im Dezember desselben Jahres ging das wurden über 300 Patienten von Rottenmünster in der dor Groz (33), Wilhelm Keller (34) und Christian Lud- sofern er welche hat, seinen Untergebenen gegen- 14) Ebenda, S. 24. Morden weiter – in den Vernichtungslagern des Os- staatlichen Tötungsanstalt Grafeneck ermordet.“ – Gabriel Richter, Die psychiatrische Abteilung des wig Maag (35). Friedrich Haux (36), Traugott Ott (37), Al- über. 15) Protestantische Ethik und Gewerbegeist im Na- tens und in anderen Euthanasieanstalten wie dem hes- Allerdings geschahen die Morde in Grafeneck im Jahr Fürst-Carl-Landeskrankenhauses in Sigmaringen im bert Sauter (38) und Gottlieb Schmid (39) verfügten je- Da sich der Pietist dessen bewusst ist, dass seine Hei- goldtal, in: Blätter für württembergische Kirchen- sischen Hadamar. Aber auch in den Pflegeeinrich- 1940, also noch vor der Enteignung. Die insgesamt ver- „Dritten Reich“, in: ZHG 30./31. Band 1994/95, S. weils über eine größere Zahl von Druckwerken, so dass mat nicht auf Erden ist, also das Leben hier auf die- geschichte 99, 1999, S. 186-207, hier bes. S. 192. tungen wurde weiter gemordet. So gibt es im Stadtar- harmlosende Darstellung der Vorgänge suggeriert dem 241 – 282. der Schreiber auf dem Ebinger Rathaus sich nicht der ser Welt nicht letztgültig ist, sondern bei seinem Herrn 16) Landeskirchliches Archiv Stuttgart, A 29/996: Vi- chiv Balingen Informationen über ein relativ junges Ge- Leser, dass die Ordensgenossenschaft nichts mit der Mühe unterzog, diese einzeln aufzuführen. Nach dem und Erlöser im Himmel, wird er nicht „unter allen Um- sitationsberichte Ebingen 1859, 1869, 1871, 1873, schwisterpaar, das in den Jahren 1944 und 1945 in der Selektion der Mordopfer zu tun hatte. Tatsächlich aber – Sammlung „Euthanasie, KZ-Morde“ im Stadtarchiv Zuschnitt ihrer übrigen Besitztümer dürften die drei ständen“ eine Karriere als Ziel seines Lebens zu su- 1875, 1877, 1880, 1882, 1885, 1887, 1888, 1890, 1892, Pflegeanstalt Zwiefalten kurz hintereinander verstor- erfolgte die Erfassung und Auswahl der Opfer in den je- Balingen. Seite 1791 Heimatkundliche Blätter April 2012

– Fritz Stern, Deutschland 1933 – fünfzig Jahre da- neck 1939-1941. Die Täter – Ganz normale Deut- – Vinzenz von Paul Hospital gGmbH, Rottenmünster nach, in: Ders., Der Traum vom Frieden und die Ver- sche?, Vortrag vom 27.01.2012 (www.gedenkstaette- (www.vvph.de). suchung der Macht. Deutsche Geschichte im 20. grafeneck.de). Jahrhundert, München 2006, S. 144 – 174. – Henning Tümmers, Justitia und die Krankenmorde. – Thomas Stöckle, Grafeneck 1940. Die Euthanasie- Der „Grafeneck-Prozess“ in Tübingen, in: Stefanie Verbrechen in Südwestdeutschland, Tübingen, 3., Westermann, Richard Kühl, Tim Ohnhäuser (Hrsg.), Am 14. Juli veranstaltet die Heimatkundliche Verei- erweiterte Auflage 2012. NS-„Euthanasie“ und Erinnerung. Vergangenheits- nigung eine Exkursion zur Gedenkstätte Grafeneck aufarbeitung – Gedenkformen – Betroffenenper- sowie zur Dauerausstellung der Erinnerungsstätte – Ders., Die NS-„Euthanasie“-Verbrechen in Grafe- spektiven, Münster u.a. 2011, S. 95 – 119. Matthias Erzberger in Buttenhausen.

Jahrgang 59 30. April 2012 Nr. 4 Exkursionen und Termine (1) Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung im Mai und Juni Motor der Industrialisierung? MAI tung Dürrwangen. Von dort kann man auf ver- fingen und der Wasserfall bei Laufen auf dem Pro- schlungenen Wegen entlang der Eyach zum Aus- gramm. Nach einer kleinen Mittagspause führt uns Dr. Die Bedeutung des Pietismus in Altwürttemberg - Von Dr. Peter Thaddäus Lang Samstag, 5. Mai: Jungingen, Stadtrundgang durch die gangspunkt zurückkehren. Neben herrlichen Ausbli- Hans Schimpf-Reinhardt durch das Gerberviertel in Geschichte des Ortes im Killertal. cken wird die Exkursionsleiterin auch interessante In- Balingen. Anschließend wird der Rosengarten in Hai- Dass der Pietismus die Industrialisierung in Alt- Dr. Peter Th. Lang konnte den Junginger Heimat- formationen und Forschungsergebnisse bieten. Am gerloch besichtigt und eine Führung durch die Im- württemberg vorangetrieben hat, das ist eine im forscher Ludwig Bosch für eine Führung durch den Ort Wanderweg liegen verschiedene Einkehrmöglichkei- nauer Mineralquellen angeboten. Abschlusseinkehr ist Schwabenland weit verbreitete und lieb gewordene mit seinen beschaulichen Plätzen und Gassen ge- ten. Sollten sich bei dem einen oder anderen Teil- in Bad Imnau. Abfahrt in Balingen, Stadthalle 7:30 Uhr Vorstellung, die insbesondere von den Pietisten selbst winnen, der sich in den Jahrhunderten von einem ar- nehmer „Gehbeschwerlichkeiten“ einstellen, ist für ei- und in Ebingen, Busbahnhof um 8:00 Uhr. Umlage 25 sehr geschätzt wird. Dabei handelt es sich aller- men Bauern- und Handwerkerdorf zu einem Indust- nen Rücktransport zum Ausgangspunkt gesorgt. Treff- Euro. dings um eine wissenschaftlich schon vor vielen Jah- rieort, mit heute rd. 1000 Arbeitsplätzen, entwickelt hat. punkt ist um 9:30 Uhr am TSV Sportheim in Balin- ren angezweifelte Auffassung, denn bereits 1980 trat Die Pfarrkirche St. Sylvester birgt ganz interessante gen-Frommern. Teilnahme frei. Montag, 25. Juni. Georg Elsner. Allein gegen Hitler. der renommierte Tübinger Kulturwissenschaftler Mar- Dinge: Reste eines Hochaltars aus der einstigen He- Gastspiel des Theaters Lindenhof , Melchingen. tin Scharfe dieser Sehweise in seiner Habilitations- chinger Schlosskapelle, Skulpturen, Reliefs und ein Donnerstag, 24. Mai: Eröffnung der Ausstellung und Bei hinreichender Teilnehmerzahl erhält die Hei- schrift mit überzeugenden Argumenten entgegen (2). Kreuz, das um das 15./16. Jh. datiert wird. Treffpunkt Vortrag: „Ich habe den Krieg verhindern wollen“. Ge- matkundliche Vereinigung einen Gruppenpreis, da- Drei Punkte macht Scharfe geltend, die er jeweils pe- ist vor dem Museum bei der Kirche um 15:00 Uhr. Teil- org Elser und das Attentat vom 8. November 1939. Ei- her bitten wir um frühzeitige Anmeldungen. Balin- nibel mit Belegen aus den Quellen abstützt, so wie es nahme frei. ne Dokumentation der Landeszentrale für politi- gen, Stadthalle. Beginn 19:00 Uhr. Eintritt 13 Euro, sich für eine wissenschaftliche Arbeit von Rang ge- sche Bildung Baden-Württemberg und der Gedenk- Schüler 8 Euro. hört. Montag, 7. Mai: Ein Eisenbahnerlebnistag: Rund- stätte Deutscher Widerstand. Realisiert mit För-de- Erstens: Stärker als die charakterbildende Kraft des fahrt mit der HZL: Balingen – Hechingen – Gam- rung durch die Landesstiftung Baden-Württemberg. Donnerstag, 28. Juni: Naturschutzzentrum Ruhe- Religiösen, so Scharfe, habe die „vom Maschinen- mertingen – Sigmaringen mit unserem ‚Zugbeglei- Am 8. November 1939 versuchte der Schreiner Jo- stein und Gengenbach. takt bestimmte Disziplin“ gewirkt. „Die Neuerung der ter‘ Albrecht Dorow. hann Georg Elser aus Königsbronn, Adolf Hitler im Die Leitung bei dieser Tagesexkursion in den Produktionsweise stellt derart radikale Anforderun- In Killer wird die Herstellung und Verwendung der Münchener Bürgerbräukeller. Hitler verließ allerdings Schwarzwald hat Bodo-Lothar Fritschen. Unter dem gen an die Menschen, daß alle asketischen An- vielen unterschiedlichen Peitschen und Geiseln ge- wenige Minuten vor der Explosion den Versamm- Thema „Die Schwarzwaldhochstraße – Geschichte und strengungen und Traditionen des Pietismus allen- zeigt. In Gammertingen erfahren wir Interessantes über lungssaal. Elser wurde noch am selben Tag in Kons- Geschichten“ ist zunächst eine Information im Na- falls vorab geleistete Fingerübungen zur Eingewöh- Geschichte, Entwicklung und heutige Bedeutung der tanz verhaftet und kam zunächst in das KZ Sachsen- turschutzzentrum Ruhestein vorgesehen. Am Nach- nung sind – keineswegs Impulse zur Weiterent- Hohenzollerischen Landesbahn. Es folgt die Besich- hausen, später nach Dachau, wo er am 9. April 1945 er- mittag steht eine rund 2-stündige Stadtführung in Gen- wicklung. Die Maschine erzieht und prägt unerbitt- tigung des Wasserwerks des Zweckverbands Wasser- schossen wurde. Die Landeszentrale für politische Bil- genbach und die Besichtigung der Paramenten- licher als die „Stunde“. versorgung Zollernalb in Hermentingen, wo die Gal- dung hat in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte sammlung auf dem Programm. Abfahrt in Albstadt- Zweitens:NichteinvomPietismusausgehenderFleiß lusquelle, die größte Karstquelle Hohenzollerns, zu Deutscher Widerstand in Berlin und gefördert durch Ebingen am Busbahnhof (7:00 Uhr), Balingen an der habe zu einer gewissen Wohlhabenheit geführt, son- Trinkwasser aufbereitet wird. Ein Spaziergang führt ins die Landesstiftung Baden-Württemberg eine Ausstel- Stadthalle (7:30 Uhr). 30 Euro Umlage schließen ein: dern es sei gerade anders herum gewesen: „[Der] Pi- schöne Laucherttal, nach Veringenstadt. In Sigma- lung geschaffen, die die Erinnerung an diesen muti- Fahrt, Eintritte und Führungen. etismus […] habe sich nur dort entfalten können, wo ei- ringen besuchen wir den Fürstengarten, die evange- gen Mann wach halten und vertiefen soll. Der Jour- ne bestimmte Produktions- und Lebensweise gege- lische Stadtkirche und die Josefskapelle. Durch die His- nalist Ulrich Renz, Autor des Buches über Elser „Ein ben war.“ Das heißt im Klartext: Die armen Pietis- torische Innenstadt gelangen wir wieder zum Bahn- Meister der Tat“, der zugleich die Schriftenreihe der Ge- Stammtische ten blieben arm (also etwa die auf der Alb) und die rei- hof und fahren durch das wildromantische Schmei- org Elser Gedenkstätte in Königsbronn betreut, wird chen Pietisten wurden noch reicher. Als Beispiel führt ental über Albstadt. Die Rundfahrt mit der Landes- den Einführungsvortrag halten. Landratsamt Zol- Jeweils am 1. Mittwoch eines Monats trifft sich un- er die Verhältnisse im unteren Remstal an, womit die bahn beginnt in Albstadt-Ebingen (7:03 Uhr) und führt lernalbkreis, Balingen, Hirschbergstr. 29 (Sitzungs- ter der Ebinger Stammtische unter der Leitung von Dr. reichen Pietisten gemeint sind, die noch reicher wur- über Balingen (7:34 Uhr) und Hechingen (8:03 Uhr). saal). Beginn 19:30 Uhr. Eintritt frei. Peter Th. Lang im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 den. Die Umlage von 30 Euro schließt Fahrt und Führun- Albstadt-Ebingen: Telefon 07431 4188. Drittens: Die Stundenleute seien der aufkom- Das so genannte „Fünf-Brüder-Bild“, das Persönlichkeiten aus dem württembergischen Pietismus zeigt. Von links: Johann Schnait- gen mit ein. menden Industrie mit ihrer immer stärker hervor- mann, Anton Egeler, Johann Martin Schäffer, Immanuel Gottlieb Kolb, Johann Michael Hahn. Quelle: Stadtarchiv Albstadt tretenden Dominanz des Maschinenwesens eher re- Samstag, 19. Mai: Kunst- und Geschichtswanderung Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- serviert gegenüber gestanden; so „übten sich die Pi- rung im Jahr 2001 den Lehrstuhl für Europäische Eth- rung Scharfes wird die Ansicht von der enormen Prä- „Auf dem Panoramaweg rund um Frommern und schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- etisten der unteren Klassen … in Akten geistlichen Ma- nologie und Kulturforschung innehatte (4). Seine Ha- gekraft des Pietismus in den mehr volkstümlichen Weilstetten“ mit Dr. Ingrid Helber. JUNI chingen, Telefon 07471-15540 / Fax 07471-12283, schinensturms.“ Nicht umsonst bewegt sich auf dem bilitationsschrift wirbelte vor allem in den pietisti- Überblicksdarstellungen wieder und wieder vertre- Zunächst geht es zum Standort des einst vom be- Email: Bild „Der breite und der schmale Weg“ im Bereich des schen Gemeinschaften viel Staub auf (5), aber eine wis- ten. So schreibt Günter Huhndorf in seinem sei- rühmten württembergischen Baumeister Heinrich [email protected] breiten – moralisch verwerflichen – Wegs eine Ei- senschaftliche Entgegnung erfolgte, so weit ersicht- nerzeit viel gelesenen „Wurzeln des Wohlstands“: Schickhardt für Friedrich von Tegernau geplanten Montag, 4. Juni bis Mittwoch, 6. Juni: Studienfahrt oder über unsere Homepage senbahn (3). Dieses seinerzeit in zahllosen schwäbi- lich, bisher nicht. Die neueren Veröffentlichungen zum „... Ein religiöser, zeitweise pietistischer Antrieb er- Schlösschens bis zur Kirche und zum „Fronhof“. Ent- zur Kapfenburg, ins Nördlinger Ries und ins Härts- www.heimatkundliche-vereinigung.de schen Wohnungen vorhandene Bild kann als gra- Thema Pietismus gehen allesamt an den Einwen- klärt manches“(11). Wesentlich deutlicher äußert sich lang der Weinberge in herrlicher Südlage mit Blick auf feld. phisch gestaltetes Programm des schwäbischen Pi- dungen von Scharfe vorbei und befassen sich wie- der ehemalige Stuttgarter Ordinarius Willi A. Boel- die Albkette wandert man dann zum Hummelberg Für die 3-tägige Studienfahrt ins Ries und aufs Härts- Bei allen Veranstaltungen sind Gäste jederzeit herz- etismus gelten. derholt schwerpunktmäßig mit sozialgeschichtlichen cke in seinem Standardwerk „Wirtschaftsgeschichte (Erddeponie Hölderle) und nach Weilstetten, Rich- feld sind nur noch wenige Plätze frei. Unter der Lei- lich willkommen. Und hier noch ein weiteres Argument: Wenn der Pi- Aspekten (6). In diesem Kontext steht die im Win- Baden-Württembergs“: „Der Typ des Handwerker-Un- tung von Wolfgang Willig besuchen die Teilnehmer in etismus die Wirtschaft dermaßen angekurbelt hat, wie tersemester 2004/05 an der Universität Freiburg an- ternehmers, bescheiden, pietistisch, sparsam, emsig, den drei Tagen Niederlassungen des Deutschen Or- oftmals behauptet, dann müssten doch die örtli- gefertigte Seminararbeit über das Thema „Die Ent- der Tüftler, Bastler, Schaffer oder Brettlesbohrer, der dens, die Schlössern der Grafen Öttingen sowie die ehe- chen Zentren dieser Glaubensausprägung naturge- stehung der schwäbischen Tugenden im Zusam- die Muße wie die Todsünde fürchtete, war damals vor- malige Reichsstadt Nördlingen und das Kloster Ne- Herausgegeben von der mäß auch im Wirtschaftsleben eine bedeutsame Rol- menhang mit dem Einfluss des Pietismus in Würt- herrschend“(12). Otto Borst, vormals angesehener His- resheim. Abfahrtszeiten und Preise auf Anfrage oder Heimatkundlichen Vereinigung le spielen – zu denken ist an pietistische Hochbur- temberg (16. bis 18. Jahrhundert)“ von Simon Gon- toriker an der Universität Stuttgart, gerät schon fast auf unserer Homepage. Zollernalb gen wie Korntal, Walddorfhäslach, oder Wilhelms- ser. Ohne auf Martin Scharfe einzugehen stellt er fest, ins Schwärmen, wenn er auf dieses Thema zu schrei- Die Autoren dieser Ausgabe dorf. Diese drei Kommunen als Wirtschafts-Stand- dass der Pietismus „kaum unmittelbare Auswirkun- ben kommt: „Der Pietismus ist hier in Altwürttem- Sonntag, 10. Juni: Romanik und Ruinen, Rundgang Vorsitzender: orte von überragender Bedeutung zu bezeichnen wä- gen“ auf die Industrialisierung in Württemberg ge- berg der Industrialisierung entgegengekommen wie si- um Burgfelden. Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, re mit Sicherheit verfehlt. Eine weitere Beobachtung habt habe (7). Auf die schwäbischen Tugenden Fleiß, cherlich in keinem deutschen Territorium sonst. Wenn Dr. Michael Walther Die Balinger Kunsthistorikerin Dr. Ingrid Helber lädt 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 ist hier noch hinzuzufügen: In keinem der großen re- Ordnungsliebe, Sparsamkeit und Sauberkeit, so Gon- wir von den geistigen Antriebskräften der Industrie Schwanenstr. 13 zu einer Ortserkundung nach Albstadt-Burgfelden ein. präsentativen Nachschlagewerke, sei es „Die Religi- ser, wirkten neben dem Pietismus noch andere Kräf- hierzulande reden, dann haben wir in tiefster und ge- 72336 Balingen Zunächst erfolgt die Besichtigung der alten Micha- Geschäftsführung: on in Geschichte und Gegenwart“, die „Theologi- te wie die große Armut im vorindustriellen Würt- wichtigster Hinsicht auf das ethische Instrumenta- elskirche. Danach folgt ein Rundgang durch den Ort Erich Mahler, Mörikeweg 6, scheRealenzyklopädie“,das„LexikonfürTheologieund temberg (8), denn nur mit Fleiß und Sparsamkeit war rium der Pietisten zu verweisen. Sie haben diese In- und zum Böllat mit herrlicher Aussicht über das Land. 72379 Hechingen, Kirche“ oder auch „nur“ die „gewöhnlichen“ Lexika dort ein Überleben möglich. Außerdem führt er die dustrie hier in ihren Profilen, ja in ihrer Sinnge- Dr. Peter Thaddäus Lang Anschließend eine kleine Wanderung zur Schalks- Telefon (0 74 71) 1 55 40 wie der „Brockhaus“ oder „Meyers enzyklopädisches weltliche Gesetzgebung an, insbesondere die Gene- bung ebenso geprägt wie den altwürttembergischen Lammerbergstraße 53 burg. Beginn 14:00 Uhr vor der alten Michaelskirche. E-Mail: e. [email protected] Lexikon“ – nirgendwo findet man auch nur den lei- ralreskripte der Herzöge, beispielsweise das Reskript Volkscharakter im allgemeinen ...“(13). Wenig später im 72461 Albstadt Teilnahme frei. sesten Hinweis auf die wirtschaftlichen Auswirkun- von Herzog Eberhard III. aus dem Jahr 1658, das christ- Text wird ihm allerdings klar, dass er damit wohl doch Redaktion: gen des schwäbischen Pietismus. liche Sittlichkeit und Wohlanständigkeit zum Ziel hat- schon den Boden der Wissenschaftlichkeit verlassen Freitag, 22. Juni: „Entlang der Eyach“ mit Margarete Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, Aufgrund seiner Habilitationsschrift erhielt der ge- te (9), oder ein Reskript aus dem Jahr 1677 gegen nächt- hat: „Ob wir je mit Statistiken und abgesicherten Ver- Bühler-Weber. 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 bürtige Schwabe Martin Scharfe 1985 einen Ruf an die liches Johlen, Tanzen und Kleiderpracht (10). gleichszahlen werden aufwarten können, bezweifelt Zunächst stehen die Eyach-Quelle oberhalb Pfef- Universität Marburg, wo er bis zu einer Emeritie- Trotz der noch immer unwiderlegten Beweisfüh- man sehr ...“(14). Rainer Prewo, Oberbürgermeister der Seite 1795 Heimatkundliche Blätter Mai 2012

VERWENDETE LITERATUR: – Sammlung „Euthanasie, KZ-Morde“ im Stadtarchiv – Henning Tümmers, Justitia und die Krankenmorde. Balingen. Der „Grafeneck-Prozess“ in Tübingen, in: Stefanie – Ernst Klee, „Euthanasie“ im Dritten Reich. Die Ver- – Fritz Stern, Deutschland 1933 – fünfzig Jahre da- Westermann, Richard Kühl, Tim Ohnhäuser (Hrsg.), nichtung lebensunwerten Lebens, Frankfurt/M., nach, in: Ders., Der Traum vom Frieden und die Ver- NS-„Euthanasie“ und Erinnerung. Vergangenheits- vollständig überarbeitete Neuausgabe, 2010. suchung der Macht. Deutsche Geschichte im 20. aufarbeitung – Gedenkformen – Betroffenenper- – Landeszentrale für politische Bildung Baden-Würt- Jahrhundert, München 2006, S. 144 – 174. spektiven, Münster u.a. 2011, S. 95 – 119. temberg (Hg.), Grafeneck 1940. „Wohin bringt Ihr – Thomas Stöckle, Grafeneck 1940. Die Euthanasie- – Vinzenz von Paul Hospital gGmbH, Rottenmünster uns?“ NS-„Euthanasie“ im deutschen Südwesten, Verbrechen in Südwestdeutschland, Tübingen, 3., (www.vvph.de) Stuttgart 2011. erweiterte Auflage 2012. – Gabriel Richter, Die psychiatrische Abteilung des – Ders., Die NS-„Euthanasie“-Verbrechen in Grafe- Am 14. 7. 2012 veranstaltet die Heimatkundliche Ver- Fürst-Carl-Landeskrankenhauses in Sigmaringen im neck 1939-1941. Die Täter – Ganz normale Deut- einigung eine Exkursion zur Gedenkstätte Grafe- „Dritten Reich“, in: ZHG 30./31. Band 1994/95, S. sche?, Vortrag vom 27.01.2012 (www.gedenkstaette- neck sowie zur Dauerausstellung der Erinnerungs- 241 – 282. grafeneck.de). stätte Matthias Erzberger in Buttenhausen. Jahrgang 59 31. Mai 2012 Nr. 5 Exkursionen und Termine Ein waschechter Schwabe Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung im Juni und Juli Karl Friedrich Reinhard: Seine Wurzeln und Verwandten - Von Prof. Dr. Günther Schweizer

JUNI ze Einführung über die frühere Laufener Papiermühle JULI In der September-Nummer 2011 der Heimatkundli- geben. Nach einer Mittagspause führt Dr. Schimpf- chen Blätter wurde des 250. Geburtstags von Karl Fried- Reinhardt dann durch das Balinger Gerberviertel und Mittwoch, 4. Juli: Führung für die Mitglieder der Hei- rich Reinhard gedacht, der im Titel zu Recht als „Frank- Montag, 4. Juni bis Mittwoch, 6. Juni: 3-tägige Stu- erläutert die Renaturierung der Eyach. Das nächste Ziel matkundlichen Vereinigung durch die Ausstellung: reichs Schwabe Nummer 1“ bezeichnet wurde. Tal- dienfahrt zur Kapfenburg, ins Ries und aufs Härts- sind die Imnauer Mineralquellen mit der neuen PET- „Ich habe den Krieg verhindern wollen“. Georg El- leyrand nannte den ehemaligen Tübinger Studenten, feld unter der Reiseleitung von Wolfgang Willig. Abfüllanlage. Abschließend besuchen wir den Hai- ser und das Attentat vom 8. November 1939. Sohn des Balinger Dekans, später Diplomat und Mi- Die Teilnehmer besuchen in den 3 Tagen Niederlas- gerlocher Rosengarten mit seinen 5.000 qm und 10.000 Balingen, Foyer Landratsamt Zollernalbkreis, 16:30 nister in französischen Diensten, das „Geschenk Tü- sungen des Deutschen Ordens und Schlösser der Gra- Rosen in 400 Sorten. Auf der Fahrt zum Bahnhof Ey- Uhr, Teilnahme frei. bingens an Frankreich“. Über das Leben und die un- fen Oettingen sowie die ehemalige Reichsstadt Nörd- ach können die Naturschönheiten mit den weiten gewöhnliche Laufbahn von Reinhard wurde in diesen lingen und das Benediktinerkloster Neresheim. Bachschlaufen bewundert werden, bevor die Eyach in Samstag, 14. Juli: Tagesexkursion nach Buttenhau- Blättern bereits berichtet, und im Rahmen der Mit- den Neckar mündet. Die Abschlusseinkehr ist in Bad sen und Grafeneck mit Dr. Michael Walther. gliederversammlung der Heimatkundlichen Vereini- Sonntag, 10. Juni: Romanik und Ruinen, Rundgang Imnau. Der kurze Spaziergang zur Quelle ist etwas steil Abfahrt Albstadt-Ebingen, Busbahnhof 7:30 Uhr, Ba- gung wird Ingeborg Grolle in einem Vortrag dieses The- um Burgfelden mit Dr. Ingrid Helber. und gutes Schuhwerk ist daher zu empfehlen. Abfahrt lingen, Stadthalle 8 Uhr, Hechingen 8:30 Uhr. Umlage ma vertiefen1. Der kleinste, auf der Albhochfläche gelegene Teilort in Balingen, Stadthalle 7:30 Uhr und in Ebingen, Bus- 30 Euro für Fahrt, Eintritte und Führungen. Das Anliegen dieses Beitrages ist ein anderes. Dem Albstadts war im Früh- und Hochmittelalter wohl Mit- bahnhof 8 Uhr. Umlage 25 Euro für Fahrt, Eintritte Autor geht es nicht um die höchst interessante Bio- telpunkt einer Adelsherrschaft und gehörte spätestens und Führungen. Donnerstag, 19. Juli: Tagesexkursion nach Markdorf graphie des Mannes, sondern um seine Einbettung und seit 1266 zur Herrschaft Zollern-Schalksburg. Mit die- (Orgelmusik) und Meersburg (Stadtführung, Be- Verflechtung im genealogischen Netzwerk der schwä- ser ging der Ort 1403 an Württemberg über. Zunächst sichtigung Neues Schloss) mit Wilfried Groh. bischen Ehrbarkeit, um den Platz seiner Familie in der erfolgt die Besichtigung der alten Michaelskirche mit Neuer Termin: Montag, 25. Juni: Georg Elser. „Allein Abfahrtstermine werden noch genannt. Umlage, 30 Eu- bürgerlichen Elite Württembergs. Die „Ehrbarkeit“ ist ihren berühmten romanischen Fresken aus dem 11. gegen Hitler“. Gastspiel des Theaters Lindenhof, Mel- ro für Fahrt, Eintritte und Führungen. ein Thema, das seit der Doktorarbeit des unvergesse- Jahrhundert. Ihre Bedeutung liegt in der künstleri- chingen. Volksstück von Dieter de Lazzer und Felix nen Landeshistorikers Hansmartin Decker-Hauff im schen und inhaltlichen Qualität sowie in der Tatsa- Huby. Samstag, 28. Juli: Besuch der Ausstellung „Herren von Jahre 1946 zu einem Begriff wurde und heute eine wis- che, dass die Fresken von der Reichenauer Gestaltung Johann Georg Elser, 1903 auf der Ostalb geboren, Zimmern“ in Meßkirch mit Doris Muth M.A. senschaftliche Renaissance zu erleben scheint2. des 10. und 11. Jahrhunderts abweichen. Anschlie- Schreiner von Beruf, fasste 1938 den einsamen Ent- Abfahrtstermine werden noch genannt. Umlage, 30 Eu- Wie sehr die Familie Reinhard/Reinhardt3 in die- ßend werden die Teilnehmer die 1896 errichtete neue schluss, Adolf Hitler zu beseitigen, weil „man doch nicht ro für Fahrt, Eintritte und Führungen. sem System verwurzelt ist, zeigt sich nicht nur in den evangelische, neugotisch ausgestaltete Michaelskir- zulassen kann, dass ein Einzelner ein ganzes Volk in frühen Jahren der Ausbildung Reinhards, die von den che besichtigen. Nach einem Gang durch den Orts- den Krieg und ins Unglück führt“. Elser, ein wortkar- Klosterschulen Denkendorf und Maulbronn 1778 zum kern kann bei schönem Wetter vom Böllat aus eine ger Mensch und typisch schwäbischer Tüftler, sprach Tübinger Stift und 1783 – 1786 zum Vikariat in Balin- herrliche Aussicht auf das ehemalige Kloster Wan- nie ein Wort über sein Vorhaben. Im Alleingang stellte gen führte, schließlich zur Tätigkeit als Hauslehrer in nental und die Balinger Berge bis in den Schwarzwald er aus handelsüblichen Uhren eine Höllenmaschine STAMMTISCHE der Schweiz und in Frankreich. Dieser Bildungsweg ist genossen werden. Im zweiten Teil der Exkursion er- her, die er in sechswöchiger Nachtarbeit in eine Säule fast austauschbar mit demjenigen Hölderlins oder an- folgt eine kleine Wanderung über den Grat zu der um des Bürgerbräukellers in München einbaute. Als am derer bedeutender Schwaben. 1100 erbauten Schalksburg, einst eine der flächen- 8. November 1939 Hitler bei der jährlichen Gedenk- Jeweils am 1. Mittwoch eines Monats trifft sich unter Andererseits zeigt das Beispiel der Familie Rein- mäßig größten Burganlagen der Schwäbischen Alb. Gu- feier für den Marsch auf die Feldherrenhalle sprach, der Leitung von Dr. Peter Th. Lang der Ebinger Stamm- hardt, daß dieses elitäre System im Südwesten tes Schuhwerk ist erforderlich. In Burgfelden gibt es sollte die Bombe hochgehen. Hitler verließ aber kurz tische im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 Alb- Deutschland ein offenes System war, denn die erste Parkplätze im Ortskern sowie am nördlichen und süd- vor der Explosion den Saal. Elser wurde noch am glei- stadt-Ebingen, Telefon 07431 4188. Stufe des sozialen Aufstiegs der Familie erfolgte erst we- würde man Dekan sagen. Die Mutter Karl Friedrichs versität Tübingen, was aber reiner Zufall sein dürfte. lichen Ortseingang. Beginn 14 Uhr vor der alten Mi- chen Abend an der Schweizer Grenze verhaftet. Die nige Generationen vor Karl Friedrich, dem späteren entstammt der Theologenfamilie Hiemer, ist Tochter Auch für andere Stammväter und Stammeltern sind chaelskirche. Teilnahme frei. Theateraufführung findet im Rahmen unseres Schwer- Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- Grafen von Reinhard. Der Stammvater Conrad Rein- eines Dekans und Enkelin von Eberhard Friedrich Hie- zahlreiche Nachkommen nachgewiesen, so für den Re- punkthemas „Widerstand im Dritten Reich“ statt. Ba- schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- hardt war ursprünglich Bürger in Weilimdorf, heira- mer (1682 – 1727), der es bis zum Konsistorialrat und formator Johannes Brenz (1499 – 1570) mit seinen bei- Freitag, 22. Juni: „Entlang der Eyach“ mit Margarete lingen, Stadthalle, Beginn 19 Uhr. Eintritt 13 Euro, chingen, Telefon 07471-15540 / Fax 07471-12283. tete aber 1564 in eine Stuttgarter Familie ein und kam Oberhofprediger brachte, Visitator der Universität und den Frauen Margarete Gräter und Katharine Eisen- Bühler-Weber. Schüler 8 Euro. Mitglieder der Heimatkundlichen Ver- Email: [email protected] so in die Residenzstadt. Dessen Sohn Peter, geboren des Stifts in Tübingen war und durch seine Schriften menger, für den Leonberger Vogt Hans Dreher (gest. Zuerst wird die Eyach-Quelle oberhalb Pfeffingen be- einigung treffen sich bereits um 18:40 Uhr im Foyer. oder über unsere Homepage 1581, wird bereits als Bürger zu Stuttgart geführt. Der Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Akademien wur- 1563) und seine Frau Lucia Volland, für den Rent- sichtigt. Sie entspringt in einer Höhe von 833 Meter, Mitgliedskarte mitbringen, da wir bei hinreichender www.heimatkundliche–vereinigung.de. Enkel Johann Michael Reinhard (1611 – 1672) war noch de6. kammerrat Balthasar Moser (1487 – 1552) und seine nur wenige hundert Meter von der Europäischen Was- Teilnehmerzahl einen reduzierten Eintritt erhalten. einfacher Schuhmacher, heiratete aber in die angese- Auch bei den Geschwistern des Grafen zeigt sich der Frau Apollonie Winzelhäuser, für den Haller Bäcker und serscheide entfernt. Anschließend geht die Fahrt wei- Bei allen Veranstaltungen sind Gäste willkommen. hene Familie Schweizer ein, aus der viele Pfarrer her- soziale Aufstieg in eklatanter Weise, verbunden mit ei- Ratsherr Kaspar Gräter (1474 – 1552) und viele ande- ter über Margrethausen und Lautlingen nach Laufen. vorgingen. In der nächsten Generation setzt sich der so- ner Mobilität und Weltläufigkeit, zu der sicherlich auch re8. Dort wird Herr Beilharz, der ehemalige Ortsvorsteher, Donnerstag, 28. Juni: Naturschutzzentrum Ruhe- ziale Aufstieg fort: Johann Christoph Reinhardt (1648 der älteste Bruder beigetragen hat, der als Diplomat in Einer der ersten, die auf dieses Phänomen hinge- den sechs Meter hohen Wasserfall zeigen und eine kur- stein und Gengenbach mit Bodo-Lothar Fritschen. – 1724) wird zwar noch als Flickschuster geführt, war französischen Diensten ganz Europa bereiste. Chris- wiesen haben, war Hanns Wolfgang Rath (i.e. Carl Unter dem Thema „Die Schwarzwaldhochstraße – Ge- aber Gerichtsverwandter und Stadthauptmann, und toph Heinrich Reinhard (geb. 1763) wird Geistlicher FriedrichSchulz-Euler)inseinem1927erschienenBuch schichte und Geschichten“ ist zunächst eine Infor- dies in der Residenz Stuttgart, um die er sich durch sei- Verwalter in Marbach, Philipp Christian (1764) wird „Regina, die schwäbische Geistesmutter“. Unter den mation im Naturschutzzentrum Ruhestein durch sei- ne mutige Haltung während der Übergriffe der fran- Professor der Philosophie in Köln, dann in Zürich, Nachkommen von Regina Burckhardt, verheiratet mit nen Leiter Dr. Wolfgang Schlund vorgesehen. Der Herausgegeben von der zösischen Heere 1693 verdient gemacht hat, bei je- schließlich in Moskau, Eberhard Gottlieb (1769) wird Carl Bardili, finden sich die Dichter Eduard Mörike, Nachmittag gehört der kleinen Stadt Gengenbach im Heimatkundlichen Vereinigung nem Feldzug, in dem zerstört wurde und Kaufmann in Gibraltar, Gottlob Ferdinand (1783) wird Ludwig Uhland, Friedrich Hölderlin und Karl Gerok, Die Autoren dieser Ausgabe Kinzigtal, der „Perle unter den romantischen Fach- Zollernalb Marbach4 sowie andere Städte dem Erdboden gleich- Kaufmann in Christiansand und königlich preußi- ebenso Ottilie Roschütz verh. Wildermuth, aber auch werkstädten“. Schon von weitem laden die Türme und gemacht wurden. scher Konsul für Norwegen. der Philosoph Friedrich Wilhelm Josef Schelling oder Tore in die historische Altstadt ein und schmale Gäss- Vorsitzender: Christoph Jakob Reinhardt (1687 – 1749), der Schus- Wie sehr Karl Friedrich Reinhardt mit anderen be- „Frankreichs Schwabe Nummer 1“, Karl Friedrich Graf Prof. Dr. Günther Schweizer chen entführen in die malerischen Ecken und Winkel. Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, tersohn und Großvater des Grafen Karl Friedrich Rein- deutenden Persönlichkeiten versippt ist, die ebenfalls von Reinhard. Ahornweg 6 Aufrecht empfängt uns der „steinerne Ritter“ auf dem 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 hard, machte eine Karriere als fürstlich württember- Wurzeln im Schwabenland haben, zeigen die beiden Die Abstammungslinien dieser Personen vom Ehe- 72076 Tübingen Marktplatzbrunnen. Er zeugt vom Stolz und Selbst- gischer Verwaltungsbeamter und setzte den sozialen beigefügten Stammtafeln. Es geht hier um die nam- paar Regina Burkhardt und Carl Bardili finden sich in bewusstsein der ehemaligen Freien Reichsstadt eben- Geschäftsführung: Aufstieg vehement fort. Er beginnt als Kanzlist, wird haften Nachkommen von zwei Stammvätern, die – fast der beigefügten Stammtafel, ausgehend von Georg Dr. Michael Walther so wie das imposante über 200 Jahre alte Rathaus, das Erich Mahler, Mörikeweg 6, dann herzoglicher Buchhalter, schließlich Expediti- beliebig – aus der Reihe der frühen Stammväter, bes- Burkhardt, dem Vater der Regina. Beginnt man, wie Schwanenstr. 13 mit den unzähligen romantischen Fachwerkbauten das 72379 Hechingen, onsrat bei der fürstlichen Rentkammer5. Die Ehe mit ei- ser Stammeltern, ausgewählt wurden, deren Nach- hier geschehen, eine Generation vor der Regina, so 72336 Balingen Stadtbild bestimmt. Neben der 2-stündigen Stadt- Telefon (0 74 71) 1 55 40 ner Pfarrerstochter aus Esslingen war seiner Laufbahn kommen dank der Aufzeichnungen über württem- kommen zu den genannten Prominenten noch der In- führung steht die Besichtigung der Paramenten- E-Mail: e. [email protected] sicher förderlich. Der Vater des Grafen, Georg Chris- bergische Familienstiftungen7 gut bekannt sind. Hans- genieur-Schriftsteller Max Eyth (1836 – 1906) und der Wilfried Groh sammlung unter der Leitung von Schwester Roswitha toph Reinhardt (1731 – 1800) studiert Theologie, ist Di- martin Decker-Hauff hat solche genealogischen Kno- Physiker Max Planck (1858 – 1947) als Verwandte des 72469 Meßstetten von den Franziskanerinnen auf dem Programm. Ab- Redaktion: akonus in Schorndorf, wo 1761 Karl Friedrich als äl- tenpunkte einmal als „schwäbische Massenahnen“ be- Grafen von Reinhard hinzu. fahrt in Albstadt-Ebingen, Busbahnhof 7:30 Uhr, Ba- Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, testes von 14 Kindern zur Welt kommt, und wird 1775 zeichnet. Beide Stammväter, Georg Burkhardt (1539 – Weitere Verwandte ganz unterschiedlicher fachli- lingen, Stadthalle 8 Uhr. Umlage 30 Euro für Fahrt, Ein- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 bis zu seinem Tode „Spezial“ in Balingen; das ist die üb- 1591) und Johann König gen. Kingsattler (1486 – 1534) cher Ausprägung und regionaler sowie sozialer Her- tritte und Führungen. liche Kurzform für „Spezialsuperintendent“ – heute sind Professoren der Juristischen Fakultät der Uni- kunft zeigt uns die Stammtafel, die auf Johann König Seite 1793 Heimatkundliche Blätter Mai 2012 Mai 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1794 gen. Kingsattler und seine Frau Agnes Stoffel zurück- Das Kreuz am Airlensteig geht. Neben den Dichtern Hermann Hesse und dem unglücklichen Wilhelm Waiblinger findet sich hier der geniale „Mechaniker-Pfarrer“ Philipp Matthäus Hahn, Ein sehr altes Kleindenkmal auf der Markung Meßstetten – Von Wilfried Groh der Gründer des Bruderhauses Gustav Werner, der Bundespräsident Richard von Weizsäcker und die tra- Im Gewann Airlensteig am Sattlers Sohn, ein Schulknabe von 13 Jahren auf der Drob zieht die Weihe Kreise gische Figur der Schauspielerin Grace Patricia Kelly, Fuße des Kählesbühl steht ein Weyde ¼ tel Stunde vom Dorfe unter einer alten Buche mit weichem Flügelschlag; spätere Fürstin von Monaco. Kreuz aus rohem Felsgestein vom Wetterstrahl aufs Hirn getroffen und plötzlich ge- ums Kreuz in stiller Weise Karl Friedrich Reinhard, der Balinger Vikar und spä- gearbeitet. Auf demselben ist tödtet, den 28. ej. (= ejusdem = desselben Monats) be- rangt sich die alte Sag’: tere Staatsmann, zeigt sich in der Tat als waschechter die Inschrift 1783 HJEP noch graben”. Wie lebendig die Erinnerung an diesen Un- Schwabe, sei es aus der Sicht der direkten Stammlinie zu erkennen. Die Inschrift ist glücksfall in Meßstetten geblieben ist, bezeugt ein Ge- Hier sei vom „Strahl“ erschlagen Reinhard, sei es gemessen an seiner Verwandtschaft, eine Abkürzung des Namens dicht des Meßstetter Bürgers Heinrich Fritz (1879 – ein armer Hirtenknab, auch wenn diese teilweise eine sehr weitläufige ist. Vom Hans Jörg Eppler. Im Meß- 1951): der in den Sommertagen gemeinsamen Ahnenpaar König/Stoffel ist Karl Fried- stetter Totenbuch von 1783 ist die Säu gehütet hab. rich Reinhard neun Generationen entfernt, die Fürstin darüber zu lesen: „NB Me- Grace Patricia Kelly und der Bundespräsident Richard hestetten, den 26. Jun. c.a. (= Es steht jahrhundertelange Verrauscht der Herr’n Gestalten, von Weizsäcker jeweils 13 Generationen, jedenfalls currentis anno = laufenden von Dorf und Weg abseits, der Namen, Rang und Würd’; mehrere Jahrhunderte. Dennoch ist diese Verflech- Jahres), ward Johann Georg am rauen Wiesenhange der Nachwelt blieb erhalten tung, innerhalb der sozialen Oberschicht oder gar der Eppler, Johannes Epplers ein moosverwittert Kreuz. – im Kreuz – ihr armer Hirt. Ehrbarkeit erstaunlich, häufig übrigens bedingt durch die Töchter, die das Aussterben einer Linie verhindern und sie, nun unter anderem Namen, fortsetzen.

LITERATURANGABEN Auf dem Panoramaweg rund um Frommern 1) Überdies gibt es zur Person und zur Biographie von Karl Friedrich Reinhard eine reiche Literatur, Mitglieder und Gäste der Heimatkundlichen Vereinigung auf Tour in zwei Gemeinden wie auch die ausführlichen Texte in der Deut- schen Biographie zeigen: Zahlreiche Mitglieder und Gäste begaben sich bei der Oberhalb der Mettenöschstraße konnte man im of- schönes Naherholungsgebiet durch die Pflanzung von – Wilhelm Lang: Karl Friedrich Reinhard. In: All- dritten Kunst- und Geschichtswanderung auf den von fenen Gelände nach Süden hin das herrliche Panora- 21 Sorten alter heimischer Gehölze auf dem ehemali- gemeine Deutsche Biographie 28 (1889), S. 44-63. Dr. Ingrid Helber zusammengestellten Panorama- ma der „Balinger Berge“ genießen. Über den ehema- gen Teil der Deponie entstanden ist. Der Rundum- b) Ina Ulrike Paul: Karl Friedrich Graf von Rein- rundweg. Nachdem im vergangenen Jahr die Exkursi- ligen Schuttplatz hinweg wurde der Weg unterhalb der blick vom höchsten Punkt aus ist überaus beeindru- hard. In: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. line-Katalog 255 Titel genannt werden, gibt man 4) Albrecht Gühring: »So ist die wehrte Statt ein öder on „ins Wasser gefallen war“, konnte diesmal bei herr- historischen Weingärten eingeschlagen. Einige Ei- ckend (627 Meter, ermittelt mit GPS). 355-357. — Robert Marquant: Karl Friedrich Rein- das o.g. Suchwort ein. Aschen-Hauffen«. Der Marbacher Stadtbrand im lichem Sonnenschein gestartet werden. Zunächst über- gentümer haben in letzter Zeit wieder Weinstöcke an- Nach einer Rast in der Alten Säge in Weilstetten folg- hard. In: Lebensbilder aus Schwaben und Fran- 2) Hansmartin Decker-Hauff: Die Entstehung der alt- Jahr 1693. Marbach a.N. 1993. querte die Gruppe die Gemarkungsgrenze zwischen gepflanzt. te man zunächst der leicht ansteigenden Tieringer Stra- ken 13 (1977), S. 142-189. württembergischen Ehrbarkeit 1250-1534. Diss. 5) Walther Pfeilsticker: Neues württembergisches Dürrwangen und Frommern. Anschließend ermög- Seitdem im 19. Jahrhundert Krankheiten den Wein- ße. Östlich an diese schließen sich die interessanten – In der Landesbibliographie Baden-Württemberg Wien 1946. — Gabriele Haug-Moritz: Die würt- Dienerbuch. Bd. 1. Stuttgart 1957. Hier §§ 1701, lichte Erwin Stotz in der Mühlstraße spontan einen Ein- und Kirschenanbau zum Erliegen gebracht haben, do- Weilstetter Obstbaumplantagen an. Von diesem Weg (www.statistik.baden-wuerttemberg.de/ tembergische Ehrbarkeit. Annäherungen an eine 1720, 1781. blick in seine Energieerzeugung aus Wasserkraft. Wie minieren Kernobst- und Walnussbäume. Vorbei am aus erfreute die Wanderer ein herrlicher Blick zu den LABI/home.asp) finden sich unter dem Stichwort bürgerliche Machtelite der Frühen Neuzeit. Ost- 6) Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 12 (1880), S. Dr. Helber erforscht hat, wurde das einst in unmittel- Kieswerk Strobel ging es weiter zum jüngst renatu- nördlich gelegenen Bergen. Vorbei an der Dionysius- Karl Friedrich Reinhard allein 25 Titel aus den letz- fildern 2009. 388-389. barer Umgebung gelegene, 1895 vom Hochwasser zer- rierten Hühner- bzw. Dorfbach an der B 463. Seit den kirche ging es über den Langenwasen, die Waldorf- ten Jahren, darunter die Jenaer Dissertation von – Otto K. Deutelmoser: Die Ehrbarkeit und andere 7) Faber, Ferdinand Friedrich: Die württembergi- störte Tegernauer-Schlösschen 1608 vom berühmten 80er Jahren werden auf der Erddeponie Hölderle bzw. schule und die Beethovenstraße zurück zum From- Ulrike Hasemann-Friedrich und eine aus dem württembergische Eliten. Stuttgart, Leipzig 2010. schen Familien-Stiftungen, nebst genealogischen württembergischen Baumeister Heinrich Schickhardt dem „Hummelberg“ Erdaushub und Bauschutt auf- merner Sportplatz. Französischen übersetzte Habilitationsschrift von 3) Die Schreibweise des Familiennamens – Reinhard Nachrichten über die zu denselben berechtigten errichtet. Die evang. Galluskirche besichtigte man gefüllt. Die starke Erhöhung wirft mehr Straßenlärm Die Wanderung kann wieder als Erfolg verbucht wer- Jean Delinière. oder Reinhardt – wechselt. In deutschen Texten Familien. Neudruck Stuttgart 1940. 6 Bände. ebenso wie den neu gestalteten Fronhof und den Hin- auf den östlich der Bundesstraße liegenden From- den und die Teilnehmer wünschten sich für nächstes – Eine weitere bibliographische Hilfe bietet das überwiegt die Schreibweise Reinhardt, insbeson- 8) Gerd Wunder: Das Problem der Ahnenge- denburgplatz samt seinem fließenden Brühl-Bächlein. merner Hesselberg. Aber es ist erstaunlich, was für ein Jahr eine Fortsetzung der Erkundung. Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg dere in den Generationen vor Karl Friedrich. Die- meinschft namhafter Persönlichkeiten. In: Ge- BSZ ( www.bsz-bw.de/index.html), in dessen On- ser selbst wählte für sich die Version Reinhard. nealogisches Jahrbuch 2 (1962), S. 5-25. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ Schwerpunkt Drittes Reich und Widerstand Grafeneck 1940 - Von Dr. Michael Walther

Heimatkundliche Vereinigung blickt zurück und nach vorne – Von Wilfried Groh Im Jahr 1940 wurden im ehemaligen Samariterstift Grafeneck im Dezember desselben Jahres ging das Rottenmünsters zeigt: Grafeneck bei Münsingen auf der Schwäbischen Alb Morden weiter – in den Vernichtungslagern des Os- „Existentielle Bedrohung für Patienten und Or- Ein volles Haus hatte die Heimatkundliche Vereini- samt sind die Finanzen des Vereins grund- mindestens 10 654 Männer, Frauen und Kinder mit tens und in anderen Euthanasieanstalten wie dem hes- densgenossenschaft brachte die Zeit des Nationalso- gung Zollernalb bei ihrer Mitgliederversammlung im solide. Das bestätigte auch Kassenprüfer geistigen Behinderungen und psychischen Erkran- sischen Hadamar. Aber auch in den Pflegeeinrich- zialismus mit sich. 1941 wurden alle Einrichtungen der Stauffenberg-Schloss. Bei seinem Jahresbericht stellte Willi Beilharz und lobte die übersichtliche kungen ermordet. Begründet wurde diese verbreche- tungen wurde weiter gemordet. So gibt es im Stadt- Untermarchtaler Ordensschwestern, einschließlich der erste Vorsitzende Dr. Andreas Zekorn besonders die und korrekte Kassenführung. Darauf bean- rische Tat mit dem Argument der Stärkung und Ge- archiv Balingen Informationen über ein relativ junges Mutterhaus, enteignet und einem ,Staatstreuhänder' grafische und inhaltliche Neugestaltung des Jahres- tragte Lautlingens Ortsvorsteherin Juliane sundung des Volkskörpers oder aus zweckrationalen Geschwisterpaar, das in den Jahren 1944 und 1945 in unterstellt. Durch die sogenannte ,Euthanasieaktion' programms heraus. In zwei Ausschusssitzungen habe Gärtner, die schon in ihrem Grußwort die Gründen, wie der Entlastung der öffentlichen Finan- der Pflegeanstalt Zwiefalten kurz hintereinander ver- wurden über 300 Patienten von Rottenmünster in der man dieses intensiv beraten, wobei Wolfgang Willig die Herausgabe der „Heimatkundlichen Blätter“ zen und der Umwandlung von Heilanstalten in kriegs- storben ist. Natürlich lässt sich die gezielte Tötung an- staatlichen Tötungsanstalt Grafeneck ermordet.“ Koordination und Detailplanung übernommen habe. als einen wichtigen Beitrag des Vereins für wichtige Einrichtungen. Die ersten Euthanasieopfer hand der Krankenakten nicht nachweisen. AllerdingsgeschahendieMordeinGrafeneckimJahr Für die grafische Gesamtgestaltung habe man den re- die Allgemeinheit herausstellte, Entlastung durch gezielte Mangelernährung und mangelnde Pfle- Bei dem „Anstaltspersonal“ – in Grafeneck arbei- 1940, also noch vor der Enteignung. Die insgesamt ver- nommierten Balinger Designer Daniel Priester gewin- für Vorstand und Ausschuss, die auch ein- ge gab es in Deutschland schon in den ersten Jahren teten etwa 100 Männer und Frauen – handelte es sich harmlosende Darstellung der Vorgänge suggeriert dem nen können, der das Faltblatt kostenlos entwarf. Das stimmig gewährt wurde. Bei den Nachwah- nach der „Machtergreifung“. um ganz gewöhnliche Menschen aus der Mitte der Ge- Leser, dass die Ordensgenossenschaft nichts mit der Schwerpunktthema des Jahres ist „Drittes Reich und len zum Ausschuss wurden einstimmig Dr. Im Zuge der „Aktion T4“ wurde die Euthanasie dann sellschaft. Thomas Stöckle, Leiter der Gedenkstätte, Selektion der Mordopfer zu tun hatte. Tatsächlich aber Widerstand im Dritten Reich“, das mit verschiedenen Veronika Mertens von der Galerie Albstadt in zentralen Vernichtungsanstalten wie Grafeneck weist weiterhin darauf hin, dass die Angst vor Re- erfolgte die Erfassung und Auswahl der Opfer in den je- Veranstaltungen im Programm vertreten ist. Ebenso und Bettina Zundel, die Vorsitzende des erstmalig als „arbeitsteiliges Großverbrechen“ orga- pressionen nur eine untergeordnete Rolle bei der An- weiligen Einrichtungen durch das ärztliche Personal findet das Keltenjahr 2012 seinen Niederschlag. Als Albstädter Galerievereins, gewählt. Für 40- nisiert und durchgeführt. Bisher wurden 48 staatli- nahme einer Arbeitsstelle in Grafeneck gespielt hat. Die Geehrten der Heimatkundlichen Vereinigung. Foto: Wilfried Groh des Ordens. Schwerpunktthema im nächsten Jahr sei das Thema jährige Mitgliedschaft konnten sodann Dr. che, private und konfessionelle Einrichtungen, vor al- Viel mehr scheinen Karrierechancen und Verdienst- Dennoch: seit den 1980er Jahren, nach vielen Jah- „Jugendstil“vorgesehen. Richard Broß und Elfriede Weinheimer ge- lem aus Württemberg, Hohenzollern, Baden, Bayern möglichkeiten aber auch Staatsgläubigkeit und seeli- ren des Schweigens, Verdrängens und Leugnens die- Beim Rückblick aufs vergangene Jahr konnten gut ehrt werden. Ausführlich wurde noch das Jahrespro- nach einem Nachfolger Ausschau gehalten werden. Mit und Hessen nachgewiesen, aus denen die Opfer sche Verrohung durch die nationalsozialistische Pro- ses „Zivilisationsbruchs“, erfolgt nun durch die For- besuchte Vortragsveranstaltungen verzeichnet werden. gramm mit seinen zahlreichen Vorträgen, Ausstel- demDankandenGeschäftsführer,andenVorstandund stammten. paganda bei der Mitwirkung an diesem Verbrechen ei- schung und über Gedenkinitiativen eine Aufarbeitung dieses besonderen Kapitels der deutschen Geschichte. Dank des Engagements von Dr. Peter Lang konnten in lungsbesuchen, Exkursionen und Studienfahrten vor- den Ausschuss für die gute Zusammenarbeit schloss Dr. Über 9000 der Grafeneck-Opfer können inzwi- ne Rolle gespielt zu haben. Bemerkenswert dabei ist, Der „Geschichtsort“ Grafeneck bietet mit dem Doku- Albstadt-Ebingen regelmäßig Stammtische abgehalten gestellt. Details dazu können jeweils den Heimatkund- Zekorn seine Ausführungen. Für die festliche musikali- schen namentlich benannt werden, davon ist bei ei- dass sich vor allem das ärztliche Leitungspersonal oh- werden. Die Exkursionen und Studienfahrten waren lichen Blättern oder auf der Internetseite des Vereins sche Umrahmung sorgten Wolfgang Brandner mit sei- mentationszentrum, der Gedenkstätte mit offener Ka- nem Drittel auch der Herkunftsort bekannt. Im Ba- ne Druck oder Angst vor Repressionen entscheiden durchwegs gut besucht und erfolgreich. Weiterhin kön- entnommen werden. Allen, die sich bei Vorträgen, Ex- nen beiden Schülerinnen Julia Gekeler und Antonia pelle, Namensbuch der Opfer und Alphabet-Garten, linger Stadtarchiv finden sich Informationen zu sechs konnte an dem Massenmord mitzumachen. Eine Fest- ne man auf eine positive Mitgliederbilanz verweisen mit kursionen und Studienfahrten engagieren sprach der RieggerdurchvierhändigesKlavierspielmitWerkenvon dem Friedhof mit dem frühen Gedenkort von 1962, dem Opfern, die ursprünglich aus Balingen, Endingen, stellung die in Übereinstimmung mit einer der zent- 437 Mitgliedern darunter 27 Neuzugänge. Der Dank an ersteVorsitzendeDankaus. RobertSchumannundClaudeDebussy. Schlossgebäude als Sitz der Täter und der nur noch in Frommern und Heselwangen stammten und über die ralen Thesen des deutsch-amerikanischen Historikers die zahlreichen Spender bot die Überleitung zum Kas- Zuletzt unterrichtet Dr. Andreas Zekorn über zwei Ein hochkarätiger Festvortrag über „Karl Friedrich Umrissen sichtbaren Vernichtungsanlage verschiede- staatlichen Heil- und Pflegeanstalten Zwiefalten und Fritz Stern zum Erfolg des Nationalsozialismus in senbericht von Geschäftsführer Erich Mahler, der de- Dinge. Zum 60-jährigen Jubiläum der Heimatkundli- Reinhard (1761 – 1837) Schwabe, französischer Diplo- ne Möglichkeiten der Annäherung an dieses unfass- Weißenau sowie Einrichtungen der inneren Mission Deutschland steht, dem Versagen der deutschen Eli- tailliert die Einnahmen und Ausgaben des vergangenen chen Vereinigung im Jahre 2014 soll ein Stelenpaar für mat, Vordenker Europas“ schloss sich an. Die Referen- bare Verbrechen. Grafeneck ist nur einer von vielen Or- der evangelischen Kirche in Stetten i.R. und Schwä- ten und als deren Ursachen „…Opportunismus, Ver- Jahres bilanzierte. Durch gestiegene Fahrtkosten und den KZ-Gedenkpfad „Unternehmen Wüste“ komplett tin Dr. Ingeborg Grolle aus Hamburg, eine gebürtige ten, die ein Forum für die nachfolgenden Generatio- bisch Hall nach Grafeneck deportiert und ermordet wirrung und Karrierismus…“. Eintritte habe man bei den Tagesexkursionen trotz gu- gestiftet werden. Da Erich Mahler aus Altersgründen Winterlingerin, wusste Tiefschürfendes über den aus nen anbietet sich seiner Geschichte zu erinnern, sie zu wurden. Bis heute gibt es Beispiele, die eigene Schuld zu ver- ter Auslastung ein kräftiges Defizit erzielt. Doch insge- demnächst als Geschäftsführer ausscheiden will, muss BalingenstammendenDekanssohnzuberichten. verstehen und hoffentlich Lehren aus ihr zu ziehen. Auch nach der Schließung der Vernichtungsanstalt schleiern, wie beispielsweise der Internetauftritt des Seite 1793 Heimatkundliche Blätter Mai 2012 Mai 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1794 gen. Kingsattler und seine Frau Agnes Stoffel zurück- Das Kreuz am Airlensteig geht. Neben den Dichtern Hermann Hesse und dem unglücklichen Wilhelm Waiblinger findet sich hier der geniale „Mechaniker-Pfarrer“ Philipp Matthäus Hahn, Ein sehr altes Kleindenkmal auf der Markung Meßstetten – Von Wilfried Groh der Gründer des Bruderhauses Gustav Werner, der Bundespräsident Richard von Weizsäcker und die tra- Im Gewann Airlensteig am Sattlers Sohn, ein Schulknabe von 13 Jahren auf der Drob zieht die Weihe Kreise gische Figur der Schauspielerin Grace Patricia Kelly, Fuße des Kählesbühl steht ein Weyde ¼ tel Stunde vom Dorfe unter einer alten Buche mit weichem Flügelschlag; spätere Fürstin von Monaco. Kreuz aus rohem Felsgestein vom Wetterstrahl aufs Hirn getroffen und plötzlich ge- ums Kreuz in stiller Weise Karl Friedrich Reinhard, der Balinger Vikar und spä- gearbeitet. Auf demselben ist tödtet, den 28. ej. (= ejusdem = desselben Monats) be- rangt sich die alte Sag’: tere Staatsmann, zeigt sich in der Tat als waschechter die Inschrift 1783 HJEP noch graben”. Wie lebendig die Erinnerung an diesen Un- Schwabe, sei es aus der Sicht der direkten Stammlinie zu erkennen. Die Inschrift ist glücksfall in Meßstetten geblieben ist, bezeugt ein Ge- Hier sei vom „Strahl“ erschlagen Reinhard, sei es gemessen an seiner Verwandtschaft, eine Abkürzung des Namens dicht des Meßstetter Bürgers Heinrich Fritz (1879 – ein armer Hirtenknab, auch wenn diese teilweise eine sehr weitläufige ist. Vom Hans Jörg Eppler. Im Meß- 1951): der in den Sommertagen gemeinsamen Ahnenpaar König/Stoffel ist Karl Fried- stetter Totenbuch von 1783 ist die Säu gehütet hab. rich Reinhard neun Generationen entfernt, die Fürstin darüber zu lesen: „NB Me- Grace Patricia Kelly und der Bundespräsident Richard hestetten, den 26. Jun. c.a. (= Es steht jahrhundertelange Verrauscht der Herr’n Gestalten, von Weizsäcker jeweils 13 Generationen, jedenfalls currentis anno = laufenden von Dorf und Weg abseits, der Namen, Rang und Würd’; mehrere Jahrhunderte. Dennoch ist diese Verflech- Jahres), ward Johann Georg am rauen Wiesenhange der Nachwelt blieb erhalten tung, innerhalb der sozialen Oberschicht oder gar der Eppler, Johannes Epplers ein moosverwittert Kreuz. – im Kreuz – ihr armer Hirt. Ehrbarkeit erstaunlich, häufig übrigens bedingt durch die Töchter, die das Aussterben einer Linie verhindern und sie, nun unter anderem Namen, fortsetzen.

LITERATURANGABEN Auf dem Panoramaweg rund um Frommern 1) Überdies gibt es zur Person und zur Biographie von Karl Friedrich Reinhard eine reiche Literatur, Mitglieder und Gäste der Heimatkundlichen Vereinigung auf Tour in zwei Gemeinden wie auch die ausführlichen Texte in der Deut- schen Biographie zeigen: Zahlreiche Mitglieder und Gäste begaben sich bei der Oberhalb der Mettenöschstraße konnte man im of- schönes Naherholungsgebiet durch die Pflanzung von – Wilhelm Lang: Karl Friedrich Reinhard. In: All- dritten Kunst- und Geschichtswanderung auf den von fenen Gelände nach Süden hin das herrliche Panora- 21 Sorten alter heimischer Gehölze auf dem ehemali- gemeine Deutsche Biographie 28 (1889), S. 44-63. Dr. Ingrid Helber zusammengestellten Panorama- ma der „Balinger Berge“ genießen. Über den ehema- gen Teil der Deponie entstanden ist. Der Rundum- b) Ina Ulrike Paul: Karl Friedrich Graf von Rein- rundweg. Nachdem im vergangenen Jahr die Exkursi- ligen Schuttplatz hinweg wurde der Weg unterhalb der blick vom höchsten Punkt aus ist überaus beeindru- hard. In: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. line-Katalog 255 Titel genannt werden, gibt man 4) Albrecht Gühring: »So ist die wehrte Statt ein öder on „ins Wasser gefallen war“, konnte diesmal bei herr- historischen Weingärten eingeschlagen. Einige Ei- ckend (627 Meter, ermittelt mit GPS). 355-357. — Robert Marquant: Karl Friedrich Rein- das o.g. Suchwort ein. Aschen-Hauffen«. Der Marbacher Stadtbrand im lichem Sonnenschein gestartet werden. Zunächst über- gentümer haben in letzter Zeit wieder Weinstöcke an- Nach einer Rast in der Alten Säge in Weilstetten folg- hard. In: Lebensbilder aus Schwaben und Fran- 2) Hansmartin Decker-Hauff: Die Entstehung der alt- Jahr 1693. Marbach a.N. 1993. querte die Gruppe die Gemarkungsgrenze zwischen gepflanzt. te man zunächst der leicht ansteigenden Tieringer Stra- ken 13 (1977), S. 142-189. württembergischen Ehrbarkeit 1250-1534. Diss. 5) Walther Pfeilsticker: Neues württembergisches Dürrwangen und Frommern. Anschließend ermög- Seitdem im 19. Jahrhundert Krankheiten den Wein- ße. Östlich an diese schließen sich die interessanten – In der Landesbibliographie Baden-Württemberg Wien 1946. — Gabriele Haug-Moritz: Die würt- Dienerbuch. Bd. 1. Stuttgart 1957. Hier §§ 1701, lichte Erwin Stotz in der Mühlstraße spontan einen Ein- und Kirschenanbau zum Erliegen gebracht haben, do- Weilstetter Obstbaumplantagen an. Von diesem Weg (www.statistik.baden-wuerttemberg.de/ tembergische Ehrbarkeit. Annäherungen an eine 1720, 1781. blick in seine Energieerzeugung aus Wasserkraft. Wie minieren Kernobst- und Walnussbäume. Vorbei am aus erfreute die Wanderer ein herrlicher Blick zu den LABI/home.asp) finden sich unter dem Stichwort bürgerliche Machtelite der Frühen Neuzeit. Ost- 6) Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 12 (1880), S. Dr. Helber erforscht hat, wurde das einst in unmittel- Kieswerk Strobel ging es weiter zum jüngst renatu- nördlich gelegenen Bergen. Vorbei an der Dionysius- Karl Friedrich Reinhard allein 25 Titel aus den letz- fildern 2009. 388-389. barer Umgebung gelegene, 1895 vom Hochwasser zer- rierten Hühner- bzw. Dorfbach an der B 463. Seit den kirche ging es über den Langenwasen, die Waldorf- ten Jahren, darunter die Jenaer Dissertation von – Otto K. Deutelmoser: Die Ehrbarkeit und andere 7) Faber, Ferdinand Friedrich: Die württembergi- störte Tegernauer-Schlösschen 1608 vom berühmten 80er Jahren werden auf der Erddeponie Hölderle bzw. schule und die Beethovenstraße zurück zum From- Ulrike Hasemann-Friedrich und eine aus dem württembergische Eliten. Stuttgart, Leipzig 2010. schen Familien-Stiftungen, nebst genealogischen württembergischen Baumeister Heinrich Schickhardt dem „Hummelberg“ Erdaushub und Bauschutt auf- merner Sportplatz. Französischen übersetzte Habilitationsschrift von 3) Die Schreibweise des Familiennamens – Reinhard Nachrichten über die zu denselben berechtigten errichtet. Die evang. Galluskirche besichtigte man gefüllt. Die starke Erhöhung wirft mehr Straßenlärm Die Wanderung kann wieder als Erfolg verbucht wer- Jean Delinière. oder Reinhardt – wechselt. In deutschen Texten Familien. Neudruck Stuttgart 1940. 6 Bände. ebenso wie den neu gestalteten Fronhof und den Hin- auf den östlich der Bundesstraße liegenden From- den und die Teilnehmer wünschten sich für nächstes – Eine weitere bibliographische Hilfe bietet das überwiegt die Schreibweise Reinhardt, insbeson- 8) Gerd Wunder: Das Problem der Ahnenge- denburgplatz samt seinem fließenden Brühl-Bächlein. merner Hesselberg. Aber es ist erstaunlich, was für ein Jahr eine Fortsetzung der Erkundung. Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg dere in den Generationen vor Karl Friedrich. Die- meinschft namhafter Persönlichkeiten. In: Ge- BSZ ( www.bsz-bw.de/index.html), in dessen On- ser selbst wählte für sich die Version Reinhard. nealogisches Jahrbuch 2 (1962), S. 5-25. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ Schwerpunkt Drittes Reich und Widerstand Grafeneck 1940 - Von Dr. Michael Walther

Heimatkundliche Vereinigung blickt zurück und nach vorne – Von Wilfried Groh Im Jahr 1940 wurden im ehemaligen Samariterstift Grafeneck im Dezember desselben Jahres ging das Rottenmünsters zeigt: Grafeneck bei Münsingen auf der Schwäbischen Alb Morden weiter – in den Vernichtungslagern des Os- „Existentielle Bedrohung für Patienten und Or- Ein volles Haus hatte die Heimatkundliche Vereini- samt sind die Finanzen des Vereins grund- mindestens 10 654 Männer, Frauen und Kinder mit tens und in anderen Euthanasieanstalten wie dem hes- densgenossenschaft brachte die Zeit des Nationalso- gung Zollernalb bei ihrer Mitgliederversammlung im solide. Das bestätigte auch Kassenprüfer geistigen Behinderungen und psychischen Erkran- sischen Hadamar. Aber auch in den Pflegeeinrich- zialismus mit sich. 1941 wurden alle Einrichtungen der Stauffenberg-Schloss. Bei seinem Jahresbericht stellte Willi Beilharz und lobte die übersichtliche kungen ermordet. Begründet wurde diese verbreche- tungen wurde weiter gemordet. So gibt es im Stadt- Untermarchtaler Ordensschwestern, einschließlich der erste Vorsitzende Dr. Andreas Zekorn besonders die und korrekte Kassenführung. Darauf bean- rische Tat mit dem Argument der Stärkung und Ge- archiv Balingen Informationen über ein relativ junges Mutterhaus, enteignet und einem ,Staatstreuhänder' grafische und inhaltliche Neugestaltung des Jahres- tragte Lautlingens Ortsvorsteherin Juliane sundung des Volkskörpers oder aus zweckrationalen Geschwisterpaar, das in den Jahren 1944 und 1945 in unterstellt. Durch die sogenannte ,Euthanasieaktion' programms heraus. In zwei Ausschusssitzungen habe Gärtner, die schon in ihrem Grußwort die Gründen, wie der Entlastung der öffentlichen Finan- der Pflegeanstalt Zwiefalten kurz hintereinander ver- wurden über 300 Patienten von Rottenmünster in der man dieses intensiv beraten, wobei Wolfgang Willig die Herausgabe der „Heimatkundlichen Blätter“ zen und der Umwandlung von Heilanstalten in kriegs- storben ist. Natürlich lässt sich die gezielte Tötung an- staatlichen Tötungsanstalt Grafeneck ermordet.“ Koordination und Detailplanung übernommen habe. als einen wichtigen Beitrag des Vereins für wichtige Einrichtungen. Die ersten Euthanasieopfer hand der Krankenakten nicht nachweisen. AllerdingsgeschahendieMordeinGrafeneckimJahr Für die grafische Gesamtgestaltung habe man den re- die Allgemeinheit herausstellte, Entlastung durch gezielte Mangelernährung und mangelnde Pfle- Bei dem „Anstaltspersonal“ – in Grafeneck arbei- 1940, also noch vor der Enteignung. Die insgesamt ver- nommierten Balinger Designer Daniel Priester gewin- für Vorstand und Ausschuss, die auch ein- ge gab es in Deutschland schon in den ersten Jahren teten etwa 100 Männer und Frauen – handelte es sich harmlosende Darstellung der Vorgänge suggeriert dem nen können, der das Faltblatt kostenlos entwarf. Das stimmig gewährt wurde. Bei den Nachwah- nach der „Machtergreifung“. um ganz gewöhnliche Menschen aus der Mitte der Ge- Leser, dass die Ordensgenossenschaft nichts mit der Schwerpunktthema des Jahres ist „Drittes Reich und len zum Ausschuss wurden einstimmig Dr. Im Zuge der „Aktion T4“ wurde die Euthanasie dann sellschaft. Thomas Stöckle, Leiter der Gedenkstätte, Selektion der Mordopfer zu tun hatte. Tatsächlich aber Widerstand im Dritten Reich“, das mit verschiedenen Veronika Mertens von der Galerie Albstadt in zentralen Vernichtungsanstalten wie Grafeneck weist weiterhin darauf hin, dass die Angst vor Re- erfolgte die Erfassung und Auswahl der Opfer in den je- Veranstaltungen im Programm vertreten ist. Ebenso und Bettina Zundel, die Vorsitzende des erstmalig als „arbeitsteiliges Großverbrechen“ orga- pressionen nur eine untergeordnete Rolle bei der An- weiligen Einrichtungen durch das ärztliche Personal findet das Keltenjahr 2012 seinen Niederschlag. Als Albstädter Galerievereins, gewählt. Für 40- nisiert und durchgeführt. Bisher wurden 48 staatli- nahme einer Arbeitsstelle in Grafeneck gespielt hat. Die Geehrten der Heimatkundlichen Vereinigung. Foto: Wilfried Groh des Ordens. Schwerpunktthema im nächsten Jahr sei das Thema jährige Mitgliedschaft konnten sodann Dr. che, private und konfessionelle Einrichtungen, vor al- Viel mehr scheinen Karrierechancen und Verdienst- Dennoch: seit den 1980er Jahren, nach vielen Jah- „Jugendstil“vorgesehen. Richard Broß und Elfriede Weinheimer ge- lem aus Württemberg, Hohenzollern, Baden, Bayern möglichkeiten aber auch Staatsgläubigkeit und seeli- ren des Schweigens, Verdrängens und Leugnens die- Beim Rückblick aufs vergangene Jahr konnten gut ehrt werden. Ausführlich wurde noch das Jahrespro- nach einem Nachfolger Ausschau gehalten werden. Mit und Hessen nachgewiesen, aus denen die Opfer sche Verrohung durch die nationalsozialistische Pro- ses „Zivilisationsbruchs“, erfolgt nun durch die For- besuchte Vortragsveranstaltungen verzeichnet werden. gramm mit seinen zahlreichen Vorträgen, Ausstel- demDankandenGeschäftsführer,andenVorstandund stammten. paganda bei der Mitwirkung an diesem Verbrechen ei- schung und über Gedenkinitiativen eine Aufarbeitung dieses besonderen Kapitels der deutschen Geschichte. Dank des Engagements von Dr. Peter Lang konnten in lungsbesuchen, Exkursionen und Studienfahrten vor- den Ausschuss für die gute Zusammenarbeit schloss Dr. Über 9000 der Grafeneck-Opfer können inzwi- ne Rolle gespielt zu haben. Bemerkenswert dabei ist, Der „Geschichtsort“ Grafeneck bietet mit dem Doku- Albstadt-Ebingen regelmäßig Stammtische abgehalten gestellt. Details dazu können jeweils den Heimatkund- Zekorn seine Ausführungen. Für die festliche musikali- schen namentlich benannt werden, davon ist bei ei- dass sich vor allem das ärztliche Leitungspersonal oh- werden. Die Exkursionen und Studienfahrten waren lichen Blättern oder auf der Internetseite des Vereins sche Umrahmung sorgten Wolfgang Brandner mit sei- mentationszentrum, der Gedenkstätte mit offener Ka- nem Drittel auch der Herkunftsort bekannt. Im Ba- ne Druck oder Angst vor Repressionen entscheiden durchwegs gut besucht und erfolgreich. Weiterhin kön- entnommen werden. Allen, die sich bei Vorträgen, Ex- nen beiden Schülerinnen Julia Gekeler und Antonia pelle, Namensbuch der Opfer und Alphabet-Garten, linger Stadtarchiv finden sich Informationen zu sechs konnte an dem Massenmord mitzumachen. Eine Fest- ne man auf eine positive Mitgliederbilanz verweisen mit kursionen und Studienfahrten engagieren sprach der RieggerdurchvierhändigesKlavierspielmitWerkenvon dem Friedhof mit dem frühen Gedenkort von 1962, dem Opfern, die ursprünglich aus Balingen, Endingen, stellung die in Übereinstimmung mit einer der zent- 437 Mitgliedern darunter 27 Neuzugänge. Der Dank an ersteVorsitzendeDankaus. RobertSchumannundClaudeDebussy. Schlossgebäude als Sitz der Täter und der nur noch in Frommern und Heselwangen stammten und über die ralen Thesen des deutsch-amerikanischen Historikers die zahlreichen Spender bot die Überleitung zum Kas- Zuletzt unterrichtet Dr. Andreas Zekorn über zwei Ein hochkarätiger Festvortrag über „Karl Friedrich Umrissen sichtbaren Vernichtungsanlage verschiede- staatlichen Heil- und Pflegeanstalten Zwiefalten und Fritz Stern zum Erfolg des Nationalsozialismus in senbericht von Geschäftsführer Erich Mahler, der de- Dinge. Zum 60-jährigen Jubiläum der Heimatkundli- Reinhard (1761 – 1837) Schwabe, französischer Diplo- ne Möglichkeiten der Annäherung an dieses unfass- Weißenau sowie Einrichtungen der inneren Mission Deutschland steht, dem Versagen der deutschen Eli- tailliert die Einnahmen und Ausgaben des vergangenen chen Vereinigung im Jahre 2014 soll ein Stelenpaar für mat, Vordenker Europas“ schloss sich an. Die Referen- bare Verbrechen. Grafeneck ist nur einer von vielen Or- der evangelischen Kirche in Stetten i.R. und Schwä- ten und als deren Ursachen „…Opportunismus, Ver- Jahres bilanzierte. Durch gestiegene Fahrtkosten und den KZ-Gedenkpfad „Unternehmen Wüste“ komplett tin Dr. Ingeborg Grolle aus Hamburg, eine gebürtige ten, die ein Forum für die nachfolgenden Generatio- bisch Hall nach Grafeneck deportiert und ermordet wirrung und Karrierismus…“. Eintritte habe man bei den Tagesexkursionen trotz gu- gestiftet werden. Da Erich Mahler aus Altersgründen Winterlingerin, wusste Tiefschürfendes über den aus nen anbietet sich seiner Geschichte zu erinnern, sie zu wurden. Bis heute gibt es Beispiele, die eigene Schuld zu ver- ter Auslastung ein kräftiges Defizit erzielt. Doch insge- demnächst als Geschäftsführer ausscheiden will, muss BalingenstammendenDekanssohnzuberichten. verstehen und hoffentlich Lehren aus ihr zu ziehen. Auch nach der Schließung der Vernichtungsanstalt schleiern, wie beispielsweise der Internetauftritt des Seite 1795 Heimatkundliche Blätter Mai 2012

VERWENDETE LITERATUR: – Sammlung „Euthanasie, KZ-Morde“ im Stadtarchiv – Henning Tümmers, Justitia und die Krankenmorde. Balingen. Der „Grafeneck-Prozess“ in Tübingen, in: Stefanie – Ernst Klee, „Euthanasie“ im Dritten Reich. Die Ver- – Fritz Stern, Deutschland 1933 – fünfzig Jahre da- Westermann, Richard Kühl, Tim Ohnhäuser (Hrsg.), nichtung lebensunwerten Lebens, Frankfurt/M., nach, in: Ders., Der Traum vom Frieden und die Ver- NS-„Euthanasie“ und Erinnerung. Vergangenheits- vollständig überarbeitete Neuausgabe, 2010. suchung der Macht. Deutsche Geschichte im 20. aufarbeitung – Gedenkformen – Betroffenenper- – Landeszentrale für politische Bildung Baden-Würt- Jahrhundert, München 2006, S. 144 – 174. spektiven, Münster u.a. 2011, S. 95 – 119. temberg (Hg.), Grafeneck 1940. „Wohin bringt Ihr – Thomas Stöckle, Grafeneck 1940. Die Euthanasie- – Vinzenz von Paul Hospital gGmbH, Rottenmünster uns?“ NS-„Euthanasie“ im deutschen Südwesten, Verbrechen in Südwestdeutschland, Tübingen, 3., (www.vvph.de) Stuttgart 2011. erweiterte Auflage 2012. – Gabriel Richter, Die psychiatrische Abteilung des – Ders., Die NS-„Euthanasie“-Verbrechen in Grafe- Am 14. 7. 2012 veranstaltet die Heimatkundliche Ver- Fürst-Carl-Landeskrankenhauses in Sigmaringen im neck 1939-1941. Die Täter – Ganz normale Deut- einigung eine Exkursion zur Gedenkstätte Grafe- „Dritten Reich“, in: ZHG 30./31. Band 1994/95, S. sche?, Vortrag vom 27.01.2012 (www.gedenkstaette- neck sowie zur Dauerausstellung der Erinnerungs- 241 – 282. grafeneck.de). stätte Matthias Erzberger in Buttenhausen. Jahrgang 59 31. Mai 2012 Nr. 5 Exkursionen und Termine Ein waschechter Schwabe Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung im Juni und Juli Karl Friedrich Reinhard: Seine Wurzeln und Verwandten - Von Prof. Dr. Günther Schweizer

JUNI ze Einführung über die frühere Laufener Papiermühle JULI In der September-Nummer 2011 der Heimatkundli- geben. Nach einer Mittagspause führt Dr. Schimpf- chen Blätter wurde des 250. Geburtstags von Karl Fried- Reinhardt dann durch das Balinger Gerberviertel und Mittwoch, 4. Juli: Führung für die Mitglieder der Hei- rich Reinhard gedacht, der im Titel zu Recht als „Frank- Montag, 4. Juni bis Mittwoch, 6. Juni: 3-tägige Stu- erläutert die Renaturierung der Eyach. Das nächste Ziel matkundlichen Vereinigung durch die Ausstellung: reichs Schwabe Nummer 1“ bezeichnet wurde. Tal- dienfahrt zur Kapfenburg, ins Ries und aufs Härts- sind die Imnauer Mineralquellen mit der neuen PET- „Ich habe den Krieg verhindern wollen“. Georg El- leyrand nannte den ehemaligen Tübinger Studenten, feld unter der Reiseleitung von Wolfgang Willig. Abfüllanlage. Abschließend besuchen wir den Hai- ser und das Attentat vom 8. November 1939. Sohn des Balinger Dekans, später Diplomat und Mi- Die Teilnehmer besuchen in den 3 Tagen Niederlas- gerlocher Rosengarten mit seinen 5.000 qm und 10.000 Balingen, Foyer Landratsamt Zollernalbkreis, 16:30 nister in französischen Diensten, das „Geschenk Tü- sungen des Deutschen Ordens und Schlösser der Gra- Rosen in 400 Sorten. Auf der Fahrt zum Bahnhof Ey- Uhr, Teilnahme frei. bingens an Frankreich“. Über das Leben und die un- fen Oettingen sowie die ehemalige Reichsstadt Nörd- ach können die Naturschönheiten mit den weiten gewöhnliche Laufbahn von Reinhard wurde in diesen lingen und das Benediktinerkloster Neresheim. Bachschlaufen bewundert werden, bevor die Eyach in Samstag, 14. Juli: Tagesexkursion nach Buttenhau- Blättern bereits berichtet, und im Rahmen der Mit- den Neckar mündet. Die Abschlusseinkehr ist in Bad sen und Grafeneck mit Dr. Michael Walther. gliederversammlung der Heimatkundlichen Vereini- Sonntag, 10. Juni: Romanik und Ruinen, Rundgang Imnau. Der kurze Spaziergang zur Quelle ist etwas steil Abfahrt Albstadt-Ebingen, Busbahnhof 7:30 Uhr, Ba- gung wird Ingeborg Grolle in einem Vortrag dieses The- um Burgfelden mit Dr. Ingrid Helber. und gutes Schuhwerk ist daher zu empfehlen. Abfahrt lingen, Stadthalle 8 Uhr, Hechingen 8:30 Uhr. Umlage ma vertiefen1. Der kleinste, auf der Albhochfläche gelegene Teilort in Balingen, Stadthalle 7:30 Uhr und in Ebingen, Bus- 30 Euro für Fahrt, Eintritte und Führungen. Das Anliegen dieses Beitrages ist ein anderes. Dem Albstadts war im Früh- und Hochmittelalter wohl Mit- bahnhof 8 Uhr. Umlage 25 Euro für Fahrt, Eintritte Autor geht es nicht um die höchst interessante Bio- telpunkt einer Adelsherrschaft und gehörte spätestens und Führungen. Donnerstag, 19. Juli: Tagesexkursion nach Markdorf graphie des Mannes, sondern um seine Einbettung und seit 1266 zur Herrschaft Zollern-Schalksburg. Mit die- (Orgelmusik) und Meersburg (Stadtführung, Be- Verflechtung im genealogischen Netzwerk der schwä- ser ging der Ort 1403 an Württemberg über. Zunächst sichtigung Neues Schloss) mit Wilfried Groh. bischen Ehrbarkeit, um den Platz seiner Familie in der erfolgt die Besichtigung der alten Michaelskirche mit Neuer Termin: Montag, 25. Juni: Georg Elser. „Allein Abfahrtstermine werden noch genannt. Umlage, 30 Eu- bürgerlichen Elite Württembergs. Die „Ehrbarkeit“ ist ihren berühmten romanischen Fresken aus dem 11. gegen Hitler“. Gastspiel des Theaters Lindenhof, Mel- ro für Fahrt, Eintritte und Führungen. ein Thema, das seit der Doktorarbeit des unvergesse- Jahrhundert. Ihre Bedeutung liegt in der künstleri- chingen. Volksstück von Dieter de Lazzer und Felix nen Landeshistorikers Hansmartin Decker-Hauff im schen und inhaltlichen Qualität sowie in der Tatsa- Huby. Samstag, 28. Juli: Besuch der Ausstellung „Herren von Jahre 1946 zu einem Begriff wurde und heute eine wis- che, dass die Fresken von der Reichenauer Gestaltung Johann Georg Elser, 1903 auf der Ostalb geboren, Zimmern“ in Meßkirch mit Doris Muth M.A. senschaftliche Renaissance zu erleben scheint2. des 10. und 11. Jahrhunderts abweichen. Anschlie- Schreiner von Beruf, fasste 1938 den einsamen Ent- Abfahrtstermine werden noch genannt. Umlage, 30 Eu- Wie sehr die Familie Reinhard/Reinhardt3 in die- ßend werden die Teilnehmer die 1896 errichtete neue schluss, Adolf Hitler zu beseitigen, weil „man doch nicht ro für Fahrt, Eintritte und Führungen. sem System verwurzelt ist, zeigt sich nicht nur in den evangelische, neugotisch ausgestaltete Michaelskir- zulassen kann, dass ein Einzelner ein ganzes Volk in frühen Jahren der Ausbildung Reinhards, die von den che besichtigen. Nach einem Gang durch den Orts- den Krieg und ins Unglück führt“. Elser, ein wortkar- Klosterschulen Denkendorf und Maulbronn 1778 zum kern kann bei schönem Wetter vom Böllat aus eine ger Mensch und typisch schwäbischer Tüftler, sprach Tübinger Stift und 1783 – 1786 zum Vikariat in Balin- herrliche Aussicht auf das ehemalige Kloster Wan- nie ein Wort über sein Vorhaben. Im Alleingang stellte gen führte, schließlich zur Tätigkeit als Hauslehrer in nental und die Balinger Berge bis in den Schwarzwald er aus handelsüblichen Uhren eine Höllenmaschine STAMMTISCHE der Schweiz und in Frankreich. Dieser Bildungsweg ist genossen werden. Im zweiten Teil der Exkursion er- her, die er in sechswöchiger Nachtarbeit in eine Säule fast austauschbar mit demjenigen Hölderlins oder an- folgt eine kleine Wanderung über den Grat zu der um des Bürgerbräukellers in München einbaute. Als am derer bedeutender Schwaben. 1100 erbauten Schalksburg, einst eine der flächen- 8. November 1939 Hitler bei der jährlichen Gedenk- Jeweils am 1. Mittwoch eines Monats trifft sich unter Andererseits zeigt das Beispiel der Familie Rein- mäßig größten Burganlagen der Schwäbischen Alb. Gu- feier für den Marsch auf die Feldherrenhalle sprach, der Leitung von Dr. Peter Th. Lang der Ebinger Stamm- hardt, daß dieses elitäre System im Südwesten tes Schuhwerk ist erforderlich. In Burgfelden gibt es sollte die Bombe hochgehen. Hitler verließ aber kurz tische im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 Alb- Deutschland ein offenes System war, denn die erste Parkplätze im Ortskern sowie am nördlichen und süd- vor der Explosion den Saal. Elser wurde noch am glei- stadt-Ebingen, Telefon 07431 4188. Stufe des sozialen Aufstiegs der Familie erfolgte erst we- würde man Dekan sagen. Die Mutter Karl Friedrichs versität Tübingen, was aber reiner Zufall sein dürfte. lichen Ortseingang. Beginn 14 Uhr vor der alten Mi- chen Abend an der Schweizer Grenze verhaftet. Die nige Generationen vor Karl Friedrich, dem späteren entstammt der Theologenfamilie Hiemer, ist Tochter Auch für andere Stammväter und Stammeltern sind chaelskirche. Teilnahme frei. Theateraufführung findet im Rahmen unseres Schwer- Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- Grafen von Reinhard. Der Stammvater Conrad Rein- eines Dekans und Enkelin von Eberhard Friedrich Hie- zahlreiche Nachkommen nachgewiesen, so für den Re- punkthemas „Widerstand im Dritten Reich“ statt. Ba- schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- hardt war ursprünglich Bürger in Weilimdorf, heira- mer (1682 – 1727), der es bis zum Konsistorialrat und formator Johannes Brenz (1499 – 1570) mit seinen bei- Freitag, 22. Juni: „Entlang der Eyach“ mit Margarete lingen, Stadthalle, Beginn 19 Uhr. Eintritt 13 Euro, chingen, Telefon 07471-15540 / Fax 07471-12283. tete aber 1564 in eine Stuttgarter Familie ein und kam Oberhofprediger brachte, Visitator der Universität und den Frauen Margarete Gräter und Katharine Eisen- Bühler-Weber. Schüler 8 Euro. Mitglieder der Heimatkundlichen Ver- Email: [email protected] so in die Residenzstadt. Dessen Sohn Peter, geboren des Stifts in Tübingen war und durch seine Schriften menger, für den Leonberger Vogt Hans Dreher (gest. Zuerst wird die Eyach-Quelle oberhalb Pfeffingen be- einigung treffen sich bereits um 18:40 Uhr im Foyer. oder über unsere Homepage 1581, wird bereits als Bürger zu Stuttgart geführt. Der Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Akademien wur- 1563) und seine Frau Lucia Volland, für den Rent- sichtigt. Sie entspringt in einer Höhe von 833 Meter, Mitgliedskarte mitbringen, da wir bei hinreichender www.heimatkundliche–vereinigung.de. Enkel Johann Michael Reinhard (1611 – 1672) war noch de6. kammerrat Balthasar Moser (1487 – 1552) und seine nur wenige hundert Meter von der Europäischen Was- Teilnehmerzahl einen reduzierten Eintritt erhalten. einfacher Schuhmacher, heiratete aber in die angese- Auch bei den Geschwistern des Grafen zeigt sich der Frau Apollonie Winzelhäuser, für den Haller Bäcker und serscheide entfernt. Anschließend geht die Fahrt wei- Bei allen Veranstaltungen sind Gäste willkommen. hene Familie Schweizer ein, aus der viele Pfarrer her- soziale Aufstieg in eklatanter Weise, verbunden mit ei- Ratsherr Kaspar Gräter (1474 – 1552) und viele ande- ter über Margrethausen und Lautlingen nach Laufen. vorgingen. In der nächsten Generation setzt sich der so- ner Mobilität und Weltläufigkeit, zu der sicherlich auch re8. Dort wird Herr Beilharz, der ehemalige Ortsvorsteher, Donnerstag, 28. Juni: Naturschutzzentrum Ruhe- ziale Aufstieg fort: Johann Christoph Reinhardt (1648 der älteste Bruder beigetragen hat, der als Diplomat in Einer der ersten, die auf dieses Phänomen hinge- den sechs Meter hohen Wasserfall zeigen und eine kur- stein und Gengenbach mit Bodo-Lothar Fritschen. – 1724) wird zwar noch als Flickschuster geführt, war französischen Diensten ganz Europa bereiste. Chris- wiesen haben, war Hanns Wolfgang Rath (i.e. Carl Unter dem Thema „Die Schwarzwaldhochstraße – Ge- aber Gerichtsverwandter und Stadthauptmann, und toph Heinrich Reinhard (geb. 1763) wird Geistlicher FriedrichSchulz-Euler)inseinem1927erschienenBuch schichte und Geschichten“ ist zunächst eine Infor- dies in der Residenz Stuttgart, um die er sich durch sei- Verwalter in Marbach, Philipp Christian (1764) wird „Regina, die schwäbische Geistesmutter“. Unter den mation im Naturschutzzentrum Ruhestein durch sei- ne mutige Haltung während der Übergriffe der fran- Professor der Philosophie in Köln, dann in Zürich, Nachkommen von Regina Burckhardt, verheiratet mit nen Leiter Dr. Wolfgang Schlund vorgesehen. Der Herausgegeben von der zösischen Heere 1693 verdient gemacht hat, bei je- schließlich in Moskau, Eberhard Gottlieb (1769) wird Carl Bardili, finden sich die Dichter Eduard Mörike, Nachmittag gehört der kleinen Stadt Gengenbach im Heimatkundlichen Vereinigung nem Feldzug, in dem Heidelberg zerstört wurde und Kaufmann in Gibraltar, Gottlob Ferdinand (1783) wird Ludwig Uhland, Friedrich Hölderlin und Karl Gerok, Die Autoren dieser Ausgabe Kinzigtal, der „Perle unter den romantischen Fach- Zollernalb Marbach4 sowie andere Städte dem Erdboden gleich- Kaufmann in Christiansand und königlich preußi- ebenso Ottilie Roschütz verh. Wildermuth, aber auch werkstädten“. Schon von weitem laden die Türme und gemacht wurden. scher Konsul für Norwegen. der Philosoph Friedrich Wilhelm Josef Schelling oder Tore in die historische Altstadt ein und schmale Gäss- Vorsitzender: Christoph Jakob Reinhardt (1687 – 1749), der Schus- Wie sehr Karl Friedrich Reinhardt mit anderen be- „Frankreichs Schwabe Nummer 1“, Karl Friedrich Graf Prof. Dr. Günther Schweizer chen entführen in die malerischen Ecken und Winkel. Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, tersohn und Großvater des Grafen Karl Friedrich Rein- deutenden Persönlichkeiten versippt ist, die ebenfalls von Reinhard. Ahornweg 6 Aufrecht empfängt uns der „steinerne Ritter“ auf dem 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 hard, machte eine Karriere als fürstlich württember- Wurzeln im Schwabenland haben, zeigen die beiden Die Abstammungslinien dieser Personen vom Ehe- 72076 Tübingen Marktplatzbrunnen. Er zeugt vom Stolz und Selbst- gischer Verwaltungsbeamter und setzte den sozialen beigefügten Stammtafeln. Es geht hier um die nam- paar Regina Burkhardt und Carl Bardili finden sich in bewusstsein der ehemaligen Freien Reichsstadt eben- Geschäftsführung: Aufstieg vehement fort. Er beginnt als Kanzlist, wird haften Nachkommen von zwei Stammvätern, die – fast der beigefügten Stammtafel, ausgehend von Georg Dr. Michael Walther so wie das imposante über 200 Jahre alte Rathaus, das Erich Mahler, Mörikeweg 6, dann herzoglicher Buchhalter, schließlich Expediti- beliebig – aus der Reihe der frühen Stammväter, bes- Burkhardt, dem Vater der Regina. Beginnt man, wie Schwanenstr. 13 mit den unzähligen romantischen Fachwerkbauten das 72379 Hechingen, onsrat bei der fürstlichen Rentkammer5. Die Ehe mit ei- ser Stammeltern, ausgewählt wurden, deren Nach- hier geschehen, eine Generation vor der Regina, so 72336 Balingen Stadtbild bestimmt. Neben der 2-stündigen Stadt- Telefon (0 74 71) 1 55 40 ner Pfarrerstochter aus Esslingen war seiner Laufbahn kommen dank der Aufzeichnungen über württem- kommen zu den genannten Prominenten noch der In- führung steht die Besichtigung der Paramenten- E-Mail: e. [email protected] sicher förderlich. Der Vater des Grafen, Georg Chris- bergische Familienstiftungen7 gut bekannt sind. Hans- genieur-Schriftsteller Max Eyth (1836 – 1906) und der Wilfried Groh sammlung unter der Leitung von Schwester Roswitha toph Reinhardt (1731 – 1800) studiert Theologie, ist Di- martin Decker-Hauff hat solche genealogischen Kno- Physiker Max Planck (1858 – 1947) als Verwandte des 72469 Meßstetten von den Franziskanerinnen auf dem Programm. Ab- Redaktion: akonus in Schorndorf, wo 1761 Karl Friedrich als äl- tenpunkte einmal als „schwäbische Massenahnen“ be- Grafen von Reinhard hinzu. fahrt in Albstadt-Ebingen, Busbahnhof 7:30 Uhr, Ba- Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, testes von 14 Kindern zur Welt kommt, und wird 1775 zeichnet. Beide Stammväter, Georg Burkhardt (1539 – Weitere Verwandte ganz unterschiedlicher fachli- lingen, Stadthalle 8 Uhr. Umlage 30 Euro für Fahrt, Ein- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 bis zu seinem Tode „Spezial“ in Balingen; das ist die üb- 1591) und Johann König gen. Kingsattler (1486 – 1534) cher Ausprägung und regionaler sowie sozialer Her- tritte und Führungen. liche Kurzform für „Spezialsuperintendent“ – heute sind Professoren der Juristischen Fakultät der Uni- kunft zeigt uns die Stammtafel, die auf Johann König Seite 1799 Heimatkundliche Blätter Juni 2012

zwischen seinen Namen, Denkmäler erinnern an meh- ten sich die Ehrungen des Mannes, der beinahe die Ge- rum ein solcher aktiver Widerstand nicht rechtmä- reren Orten an ihn, auch am Bahnhof in Königs- schichte verändert und bei einem Erfolg seiner Tat ßig gewesen sein sollte oder sein konnte. Jeder, ob groß bronn und an zentraler Stelle in Berlin. schätzungsweise 50 Millionen Menschen das Leben ge- oder klein, ist berechtigt, einen Mörder an der Fort- Womöglich noch schwerer als der Rest der Bun- rettet hätte. setzung seiner Verbrechen zu hindern.“ desrepublik tat sich die Gemeinde Königsbronn mit Lassen Sie mich zum Schluss noch jemand zitie- dem Bürger Elser und seiner Tat. Dort war nach der Ex- ren, der wichtige Worte zum Thema Widerstand hin- plosion von München der Teufel los, die Menschen leb- terlassen und Grundsätzliches zur Frage gesagt hat, ob LITERATUR: ten wochenlang in Angst und Schrecken. Der Ort wur- denn ein „einfacher Mann“, einer aus dem Volk es auf de praktisch von der Gestapo besetzt. Bei Verhören, sich nehmen dürfe, einen Tyrannen zu töten. Der hes- – Lothar Gruchmann: Autobiographie eines Attentä- auch von Kindern, blieb kaum einer der rund 1750 Ein- sische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der den An- ters, Stuttgart 1989 wohner unbehelligt. Während die Familie des Ver- stoß zum großen Frankfurter Auschwitz-Prozess gab, – Hellmut G. Haasis: Den Hitler jag' ich in die Luft, Jahrgang 59 30. Juni 2012 Nr. 6 dächtigen nach Berlin gebracht und dort verhört wur- schrieb 1962 über „Das Widerstandsrecht des klei- Hamburg 2009 de, gingen die Drangsalierungen vor Ort weiter. Kö- nen Mannes“: „Passiver Widerstand gegenüber ver- – Peter Steinbach/Johannes Tuchel: Georg Elser – Der nigsbronn wurde draußen im Land als „Attentats- brecherischen Gesetzen, Befehlen, Handlungen ei- Hitler-Attentäter, Berlin 2010 hausen“ verhöhnt. Die Folgen waren allgemeines nes Staates ist Recht und Pflicht eines jeden. Zu ak- – Ulrich Renz: Georg Elser – Ein Meister der Tat, Lein- Schweigen und auch stille Verbitterung über den Mit- tivem Widerstand gegenüber Verbrechen ist nie- felden-Echterdingen 2009 bürger, der ihnen das alles eingebrockt hatte. mand verpflichtet, wohl aber berechtigt, wobei die – Hans Bernd Gisevius: Wo ist Nebe?, Zürich 1966 Doch 1990 wählten die Königsbronner einen neu- Grundsätze jeden Notwehrrechts gelten, dass die Ver- – Fritz Bauer: Die Humanität der Rechtsordnung, Aus- en Bürgermeister, der anders als sein Vorgänger kein teidigung dem jeweiligen Angriff angemessen sein gewählte Schriften, Frankfurt 1998 Tabu kannte und sich des Gedenkens an Georg El- muss. Die Frage der Angemessenheit spielt aber in der – Schriftenreihe der Georg Elser Gedenkstätte Kö- ser annahm. Mit Unterstützung der Berliner Ge- Auseinandersetzung mit den Verbrechen des 'Drit- nigsbronn denkstätte wurde am Ort eine Gedenkstätte einge- ten Reiches' keine Rolle.“ Durch Notwehr oder Not- – Georg-Elser-Arbeitskreis: Georg Elser – Gegen Hit- richtet, die Schule der Gemeinde erhielt den Na- hilfe zugunsten bedrohter Menschen wie beispiels- ler – Gegen den Krieg, Heidenheim 2003 men des Widerstandskämpfers. In Königsbronn wur- weise Juden, Sinti oder Polen sei jeder legitimiert ge- de auch eine Briefmarke der Deutschen Post zum Ge- wesen, Hitler und seine Handlanger und Werkzeuge Der Autor Ulrich Renz ist Journalist und Mitar- denken an Elser vorgestellt, und überall im Lande häuf- zu töten. „Es ist schlechterdings nicht ersichtlich, wa- beiter der Georg Elser Gedenkstätte Königsbronn. Exkursionen und Termine Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung für Juli und August

JULI Donnerstag, 19. Juli: Markdorf (Orgelmusik), Meers- AUGUST burg (Stadtführung, Besichtigung Neues Schloss) mit Mittwoch, 4. Juli: Führung für die Mitglieder der Hei- Wilfried Groh. Samstag, 11. August: Besuch der Landesausstellung matkundlichen Vereinigung durch die Ausstellung: Erstes Ziel ist Markdorf, dort wird um 10 Uhr in der „900 Jahre Baden“ in Karlsruhe mit Ruth Hübner und „Ich habe den Krieg verhindern wollen“. Georg Elser Pfarrkirche St. Nikolaus Marktmusik gespielt. Der ört- Hans Kratt. und das Attentat vom 8. November 1939. liche Organist Christian Ringendahl spielt auf der drei- Abfahrtstermine werden noch genannt. Umlage 30 Balingen, Foyer Landratsamt Zollernalbkreis, 16.30 manualigen Göckelorgel mit 46 Registern ein halb- Euro für Fahrt, Eintritte und Führungen. Uhr, Teilnahme frei. stündiges Orgelkonzert. In Meersburg erkunden wir mit einer Stadtführung die Altstadt. Anschließend besu- chen wir die ehemalige Residenz der Fürstbischöfe von Freitag, 24. August: Tagesexkursion zu den Kartäu- Samstag, 14. Juli: Exkursion nach Buttenhausen und Konstanz, das Neue Schloss, das erst in den letzten Jah- sern in Buxheim und Marienau. Schloss Rimpach mit Grafeneck mit Dr. Michael Walther. ren saniert wurde. Ein Rundgang ermöglicht einen neu- Wolfgang Willig. Romanik und Ruinen Zunächst besuchen wir in Buttenhausen das Ge- en Blick in den barocken Glanz der fürstbischöflichen Abfahrt in Balingen, Stadthalle 7 Uhr, Albstadt-Ebin- burtshaus von Matthias Erzberger, in der sich die Er- Zeit. Das von Balthasar Neumann entworfene Trep- gen, Busbahnhof 7.30 Uhr. Umlage 30 Euro für Fahrt, innerungsstätte sowie eine Dauerausstellung des Hau- penhaus, das Porzellankabinett und das Prunkschlaf- Eintritte und Führungen. Ein Rundgang der Heimatkundlichen Vereinigung um Burgfelden ses der Geschichte Baden-Württemberg befinden. Die zimmer des Fürstbischofs sind nur einige Höhepunk- Ausstellung erzählt Leben und Werk, aber auch den te dieses Rundgangs. Der Bau selbst wurde von Fürst- Bei der Exkursion der Heimatkundlichen Verei- 1070, in der Burgfelden auch erstmals urkundlich er- Malereien, die der Landeskonservator richtig ein- Kampf um die Erinnerung an diesen Wegbereiter der bischof Johann Franz II. Schenk von Stauffenberg (reg. nigung unter der Leitung von Dr. Ingrid Helber tra- wähnt wurde (1064). Man kann hier die Eigenkir- schätzte. Der Staat erwarb das Kunstdenkmal und die deutschen Demokratie. Buttenhausen war aber auch 1704 – 1740) im Jahre 1712 als eigenständige Erweite- STAMMTISCHE fen sich nahezu 50 Interessierte vor der alten Mi- che einer bedeutenden Adelsherrschaft vermuten. Die Gemeinde musste eine neue Kirche errichten. In dem eine der wenigen jüdischen Landgemeinden im Sü- rung der Residenz fertig gestellt. Abfahrt in Balingen, chaelskirche. Zunächst wurde das Äußere mit den ro- Fresken weichen von der Reichenauer Gestaltung ab äußerst komplizierten Verfahren zeichnete sich der den Württembergs. Wir werden Gelegenheit haben, Stadthalle7.20Uhr,Albstadt-Ebingen,Busbahnhof 7.50 Jeweils am ersten Mittwoch eines Monats trifft sich der manischen und gotischen Stilelementen begutach- und weisen mehr Kontakt mit den weiterführenden damalige Pfarrer Eduard Hauber aus. Aufgrund sei- einzelne Orte, die die Erinnerung an das jüdische Le- Uhr. Umlage 30 Euro für Fahrt, Eintritte und Führun- Ebinger Stammtisch unter der Leitung von Dr. Peter tet. Vier Bauphasen führten zum heutigen Zustand Bildern auf. Neben dem Jüngsten Gericht mit Chris- ner Bemühungen besitzt Burgfelden heute eine Kir- ben vor dem Vergessen bewahren, zu besuchen. Nach gen. Th. Lang im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 Alb- des Gebäudes. Neue Untersuchungen von Reinhard tus und dem Erzengel Michael auf der Ostwand fin- che nach den Plänen von Ulrich Pohlhammer (1897 einer Mittagspause im Gestütsgasthof Marbach besu- stadt-Ebingen: Telefon 07431 / 4188. Mayer und dem Förderverein beweisen, dass in ei- det man u.a. im Norden den „Barmherzigen Sa- – 99 Kath. Heilig-Geist-Kirche in Balingen) mit ei- chen wir den „Geschichtsort“ Grafeneck, der mit dem nem Grab in der halbrunden Apsis unter dem Fuß- mariter“, der als frühestes monumentales Land- ner stimmigen neugotischen Gestaltung, wovon sich Dokumentationszentrum, der Gedenkstätte mit offe- Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- boden (8. Jh.) ein Mann lag, der in der ersten Hälf- schaftsbild in der deutschen Kunstgeschichte gilt. Um die Heimatkundler überzeugen konnten. Nach ei- ner Kapelle, dem Alphabet-Garten und der nur noch Samstag, 28. Juli: Besuch der Ausstellung „Herren von schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- te des 7. Jahrhunderts gelebt hat, sowie eine etwa 50 1890 sollte die Evang. Michaelskirche aufgrund des nem Gang durch den Ortskern genossen die Teil- in Umrissen sichtbaren Vernichtungsanlage ver- Zimmern“ in Meßkirch mit Doris Muth M.A. chingen, Telefon 07471-15540 / Fax 07471-12283. Jahre später bestattete Frau. Beachtenswert sind die schlechten Zustandes ein neues Dach erhalten. Doch nehmer vom Böllat aus eine herrliche Aussicht bis schiedene Möglichkeiten der Annäherung an das un- Als Mäzene, Sammler, Chronisten und Bauherren Email: [email protected] frühe Besiedlung auf der Albhochfläche wie auch die nach der Abnahme des alten entdeckte man unter zum Schwarzwald. Eine Wanderung zur Schalks- fassbare Verbrechen der Euthanasie bietet. Abfahrt in haben die Grafen von Zimmern im wörtlichen wie im oder über unsere Homepage hochkarätigen romanischen Fresken aus der Zeit um der vom Regen „erweichten Mauertünche“ farbige burg schloss die Exkursion ab. Balingen, Stadthalle 7.30 Uhr, Albstadt-Ebingen, Bus- übertragenen Sinne Geschichte geschrieben. Sei es die www.heimatkundliche–vereinigung.de bahnhof 8 Uhr. Umlage 30 Euro für Fahrt, Eintritte und Zimmerische Chronik des Grafen Froben Christoph von Führungen. Zimmern (1519 – 1566), der Dreikönigsaltar des von sei- Bei allen Veranstaltungen sind Gäste jederzeit will- nem Onkel Graf Gottfried Werner von Zimmern (1484 kommen. – 1554) geförderten Meisters von Meßkirch oder das Meßkircher Renaissanceschloss, dass Froben Chris- toph nach französischen und italienischen Vorbildern Herausgegeben von der Georg Elser: Ein Meister der Tat errichten ließ und das in Südwestdeutschland als ers- Heimatkundlichen Vereinigung te Vierturmanlage stilbildend wirkte. Die Grafen von Zollernalb Der Autor dieser Ausgabe Zimmern haben der Nachwelt ein kulturelles Erbe von Pochen auf fundamentale Menschenrechte – Von Ulrich Renz unschätzbarem Wert hinterlassen. Zunächst besu- Vorsitzender: chen wir die von Gottfried Graf von Zimmern ausge- Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, Vortrag anlässlich der Eröffnung der Ausstellung: „Ich Versuch gescheitert ist, Adolf Hitler umzubringen. Wie fuhr in der Familie – mit einem zeitweise gewalttä- baute frühneuzeitliche Burg Wildenstein mit den heu- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 habe den Krieg verhindern wollen“. Georg Elser und lässt sich filmisch darstellen, was den Handwerker von tigen und trunksüchtigen Vater – und in der Schule te noch erhaltenen Renaissance-Wandmalereien. An- das Attentat vom 8. November 1939. Eine Doku- der Schwäbischen Alb so sehr umtrieb, dass er zum äu- nicht mehr Gewalt, als damals üblich war, wie er spä- schließend steht der Besuch der Ausstellung: „Mäzene Geschäftsführung: mentation der Landeszentrale für politische Bil- ßersten Mittel des Widerstandes griff, und zwar mit ei- ter selbst zu Protokoll gab. Die Schrecken des Welt- Ulrich Renz – Sammler – Chronisten. Die Grafen von Zimmern und Erich Mahler, Mörikeweg 6, dung Baden-Württemberg und der Gedenkstätte ner Hartnäckigkeit und kalten Entschlossenheit, die ih- krieges – den wir inzwischen den ersten nennen – bra- Feldbergplatz 3a die Kultur des schwäbischen Adels“ im Meßkircher 72379 Hechingen, Deutscher Widerstand. Realisiert mit Förderung resgleichen suchten? chen natürlich auch in das Dorf im Osten der Schwä- 76199 Karlsruhe Schloss auf dem Programm. Abschließend begeben wir Telefon (0 74 71) 1 55 40 durch die Stiftung Baden-Württemberg im Land- War es die Erfahrung von Gewalt am eigenen Lei- bischen Alb ein, in dem er aufwuchs. Die Familien hat- uns auf einen Stadtrundgang durch Meßkirch, der ehe- E-Mail: e. [email protected] ratsamt Balingen am 24. Mai 2012. be, so überlegten die Filmleute und überlegen wo- ten Tote und Verwundete zu beklagen. Am Ende des maligen Residenzstadt der Grafen von Zimmern bei der möglich immer noch, die Elser zum Bombenbauer wer- Krieges, als die Not der Zivilbevölkerung am schlimms- wir u.a. die Pfarrkirche St. Martin besichtigen. Abfahrt Redaktion: Johann Georg Elser ist nicht leicht zu fassen. – Das den ließ? Und woher kam seine abgrundtiefe Ab- ten wurde, war Georg 15 Jahre alt. Und als der wa- in Balingen, Stadthalle 8 Uhr, Albstadt-Ebingen, Bus- Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, muss zur Zeit auch ein Team von Filmleuten er- neigung gegen den Krieg, den er als Kind in der länd- che Geist, als der er sich später erweisen sollte, nahm bahnhof 8.45 Uhr. Umlage 30 Euro für Fahrt, Eintritte 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 fahren, die einen neuen Spielfilm über den Mann vor- lichen Heimat erlebte? er sicherlich genau wahr, was in der näheren und wei- und Führungen. bereiten, der am 8. November 1939 nur knapp mit dem Ersteres scheint nicht sehr wahrscheinlich. Elser er- teren Umgebung vor sich ging. Seite 1797 Heimatkundliche Blätter Juni 2012 Juni 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1798

Ich stelle mir vor, dass Elser in einer Art inne- tentat ging die nen realistischen Ausweg: Hitler und seine wich- statt rasch den nur wenige Meter entfernten, nicht be- chau und ehemalige SS-Männer waren gleicherma- rem Monolog, im Gespräch mit sich selbst, alle denk- Schweizer Polizei, auf tigsten Handlanger mussten verschwinden. Und so sonders gesicherten Grenzzaun zu überwinden. Aus ßen unter diesen falschen Gewährsleuten, deren Er- baren Argumente hin und her wendete, um dann im Ersuchen der Berli- sagteerseinenVernehmern,erhabefürsichdenSchluss dem offenen Fenster eines Hauses im Garten drang zählungen bereitwillige Ohren fanden. Jahre 1938 den entscheidenden Entschluss zu fas- ner Behörden, tat- gezogen, „dass die Verhältnisse in Deutschland nur die Stimme Hitlers, im Radio wurde seine Rede im „Bür- Besonderes Gewicht erhielten diese Darstellungen sen. Er hatte Hitler durchschaut, er war sich gewiss, sächlichen oder ver- durch eine Beseitigung der augenblicklichen Füh- gerbräukeller“ übertragen. Zwei Zollbeamten fiel die durch einen prominenten Gegner der Nationalso- dass der Diktator niemals von seinem alles zerstö- meintlichen Spuren rung verändert werden könnten“. Zwar war der Krieg seltsame Gestalt auf, sie nahmen den Mann fest und zialisten, der mit Elser lange Lagerjahre geteilt hat- renden Weg abweichen werde oder gar zum Frie- Elsers in der Schweiz schon im Gange, als er seine Bombe zündete, doch hielten ihn zunächst für einen Deserteur. te. Pfarrer Martin Niemöller, einer der bekanntesten den bereit sei. nach und fand he- nun wollte er wenigstens schlimmeres Unheil ab- Dies geschah um 20.45 Uhr. Und exakt nach Plan ex- Vertreter der Bekennenden Kirche, sagte 1947 vor Stu- Elser musste mit sich allein ringen, denn nach au- raus, dass der junge wenden. In seinen Worten: „Ich wollte ja auch durch plodierte um 21.20 Uhr Elsers Bombe im „Bürger- denten in Göttingen: „In Sachsenhausen und Da- ßen durfte niemand etwas von seinen Überlegun- Schreiner viele Jahre meine Tat ein noch größeres Blutvergießen verhin- bräukeller“. Acht Menschen, sieben „alte Kämpfer“ und chau habe ich in demselben Zellenbau zusammen- gen und konkreten Plänen erfahren. Die Geheim- zuvor, in der Kons- dern.“ Als er dann in der Haft seiner Mutter ge- eine Kellnerin, kamen ums Leben, 63 Personen wur- gesessen mit dem Mann, der 1939 das Attentat im Bür- haltung gelang ihm perfekt, wie die Polizei bei ih- tanzer Zeit, als Grenz- genüber gestellt wurde, sagte er er auf ihre Frage nach den verletzt. Doch Hitler hatte völlig überraschend 13 gerbräukeller auf Hitlers persönlichen Befehl durch- ren Ermittlungen nach dem Attentat erfahren muss- gänger in einer seinem Motiv: „Mutter, ich habe den Krieg verhin- Minuten zuvor mit seinen Paladinen – außer Her- zuführen hatte: dem SS-Unterscharführer Georg El- te. Sie diente nicht nur dem eigenen Schutz, son- Schreinerei am dern wollen.“ mann Göring war nahezu die gesamte Führung an- ser. Mit diesem Mann sollte ein zweiter Reichs- dern auch dem seiner Umgebung, Elser wollte kei- schweizerischen Bo- Das Streben nach Perfektion, das den Kunst- wesend – den Saal verlassen. Heute wissen wir, dass tagsbrandprozess vorgeführt werden.“ Auch in ei- ne Mitwisser gefährden. Aber das Schweigen führte denseeufer gearbei- tischler Elser auszeichnete, trieb ihn nun auch bei der er dies nicht der „Vorsehung“ zu verdanken hatte, die nem Briefwechsel mit Elsers Mutter, die sich gegen die auch dazu, dass seine Motive, die Kräfte seines An- tet hatte. Der Meis- Umsetzung seiner Attentatspläne an. In einer Fabrik umgehend von den Nazis bemüht wurden. Ange- Verleumdung ihres Sohnes wehrte und sich von dem triebs im Dunkeln blieben. Üble Gerüchte, Ver- ter von damals lebte in Heidenheim, dem schon erwähnten Rüstungsbe- sichts des bevorstehenden Feldzuges gegen Frank- Geistlichen zudem Auskunft über das Schicksal Ge- leumdungen, Verdächtigungen waren die Folge. nicht mehr, aber sein trieb, und im Steinbruch in Königsbronn fand er vo- reich hatte er es sehr eilig, nach Berlin zurückzu- orgs erhoffte, blieb der Pastor bei seiner Meinung. Da- Erst um das Jahr 1970 kam die Wahrheit ans Licht, Sohn erinnerte sich, rübergehend Arbeit – um sich dort Pulver, Zünder und kehren. Er musste dazu den Sonderzug nehmen, Ne- bei stellte sich heraus, dass der Pfarrer, der im Lau- immer noch nicht die ganze, aber doch ein ganz we- und so meldeten die Sprengstoff zu beschaffen. Dazwischen reiste er nach bel verhinderte einen Flug. fe der Zeit zum Kirchenpräsidenten aufstieg, gar kei- sentlicher Teil der Wahrheit, nachdem der Histori- Schweizer Beamten München und entschied sich dafür, das Attentat wäh- Natürlich erregte die Explosion – über die Hitler auf ne Kenntnis der wahren Hintergründe des Attentats ker Lothar Gruchmann das Protokoll der Verneh- nach Berlin: „Elser rend der jährlichen Feier zur wagen, bei der Hitler und dem Weg nach Berlin informierte wurde – unge- hatte und haben konnte. Die Historiker Steinbach und mung Elsers durch die Gestapo entdeckt und ver- wird als arbeitsam, seine „alten Kämpfer“ im „Bürgerbräukeller“ des ge- heures Aufsehen und führte zu wilden Spekulatio- Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Wider- öffentlicht hatte. Es war ganz typisch für den mit vie- ruhig und solide ge- scheiterten Putsches von 1923 gedachten. nen und Beschuldigungen. Die Führung der Natio- stand in Berlin, kommentieren: „Mit anderen Wor- len Irrungen und Wirrungen ausgestatteten Fall El- schildert. Als son- Elser lebte nun nur noch für seinen Plan und zog nalsozialisten zögerte nicht, den britischen Ge- ten: Niemöller gab nur Lagerklatsch wieder.“ ser, dass Gruchmann dieses Dokumente durch Zu- derbar ist aufgefal- sich weitgehend von seiner Umwelt zurück, was ihm heimdienst verantwortlich zu machen und Hitlers al- Die Gerüchte, die Niemöller und andere verbrei- fall ausgerechnet in einem vom Reichsjustizminis- len, dass Elser an dann eben später den Ruf des Eigenbrötlers und Son- ten innerparteilichen Kontrahenten Otto Strasser, der teten, fanden ihren Niederschlag in Memoiren oder terium hinterlassenen Aktenberg fand, der zur frag- Nachmittagen öfters derlings eintrug. Er fertigte Zeichnungen für die Lö- nun in der Emigration lebte, als Handlanger der Eng- gar wissenschaftlicher Literatur. So schien sich zu be- lichen Zeit in einem Archiv des Bundesjustizminis- seine Arbeitsstelle sung technischer Probleme an, baute ein Modell der länder zu denunzieren. Gegner des Regimes im In- und wahrheiten, was der Reichskriminaldirektor Arthur Ne- teriums schlummerte. Im Justizapparat der Nazis hat- verlassen hat, um ba- „Höllenmaschine“ und experimentierte im elterli- Ausland verbreiteten ihrerseits den Verdacht, die Na- be im Jahre 1944 seinem Freund Hans Bernd Gise- te es eigentlich nichts verloren, denn im „Dritten Reich“ den zu gehen. Die chen Obstgarten mit Zündern. Anfang August be- zis selbst hätten das Attentat inszeniert, um die „Vor- vius über Elser gesagt haben soll. Nämlich: „Du wirst se- war es der Justiz auf Weisung von ganz oben un- versäumte Zeit hat er gann dann die letzte Phase des Unternehmens: Er sie- sehung“ preisen zu können und das Volk zum Kriegs- hen, den Mann machen sie noch hinterher fertig; den tersagt, sich mit Elser zu befassen. Für ihn war – nach- jeweils abends wie- delte nach München über, im Gepäck einen Koffer voll willen aufzurütteln. schweigen sie tot. ... Jawohl, der Mann wollte ganz ein- dem die Kriminalpolizei die ersten Ermittlungen ab- der reichlich nach- Sprengstoff. Er bastelte weiter an seiner Konstruk- Beide Seiten konnten sich nicht vorstellen, dass ein fach nicht den Krieg. ... Dieser Mann aus dem Volk lieb- geschlossen hatte – ausschließlich die Gestapo zu- geholt.“ Da wird der tion und höhlte in über 30 Nächten, in kaum vor- „Mann aus dem Volk“, ohne Hintermänner und Hel- te das einfache Volk; er legte mir leidenschaftlich und ständig. eigenwillige Hand- stellbarer mühsamer Arbeit, auf der Galerie im gro- fershelfer, den „Führer“ beseitigen wollte. Zu den we- in simplen Sätzen dar, Krieg bedeute für die Mas- Nun konnte man nachlesen, was der Attentäter über werker erkennbar, der ßen Saal des „Bürgerbräukellers“ die Säule aus, vor der nigen, die die Wahrheit ahnten und dann kannten, ge- sen aller Länder Hunger, Elend und millionenfa- seine Motive ausgesagt hatte. Und zwar in einem zwei- sich seines Wertes Hitler seine Rede halten sollte. Er hatte sich über- hörten Kriminalisten, die die Ermittlungen führten. Al- chen Tod. Kein 'Pazifist' im üblichen Sinne, dachte er ten Verhör nach seinem Geständnis. Das erste hatte bewusst ist und sich zeugt, dass der Saal kaum bewacht und kontrolliert lerdings dauerte es einige Zeit, ehe diesen Beamten ganzprimitiv:HitleristderKrieg,undwenndieserMann er noch vor Kriminalbeamten in München, unter de- daher auch eine fle- wurde. dämmerte, dass der unscheinbare Mann, der da in weg ist, dann gibt es Frieden.“ So schildert es Gi- nen auch der Reichskriminaldirektor Arthur Nebe war, xible Arbeitszeit ge- Georg Elser, äußerlich wie eh und je ein stiller und ge- Konstanz festgenommen worden war und sich nun im sevius, ein Chronist des Aufstandes vom 20. Juli 1944, abgelegt. Diese Aufzeichnung samt dem Ermitt- nehmigt. lassener Mensch, muss in dieser Zeit unter einer un- Gewahrsam der Gestapo befand, etwas mit dem At- in seinem Buch „Wo ist Nebe?“ lungsbericht der erfahrenen Kriminaler ist nicht er- 1932 musste er aus geheuren Anspannung gestanden haben. Er arbei- tentat zu tun haben könnte. Nun spielte auch eine Rol- Damit waren die Kulissen im „Fall Bürgerbräu- halten. Die Experten waren aber ziemlich rasch da- familiären Gründen tete nicht nur bis zur Erschöpfung, er lebte auch in stän- le, dass Zeugen aus dem „Bürgerbräukeller“ sich an ei- keller“ aufgerichtet. Steinbach und Tuchel be- von überzeugt, dass Elser ein Alleintäter war, was den nach Königsbronn diger Angst vor Entdeckung. Seinen Zimmerwirten nen schwäbisch sprechenden Stammgast erinnerten: schrieben sie so: „In einer Zeit zaghafter Ansätze zur oberen und obersten Nazis gar nicht passte. Sie woll- zurückkehren. Er musste er Ausreden dafür präsentieren, dass er nachts Es zählte zu den besonderen Kennzeichen Elsers, dass Würdigung des elitär-konservativen Widerstandes, in ten unbedingt Beweise für ihre Behauptung sehen, die wechselte öfter die Ar- unterwegs war, und sprach dann vage davon, dass er er stark schwäbelte. welcher der Widerstand aus der Arbeiterbewegung ig- Drahtzieher säßen im Ausland – zumal beim briti- beitsstelle oder hielt an einem geheimen Patent arbeite. Der Mann, der nicht Der Rest des Novembers verging mit eingehen- noriert und die Verbrechen der Nationalsozialisten be- schen Geheimdienst. Einer der beteiligten Krimi- sich mit Schreiner- rauchte und kaum Alkohol trank, bekämpfe die Span- den Vernehmungen Elsers, der zeitweise schwer miss- harrlich verdrängt wurden, passte der Einzeltäter und nalbeamten berichtete später, Heinrich Himmler, der arbeiten auf eigene nung mit einem Mittel, das auf den ersten Blick er- handelt wurde und der ein Geständnis ablegte. Ganz überzeugte Kriegsgegner nicht ins Bild. Elser kann für „Reichsführer SS“, habe auf den Rapport mit der Rechnung über Was- staunt: Er vertiefte sich ins stille Gebet. Im Verhör sag- hartnäckig hielt er aber an der Darstellung fest, dass keinen Traditionszusammenhang beansprucht wer- Schlussfolgerung über die Alleintäterschaft reagiert, in- ser. Bis sein Leben te er: „Erst im Laufe des Jahres ging ich auch wie- er allein gehandelt habe. Wie ein roter Faden zieht sich den: Er wählte kommunistisch, folgte aber nicht der dem er mit grünem Stift an den Rand geschrieben ha- schließlich von ei- der öfter in die Kirche, nämlich bis heute seit Jah- sein Bemühen durch das Protokoll, keinen anderen Parteilinie. Er war Christ, engagierte sich aber nicht be. „Welcher Idiot hat den Bericht gemacht?“ nem einzigen Plan be- resbeginn ungefähr 30mal. Ich bin in letzter Zeit auch Menschen zu belasten. Nach Abschluss der Ermitt- in der Amtskirche. Er passte weder in ein konser- Die Tatsachen liegen inzwischen ausgebreitet vor herrscht wurde: 1938 öfter werktags in eine katholische Kirche gegangen, lungen wurde Elser, der bis dahin im so genannten vativ-nationales noch in ein bürgerlich-liberales Sche- uns. Georg Elser wurde am 4. Januar 1903 in Her- fasste er nach eige- wenn gerade keine evangelische Kirche da war, um dort Hausgefängnis der Gestapo-Zentrale in Berlin un- ma des Kampfes gegen die Diktatur.“ maringen auf der Schwäbischen Ostalb geboren. Die nen Angaben den Ent- mein Vaterunser zu beten. Es ist schon so, dass ich tergebracht war, in das Konzentrationslager Sach- Vereinzelte Zeitgenossen, die nach eingehenden Re- Familie zog bald danach etliche Kilometer nach Nor- schluss zum Attentat nach einem Gebet immer wieder etwas beruhigter war.“ senhausen eingewiesen und Ende 1944 ins KZ Da- cherchen die Wahrheit über Elser verkündeten, blie- den in die Gemeinde Königsbronn, die ebenfalls im auf Adolf Hitler. Auch der Sprengapparat, zu dessen Herzstück ein chau verlegt. Auch seine Haftbedingungen lieferten ben Rufer in der Wüste, die Zeiten waren nicht da- Kreis Heidenheim liegt und zur Heimat unseres At- Schon lange vor Uhrwerk gehörte, wurde eine typisch Meisterleis- Anlass zu Spekulationen und Gerüchten. Denn die- nach. Elser galt weiter als zwielichtige Figur oder wur- tentäters wurde. Das Kind wuchs in eher ärmlichen Ver- dieser Entscheidung war für Elsers Umgebung un- cherlich nicht so formuliert hätte. Mehr noch aber sah tung nach der Art Elsers. Weil ein Uhrwerk eventu- sem „Sonderhäftling“ wurde eine geräumigere Zelle als de gar nicht erst zur Kenntnis genommen. Erst En- hältnissen auf. Der Vater betrieb mit mäßigem Er- übersehbar, dass er dem Nationalsozialismus mit tie- er diese Rechte durch den Krieg bedroht, auf den die ell versagen kann, baute er zur Sicherheit ein zwei- anderen eingeräumt. Er konnte tischlern und durfte so- de der 60er, Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahr- folg einen Holzhandel und daneben eine kleine Land- fer Abneigung begegnete. Es ist bezeugt, dass er sich Machthaber seiner unerschütterlichen Meinung nach tes ein. Und er berichtete später „Da ich feststellte, gar eine Zither bauen, auf der er schwermütige Wei- hunderts setzte zögerlich die Wende ein, nachdem der wirtschaft. Die Familie bewegte sich am „sozialen weigerte, die Hakenkreuzfahne zu grüßen. Wenn im zusteuerten und dessen systematische Vorbereitung dass die beiden Uhrwerke durch die Wandverklei- sen spielte. Doch er lebte in absoluter Isolation, völ- eingangs erwähnte Lothar Gruchmann vom Mün- Rand“, wie Elsers Biograf Hellmut Haasis bemerkt. Der Radio eine Rede Hitlers übertragen wurde, verließ er er 1938 /39 bei der Arbeit in der Rüstungsfertigung hat- dung hindurch gut zu hören sind, habe ich sie in ei- lig abgeschirmt von allen anderen Häftlingen, unter chener Institut für Zeitgeschichte das Verneh- schmächtige Junge, der noch vier Geschwister hat und den Raum. Der Handwerker, der kommunistisch wähl- te beobachten können. Zudem gilt, was die Histo- nem doppelwandigen Kasten aus Sperrholz mit ei- ständiger Sonderbewachung durch SS-Männer. Am mungsprotokoll gefunden, ausgewertet und veröf- in dieser Reihe der älteste ist, geht nach der Schule zu- te, aber kein Parteimitglied war, war „Sozialist, aber riker Peter Steinbach und Johannes Tuchel in ihrem ner ein Zentimeter starken Korkeinlage unterge- Schluss war Elser, der in der Haft zum Kettenrau- fentlicht hatte. Es gilt als wichtigster Zugang zu El- nächst bei den Schwäbischen Hüttenwerken, einem ein freiheitlicher, keiner, der sich stramm einordnen Buch über Georg Elser schreiben: „Alle Zeitgenos- bracht.“ Zündmechanismus und Schlagbolzen, über- cher wurde, ein gesundheitliches Wrack. sers Denken und Handeln. Der Attentäter selbst hat Industriebetrieb mit sehr langer Tradition im Ort, in würde“, wie ihn Haasis einstuft. sen hätten diese Kriegsvorbereitungen erkennen kön- haupt die ganze ausgetüftelte Konstruktion war von ei- Es gilt als sicher, dass die Führung des Regimes den – das erstaunt niemanden, der sich mit ihm be- die Lehre, muss sich dann aber aus gesundheitli- Ihm war das ganze herrschende System zuwider, es nen.“ ner Art, dass die mit den Ermittlungen befassten er- Häftling für einen großen Schauprozess bereit hal- schäftigt – keinerlei Aufzeichnungen hinterlassen. Die chen Gründen einen anderen Beruf suchen und wird stand in krassem Gegensatz zu seinen Vorstellungen Elser ließ sich auch durch das Münchener Ab- fahrenen Kriminalbeamten Respekt und fast schon Be- ten wollte, der nach dem „Endsieg“ stattfinden und Elser-Gedenkstätte in Königsbronn kann gerade mal Schreiner. Er findet damit seine Berufung. Er hängt von individueller Freiheit. Dazu hatte Elser einen sehr kommen von 1938 nicht blenden, mit dem die so ge- wunderung bekundeten. sich wohl besonders gegen die perfiden Engländer rich- mit einer Rechnung für Schreinerarbeiten von sei- sehr an diesem Handwerk und erwirbt sich den Ruf ei- ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, der nicht zuletzt sein nannte Sudetenkrise beigelegt werden sollte. Viel- Am frühen Morgen des 6. November stellte Elser bei- ten sollte. Als sich der Zusammenbruch abzeichne- ner Hand aufwarten. nes Perfektionisten. Verhalten in der Arbeitswelt prägte: Fühlte er sich un- mehr war ihm klar, dass der Vertrag das Papier nicht de Uhrwerke in der Säule auf den Abend des 8. No- te, verlor er seinen Wert für die Nationalsozialisten. Richtigen Schwung bekamen die Bemühungen um 1925 verlässt Elser die engere Heimat, sucht Ar- gerecht behandelt, dann ging er. wert war, auf dem er stand. Im Verhörprotokoll liest vember ein. Er fuhr zu seiner Schwester nach Stutt- Am 9. April 1945 wurde er auf Weisung von höchs- eine Rehabilitierung und die öffentliche Ehrung die- beit am Bodensee, landet schließlich in Konstanz. Er In seiner Vernehmung hielt er den Nationalsozi- sich das so: Er sei überzeugt, dass es bei diesem Ab- gart und deponierte dort seine Habseligkeiten. Sein ter Stelle – entweder von Hitler oder von Himmler – ses Widerstandskämpfers dann in den 80er Jahren. Der hat wechselnde Arbeitsstellen, leidet wie andere im- alisten vor: „Nach meiner Ansicht haben sich die Ver- kommen „nicht bleibt, dass Deutschland anderen Län- Hang zur perfekten Arbeit trieb ihn aber noch ein- in Dachau erschossen. Der Name seines Mörders ist be- englische Germanist Joseph Peter Stern lobte den mer mal wieder unter Arbeitslosigkeit. Er macht die Be- hältnisse in der Arbeiterschaft nach der nationalen Re- dern gegenüber noch weitere Forderungen stellen und mal zurück nach München, wo er sich auf die Ga- kannt, der starb nur Wochen nach der Kapitulation Handwerker in einem Buch und in Zeitungsbeiträ- kanntschaft von Frauen – aus der Konstanzer Zeit hat volution in verschiedener Hinsicht verschlechtert. So sich andere Länder einverleiben wird und dass des- lerie im „Bürgerbräukeller“ schlich und nachprüfte, ob in einem Gefangenenlager. Immerhin fand er im Ge- gen und nannte ihn „Hitlers wahren Antagonisten“. er dann einen unehelichen Sohn – und musiziert, wie zum Beispiel habe ich festgestellt, dass die Löhne nied- halb ein Krieg unvermeidlich ist“. Christian Graf von die Uhrwerke exakt liefen. Wie er später aussagte: „Die gensatz zu Elser, dessen Asche zerstreut wurde, ein 1988 wurde in Heidenheim der Georg-Elser-Ar- schon in Königsbronn, in Vereinen, wo er unter an- riger und die Abzüge höher wurden.“ Das rechnete er Krockow würdigt diese Weitsicht in einem Buch über Uhr ging richtig. Ich hatte also an den Werken nichts Grab. beitskreis gegründet, eine Vereinigung von Bürge- derem Zither spielt. In diesen Jahren erweitert er sei- den Gestapobeamten auf Mark und Pfennig vor. Er sag- den 20. Juli 1944 mit dem Satz: „Das erwies sich als zu richten.“ Und Georg Elser fand keine Ruhe. Für seinen Nach- rinnen und Bürgern, die das Gedenken an den At- nen Horizont. Nicht zuletzt im Umgang mit Kolle- te auch: „Der Arbeiter kann zum Beispiel seinen Ar- wahr; offenbar reicht schlichte Einsicht manchmal wei- Jetzt begann die Flucht des Attentäters, die kläg- ruhm begann eine lange Leidenszeit. Soweit in der tentäter vorantrieb. Ähnliche Kreise gibt es mittler- gen erwacht sein politisches Bewusstsein. Haasis hält beitsplatz nicht mehr wechseln wie er will, er ist heu- ter als die Klugheit von Staatsmännern wie dem bri- lich scheitern sollte. Mit der Bahn und dem Schiff Nachkriegszeit von ihm überhaupt die Rede war, do- weile in mehreren Städten der Bundesrepublik. Auch fest: „Die Jahre am Bodensee hatten ihn freier ge- te durch die HJ nicht mehr Herr seiner Kinder und tischen Premierminister Neville Chamberlain, der machte er sich auf den Weg ins vertraute Konstanz, minierten Falschmeldungen und abenteuerliche Ge- die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin wur- macht, hatten ihn persönlich wie politisch geprägt.“ auch in religiöser Hinsicht kann er sich nicht mehr glaubte, Hitler durch sein Nachgeben zähmen und den wo er sich über die grüne Grenze in die Schweiz ab- rüchte. Es meldeten sich angebliche und tatsächli- de zum Motor der Aufklärung im Fall „Bürgerbräu- Aus jenem Abschnitt seines Lebens ist eine Schil- so frei bewegen.“ Frieden retten zu können.“ setzen wollte. Es gehört zu den Rätseln im Leben die- che Zeitzeugen zu Wort, die berichteten, wie der Schrei- keller“. Elser wurde in Filmen und Sachbüchern, in Ro- derung überliefert, die in wenigen Worten ein Cha- Mit anderen Worten: Elser pochte auf funda- Doch die Beurteilung der Lage durch den Schrei- ses Menschen, warum er in einem großen Garten di- ner aus Königsbronn im Dienste der Nationalsozia- manen und Theaterstücken verewigt. Über 45 Stra- rakterbild des Georg Elser entwirft. Nach dem At- mentale Menschenrechte, auch wenn er das si- ner aus Königsbronn reichte noch weiter. Er sah nur ei- rekt an der Grenze mit seiner Flucht zögerte, an- listen seine Bombe gebaut habe. Überlebende aus Da- ßen und Plätze in der Bundesrepublik tragen in- Seite 1797 Heimatkundliche Blätter Juni 2012 Juni 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1798

Ich stelle mir vor, dass Elser in einer Art inne- tentat ging die nen realistischen Ausweg: Hitler und seine wich- statt rasch den nur wenige Meter entfernten, nicht be- chau und ehemalige SS-Männer waren gleicherma- rem Monolog, im Gespräch mit sich selbst, alle denk- Schweizer Polizei, auf tigsten Handlanger mussten verschwinden. Und so sonders gesicherten Grenzzaun zu überwinden. Aus ßen unter diesen falschen Gewährsleuten, deren Er- baren Argumente hin und her wendete, um dann im Ersuchen der Berli- sagteerseinenVernehmern,erhabefürsichdenSchluss dem offenen Fenster eines Hauses im Garten drang zählungen bereitwillige Ohren fanden. Jahre 1938 den entscheidenden Entschluss zu fas- ner Behörden, tat- gezogen, „dass die Verhältnisse in Deutschland nur die Stimme Hitlers, im Radio wurde seine Rede im „Bür- Besonderes Gewicht erhielten diese Darstellungen sen. Er hatte Hitler durchschaut, er war sich gewiss, sächlichen oder ver- durch eine Beseitigung der augenblicklichen Füh- gerbräukeller“ übertragen. Zwei Zollbeamten fiel die durch einen prominenten Gegner der Nationalso- dass der Diktator niemals von seinem alles zerstö- meintlichen Spuren rung verändert werden könnten“. Zwar war der Krieg seltsame Gestalt auf, sie nahmen den Mann fest und zialisten, der mit Elser lange Lagerjahre geteilt hat- renden Weg abweichen werde oder gar zum Frie- Elsers in der Schweiz schon im Gange, als er seine Bombe zündete, doch hielten ihn zunächst für einen Deserteur. te. Pfarrer Martin Niemöller, einer der bekanntesten den bereit sei. nach und fand he- nun wollte er wenigstens schlimmeres Unheil ab- Dies geschah um 20.45 Uhr. Und exakt nach Plan ex- Vertreter der Bekennenden Kirche, sagte 1947 vor Stu- Elser musste mit sich allein ringen, denn nach au- raus, dass der junge wenden. In seinen Worten: „Ich wollte ja auch durch plodierte um 21.20 Uhr Elsers Bombe im „Bürger- denten in Göttingen: „In Sachsenhausen und Da- ßen durfte niemand etwas von seinen Überlegun- Schreiner viele Jahre meine Tat ein noch größeres Blutvergießen verhin- bräukeller“. Acht Menschen, sieben „alte Kämpfer“ und chau habe ich in demselben Zellenbau zusammen- gen und konkreten Plänen erfahren. Die Geheim- zuvor, in der Kons- dern.“ Als er dann in der Haft seiner Mutter ge- eine Kellnerin, kamen ums Leben, 63 Personen wur- gesessen mit dem Mann, der 1939 das Attentat im Bür- haltung gelang ihm perfekt, wie die Polizei bei ih- tanzer Zeit, als Grenz- genüber gestellt wurde, sagte er er auf ihre Frage nach den verletzt. Doch Hitler hatte völlig überraschend 13 gerbräukeller auf Hitlers persönlichen Befehl durch- ren Ermittlungen nach dem Attentat erfahren muss- gänger in einer seinem Motiv: „Mutter, ich habe den Krieg verhin- Minuten zuvor mit seinen Paladinen – außer Her- zuführen hatte: dem SS-Unterscharführer Georg El- te. Sie diente nicht nur dem eigenen Schutz, son- Schreinerei am dern wollen.“ mann Göring war nahezu die gesamte Führung an- ser. Mit diesem Mann sollte ein zweiter Reichs- dern auch dem seiner Umgebung, Elser wollte kei- schweizerischen Bo- Das Streben nach Perfektion, das den Kunst- wesend – den Saal verlassen. Heute wissen wir, dass tagsbrandprozess vorgeführt werden.“ Auch in ei- ne Mitwisser gefährden. Aber das Schweigen führte denseeufer gearbei- tischler Elser auszeichnete, trieb ihn nun auch bei der er dies nicht der „Vorsehung“ zu verdanken hatte, die nem Briefwechsel mit Elsers Mutter, die sich gegen die auch dazu, dass seine Motive, die Kräfte seines An- tet hatte. Der Meis- Umsetzung seiner Attentatspläne an. In einer Fabrik umgehend von den Nazis bemüht wurden. Ange- Verleumdung ihres Sohnes wehrte und sich von dem triebs im Dunkeln blieben. Üble Gerüchte, Ver- ter von damals lebte in Heidenheim, dem schon erwähnten Rüstungsbe- sichts des bevorstehenden Feldzuges gegen Frank- Geistlichen zudem Auskunft über das Schicksal Ge- leumdungen, Verdächtigungen waren die Folge. nicht mehr, aber sein trieb, und im Steinbruch in Königsbronn fand er vo- reich hatte er es sehr eilig, nach Berlin zurückzu- orgs erhoffte, blieb der Pastor bei seiner Meinung. Da- Erst um das Jahr 1970 kam die Wahrheit ans Licht, Sohn erinnerte sich, rübergehend Arbeit – um sich dort Pulver, Zünder und kehren. Er musste dazu den Sonderzug nehmen, Ne- bei stellte sich heraus, dass der Pfarrer, der im Lau- immer noch nicht die ganze, aber doch ein ganz we- und so meldeten die Sprengstoff zu beschaffen. Dazwischen reiste er nach bel verhinderte einen Flug. fe der Zeit zum Kirchenpräsidenten aufstieg, gar kei- sentlicher Teil der Wahrheit, nachdem der Histori- Schweizer Beamten München und entschied sich dafür, das Attentat wäh- Natürlich erregte die Explosion – über die Hitler auf ne Kenntnis der wahren Hintergründe des Attentats ker Lothar Gruchmann das Protokoll der Verneh- nach Berlin: „Elser rend der jährlichen Feier zur wagen, bei der Hitler und dem Weg nach Berlin informierte wurde – unge- hatte und haben konnte. Die Historiker Steinbach und mung Elsers durch die Gestapo entdeckt und ver- wird als arbeitsam, seine „alten Kämpfer“ im „Bürgerbräukeller“ des ge- heures Aufsehen und führte zu wilden Spekulatio- Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Wider- öffentlicht hatte. Es war ganz typisch für den mit vie- ruhig und solide ge- scheiterten Putsches von 1923 gedachten. nen und Beschuldigungen. Die Führung der Natio- stand in Berlin, kommentieren: „Mit anderen Wor- len Irrungen und Wirrungen ausgestatteten Fall El- schildert. Als son- Elser lebte nun nur noch für seinen Plan und zog nalsozialisten zögerte nicht, den britischen Ge- ten: Niemöller gab nur Lagerklatsch wieder.“ ser, dass Gruchmann dieses Dokumente durch Zu- derbar ist aufgefal- sich weitgehend von seiner Umwelt zurück, was ihm heimdienst verantwortlich zu machen und Hitlers al- Die Gerüchte, die Niemöller und andere verbrei- fall ausgerechnet in einem vom Reichsjustizminis- len, dass Elser an dann eben später den Ruf des Eigenbrötlers und Son- ten innerparteilichen Kontrahenten Otto Strasser, der teten, fanden ihren Niederschlag in Memoiren oder terium hinterlassenen Aktenberg fand, der zur frag- Nachmittagen öfters derlings eintrug. Er fertigte Zeichnungen für die Lö- nun in der Emigration lebte, als Handlanger der Eng- gar wissenschaftlicher Literatur. So schien sich zu be- lichen Zeit in einem Archiv des Bundesjustizminis- seine Arbeitsstelle sung technischer Probleme an, baute ein Modell der länder zu denunzieren. Gegner des Regimes im In- und wahrheiten, was der Reichskriminaldirektor Arthur Ne- teriums schlummerte. Im Justizapparat der Nazis hat- verlassen hat, um ba- „Höllenmaschine“ und experimentierte im elterli- Ausland verbreiteten ihrerseits den Verdacht, die Na- be im Jahre 1944 seinem Freund Hans Bernd Gise- te es eigentlich nichts verloren, denn im „Dritten Reich“ den zu gehen. Die chen Obstgarten mit Zündern. Anfang August be- zis selbst hätten das Attentat inszeniert, um die „Vor- vius über Elser gesagt haben soll. Nämlich: „Du wirst se- war es der Justiz auf Weisung von ganz oben un- versäumte Zeit hat er gann dann die letzte Phase des Unternehmens: Er sie- sehung“ preisen zu können und das Volk zum Kriegs- hen, den Mann machen sie noch hinterher fertig; den tersagt, sich mit Elser zu befassen. Für ihn war – nach- jeweils abends wie- delte nach München über, im Gepäck einen Koffer voll willen aufzurütteln. schweigen sie tot. ... Jawohl, der Mann wollte ganz ein- dem die Kriminalpolizei die ersten Ermittlungen ab- der reichlich nach- Sprengstoff. Er bastelte weiter an seiner Konstruk- Beide Seiten konnten sich nicht vorstellen, dass ein fach nicht den Krieg. ... Dieser Mann aus dem Volk lieb- geschlossen hatte – ausschließlich die Gestapo zu- geholt.“ Da wird der tion und höhlte in über 30 Nächten, in kaum vor- „Mann aus dem Volk“, ohne Hintermänner und Hel- te das einfache Volk; er legte mir leidenschaftlich und ständig. eigenwillige Hand- stellbarer mühsamer Arbeit, auf der Galerie im gro- fershelfer, den „Führer“ beseitigen wollte. Zu den we- in simplen Sätzen dar, Krieg bedeute für die Mas- Nun konnte man nachlesen, was der Attentäter über werker erkennbar, der ßen Saal des „Bürgerbräukellers“ die Säule aus, vor der nigen, die die Wahrheit ahnten und dann kannten, ge- sen aller Länder Hunger, Elend und millionenfa- seine Motive ausgesagt hatte. Und zwar in einem zwei- sich seines Wertes Hitler seine Rede halten sollte. Er hatte sich über- hörten Kriminalisten, die die Ermittlungen führten. Al- chen Tod. Kein 'Pazifist' im üblichen Sinne, dachte er ten Verhör nach seinem Geständnis. Das erste hatte bewusst ist und sich zeugt, dass der Saal kaum bewacht und kontrolliert lerdings dauerte es einige Zeit, ehe diesen Beamten ganzprimitiv:HitleristderKrieg,undwenndieserMann er noch vor Kriminalbeamten in München, unter de- daher auch eine fle- wurde. dämmerte, dass der unscheinbare Mann, der da in weg ist, dann gibt es Frieden.“ So schildert es Gi- nen auch der Reichskriminaldirektor Arthur Nebe war, xible Arbeitszeit ge- Georg Elser, äußerlich wie eh und je ein stiller und ge- Konstanz festgenommen worden war und sich nun im sevius, ein Chronist des Aufstandes vom 20. Juli 1944, abgelegt. Diese Aufzeichnung samt dem Ermitt- nehmigt. lassener Mensch, muss in dieser Zeit unter einer un- Gewahrsam der Gestapo befand, etwas mit dem At- in seinem Buch „Wo ist Nebe?“ lungsbericht der erfahrenen Kriminaler ist nicht er- 1932 musste er aus geheuren Anspannung gestanden haben. Er arbei- tentat zu tun haben könnte. Nun spielte auch eine Rol- Damit waren die Kulissen im „Fall Bürgerbräu- halten. Die Experten waren aber ziemlich rasch da- familiären Gründen tete nicht nur bis zur Erschöpfung, er lebte auch in stän- le, dass Zeugen aus dem „Bürgerbräukeller“ sich an ei- keller“ aufgerichtet. Steinbach und Tuchel be- von überzeugt, dass Elser ein Alleintäter war, was den nach Königsbronn diger Angst vor Entdeckung. Seinen Zimmerwirten nen schwäbisch sprechenden Stammgast erinnerten: schrieben sie so: „In einer Zeit zaghafter Ansätze zur oberen und obersten Nazis gar nicht passte. Sie woll- zurückkehren. Er musste er Ausreden dafür präsentieren, dass er nachts Es zählte zu den besonderen Kennzeichen Elsers, dass Würdigung des elitär-konservativen Widerstandes, in ten unbedingt Beweise für ihre Behauptung sehen, die wechselte öfter die Ar- unterwegs war, und sprach dann vage davon, dass er er stark schwäbelte. welcher der Widerstand aus der Arbeiterbewegung ig- Drahtzieher säßen im Ausland – zumal beim briti- beitsstelle oder hielt an einem geheimen Patent arbeite. Der Mann, der nicht Der Rest des Novembers verging mit eingehen- noriert und die Verbrechen der Nationalsozialisten be- schen Geheimdienst. Einer der beteiligten Krimi- sich mit Schreiner- rauchte und kaum Alkohol trank, bekämpfe die Span- den Vernehmungen Elsers, der zeitweise schwer miss- harrlich verdrängt wurden, passte der Einzeltäter und nalbeamten berichtete später, Heinrich Himmler, der arbeiten auf eigene nung mit einem Mittel, das auf den ersten Blick er- handelt wurde und der ein Geständnis ablegte. Ganz überzeugte Kriegsgegner nicht ins Bild. Elser kann für „Reichsführer SS“, habe auf den Rapport mit der Rechnung über Was- staunt: Er vertiefte sich ins stille Gebet. Im Verhör sag- hartnäckig hielt er aber an der Darstellung fest, dass keinen Traditionszusammenhang beansprucht wer- Schlussfolgerung über die Alleintäterschaft reagiert, in- ser. Bis sein Leben te er: „Erst im Laufe des Jahres ging ich auch wie- er allein gehandelt habe. Wie ein roter Faden zieht sich den: Er wählte kommunistisch, folgte aber nicht der dem er mit grünem Stift an den Rand geschrieben ha- schließlich von ei- der öfter in die Kirche, nämlich bis heute seit Jah- sein Bemühen durch das Protokoll, keinen anderen Parteilinie. Er war Christ, engagierte sich aber nicht be. „Welcher Idiot hat den Bericht gemacht?“ nem einzigen Plan be- resbeginn ungefähr 30mal. Ich bin in letzter Zeit auch Menschen zu belasten. Nach Abschluss der Ermitt- in der Amtskirche. Er passte weder in ein konser- Die Tatsachen liegen inzwischen ausgebreitet vor herrscht wurde: 1938 öfter werktags in eine katholische Kirche gegangen, lungen wurde Elser, der bis dahin im so genannten vativ-nationales noch in ein bürgerlich-liberales Sche- uns. Georg Elser wurde am 4. Januar 1903 in Her- fasste er nach eige- wenn gerade keine evangelische Kirche da war, um dort Hausgefängnis der Gestapo-Zentrale in Berlin un- ma des Kampfes gegen die Diktatur.“ maringen auf der Schwäbischen Ostalb geboren. Die nen Angaben den Ent- mein Vaterunser zu beten. Es ist schon so, dass ich tergebracht war, in das Konzentrationslager Sach- Vereinzelte Zeitgenossen, die nach eingehenden Re- Familie zog bald danach etliche Kilometer nach Nor- schluss zum Attentat nach einem Gebet immer wieder etwas beruhigter war.“ senhausen eingewiesen und Ende 1944 ins KZ Da- cherchen die Wahrheit über Elser verkündeten, blie- den in die Gemeinde Königsbronn, die ebenfalls im auf Adolf Hitler. Auch der Sprengapparat, zu dessen Herzstück ein chau verlegt. Auch seine Haftbedingungen lieferten ben Rufer in der Wüste, die Zeiten waren nicht da- Kreis Heidenheim liegt und zur Heimat unseres At- Schon lange vor Uhrwerk gehörte, wurde eine typisch Meisterleis- Anlass zu Spekulationen und Gerüchten. Denn die- nach. Elser galt weiter als zwielichtige Figur oder wur- tentäters wurde. Das Kind wuchs in eher ärmlichen Ver- dieser Entscheidung war für Elsers Umgebung un- cherlich nicht so formuliert hätte. Mehr noch aber sah tung nach der Art Elsers. Weil ein Uhrwerk eventu- sem „Sonderhäftling“ wurde eine geräumigere Zelle als de gar nicht erst zur Kenntnis genommen. Erst En- hältnissen auf. Der Vater betrieb mit mäßigem Er- übersehbar, dass er dem Nationalsozialismus mit tie- er diese Rechte durch den Krieg bedroht, auf den die ell versagen kann, baute er zur Sicherheit ein zwei- anderen eingeräumt. Er konnte tischlern und durfte so- de der 60er, Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahr- folg einen Holzhandel und daneben eine kleine Land- fer Abneigung begegnete. Es ist bezeugt, dass er sich Machthaber seiner unerschütterlichen Meinung nach tes ein. Und er berichtete später „Da ich feststellte, gar eine Zither bauen, auf der er schwermütige Wei- hunderts setzte zögerlich die Wende ein, nachdem der wirtschaft. Die Familie bewegte sich am „sozialen weigerte, die Hakenkreuzfahne zu grüßen. Wenn im zusteuerten und dessen systematische Vorbereitung dass die beiden Uhrwerke durch die Wandverklei- sen spielte. Doch er lebte in absoluter Isolation, völ- eingangs erwähnte Lothar Gruchmann vom Mün- Rand“, wie Elsers Biograf Hellmut Haasis bemerkt. Der Radio eine Rede Hitlers übertragen wurde, verließ er er 1938 /39 bei der Arbeit in der Rüstungsfertigung hat- dung hindurch gut zu hören sind, habe ich sie in ei- lig abgeschirmt von allen anderen Häftlingen, unter chener Institut für Zeitgeschichte das Verneh- schmächtige Junge, der noch vier Geschwister hat und den Raum. Der Handwerker, der kommunistisch wähl- te beobachten können. Zudem gilt, was die Histo- nem doppelwandigen Kasten aus Sperrholz mit ei- ständiger Sonderbewachung durch SS-Männer. Am mungsprotokoll gefunden, ausgewertet und veröf- in dieser Reihe der älteste ist, geht nach der Schule zu- te, aber kein Parteimitglied war, war „Sozialist, aber riker Peter Steinbach und Johannes Tuchel in ihrem ner ein Zentimeter starken Korkeinlage unterge- Schluss war Elser, der in der Haft zum Kettenrau- fentlicht hatte. Es gilt als wichtigster Zugang zu El- nächst bei den Schwäbischen Hüttenwerken, einem ein freiheitlicher, keiner, der sich stramm einordnen Buch über Georg Elser schreiben: „Alle Zeitgenos- bracht.“ Zündmechanismus und Schlagbolzen, über- cher wurde, ein gesundheitliches Wrack. sers Denken und Handeln. Der Attentäter selbst hat Industriebetrieb mit sehr langer Tradition im Ort, in würde“, wie ihn Haasis einstuft. sen hätten diese Kriegsvorbereitungen erkennen kön- haupt die ganze ausgetüftelte Konstruktion war von ei- Es gilt als sicher, dass die Führung des Regimes den – das erstaunt niemanden, der sich mit ihm be- die Lehre, muss sich dann aber aus gesundheitli- Ihm war das ganze herrschende System zuwider, es nen.“ ner Art, dass die mit den Ermittlungen befassten er- Häftling für einen großen Schauprozess bereit hal- schäftigt – keinerlei Aufzeichnungen hinterlassen. Die chen Gründen einen anderen Beruf suchen und wird stand in krassem Gegensatz zu seinen Vorstellungen Elser ließ sich auch durch das Münchener Ab- fahrenen Kriminalbeamten Respekt und fast schon Be- ten wollte, der nach dem „Endsieg“ stattfinden und Elser-Gedenkstätte in Königsbronn kann gerade mal Schreiner. Er findet damit seine Berufung. Er hängt von individueller Freiheit. Dazu hatte Elser einen sehr kommen von 1938 nicht blenden, mit dem die so ge- wunderung bekundeten. sich wohl besonders gegen die perfiden Engländer rich- mit einer Rechnung für Schreinerarbeiten von sei- sehr an diesem Handwerk und erwirbt sich den Ruf ei- ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, der nicht zuletzt sein nannte Sudetenkrise beigelegt werden sollte. Viel- Am frühen Morgen des 6. November stellte Elser bei- ten sollte. Als sich der Zusammenbruch abzeichne- ner Hand aufwarten. nes Perfektionisten. Verhalten in der Arbeitswelt prägte: Fühlte er sich un- mehr war ihm klar, dass der Vertrag das Papier nicht de Uhrwerke in der Säule auf den Abend des 8. No- te, verlor er seinen Wert für die Nationalsozialisten. Richtigen Schwung bekamen die Bemühungen um 1925 verlässt Elser die engere Heimat, sucht Ar- gerecht behandelt, dann ging er. wert war, auf dem er stand. Im Verhörprotokoll liest vember ein. Er fuhr zu seiner Schwester nach Stutt- Am 9. April 1945 wurde er auf Weisung von höchs- eine Rehabilitierung und die öffentliche Ehrung die- beit am Bodensee, landet schließlich in Konstanz. Er In seiner Vernehmung hielt er den Nationalsozi- sich das so: Er sei überzeugt, dass es bei diesem Ab- gart und deponierte dort seine Habseligkeiten. Sein ter Stelle – entweder von Hitler oder von Himmler – ses Widerstandskämpfers dann in den 80er Jahren. Der hat wechselnde Arbeitsstellen, leidet wie andere im- alisten vor: „Nach meiner Ansicht haben sich die Ver- kommen „nicht bleibt, dass Deutschland anderen Län- Hang zur perfekten Arbeit trieb ihn aber noch ein- in Dachau erschossen. Der Name seines Mörders ist be- englische Germanist Joseph Peter Stern lobte den mer mal wieder unter Arbeitslosigkeit. Er macht die Be- hältnisse in der Arbeiterschaft nach der nationalen Re- dern gegenüber noch weitere Forderungen stellen und mal zurück nach München, wo er sich auf die Ga- kannt, der starb nur Wochen nach der Kapitulation Handwerker in einem Buch und in Zeitungsbeiträ- kanntschaft von Frauen – aus der Konstanzer Zeit hat volution in verschiedener Hinsicht verschlechtert. So sich andere Länder einverleiben wird und dass des- lerie im „Bürgerbräukeller“ schlich und nachprüfte, ob in einem Gefangenenlager. Immerhin fand er im Ge- gen und nannte ihn „Hitlers wahren Antagonisten“. er dann einen unehelichen Sohn – und musiziert, wie zum Beispiel habe ich festgestellt, dass die Löhne nied- halb ein Krieg unvermeidlich ist“. Christian Graf von die Uhrwerke exakt liefen. Wie er später aussagte: „Die gensatz zu Elser, dessen Asche zerstreut wurde, ein 1988 wurde in Heidenheim der Georg-Elser-Ar- schon in Königsbronn, in Vereinen, wo er unter an- riger und die Abzüge höher wurden.“ Das rechnete er Krockow würdigt diese Weitsicht in einem Buch über Uhr ging richtig. Ich hatte also an den Werken nichts Grab. beitskreis gegründet, eine Vereinigung von Bürge- derem Zither spielt. In diesen Jahren erweitert er sei- den Gestapobeamten auf Mark und Pfennig vor. Er sag- den 20. Juli 1944 mit dem Satz: „Das erwies sich als zu richten.“ Und Georg Elser fand keine Ruhe. Für seinen Nach- rinnen und Bürgern, die das Gedenken an den At- nen Horizont. Nicht zuletzt im Umgang mit Kolle- te auch: „Der Arbeiter kann zum Beispiel seinen Ar- wahr; offenbar reicht schlichte Einsicht manchmal wei- Jetzt begann die Flucht des Attentäters, die kläg- ruhm begann eine lange Leidenszeit. Soweit in der tentäter vorantrieb. Ähnliche Kreise gibt es mittler- gen erwacht sein politisches Bewusstsein. Haasis hält beitsplatz nicht mehr wechseln wie er will, er ist heu- ter als die Klugheit von Staatsmännern wie dem bri- lich scheitern sollte. Mit der Bahn und dem Schiff Nachkriegszeit von ihm überhaupt die Rede war, do- weile in mehreren Städten der Bundesrepublik. Auch fest: „Die Jahre am Bodensee hatten ihn freier ge- te durch die HJ nicht mehr Herr seiner Kinder und tischen Premierminister Neville Chamberlain, der machte er sich auf den Weg ins vertraute Konstanz, minierten Falschmeldungen und abenteuerliche Ge- die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin wur- macht, hatten ihn persönlich wie politisch geprägt.“ auch in religiöser Hinsicht kann er sich nicht mehr glaubte, Hitler durch sein Nachgeben zähmen und den wo er sich über die grüne Grenze in die Schweiz ab- rüchte. Es meldeten sich angebliche und tatsächli- de zum Motor der Aufklärung im Fall „Bürgerbräu- Aus jenem Abschnitt seines Lebens ist eine Schil- so frei bewegen.“ Frieden retten zu können.“ setzen wollte. Es gehört zu den Rätseln im Leben die- che Zeitzeugen zu Wort, die berichteten, wie der Schrei- keller“. Elser wurde in Filmen und Sachbüchern, in Ro- derung überliefert, die in wenigen Worten ein Cha- Mit anderen Worten: Elser pochte auf funda- Doch die Beurteilung der Lage durch den Schrei- ses Menschen, warum er in einem großen Garten di- ner aus Königsbronn im Dienste der Nationalsozia- manen und Theaterstücken verewigt. Über 45 Stra- rakterbild des Georg Elser entwirft. Nach dem At- mentale Menschenrechte, auch wenn er das si- ner aus Königsbronn reichte noch weiter. Er sah nur ei- rekt an der Grenze mit seiner Flucht zögerte, an- listen seine Bombe gebaut habe. Überlebende aus Da- ßen und Plätze in der Bundesrepublik tragen in- Seite 1799 Heimatkundliche Blätter Juni 2012

zwischen seinen Namen, Denkmäler erinnern an meh- ten sich die Ehrungen des Mannes, der beinahe die Ge- rum ein solcher aktiver Widerstand nicht rechtmä- reren Orten an ihn, auch am Bahnhof in Königs- schichte verändert und bei einem Erfolg seiner Tat ßig gewesen sein sollte oder sein konnte. Jeder, ob groß bronn und an zentraler Stelle in Berlin. schätzungsweise 50 Millionen Menschen das Leben ge- oder klein, ist berechtigt, einen Mörder an der Fort- Womöglich noch schwerer als der Rest der Bun- rettet hätte. setzung seiner Verbrechen zu hindern.“ desrepublik tat sich die Gemeinde Königsbronn mit Lassen Sie mich zum Schluss noch jemand zitie- dem Bürger Elser und seiner Tat. Dort war nach der Ex- ren, der wichtige Worte zum Thema Widerstand hin- plosion von München der Teufel los, die Menschen leb- terlassen und Grundsätzliches zur Frage gesagt hat, ob LITERATUR: ten wochenlang in Angst und Schrecken. Der Ort wur- denn ein „einfacher Mann“, einer aus dem Volk es auf de praktisch von der Gestapo besetzt. Bei Verhören, sich nehmen dürfe, einen Tyrannen zu töten. Der hes- – Lothar Gruchmann: Autobiographie eines Attentä- auch von Kindern, blieb kaum einer der rund 1750 Ein- sische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der den An- ters, Stuttgart 1989 wohner unbehelligt. Während die Familie des Ver- stoß zum großen Frankfurter Auschwitz-Prozess gab, – Hellmut G. Haasis: Den Hitler jag' ich in die Luft, Jahrgang 59 30. Juni 2012 Nr. 6 dächtigen nach Berlin gebracht und dort verhört wur- schrieb 1962 über „Das Widerstandsrecht des klei- Hamburg 2009 de, gingen die Drangsalierungen vor Ort weiter. Kö- nen Mannes“: „Passiver Widerstand gegenüber ver- – Peter Steinbach/Johannes Tuchel: Georg Elser – Der nigsbronn wurde draußen im Land als „Attentats- brecherischen Gesetzen, Befehlen, Handlungen ei- Hitler-Attentäter, Berlin 2010 hausen“ verhöhnt. Die Folgen waren allgemeines nes Staates ist Recht und Pflicht eines jeden. Zu ak- – Ulrich Renz: Georg Elser – Ein Meister der Tat, Lein- Schweigen und auch stille Verbitterung über den Mit- tivem Widerstand gegenüber Verbrechen ist nie- felden-Echterdingen 2009 bürger, der ihnen das alles eingebrockt hatte. mand verpflichtet, wohl aber berechtigt, wobei die – Hans Bernd Gisevius: Wo ist Nebe?, Zürich 1966 Doch 1990 wählten die Königsbronner einen neu- Grundsätze jeden Notwehrrechts gelten, dass die Ver- – Fritz Bauer: Die Humanität der Rechtsordnung, Aus- en Bürgermeister, der anders als sein Vorgänger kein teidigung dem jeweiligen Angriff angemessen sein gewählte Schriften, Frankfurt 1998 Tabu kannte und sich des Gedenkens an Georg El- muss. Die Frage der Angemessenheit spielt aber in der – Schriftenreihe der Georg Elser Gedenkstätte Kö- ser annahm. Mit Unterstützung der Berliner Ge- Auseinandersetzung mit den Verbrechen des 'Drit- nigsbronn denkstätte wurde am Ort eine Gedenkstätte einge- ten Reiches' keine Rolle.“ Durch Notwehr oder Not- – Georg-Elser-Arbeitskreis: Georg Elser – Gegen Hit- richtet, die Schule der Gemeinde erhielt den Na- hilfe zugunsten bedrohter Menschen wie beispiels- ler – Gegen den Krieg, Heidenheim 2003 men des Widerstandskämpfers. In Königsbronn wur- weise Juden, Sinti oder Polen sei jeder legitimiert ge- de auch eine Briefmarke der Deutschen Post zum Ge- wesen, Hitler und seine Handlanger und Werkzeuge Der Autor Ulrich Renz ist Journalist und Mitar- denken an Elser vorgestellt, und überall im Lande häuf- zu töten. „Es ist schlechterdings nicht ersichtlich, wa- beiter der Georg Elser Gedenkstätte Königsbronn. Exkursionen und Termine Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung für Juli und August

JULI Donnerstag, 19. Juli: Markdorf (Orgelmusik), Meers- AUGUST burg (Stadtführung, Besichtigung Neues Schloss) mit Mittwoch, 4. Juli: Führung für die Mitglieder der Hei- Wilfried Groh. Samstag, 11. August: Besuch der Landesausstellung matkundlichen Vereinigung durch die Ausstellung: Erstes Ziel ist Markdorf, dort wird um 10 Uhr in der „900 Jahre Baden“ in Karlsruhe mit Ruth Hübner und „Ich habe den Krieg verhindern wollen“. Georg Elser Pfarrkirche St. Nikolaus Marktmusik gespielt. Der ört- Hans Kratt. und das Attentat vom 8. November 1939. liche Organist Christian Ringendahl spielt auf der drei- Abfahrtstermine werden noch genannt. Umlage 30 Balingen, Foyer Landratsamt Zollernalbkreis, 16.30 manualigen Göckelorgel mit 46 Registern ein halb- Euro für Fahrt, Eintritte und Führungen. Uhr, Teilnahme frei. stündiges Orgelkonzert. In Meersburg erkunden wir mit einer Stadtführung die Altstadt. Anschließend besu- chen wir die ehemalige Residenz der Fürstbischöfe von Freitag, 24. August: Tagesexkursion zu den Kartäu- Samstag, 14. Juli: Exkursion nach Buttenhausen und Konstanz, das Neue Schloss, das erst in den letzten Jah- sern in Buxheim und Marienau. Schloss Rimpach mit Grafeneck mit Dr. Michael Walther. ren saniert wurde. Ein Rundgang ermöglicht einen neu- Wolfgang Willig. Romanik und Ruinen Zunächst besuchen wir in Buttenhausen das Ge- en Blick in den barocken Glanz der fürstbischöflichen Abfahrt in Balingen, Stadthalle 7 Uhr, Albstadt-Ebin- burtshaus von Matthias Erzberger, in der sich die Er- Zeit. Das von Balthasar Neumann entworfene Trep- gen, Busbahnhof 7.30 Uhr. Umlage 30 Euro für Fahrt, innerungsstätte sowie eine Dauerausstellung des Hau- penhaus, das Porzellankabinett und das Prunkschlaf- Eintritte und Führungen. Ein Rundgang der Heimatkundlichen Vereinigung um Burgfelden ses der Geschichte Baden-Württemberg befinden. Die zimmer des Fürstbischofs sind nur einige Höhepunk- Ausstellung erzählt Leben und Werk, aber auch den te dieses Rundgangs. Der Bau selbst wurde von Fürst- Bei der Exkursion der Heimatkundlichen Verei- 1070, in der Burgfelden auch erstmals urkundlich er- Malereien, die der Landeskonservator richtig ein- Kampf um die Erinnerung an diesen Wegbereiter der bischof Johann Franz II. Schenk von Stauffenberg (reg. nigung unter der Leitung von Dr. Ingrid Helber tra- wähnt wurde (1064). Man kann hier die Eigenkir- schätzte. Der Staat erwarb das Kunstdenkmal und die deutschen Demokratie. Buttenhausen war aber auch 1704 – 1740) im Jahre 1712 als eigenständige Erweite- STAMMTISCHE fen sich nahezu 50 Interessierte vor der alten Mi- che einer bedeutenden Adelsherrschaft vermuten. Die Gemeinde musste eine neue Kirche errichten. In dem eine der wenigen jüdischen Landgemeinden im Sü- rung der Residenz fertig gestellt. Abfahrt in Balingen, chaelskirche. Zunächst wurde das Äußere mit den ro- Fresken weichen von der Reichenauer Gestaltung ab äußerst komplizierten Verfahren zeichnete sich der den Württembergs. Wir werden Gelegenheit haben, Stadthalle7.20Uhr,Albstadt-Ebingen,Busbahnhof 7.50 Jeweils am ersten Mittwoch eines Monats trifft sich der manischen und gotischen Stilelementen begutach- und weisen mehr Kontakt mit den weiterführenden damalige Pfarrer Eduard Hauber aus. Aufgrund sei- einzelne Orte, die die Erinnerung an das jüdische Le- Uhr. Umlage 30 Euro für Fahrt, Eintritte und Führun- Ebinger Stammtisch unter der Leitung von Dr. Peter tet. Vier Bauphasen führten zum heutigen Zustand Bildern auf. Neben dem Jüngsten Gericht mit Chris- ner Bemühungen besitzt Burgfelden heute eine Kir- ben vor dem Vergessen bewahren, zu besuchen. Nach gen. Th. Lang im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 Alb- des Gebäudes. Neue Untersuchungen von Reinhard tus und dem Erzengel Michael auf der Ostwand fin- che nach den Plänen von Ulrich Pohlhammer (1897 einer Mittagspause im Gestütsgasthof Marbach besu- stadt-Ebingen: Telefon 07431 / 4188. Mayer und dem Förderverein beweisen, dass in ei- det man u.a. im Norden den „Barmherzigen Sa- – 99 Kath. Heilig-Geist-Kirche in Balingen) mit ei- chen wir den „Geschichtsort“ Grafeneck, der mit dem nem Grab in der halbrunden Apsis unter dem Fuß- mariter“, der als frühestes monumentales Land- ner stimmigen neugotischen Gestaltung, wovon sich Dokumentationszentrum, der Gedenkstätte mit offe- Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- boden (8. Jh.) ein Mann lag, der in der ersten Hälf- schaftsbild in der deutschen Kunstgeschichte gilt. Um die Heimatkundler überzeugen konnten. Nach ei- ner Kapelle, dem Alphabet-Garten und der nur noch Samstag, 28. Juli: Besuch der Ausstellung „Herren von schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- te des 7. Jahrhunderts gelebt hat, sowie eine etwa 50 1890 sollte die Evang. Michaelskirche aufgrund des nem Gang durch den Ortskern genossen die Teil- in Umrissen sichtbaren Vernichtungsanlage ver- Zimmern“ in Meßkirch mit Doris Muth M.A. chingen, Telefon 07471-15540 / Fax 07471-12283. Jahre später bestattete Frau. Beachtenswert sind die schlechten Zustandes ein neues Dach erhalten. Doch nehmer vom Böllat aus eine herrliche Aussicht bis schiedene Möglichkeiten der Annäherung an das un- Als Mäzene, Sammler, Chronisten und Bauherren Email: [email protected] frühe Besiedlung auf der Albhochfläche wie auch die nach der Abnahme des alten entdeckte man unter zum Schwarzwald. Eine Wanderung zur Schalks- fassbare Verbrechen der Euthanasie bietet. Abfahrt in haben die Grafen von Zimmern im wörtlichen wie im oder über unsere Homepage hochkarätigen romanischen Fresken aus der Zeit um der vom Regen „erweichten Mauertünche“ farbige burg schloss die Exkursion ab. Balingen, Stadthalle 7.30 Uhr, Albstadt-Ebingen, Bus- übertragenen Sinne Geschichte geschrieben. Sei es die www.heimatkundliche–vereinigung.de bahnhof 8 Uhr. Umlage 30 Euro für Fahrt, Eintritte und Zimmerische Chronik des Grafen Froben Christoph von Führungen. Zimmern (1519 – 1566), der Dreikönigsaltar des von sei- Bei allen Veranstaltungen sind Gäste jederzeit will- nem Onkel Graf Gottfried Werner von Zimmern (1484 kommen. – 1554) geförderten Meisters von Meßkirch oder das Meßkircher Renaissanceschloss, dass Froben Chris- toph nach französischen und italienischen Vorbildern Herausgegeben von der Georg Elser: Ein Meister der Tat errichten ließ und das in Südwestdeutschland als ers- Heimatkundlichen Vereinigung te Vierturmanlage stilbildend wirkte. Die Grafen von Zollernalb Der Autor dieser Ausgabe Zimmern haben der Nachwelt ein kulturelles Erbe von Pochen auf fundamentale Menschenrechte – Von Ulrich Renz unschätzbarem Wert hinterlassen. Zunächst besu- Vorsitzender: chen wir die von Gottfried Graf von Zimmern ausge- Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, Vortrag anlässlich der Eröffnung der Ausstellung: „Ich Versuch gescheitert ist, Adolf Hitler umzubringen. Wie fuhr in der Familie – mit einem zeitweise gewalttä- baute frühneuzeitliche Burg Wildenstein mit den heu- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 habe den Krieg verhindern wollen“. Georg Elser und lässt sich filmisch darstellen, was den Handwerker von tigen und trunksüchtigen Vater – und in der Schule te noch erhaltenen Renaissance-Wandmalereien. An- das Attentat vom 8. November 1939. Eine Doku- der Schwäbischen Alb so sehr umtrieb, dass er zum äu- nicht mehr Gewalt, als damals üblich war, wie er spä- schließend steht der Besuch der Ausstellung: „Mäzene Geschäftsführung: mentation der Landeszentrale für politische Bil- ßersten Mittel des Widerstandes griff, und zwar mit ei- ter selbst zu Protokoll gab. Die Schrecken des Welt- Ulrich Renz – Sammler – Chronisten. Die Grafen von Zimmern und Erich Mahler, Mörikeweg 6, dung Baden-Württemberg und der Gedenkstätte ner Hartnäckigkeit und kalten Entschlossenheit, die ih- krieges – den wir inzwischen den ersten nennen – bra- Feldbergplatz 3a die Kultur des schwäbischen Adels“ im Meßkircher 72379 Hechingen, Deutscher Widerstand. Realisiert mit Förderung resgleichen suchten? chen natürlich auch in das Dorf im Osten der Schwä- 76199 Karlsruhe Schloss auf dem Programm. Abschließend begeben wir Telefon (0 74 71) 1 55 40 durch die Stiftung Baden-Württemberg im Land- War es die Erfahrung von Gewalt am eigenen Lei- bischen Alb ein, in dem er aufwuchs. Die Familien hat- uns auf einen Stadtrundgang durch Meßkirch, der ehe- E-Mail: e. [email protected] ratsamt Balingen am 24. Mai 2012. be, so überlegten die Filmleute und überlegen wo- ten Tote und Verwundete zu beklagen. Am Ende des maligen Residenzstadt der Grafen von Zimmern bei der möglich immer noch, die Elser zum Bombenbauer wer- Krieges, als die Not der Zivilbevölkerung am schlimms- wir u.a. die Pfarrkirche St. Martin besichtigen. Abfahrt Redaktion: Johann Georg Elser ist nicht leicht zu fassen. – Das den ließ? Und woher kam seine abgrundtiefe Ab- ten wurde, war Georg 15 Jahre alt. Und als der wa- in Balingen, Stadthalle 8 Uhr, Albstadt-Ebingen, Bus- Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, muss zur Zeit auch ein Team von Filmleuten er- neigung gegen den Krieg, den er als Kind in der länd- che Geist, als der er sich später erweisen sollte, nahm bahnhof 8.45 Uhr. Umlage 30 Euro für Fahrt, Eintritte 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 fahren, die einen neuen Spielfilm über den Mann vor- lichen Heimat erlebte? er sicherlich genau wahr, was in der näheren und wei- und Führungen. bereiten, der am 8. November 1939 nur knapp mit dem Ersteres scheint nicht sehr wahrscheinlich. Elser er- teren Umgebung vor sich ging. Seite 1803 Heimatkundliche Blätter Juli 2012 kasse bereit, die Überführungs- und Beerdigungskos- rung nach ausreichend geschultem Personal zur stän- zeste Verbindung zwischen Kreisstadt Balingen und ten der beiden Verunglückten zu übernehmen. Bitt- digen Baustellenüberwachung wurde ungern, zöger- Stadt Tailfingen im Talgang. gesuchen der Trauerfamilien Keinath und Linder an lich und in ungenügender Weise entsprochen. In Ver- das Oberamt Balingen um finanziellen Beistand sind kennung des Umfanges und der Schwierigkeiten der nach längeren Beratungen mit einem Betrag von 150 Baustelle fehlte laut des Gutachtens von Baurat Blum QUELLENNACHWEIS RM entsprochen worden, verbunden mit der Auflage, ein erfahrenes und verantwortungsbewusstes Unter- auf jeden weiteren Anspruch zu verzichten. nehmen. Eine ständige Baustellenüberwachung durch – Kreisarchiv Zollernalbkreis, Oberamt/Landratsamt Die Unfallaufnahme erfolgte am 2. Dezember 1932 den vom Oberamt Balingen beauftragten Baumeister Balingen, Akten Straßen durch das Württembergische Landjägerkorps, Haupt- Kuhn war auf Grund anderweitig zugewiesener Auf- – Oberamt Balingen, Straßensperrung vom 1. Dez. stelle Balingen unter Stationskommandant Schanz. gaben, nicht immer gewährleistet. Anmerkung Baurat 1932 In strafrechtlichen Verfahren des Amtsgerichts Ba- Blum: Erfahrenes geschultes Personal hat an der Bau- – Württbg. Landjägerkorps Balingen, Protokoll vom 2. lingen und Landgerichts Hechingen gegen Ober- stelle gefehlt, "obwohl solches z.. Zt. in genügender Zahl Dez. 1932 Jahrgang 59 31. Juli 2012 Nr. 7 amtsbaumeister Heinz und Baumeister Kuhn, als ver- und um geringe Bezahlung zur Verfügung steht." – Baustellen-Skizze, Oberamtsbaumeister Kuhn vom antwortliche Bauleitung, konnte keine Schuld nach- Der 1932 -1934 vom "Freiwilligen Arbeitsdienst" 2. Dez. 1932 gewiesen werden. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft (FAG) ausgeführte Bau der Verbindungsstraße Sto- – Volksfreund Balingen Nr. 283 vom 2. Dez. 1932 Hechingen erarbeitete Baurat Blum, Vorstand des Stra- ckenhausen-Zillhausen ist am Straßenrand durch ei- – Alb-Boten Ebingen Nr. 283 vom 2. Dez. 1932 ßen- und Wasserbauamtes Rottweil, mit Datum 19. De- nen Gedenkstein dokumentiert. Gegenüber, an der öst- – Volksfreund Balingen Nr. 287 vom 7. Dez. 1932 zember 1932 ein 19 Seiten umfassendes Gutachten zur lichen Straßenseite, steht ein kleines Ehrenmal, erin- – Volksfreund Balingen Nr. 288 vom 8. Dez. 1932 Beleuchtung des Unfallherganges. Der Freiwillige Ar- nernd an das Unglück vom 1. Dezember 1932, das zwei – Landtags - Anfrage, Abgeordneter Gompper vom 5. Bankwangen als Beleg beitsdienst, überwiegend aus unerfahrenen jungen junge Menschenleben forderte. Dez. 1932 Leuten bestehend, führte die umfangreiche Baumaß- Die vor acht Jahrzehnten gebaute Straße, heutige L – Gutachten Baurat Blum, Straßen- und Wasserwirt- nahme als gemeinnützige Aufgabe aus. Der Forde- 442, ist nach wie vor, auf unveränderter Trasse die kür- schaftsamt Rottweil vom 19.Dez.1932. War ein Schömberger Schreiner einst für das Kloster Kirchberg tätig? - Von Adolf Klek

In der Kirche des ehemaligen Frauenklosters Kirch- berg, über Heiligenzimmern im Stadtgebiet Sulz/N ge- legen, ruft ein außergewöhnliches Bildmotiv auf einer der 18 Bankwangen Fragen zu seiner Herkunft und Termine und Exkursionen Deutung hervor. Erst in jüngerer Zeit wurde entdeckt, dass eine der 14 Wangen in der Wallfahrtskirche Palm- bühl bei Schömberg eine ähnliche Reliefschnitzerei Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung im August und September zeigt. Ein Vergleich der beiden führt zu interessanten Ergebnissen. AUGUST heim. Die Mittagspause ist im verträumten Reichs- Montag, 24. September bis Samstag 29. September: städtchen Leutkirch vorgesehen. Ein Abstecher führt 6-tägige Studienfahrt: „La Moselle – Die Mosel“. Von Samstag, 11. August: Besuch der Landesausstellung zum Jagdschloss Rimpach, das vom Erbgraf von Wald- der Quelle bis zur Mündung mit Wolfgang Willig. „900 Jahre Baden“ in Karlsruhe mit Ruth Hübner und burg-Zeil bewohnt wird. Besichtigt werden kann die Hans Kratt. in seinem Besitz befindliche Rokokokapelle. Die Rück- Metz ist Station in den ersten Tagen. Dann Zeltin- Ein Werkstatt-Bild auf dem Kirchberg fahrt geht über die Kartause Marienau bei Bad Wur- gen-Rachtig für die beiden folgenden Tage. Die An- Im Zentrum dieses Tagesausflugs steht die große zach, die einzige aktuell existierende Kartause im reise erfolgt über den Col de la Schlucht zur Mosel- Die Kirche der Dominikanerinnen wurde ab 1688 in Landesausstellung zur badischen Geschichte. Im Jahr deutschsprachigen Raum. Die weiträumige, in der Ein- quelle, durch die Vogesen immer entlang der Mosel, barockem Stil neu gestaltet. Zu beiden Seiten des Mit- 1112 wurde erstmals in einer Urkunde der Titel „Mark- öde liegende Anlage ist jedoch nicht öffentlich zu- mit Abstechern nach Remiremont, Toul bis nach Metz. telganges, der zum Altarraum führt, stehen je 9 Bänke graf von Baden“ erwähnt. Anknüpfend an diese „Ge- gänglich. Abfahrt in Balingen, Stadthalle, 7 Uhr, Alb- Von dort aus starten weitere Ausflüge. Kurz vor der für die Gottesdienstbesucher. Auf der linken Seite – vom burtsurkunde“ zeigt das Badische Landesmuseum in stadt-Ebingen, Busbahnhof, 7.30 Uhr. Umlage 30 Euro Heimreise steht noch eine Fahrt mit der Seilbahn hoch Altar aus gesehen – ist in die vorletzte Bankwange ein der Ausstellung „Baden! 900 Jahre. Geschichten eines für Fahrt, Eintritte und Führungen. zur Burg Ehrenbreitstein auf dem Programm. Es sind rätselhaftes Bild geschnitzt. Während die anderen Landes“ über 400 Exponate zur Geschichte und Kultur nur noch wenige Plätze frei. Auch Nichtmitglieder sind Wangen Rankenwerk oder Tiere und Menschen in der des Landes, vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Zu- herzlich willkommen. Baldige Anmeldung ist er- Natur zeigen, ist hier eine Schreiner- und Bildhauer- nächst Markgrafschaft, dann Kurfürstentum, Groß- wünscht. Abfahrt in Albstadt-Ebingen, Busbahnhof, 7 werkstatt mit pünktlich aufgeräumten Werkzeugen zu herzogtum von Napoleons Gnaden, ab 1919 Republik Uhr, Balingen, Stadthalle, 7.30 Uhr; 680 Euro. sehen. An der Werkbank lehnt der Schreiner ohne zu ar- gingen die beiden Länder Württemberg-Baden und Ba- beiten. Er hat den Kopf auf die linke Hand gestützt und den im 1952 neu gegründeten Baden-Württemberg auf. weist mit der rechten Hand nach oben. Dort hängt über Die Ausstellung erzählt aber auch von badischen Per- SEPTEMBER ihm ein Korb. Auf der Werkbank liegt eine Bankwan- sönlichkeiten und von der badischen Identität. Nach ge, in die noch nichts geschnitzt wurde. dem Besuch der Ausstellung werden wir die Stadt Karls- An der Rückwand der letzten Bank auf dieser Seite ruhe in einer Busrundfahrt näher kennen lernen. Karls- Samstag, 8. September: Tagesexkursion zu den Kir- STAMMTISCHE brachte der Schreiner eine große Inschrifttafel an: „!748 ruhe, in dessen Schloss die Landesausstellung gezeigt chen in Marbach, Beihingen, Eglosheim , Uhlbach, LMB“. Wer ist dieser LMB, der im Jahr 1748 offen- wird, ist eine vergleichsweise junge Stadt. 1715 in ei- Rotenberg mit Hans Kratt. sichtlich seine Arbeit für Kirchberg abschloss? Wo kann nem Waldgebiet gegründet, löste sie damals Durlach Jeweils am 1. Mittwoch eines Monats trifft sich un- er seine Werkstatt gehabt haben? Niemand wusste bis- als Hauptstadt ab. Wir erkunden eine barocke Plan- Wir besuchen Neckarschwaben, den Mittleren Ne- ter der Leitung von Dr. Peter Th. Lang der Ebinger her eine Antwort. stadt, die vom 1797 berufenen Baumeister Friedrich ckarraum, das Kernland Württembergs und Weinan- Stammtische im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 Weinbrenner im klassizistischen Stil ausgebaut wur- baugebiet mit teils alten, idyllischen Dorfkernen und Albstadt-Ebingen: Tel.: 07431 4188. de. Abfahrt in Albstadt-Ebingen, Busbahnhof, 6.45 Uhr, bedeutenden Baudenkmälern, aber auch wuchernden Das Werkstatt-Bild auf dem Palmbühl Balingen, Stadthalle, 7.15 Uhr. Umlage 30 Euro für Siedlungen und Fabriklandschaften. Zunächst be- Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- Fahrt, Eintritte und Führungen. sichtigen wir in Schillers Geburtsstadt Marbach am Ne- schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- Ein Kunstfreund aus Stuttgart gab bei einer Füh- ckar die dortige spätgotische Alexanderkirche. Die Hal- chingen, Telefon 07471-15540 / Fax 07471-12283. rung auf dem Kirchberg den Hinweis, dass es in der lenkirche mit Innenraumgewölben von ungewöhnli- Email: [email protected] Wallfahrtskirche auf dem Palmbühl bei Schömberg ei- Eine Bankwange in der Klosterkirche Kirchberg (links) und der Palmbühlkirche in Schömberg. Fotos: Privat Freitag, 24. August: Tagesexkursion Kartäuser in Bux- cher Vielfalt stellt ein herausragendes Zeugnis sakraler oder über unsere Homepage ne Bankwange mit demselben Bildmotiv gäbe. Das ver- heim und Marienau. Schloss Rimpach mit Wolfgang Baukunst im süddeutschen Raum dar. Für die Be- www.heimatkundliche–vereinigung.de. anlasste den Verfasser dieses Beitrags zu vielfältigen Die „Schömberger Schule“ der Schreiner ren und Kanzeln, die für den Vollzug des Gottes- Willig. schreibung der im nahen Beihingen liegende Aman- Nachforschungen. Die Wange ziert dort ebenfalls die und Bildhauer dienstes und für die Augen der Gläubigen eine wich- duskirche, die zusammen mit dem Ort über Jahrhun- vorletzte der Bankreihen, jedoch – vom Altar aus ge- tigere Rolle spielten. Auf dem Programm steht der Besuch des Kartäu- derteinreichsritterschaftlichemBesitzwar,könnteman sehen- auf der rechten Seite. Die Reliefbilder stellen In der vorderösterreichischen Stadt Schömberg ent- So schuf Uran Faulhaber in der St.Gallus-Kirche im sermuseums in der ehemaligen Reichskartause Bux- das neudeutsche Wort „Patchwork“ verwenden. Sie ist sonst durchweg Pflanzen oder Tiere dar. Sie sind nicht wickelte sich im 18. Jahrhundert eine Hochblüte des Nachbarort Schörzingen herrliche Altaraufbauten und ein Bauwerk mit ungewöhnlichem Inneren, quer durch wie auf dem Kirchberg in die obere Hälfte der Wange, Schreiner-Handwerks. Obwohl die Stadt kaum 1000 eine prächtige Kanzel. Aber die Bankwangen dort ge- die Kunstgeschichte von der Romanik bis zum Roko- sondern unten in eine bauchige Holzfläche eingear- Einwohner zählte, lassen sich in ihr eine ganze Reihe staltete der Schörzinger Schreiner Konrad Drissler. Sein ko. Das Gegenteil stellt die rein gotische Dorfkirche von beitet. Aber die beiden Werkstatt-Bilder sehen in den von holzverarbeitenden Werkstätten feststellen. Die Name ist deshalb bekannt, weil er als Kirchenstrafe we- Eglosheim dar. Im Weinort Uhlbach wurde von dem Herausgegeben von der meisten Details einander verblüffend ähnlich. Wäh- Handwerkskunst der Schreiner, Bildhauer und Altar- gen eines angeblichen sittlichen Vergehens die Kir- Architekten Heinrich Dolmetsch im Jahr 1895 die be- Heimatkundlichen Vereinigung rend allerdings auf dem Kirchberg der Schreiner aus- bauer wurde innerhalb der Familien und über Lehr- chenbänke kostenlos anfertigen musste. Die Kirche von stehendegotischeKircheindieheuteneugotischeForm Zollernalb ruht, arbeitet er auf dem Palmbühl mit Stechbeitel und jungen durch mehrere Generationen weitergegeben. Harthausen/Scher(Ldkr.Sigmaringen)besitztseit1752 Die Autoren dieser Ausgabe gebracht. Zum Abschluss fahren wir hinauf zur Grab- Klüpfel fleißig an einer Bankwange. Die künstlerisch herausragendsten Werke schuf Ur- eine bewundernswerte Kanzel mit Schalldeckel sowie kapelle Stuttgart-Rotenberg. Von dort öffnet sich uns Vorsitzender: Unter der Werkbank steht hier eine fertige Wange. ban Faulhaber, der von 1711 bis 1780 lebte. Er ist in Ur- Chor- und Beichtstühle von Urban Faulhaber. Es ist ur- ein beeindruckender Blick auf die Landschaft mit Wald Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, Beim genaueren Betrachten lassen sich an ihrem So- kunden als Zunftmeister belegt. Die Altäre und die Kan- kundlich belegt, dass er dort mit zwei Gesellen arbei- Adolf Klek und Reben und auf das Häusermeer von Stuttgart. Ab- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 ckel drei Buchstaben erkennen. Der gedruckte Klos- zel in der Palmbühlkirche sollen von ihm stammen. tete. Die Kirchenbänke jedoch wurden nicht neu ge- Wolfbühlstr.6 fahrt in Albstadt-Ebingen, Busbahnhof, 7 Uhr, Balin- terführer gibt sie als „RWM“ an. Im An Arbeitsaufträgen fehlte es in jener Zeit nicht. Nach schaffen. Sie blieben aus früherer Zeit weiterhin er- 72336 Balingen gen, Stadthalle, 7.30 Uhr. Umlage 30 Euro für Fahrt, Ein- Geschäftsführung: Sockel der nächsten, letzten Bankwange ist groß und dem Dreißigjährigen Krieg mussten in den Kirchen vie- halten. tritte und Führungen. Erich Mahler, Mörikeweg 6, deutlich die Jahreszahl 1725 zu sehen. le Schäden behoben werden. Außerdem wuchs die Be- 72379 Hechingen, Wer ist dieser RWM, der schon 1725 die Wangen für völkerung nun stark an, so dass vielerorts Baumaß- Kurt Schneider Samstag, 22. September: Halbtagesexkursion (Nach- Telefon (0 74 71) 1 55 40 diese Kirche schnitzte? nahmen zur Erweiterung der Kirche notwendig wur- Wie lassen sich RWM 1725 und LMB Birklestr. 10 mittag). Führung Kapuzinerkloster und Dominika- E-Mail: e. [email protected] Er bewahrte offensichtlich die Bild-Vorlage und die den. Dabei führte die aufblühende katholische Volks- 1748 deuten? 72336 Balingen nermuseum in Rottweil mit Alfons Koch. Anweisung für den Platz dieser Wange in der Werk- frömmigkeit zu einer zunehmenden Prachtentfaltung Redaktion: statt gut auf. Der Schreiner LMB konnte 23 Jahre spä- im Stil des Barock. Leider haben Nachforschungen in vorhandenen Ur- Anreise mit Privat-PKW. Veranstaltungsbeginn wird Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, ter danach nochmals arbeiten. Diese Werkstatt muss Die herausragenden Könner in der Schreinerzunft kunden des Stadtarchiv Schömberg und in Kirchen- noch genannt. Teilnahme frei aber Eintritte für Klos- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 es in Schömberg gegeben haben. War LMB ein Sohn haben sich jedoch anscheinend nicht mit Kirchen- büchern des Pfarrarchivs nicht zu einer ganz eindeu- ter und Museum. oder Lehrjunge von RWM? bänken beschäftigt. Sie befassten sich mit Hochaltä- tigen Zuordnung der Namens-Initialen geführt. Laut Seite 1801 Heimatkundliche Blätter Juli 2012 Juli 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1802

Steuerbuch 1743 -1745 gab es einen Cajetan Mager als heißen, rühmt noch das Kirchberger Schwesternbuch die Menschen zum Staunen und Nachdenken an. dem Kirchberg nur noch sieben Frauen, in den Blü- schen Kriegen wird das Kloster im Jahr 1806 säkulari- schlimm ausgesehen.“ 1969 bezieht die Pächterfami- Schreiner. Ein Raimund Mager ist im Jahr der Palm- in der Fassung von 1691 beispielhaft den frommen Ei- tezeiten zuvor waren es bis zu 80 Ordensschwestern ge- siert und geht in den Besitz des Königreichs Würt- lie Weiler einen neuen Hof direkt neben dem Kloster, bühlwangen (1725) als 46-jähriger Einwohner ge- fer der Klosterfrauen während der Zeit um 1300. wesen. „Zur Nachwuchsgewinnung wurden die Sitten temberg über. Den Nonnen wird freigestellt, weiter im der Tagungsbetrieb nimmt Fahrt auf – und wird jäh ge- nannt, allerdings ohne Berufsbezeichnung. Wenn er zur QUELLEN UND LITERATUR gelockert und das Kloster wandelte sich zum Damen- Kloster zu leben oder es zu verlassen. 23 bleiben, er- stört durch einen Großbrand im Jahr 1979. Der Dach- selben Familie gehörte und ein zweiter, nicht aufge- stift, jede Adelige hatte ihren eigenen Haushalt und Be- halten eine Pension und bessern ihren Lebensunter- stuhl des Konventgebäudes wird vernichtet und der 2. schriebener Vorname von ihm wie sonst oft Wendelin Granatapfel und Brotkorb – Amtl.Kreisbeschreibung „Der Landkreis Balingen“, dienstete“, weiß Adolf Klek. Die Gottesdienste wurden halt mit dem Verkauf von Medizin, Heilkräutern, Blech- Stock verbrennt bis auf die Außenmauern, Menschen war, könnte er der Schreiner RMW gewesen sein. Hrsg. Statist. Landesamt B-W., Bd. 2, 1961. nur noch lax gehandhabt und die Damen erhielten Be- schmuck und Klosterlikör auf. kommen zum Glück nicht zu Schaden und auch die Kir- Es ist in den Akten häufig zu lesen, dass an Vor- und Das geschnitzte Werkstatt-Bild auf der Bankwange – Bumiller, Casimir: Schömberg im Mittelalter. In: Bu- such aus benachbarten Junkerkreisen, gar von 'Partys' Eine Kommission übernimmt die Aufgabe, alle Be- che bleibt verschont. Dank des damaligen Finanzmi- Zuname noch der Beruf angefügt wurde. vom Palmbühl kann erfreulicherweise mit einem spe- miller (Hrsg.), Geschichte der Stadt Schömberg, in der Kirche wird berichtet. „Die österreichischen Be- sitztümer des Klosters aufzulisten. Adolf Klek: „Der Lei- nisters Robert Gleichauf, der aus Oberndorf stammte, Das konnte zur Unterscheidung von Personen glei- ziellen Detail einen Hinweis zur Deutung der Kirch- Schömberg 2005. sitzer, damals gehörte der Kirchberg als Enklave zu Vor- ter der Kommission schrieb später seine Lebenserin- engagiert sich das Land Baden-Württemberg mit 20 chen Namens nötig sein. So wird im genannten Steu- berger Wange geben. Über dem Palmbühl-Bildhauer – Erichsen, Harald: Beobachtungen in der Johannis- derösterreich, entsandten zwei Beamte, die den Kirch- nerungen auf und berichtet, dass er selten eine Vesper Millionen D-Mark für den Wiederaufbau, die Arbeiten erbuch auch ein Leopold Miller Bildhauer aufgeführt. hängt ein Granatapfel, der aufgesprungen ist und sei- kirche Kloster Kirchberg. In: „Quatember“, 60. Jahrg., berg wieder auf Vordermann bringen sollten“, erzählt versäumt habe, weil es so wunderbar gewesen sei, wie dauern rund 10 Jahre. Das Steuerbuch endet leider im Jahr 1745, und eine ne Samenkörner sehen lässt. Über dem Kirchberg-Bild- Heft 4, Okt. – Dez. 1996 Adolf Klek. Die Nonnen wurde vor die Wahl gestellt: zu- die ehemaligen Nonnen musizierten.“ Zwei Jahrzehnte später ist das Berneuchener Haus Fortsetzung ist nicht mehr vorhanden. Wenn er im Jah- hauer hängt dagegen ein Korb. Arbeitet er deshalb nicht – Hecht, Winfried: Urban Faulhaber, der „Bildhauer rück zur Klosterordnung oder Auszug. Nur eine Frau Der Kirchberg ist nun eine Domäne und wird an ei- Kloster Kirchberg ein Ort, der jährlich von 6000 Men- re 1748 noch lebte und arbeitete, kann er also die Bank- mehr, weil ihm „der Brotkorb zu hoch gehängt“ wur- von Schömberg“. In: Schwäbische Heimat 2010/11, blieb. Für eine Neubelebung sorgten 39 Dominikane- nen Landwirt verpachtet. 1851 folgt die Gründung ei- schen besucht wird. Sie besuchen Tagungen, machen wangen auf dem Kirchberg geschaffen haben. de?DiesealteRedewendungwillbesagen,dassderLohn S.41 – 46. rinnen, die das evangelisch gewordene Pforzheim ver- ner Ackerbauschule für junge Männer, die bis 1941 exis- Ferien, bilden sich fort. „Größtes Charakteristikum des Dass hier der leitende Priester und die Priorin die Kir- noch fehlt. Es macht aber bei ihm wenig Sinn, deshalb – Kath. Kirchengemeinde St. Gallus Schörzingen lassen mussten und 1564 auf dem Kirchberg eine neue tiert. 1855 verlässt die letzte Nonne den Kirchberg, im Hauses“, erläutert Matthias Gössling, „ist die Stille, die chenbänke in einer Schömberger Werkstatt anfertigen streiken zu wollen. Er hat bisher 17 Bänke hergestellt (Hrsg.) Kirchenführer. Entwurf und Gestaltung: Die- Heimat fanden. Im Dreißigjährigen Krieg soll das Klos- Konventgebäude wohnen Mitarbeiterfamilien, viele man hier findet. Mit dieser Besonderheit werben wir ließen, liegt schon aus geschäftlichen Gründen nahe. und nur noch eine einzige Bank anzufertigen. Viel- ter Seifriz. Schömberg o.J. ter dann 32 mal geplündert worden sein. 1648 ereig- Räumlichkeiten werden nur noch als Lagerplatz und für uns und unsere Angebote. Wir meinen, dass Stille mehr können Granatapfel und Korb dasselbe bedeu- – Kirschbaum, Engelbert SJ (Hrsg.): Lexikon der christ- nete sich das sogenannte Tränenwunder. Eine Novi- Rumpelkammer genutzt. Nach einem Großbrand in und die Möglichkeit, inne zu halten, gerade in der heu- ten, nämlich reiche Gaben. Sie werden auch als Got- lichen Ikonographie, Freiburg 1970. zin betete vor einem Bildnis der Maria und sah, wie die- Rosenfeld 1868 werden der Ost- und Südflügel des Kon- tigen hektischen Zeit nötig und wichtig sind. Gleich- Enge Beziehungen zwischen Kloster teslohn verstanden, deshalb kommen sie von oben. – Klek, Adolf: Herrengunst und Frauenminne. Die se plötzlich anfing zu weinen. Vier Tage lang dauerte ventgebäudes abgerissen und für den Wiederaufbau zeitig möchten wir auch ein offenes Haus sein, das den Kirchberg und Schömberg Der Granatapfel gilt seit der Antike wegen seiner Sa- Frühzeit des Klosters Kirchberg. Hrsg. Berneuchene dieses „Wunder“, das sich schnell unter der Bevölke- der benachbarten Stadt verwendet. Übrig blieben nur verschiedensten Menschen Raum bietet. Diese beiden menmenge als Symbol für Fruchtbarkeit, Freigebig- Haus Kloster Kirchberg, 2010. rung verbreitete: „Die Folge war, dass das Volk auf den die gotischen Maßwerkfenster des Kreuzgangs. Pole zusammenzubekommen – auf der einen Seite die Kloster Kirchberg gehörte wie die Stadt Schömberg keit und verschenkende barmherzige Liebe. Auch der – Kretschmer, Hildegard: Lexikon der Symbole und At- Kirchberg strömte und das Kloster mit zahlreichen Op- 1958 schließlich wurde das ehemalige Kloster an den Bewahrung der Stille, auf der anderen die Öffnung und zu Vorderösterreich. Der Stadtschultheiß von Schöm- Korb symbolisiert die Freigebigkeit. Er ist Behälter des tribute in der Kunst, Reclam Stuttgart 2011. fern und Spenden bedachte. Wegen des großen An- Verein Berneuchener Haus vermietet, die drei Ber- Belebung – ist eine tägliche Herausforderung, die es berg war für das Frauenkloster eine übergeordnete Ver- Reichtums, z.B. an Blumen, Früchten oder Speise. Die – Pfarramt Schömberg: Tauf-Ehe-Totenregister 1726 – 1784. drangs brauchte das Kloster in dieser Zeit sogar zwei neuchener Gemeinschaften richteten auf dem Kirch- zu meistern gilt.“ waltungsinstanz. In einem Schömberger Verzeichnis Heilige Elisabeth von Thüringen wird in der Kunst – Planck, Oskar: Ein Gang durch Kloster Kirchberg und Beichtväter“, so Adolf Klek. Dank der spendablen Wall- berg ihr geistliches Zentrum sowie ein Tagungs- und der vom Schultheißenamt einzufordernden Steuern meistens mit einem Korb voll Gaben für Bedürftige ge- seine Geschichte, Stuttgart 1962 fahrer konnten die Klostergebäude saniert und er- Einkehrhaus ein. Adolf Klek erinnert sich: „Es fing al- werden noch 1786 die Klöster Kirchberg und Binsdorf malt. – Stadtarchiv Schömberg: Ayd-Steurbuch 1743 – 1745, weitert werden. 1688 begann der Bau einer neuen Kir- les sehr bescheiden an. Im Konventgebäude wohnten Wer sich eingehender mit der Geschichte von Klos- genannt. Beide Bildhauer wollten also wohl darstellen, wie sie Signatur AB 259. che und in den nächsten rund 100 Jahren folgten zahl- wir anfangs noch mit einem Melker und einem Förs- ter Kirchberg beschäftigen möchte, dem seien die bei- Kloster Kirchberg war außerdem durch bedeuten- sich bei fast vollendeter Arbeit auf die bereitgehaltene – Stiepmann, Mariela D.: Harthausen auf der Scher, reiche weitere Um- und Neubauten. ter zusammen. Alle Mitglieder der Hausgemeinde ha- den Bücher von Adolk Klek empfohlen: „Nonnen, Rit- den Besitz in der Stadt Schömberg vertreten. Dem Klos- Belohnung freuen. Der Palmbühl-Schnitzer sticht in Sigmaringen 1974. Ein nächstes Highlight – wie man heute sagen wür- ben unentgeltlich gearbeitet, Kost und Logis waren frei. ter, Kommissare in der Klostergeschichte“ sowie ter gehörten Höfe und Mühlen. Zur Verwaltung des Be- Vorfreude kraftvoll vollends aus der letzten Eichen- – Wallfahrtsleitung Palmbühl ( Hrsg.): Wallfahrtskir- de – in der Kirchberggeschichte bedeutete gleichzeitig Unsere Gottedienste haben wir auf der Nonnenem- „Herrengunst und Frauenminne“. Beide sind im sitzes hatte das Kloster zeitweise einen Schaffner im holzwange sein Bild heraus. Der Kirchberg-Schnitzer che Palmbühl, 72355 Schömberg. Text: Wilhelm Be- das Aus für das Klosterleben. Nach den napoleoni- pore abgehalten, denn in der Kirche hat es noch Klosterladen auf dem Kirchberg erhältlich. klostereigenen Haus hier wohnen. hat die letzte Wange noch unbearbeitet vor sich lie- senfelder, Oberndorf, Horb 2010. Es werden immer wieder Schömberger Mädchen gen. Er leistet es sich jetzt, innezuhalten und zufrie- – Den Herren Kreisarchivar Dr. Andreas Zekorn in Ba- oder Frauen in das Dominikanerinnenkloster einge- den auf seinen verdienten Lohn hinzuweisen. lingen, Georg Möhnle aus Stuttgart-Giebel und Jean treten sein. Mit einer Mechthild von Schömberg, wahr- So regt seit mehr als zweieinhalb Jahrhunderten die Claude Canoine aus Balingen-Frommern ist für scheinlich Tochter eines frühen adeligen Stadtschult- Schömberger Handwerkskunst in den beiden Kirchen mündliche Hinweise sehr zu danken. Baustellen-Unglück vor 80 Jahren 775 Jahre Kloster Kirchberg 21-Jähriger wird von Erdmassen vollständig eingeschlossen – Von Kurt Schneider Das Oberamt Balingen plante in den Jahren 1924 - 1925 Adolf Klek beschäftigt sich intensiv mit dessen Geschichte – Von Dagmar Kötting eine neue Trasse für die unzulängliche Nachbar- schaftsstraße Stockenhausen - Zillhausen. Die veran- Fundamentsteine, die, wie von Geisterhand ver- schlagten Baukosten betrugen zwischen 115 000 und rückt, gleich dreimal an einem anderen Platz auftau- 140 000 RM. In wirtschaftlich schwieriger Zeit war es chen, ein Marienbild, das Tränen vergießt – so man- den kleinen Gemeinden Stockenhausen und Zillhau- ches Wunder hat sich auf dem Kirchberg in den ver- sen nicht möglich, diese Bausumme aufzubringen. An- gangenen 775 Jahren ereignet, und um den mysti- suchen um Kostenbeteiligung an die Nachbarge- schen Ort ranken sich zahlreiche Geschichten, Anek- meinden Streichen und Pfeffingen, als hinterliegende doten und Legenden. Nutznießer, führten zu keinem Ergebnis. Der Stra- Ein Mann, der sich bestens auskennt mit dem Kirch- ßenbau musste vorerst zurückgestellt werden. berg, ist der Balinger Adolf Klek. Seit vielen Jahrzehn- Mit Notverordnung vom 5. Juni 1931, § 139a des Ge- ten beschäftigt sich der pensionierte Schulamtsdirek- setzes für Arbeitsvermittlung ist in Zeiten größter Ar- tor und Mitglied der Michaelbruderschaft - einer der beitslosigkeit der "Freiwillige Arbeitsdienst“ (FAD) ge- drei Berneuchener Gemeinschaften, deren geistliches bildet worden. Artikel 1 der Ausführungsverordnung Zentrum der Kirchberg ist - mit der Klostergeschichte. vom 3. August 1931 bestimmte den Einsatz bei ge- Akribisch sammelt er Informationen zur frühen Klos- meinnützigen Arbeiten. Arbeitslose junge Männer terzeit, durchstöbert Archive und Fachliteratur. Zwei schlossen sich dieser Vereinigung an, um Betätigung, Bücher und zahlreiche Artikel zeugen von seiner Be- Unterkunft und Verpflegung zu finden. geisterung für den Ort. Das Oberamt Balingen beauftragte nun den "Frei- Im Rahmen eines Pressegespräches bot der passi- willigen Arbeitsdienst" mit dem Bau der Oberamts- onierte Historiker, gemeinsam mit dem Geistlichen straße. Eines der größten Arbeitslager Süddeutsch- Leiter des Berneuchener Hauses, Pfarrer Matthias lands wurde für diese Baumaßnahme errichtet. Rund Gössling, spannende Einblick in die Geschichte des 100 junge Männer, meist ohne Baustellenerfahrung, Kirchbergs. waren bei dem umfangreichen Projekt eingesetzt. Pi- Bereits im Jahr 1095 wird auf dem Kirchberg eine ckel, Schaufel, Brecheisen und Schubkarren bildeten Burg des Ritters Arnold erwähnt, eines Dienstmannes die einzigen Gerätschaften. Die anfallenden Erdbe- des Grafen von Hohenberg. Um 1230 schlossen sich wegungen wurden mit handgeschobenen Rollkarren Mitglieder des Freiwilligen Arbeitsdienstes. Foto: Stadtarchiv Balingen Frauen aus dem umwohnenden Adel zu einer Ge- auf Schienen bewerkstelligt. Bagger, Planierraupe oder meinschaft zusammen. Sie entschieden sich für den Baukran waren zu dieser Zeit nur Wunschgedanken. holzpfeilern und Dielenverschalungen. Der Transport fem Dröhnen lösten sich gegen 19.00 Uhr riesige Erd- Wandbühl als Ort des gemeinsamen Lebens, doch wie Für die Bau- und Lagerleitung sowie die Unter- des anfallenden Erdreiches zur Auffüllstelle verlief auf massen von der östlichen Böschung, schoben sich mit durch ein Wunder verschwanden der Fundamentstein bringung eines Teils der Arbeitsdienstler erbaute man einem Rollgleis über Wochen problemlos durch den den Steinen der Straßendecke bis zur gegenüberlie- und Baumaterialien dreimal vom vorgesehenen Ort. im Gewann "Brandlen", Gemarkung Stockenhausen, Stollen. genden Seite der Baugrube. Einigen Männern gelang Wohl auch, weil es bei der nahe gelegenen Burg Was- eine umfangreiche Baracke. Die zweite Abteilung war Am Vormittag des 1. Dezembers 1932 zeigten sich derSprungzumAusgangdesEinschnittes,dadurchsind ser gab, fiel die Bauentscheidung letztendlich für den in einem leerstehenden Fabrikgebäude in Zillhausen. plötzlich Verschiebungen am Stollen-Versteifungs- sie von der nachrutschenden Erde nur teilweise er- Kirchberg und im Jahr 1237 stiftete Graf Burkhard III untergebracht. rahmen. Der Verkehr auf der Straße musste unver- fasst worden. von Hohenberg die Kirchberger Besitztümer dem Klos- Frühmorgens marschierten die "Arbeitsdienstler" in züglich eingestellt werden. Um den Einsturz des Stol- Der 21jährige Walter Keinath aus Winterlingen wur- ter. Der Stifter starb 1253 und wurde in der Familien- ihrer hellen Arbeitskleidung singend durch den Ort zu lens zu verhindern, beschloss die Bauleitung die Ab- de von den Erdmassen vollständig eingeschlossen. gruft in der Klosterkirche beigesetzt. Die Grabplatte ihrerBaustelle.Unterkunft,Verpflegung,Gestellungder tragung der Erddeckung inklusive der Straßendecke. Trotz schnellster Befreiung starb er an der Unglücks- ist an der Südwand beim Hochalter heute noch zu se- Arbeitskleidung, nebst 50 Pfennig Tagessold, war die Eine Behelfsbrücke sollte zur Abwicklung des Ver- stelle an inneren Verletzungen. Richard Linder aus Lo- hen. Entlohnung ihrer harten Arbeit. kehrs nach Zillhausen und Streichen errichtet werden. cherhof b. Rottweil, 19 Jahre alt, konnte nur noch tot ge- Seit der Gründungszeit ist auch das sogenannte Zufahrt und Fußgänger-Anbindung nach Zillhau- Nachtarbeit ist wegen der Dringlichkeit angeordnet borgen werden. Schwesternbucherhalten, das eine wichtige Quelle zum sen und Streichen musste auf der bisherigen Straße er- worden. Am 3. Dezember wurden die Leichname der beiden Leben im Kloster bietet. halten bleiben. Unterhalb der Straßendecke erfolgte auf Zur Abtragung und zum Abtransport der Erdmen- Verunglückten vom Amtsgericht freigegeben und zur Im 16. Jahrhundert, als landauf, landab ein Nie- einer Strecke von 9 Meter ein Stollendurchbruch mit gen waren nach Schichtwechsel sieben Arbeiter an der Bestattung in ihre Heimatgemeinden überführt. dergang der Klöster zu beklagen war, gab es auch auf Pfarrer Matthias Gössling (links) und Michaelsbruder Adolf Klek. Foto: Privat 2,50 Meter Erdüberdeckung, ausgesteift mit Rund- spärlich beleuchteten Baustelle beschäftigt. Mit dump- Nach längerem Hin- und Her war die Oberamts- Seite 1801 Heimatkundliche Blätter Juli 2012 Juli 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1802

Steuerbuch 1743 -1745 gab es einen Cajetan Mager als heißen, rühmt noch das Kirchberger Schwesternbuch die Menschen zum Staunen und Nachdenken an. dem Kirchberg nur noch sieben Frauen, in den Blü- schen Kriegen wird das Kloster im Jahr 1806 säkulari- schlimm ausgesehen.“ 1969 bezieht die Pächterfami- Schreiner. Ein Raimund Mager ist im Jahr der Palm- in der Fassung von 1691 beispielhaft den frommen Ei- tezeiten zuvor waren es bis zu 80 Ordensschwestern ge- siert und geht in den Besitz des Königreichs Würt- lie Weiler einen neuen Hof direkt neben dem Kloster, bühlwangen (1725) als 46-jähriger Einwohner ge- fer der Klosterfrauen während der Zeit um 1300. wesen. „Zur Nachwuchsgewinnung wurden die Sitten temberg über. Den Nonnen wird freigestellt, weiter im der Tagungsbetrieb nimmt Fahrt auf – und wird jäh ge- nannt, allerdings ohne Berufsbezeichnung. Wenn er zur QUELLEN UND LITERATUR gelockert und das Kloster wandelte sich zum Damen- Kloster zu leben oder es zu verlassen. 23 bleiben, er- stört durch einen Großbrand im Jahr 1979. Der Dach- selben Familie gehörte und ein zweiter, nicht aufge- stift, jede Adelige hatte ihren eigenen Haushalt und Be- halten eine Pension und bessern ihren Lebensunter- stuhl des Konventgebäudes wird vernichtet und der 2. schriebener Vorname von ihm wie sonst oft Wendelin Granatapfel und Brotkorb – Amtl.Kreisbeschreibung „Der Landkreis Balingen“, dienstete“, weiß Adolf Klek. Die Gottesdienste wurden halt mit dem Verkauf von Medizin, Heilkräutern, Blech- Stock verbrennt bis auf die Außenmauern, Menschen war, könnte er der Schreiner RMW gewesen sein. Hrsg. Statist. Landesamt B-W., Bd. 2, 1961. nur noch lax gehandhabt und die Damen erhielten Be- schmuck und Klosterlikör auf. kommen zum Glück nicht zu Schaden und auch die Kir- Es ist in den Akten häufig zu lesen, dass an Vor- und Das geschnitzte Werkstatt-Bild auf der Bankwange – Bumiller, Casimir: Schömberg im Mittelalter. In: Bu- such aus benachbarten Junkerkreisen, gar von 'Partys' Eine Kommission übernimmt die Aufgabe, alle Be- che bleibt verschont. Dank des damaligen Finanzmi- Zuname noch der Beruf angefügt wurde. vom Palmbühl kann erfreulicherweise mit einem spe- miller (Hrsg.), Geschichte der Stadt Schömberg, in der Kirche wird berichtet. „Die österreichischen Be- sitztümer des Klosters aufzulisten. Adolf Klek: „Der Lei- nisters Robert Gleichauf, der aus Oberndorf stammte, Das konnte zur Unterscheidung von Personen glei- ziellen Detail einen Hinweis zur Deutung der Kirch- Schömberg 2005. sitzer, damals gehörte der Kirchberg als Enklave zu Vor- ter der Kommission schrieb später seine Lebenserin- engagiert sich das Land Baden-Württemberg mit 20 chen Namens nötig sein. So wird im genannten Steu- berger Wange geben. Über dem Palmbühl-Bildhauer – Erichsen, Harald: Beobachtungen in der Johannis- derösterreich, entsandten zwei Beamte, die den Kirch- nerungen auf und berichtet, dass er selten eine Vesper Millionen D-Mark für den Wiederaufbau, die Arbeiten erbuch auch ein Leopold Miller Bildhauer aufgeführt. hängt ein Granatapfel, der aufgesprungen ist und sei- kirche Kloster Kirchberg. In: „Quatember“, 60. Jahrg., berg wieder auf Vordermann bringen sollten“, erzählt versäumt habe, weil es so wunderbar gewesen sei, wie dauern rund 10 Jahre. Das Steuerbuch endet leider im Jahr 1745, und eine ne Samenkörner sehen lässt. Über dem Kirchberg-Bild- Heft 4, Okt. – Dez. 1996 Adolf Klek. Die Nonnen wurde vor die Wahl gestellt: zu- die ehemaligen Nonnen musizierten.“ Zwei Jahrzehnte später ist das Berneuchener Haus Fortsetzung ist nicht mehr vorhanden. Wenn er im Jah- hauer hängt dagegen ein Korb. Arbeitet er deshalb nicht – Hecht, Winfried: Urban Faulhaber, der „Bildhauer rück zur Klosterordnung oder Auszug. Nur eine Frau Der Kirchberg ist nun eine Domäne und wird an ei- Kloster Kirchberg ein Ort, der jährlich von 6000 Men- re 1748 noch lebte und arbeitete, kann er also die Bank- mehr, weil ihm „der Brotkorb zu hoch gehängt“ wur- von Schömberg“. In: Schwäbische Heimat 2010/11, blieb. Für eine Neubelebung sorgten 39 Dominikane- nen Landwirt verpachtet. 1851 folgt die Gründung ei- schen besucht wird. Sie besuchen Tagungen, machen wangen auf dem Kirchberg geschaffen haben. de?DiesealteRedewendungwillbesagen,dassderLohn S.41 – 46. rinnen, die das evangelisch gewordene Pforzheim ver- ner Ackerbauschule für junge Männer, die bis 1941 exis- Ferien, bilden sich fort. „Größtes Charakteristikum des Dass hier der leitende Priester und die Priorin die Kir- noch fehlt. Es macht aber bei ihm wenig Sinn, deshalb – Kath. Kirchengemeinde St. Gallus Schörzingen lassen mussten und 1564 auf dem Kirchberg eine neue tiert. 1855 verlässt die letzte Nonne den Kirchberg, im Hauses“, erläutert Matthias Gössling, „ist die Stille, die chenbänke in einer Schömberger Werkstatt anfertigen streiken zu wollen. Er hat bisher 17 Bänke hergestellt (Hrsg.) Kirchenführer. Entwurf und Gestaltung: Die- Heimat fanden. Im Dreißigjährigen Krieg soll das Klos- Konventgebäude wohnen Mitarbeiterfamilien, viele man hier findet. Mit dieser Besonderheit werben wir ließen, liegt schon aus geschäftlichen Gründen nahe. und nur noch eine einzige Bank anzufertigen. Viel- ter Seifriz. Schömberg o.J. ter dann 32 mal geplündert worden sein. 1648 ereig- Räumlichkeiten werden nur noch als Lagerplatz und für uns und unsere Angebote. Wir meinen, dass Stille mehr können Granatapfel und Korb dasselbe bedeu- – Kirschbaum, Engelbert SJ (Hrsg.): Lexikon der christ- nete sich das sogenannte Tränenwunder. Eine Novi- Rumpelkammer genutzt. Nach einem Großbrand in und die Möglichkeit, inne zu halten, gerade in der heu- ten, nämlich reiche Gaben. Sie werden auch als Got- lichen Ikonographie, Freiburg 1970. zin betete vor einem Bildnis der Maria und sah, wie die- Rosenfeld 1868 werden der Ost- und Südflügel des Kon- tigen hektischen Zeit nötig und wichtig sind. Gleich- Enge Beziehungen zwischen Kloster teslohn verstanden, deshalb kommen sie von oben. – Klek, Adolf: Herrengunst und Frauenminne. Die se plötzlich anfing zu weinen. Vier Tage lang dauerte ventgebäudes abgerissen und für den Wiederaufbau zeitig möchten wir auch ein offenes Haus sein, das den Kirchberg und Schömberg Der Granatapfel gilt seit der Antike wegen seiner Sa- Frühzeit des Klosters Kirchberg. Hrsg. Berneuchene dieses „Wunder“, das sich schnell unter der Bevölke- der benachbarten Stadt verwendet. Übrig blieben nur verschiedensten Menschen Raum bietet. Diese beiden menmenge als Symbol für Fruchtbarkeit, Freigebig- Haus Kloster Kirchberg, 2010. rung verbreitete: „Die Folge war, dass das Volk auf den die gotischen Maßwerkfenster des Kreuzgangs. Pole zusammenzubekommen – auf der einen Seite die Kloster Kirchberg gehörte wie die Stadt Schömberg keit und verschenkende barmherzige Liebe. Auch der – Kretschmer, Hildegard: Lexikon der Symbole und At- Kirchberg strömte und das Kloster mit zahlreichen Op- 1958 schließlich wurde das ehemalige Kloster an den Bewahrung der Stille, auf der anderen die Öffnung und zu Vorderösterreich. Der Stadtschultheiß von Schöm- Korb symbolisiert die Freigebigkeit. Er ist Behälter des tribute in der Kunst, Reclam Stuttgart 2011. fern und Spenden bedachte. Wegen des großen An- Verein Berneuchener Haus vermietet, die drei Ber- Belebung – ist eine tägliche Herausforderung, die es berg war für das Frauenkloster eine übergeordnete Ver- Reichtums, z.B. an Blumen, Früchten oder Speise. Die – Pfarramt Schömberg: Tauf-Ehe-Totenregister 1726 – 1784. drangs brauchte das Kloster in dieser Zeit sogar zwei neuchener Gemeinschaften richteten auf dem Kirch- zu meistern gilt.“ waltungsinstanz. In einem Schömberger Verzeichnis Heilige Elisabeth von Thüringen wird in der Kunst – Planck, Oskar: Ein Gang durch Kloster Kirchberg und Beichtväter“, so Adolf Klek. Dank der spendablen Wall- berg ihr geistliches Zentrum sowie ein Tagungs- und der vom Schultheißenamt einzufordernden Steuern meistens mit einem Korb voll Gaben für Bedürftige ge- seine Geschichte, Stuttgart 1962 fahrer konnten die Klostergebäude saniert und er- Einkehrhaus ein. Adolf Klek erinnert sich: „Es fing al- werden noch 1786 die Klöster Kirchberg und Binsdorf malt. – Stadtarchiv Schömberg: Ayd-Steurbuch 1743 – 1745, weitert werden. 1688 begann der Bau einer neuen Kir- les sehr bescheiden an. Im Konventgebäude wohnten Wer sich eingehender mit der Geschichte von Klos- genannt. Beide Bildhauer wollten also wohl darstellen, wie sie Signatur AB 259. che und in den nächsten rund 100 Jahren folgten zahl- wir anfangs noch mit einem Melker und einem Förs- ter Kirchberg beschäftigen möchte, dem seien die bei- Kloster Kirchberg war außerdem durch bedeuten- sich bei fast vollendeter Arbeit auf die bereitgehaltene – Stiepmann, Mariela D.: Harthausen auf der Scher, reiche weitere Um- und Neubauten. ter zusammen. Alle Mitglieder der Hausgemeinde ha- den Bücher von Adolk Klek empfohlen: „Nonnen, Rit- den Besitz in der Stadt Schömberg vertreten. Dem Klos- Belohnung freuen. Der Palmbühl-Schnitzer sticht in Sigmaringen 1974. Ein nächstes Highlight – wie man heute sagen wür- ben unentgeltlich gearbeitet, Kost und Logis waren frei. ter, Kommissare in der Klostergeschichte“ sowie ter gehörten Höfe und Mühlen. Zur Verwaltung des Be- Vorfreude kraftvoll vollends aus der letzten Eichen- – Wallfahrtsleitung Palmbühl ( Hrsg.): Wallfahrtskir- de – in der Kirchberggeschichte bedeutete gleichzeitig Unsere Gottedienste haben wir auf der Nonnenem- „Herrengunst und Frauenminne“. Beide sind im sitzes hatte das Kloster zeitweise einen Schaffner im holzwange sein Bild heraus. Der Kirchberg-Schnitzer che Palmbühl, 72355 Schömberg. Text: Wilhelm Be- das Aus für das Klosterleben. Nach den napoleoni- pore abgehalten, denn in der Kirche hat es noch Klosterladen auf dem Kirchberg erhältlich. klostereigenen Haus hier wohnen. hat die letzte Wange noch unbearbeitet vor sich lie- senfelder, Oberndorf, Horb 2010. Es werden immer wieder Schömberger Mädchen gen. Er leistet es sich jetzt, innezuhalten und zufrie- – Den Herren Kreisarchivar Dr. Andreas Zekorn in Ba- oder Frauen in das Dominikanerinnenkloster einge- den auf seinen verdienten Lohn hinzuweisen. lingen, Georg Möhnle aus Stuttgart-Giebel und Jean treten sein. Mit einer Mechthild von Schömberg, wahr- So regt seit mehr als zweieinhalb Jahrhunderten die Claude Canoine aus Balingen-Frommern ist für scheinlich Tochter eines frühen adeligen Stadtschult- Schömberger Handwerkskunst in den beiden Kirchen mündliche Hinweise sehr zu danken. Baustellen-Unglück vor 80 Jahren 775 Jahre Kloster Kirchberg 21-Jähriger wird von Erdmassen vollständig eingeschlossen – Von Kurt Schneider Das Oberamt Balingen plante in den Jahren 1924 - 1925 Adolf Klek beschäftigt sich intensiv mit dessen Geschichte – Von Dagmar Kötting eine neue Trasse für die unzulängliche Nachbar- schaftsstraße Stockenhausen - Zillhausen. Die veran- Fundamentsteine, die, wie von Geisterhand ver- schlagten Baukosten betrugen zwischen 115 000 und rückt, gleich dreimal an einem anderen Platz auftau- 140 000 RM. In wirtschaftlich schwieriger Zeit war es chen, ein Marienbild, das Tränen vergießt – so man- den kleinen Gemeinden Stockenhausen und Zillhau- ches Wunder hat sich auf dem Kirchberg in den ver- sen nicht möglich, diese Bausumme aufzubringen. An- gangenen 775 Jahren ereignet, und um den mysti- suchen um Kostenbeteiligung an die Nachbarge- schen Ort ranken sich zahlreiche Geschichten, Anek- meinden Streichen und Pfeffingen, als hinterliegende doten und Legenden. Nutznießer, führten zu keinem Ergebnis. Der Stra- Ein Mann, der sich bestens auskennt mit dem Kirch- ßenbau musste vorerst zurückgestellt werden. berg, ist der Balinger Adolf Klek. Seit vielen Jahrzehn- Mit Notverordnung vom 5. Juni 1931, § 139a des Ge- ten beschäftigt sich der pensionierte Schulamtsdirek- setzes für Arbeitsvermittlung ist in Zeiten größter Ar- tor und Mitglied der Michaelbruderschaft - einer der beitslosigkeit der "Freiwillige Arbeitsdienst“ (FAD) ge- drei Berneuchener Gemeinschaften, deren geistliches bildet worden. Artikel 1 der Ausführungsverordnung Zentrum der Kirchberg ist - mit der Klostergeschichte. vom 3. August 1931 bestimmte den Einsatz bei ge- Akribisch sammelt er Informationen zur frühen Klos- meinnützigen Arbeiten. Arbeitslose junge Männer terzeit, durchstöbert Archive und Fachliteratur. Zwei schlossen sich dieser Vereinigung an, um Betätigung, Bücher und zahlreiche Artikel zeugen von seiner Be- Unterkunft und Verpflegung zu finden. geisterung für den Ort. Das Oberamt Balingen beauftragte nun den "Frei- Im Rahmen eines Pressegespräches bot der passi- willigen Arbeitsdienst" mit dem Bau der Oberamts- onierte Historiker, gemeinsam mit dem Geistlichen straße. Eines der größten Arbeitslager Süddeutsch- Leiter des Berneuchener Hauses, Pfarrer Matthias lands wurde für diese Baumaßnahme errichtet. Rund Gössling, spannende Einblick in die Geschichte des 100 junge Männer, meist ohne Baustellenerfahrung, Kirchbergs. waren bei dem umfangreichen Projekt eingesetzt. Pi- Bereits im Jahr 1095 wird auf dem Kirchberg eine ckel, Schaufel, Brecheisen und Schubkarren bildeten Burg des Ritters Arnold erwähnt, eines Dienstmannes die einzigen Gerätschaften. Die anfallenden Erdbe- des Grafen von Hohenberg. Um 1230 schlossen sich wegungen wurden mit handgeschobenen Rollkarren Mitglieder des Freiwilligen Arbeitsdienstes. Foto: Stadtarchiv Balingen Frauen aus dem umwohnenden Adel zu einer Ge- auf Schienen bewerkstelligt. Bagger, Planierraupe oder meinschaft zusammen. Sie entschieden sich für den Baukran waren zu dieser Zeit nur Wunschgedanken. holzpfeilern und Dielenverschalungen. Der Transport fem Dröhnen lösten sich gegen 19.00 Uhr riesige Erd- Wandbühl als Ort des gemeinsamen Lebens, doch wie Für die Bau- und Lagerleitung sowie die Unter- des anfallenden Erdreiches zur Auffüllstelle verlief auf massen von der östlichen Böschung, schoben sich mit durch ein Wunder verschwanden der Fundamentstein bringung eines Teils der Arbeitsdienstler erbaute man einem Rollgleis über Wochen problemlos durch den den Steinen der Straßendecke bis zur gegenüberlie- und Baumaterialien dreimal vom vorgesehenen Ort. im Gewann "Brandlen", Gemarkung Stockenhausen, Stollen. genden Seite der Baugrube. Einigen Männern gelang Wohl auch, weil es bei der nahe gelegenen Burg Was- eine umfangreiche Baracke. Die zweite Abteilung war Am Vormittag des 1. Dezembers 1932 zeigten sich derSprungzumAusgangdesEinschnittes,dadurchsind ser gab, fiel die Bauentscheidung letztendlich für den in einem leerstehenden Fabrikgebäude in Zillhausen. plötzlich Verschiebungen am Stollen-Versteifungs- sie von der nachrutschenden Erde nur teilweise er- Kirchberg und im Jahr 1237 stiftete Graf Burkhard III untergebracht. rahmen. Der Verkehr auf der Straße musste unver- fasst worden. von Hohenberg die Kirchberger Besitztümer dem Klos- Frühmorgens marschierten die "Arbeitsdienstler" in züglich eingestellt werden. Um den Einsturz des Stol- Der 21jährige Walter Keinath aus Winterlingen wur- ter. Der Stifter starb 1253 und wurde in der Familien- ihrer hellen Arbeitskleidung singend durch den Ort zu lens zu verhindern, beschloss die Bauleitung die Ab- de von den Erdmassen vollständig eingeschlossen. gruft in der Klosterkirche beigesetzt. Die Grabplatte ihrerBaustelle.Unterkunft,Verpflegung,Gestellungder tragung der Erddeckung inklusive der Straßendecke. Trotz schnellster Befreiung starb er an der Unglücks- ist an der Südwand beim Hochalter heute noch zu se- Arbeitskleidung, nebst 50 Pfennig Tagessold, war die Eine Behelfsbrücke sollte zur Abwicklung des Ver- stelle an inneren Verletzungen. Richard Linder aus Lo- hen. Entlohnung ihrer harten Arbeit. kehrs nach Zillhausen und Streichen errichtet werden. cherhof b. Rottweil, 19 Jahre alt, konnte nur noch tot ge- Seit der Gründungszeit ist auch das sogenannte Zufahrt und Fußgänger-Anbindung nach Zillhau- Nachtarbeit ist wegen der Dringlichkeit angeordnet borgen werden. Schwesternbucherhalten, das eine wichtige Quelle zum sen und Streichen musste auf der bisherigen Straße er- worden. Am 3. Dezember wurden die Leichname der beiden Leben im Kloster bietet. halten bleiben. Unterhalb der Straßendecke erfolgte auf Zur Abtragung und zum Abtransport der Erdmen- Verunglückten vom Amtsgericht freigegeben und zur Im 16. Jahrhundert, als landauf, landab ein Nie- einer Strecke von 9 Meter ein Stollendurchbruch mit gen waren nach Schichtwechsel sieben Arbeiter an der Bestattung in ihre Heimatgemeinden überführt. dergang der Klöster zu beklagen war, gab es auch auf Pfarrer Matthias Gössling (links) und Michaelsbruder Adolf Klek. Foto: Privat 2,50 Meter Erdüberdeckung, ausgesteift mit Rund- spärlich beleuchteten Baustelle beschäftigt. Mit dump- Nach längerem Hin- und Her war die Oberamts- Seite 1803 Heimatkundliche Blätter Juli 2012 kasse bereit, die Überführungs- und Beerdigungskos- rung nach ausreichend geschultem Personal zur stän- zeste Verbindung zwischen Kreisstadt Balingen und ten der beiden Verunglückten zu übernehmen. Bitt- digen Baustellenüberwachung wurde ungern, zöger- Stadt Tailfingen im Talgang. gesuchen der Trauerfamilien Keinath und Linder an lich und in ungenügender Weise entsprochen. In Ver- das Oberamt Balingen um finanziellen Beistand sind kennung des Umfanges und der Schwierigkeiten der nach längeren Beratungen mit einem Betrag von 150 Baustelle fehlte laut des Gutachtens von Baurat Blum QUELLENNACHWEIS RM entsprochen worden, verbunden mit der Auflage, ein erfahrenes und verantwortungsbewusstes Unter- auf jeden weiteren Anspruch zu verzichten. nehmen. Eine ständige Baustellenüberwachung durch – Kreisarchiv Zollernalbkreis, Oberamt/Landratsamt Die Unfallaufnahme erfolgte am 2. Dezember 1932 den vom Oberamt Balingen beauftragten Baumeister Balingen, Akten Straßen durch das Württembergische Landjägerkorps, Haupt- Kuhn war auf Grund anderweitig zugewiesener Auf- – Oberamt Balingen, Straßensperrung vom 1. Dez. stelle Balingen unter Stationskommandant Schanz. gaben, nicht immer gewährleistet. Anmerkung Baurat 1932 In strafrechtlichen Verfahren des Amtsgerichts Ba- Blum: Erfahrenes geschultes Personal hat an der Bau- – Württbg. Landjägerkorps Balingen, Protokoll vom 2. lingen und Landgerichts Hechingen gegen Ober- stelle gefehlt, "obwohl solches z.. Zt. in genügender Zahl Dez. 1932 Jahrgang 59 31. Juli 2012 Nr. 7 amtsbaumeister Heinz und Baumeister Kuhn, als ver- und um geringe Bezahlung zur Verfügung steht." – Baustellen-Skizze, Oberamtsbaumeister Kuhn vom antwortliche Bauleitung, konnte keine Schuld nach- Der 1932 -1934 vom "Freiwilligen Arbeitsdienst" 2. Dez. 1932 gewiesen werden. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft (FAG) ausgeführte Bau der Verbindungsstraße Sto- – Volksfreund Balingen Nr. 283 vom 2. Dez. 1932 Hechingen erarbeitete Baurat Blum, Vorstand des Stra- ckenhausen-Zillhausen ist am Straßenrand durch ei- – Alb-Boten Ebingen Nr. 283 vom 2. Dez. 1932 ßen- und Wasserbauamtes Rottweil, mit Datum 19. De- nen Gedenkstein dokumentiert. Gegenüber, an der öst- – Volksfreund Balingen Nr. 287 vom 7. Dez. 1932 zember 1932 ein 19 Seiten umfassendes Gutachten zur lichen Straßenseite, steht ein kleines Ehrenmal, erin- – Volksfreund Balingen Nr. 288 vom 8. Dez. 1932 Beleuchtung des Unfallherganges. Der Freiwillige Ar- nernd an das Unglück vom 1. Dezember 1932, das zwei – Landtags - Anfrage, Abgeordneter Gompper vom 5. Bankwangen als Beleg beitsdienst, überwiegend aus unerfahrenen jungen junge Menschenleben forderte. Dez. 1932 Leuten bestehend, führte die umfangreiche Baumaß- Die vor acht Jahrzehnten gebaute Straße, heutige L – Gutachten Baurat Blum, Straßen- und Wasserwirt- nahme als gemeinnützige Aufgabe aus. Der Forde- 442, ist nach wie vor, auf unveränderter Trasse die kür- schaftsamt Rottweil vom 19.Dez.1932. War ein Schömberger Schreiner einst für das Kloster Kirchberg tätig? - Von Adolf Klek

In der Kirche des ehemaligen Frauenklosters Kirch- berg, über Heiligenzimmern im Stadtgebiet Sulz/N ge- legen, ruft ein außergewöhnliches Bildmotiv auf einer der 18 Bankwangen Fragen zu seiner Herkunft und Termine und Exkursionen Deutung hervor. Erst in jüngerer Zeit wurde entdeckt, dass eine der 14 Wangen in der Wallfahrtskirche Palm- bühl bei Schömberg eine ähnliche Reliefschnitzerei Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung im August und September zeigt. Ein Vergleich der beiden führt zu interessanten Ergebnissen. AUGUST heim. Die Mittagspause ist im verträumten Reichs- Montag, 24. September bis Samstag 29. September: städtchen Leutkirch vorgesehen. Ein Abstecher führt 6-tägige Studienfahrt: „La Moselle – Die Mosel“. Von Samstag, 11. August: Besuch der Landesausstellung zum Jagdschloss Rimpach, das vom Erbgraf von Wald- der Quelle bis zur Mündung mit Wolfgang Willig. „900 Jahre Baden“ in Karlsruhe mit Ruth Hübner und burg-Zeil bewohnt wird. Besichtigt werden kann die Hans Kratt. in seinem Besitz befindliche Rokokokapelle. Die Rück- Metz ist Station in den ersten Tagen. Dann Zeltin- Ein Werkstatt-Bild auf dem Kirchberg fahrt geht über die Kartause Marienau bei Bad Wur- gen-Rachtig für die beiden folgenden Tage. Die An- Im Zentrum dieses Tagesausflugs steht die große zach, die einzige aktuell existierende Kartause im reise erfolgt über den Col de la Schlucht zur Mosel- Die Kirche der Dominikanerinnen wurde ab 1688 in Landesausstellung zur badischen Geschichte. Im Jahr deutschsprachigen Raum. Die weiträumige, in der Ein- quelle, durch die Vogesen immer entlang der Mosel, barockem Stil neu gestaltet. Zu beiden Seiten des Mit- 1112 wurde erstmals in einer Urkunde der Titel „Mark- öde liegende Anlage ist jedoch nicht öffentlich zu- mit Abstechern nach Remiremont, Toul bis nach Metz. telganges, der zum Altarraum führt, stehen je 9 Bänke graf von Baden“ erwähnt. Anknüpfend an diese „Ge- gänglich. Abfahrt in Balingen, Stadthalle, 7 Uhr, Alb- Von dort aus starten weitere Ausflüge. Kurz vor der für die Gottesdienstbesucher. Auf der linken Seite – vom burtsurkunde“ zeigt das Badische Landesmuseum in stadt-Ebingen, Busbahnhof, 7.30 Uhr. Umlage 30 Euro Heimreise steht noch eine Fahrt mit der Seilbahn hoch Altar aus gesehen – ist in die vorletzte Bankwange ein der Ausstellung „Baden! 900 Jahre. Geschichten eines für Fahrt, Eintritte und Führungen. zur Burg Ehrenbreitstein auf dem Programm. Es sind rätselhaftes Bild geschnitzt. Während die anderen Landes“ über 400 Exponate zur Geschichte und Kultur nur noch wenige Plätze frei. Auch Nichtmitglieder sind Wangen Rankenwerk oder Tiere und Menschen in der des Landes, vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Zu- herzlich willkommen. Baldige Anmeldung ist er- Natur zeigen, ist hier eine Schreiner- und Bildhauer- nächst Markgrafschaft, dann Kurfürstentum, Groß- wünscht. Abfahrt in Albstadt-Ebingen, Busbahnhof, 7 werkstatt mit pünktlich aufgeräumten Werkzeugen zu herzogtum von Napoleons Gnaden, ab 1919 Republik Uhr, Balingen, Stadthalle, 7.30 Uhr; 680 Euro. sehen. An der Werkbank lehnt der Schreiner ohne zu ar- gingen die beiden Länder Württemberg-Baden und Ba- beiten. Er hat den Kopf auf die linke Hand gestützt und den im 1952 neu gegründeten Baden-Württemberg auf. weist mit der rechten Hand nach oben. Dort hängt über Die Ausstellung erzählt aber auch von badischen Per- SEPTEMBER ihm ein Korb. Auf der Werkbank liegt eine Bankwan- sönlichkeiten und von der badischen Identität. Nach ge, in die noch nichts geschnitzt wurde. dem Besuch der Ausstellung werden wir die Stadt Karls- An der Rückwand der letzten Bank auf dieser Seite ruhe in einer Busrundfahrt näher kennen lernen. Karls- Samstag, 8. September: Tagesexkursion zu den Kir- STAMMTISCHE brachte der Schreiner eine große Inschrifttafel an: „!748 ruhe, in dessen Schloss die Landesausstellung gezeigt chen in Marbach, Beihingen, Eglosheim , Uhlbach, LMB“. Wer ist dieser LMB, der im Jahr 1748 offen- wird, ist eine vergleichsweise junge Stadt. 1715 in ei- Rotenberg mit Hans Kratt. sichtlich seine Arbeit für Kirchberg abschloss? Wo kann nem Waldgebiet gegründet, löste sie damals Durlach Jeweils am 1. Mittwoch eines Monats trifft sich un- er seine Werkstatt gehabt haben? Niemand wusste bis- als Hauptstadt ab. Wir erkunden eine barocke Plan- Wir besuchen Neckarschwaben, den Mittleren Ne- ter der Leitung von Dr. Peter Th. Lang der Ebinger her eine Antwort. stadt, die vom 1797 berufenen Baumeister Friedrich ckarraum, das Kernland Württembergs und Weinan- Stammtische im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 Weinbrenner im klassizistischen Stil ausgebaut wur- baugebiet mit teils alten, idyllischen Dorfkernen und Albstadt-Ebingen: Tel.: 07431 4188. de. Abfahrt in Albstadt-Ebingen, Busbahnhof, 6.45 Uhr, bedeutenden Baudenkmälern, aber auch wuchernden Das Werkstatt-Bild auf dem Palmbühl Balingen, Stadthalle, 7.15 Uhr. Umlage 30 Euro für Siedlungen und Fabriklandschaften. Zunächst be- Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- Fahrt, Eintritte und Führungen. sichtigen wir in Schillers Geburtsstadt Marbach am Ne- schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- Ein Kunstfreund aus Stuttgart gab bei einer Füh- ckar die dortige spätgotische Alexanderkirche. Die Hal- chingen, Telefon 07471-15540 / Fax 07471-12283. rung auf dem Kirchberg den Hinweis, dass es in der lenkirche mit Innenraumgewölben von ungewöhnli- Email: [email protected] Wallfahrtskirche auf dem Palmbühl bei Schömberg ei- Eine Bankwange in der Klosterkirche Kirchberg (links) und der Palmbühlkirche in Schömberg. Fotos: Privat Freitag, 24. August: Tagesexkursion Kartäuser in Bux- cher Vielfalt stellt ein herausragendes Zeugnis sakraler oder über unsere Homepage ne Bankwange mit demselben Bildmotiv gäbe. Das ver- heim und Marienau. Schloss Rimpach mit Wolfgang Baukunst im süddeutschen Raum dar. Für die Be- www.heimatkundliche–vereinigung.de. anlasste den Verfasser dieses Beitrags zu vielfältigen Die „Schömberger Schule“ der Schreiner ren und Kanzeln, die für den Vollzug des Gottes- Willig. schreibung der im nahen Beihingen liegende Aman- Nachforschungen. Die Wange ziert dort ebenfalls die und Bildhauer dienstes und für die Augen der Gläubigen eine wich- duskirche, die zusammen mit dem Ort über Jahrhun- vorletzte der Bankreihen, jedoch – vom Altar aus ge- tigere Rolle spielten. Auf dem Programm steht der Besuch des Kartäu- derteinreichsritterschaftlichemBesitzwar,könnteman sehen- auf der rechten Seite. Die Reliefbilder stellen In der vorderösterreichischen Stadt Schömberg ent- So schuf Uran Faulhaber in der St.Gallus-Kirche im sermuseums in der ehemaligen Reichskartause Bux- das neudeutsche Wort „Patchwork“ verwenden. Sie ist sonst durchweg Pflanzen oder Tiere dar. Sie sind nicht wickelte sich im 18. Jahrhundert eine Hochblüte des Nachbarort Schörzingen herrliche Altaraufbauten und ein Bauwerk mit ungewöhnlichem Inneren, quer durch wie auf dem Kirchberg in die obere Hälfte der Wange, Schreiner-Handwerks. Obwohl die Stadt kaum 1000 eine prächtige Kanzel. Aber die Bankwangen dort ge- die Kunstgeschichte von der Romanik bis zum Roko- sondern unten in eine bauchige Holzfläche eingear- Einwohner zählte, lassen sich in ihr eine ganze Reihe staltete der Schörzinger Schreiner Konrad Drissler. Sein ko. Das Gegenteil stellt die rein gotische Dorfkirche von beitet. Aber die beiden Werkstatt-Bilder sehen in den von holzverarbeitenden Werkstätten feststellen. Die Name ist deshalb bekannt, weil er als Kirchenstrafe we- Eglosheim dar. Im Weinort Uhlbach wurde von dem Herausgegeben von der meisten Details einander verblüffend ähnlich. Wäh- Handwerkskunst der Schreiner, Bildhauer und Altar- gen eines angeblichen sittlichen Vergehens die Kir- Architekten Heinrich Dolmetsch im Jahr 1895 die be- Heimatkundlichen Vereinigung rend allerdings auf dem Kirchberg der Schreiner aus- bauer wurde innerhalb der Familien und über Lehr- chenbänke kostenlos anfertigen musste. Die Kirche von stehendegotischeKircheindieheuteneugotischeForm Zollernalb ruht, arbeitet er auf dem Palmbühl mit Stechbeitel und jungen durch mehrere Generationen weitergegeben. Harthausen/Scher(Ldkr.Sigmaringen)besitztseit1752 Die Autoren dieser Ausgabe gebracht. Zum Abschluss fahren wir hinauf zur Grab- Klüpfel fleißig an einer Bankwange. Die künstlerisch herausragendsten Werke schuf Ur- eine bewundernswerte Kanzel mit Schalldeckel sowie kapelle Stuttgart-Rotenberg. Von dort öffnet sich uns Vorsitzender: Unter der Werkbank steht hier eine fertige Wange. ban Faulhaber, der von 1711 bis 1780 lebte. Er ist in Ur- Chor- und Beichtstühle von Urban Faulhaber. Es ist ur- ein beeindruckender Blick auf die Landschaft mit Wald Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, Beim genaueren Betrachten lassen sich an ihrem So- kunden als Zunftmeister belegt. Die Altäre und die Kan- kundlich belegt, dass er dort mit zwei Gesellen arbei- Adolf Klek und Reben und auf das Häusermeer von Stuttgart. Ab- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 ckel drei Buchstaben erkennen. Der gedruckte Klos- zel in der Palmbühlkirche sollen von ihm stammen. tete. Die Kirchenbänke jedoch wurden nicht neu ge- Wolfbühlstr.6 fahrt in Albstadt-Ebingen, Busbahnhof, 7 Uhr, Balin- terführer gibt sie als „RWM“ an. Im An Arbeitsaufträgen fehlte es in jener Zeit nicht. Nach schaffen. Sie blieben aus früherer Zeit weiterhin er- 72336 Balingen gen, Stadthalle, 7.30 Uhr. Umlage 30 Euro für Fahrt, Ein- Geschäftsführung: Sockel der nächsten, letzten Bankwange ist groß und dem Dreißigjährigen Krieg mussten in den Kirchen vie- halten. tritte und Führungen. Erich Mahler, Mörikeweg 6, deutlich die Jahreszahl 1725 zu sehen. le Schäden behoben werden. Außerdem wuchs die Be- 72379 Hechingen, Wer ist dieser RWM, der schon 1725 die Wangen für völkerung nun stark an, so dass vielerorts Baumaß- Kurt Schneider Samstag, 22. September: Halbtagesexkursion (Nach- Telefon (0 74 71) 1 55 40 diese Kirche schnitzte? nahmen zur Erweiterung der Kirche notwendig wur- Wie lassen sich RWM 1725 und LMB Birklestr. 10 mittag). Führung Kapuzinerkloster und Dominika- E-Mail: e. [email protected] Er bewahrte offensichtlich die Bild-Vorlage und die den. Dabei führte die aufblühende katholische Volks- 1748 deuten? 72336 Balingen nermuseum in Rottweil mit Alfons Koch. Anweisung für den Platz dieser Wange in der Werk- frömmigkeit zu einer zunehmenden Prachtentfaltung Redaktion: statt gut auf. Der Schreiner LMB konnte 23 Jahre spä- im Stil des Barock. Leider haben Nachforschungen in vorhandenen Ur- Anreise mit Privat-PKW. Veranstaltungsbeginn wird Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, ter danach nochmals arbeiten. Diese Werkstatt muss Die herausragenden Könner in der Schreinerzunft kunden des Stadtarchiv Schömberg und in Kirchen- noch genannt. Teilnahme frei aber Eintritte für Klos- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 es in Schömberg gegeben haben. War LMB ein Sohn haben sich jedoch anscheinend nicht mit Kirchen- büchern des Pfarrarchivs nicht zu einer ganz eindeu- ter und Museum. oder Lehrjunge von RWM? bänken beschäftigt. Sie befassten sich mit Hochaltä- tigen Zuordnung der Namens-Initialen geführt. Laut Seite 1807 Heimatkundliche Blätter August 2012

Die übrigen wurden vorwiegend zur Hanfbearbei- bacc Martins Hülbe wäre nicht nur zu erweitern, son- be wurde, als niemand mehr vom Tobak-Marte etwas tung benützt, soweit diese wegen Feuergefahr außer- dern sollte auch am Gestad dergestalten eingerichtet wußte, der möglicherweise die treibende Kraft gewe- halb Etters stattfinden mußte. Die eine der Gruben, werden, daß das Wasser nicht mehr ablaufen könnte.“ sen war bei der Anlage dieser Hülbe. mit Dielen eingefaßt und mit Wasser gefüllt, diente als Daraufhin wurde angeordnet: „Diese Hülbe solle aller „Röße“ (Raise). In ihr wurde der gerupfte Hanf einem Orten mit Wasser Latten gut verlattet und, soweit es Gärungsprozeß ausgesetzt. Neben der anderen Grube, sich tun läßt, erweitert werden.“ in der ein Feuer angezündet wurde, ließ man dann den Gemeint ist nicht der Tobäkele-Marte, dessen sich Anmerkungen Hanf unter ständiger Bewachung trocknen. Jetzt lie- vor etlichen Jahren die damaligen Dorfältesten noch er- ßen sich die Holz- und Faserteile auf der „Breche“ tren- innerten und der in Kirchstraße 16 wohnte. Sondern 1) Herr Martin Gaß, Bitz, überließ mir dankenswer- nen, da der Abfall sowieso nicht ins Haus geschafft wer- es handelt sich um Martin Blickle, Bauer und Weber terweise die einschlägigen Unterlagen aus dem den durfte, war es am einfachsten, ihn in einer dorti- (1725 – 1782), Urgroßvater der Rosina Barbara geb. Bli- Nachlass seines Vaters, außerdem eine von ihm gen Grube sofort zu verbrennen. So war es Vorschrift ckle (1846 – 1875), erste Ehefrau des Johann Georg Bli- selbst angefertigte, mehrseitige Ausarbeitung zu und normalerweise auch „der Brauch“. Allerdings hör- ckle Kirchen-Hansjörg (1839 – 1921). Als Sohn dieses dem hier abgehandelten Thema. Jahrgang 59 31. August 2012 Nr. 8 ten die Übertretungen erst auf, als kein Hanf mehr an- Ehepaars war Heinrich Blickle Alt-Schwanenwirt (1871 2) Luginsländer Blätter 60, Nr. 4, Dezember 1962: Alf- gebaut wurde. – 1939) Tobak-Martes Ururenkel. Es ist nicht sehr wahr- red Gass zum Gedenken. scheinlich, daß die Hülbe Nummer 1 (die Hülbe 3) Auszug der Abschiedspredigt in: Evangelisches Ge- Eine „Tobaks Martin Hülbe“ wird im Ruggerichts- schlechthin) nach einem einzelnen Bürger genannt meindeblatt für Württemberg – Ortsbeilage für Bitz, protokoll 8. Dezember 1784 erwähnt und ihr schlech- worden wäre. Dann haben wir wohl an die Hülbe Num- Sondernummer, Mai 1955. ter Zustand gerügt. Und im Protokoll vom 6. Dezem- mer 2 zu denken, die 1793 in den Akten erstmals er- 4) Nachruf auf Altpfarrer Alfred Gaß, Ebinger Zei- ber 1791 lesen wir den Vorschlag: „Die sogenannte To- wähnt wird und vermutlich erst später zur neuen Hül- tung, 21. 9. 1962. Exkurisonen und Termine Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung im September und Oktober

SEPTEMBER im Dominikanermuseum die Sammlung Dursch, die sich der Bedeutung dieser Kultur als eine der prä- sich mit etwa 180 Holzbildwerken und Altarblättern genden Kräfte der europäischen Geschichte. Es wer- der sakralen Kunst des Mittelalters widmet. Anreise mit den beeindruckende Exponate aus Museen in ganz Eu- Samstag, 8. September: Tagesexkursion zu den Kir- Privat-PKW. Treffpunkt Schwarzes Tor 14 Uhr. Teil- ropa und spektakuläre Neufunde präsentiert. Nach den chen in Marbach, Beihingen, Eglosheim, Uhlbach, nahme frei aber Eintritte in Höhe von zwei Euro. Nä- offiziellen Führungen besteht Gelegenheit, die Aus- Rotenberg mit Hans Kratt. here Informationen über Herrn Alfons Koch, Telefon stellungen noch selbstständig zu erkunden. Wir besuchen Neckarschwaben, den Mittleren Ne- 0170 / 9945830. Bahnfahrt,AbfahrtinAlbstadt-Ebingen8:12Uhr,8:27 ckarraum, das Kernland Württembergs und Weinan- Uhr Balingen, Hechingen 8:39 Uhr. Rückfahrt ab Stutt- baugebiet mit teils alten, idyllischen Dorfkernen und Montag, 24. September bis Samstag, 29. Septem- gart 18:16 Uhr. Ankunft Hechingen 19:18 Uhr, Ba- bedeutenden Baudenkmälern, aber auch wuchern- ber: 6-tägige Studienfahrt: „La Moselle – Die Mo- lingen 19:30 Uhr, Ebingen 19:52 Uhr. Umlage 30 Eu- den Siedlungen und Fabriklandschaften. Zunächst be- sel“. Von der Quelle bis zur Mündung mit Wolfgang ro für Fahrt, Eintritte und Führungen Bitte beachten: sichtigen wir in Schillers Geburtsstadt Marbach am Ne- Willig. Anmeldeschluss: 1. 10. 2012. ckar die dortige spätgotische Alexanderkirche. Die Hal- Metz ist Station in den ersten Tagen. Dann Zel- lenkirche mit Innenraumgewölben von ungewöhnli- tingen-Rachtig für die beiden folgenden Tage. Die An- Mittwoch, 17. Oktober: Vortrag „Judennasen, cher Vielfalt stellt ein herausragendes Zeugnis sak- reise erfolgt über den Col de la Schlucht zur Mosel- Mönchsvisagen, Muslimkarikaturen. Kontinuitäten raler Baukunst im süddeutschen Raum dar. Für die Be- quelle, durch die Vogesen immer entlang der Mosel, religionsphysiognomischer Stereotype mit Prof. Dr. schreibung der im nahen Beihingen liegende Aman- mit Abstechern nach Remiremont, Toul bis nach Metz. Paul Münch. Landratsamt Zollernalbkreis, Balin- duskirche, die zusammen mit dem Ort über Jahr- Von dort aus starten weitere Ausflüge. Kurz vor der gen, Hirschbergstr. 29, Sitzungssaal, Eintritt frei. hunderte in reichsritterschaftlichem Besitz war, könn- Heimreise steht noch eine Fahrt mit der Seilbahn hoch te man das neudeutsche Wort „Patchwork“ verwen- zur Burg Ehrenbreitstein auf dem Programm. Es sind den. Sie ist ein Bauwerk mit ungewöhnlichem Inne- nur noch wenige Plätze frei. Auch Nichtmitglieder sind ren, quer durch die Kunstgeschichte von der Roma- herzlich willkommen. Baldige Anmeldung ist er- nik bis zum Rokoko. Das Gegenteil stellt die rein go- wünscht. Abfahrt in Albstadt-Ebingen, Busbahnhof, 7 STAMMTISCHE tische Dorfkirche von Eglosheim dar. Im Weinort Uhl- Uhr, Balingen, Stadthalle, 7:30 Uhr. 680 Euro. bach wurde von dem Architekten Heinrich Dol- metsch im Jahr 1895 die bestehende gotische Kirche Jeweils am ersten Mittwoch eines Monats trifft sich un- in die heute neugotische Form gebracht. Zum Ab- OKTOBER ter der Leitung von Dr. Peter Th. Lang der Ebinger schluss fahren wir hinauf zur Grabkapelle Stuttgart- Stammtische im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 Rotenberg. Von dort öffnet sich uns ein beeindru- Albstadt-Ebingen: Telefon 07431-4188. ckender Blick auf die Landschaft mit Wald und Re- Mittwoch, 10. Oktober: Lesung im Rahmen des Ba- ben und auf das Häusermeer von Stuttgart. Abfahrt in linger Stammtisches im Gasthof Lang mit Dr. Diet- Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- Bitz 1950, vom Hungerbühl aus. Mitte, am Horizont: Gemeindehaus; links, mit Türmchen: Rathaus. Foto: Erwin Schick, Bitz Albstadt-Ebingen, Busbahnhof, 7 Uhr, Balingen, Stadt- mar Färber. schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- halle, 7:30 Uhr. Umlage 30 Euro für Fahrt, Eintritte Dr. Färber liest Geschichten aus seinem Buch chingen, Telefon 07471-15540 / Fax 07471-12283. und Führungen. „Schwäbische G’schichta“. Email: [email protected] Storchenzimmer, Gasthof Lang, Wilhelm-Kraut-Str. oder über unsere Homepage Samstag, 22. September: Halbtagesexkursion (Nach- 1, Balingen 17 Uhr. www.heimatkundliche–vereinigung.de. „Ein Bitzer, der die Bitzer liebt“ mittag). Führung Kapuzinerkloster und Dominika- nermuseum in Rottweil mit Alfons Koch. Samstag 13. Oktober: Exkursion nach Stuttgart zur Bei allen Veranstaltungen sind Gäste jederzeit herz- 1 Der ehemalige Rottweiler Stadtarchivar Dr. Win- Landesausstellung Die Welt der Kelten: „Zentren der lich willkommen. Der Bitzer Pfarrer Alfred Gaß (1885 - 1962) als Heimatforscher - Von Dr. Peter Thaddäus Lang fried Hecht führt uns zunächst zu dem Gebäude des Macht“ und „Kostbarkeiten der Kunst“ und zur Aus- ehemalingen Kapuzinerklosters. Danach besuchen wir stellung „Anständig gehandelt – Widerstand und Im Bereich der Evangelischen Landeskirche Würt- während seiner langen Amtszeit erwarb. einem zweiten Kindergarten (1928/29) zu bauen. Das Volksgemeinschaft 1933 – 1945“ (Haus der Ge- tembergs hat sich der Brauch herausgebildet, dass die Seine Studienfreunde und Amtsbrüder beschreiben alteKirchleinwarmitseinenknapp500Plätzen(einschl. schichte) mit Dr. Andreas Zekorn. Pfarrer so ungefähr alle zehn Jahre die Stelle wech- ihn als kauzig, aufrichtig und geradlinig. Sie charak- des Mittelganges) viel zu klein für die damals knapp In Abänderung des Programms, wird vormittags die seln. Dabei fällt den allermeisten Gemeinden der Ab- terisieren ihn als jemanden, der sich treu bleibt und 2000 Einwohner. In dem einen Raum der Kinder- Ausstellung „Anständig gehandelt – Widerstand und Herausgegeben von der Heimatkundlichen Vereinigung schied recht schwer, und nur in seltenen Fällen ist ei- der sich nicht verbiegen lässt – lauter Eigenschaften, schule hatte die einzige Schwester bis zu 110 Kinder Volksgemeinschaft 1933 – 1945“ im Haus der Ge- ne gewisse Erleichterung zu erkennen. Noch viel sel- die bei den Schwaben (und bei den Bitzern allemal) gleichzeitig zu betreuen – und es herrschte Ruhe und schichte besucht. Dieser Besuch geschieht auf Ein- Zollernalb Der Autor dieser Ausgabe tener hinwiederum ist der Fall, dass ein Pfarrer sein hoch im Kurs stehen. Ein gewisses buchhalterisches Ordnung, ohne alle Strenge. Die Zeit des Nationalso- ladung von Herrn Manfred Kaut, der durch die Aus- ganzes Berufsleben lang bei ein und derselben Ge- und organisatorisches Talent führte dazu, dass seine zialismus war geprägt durch einen ständigen Klein- Vorsitzender: stellung „Georg Elser“ im Landratsamt Zollernalb- meinde seinen Dienst versieht.2 Amtsführung stets ohne größere Beanstandung blieb. krieg zwischen ihm, dem Bürgermeister und der ört- kreis führte. Die Ausstellung zeigt am Beispiel kon- Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 Genau diesen Fall haben wir mit Alfred Gaß in Bitz: Insgesamt verstand er es, seine Bitzer Kirchenge- lichen Parteileitung. So widersetzte er sich beispiels- kreter Aktionen, wie sich Einzelne und Gruppen im Nachdem er zunächst zu Beginn des Ersten Welt- meinde durch die vielfältigen Untiefen zu steuern, die weise lange dem Ansinnen der herrschenden Partei, Kleinen und Großen gegen den Nationalsozialismus kriegs als freiwilliger Krankenpfleger und Operations- sich im Verlauf seiner langen Amtszeit aus den Wech- vor dem Gotteshaus eine Hakenkreuzfahne aufzu- Dr. Peter Thaddäus Lang Geschäftsführung: zur Wehr setzten. Der Ausstellungsbesuch fügt sich in gehilfe in einem Kriegslazarett in Frankreich einge- selfällen der deutschen Geschichte ergaben: das fing hängen. Als die Konfrontation unausweichlich ins Haus Lammerbergstraße 53 Erich Mahler, Mörikeweg 6, das Schwerpunktthema der Heimatkundlichen Ver- setzt war, kam er 1916 als Pfarrer nach Bitz. Dort blieb gleich an mit der großen Unterversorgung gegen Ende stand, gab er schließlich dem Druck nach, hängte aber 72461 Albstadt 72379 Hechingen, einigung 2012, ist aber auch durch das umfangreiche er 34 Jahre lang, bis zu seiner Zurruhesetzung 1950, des Ersten Weltkriegs, das ging weiter mit der Inflati- eine ausladend große Kirchenfahne neben das we- Nachmittagsprogramm bedingt. Telefon (0 74 71) 1 55 40 E-Mail: e. [email protected] und dann hielt es ihn hier noch einmal zwölf Jahre on des Jahres 1923, es folgte 1929 die Weltwirt- sentlich kleinere Tuch mit dem Hakenkreuz. Insge- Nachmittags werden die beiden Ausstellungen der lang, bis zu seinem Tod im Jahr 1962. Diese außerge- schaftskrise, wenige Jahre später kam das Dritte Reich, samt machte es sich Pfarrer Gaß sehr geschickt zu- Landesausstellung „Die Welt der Kelten“ besucht, Redaktion: wöhnliche, extrem seltene Beständigkeit bedarf einer dann der Zweite Weltkrieg, und schließlich die Besat- nutze, dass es in Bitz keine geeigneten Räume für nämlich „Zentren der Macht“ im Kunstgebäude Stutt- Erklärung. Dass er bei den Bitzern in hohen Ansehen zungszeit. NS-Veranstaltungen gab – außer dem Evangelischen gart (Schlossplatz 2) und „Kostbarkeiten der Kunst“ im Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 stand und sich großer Beliebtheit erfreute, liegt teils in Die wenigen ruhigen Jahre zwischendurch nutzte er, Gemeindehaus. Der Ortsgruppenleiter musste also Landesmuseum Württemberg (Altes Schloss). Die wohl seinem Naturell begründet, teils aber auch in der Art umfürdieKirchengemeindeeineneueKirche(1926/27) wiederholt bei dem Pfarrer als Bittsteller auftreten. Si- größte Keltenausstellung seit dreißig Jahren widmet seiner Amtsführung und in den Verdiensten, die er sich und ein Evangelisches Gemeindehaus zusammen mit cherlich war Pfarrer Gaß mehrfach bis hart an die Gren- Seite 1805 Heimatkundliche Blätter August 2012 August 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1806

ze dessen gegangen, was ohne Strafmaßnahme durch de Neuweiler nom, seitig zu necken. Und mehr als jedem anderen Volks- ten Hängen, mit Trockentälern und Mulden, bilden für die Nationalsozialisten möglich war. 1934 führte er ei- ge Hausa na, stamm ist es dem unseren gegeben, sogar über sich das eigentliche Wohngebiet vom Vorfrühling bis in den ne Abordnung von Männern aus dem Kreis Balingen uff Hermannsdorf, Burlagdenga ond Kuche naus, selbst sich lustig zu machen. Diese Gepflogenheit Spätherbst eine in Formen und Farben äußerst ab- an, die bei Reichsstatthalter Murr gegen die Behand- ge Gauselfenga, Nuifra, Freidaweiler ond Harthausa herrscht auch zwischen den Nachbargemeinden.– Um wechslungsreiche Umgebung, im Winter aber eine in lung ihres Landesbischofs Wurm protestierten. Er be- na, in Ihrer Sprache zu reden, sind zum Beispiel wir Bitzer ihrer fast unversehrten Geschlossenheit unvergleich- grüßte ihn mit „Grüß Gott Herr Reichsstatthalter“ und ge Gammerdenga nom, für die Nachbarschaft „die Schnaken“, was beweist, daß lich schöne Schneelandschaft, obwohl, oder vielmehr verabschiedete sich mit „Behüt’ Sie Gott“ Pflichtge- uff da Almbuech nuff, man vor uns Respekt hat. Daneben gibt es dann „die weil sie angeblich die Ansprüche eines zünftigen Win- mäß wäre natürlich beide Male „Heil Hitler“ gewesen. ge Wenderlenga nei Mißvergnügten“, „die Laiblein“ und viele andere, de- tersports nicht voll befriedigen kann. (In der Bevölkerung hieß es: „Es wurmt den Murr, wenn ond ge Stroßberg na. ren Scherznamen in den Urlauten Sie trotz aller na- Das Klima ist auf der allen Winden ausgesetzten Hö- der Wurm murrt.“) Für den Meßstetter besteht jetzt kein Zweifel mehr: türlichen Begabung weder verstehen noch nachspre- he nicht eben mild. Drum ist der Ofen des wichtigste Seine Abschiedspredigt zeigt, dass er sich als Per- Diesen edlen Perlenkranz hat nur Bitz sich umgelegt. chen können. Was aber den „Schwindel“ anlangt, so und teuerste Stück jeder Wohnzimmereinrichtung. son weitgehend zurücknehmen möchte, auch an ei- sei gerne zugegeben, daß er wie überall, so auch im Dafür weiß man in Bitz auch im Hochsommer kaum et- nem Ehrentag, wie es der Abschiedsgottesdienst 6. Au- Aber in der Fremde hat's der Bitzer meist wesent- Schwabenland keine ganz unbekannte Erscheinung ist, was von schwülen Nächten, und im Winter sinkt vor gust 1950 war 3: „Eine grundsätzliche Bedeutung hat lich schwerer, sein Woher verständlich zu machen. An auch nicht auf der Sohle des von Ihnen bestrittenen Lichtmeß das Thermometer meist weniger tief als in für eine rechte Gemeinde ein Pfarrerwechsel nicht. Ich der Ostsee ist's gewesen, das Dritte Reich war noch Grabens. Was ich Ihnen davon erzählte, ist jedoch nicht Tallagen, wie etwa in Ebingen und Tübingen. In den un- habe … auf dieser Kanzel nicht in meinem Namen ge- ganz jung. Da trat an einen Bitzer halt auch wieder die Schwindel, sondern wissenschaftlich bewiesene Tat- gewöhnlich harten Spätwintern 1929 und 1956 lag auch redet … Nein, in Gottes Namen steht der Pfarrer auf landläufige Frage heran: „Bei Ebingen“ … „bei Tail- sache, deren Folgen wir gelegentlich immer noch recht vor Lichtmeß der württembergische Kältepol nie auf der Kanzel. Gott selbst redet da zum einzelnen und fingen“ … „unser Kreisleiter und unser Finanzamt sit- übel zu spüren bekommen.“ – dem Bitzer Berg, wie überhaupt die „Rauhe Alb“ ihren zur Gemeinde. … Entscheidend ist, dass der Auftrag- zen in Balingen“ … Er hätte gerade so gut vom Hof Her- „Wieso?“ – Namen nicht der sibirischen Kälte verdankt, sondern geber derselbe bleibt und dass die Friedens- und Heils- mannslust reden können. Nicht einmal die „Schwä- „Da sollten Sie die Frauen und Kinder aus Essen fra- dem „rauhen Feld“, wobei der Schwabe in erster Linie botschaft dieselbe bleibt. Die Boten wechseln und dür- bische Alb“ schlug ein. „Drei Wegstunden südöstlich gen können, die zu uns umgesiedelt wurden, als im an steinigen Acker denkt. „Rauh“ sind auch arme Bö- fen wechseln. Die Hörer wechseln ja auch.“ vom Hohenzollern. Als Preuße wissen Sie doch, wo die- Ruhrgebiet ein Bombenhagel den anderen ablöste, die den, aber der Bitzer vermag sie anzureichern, seitdem Anlässlich seines 70. Geburtstags verlieh ihm die Ge- ser liegt!?“ Es wird bejaht, doch sichtlich ohne Be- uns aber bald wieder verließen, weil ihnen die Er- indenFabrikendashierzubenötigteGeldverdientwird. meinde Bitz die Ehrenbürgerwürde: Ganz gewiss kein rechtigung, bloß schand- und ehrenhalber … „70 Ki- schütterungen von unten her unheimlicher waren als „Rauh“ sind auch verunkrautete Äcker, aber so weit alltägliches Ereignis; man wird wohl sehr lange su- lometer Luftlinie von Konstanz am Bodensee, dort be- die von oben her.“ – läßt es die Bitzerin schon gar nicht kommen. Aller- chen müssen, bis man einen Pfarrer findet, dem eine ginnt dann gleich die Schweiz.“ „Oh, dort? Also ganz „Erschütterungen von unten her? Gibt es denn bei dings wird in jüngster Zeit mancher Acker „liegen ge- derartige Ehrung zuteil wird! Offensichtlich war ihm im sonnigen Süden?“ „Ja, dort; aber 900 Meter über Ihnen Erdbeben?“ – lassen“, „weil Mehl und Brot beim Bäcker billiger zu ha- sehr unwohl bei so großer Konzentration auf seine Per- dem Meer.“ Ehrfürchtiges Staunen. Der Bitzer atmet „Gewiß, und die Gelehrten sagen, hängt dies mit dem ben sind.“ son. Deshalb suchte er die offiziell-steife Atmosphäre auf. Einbruch jenes Grabens und, noch weiter zurück, mit Vielleicht kommt's wieder einmal anders. In den der Feierstunde aufzulockern, indem er den Anlass der Auffaltung der Alpen zusammen, deren Kette für Kriegs- und Nachkriegsjahren führte es bei heißen Köp- mit einem launigen Gedicht kommentierte, wobei er Zwei Jahre später, nicht gar so weit fort, doch im- uns Bitzer oft den ganzen südlichen Horizont sichtbar fen zu unerhörten Preisen, wenn die Verpachtung klei- zu jedermanns Belustigung nicht nur die Bitzer Ho- merhin jenseits der Mainlinie. „Bei Ebingen, an der umsäumt und selbst uns den einstigen Graben ganz ner Allmandstücke im Weg der Versteigerung erfolgte. noratioren, sondern auch sich selbst auf die Schippe Bahnlinie Sigmaringen-Tübingen.“ Sigmaringen? – ei- vergessen, ja fast als ein Märchen erscheinen läßt.“ „'S ischt koa Zeit, se kont et wieder“, wie man in Bitz nahm. Hier einige Kostproben: ner glaubt, einmal durchgefahren zu sein. Tübingen – Damit ist das Mißtrauen der Tischrunde überwun- sagt, was auf Hochdeutsch heißt „Es gibt keine Zeit- einer hat einen Bekannten, der ihm einmal erzählt hat, den! verhältnisse, die nicht auch einmal wieder eintreten […] er kenne einen alten Herrn, dessen Enkel in einer Stadt könnten.“ Ihr wißt, ich bin klein von Statur, dieses Namens ein Semester lang studierte. Da kommt's das volle Maß hat's Bäuchlein nur … dem gedemütigten Bitzer wie eine Eingebung über die […] Lippen: „In der weiteren Umgebung von Stuttgart.“ Wie wär's mit Stelzen, kleiner Gass? Bitz um 1960, vor 50 Jahren Du würdest groß und Bitz hätt Spaß. Im Sudetenland, zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, Die Hülben in Bitz Es würde tuscheln groß und klein: Stuttgart hat schon einige Bombennächte hinter sich. „Guck! Dort kommt's Ehrenbürgerlein!“ „Sie schwäbeln so gemütlich. Wo sind sie zu Hause?“ Das freundliche Ortsbild mit seinen gepflegten, […] Gewitzigt durch seine bitteren Erfahrungen mit dem nächtlicherweile gut beleuchteten Straßen und mit sei- 1.) Die Hülbe in der Dorfmitte Ein Bitzer bin ich ja schon lang in Frage stehenden Ruhm seiner Heimat im engeren nen sauberen Häusern macht unwillkürlich auf jeden um 1420: „by den Hülwern“ = bei den Hülbeweh- und wenn mir etwas hier gelang, undweiterenSinn,antwortetderBitzerabsichtlichganz Besucher sofort den besten Eindruck. Oft wird sogar ren. Das waren dammartige Sperren, auch „Weiher- so dank ich's Gott und eurem Tun, zeitgemäß: „In nächster Nähe des Truppenübungs- die Frage laut, ob denn das schmucke Dorf in letzter wuhr“ genannt, durch die man den Abfluß des Über- nebst solchen, die im Grabe ruhn. platzes auf dem Heuberg bei Stetten a.k.M. Bei Tag und Zeit abgebrannt und wieder aufgebaut worden sei. eichs in die gewünschte Richtung lenkte. In Freud und Leid verwachsen schier Nacht hören wir das Übungsschießen. Und von den Vo- Nebst der ganz frei stehenden Kirche (1926/28) und 1546: „Ain Mannßmad … stoßt herein uf die Trin- zu einer Blutsgemeinschaft wir. gesen dringt der Geschützdonner der Front zu uns he- dem neuen Rathaus (1936/37) fallen besonders einige ckhen ...“ An der Hülbe waren Tröge aufgestellt, in Ihr standet hinter mir, wenn's galt, rüber.“ So kurz erst dem Reich eingegliedert, wissen stattliche Fabriken, das neue Schulhaus(1907 und 1910) die das Wasser zum Tränken geschöpft wurde. manchmal sogar auch, wenn ich schalt die neu gewonnenen Volksgenossen noch nichts vom und das kirchliche Gemeindehaus (1927/28) ins Auge. 1566: „ob der Hilw zwischen der Statt Ebingen Gart- […] Heuberg, von seinem zweifelhaften Ruf im Jahr 1933, Außerdem stehen der bürgerlichen Gemeinde noch das ten und Georg Scheurers Wisen gelegen.“ Südlich der Drum will, was ich gewesen bin, von seiner unbezweifelten Bedeutung und angefoch- alte Rathaus (jetzt Arztwohnung) und das alte Schul- Hülbe, zwischen Kirchstraße und Am Hof hatte also erst recht ich sein auch künftighin: tenen Beliebtheit seit Kriegsbeginn. haus(fürUnterrichtundWohnungen),neuerdingsauch Ebingen damals einen Garten. An der Oberfläche ein Bitzer, der die Bitzer liebt ein Lehrerwohngebäude zur Verfügung. hatte die fast kreisrunde Hülbe einen Durchmesser von und drum der Hoffnung Ausdruck gibt, Etliche Tage darauf wiederholt sich ebendort in an- Jedes Haus ist an das elektrische Stromnetz und an 6 m und war ziemlich tief und wohl kaum einmal oh- dass ihr auch bleibet, mir zur Freud, derer Gesellschaft dasselbe Frage- und Antwortspiel. dieWasserleitung(seit1899)angeschlossen;sodaßtrotz ne Wasser. Mit der Trinkwasserversorgung war's in gediegne, fromme Bitzerleut. Alfred Gaß, um 1955. Foto: Familie Gaß Diesmal zieht der Bitzer sofort das Trumpf-As: „Meine völligen Fehlens von Quelle und Bach auch bei großer trockenen Sommern allerdings oft übel bestellt. Nach Und weil's uns allen da noch fehlt Heimat liegt mitten auf der Sohle eines breiten, 100 Me- Trockenheit für Haushaltung, Stall und Industrie ge- Fertigstellung der Wasserleitung (November 1899) und mich, grad heut, s' Gewissen quält, 3. Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hin eingeführt. Seit 1926 finden sie regelmäßig statt. 4 ter tiefen Grabens, der vor langer, langer Zeit ohne nug Wasser vorhanden ist. Seit 1955 ermöglicht eine wurde die Hülbe im Lauf der folgenden 8 Jahre all- laßt eins uns sein auch im Verzeih'n; fallen … (Jesaja 54,10) Der letztgenannte Gesichtspunkt – den Bitzerinnen Menschenhand sich auftat, indem das ganze Gelände Kläranlage den fortschreitenden Ausbau der in Angriff mählich aufgefüllt. Der nördliche Teil des neuen Rat- mehr kann dann niemand mir verleih'n 4. So geht dann der Mensch aus an seine und Bitzer ihre Geschichte auf humorvolle Art und Wei- einfach in die Tiefe sank.“ genommenen Kanalisation. Was nun die nähere Um- hauses steht noch auf dem Auffüllplatz. als was ich schon zu haben mein: Arbeit ... (Psalm 104,23) se näher zu bringen – ist bei der Lektüre der nachste- „Ein allzu durchsichtiger Scherz! In einem Graben gebung dieses hochgelegenen Wohnsitzes anlangt, so das innige Verbundensein. Dass er ein größeres, umfassendes Werk über Bitz henden Zeilen im Auge zu behalten. kann man nicht wohnen!“ – gehört vom „Bitzer Berg“ im einstigen „Bitzer Hardt“ 2.) Die Neue Hülbe Ich seh drin Gottes Gnadengab', plante, das entnehmen wir einer Gliederung, die sich Aus dem heimatkundlichen Schaffen von Pfarrer Gaß „Haben wir auch gar nicht nötig, und habe ich auch nur ein allzu kleiner Bruchteil zur Bitzer Markung. Tail- [Lage:] Östlich vom Gauenberg an der Straße nach die ich beglückt empfangen hab. in seinem Nachlass befindet. Er beabsichtigte, sein Ma- sollen hier nun drei Texte dargeboten werden, die ih- gar nicht gesagt. Vom Graben ist nur noch die Sohle vor- fingen-Truchtelfingen, Ebingen und Winterlingen Freudenweiler [...] terial in acht Kapitel mit jeweils mehreren Unter- res teils unterhaltsamen, teils informativen Charakters handen. Was links und rechts stehen geblieben war, greifen von Nordwest, West und Süd weit über die 1793: „die neue Hülbe befinde sich in einem schlech- Kaum war der Bitzer Pfarrer im Ruhestand, da war punkten aufzugliedern. Aber der Tod, so kann man es wegen auch heute noch für die regionale Heimatfor- wurde in den Jahrmillionen, die seitdem verstrichen Hochfläche herein. Auch bei der Festlegung der alten ten Zustand.“ Bei dieser Hülbe liegt das Neue Hülbe- er mit großen Eifer in Stuttgart zugange, und zwar in etwas pompös ausdrücken, nahm ihm am 19. Sep- schung von Belang sind. Es handelt sich um zwei Pas- sind, von Wind und Wasser fortgetragen, so daß die hohenzollerischen Landesgrenze in Süd, Südost, Ost Eschle, wahrscheinlich zurückgehend auf früher ver- der Landesbibliothek und im Hauptstaatsarchiv. Sein tember 1962 die Feder aus der Hand. Er hinterließ vier sagen aus dem ersten, oben genannten Kapitel zur Ge- Grabensohle von damals heute sogar höher liegt als und Nordost scheint die Anziehungskraft von Bitz zu suchten Getreidebau. Heute, weil zu rauh, nur noch et- Eifer richtete sich auf Bitz, wo immer ihm in den Bü- Söhne und drei Töchter. Seine Frau Berta, geborene schichte von Bitz „Die Lagebesprechung ohne Karte“. einst ihre Umgebung rechts und links. Noch mehr: Weil seinem Mitbestimmungsrecht in umgekehrtem Ver- liche Wiesen am Nordrand der [ehemaligen] neuen chern, Aufsätzen, Protokollen, Steuerlisten und sons- Groz, war ihm bereits am 26. April 1944 vorangegan- Jede dieser beiden Passagen wurde hier mit einer ei- mein Heimatort dergestalt auf einem zum Rücken ge- hältnis gestanden zu haben. Aber immerhin ist es schön Hülbe. tigen Unterlagen der Ortsname „Bitz“ begegnete (auch gen. genen Überschrift versehen, nämlich „Ein Bitzer er- wordenen Grabengrund sitzt mit freiester Sicht bis hi- auf dem Bitzer Berg, nicht zum wenigsten gerade auch in weiteren Spielarten wie „Bytz“, „Byze“ oder auch Von den genannten vier Kapiteln widmen sich die klärt Bitz“ und „Bitz um 1960“. Schließlich geht es um nüber zum Hochgebirge der Alpen, darum konnte er dort, wo er tatsächlich diesen Namen mit vollem Recht 3.) Das Rain-Hülbele „Büz“), machte er sich Notizen, die er alsbald wohl ge- Nummern 2 und 3 der Erdgeschichte. Dabei handelt eine kleine, im Nachlass handschriftlich vorhandene Jahrhunderte hindurch für das höchstgelegene Pfarr- trägt, also auf der Bitzer Markung. Unterhalb des Gebäudes Staiglestraße 49, in dem ordnet in einem Zettelkasten ablegte. es sich um Lesefrüchte aus der einschlägigen Litera- Ausarbeitung über die Hülben in Bitz. dorf von ganz Württemberg gehalten werden. Heute Hier erheben sich der Engerain (924 m), die Kuppe Zwickel, den Staigle- und Zeppelinstraße dort mitei- So erschloss sich ihm die Bitzer Vergangenheit, bei- tur. Kapitel Nummer 4 handelt von der Archäologie der weiß man allerdings, daß dies dennoch nicht ganz (919 m), der Riedbühl (919 m), der Bocksberg (928 m) nander bilden. Auch zum Tränken wurde sein Wasser spielsweise die Entstehung einer geordneten Schule, Gegend um Bitz; auch hier hat Alfred Gaß aus der Fach- stimmt.“ – als Bitzer Gewitterwehr, das Bocksbergle (905 m), der wohl nur selten benützt. Um die letzte Jahrhundert- oderdieVorgeschichtedesvorhandenenKirchleins.Auf literatur das Einschlägige fleißig zusammengeschrie- Ein Bitzer erklärt Bitz „Und erst recht nicht stimmt, was Sie uns da vor- Gaumberg (890 m), das bescheidenere Sahlenhäule wende wurde es aufgefüllt. diese Weise lernte er auch die Eigentümer des Hofes ben. Während also in den Kapiteln zwei bis vier mehr machen wollen. Sie gehören offenbar auch zu denen, und die Auchte (905 m), […] und zwischen diesen al- und Weilers Bitz kennen zurück bis zum Jahr 1386, und oder minder Bekanntes zusammengetragen ist, zeigt Ein Landsmann aus Meßstetten kommt im Zug zwi- die meinen, uns jeden Bären aufbinden zu können, len drin der Lindenbühl mit der Kirche, der Hunger- 4.) Das Badhülbele, ebenfalls um die Jahrhundert- auch ein tiefer Blick in die geologischen Veränderun- das erste Kapitel ein weitaus größeres Maß an Selbst- schen Ebingen und Balingen neben einen Mann zu sit- nachdem wir jetzt heimgekehrt sind ins Reich. Aus- bühl, der Guckenbühl und der Hutzlenbühl. Gerade wende. Auf ihm steht heute ein großer Teil der Tri- gen unserer Erde im Laufe von Jahrmillionen. ständigkeit und Originalität, wobei der Autor einen sehr zen, dessen schwäbische Mundart auch schon ein klein gerechnet ein Schwabe sollte sich das nicht erlauben.“ diese Anhöhen sind es, die die Hochfläche so wohl- kotfabrik Maier an der Ebingerstraße. Dergestalt sammelte er sein Material, aus welchem unterhaltsamen Ton anschlägt. Der unterhaltsame Ton wenig an die nahe Schweiz erinnert. Er fragt ihn, wie üb- – „Fällt mir doch gar nicht ein, Sie hereinlegen zu wol- tuend beleben, die einen, selbst ein prächtiger An- er nach einigen Jahren seine ersten vier Kapitel zur Ge- scheint das Markenzeichen des Bitzer Pfarrers zu sein: lich, nach dem Woher und Wohin. Auf die erste Frage len. Dazu wäre ich, worauf Sie ja soeben selbst an- blick, mit ihrem Laub- oder Nadel- oder Mischwald, 5.) Das Anwesen der Anna Christian Lebherz steht auch schichte von Bitz diktieren konnte. Diese vier Kapitel Er war bekannt dafür, dass er bei Altenfeiern und ähn- erhält er die Antwort: spielten, längst nicht gescheit genug. Und ich nehme die anderen zu traumhaft schönem Blick in stille Nä- über etlichen aufgefüllten Gruben, deren hinterletzte tragen folgende Überschriften. lichen Anlässen die Anwesenden mit humorigen Rei- mir gaut Ihnen diese Anspielung auf „die dummen Schwaben“ he oder zu überwältigender Fernsicht einladend. Sie al- als „Eisengrube“ bezeichnet wurde (dort wurde früher 1. Lagebesprechung ohne Karte mereien zu unterhalten pflegte. Die alljährlich statt- ge Ebenga nei, auch keineswegs übel. Es ist ja ein weit verbreiteter le, zusammen mit Ackerfeld, Wiesengelände, Garten- einmal nach Bohnerz gegraben, das dann in Thier- 2. Ehe denn die Berge wurden … (Psalm 90,2) findenden Altenfeiern hat Pfarrer Gaß übrigens selbst ge Truchtelfenga, Tailfenga, Auschmettenga ond uff Brauch unter den deutschen Stämmen, sich gegen- land und Heide, zusammen mit teils steilen, teils sanf- garten bei Beuron zu Eisen erschmolzen wurde). Seite 1805 Heimatkundliche Blätter August 2012 August 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1806

ze dessen gegangen, was ohne Strafmaßnahme durch de Neuweiler nom, seitig zu necken. Und mehr als jedem anderen Volks- ten Hängen, mit Trockentälern und Mulden, bilden für die Nationalsozialisten möglich war. 1934 führte er ei- ge Hausa na, stamm ist es dem unseren gegeben, sogar über sich das eigentliche Wohngebiet vom Vorfrühling bis in den ne Abordnung von Männern aus dem Kreis Balingen uff Hermannsdorf, Burlagdenga ond Kuche naus, selbst sich lustig zu machen. Diese Gepflogenheit Spätherbst eine in Formen und Farben äußerst ab- an, die bei Reichsstatthalter Murr gegen die Behand- ge Gauselfenga, Nuifra, Freidaweiler ond Harthausa herrscht auch zwischen den Nachbargemeinden.– Um wechslungsreiche Umgebung, im Winter aber eine in lung ihres Landesbischofs Wurm protestierten. Er be- na, in Ihrer Sprache zu reden, sind zum Beispiel wir Bitzer ihrer fast unversehrten Geschlossenheit unvergleich- grüßte ihn mit „Grüß Gott Herr Reichsstatthalter“ und ge Gammerdenga nom, für die Nachbarschaft „die Schnaken“, was beweist, daß lich schöne Schneelandschaft, obwohl, oder vielmehr verabschiedete sich mit „Behüt’ Sie Gott“ Pflichtge- uff da Almbuech nuff, man vor uns Respekt hat. Daneben gibt es dann „die weil sie angeblich die Ansprüche eines zünftigen Win- mäß wäre natürlich beide Male „Heil Hitler“ gewesen. ge Wenderlenga nei Mißvergnügten“, „die Laiblein“ und viele andere, de- tersports nicht voll befriedigen kann. (In der Bevölkerung hieß es: „Es wurmt den Murr, wenn ond ge Stroßberg na. ren Scherznamen in den Urlauten Sie trotz aller na- Das Klima ist auf der allen Winden ausgesetzten Hö- der Wurm murrt.“) Für den Meßstetter besteht jetzt kein Zweifel mehr: türlichen Begabung weder verstehen noch nachspre- he nicht eben mild. Drum ist der Ofen des wichtigste Seine Abschiedspredigt zeigt, dass er sich als Per- Diesen edlen Perlenkranz hat nur Bitz sich umgelegt. chen können. Was aber den „Schwindel“ anlangt, so und teuerste Stück jeder Wohnzimmereinrichtung. son weitgehend zurücknehmen möchte, auch an ei- sei gerne zugegeben, daß er wie überall, so auch im Dafür weiß man in Bitz auch im Hochsommer kaum et- nem Ehrentag, wie es der Abschiedsgottesdienst 6. Au- Aber in der Fremde hat's der Bitzer meist wesent- Schwabenland keine ganz unbekannte Erscheinung ist, was von schwülen Nächten, und im Winter sinkt vor gust 1950 war 3: „Eine grundsätzliche Bedeutung hat lich schwerer, sein Woher verständlich zu machen. An auch nicht auf der Sohle des von Ihnen bestrittenen Lichtmeß das Thermometer meist weniger tief als in für eine rechte Gemeinde ein Pfarrerwechsel nicht. Ich der Ostsee ist's gewesen, das Dritte Reich war noch Grabens. Was ich Ihnen davon erzählte, ist jedoch nicht Tallagen, wie etwa in Ebingen und Tübingen. In den un- habe … auf dieser Kanzel nicht in meinem Namen ge- ganz jung. Da trat an einen Bitzer halt auch wieder die Schwindel, sondern wissenschaftlich bewiesene Tat- gewöhnlich harten Spätwintern 1929 und 1956 lag auch redet … Nein, in Gottes Namen steht der Pfarrer auf landläufige Frage heran: „Bei Ebingen“ … „bei Tail- sache, deren Folgen wir gelegentlich immer noch recht vor Lichtmeß der württembergische Kältepol nie auf der Kanzel. Gott selbst redet da zum einzelnen und fingen“ … „unser Kreisleiter und unser Finanzamt sit- übel zu spüren bekommen.“ – dem Bitzer Berg, wie überhaupt die „Rauhe Alb“ ihren zur Gemeinde. … Entscheidend ist, dass der Auftrag- zen in Balingen“ … Er hätte gerade so gut vom Hof Her- „Wieso?“ – Namen nicht der sibirischen Kälte verdankt, sondern geber derselbe bleibt und dass die Friedens- und Heils- mannslust reden können. Nicht einmal die „Schwä- „Da sollten Sie die Frauen und Kinder aus Essen fra- dem „rauhen Feld“, wobei der Schwabe in erster Linie botschaft dieselbe bleibt. Die Boten wechseln und dür- bische Alb“ schlug ein. „Drei Wegstunden südöstlich gen können, die zu uns umgesiedelt wurden, als im an steinigen Acker denkt. „Rauh“ sind auch arme Bö- fen wechseln. Die Hörer wechseln ja auch.“ vom Hohenzollern. Als Preuße wissen Sie doch, wo die- Ruhrgebiet ein Bombenhagel den anderen ablöste, die den, aber der Bitzer vermag sie anzureichern, seitdem Anlässlich seines 70. Geburtstags verlieh ihm die Ge- ser liegt!?“ Es wird bejaht, doch sichtlich ohne Be- uns aber bald wieder verließen, weil ihnen die Er- indenFabrikendashierzubenötigteGeldverdientwird. meinde Bitz die Ehrenbürgerwürde: Ganz gewiss kein rechtigung, bloß schand- und ehrenhalber … „70 Ki- schütterungen von unten her unheimlicher waren als „Rauh“ sind auch verunkrautete Äcker, aber so weit alltägliches Ereignis; man wird wohl sehr lange su- lometer Luftlinie von Konstanz am Bodensee, dort be- die von oben her.“ – läßt es die Bitzerin schon gar nicht kommen. Aller- chen müssen, bis man einen Pfarrer findet, dem eine ginnt dann gleich die Schweiz.“ „Oh, dort? Also ganz „Erschütterungen von unten her? Gibt es denn bei dings wird in jüngster Zeit mancher Acker „liegen ge- derartige Ehrung zuteil wird! Offensichtlich war ihm im sonnigen Süden?“ „Ja, dort; aber 900 Meter über Ihnen Erdbeben?“ – lassen“, „weil Mehl und Brot beim Bäcker billiger zu ha- sehr unwohl bei so großer Konzentration auf seine Per- dem Meer.“ Ehrfürchtiges Staunen. Der Bitzer atmet „Gewiß, und die Gelehrten sagen, hängt dies mit dem ben sind.“ son. Deshalb suchte er die offiziell-steife Atmosphäre auf. Einbruch jenes Grabens und, noch weiter zurück, mit Vielleicht kommt's wieder einmal anders. In den der Feierstunde aufzulockern, indem er den Anlass der Auffaltung der Alpen zusammen, deren Kette für Kriegs- und Nachkriegsjahren führte es bei heißen Köp- mit einem launigen Gedicht kommentierte, wobei er Zwei Jahre später, nicht gar so weit fort, doch im- uns Bitzer oft den ganzen südlichen Horizont sichtbar fen zu unerhörten Preisen, wenn die Verpachtung klei- zu jedermanns Belustigung nicht nur die Bitzer Ho- merhin jenseits der Mainlinie. „Bei Ebingen, an der umsäumt und selbst uns den einstigen Graben ganz ner Allmandstücke im Weg der Versteigerung erfolgte. noratioren, sondern auch sich selbst auf die Schippe Bahnlinie Sigmaringen-Tübingen.“ Sigmaringen? – ei- vergessen, ja fast als ein Märchen erscheinen läßt.“ „'S ischt koa Zeit, se kont et wieder“, wie man in Bitz nahm. Hier einige Kostproben: ner glaubt, einmal durchgefahren zu sein. Tübingen – Damit ist das Mißtrauen der Tischrunde überwun- sagt, was auf Hochdeutsch heißt „Es gibt keine Zeit- einer hat einen Bekannten, der ihm einmal erzählt hat, den! verhältnisse, die nicht auch einmal wieder eintreten […] er kenne einen alten Herrn, dessen Enkel in einer Stadt könnten.“ Ihr wißt, ich bin klein von Statur, dieses Namens ein Semester lang studierte. Da kommt's das volle Maß hat's Bäuchlein nur … dem gedemütigten Bitzer wie eine Eingebung über die […] Lippen: „In der weiteren Umgebung von Stuttgart.“ Wie wär's mit Stelzen, kleiner Gass? Bitz um 1960, vor 50 Jahren Du würdest groß und Bitz hätt Spaß. Im Sudetenland, zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, Die Hülben in Bitz Es würde tuscheln groß und klein: Stuttgart hat schon einige Bombennächte hinter sich. „Guck! Dort kommt's Ehrenbürgerlein!“ „Sie schwäbeln so gemütlich. Wo sind sie zu Hause?“ Das freundliche Ortsbild mit seinen gepflegten, […] Gewitzigt durch seine bitteren Erfahrungen mit dem nächtlicherweile gut beleuchteten Straßen und mit sei- 1.) Die Hülbe in der Dorfmitte Ein Bitzer bin ich ja schon lang in Frage stehenden Ruhm seiner Heimat im engeren nen sauberen Häusern macht unwillkürlich auf jeden um 1420: „by den Hülwern“ = bei den Hülbeweh- und wenn mir etwas hier gelang, undweiterenSinn,antwortetderBitzerabsichtlichganz Besucher sofort den besten Eindruck. Oft wird sogar ren. Das waren dammartige Sperren, auch „Weiher- so dank ich's Gott und eurem Tun, zeitgemäß: „In nächster Nähe des Truppenübungs- die Frage laut, ob denn das schmucke Dorf in letzter wuhr“ genannt, durch die man den Abfluß des Über- nebst solchen, die im Grabe ruhn. platzes auf dem Heuberg bei Stetten a.k.M. Bei Tag und Zeit abgebrannt und wieder aufgebaut worden sei. eichs in die gewünschte Richtung lenkte. In Freud und Leid verwachsen schier Nacht hören wir das Übungsschießen. Und von den Vo- Nebst der ganz frei stehenden Kirche (1926/28) und 1546: „Ain Mannßmad … stoßt herein uf die Trin- zu einer Blutsgemeinschaft wir. gesen dringt der Geschützdonner der Front zu uns he- dem neuen Rathaus (1936/37) fallen besonders einige ckhen ...“ An der Hülbe waren Tröge aufgestellt, in Ihr standet hinter mir, wenn's galt, rüber.“ So kurz erst dem Reich eingegliedert, wissen stattliche Fabriken, das neue Schulhaus(1907 und 1910) die das Wasser zum Tränken geschöpft wurde. manchmal sogar auch, wenn ich schalt die neu gewonnenen Volksgenossen noch nichts vom und das kirchliche Gemeindehaus (1927/28) ins Auge. 1566: „ob der Hilw zwischen der Statt Ebingen Gart- […] Heuberg, von seinem zweifelhaften Ruf im Jahr 1933, Außerdem stehen der bürgerlichen Gemeinde noch das ten und Georg Scheurers Wisen gelegen.“ Südlich der Drum will, was ich gewesen bin, von seiner unbezweifelten Bedeutung und angefoch- alte Rathaus (jetzt Arztwohnung) und das alte Schul- Hülbe, zwischen Kirchstraße und Am Hof hatte also erst recht ich sein auch künftighin: tenen Beliebtheit seit Kriegsbeginn. haus(fürUnterrichtundWohnungen),neuerdingsauch Ebingen damals einen Garten. An der Oberfläche ein Bitzer, der die Bitzer liebt ein Lehrerwohngebäude zur Verfügung. hatte die fast kreisrunde Hülbe einen Durchmesser von und drum der Hoffnung Ausdruck gibt, Etliche Tage darauf wiederholt sich ebendort in an- Jedes Haus ist an das elektrische Stromnetz und an 6 m und war ziemlich tief und wohl kaum einmal oh- dass ihr auch bleibet, mir zur Freud, derer Gesellschaft dasselbe Frage- und Antwortspiel. dieWasserleitung(seit1899)angeschlossen;sodaßtrotz ne Wasser. Mit der Trinkwasserversorgung war's in gediegne, fromme Bitzerleut. Alfred Gaß, um 1955. Foto: Familie Gaß Diesmal zieht der Bitzer sofort das Trumpf-As: „Meine völligen Fehlens von Quelle und Bach auch bei großer trockenen Sommern allerdings oft übel bestellt. Nach Und weil's uns allen da noch fehlt Heimat liegt mitten auf der Sohle eines breiten, 100 Me- Trockenheit für Haushaltung, Stall und Industrie ge- Fertigstellung der Wasserleitung (November 1899) und mich, grad heut, s' Gewissen quält, 3. Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hin eingeführt. Seit 1926 finden sie regelmäßig statt. 4 ter tiefen Grabens, der vor langer, langer Zeit ohne nug Wasser vorhanden ist. Seit 1955 ermöglicht eine wurde die Hülbe im Lauf der folgenden 8 Jahre all- laßt eins uns sein auch im Verzeih'n; fallen … (Jesaja 54,10) Der letztgenannte Gesichtspunkt – den Bitzerinnen Menschenhand sich auftat, indem das ganze Gelände Kläranlage den fortschreitenden Ausbau der in Angriff mählich aufgefüllt. Der nördliche Teil des neuen Rat- mehr kann dann niemand mir verleih'n 4. So geht dann der Mensch aus an seine und Bitzer ihre Geschichte auf humorvolle Art und Wei- einfach in die Tiefe sank.“ genommenen Kanalisation. Was nun die nähere Um- hauses steht noch auf dem Auffüllplatz. als was ich schon zu haben mein: Arbeit ... (Psalm 104,23) se näher zu bringen – ist bei der Lektüre der nachste- „Ein allzu durchsichtiger Scherz! In einem Graben gebung dieses hochgelegenen Wohnsitzes anlangt, so das innige Verbundensein. Dass er ein größeres, umfassendes Werk über Bitz henden Zeilen im Auge zu behalten. kann man nicht wohnen!“ – gehört vom „Bitzer Berg“ im einstigen „Bitzer Hardt“ 2.) Die Neue Hülbe Ich seh drin Gottes Gnadengab', plante, das entnehmen wir einer Gliederung, die sich Aus dem heimatkundlichen Schaffen von Pfarrer Gaß „Haben wir auch gar nicht nötig, und habe ich auch nur ein allzu kleiner Bruchteil zur Bitzer Markung. Tail- [Lage:] Östlich vom Gauenberg an der Straße nach die ich beglückt empfangen hab. in seinem Nachlass befindet. Er beabsichtigte, sein Ma- sollen hier nun drei Texte dargeboten werden, die ih- gar nicht gesagt. Vom Graben ist nur noch die Sohle vor- fingen-Truchtelfingen, Ebingen und Winterlingen Freudenweiler [...] terial in acht Kapitel mit jeweils mehreren Unter- res teils unterhaltsamen, teils informativen Charakters handen. Was links und rechts stehen geblieben war, greifen von Nordwest, West und Süd weit über die 1793: „die neue Hülbe befinde sich in einem schlech- Kaum war der Bitzer Pfarrer im Ruhestand, da war punkten aufzugliedern. Aber der Tod, so kann man es wegen auch heute noch für die regionale Heimatfor- wurde in den Jahrmillionen, die seitdem verstrichen Hochfläche herein. Auch bei der Festlegung der alten ten Zustand.“ Bei dieser Hülbe liegt das Neue Hülbe- er mit großen Eifer in Stuttgart zugange, und zwar in etwas pompös ausdrücken, nahm ihm am 19. Sep- schung von Belang sind. Es handelt sich um zwei Pas- sind, von Wind und Wasser fortgetragen, so daß die hohenzollerischen Landesgrenze in Süd, Südost, Ost Eschle, wahrscheinlich zurückgehend auf früher ver- der Landesbibliothek und im Hauptstaatsarchiv. Sein tember 1962 die Feder aus der Hand. Er hinterließ vier sagen aus dem ersten, oben genannten Kapitel zur Ge- Grabensohle von damals heute sogar höher liegt als und Nordost scheint die Anziehungskraft von Bitz zu suchten Getreidebau. Heute, weil zu rauh, nur noch et- Eifer richtete sich auf Bitz, wo immer ihm in den Bü- Söhne und drei Töchter. Seine Frau Berta, geborene schichte von Bitz „Die Lagebesprechung ohne Karte“. einst ihre Umgebung rechts und links. Noch mehr: Weil seinem Mitbestimmungsrecht in umgekehrtem Ver- liche Wiesen am Nordrand der [ehemaligen] neuen chern, Aufsätzen, Protokollen, Steuerlisten und sons- Groz, war ihm bereits am 26. April 1944 vorangegan- Jede dieser beiden Passagen wurde hier mit einer ei- mein Heimatort dergestalt auf einem zum Rücken ge- hältnis gestanden zu haben. Aber immerhin ist es schön Hülbe. tigen Unterlagen der Ortsname „Bitz“ begegnete (auch gen. genen Überschrift versehen, nämlich „Ein Bitzer er- wordenen Grabengrund sitzt mit freiester Sicht bis hi- auf dem Bitzer Berg, nicht zum wenigsten gerade auch in weiteren Spielarten wie „Bytz“, „Byze“ oder auch Von den genannten vier Kapiteln widmen sich die klärt Bitz“ und „Bitz um 1960“. Schließlich geht es um nüber zum Hochgebirge der Alpen, darum konnte er dort, wo er tatsächlich diesen Namen mit vollem Recht 3.) Das Rain-Hülbele „Büz“), machte er sich Notizen, die er alsbald wohl ge- Nummern 2 und 3 der Erdgeschichte. Dabei handelt eine kleine, im Nachlass handschriftlich vorhandene Jahrhunderte hindurch für das höchstgelegene Pfarr- trägt, also auf der Bitzer Markung. Unterhalb des Gebäudes Staiglestraße 49, in dem ordnet in einem Zettelkasten ablegte. es sich um Lesefrüchte aus der einschlägigen Litera- Ausarbeitung über die Hülben in Bitz. dorf von ganz Württemberg gehalten werden. Heute Hier erheben sich der Engerain (924 m), die Kuppe Zwickel, den Staigle- und Zeppelinstraße dort mitei- So erschloss sich ihm die Bitzer Vergangenheit, bei- tur. Kapitel Nummer 4 handelt von der Archäologie der weiß man allerdings, daß dies dennoch nicht ganz (919 m), der Riedbühl (919 m), der Bocksberg (928 m) nander bilden. Auch zum Tränken wurde sein Wasser spielsweise die Entstehung einer geordneten Schule, Gegend um Bitz; auch hier hat Alfred Gaß aus der Fach- stimmt.“ – als Bitzer Gewitterwehr, das Bocksbergle (905 m), der wohl nur selten benützt. Um die letzte Jahrhundert- oderdieVorgeschichtedesvorhandenenKirchleins.Auf literatur das Einschlägige fleißig zusammengeschrie- Ein Bitzer erklärt Bitz „Und erst recht nicht stimmt, was Sie uns da vor- Gaumberg (890 m), das bescheidenere Sahlenhäule wende wurde es aufgefüllt. diese Weise lernte er auch die Eigentümer des Hofes ben. Während also in den Kapiteln zwei bis vier mehr machen wollen. Sie gehören offenbar auch zu denen, und die Auchte (905 m), […] und zwischen diesen al- und Weilers Bitz kennen zurück bis zum Jahr 1386, und oder minder Bekanntes zusammengetragen ist, zeigt Ein Landsmann aus Meßstetten kommt im Zug zwi- die meinen, uns jeden Bären aufbinden zu können, len drin der Lindenbühl mit der Kirche, der Hunger- 4.) Das Badhülbele, ebenfalls um die Jahrhundert- auch ein tiefer Blick in die geologischen Veränderun- das erste Kapitel ein weitaus größeres Maß an Selbst- schen Ebingen und Balingen neben einen Mann zu sit- nachdem wir jetzt heimgekehrt sind ins Reich. Aus- bühl, der Guckenbühl und der Hutzlenbühl. Gerade wende. Auf ihm steht heute ein großer Teil der Tri- gen unserer Erde im Laufe von Jahrmillionen. ständigkeit und Originalität, wobei der Autor einen sehr zen, dessen schwäbische Mundart auch schon ein klein gerechnet ein Schwabe sollte sich das nicht erlauben.“ diese Anhöhen sind es, die die Hochfläche so wohl- kotfabrik Maier an der Ebingerstraße. Dergestalt sammelte er sein Material, aus welchem unterhaltsamen Ton anschlägt. Der unterhaltsame Ton wenig an die nahe Schweiz erinnert. Er fragt ihn, wie üb- – „Fällt mir doch gar nicht ein, Sie hereinlegen zu wol- tuend beleben, die einen, selbst ein prächtiger An- er nach einigen Jahren seine ersten vier Kapitel zur Ge- scheint das Markenzeichen des Bitzer Pfarrers zu sein: lich, nach dem Woher und Wohin. Auf die erste Frage len. Dazu wäre ich, worauf Sie ja soeben selbst an- blick, mit ihrem Laub- oder Nadel- oder Mischwald, 5.) Das Anwesen der Anna Christian Lebherz steht auch schichte von Bitz diktieren konnte. Diese vier Kapitel Er war bekannt dafür, dass er bei Altenfeiern und ähn- erhält er die Antwort: spielten, längst nicht gescheit genug. Und ich nehme die anderen zu traumhaft schönem Blick in stille Nä- über etlichen aufgefüllten Gruben, deren hinterletzte tragen folgende Überschriften. lichen Anlässen die Anwesenden mit humorigen Rei- mir gaut Ihnen diese Anspielung auf „die dummen Schwaben“ he oder zu überwältigender Fernsicht einladend. Sie al- als „Eisengrube“ bezeichnet wurde (dort wurde früher 1. Lagebesprechung ohne Karte mereien zu unterhalten pflegte. Die alljährlich statt- ge Ebenga nei, auch keineswegs übel. Es ist ja ein weit verbreiteter le, zusammen mit Ackerfeld, Wiesengelände, Garten- einmal nach Bohnerz gegraben, das dann in Thier- 2. Ehe denn die Berge wurden … (Psalm 90,2) findenden Altenfeiern hat Pfarrer Gaß übrigens selbst ge Truchtelfenga, Tailfenga, Auschmettenga ond uff Brauch unter den deutschen Stämmen, sich gegen- land und Heide, zusammen mit teils steilen, teils sanf- garten bei Beuron zu Eisen erschmolzen wurde). Seite 1807 Heimatkundliche Blätter August 2012

Die übrigen wurden vorwiegend zur Hanfbearbei- bacc Martins Hülbe wäre nicht nur zu erweitern, son- be wurde, als niemand mehr vom Tobak-Marte etwas tung benützt, soweit diese wegen Feuergefahr außer- dern sollte auch am Gestad dergestalten eingerichtet wußte, der möglicherweise die treibende Kraft gewe- halb Etters stattfinden mußte. Die eine der Gruben, werden, daß das Wasser nicht mehr ablaufen könnte.“ sen war bei der Anlage dieser Hülbe. mit Dielen eingefaßt und mit Wasser gefüllt, diente als Daraufhin wurde angeordnet: „Diese Hülbe solle aller „Röße“ (Raise). In ihr wurde der gerupfte Hanf einem Orten mit Wasser Latten gut verlattet und, soweit es Gärungsprozeß ausgesetzt. Neben der anderen Grube, sich tun läßt, erweitert werden.“ in der ein Feuer angezündet wurde, ließ man dann den Gemeint ist nicht der Tobäkele-Marte, dessen sich Anmerkungen Hanf unter ständiger Bewachung trocknen. Jetzt lie- vor etlichen Jahren die damaligen Dorfältesten noch er- ßen sich die Holz- und Faserteile auf der „Breche“ tren- innerten und der in Kirchstraße 16 wohnte. Sondern 1) Herr Martin Gaß, Bitz, überließ mir dankenswer- nen, da der Abfall sowieso nicht ins Haus geschafft wer- es handelt sich um Martin Blickle, Bauer und Weber terweise die einschlägigen Unterlagen aus dem den durfte, war es am einfachsten, ihn in einer dorti- (1725 – 1782), Urgroßvater der Rosina Barbara geb. Bli- Nachlass seines Vaters, außerdem eine von ihm gen Grube sofort zu verbrennen. So war es Vorschrift ckle (1846 – 1875), erste Ehefrau des Johann Georg Bli- selbst angefertigte, mehrseitige Ausarbeitung zu und normalerweise auch „der Brauch“. Allerdings hör- ckle Kirchen-Hansjörg (1839 – 1921). Als Sohn dieses dem hier abgehandelten Thema. Jahrgang 59 31. August 2012 Nr. 8 ten die Übertretungen erst auf, als kein Hanf mehr an- Ehepaars war Heinrich Blickle Alt-Schwanenwirt (1871 2) Luginsländer Blätter 60, Nr. 4, Dezember 1962: Alf- gebaut wurde. – 1939) Tobak-Martes Ururenkel. Es ist nicht sehr wahr- red Gass zum Gedenken. scheinlich, daß die Hülbe Nummer 1 (die Hülbe 3) Auszug der Abschiedspredigt in: Evangelisches Ge- Eine „Tobaks Martin Hülbe“ wird im Ruggerichts- schlechthin) nach einem einzelnen Bürger genannt meindeblatt für Württemberg – Ortsbeilage für Bitz, protokoll 8. Dezember 1784 erwähnt und ihr schlech- worden wäre. Dann haben wir wohl an die Hülbe Num- Sondernummer, Mai 1955. ter Zustand gerügt. Und im Protokoll vom 6. Dezem- mer 2 zu denken, die 1793 in den Akten erstmals er- 4) Nachruf auf Altpfarrer Alfred Gaß, Ebinger Zei- ber 1791 lesen wir den Vorschlag: „Die sogenannte To- wähnt wird und vermutlich erst später zur neuen Hül- tung, 21. 9. 1962. Exkurisonen und Termine Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung im September und Oktober

SEPTEMBER im Dominikanermuseum die Sammlung Dursch, die sich der Bedeutung dieser Kultur als eine der prä- sich mit etwa 180 Holzbildwerken und Altarblättern genden Kräfte der europäischen Geschichte. Es wer- der sakralen Kunst des Mittelalters widmet. Anreise mit den beeindruckende Exponate aus Museen in ganz Eu- Samstag, 8. September: Tagesexkursion zu den Kir- Privat-PKW. Treffpunkt Schwarzes Tor 14 Uhr. Teil- ropa und spektakuläre Neufunde präsentiert. Nach den chen in Marbach, Beihingen, Eglosheim, Uhlbach, nahme frei aber Eintritte in Höhe von zwei Euro. Nä- offiziellen Führungen besteht Gelegenheit, die Aus- Rotenberg mit Hans Kratt. here Informationen über Herrn Alfons Koch, Telefon stellungen noch selbstständig zu erkunden. Wir besuchen Neckarschwaben, den Mittleren Ne- 0170 / 9945830. Bahnfahrt,AbfahrtinAlbstadt-Ebingen8:12Uhr,8:27 ckarraum, das Kernland Württembergs und Weinan- Uhr Balingen, Hechingen 8:39 Uhr. Rückfahrt ab Stutt- baugebiet mit teils alten, idyllischen Dorfkernen und Montag, 24. September bis Samstag, 29. Septem- gart 18:16 Uhr. Ankunft Hechingen 19:18 Uhr, Ba- bedeutenden Baudenkmälern, aber auch wuchern- ber: 6-tägige Studienfahrt: „La Moselle – Die Mo- lingen 19:30 Uhr, Ebingen 19:52 Uhr. Umlage 30 Eu- den Siedlungen und Fabriklandschaften. Zunächst be- sel“. Von der Quelle bis zur Mündung mit Wolfgang ro für Fahrt, Eintritte und Führungen Bitte beachten: sichtigen wir in Schillers Geburtsstadt Marbach am Ne- Willig. Anmeldeschluss: 1. 10. 2012. ckar die dortige spätgotische Alexanderkirche. Die Hal- Metz ist Station in den ersten Tagen. Dann Zel- lenkirche mit Innenraumgewölben von ungewöhnli- tingen-Rachtig für die beiden folgenden Tage. Die An- Mittwoch, 17. Oktober: Vortrag „Judennasen, cher Vielfalt stellt ein herausragendes Zeugnis sak- reise erfolgt über den Col de la Schlucht zur Mosel- Mönchsvisagen, Muslimkarikaturen. Kontinuitäten raler Baukunst im süddeutschen Raum dar. Für die Be- quelle, durch die Vogesen immer entlang der Mosel, religionsphysiognomischer Stereotype mit Prof. Dr. schreibung der im nahen Beihingen liegende Aman- mit Abstechern nach Remiremont, Toul bis nach Metz. Paul Münch. Landratsamt Zollernalbkreis, Balin- duskirche, die zusammen mit dem Ort über Jahr- Von dort aus starten weitere Ausflüge. Kurz vor der gen, Hirschbergstr. 29, Sitzungssaal, Eintritt frei. hunderte in reichsritterschaftlichem Besitz war, könn- Heimreise steht noch eine Fahrt mit der Seilbahn hoch te man das neudeutsche Wort „Patchwork“ verwen- zur Burg Ehrenbreitstein auf dem Programm. Es sind den. Sie ist ein Bauwerk mit ungewöhnlichem Inne- nur noch wenige Plätze frei. Auch Nichtmitglieder sind ren, quer durch die Kunstgeschichte von der Roma- herzlich willkommen. Baldige Anmeldung ist er- nik bis zum Rokoko. Das Gegenteil stellt die rein go- wünscht. Abfahrt in Albstadt-Ebingen, Busbahnhof, 7 STAMMTISCHE tische Dorfkirche von Eglosheim dar. Im Weinort Uhl- Uhr, Balingen, Stadthalle, 7:30 Uhr. 680 Euro. bach wurde von dem Architekten Heinrich Dol- metsch im Jahr 1895 die bestehende gotische Kirche Jeweils am ersten Mittwoch eines Monats trifft sich un- in die heute neugotische Form gebracht. Zum Ab- OKTOBER ter der Leitung von Dr. Peter Th. Lang der Ebinger schluss fahren wir hinauf zur Grabkapelle Stuttgart- Stammtische im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 Rotenberg. Von dort öffnet sich uns ein beeindru- Albstadt-Ebingen: Telefon 07431-4188. ckender Blick auf die Landschaft mit Wald und Re- Mittwoch, 10. Oktober: Lesung im Rahmen des Ba- ben und auf das Häusermeer von Stuttgart. Abfahrt in linger Stammtisches im Gasthof Lang mit Dr. Diet- Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- Bitz 1950, vom Hungerbühl aus. Mitte, am Horizont: Gemeindehaus; links, mit Türmchen: Rathaus. Foto: Erwin Schick, Bitz Albstadt-Ebingen, Busbahnhof, 7 Uhr, Balingen, Stadt- mar Färber. schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- halle, 7:30 Uhr. Umlage 30 Euro für Fahrt, Eintritte Dr. Färber liest Geschichten aus seinem Buch chingen, Telefon 07471-15540 / Fax 07471-12283. und Führungen. „Schwäbische G’schichta“. Email: [email protected] Storchenzimmer, Gasthof Lang, Wilhelm-Kraut-Str. oder über unsere Homepage Samstag, 22. September: Halbtagesexkursion (Nach- 1, Balingen 17 Uhr. www.heimatkundliche–vereinigung.de. „Ein Bitzer, der die Bitzer liebt“ mittag). Führung Kapuzinerkloster und Dominika- nermuseum in Rottweil mit Alfons Koch. Samstag 13. Oktober: Exkursion nach Stuttgart zur Bei allen Veranstaltungen sind Gäste jederzeit herz- 1 Der ehemalige Rottweiler Stadtarchivar Dr. Win- Landesausstellung Die Welt der Kelten: „Zentren der lich willkommen. Der Bitzer Pfarrer Alfred Gaß (1885 - 1962) als Heimatforscher - Von Dr. Peter Thaddäus Lang fried Hecht führt uns zunächst zu dem Gebäude des Macht“ und „Kostbarkeiten der Kunst“ und zur Aus- ehemalingen Kapuzinerklosters. Danach besuchen wir stellung „Anständig gehandelt – Widerstand und Im Bereich der Evangelischen Landeskirche Würt- während seiner langen Amtszeit erwarb. einem zweiten Kindergarten (1928/29) zu bauen. Das Volksgemeinschaft 1933 – 1945“ (Haus der Ge- tembergs hat sich der Brauch herausgebildet, dass die Seine Studienfreunde und Amtsbrüder beschreiben alteKirchleinwarmitseinenknapp500Plätzen(einschl. schichte) mit Dr. Andreas Zekorn. Pfarrer so ungefähr alle zehn Jahre die Stelle wech- ihn als kauzig, aufrichtig und geradlinig. Sie charak- des Mittelganges) viel zu klein für die damals knapp In Abänderung des Programms, wird vormittags die seln. Dabei fällt den allermeisten Gemeinden der Ab- terisieren ihn als jemanden, der sich treu bleibt und 2000 Einwohner. In dem einen Raum der Kinder- Ausstellung „Anständig gehandelt – Widerstand und Herausgegeben von der Heimatkundlichen Vereinigung schied recht schwer, und nur in seltenen Fällen ist ei- der sich nicht verbiegen lässt – lauter Eigenschaften, schule hatte die einzige Schwester bis zu 110 Kinder Volksgemeinschaft 1933 – 1945“ im Haus der Ge- ne gewisse Erleichterung zu erkennen. Noch viel sel- die bei den Schwaben (und bei den Bitzern allemal) gleichzeitig zu betreuen – und es herrschte Ruhe und schichte besucht. Dieser Besuch geschieht auf Ein- Zollernalb Der Autor dieser Ausgabe tener hinwiederum ist der Fall, dass ein Pfarrer sein hoch im Kurs stehen. Ein gewisses buchhalterisches Ordnung, ohne alle Strenge. Die Zeit des Nationalso- ladung von Herrn Manfred Kaut, der durch die Aus- ganzes Berufsleben lang bei ein und derselben Ge- und organisatorisches Talent führte dazu, dass seine zialismus war geprägt durch einen ständigen Klein- Vorsitzender: stellung „Georg Elser“ im Landratsamt Zollernalb- meinde seinen Dienst versieht.2 Amtsführung stets ohne größere Beanstandung blieb. krieg zwischen ihm, dem Bürgermeister und der ört- kreis führte. Die Ausstellung zeigt am Beispiel kon- Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 Genau diesen Fall haben wir mit Alfred Gaß in Bitz: Insgesamt verstand er es, seine Bitzer Kirchenge- lichen Parteileitung. So widersetzte er sich beispiels- kreter Aktionen, wie sich Einzelne und Gruppen im Nachdem er zunächst zu Beginn des Ersten Welt- meinde durch die vielfältigen Untiefen zu steuern, die weise lange dem Ansinnen der herrschenden Partei, Kleinen und Großen gegen den Nationalsozialismus kriegs als freiwilliger Krankenpfleger und Operations- sich im Verlauf seiner langen Amtszeit aus den Wech- vor dem Gotteshaus eine Hakenkreuzfahne aufzu- Dr. Peter Thaddäus Lang Geschäftsführung: zur Wehr setzten. Der Ausstellungsbesuch fügt sich in gehilfe in einem Kriegslazarett in Frankreich einge- selfällen der deutschen Geschichte ergaben: das fing hängen. Als die Konfrontation unausweichlich ins Haus Lammerbergstraße 53 Erich Mahler, Mörikeweg 6, das Schwerpunktthema der Heimatkundlichen Ver- setzt war, kam er 1916 als Pfarrer nach Bitz. Dort blieb gleich an mit der großen Unterversorgung gegen Ende stand, gab er schließlich dem Druck nach, hängte aber 72461 Albstadt 72379 Hechingen, einigung 2012, ist aber auch durch das umfangreiche er 34 Jahre lang, bis zu seiner Zurruhesetzung 1950, des Ersten Weltkriegs, das ging weiter mit der Inflati- eine ausladend große Kirchenfahne neben das we- Nachmittagsprogramm bedingt. Telefon (0 74 71) 1 55 40 E-Mail: e. [email protected] und dann hielt es ihn hier noch einmal zwölf Jahre on des Jahres 1923, es folgte 1929 die Weltwirt- sentlich kleinere Tuch mit dem Hakenkreuz. Insge- Nachmittags werden die beiden Ausstellungen der lang, bis zu seinem Tod im Jahr 1962. Diese außerge- schaftskrise, wenige Jahre später kam das Dritte Reich, samt machte es sich Pfarrer Gaß sehr geschickt zu- Landesausstellung „Die Welt der Kelten“ besucht, Redaktion: wöhnliche, extrem seltene Beständigkeit bedarf einer dann der Zweite Weltkrieg, und schließlich die Besat- nutze, dass es in Bitz keine geeigneten Räume für nämlich „Zentren der Macht“ im Kunstgebäude Stutt- Erklärung. Dass er bei den Bitzern in hohen Ansehen zungszeit. NS-Veranstaltungen gab – außer dem Evangelischen gart (Schlossplatz 2) und „Kostbarkeiten der Kunst“ im Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 stand und sich großer Beliebtheit erfreute, liegt teils in Die wenigen ruhigen Jahre zwischendurch nutzte er, Gemeindehaus. Der Ortsgruppenleiter musste also Landesmuseum Württemberg (Altes Schloss). Die wohl seinem Naturell begründet, teils aber auch in der Art umfürdieKirchengemeindeeineneueKirche(1926/27) wiederholt bei dem Pfarrer als Bittsteller auftreten. Si- größte Keltenausstellung seit dreißig Jahren widmet seiner Amtsführung und in den Verdiensten, die er sich und ein Evangelisches Gemeindehaus zusammen mit cherlich war Pfarrer Gaß mehrfach bis hart an die Gren- Seite 1811 Heimatkundliche Blätter September 2012 Pürschgerichtskarte bereichert Ausstellung Bis zum 2. Dezember ist „Mäzene, Sammler und Chronisten“ in Rottweil zu sehen

Eine Kopie der Rottweiler Pürschgerichtskarte berei- seum zu sehen sein“, so Stadtarchivar chert die Ausstellung „Mäzene, Sammler und Chronis- GeraldMager. ten“ über die Grafen von Zimmern. Die Ausstellung ist Weiterhin steuert die Stadt Rottweil bis zum 2. Dezember auch im Rottweiler Dominikaner- zur Ausstellung bei: Zwei Steinbock- museumzusehen Gehörne aus dem Alten Rathaus, die Die Rottweiler Pürschgerichtskarte des David Rötlin aus dem Schloss Herrenzimmern Jahrgang 59 30. September 2012 Nr. 9 zeigt Rottweil und das weitere Umland im Jahr 1564. Be- stammen sollen sowie die kunstvoll sonders sehenswert ist das detailgetreue Abbild der gearbeitete Hofgerichtsscheibe von mittelalterlichen Kernstadt. Auf der Pürschgerichtskar- 1573, welche die Verleihung des Kai- te sind sowohl Herrenzimmern, der Stammsitz der Gra- serlichen Hofgerichts durch Konrad III fen von Zimmern, als auch ihre Rottweiler Stadthäuser an die Reichsstadt Rottweil im Hoch- zu erkennen. Bei der Leihgabe handelt es sich um die mittelalter darstellt. Zudem wird auch Christian Landenbergers Wurzeln wohl einzige existente Kopie in Originalgröße. Sie hängt eine digitale Variante der Pürschge- normalerweise im Amtszimmer des Oberbürgermeis- richtskarte ausgeliehen, die es dem Be- ters. Das über zwei Meter im Durchmesser große Expo- sucher ermöglicht, sich an einem Bild- Zum 150. Geburtstag des Künstlers - Von Prof. Dr. Günther Schweizer nat entstand Ende des 19. Jahrhunderts. Die detailge- schirm Details der Karte mit Erklärun- treue Kopie fertigte der Zeichner, Bildhauer und Alter- genanzuschauen. Zwei Maler von internationalem Rang hat das würt- tumsforscher Oskar Hölder (1832 – 1894) an. Hölder ist Die Ausstellung bietet vielfältige tembergische Amts- und Grenzstädtchen Ebingen her- in Rottweil vor allem durch seine Zeichnungen von Alt- Einblicke in die Adelswelt des Spätmit- vorgebracht, Johann Ludwig Krimmel und Christian Rottweil und als Namensgeber der Hölderstraße be- telalters und dokumentiert das kultu- Landenberger. Beide entstammen Ebinger Handwer- kannt.„ManwolltedemfürdieRottweilStadtgeschichte relle Erbe der Grafen von Zimmern, die kerfamilien, die über viele Jahrhunderte in Ebingen das so bedeutsamen Original nicht den weiten Weg nach mit der „Zimmerschen Chronik“ Leben auf der Südwestalb mitbestimmt haben. Wäh- Meßkirch zumuten. Ab September wird die Pürschge- buchstäblich Geschichte geschrieben rend Krimmel1, nun mit den Vornamen John Lewis, richtskarte dann aber im Original im Dominikanermu- haben. sein kurzes Leben (1786 – 1823) als Erwachsener weit- gehend in Amerika verbrachte, machte Christian Land- enberger (1862 – 1927) in seiner schwäbischen Hei- mat Karriere. Er ist vor 150 Jahren in Ebingen geboren worden, Anlaß für eine Ausstellung der städtischen Kunstsammlungen „Galerie Albstadt“, diesmal zum Thema Spiegelbilder | Lichtreflexe, ergänzt durch ganz andersartige, aber themenverwandte Werke von Adolf Die Termine im Oktober und November Luther (1912 – 1990). Im vorliegenden Aufsatz geht es nicht um die Bio- Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung grafie und um die unbestrittene künstlerische Bedeu- tung von Christian Landenberger, sondern um die Spu- OKTOBER bedingt. Nachmittags werden die beiden Ausstellun- Dr. Christoph Morrissey, 20 Uhr, Landratsamt Zol- ren seiner Herkunft, um seine Vorfahren und um die gen der Landesausstellung „Die Welt der Kelten“ be- lernalbkreis, Balingen, Hirschbergstr. 29, Sitzungssaal, unglaublich dichte Vernetzung der Landenberger mit sucht, nämlich „Zentren der Macht“ im Kunstgebäu- Eintritt frei. anderen Ebinger Familien. Um seinen künstlerischen Mittwoch, 10. Oktober: Lesung im Rahmen des Ba- de Stuttgart (Schlossplatz 2) und „Kostbarkeiten der Rang wenigstens anzudeuten, seien aus der Mono- linger Stammtisches im Gasthof Lang mit Dr. Diet- Kunst“ im Landesmuseum Württemberg (Altes Donnerstag, 29. November: Rückblick 2012 und Aus- grafie von Heinz Höfchen (1986) über Christian Land- mar Färber. Dr. Färber liest Geschichten aus seinem Schloss). Die wohl größte Keltenausstellung seit drei- blick 2013 mit Wolfgang Willig. Vortrag: Milieus und enberger die ersten Sätze des Vorworts zitiert: Buch „Schwäbische G’schichta“, 17 Uhr, Storchen- ßig Jahren widmet sich der Bedeutung dieser Kultur Wahlergebnisse im Oberamt Balingen 1919 – 1933 „Christian Landenberger zählt zu den bedeutenden zimmer, Gasthof Lang, Wilhelm-Kraut-Straße 1, Ba- als eine der prägenden Kräfte der europäischen Ge- mit Dr. Michael Walther, 18 Uhr, Landratsamt Zol- Meistern, die die schwäbische Malerei hervorgebracht lingen. schichte. Es werden beeindruckende Exponate aus Mu- lernalbkreis, Balingen, Hirschbergstraße 29, Sitzungs- hat. Für den Bereich der schwäbischen Freilichtma- seen in ganz Europa und spektakuläre Neufunde prä- saal, Eintritt frei. lerei der Zeit zwischen 1880 und 1920 muss er als zent- sentiert. Nach den offiziellen Führungen besteht Ge- rale Künstlerpersönlichkeit angesprochen werden. Im Samstag, 13. Oktober: Exkursion nach Stuttgart zur legenheit, die Ausstellungen noch selbstständig zu er- gesamtdeutschen Vergleich impressionistischer Ma- Landesausstellung „Die Welt der Kelten: Zentren der kunden. lerei ist er nach den mit Berlin verbundenen Künst- Macht“ und „Kostbarkeiten der Kunst“ und zur Aus- Bahnfahrt,AbfahrtinAlbstadt-Ebingen8:12Uhr,8:27 Stammtische lern Max Liebermann, Max Slevogt und Lovis Corinth stellung „Anständig gehandelt – Widerstand und Uhr Balingen, Hechingen 8:39 Uhr. Rückfahrt ab Stutt- neben Fritz von Uhde der führende Vertreter der süd- Volksgemeinschaft 1933 – 1945“ (Haus der Ge- gart 18:16 Uhr. Ankunft Hechingen 19:18 Uhr, Balin- Jeweils am 1. Mittwoch eines Monats trifft sich unter deutschenKomponentedesStils.Undnichtzuletztwird schichte) mit Dr. Andreas Zekorn. gen 19:30 Uhr, Ebingen 19:52 Uhr. Umlage 30 Euro für der Leitung von Dr. Peter Th. Lang der Ebinger Stamm- Christian Landenbergers Einfluss als Akademielehrer In Abänderung des Programms, wird vormittags die Fahrt, Eintritte und Führungen. tische im Café Wildt-Abt, Sonnenstraße 67, 72458 Alb- maßgeblich für die Tradition der gegenständlichen Ausstellung „Anständig gehandelt – Widerstand und stadt-Ebingen: Telefon (0 74 31) 41 88. Malerei des 20. Jahrhunderts in Schwaben.“ Die um- Volksgemeinschaft 1933 – 1945“ im Haus der Ge- fangreichsten und wichtigsten Werke Landenbergers schichte besucht. Dieser Besuch geschieht auf Einla- Mittwoch, 17. Oktober: Vortrag „Judennasen, Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- befinden sich in der Städtischen Galerie Albstadt, im dung von Manfred Kaut, der durch die Ausstellung „Ge- Mönchsvisagen, Muslimkarikaturen. Kontinuitäten schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- Kunstmuseum Stuttgart und in der Staatsgalerie Stutt- org Elser“ im Landratsamt Zollernalbkreis führte. Die religionsphysiognomischer Stereotype“ mit Prof. Dr. chingen, Telefon (0 74 71) 1 55 40 / Fax (0 74 71) gart. Ausstellung zeigt am Beispiel konkreter Aktionen, wie Paul Münch, 20 Uhr, Landratsamt Zollernalbkreis, 1 22 83. Email: anfrage@heimatkundliche-vereini- Über Leben und Werk des Malers unterrichten zahl- sich Einzelne und Gruppen im Kleinen und Großen ge- Balingen, Hirschbergstraße 29, Sitzungssaal, Eintritt gung.de oder über unsere Homepage www.heimat- reiche Publikationen. In einem Projekt des Gymnasi- gen den Nationalsozialismus zur Wehr setzten. Der frei. kundliche–vereinigung.de. ums Ebingen mit der Galerie Albstadt, eingebettet in Ausstellungsbesuch fügt sich in das Schwerpunktthe- Der emeritierte Professor für Neuere Geschichte an die landesweite Aktion LernStadtMuseum, wurde Li- ma der Heimatkundlichen Vereinigung 2012, ist aber der Universität Duisburg-Essen setzt sich in seinem Bei allen Veranstaltungen sind Gäste jederzeit herz- teratur zu Christian Landenberger zusammengestellt; auch durch das umfangreiche Nachmittagsprogramm Vortrag mit der Physiognomik auseinander. Dies ist ei- lich willkommen. mehr als 50 Aufsätze, Werkbeschreibungen, Ausstel- ne schon viele Jahrhunderte verbreitete pseudowis- lungskataloge, Biografien und Nekrologe kamen zu- senschaftliche Methode, aus der körperlichen Er- sammen2. Auch eine tabellarisch gestaltete Biografie scheinung eines Menschen Rückschlüsse auf dessen und eine Liste der zahlreichen Ausstellungen, auf de- Charakter und geistige Fähigkeiten zu schließen. Der Herausgegeben von der nen Werke von Landenberger, dem „schwäbischen Im- Vortrag spannt einen Faden von dem angeblich ver- Heimatkundlichen Vereinigung pressionisten“, gezeigt wurden oder die allein seinem schlagenen Gesichtsausdruck der Jesuiten, über die an- Zollernalb Werk galten, wurden im Projekt erarbeitet. Der Autor dieser Ausgabe geblich finsteren Charakterzüge, die jüdischen Mit- Begegnet einem namenkundlich erfahrenen Schwa- bürgern unterstellt wurden bis hin zu den aktuellen Vorsitzender: ben jemand namens Landenberger, dann setzt er die- Darstellungen von Muslimen in Teilen der westlichen Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, sen gleich in Beziehung zu Ebingen, heute Hauptort Medien. Die Mechanismen von Diskriminierung und 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 von Albstadt. Zwar sind die Landenberger heute über Ausgrenzung haben unter Zuhilfenahme der Physi- ganz Deutschland verbreitet und auch in den USA nicht Prof. Dr. Günther Schweizer ognomik zu allen Zeiten, bis in die Gegenwart hinein, Geschäftsführung: selten, aber die Wurzeln fast aller Landenberger lie- Christian Landenberger auf einem Selbstbildnis von 1910, Bleistift, Galerie Albstadt, Stiftung Sammlung Walter Groz. Ahornweg 6 nach ähnlichen Mustern funktioniert. Erich Mahler, Mörikeweg 6, gen, so weit bekannt, in Ebingen. Einzige Ausnahmen 72076 Tübingen 72379 Hechingen, sind frühe Vorkommen in Kirchheim unter Teck3,wo lingen, Brackenheim, Esslingen, Grötzingen, Helm- nen sind aus den Kirchenbüchern die Sterbedaten – Telefon (0 74 71) 1 55 40 ein Matheuß Landenberger und seine Frau Catharina lingen, Pfullingen, Schramberg, Stuttgart oder Wal- er stirbt 1609, 70-jährig, sie 1622 als 90-Jährige – und E-Mail: e. [email protected] im ersten Taufbuch 1558, 1560 und 1562 als Eltern drei- denbuch weiter verbreiteten, stammen alle von einem die Taufdaten der 10 Kinder, von denen die beiden ers- NOVEMBER er Täuflinge genannt werden, und in Kreuzlingen bei gemeinsamen Stammvater ab. In seinem bewun- ten vor Beginn des Taufbuches zur Welt kamen, das Redaktion: Konstanz, von wo Johann Caspar Landenberger, ein dernswert breit angelegten „Familienbuch der Nach- letzte, wieder ein Jacob, im Jahr 1581. Dr. Walter Stett- Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, ehemaliger Mönch des dortigen Benediktinerklosters kommen des Jacob Landenberger von Ebingen“ (1941) ner, dem Ebinger Stadthistoriker, ist es zu danken, dass Mittwoch, 14. November: Vortrag Kelten und kelti- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 sich 1665 nach Poltringen4 bei Herrenberg verheiratet. nennt der Autor Max Rösch eben diesen Jacob mit sei- er ein Einwohnerbuch5 aller vor 1600 urkundlich ge- sche Höhensiedlungen in der Region Zollernalb mit Und die Ebinger Landenberger, ob sie sich nach Ba- ner Frau Magdalene als Stammeltern. Bekannt von ih- nannten Ebinger angelegt hat, das uns im Falle der Seite 1809 Heimatkundliche Blätter September 2012 September 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1810

Landenberger noch eine Generation weiter zurück- biet, wo als Erbsitte die Realteilung vorherrschte. Man (73), Rümelin (75), Blickle (77), Greiß aus Calw (79), blieben Handwerker, so auch die Rümelin unter den sammlung gegründet wurde. Ebinger Stadtvätern wie dem rechten Schildrand wachsenden Berg an- führt, nämlich zu einem Stoffel (Christoph) Landen- blieb am Ort und man heiratete am Ort, um das Erbe, Kauffmann (81), Wohnhas (83), Kauffmann (85), Haux Vorfahren von Christian Landenberger. Walter Groz, der zugleich Sammler und Mäzen war, springt. berger, der schon 1536 bei der Musterung „wehrfä- so gering es nach der Teilung sein mochte, nicht an- (93), Rieber (95). Die jahrhundertelange Bindung fast aller Vorfah- Hans Hoss und Hans Pfarr sowie ihren Nachfolgern 7) Julius Studer: Die Edeln von Landenberg. Ge- hig“, also jedenfalls erwachsen war, und auch 1546 und deren zu überlassen. Mobilität setzte erst mit der In- renfamilien Landenbergers an Ebingen, ihre enge und ist zu danken, dass sie das Erbe des großen Sohnes ih- schichte eines Adelsgeschlechtes der Ostschweiz. 1553 gemustert wurde. 1545 wurde er mit einem mitt- dustrialisierung im 19. Jahrhundert ein. Die Namen sprechen für sich. Es sind größtenteils ur- dichte Verflechtung in der Kleinstadt ist in der Tat sel- rer Stadt mehrten und zur künstlerischen Zierde ihres Zürich 1904. leren Betrag von 2 Batzen und 2 ½ Kreuzer zur Tür- Das Besondere an der Verwurzelung Christian Land- alte Ebinger Familien12, die nicht nur in den ersten um ten. Ein sozialer Aufstieg, wie er bei Beamten und Pfar- Gemeinwesens werden ließen. 8) Dieses schlagende Argument führt schon der Ge- kensteuer veranlagt, 1560/1561 muss er bereits ver- enbergers in Ebingen ist eigentlich nicht die väterli- 1560 beginnenden Kirchenbüchern13 auftreten, die bis rern meist vorgegeben ist, hat auch eine höhere Mo- nealoge Erhard von Marchtaler in der Rezension storben sein, denn zu diesem Zeitpunkt und auch 1564 che Stammlinie, sondern dass auch fast alle mütterli- 1870 die Funktion der standesamtlichen Beurkun- bilität zur Folge. Ahnenlisten oder Ahnentafeln streu- des Familienbuches von M. Rösch an, siehe Blät- wird seine Witwe genannt. chen Vorfahren aus Ebingen stammen. Um die Be- dung hatten, sondern bis in die Anfänge der urkund- en regional umso mehr, je höher die Generationen sind. ter für württembergische Familienkunde 8, Januar Der Name Landenberger lässt vermuten, dass die Fa- deutung dieser Aussage zu betonen, sei darauf ver- lichen Zeugnisse über Ebingen schlechthin zurück- Eine solche Streuung fehlt bei den Landenberger Vor- 1941, S. 136. milie von einem „natürlichen Sohn“ eines der adligen wiesen, dass unter den Ahnen eines Probanden, z.B. reichen, wie in dem oben zitierten Einwohnerbuch von fahren. Im Überblick über diese könnte man sagen: Literaturhinweise 9) Das Wappen der adeligen Herren von Landen- Herren von Landenberg in der Schweiz abstammt, ähn- des Malers Christian Landenberger, in der 12. Gene- Dr. Stettner nachgewiesen wird. Mehr Ebingen geht nicht! berg befindet sich auf dem Einband des Buches lich den Namensträgern Württemberger, die aus un- ration insgesamt 2(12-1) = 211 = 2048 Ahnen auftre- Die Landenberger treten schon 1536 in Ebingen auf. Christian Landenberger wusste sicherlich nicht sehr 1) Milo M. Naeve: John Lewis Krimmel: An Artist in Fe- von Rösch (1941) wie auch auf dem Briefkopf des ehelichen Verbindungen mit Mitgliedern des Hauses ten10, die genetisch alle gleichrangig sind, dass aber nur Die Familie Rieber, aus der die Großmutter von Chris- viel über seine Vorfahren. Zu Ebingen und zur Süd- deral America. Newark 1987. (The University of De- „Landenberger Familienvereins“ in Schramberg. Württemberg stammen. Mehrere Genealogen haben einer von diesen in der väterlichen Stammreihe er- tian Landenberger stammt, ist die älteste namentlich westalb, wo er eigentlich nur seine Kindheit und Ju- laware Press American artist series). – Anneliese 10) Jeder Mensch hat 2 = 21 Eltern, 4 = 22 Großeltern, versucht, für die Landenberger diesen Nachweis zu er- scheint – im Falle Landenberger eben der Stammvater genannte Familie Ebingens überhaupt. Der erste Ver- gend verbrachte – als Siebzehnjähriger beginnt er 1879 Harding: John Lewis Krimmel: Genre Artist of the in der nächsten, der vierten Generation 23 = 8 Vor- bringen. Bisher ist er aber nicht geglückt. Ganz gegen Stoffel – die restlichen 2047 Ahnen dieser Generation treter, Konrad Röber, wird 1340, wenige Jahrzehnte das Studium an der königlichen Kunstschule in Stutt- Early Republic. Winterthur, Delaware 1994. (A Win- fahren, in der Generation n schließlich 2(n-1) Vor- diese Hypothese spricht, dass Angehörige der Ebinger über Heiraten, über die sogenannten Mütterge- nach der ersten Erwähnung Ebingens als Stadt, in ei- gart – behielt er aber sein Leben lang eine intensive Be- terthur Book). – Mehr als 30 Jahre, bevor diese ame- fahren. Familie schon im 17. Jahrhundert ein Wappen6 ge- schlechter Teil des Systems werden. Und selbst, wenn nem Kaufvertrag genannt, der ihn als wohlhabend aus- ziehung. Er besuchte das Städtchen, das in der Nähe ge- rikanischen Buchmonographien erschienen sind, 11) Die Daten der Ahnenliste entstammen zumeist den führt haben, ein Wappen, das jedoch nichts mit dem wir die Vorfahren Landenbergers in dieser Breite be- weist. Spätere Rieber oder Rüber waren Mitglieder des legene Donautal oder den Schwarzwald, ob er nun in hat der unvergessene Stadthistoriker und –archi- Ebinger Kirchenbüchern. Sie beruhen auf lang- Wappen der adligen Familie von Landenberg7 zu tun trachten, bleiben wir im wesentlichen in Ebingen. Die Gerichts, Spitalpfleger oder Stadtschreiber; seit 1483 München oder später in Stuttgart lebte. In seinem var Walter Stettner in der damals noch ganz jun- jährigen eigenen Forschungen, auf einer von Wal- hat. Zu erwarten wäre nach der genannten Hypothe- ersten Generationen der Ahnenliste von Christian bekleidete Dietrich Rieber das höchste Amt der Stadt, „Zollerischen Skizzenbuch“ (1885) studierte er Land gen Schriftenreihe „Heimatkundliche Blätter für ter Stettner angelegten Familienkartei (bis etwa se, dass das Wappen der verbürgerlichten Familie dem Landenberger (Tafel) mögen dies verdeutlichen11. das des Schultheißen, das auch sein Sohn Caspar über- und Leute, 1893 arbeitet er im Donautal, 1895 gründet den Kreis Balingen“ (Jg. 3, Nr. 10 vom 31. Okt.1956) 1750) im Stadtarchiv Albstadt, auf Familienregis- der adligen Familie, vermehrt um einen Bastardbal- nahm. Später waren die Rieber in fast allen Hand- er eine private Sommerschule für Malerei in Sigma- den bedeutenden Ebinger gewürdigt: „Maler Jo- tern zu den Familien Beck, Haux, Kauffmann, ken oder Bastardfaden, entspräche8. Insofern ist es ei- werksberufen vertreten. Die Rieber-Ahnen Christian ringen, 1911 und 1913 hält er sich am Bodensee auf. hann Ludwig Krimmel aus Ebingen (1786 – 1823). Krimmel, Rimelin und Stierlin, die von Dr. Erwin gentlich auch nicht zulässig, dass sowohl der Ebinger Die Vorfahren des Malers Christian Landenbergers waren in jüngerer Zeit vor allem Metz- Dieser enge Bezug zu seiner schwäbischen Heimat wird 2) Diese Literaturliste ist online verfügbar: Friz angelegt wurden und ebenfalls im Stadtar- Stamm wie auch der Schramberger Zweig der Familie Landenberger (1862 – 1927) ger, aber auch Gastwirte, Barbiere oder Schuster tre- im Werk des Künstlers deutlich sichtbar. www.christian-landenberger.de/lit.htm. – Die chiv verwahrt werden, sowie auf dem umfangrei- Landenberger das Wappen der adeligen Herren von ten auf. Eine erste Gedächtnisausstellung findet bereits 1927 biographisch wichtigsten Titel sind zwei Arbeiten chen Manuskript „Familienbuch Ebingen“ von Alf- Landenberg führt9. Generation I In der vierten Generation kommen die Familien Fuß im Todesjahr Landenbergers bezeichnenderweise in von Heinz Höfchen: a) Christian Landenberger. red Stauß, in das mir der Autor freundlicherweise Vom ersten Ebinger Stammvater Stoffel Landen- 1 Landenberger, Christian Adam, Kunstmaler, und Rominger als Landenberger-Ahnen hinzu. Erster Stuttgart im Württembergischen Kunstverein statt. Bis Stuttgart 1986. 266 S. – ein großformatiger Band Einsicht gewährte. berger sind es 12 Generationen bis zum Maler Chris- Akademieprofessor in Stuttgart, * Ebingen 7.4.1862, Vertreter der Familie Fuß dürfte Fatze (Bonifazius) Fuß heute pflegt Ebingen bzw. Albstadt das Andenken an mit zahlreichen Reproduktionen und einem akri- 12) Einen guten Überblick über die ältesten Familien tian Landenberger (siehe Kasten). Bis zu den heute le- + Stuttgart 13.2.1927; sein, der 1545 Türkensteuer bezahlt und 1566 noch ge- seinen großen Sohn. Zahlreiche Ausstellungen mit ent- bischen Werkverzeichnis; b) Christian Landen- findet sich bei Walter Stettner: Alte Ebinger Ge- benden Landenberger dürften es mindestens 16 Ge- verheiratet München 30.7.1900 Katharine mustert wird; möglicherweise gehört er aber zur Fa- sprechenden Katalogen wurden seit 1951 von der Städ- berger. Maler, Professor an der Kunstakademie schlechter. In: 700 Jahre Stadt Ebingen. Ge- nerationen sein. Und diese väterliche Linie Christian Elisabeth Ernestine Ulrich, * 16.4.1858, + 29.6.1925 milie Fuchs, dann wäre Laux (Lukas) Fuß, 1553 erst- tischen Galerie Albstadt ausgerichtet. Größere Teile des Stuttgart. In: Lebensbilder aus Schwaben und schichte in Bildern. Vorträge zur Geschichte. Ba- Landenbergers ist vollständig in Ebingen beheimatet. Generation II (Eltern) mals genannt, erster Namensträger in Ebingen. Jo- Nachlasses bleiben zunächst in der Familie beim jüngs- Franken, Bd. 16, Stuttgart 1986, S. 308-317. lingen 1986. o.P. Es sind Handwerker, vor allem Bäcker, oft auch Gast- 2 Landenberger, Christian Adam, Frachtfuhrmann hann David Fuß (Ahn Nr. 36) war Wagner und Zunf- ten Bruder Dr. Hermann Landenberger, Stadtveteri- 3) Freundliche Mitteilung von Herrn Thilo Dinkel, 13) Beginn der Ebinger Kirchenbücher: Taufbuch ab wirte. Selten nehmen sie höhere Funktionen wahr. Ge- in Ebingen, 1837 – 1885; verheiratet 1860 meister dieser Berufsgruppe. Mehr als ein Jahrhun- när in Ebingen, nach dessen Tod beim Neffen Dr. Hans Kirchheim u.T. 1565, Ehebuch ab 1566, Totenbuch ab 1575. org Landenberger (1612 – 1675) wird Bürgermeister und 3 Glunz, Anna Maria, aus Trochtelfingen, 1839 – 1928 dert früher als die Fuß, 1411, wird die Familie Roming Landenberger. Dieser überlässt der Stadt Ebingen 1970 4) M(ax) Rösch: Familienbuch der Nachkommen des 14) Walter Stettner und Günther Schweizer: Die äl- im Totenbuch als „ein feiner, gemeiner, stadtwohl- Generation III (Grosseltern) genannt, seit dem 17. Jahrhundert meist Rominger ge- die Werke als Dauerleihgabe; später gehen die 27 Ge- Jacob Landenberger von Ebingen, o.J. (1941), S. 15. testen Rimelin (Rümelin) in Ebingen. Versuch ei- anständiger Mann“ bezeichnet, seine Frau, eine ge- 4 Landenberger, Christian Adam, Bäcker und Bier- schrieben. Benz (Bernhard) Roming war 1420/1423 mälde, 103 Zeichnungen und 35 Druckgrafiken in das 5) Manuskript im Stadtarchiv Albstadt. ner Stammfolge der drei ersten Generationen. In: borene Rehfuß, als „eine fromme und gutherzige Frau“. brauer in Ebingen, 1805 – 1867; verheiratet I 1830 Spitalpfleger, zwei frühe Rominger des 15. Jahrhun- Eigentum der Stadt über. Sie werden zum Grundstock 6) Es handelt sich um ein redendes Wappen, inso- Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wap- In den jüngeren Generationen der Linie finden wir ei- 5 Rieber, Christiane Sara, 1813 – 1863 derts haben studiert und wurden Pfarrer in Meßstet- der Galerie Albstadt, die 1975 als städtische Kunst- fern das Wappentier, ein Pferd, gegen einen aus penkunde, Bd. 18, H. 9, März 1987, S. 441-458. nen Strumpfweber und einen Kaufmann. Und der Va- Generation IV (Urgrosseltern) ten und Harthausen bzw. Lautlingen. Die Landen- ter des Malers war Frachtfuhrmann, der in der begin- 8 Landenberger, Christian Adam, Kaufmann berger-Vorfahren der jüngeren Familie Rominger wa- nenden Industrialisierung Ebingens den Frachtver- in Ebingen, 1772 – 1819; verheiratet II 1798 ren „Chirurgi“, also Arzt-Handwerker, auch Barbiere kehr vor allem mit Stuttgart besorgte. 9 Fuß, Maria Christine, 1777 – 1807 und Bader. 10 Rieber, Georg Philipp, Metzger, später Wollen- Die Rehfuß, noch heute in Ebingen stark verbreitet, fabrikant in Ebingen, 1770 – 1855, verheiratet I 1794 gehen auf Johannes Reichfuoß zurück. Er war Sohn ei- Die 12 Generationen der väterlichen Li- 11 Rominger, Katharine Barbara, 1777 – 1815 nes Bürgermeisters in Sulz a.N. und heiratete 1578 nach Die Welt der Kelten nie des Malers Christian Landenberger Generation V (Ur-Urgrosseltern) Ebingen in die Familie Rimelin/Rümelin ein. Seine 16 Landenberger, Christian Adam, Strumpfweber Nachkommen bekleideten zum Teil herzogliche Ver- Zentren der Macht - Kostbarkeiten der Kunst XII Stoffel Landenberger, urk. 1536/1559, in Ebingen, in Ebingen, 1746 – 1796; verheiratet 1768 waltungsfunktionen; die Landenberger-Vorfahren un- + vor 1561; verheiratet Anna 17 Rehfuß, Maria Katharine, 1750 – 1804 ter ihnen waren aber vor allem Bäcker und Gastwirte. Das Warten hat ein Ende. Nach mehrjähriger Vor- im Stuttgarter Kunstgebäude die Entwicklung der kel- der Silberring von Trichtingen – rätselhaft in seiner XI Jakob Landenberger, 1539 – 1609, in Ebingen; 18 Fuß, Johann David, Strumpfweber in Ebingen, Die Familie Haux ist in der Ahnenliste Landenberger bereitungszeit halten die sagenumwobenen Kelten tischen Zivilisation in Mittel- und Westeuropa vom 8. Funktion und bis heute ohne Vergleich – können zu- verheiratet vor 1565 Magdalene, 1532 – 1622 1756 – 1779; verheiratet 1777 durch Schmiede vertreten; erster Ebinger ist Crispinus Einzug in Stuttgart. Noch bis 17. Februar 2013 ge- bis zum 1. Jahrhundert vor Christus – vom Beginn der sammen mit einmaligen Meisterwerken aus ganz Eu- X Theuß Landenberger, 1573 – 1644, Gastwirt in 19 Rominger, Anna Barbara, 1748 – 1780 Hux, 1525/1535 als Kaplan genannt. Später sind es die währt die große Landesausstellung „Die Welt der Kel- Eisenzeit bis zur Ankunft der Römer. Hoch rangige na- ropa in einem neuen Blickwinkel bewundert wer- Ebingen; verheiratet 1596 Apollonia Faigel 20 Rieber, Andreas, Metzger in Ebingen, 1745 – 1816; Unternehmer, die zur Industrialisierung Ebingens bei- ten. Zentren der Macht – Kostbarkeiten der Kunst“ ei- tionale und internationale Leihgaben illustrieren das den. Modernste Ausstellungstechnik macht die kom- IX Georg Landenberger, 1612 – 1675, Bürgermeister verheiratet 1767 trugen. nen umfassenden Einblick in die keltische Kunst und tägliche Leben, Wirtschaftsweisen, Handelsbezie- plexe und rätselhafte Ornamentik der Objekte ver- in Ebingen; verheiratet 1634 Barbara Rehfuß 21 Rieber, Anna Maria, 1746 – 1805 Zu nennen sind schließlich die Familien Krimmel, Kultur. In zwei großen Themenblöcken präsentieren hungen, technologische Innovationen, Religion und die ständlich. VIII Hans Jerg Landenberger, 1657 – 1723, Bäcker 22 Rominger, Johann Jakob, Chirurgus in Ebingen, Beck, Bitzer, Rümelin, Blickle, Kauffmann und Wohn- das Archäologische Landesmuseum Baden-Würt- Gesellschaftsordnung. Im Fokus der Präsentation ste- Die Ausstellungsteile „Zentren der Macht“ im Kunst- und Stadtrechner in Ebingen; 1736-1818; verheiratet 1761 has, daneben weitere, die in den höheren Generatio- temberg und das Landesmuseum Württemberg in Zu- hen die „Fürstensitze“ der frühkeltischen Elite im 6. gebäude Stuttgart und „Kostbarkeiten der Kunst“ im Al- verheiratet I. 1678 Anna Maria Rehfuß 23 Haux, Anna Elisabeth, 1736 – 1800 nen der Ahnenliste Landenberger auftreten. Der erste sammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmal- und 5. Jahrhundert vor Christus sowie die Entste- ten Schloss werden auch im öffentlichen Raum op- VII Hans Jerg Landenberger, 1681 – 1733, Bäcker Generation VI (Ur-Ur-Urgrosseltern) Krimmel, ein Martin, heißt in den Urkunden meist Mar- pflege im Regierungspräsidium Stuttgart und dem His- hung der spätkeltischen Stadtanlagen, der soge- tisch miteinander verbunden sein. Gelbe, beleuch- und Wirt „Zum Becher“ in Ebingen; 32 Landenberger, Josef, Strumpfweber in Ebingen, tin Müller, denn er war Müller von Beruf, und zwar im torischen Museum Bern mehr als 1300 Objekte in ei- nannten Oppida, im 2. und 1. Jahrhundert vor Chris- tete Stelen schaffen entlang des Schlossplatzes die vi- verheiratet 1707 Anna Katharine Rockenstein 1714 – 1771, verheiratet1736 Nachbarort Truchtelfingen (1437); dessen Sohn Pank- ner einzigartigen Zusammenstellung. Die hochkarä- tus. suelleVerbindungzwischendemaltenSchlossunddem VI Josef Landenberger, 1714 – 1771, Strumpfweber 33 Werner, Luzie Margarete, 1716 – 1786 raz wurde Müller in Balingen, sein Bruder Simon Krim- tigen Meisterwerke stammen aus ganz Europa, da- „Kostbarkeiten der Kunst“, der zweite Themen- Kunstgebäude und weisen den Besuchern den Weg zu in Ebingen; 34 Rehfuß, Johann Martin, Bäcker in Ebingen, mel übernahm die Stadtmühle in Ebingen. Später ge- runter spektakuläre Neufunde sowie in Deutschland block, basiert auf den hochkarätigen Sammlungs- den Ausstellungshäusern. verheiratet 1736 Luzie Margarete Werner 1725 – 1726; verheiratet I 1749 hörten sie zu den Ebinger Ratsfamilien und steuerten noch nie gezeigte Einzelstücke. Die Ausstellung steht beständen des Landesmuseums Württemberg und des Nicht nur der Stuttgarter Schlossplatz und seine Um- V Christian Adam Landenberger, 1746 – 1796, 35 Hackenmüller, Eva, aus Tailfingen, 1729 – 1752 vielfach die Geschicke der Stadt, so dass ihnen und ih- unter der Schirmherrschaft von Joachim Gauck, Prä- Historischen Museums Bern, bereichert um Meis- gebung stehen 2012 ganz im Zeichen der Kelten. An- Strumpfweber in Ebingen; 36 Fuß, Johann David, Wagner und Zunft-Ober- ren vielen Verwandten Nepotismus vorgeworfen wur- sident der Bundesrepublik Deutschland. terwerke aus ganz Europa. Der Ausstellungsteil im lässlich der großen Landesausstellung initiierte das verheiratet 1768 Maria Katharine Rehfuß meister in Ebingen, 1724 – 1803; verheiratet 1744 de. Die jüngsten Vertreter dieses Namens unter den Erstmals werden die „Kelten“ in griechischen Stuttgarter Alten Schloss spürt dem ersten bedeu- Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsi- IV Christian Adam Landenberger, 1772 – 1819, 37 Maurer, Sofie Regine, 1725 – 1806 Landenberger-Vorfahren waren Bäcker und betrieben Schriftquellen um 500 vor Christus erwähnt. Hero- tenden Beitrag des Nordens zur europäischen Kunst- dium Stuttgart in Zusammenarbeit mit der Gesell- Kaufmann in Ebingen; 38 Rominger, Matthäus, Tonsor und Chirurgus die Wirtschaften „Zur Traube“ und „Zum weißen Bä- dot nennt für ihre Lokalisierung in Mitteleuropa „die geschichte nach. Die Zeitspanne umfasst die kelti- schaft für Archäologie in Württemberg und Hohen- verheiratet I. 1798 Maria Christine Fuß in Ebingen, 1708 – 1756; verheiratet 1733 ren“. Quellen der Donau“. Tatsächlich zeigen archäologi- sche Kunst vom 7. Jahrhundert vor Christus bis zu de- zollern e. V., dem Archäologischen Landesmuseum Ba- III Christian Adam Landenberger, 1805 – 1867, 39 Botzenhardt, Maria Christine, aus Calw Besonders zahlreich waren in Ebingen immer die sche Funde, dass sich bereits hundert Jahre früher in ren Nachblüte in der irischen Buchmalerei im 7. Jahr- den-Württemberg, dem Förderkreis Archäologie in Ba- Bäcker und Bierbrauer in Ebingen; 40 Rieber, Andreas, Metzger in Ebingen, 1716 – 1796; Beck, dies schon zu Beginn der Kirchenbücher, so dass Süddeutschland, der Schweiz und Ostfrankreich ei- hundert nach Christus. Prachtvoller Schmuck und reich den e. V. und den Kelten Welten e. V. das „Kelten- verheiratet I. 1830 Christiane Sara Rieber verheiratet I 1740 das Auseinanderhalten der verschiedenen, aber gleich- ne eigene Kulturgruppe herauszubilden beginnt. Im verzierte Gebrauchsgegenstände aus Bronze, Eisen, jahr“. Städte, Gemeinden, Institutionen und Vereine II Christian Adam Landenberger, 1837 – 1885, 41 Krimmel, Anna Katharine, 1719 – 1757 zeitigen Hans Beck nicht immer möglich ist. Es waren 4. und 3. Jahrhundert vor Christus tauchen auf den Silber und Gold, Grabbeigaben und kultische Ob- veranstalten landesweit ein umfangreiches Begleit- Frachtfuhrmann in Ebingen; 42 Rieber, Georg Philipp, Metzger, später Schwertwirt Metzger, Schmiede, Fuhrleute, darunter aber auch Kriegsschauplätzen Italiens, auf dem Balkan, in Grie- jekte mit Darstellungen fantastischer Wesen zeugen programm. Mit Vortragsreihen, Exkursionen und Be- verheiratet 1860 Anna Maria Glunz, aus in Ebingen, 1717 – 1793,verheiratet 1738 wohlhabende, wie der Zuname „Steinreich“ bezeugt. chenland und in Kleinasien immer wieder als „Kel- vom meisterlichen Kunstschaffen der Kelten. Mit stil- gleitausstellungen werden zahlreiche keltische Stät- Trochtelfingen 43 Eppler, Ursula, aus Hossingen Die Rümelin schließlich, anfangs meist Rimelin ge- ten“ bezeichnete Völkerschaften auf, die auf der Su- bildenden Einzelstücken und Ensembles von höchs- ten und Orte dem Publikum vorgestellt. I Christian Adam Landenberger, 1862 – 1927, 44 = 38 Rominger, Matthäus schrieben, in Ebingen seit etwa 1510 bezeugt, gehör- che nach neuem Siedelland sind. Die einzelnen Stäm- ter Qualität entsteht eine eindrückliche Vorstellung des Auf einen Blick der Maler 45 = 39 Botzenhardt, Maria Christine ten, geht man von der Steuerlast bei der 1545 reichs- me bildeten keine „keltische“ Nation, besaßen aber Ge- keltischen Kunstschaffens. Ausstellungstitel: Die Welt der Kelten. Zentren der 46 Haux, Johann Michael, Hufschmied in Ebingen, weit eingezogenen Türkensteuer aus, zu den reichsten meinsamkeiten in Kunst und Handwerk sowie allem Zu den besonderen Highlights zählen die Aus- Macht – Kostbarkeiten der Kunst Dass eine Familie über zwölf oder mehr Generati- 1713 – 1764; verheiratet 1734 Familien im Herzogtum Württemberg14. Es waren Anschein nach auch in Religion und Sprache. Süd- stattung des „Fürsten“ von Hochdorf, einer der be- Laufzeit: noch bis 17. Februar 2013 onen am gleichen Ort verbleibt, ist nicht selten. In bäu- 47 Beck, Maria Katharine, 1715 – 1762 Metzger, die wohl durch den Viehhandel wohlhabend westdeutschland gilt zusammen mit der Schweiz und deutendsten Grabfunde der europäischen Vorge- Ausstellungsorte: „Zentren der Macht“ im Kunstge- erlichen und Handwerkerkreisen – und alle genann- Generation VII (Ur-Ur-Ur-Urgrosseltern) wurden. Ein in Ebingen geborener Martin Rümelin stu- Ostfrankreich als „Wiege der keltischen Kultur“ und schichte, ebenso wie der sogenannte Krieger von bäude Stuttgart, Schlossplatz 2, 70173 Stuttgart; „Kost- ten Vorfahren des Malers hatten neben ihrem Hand- In dieser Generation treten folgende Familien zu den dierte und wurde 1582 in Tübingen zum Doktor bei- steht seit Jahrzehnten im Zentrum der internatio- Hirschlanden, die älteste menschengestaltige Groß- barkeiten der Kunst“ im Landesmuseum Württem- werksberuf eine Landwirtschaft – war die Mobilität äu- schon genannten hinzu: Rockenstein (65), Hailfinger der Rechte promoviert. Er wurde zum Stammvater ei- nalen Keltenforschung. plastik nördlich der Alpen. Die einzigartigen Kunst- berg, Altes Schloss, Schillerplatz 6, 70173 Stuttgart ßerst gering, jedenfalls im altwürttembergischen Ge- aus Sulz (67), Beck (69, Bitzer aus Tailfingen (71), Beck ner Reihe von Gelehrten und Beamten. Die Ebinger Der erste Themenblick „Zentren der Macht“ zeigt werke aus dem „Fürstengrab“ des Kleinaspergle und www.kelten-stuttgart.de Seite 1809 Heimatkundliche Blätter September 2012 September 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1810

Landenberger noch eine Generation weiter zurück- biet, wo als Erbsitte die Realteilung vorherrschte. Man (73), Rümelin (75), Blickle (77), Greiß aus Calw (79), blieben Handwerker, so auch die Rümelin unter den sammlung gegründet wurde. Ebinger Stadtvätern wie dem rechten Schildrand wachsenden Berg an- führt, nämlich zu einem Stoffel (Christoph) Landen- blieb am Ort und man heiratete am Ort, um das Erbe, Kauffmann (81), Wohnhas (83), Kauffmann (85), Haux Vorfahren von Christian Landenberger. Walter Groz, der zugleich Sammler und Mäzen war, springt. berger, der schon 1536 bei der Musterung „wehrfä- so gering es nach der Teilung sein mochte, nicht an- (93), Rieber (95). Die jahrhundertelange Bindung fast aller Vorfah- Hans Hoss und Hans Pfarr sowie ihren Nachfolgern 7) Julius Studer: Die Edeln von Landenberg. Ge- hig“, also jedenfalls erwachsen war, und auch 1546 und deren zu überlassen. Mobilität setzte erst mit der In- renfamilien Landenbergers an Ebingen, ihre enge und ist zu danken, dass sie das Erbe des großen Sohnes ih- schichte eines Adelsgeschlechtes der Ostschweiz. 1553 gemustert wurde. 1545 wurde er mit einem mitt- dustrialisierung im 19. Jahrhundert ein. Die Namen sprechen für sich. Es sind größtenteils ur- dichte Verflechtung in der Kleinstadt ist in der Tat sel- rer Stadt mehrten und zur künstlerischen Zierde ihres Zürich 1904. leren Betrag von 2 Batzen und 2 ½ Kreuzer zur Tür- Das Besondere an der Verwurzelung Christian Land- alte Ebinger Familien12, die nicht nur in den ersten um ten. Ein sozialer Aufstieg, wie er bei Beamten und Pfar- Gemeinwesens werden ließen. 8) Dieses schlagende Argument führt schon der Ge- kensteuer veranlagt, 1560/1561 muss er bereits ver- enbergers in Ebingen ist eigentlich nicht die väterli- 1560 beginnenden Kirchenbüchern13 auftreten, die bis rern meist vorgegeben ist, hat auch eine höhere Mo- nealoge Erhard von Marchtaler in der Rezension storben sein, denn zu diesem Zeitpunkt und auch 1564 che Stammlinie, sondern dass auch fast alle mütterli- 1870 die Funktion der standesamtlichen Beurkun- bilität zur Folge. Ahnenlisten oder Ahnentafeln streu- des Familienbuches von M. Rösch an, siehe Blät- wird seine Witwe genannt. chen Vorfahren aus Ebingen stammen. Um die Be- dung hatten, sondern bis in die Anfänge der urkund- en regional umso mehr, je höher die Generationen sind. ter für württembergische Familienkunde 8, Januar Der Name Landenberger lässt vermuten, dass die Fa- deutung dieser Aussage zu betonen, sei darauf ver- lichen Zeugnisse über Ebingen schlechthin zurück- Eine solche Streuung fehlt bei den Landenberger Vor- 1941, S. 136. milie von einem „natürlichen Sohn“ eines der adligen wiesen, dass unter den Ahnen eines Probanden, z.B. reichen, wie in dem oben zitierten Einwohnerbuch von fahren. Im Überblick über diese könnte man sagen: Literaturhinweise 9) Das Wappen der adeligen Herren von Landen- Herren von Landenberg in der Schweiz abstammt, ähn- des Malers Christian Landenberger, in der 12. Gene- Dr. Stettner nachgewiesen wird. Mehr Ebingen geht nicht! berg befindet sich auf dem Einband des Buches lich den Namensträgern Württemberger, die aus un- ration insgesamt 2(12-1) = 211 = 2048 Ahnen auftre- Die Landenberger treten schon 1536 in Ebingen auf. Christian Landenberger wusste sicherlich nicht sehr 1) Milo M. Naeve: John Lewis Krimmel: An Artist in Fe- von Rösch (1941) wie auch auf dem Briefkopf des ehelichen Verbindungen mit Mitgliedern des Hauses ten10, die genetisch alle gleichrangig sind, dass aber nur Die Familie Rieber, aus der die Großmutter von Chris- viel über seine Vorfahren. Zu Ebingen und zur Süd- deral America. Newark 1987. (The University of De- „Landenberger Familienvereins“ in Schramberg. Württemberg stammen. Mehrere Genealogen haben einer von diesen in der väterlichen Stammreihe er- tian Landenberger stammt, ist die älteste namentlich westalb, wo er eigentlich nur seine Kindheit und Ju- laware Press American artist series). – Anneliese 10) Jeder Mensch hat 2 = 21 Eltern, 4 = 22 Großeltern, versucht, für die Landenberger diesen Nachweis zu er- scheint – im Falle Landenberger eben der Stammvater genannte Familie Ebingens überhaupt. Der erste Ver- gend verbrachte – als Siebzehnjähriger beginnt er 1879 Harding: John Lewis Krimmel: Genre Artist of the in der nächsten, der vierten Generation 23 = 8 Vor- bringen. Bisher ist er aber nicht geglückt. Ganz gegen Stoffel – die restlichen 2047 Ahnen dieser Generation treter, Konrad Röber, wird 1340, wenige Jahrzehnte das Studium an der königlichen Kunstschule in Stutt- Early Republic. Winterthur, Delaware 1994. (A Win- fahren, in der Generation n schließlich 2(n-1) Vor- diese Hypothese spricht, dass Angehörige der Ebinger über Heiraten, über die sogenannten Mütterge- nach der ersten Erwähnung Ebingens als Stadt, in ei- gart – behielt er aber sein Leben lang eine intensive Be- terthur Book). – Mehr als 30 Jahre, bevor diese ame- fahren. Familie schon im 17. Jahrhundert ein Wappen6 ge- schlechter Teil des Systems werden. Und selbst, wenn nem Kaufvertrag genannt, der ihn als wohlhabend aus- ziehung. Er besuchte das Städtchen, das in der Nähe ge- rikanischen Buchmonographien erschienen sind, 11) Die Daten der Ahnenliste entstammen zumeist den führt haben, ein Wappen, das jedoch nichts mit dem wir die Vorfahren Landenbergers in dieser Breite be- weist. Spätere Rieber oder Rüber waren Mitglieder des legene Donautal oder den Schwarzwald, ob er nun in hat der unvergessene Stadthistoriker und –archi- Ebinger Kirchenbüchern. Sie beruhen auf lang- Wappen der adligen Familie von Landenberg7 zu tun trachten, bleiben wir im wesentlichen in Ebingen. Die Gerichts, Spitalpfleger oder Stadtschreiber; seit 1483 München oder später in Stuttgart lebte. In seinem var Walter Stettner in der damals noch ganz jun- jährigen eigenen Forschungen, auf einer von Wal- hat. Zu erwarten wäre nach der genannten Hypothe- ersten Generationen der Ahnenliste von Christian bekleidete Dietrich Rieber das höchste Amt der Stadt, „Zollerischen Skizzenbuch“ (1885) studierte er Land gen Schriftenreihe „Heimatkundliche Blätter für ter Stettner angelegten Familienkartei (bis etwa se, dass das Wappen der verbürgerlichten Familie dem Landenberger (Tafel) mögen dies verdeutlichen11. das des Schultheißen, das auch sein Sohn Caspar über- und Leute, 1893 arbeitet er im Donautal, 1895 gründet den Kreis Balingen“ (Jg. 3, Nr. 10 vom 31. Okt.1956) 1750) im Stadtarchiv Albstadt, auf Familienregis- der adligen Familie, vermehrt um einen Bastardbal- nahm. Später waren die Rieber in fast allen Hand- er eine private Sommerschule für Malerei in Sigma- den bedeutenden Ebinger gewürdigt: „Maler Jo- tern zu den Familien Beck, Haux, Kauffmann, ken oder Bastardfaden, entspräche8. Insofern ist es ei- werksberufen vertreten. Die Rieber-Ahnen Christian ringen, 1911 und 1913 hält er sich am Bodensee auf. hann Ludwig Krimmel aus Ebingen (1786 – 1823). Krimmel, Rimelin und Stierlin, die von Dr. Erwin gentlich auch nicht zulässig, dass sowohl der Ebinger Die Vorfahren des Malers Christian Landenbergers waren in jüngerer Zeit vor allem Metz- Dieser enge Bezug zu seiner schwäbischen Heimat wird 2) Diese Literaturliste ist online verfügbar: Friz angelegt wurden und ebenfalls im Stadtar- Stamm wie auch der Schramberger Zweig der Familie Landenberger (1862 – 1927) ger, aber auch Gastwirte, Barbiere oder Schuster tre- im Werk des Künstlers deutlich sichtbar. www.christian-landenberger.de/lit.htm. – Die chiv verwahrt werden, sowie auf dem umfangrei- Landenberger das Wappen der adeligen Herren von ten auf. Eine erste Gedächtnisausstellung findet bereits 1927 biographisch wichtigsten Titel sind zwei Arbeiten chen Manuskript „Familienbuch Ebingen“ von Alf- Landenberg führt9. Generation I In der vierten Generation kommen die Familien Fuß im Todesjahr Landenbergers bezeichnenderweise in von Heinz Höfchen: a) Christian Landenberger. red Stauß, in das mir der Autor freundlicherweise Vom ersten Ebinger Stammvater Stoffel Landen- 1 Landenberger, Christian Adam, Kunstmaler, und Rominger als Landenberger-Ahnen hinzu. Erster Stuttgart im Württembergischen Kunstverein statt. Bis Stuttgart 1986. 266 S. – ein großformatiger Band Einsicht gewährte. berger sind es 12 Generationen bis zum Maler Chris- Akademieprofessor in Stuttgart, * Ebingen 7.4.1862, Vertreter der Familie Fuß dürfte Fatze (Bonifazius) Fuß heute pflegt Ebingen bzw. Albstadt das Andenken an mit zahlreichen Reproduktionen und einem akri- 12) Einen guten Überblick über die ältesten Familien tian Landenberger (siehe Kasten). Bis zu den heute le- + Stuttgart 13.2.1927; sein, der 1545 Türkensteuer bezahlt und 1566 noch ge- seinen großen Sohn. Zahlreiche Ausstellungen mit ent- bischen Werkverzeichnis; b) Christian Landen- findet sich bei Walter Stettner: Alte Ebinger Ge- benden Landenberger dürften es mindestens 16 Ge- verheiratet München 30.7.1900 Katharine mustert wird; möglicherweise gehört er aber zur Fa- sprechenden Katalogen wurden seit 1951 von der Städ- berger. Maler, Professor an der Kunstakademie schlechter. In: 700 Jahre Stadt Ebingen. Ge- nerationen sein. Und diese väterliche Linie Christian Elisabeth Ernestine Ulrich, * 16.4.1858, + 29.6.1925 milie Fuchs, dann wäre Laux (Lukas) Fuß, 1553 erst- tischen Galerie Albstadt ausgerichtet. Größere Teile des Stuttgart. In: Lebensbilder aus Schwaben und schichte in Bildern. Vorträge zur Geschichte. Ba- Landenbergers ist vollständig in Ebingen beheimatet. Generation II (Eltern) mals genannt, erster Namensträger in Ebingen. Jo- Nachlasses bleiben zunächst in der Familie beim jüngs- Franken, Bd. 16, Stuttgart 1986, S. 308-317. lingen 1986. o.P. Es sind Handwerker, vor allem Bäcker, oft auch Gast- 2 Landenberger, Christian Adam, Frachtfuhrmann hann David Fuß (Ahn Nr. 36) war Wagner und Zunf- ten Bruder Dr. Hermann Landenberger, Stadtveteri- 3) Freundliche Mitteilung von Herrn Thilo Dinkel, 13) Beginn der Ebinger Kirchenbücher: Taufbuch ab wirte. Selten nehmen sie höhere Funktionen wahr. Ge- in Ebingen, 1837 – 1885; verheiratet 1860 meister dieser Berufsgruppe. Mehr als ein Jahrhun- när in Ebingen, nach dessen Tod beim Neffen Dr. Hans Kirchheim u.T. 1565, Ehebuch ab 1566, Totenbuch ab 1575. org Landenberger (1612 – 1675) wird Bürgermeister und 3 Glunz, Anna Maria, aus Trochtelfingen, 1839 – 1928 dert früher als die Fuß, 1411, wird die Familie Roming Landenberger. Dieser überlässt der Stadt Ebingen 1970 4) M(ax) Rösch: Familienbuch der Nachkommen des 14) Walter Stettner und Günther Schweizer: Die äl- im Totenbuch als „ein feiner, gemeiner, stadtwohl- Generation III (Grosseltern) genannt, seit dem 17. Jahrhundert meist Rominger ge- die Werke als Dauerleihgabe; später gehen die 27 Ge- Jacob Landenberger von Ebingen, o.J. (1941), S. 15. testen Rimelin (Rümelin) in Ebingen. Versuch ei- anständiger Mann“ bezeichnet, seine Frau, eine ge- 4 Landenberger, Christian Adam, Bäcker und Bier- schrieben. Benz (Bernhard) Roming war 1420/1423 mälde, 103 Zeichnungen und 35 Druckgrafiken in das 5) Manuskript im Stadtarchiv Albstadt. ner Stammfolge der drei ersten Generationen. In: borene Rehfuß, als „eine fromme und gutherzige Frau“. brauer in Ebingen, 1805 – 1867; verheiratet I 1830 Spitalpfleger, zwei frühe Rominger des 15. Jahrhun- Eigentum der Stadt über. Sie werden zum Grundstock 6) Es handelt sich um ein redendes Wappen, inso- Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wap- In den jüngeren Generationen der Linie finden wir ei- 5 Rieber, Christiane Sara, 1813 – 1863 derts haben studiert und wurden Pfarrer in Meßstet- der Galerie Albstadt, die 1975 als städtische Kunst- fern das Wappentier, ein Pferd, gegen einen aus penkunde, Bd. 18, H. 9, März 1987, S. 441-458. nen Strumpfweber und einen Kaufmann. Und der Va- Generation IV (Urgrosseltern) ten und Harthausen bzw. Lautlingen. Die Landen- ter des Malers war Frachtfuhrmann, der in der begin- 8 Landenberger, Christian Adam, Kaufmann berger-Vorfahren der jüngeren Familie Rominger wa- nenden Industrialisierung Ebingens den Frachtver- in Ebingen, 1772 – 1819; verheiratet II 1798 ren „Chirurgi“, also Arzt-Handwerker, auch Barbiere kehr vor allem mit Stuttgart besorgte. 9 Fuß, Maria Christine, 1777 – 1807 und Bader. 10 Rieber, Georg Philipp, Metzger, später Wollen- Die Rehfuß, noch heute in Ebingen stark verbreitet, fabrikant in Ebingen, 1770 – 1855, verheiratet I 1794 gehen auf Johannes Reichfuoß zurück. Er war Sohn ei- Die 12 Generationen der väterlichen Li- 11 Rominger, Katharine Barbara, 1777 – 1815 nes Bürgermeisters in Sulz a.N. und heiratete 1578 nach Die Welt der Kelten nie des Malers Christian Landenberger Generation V (Ur-Urgrosseltern) Ebingen in die Familie Rimelin/Rümelin ein. Seine 16 Landenberger, Christian Adam, Strumpfweber Nachkommen bekleideten zum Teil herzogliche Ver- Zentren der Macht - Kostbarkeiten der Kunst XII Stoffel Landenberger, urk. 1536/1559, in Ebingen, in Ebingen, 1746 – 1796; verheiratet 1768 waltungsfunktionen; die Landenberger-Vorfahren un- + vor 1561; verheiratet Anna 17 Rehfuß, Maria Katharine, 1750 – 1804 ter ihnen waren aber vor allem Bäcker und Gastwirte. Das Warten hat ein Ende. Nach mehrjähriger Vor- im Stuttgarter Kunstgebäude die Entwicklung der kel- der Silberring von Trichtingen – rätselhaft in seiner XI Jakob Landenberger, 1539 – 1609, in Ebingen; 18 Fuß, Johann David, Strumpfweber in Ebingen, Die Familie Haux ist in der Ahnenliste Landenberger bereitungszeit halten die sagenumwobenen Kelten tischen Zivilisation in Mittel- und Westeuropa vom 8. Funktion und bis heute ohne Vergleich – können zu- verheiratet vor 1565 Magdalene, 1532 – 1622 1756 – 1779; verheiratet 1777 durch Schmiede vertreten; erster Ebinger ist Crispinus Einzug in Stuttgart. Noch bis 17. Februar 2013 ge- bis zum 1. Jahrhundert vor Christus – vom Beginn der sammen mit einmaligen Meisterwerken aus ganz Eu- X Theuß Landenberger, 1573 – 1644, Gastwirt in 19 Rominger, Anna Barbara, 1748 – 1780 Hux, 1525/1535 als Kaplan genannt. Später sind es die währt die große Landesausstellung „Die Welt der Kel- Eisenzeit bis zur Ankunft der Römer. Hoch rangige na- ropa in einem neuen Blickwinkel bewundert wer- Ebingen; verheiratet 1596 Apollonia Faigel 20 Rieber, Andreas, Metzger in Ebingen, 1745 – 1816; Unternehmer, die zur Industrialisierung Ebingens bei- ten. Zentren der Macht – Kostbarkeiten der Kunst“ ei- tionale und internationale Leihgaben illustrieren das den. Modernste Ausstellungstechnik macht die kom- IX Georg Landenberger, 1612 – 1675, Bürgermeister verheiratet 1767 trugen. nen umfassenden Einblick in die keltische Kunst und tägliche Leben, Wirtschaftsweisen, Handelsbezie- plexe und rätselhafte Ornamentik der Objekte ver- in Ebingen; verheiratet 1634 Barbara Rehfuß 21 Rieber, Anna Maria, 1746 – 1805 Zu nennen sind schließlich die Familien Krimmel, Kultur. In zwei großen Themenblöcken präsentieren hungen, technologische Innovationen, Religion und die ständlich. VIII Hans Jerg Landenberger, 1657 – 1723, Bäcker 22 Rominger, Johann Jakob, Chirurgus in Ebingen, Beck, Bitzer, Rümelin, Blickle, Kauffmann und Wohn- das Archäologische Landesmuseum Baden-Würt- Gesellschaftsordnung. Im Fokus der Präsentation ste- Die Ausstellungsteile „Zentren der Macht“ im Kunst- und Stadtrechner in Ebingen; 1736-1818; verheiratet 1761 has, daneben weitere, die in den höheren Generatio- temberg und das Landesmuseum Württemberg in Zu- hen die „Fürstensitze“ der frühkeltischen Elite im 6. gebäude Stuttgart und „Kostbarkeiten der Kunst“ im Al- verheiratet I. 1678 Anna Maria Rehfuß 23 Haux, Anna Elisabeth, 1736 – 1800 nen der Ahnenliste Landenberger auftreten. Der erste sammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmal- und 5. Jahrhundert vor Christus sowie die Entste- ten Schloss werden auch im öffentlichen Raum op- VII Hans Jerg Landenberger, 1681 – 1733, Bäcker Generation VI (Ur-Ur-Urgrosseltern) Krimmel, ein Martin, heißt in den Urkunden meist Mar- pflege im Regierungspräsidium Stuttgart und dem His- hung der spätkeltischen Stadtanlagen, der soge- tisch miteinander verbunden sein. Gelbe, beleuch- und Wirt „Zum Becher“ in Ebingen; 32 Landenberger, Josef, Strumpfweber in Ebingen, tin Müller, denn er war Müller von Beruf, und zwar im torischen Museum Bern mehr als 1300 Objekte in ei- nannten Oppida, im 2. und 1. Jahrhundert vor Chris- tete Stelen schaffen entlang des Schlossplatzes die vi- verheiratet 1707 Anna Katharine Rockenstein 1714 – 1771, verheiratet1736 Nachbarort Truchtelfingen (1437); dessen Sohn Pank- ner einzigartigen Zusammenstellung. Die hochkarä- tus. suelleVerbindungzwischendemaltenSchlossunddem VI Josef Landenberger, 1714 – 1771, Strumpfweber 33 Werner, Luzie Margarete, 1716 – 1786 raz wurde Müller in Balingen, sein Bruder Simon Krim- tigen Meisterwerke stammen aus ganz Europa, da- „Kostbarkeiten der Kunst“, der zweite Themen- Kunstgebäude und weisen den Besuchern den Weg zu in Ebingen; 34 Rehfuß, Johann Martin, Bäcker in Ebingen, mel übernahm die Stadtmühle in Ebingen. Später ge- runter spektakuläre Neufunde sowie in Deutschland block, basiert auf den hochkarätigen Sammlungs- den Ausstellungshäusern. verheiratet 1736 Luzie Margarete Werner 1725 – 1726; verheiratet I 1749 hörten sie zu den Ebinger Ratsfamilien und steuerten noch nie gezeigte Einzelstücke. Die Ausstellung steht beständen des Landesmuseums Württemberg und des Nicht nur der Stuttgarter Schlossplatz und seine Um- V Christian Adam Landenberger, 1746 – 1796, 35 Hackenmüller, Eva, aus Tailfingen, 1729 – 1752 vielfach die Geschicke der Stadt, so dass ihnen und ih- unter der Schirmherrschaft von Joachim Gauck, Prä- Historischen Museums Bern, bereichert um Meis- gebung stehen 2012 ganz im Zeichen der Kelten. An- Strumpfweber in Ebingen; 36 Fuß, Johann David, Wagner und Zunft-Ober- ren vielen Verwandten Nepotismus vorgeworfen wur- sident der Bundesrepublik Deutschland. terwerke aus ganz Europa. Der Ausstellungsteil im lässlich der großen Landesausstellung initiierte das verheiratet 1768 Maria Katharine Rehfuß meister in Ebingen, 1724 – 1803; verheiratet 1744 de. Die jüngsten Vertreter dieses Namens unter den Erstmals werden die „Kelten“ in griechischen Stuttgarter Alten Schloss spürt dem ersten bedeu- Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsi- IV Christian Adam Landenberger, 1772 – 1819, 37 Maurer, Sofie Regine, 1725 – 1806 Landenberger-Vorfahren waren Bäcker und betrieben Schriftquellen um 500 vor Christus erwähnt. Hero- tenden Beitrag des Nordens zur europäischen Kunst- dium Stuttgart in Zusammenarbeit mit der Gesell- Kaufmann in Ebingen; 38 Rominger, Matthäus, Tonsor und Chirurgus die Wirtschaften „Zur Traube“ und „Zum weißen Bä- dot nennt für ihre Lokalisierung in Mitteleuropa „die geschichte nach. Die Zeitspanne umfasst die kelti- schaft für Archäologie in Württemberg und Hohen- verheiratet I. 1798 Maria Christine Fuß in Ebingen, 1708 – 1756; verheiratet 1733 ren“. Quellen der Donau“. Tatsächlich zeigen archäologi- sche Kunst vom 7. Jahrhundert vor Christus bis zu de- zollern e. V., dem Archäologischen Landesmuseum Ba- III Christian Adam Landenberger, 1805 – 1867, 39 Botzenhardt, Maria Christine, aus Calw Besonders zahlreich waren in Ebingen immer die sche Funde, dass sich bereits hundert Jahre früher in ren Nachblüte in der irischen Buchmalerei im 7. Jahr- den-Württemberg, dem Förderkreis Archäologie in Ba- Bäcker und Bierbrauer in Ebingen; 40 Rieber, Andreas, Metzger in Ebingen, 1716 – 1796; Beck, dies schon zu Beginn der Kirchenbücher, so dass Süddeutschland, der Schweiz und Ostfrankreich ei- hundert nach Christus. Prachtvoller Schmuck und reich den e. V. und den Kelten Welten e. V. das „Kelten- verheiratet I. 1830 Christiane Sara Rieber verheiratet I 1740 das Auseinanderhalten der verschiedenen, aber gleich- ne eigene Kulturgruppe herauszubilden beginnt. Im verzierte Gebrauchsgegenstände aus Bronze, Eisen, jahr“. Städte, Gemeinden, Institutionen und Vereine II Christian Adam Landenberger, 1837 – 1885, 41 Krimmel, Anna Katharine, 1719 – 1757 zeitigen Hans Beck nicht immer möglich ist. Es waren 4. und 3. Jahrhundert vor Christus tauchen auf den Silber und Gold, Grabbeigaben und kultische Ob- veranstalten landesweit ein umfangreiches Begleit- Frachtfuhrmann in Ebingen; 42 Rieber, Georg Philipp, Metzger, später Schwertwirt Metzger, Schmiede, Fuhrleute, darunter aber auch Kriegsschauplätzen Italiens, auf dem Balkan, in Grie- jekte mit Darstellungen fantastischer Wesen zeugen programm. Mit Vortragsreihen, Exkursionen und Be- verheiratet 1860 Anna Maria Glunz, aus in Ebingen, 1717 – 1793,verheiratet 1738 wohlhabende, wie der Zuname „Steinreich“ bezeugt. chenland und in Kleinasien immer wieder als „Kel- vom meisterlichen Kunstschaffen der Kelten. Mit stil- gleitausstellungen werden zahlreiche keltische Stät- Trochtelfingen 43 Eppler, Ursula, aus Hossingen Die Rümelin schließlich, anfangs meist Rimelin ge- ten“ bezeichnete Völkerschaften auf, die auf der Su- bildenden Einzelstücken und Ensembles von höchs- ten und Orte dem Publikum vorgestellt. I Christian Adam Landenberger, 1862 – 1927, 44 = 38 Rominger, Matthäus schrieben, in Ebingen seit etwa 1510 bezeugt, gehör- che nach neuem Siedelland sind. Die einzelnen Stäm- ter Qualität entsteht eine eindrückliche Vorstellung des Auf einen Blick der Maler 45 = 39 Botzenhardt, Maria Christine ten, geht man von der Steuerlast bei der 1545 reichs- me bildeten keine „keltische“ Nation, besaßen aber Ge- keltischen Kunstschaffens. Ausstellungstitel: Die Welt der Kelten. Zentren der 46 Haux, Johann Michael, Hufschmied in Ebingen, weit eingezogenen Türkensteuer aus, zu den reichsten meinsamkeiten in Kunst und Handwerk sowie allem Zu den besonderen Highlights zählen die Aus- Macht – Kostbarkeiten der Kunst Dass eine Familie über zwölf oder mehr Generati- 1713 – 1764; verheiratet 1734 Familien im Herzogtum Württemberg14. Es waren Anschein nach auch in Religion und Sprache. Süd- stattung des „Fürsten“ von Hochdorf, einer der be- Laufzeit: noch bis 17. Februar 2013 onen am gleichen Ort verbleibt, ist nicht selten. In bäu- 47 Beck, Maria Katharine, 1715 – 1762 Metzger, die wohl durch den Viehhandel wohlhabend westdeutschland gilt zusammen mit der Schweiz und deutendsten Grabfunde der europäischen Vorge- Ausstellungsorte: „Zentren der Macht“ im Kunstge- erlichen und Handwerkerkreisen – und alle genann- Generation VII (Ur-Ur-Ur-Urgrosseltern) wurden. Ein in Ebingen geborener Martin Rümelin stu- Ostfrankreich als „Wiege der keltischen Kultur“ und schichte, ebenso wie der sogenannte Krieger von bäude Stuttgart, Schlossplatz 2, 70173 Stuttgart; „Kost- ten Vorfahren des Malers hatten neben ihrem Hand- In dieser Generation treten folgende Familien zu den dierte und wurde 1582 in Tübingen zum Doktor bei- steht seit Jahrzehnten im Zentrum der internatio- Hirschlanden, die älteste menschengestaltige Groß- barkeiten der Kunst“ im Landesmuseum Württem- werksberuf eine Landwirtschaft – war die Mobilität äu- schon genannten hinzu: Rockenstein (65), Hailfinger der Rechte promoviert. Er wurde zum Stammvater ei- nalen Keltenforschung. plastik nördlich der Alpen. Die einzigartigen Kunst- berg, Altes Schloss, Schillerplatz 6, 70173 Stuttgart ßerst gering, jedenfalls im altwürttembergischen Ge- aus Sulz (67), Beck (69, Bitzer aus Tailfingen (71), Beck ner Reihe von Gelehrten und Beamten. Die Ebinger Der erste Themenblick „Zentren der Macht“ zeigt werke aus dem „Fürstengrab“ des Kleinaspergle und www.kelten-stuttgart.de Seite 1811 Heimatkundliche Blätter September 2012 Pürschgerichtskarte bereichert Ausstellung Bis zum 2. Dezember ist „Mäzene, Sammler und Chronisten“ in Rottweil zu sehen

Eine Kopie der Rottweiler Pürschgerichtskarte berei- seum zu sehen sein“, so Stadtarchivar chert die Ausstellung „Mäzene, Sammler und Chronis- GeraldMager. ten“ über die Grafen von Zimmern. Die Ausstellung ist Weiterhin steuert die Stadt Rottweil bis zum 2. Dezember auch im Rottweiler Dominikaner- zur Ausstellung bei: Zwei Steinbock- museumzusehen Gehörne aus dem Alten Rathaus, die Die Rottweiler Pürschgerichtskarte des David Rötlin aus dem Schloss Herrenzimmern Jahrgang 59 30. September 2012 Nr. 9 zeigt Rottweil und das weitere Umland im Jahr 1564. Be- stammen sollen sowie die kunstvoll sonders sehenswert ist das detailgetreue Abbild der gearbeitete Hofgerichtsscheibe von mittelalterlichen Kernstadt. Auf der Pürschgerichtskar- 1573, welche die Verleihung des Kai- te sind sowohl Herrenzimmern, der Stammsitz der Gra- serlichen Hofgerichts durch Konrad III fen von Zimmern, als auch ihre Rottweiler Stadthäuser an die Reichsstadt Rottweil im Hoch- zu erkennen. Bei der Leihgabe handelt es sich um die mittelalter darstellt. Zudem wird auch Christian Landenbergers Wurzeln wohl einzige existente Kopie in Originalgröße. Sie hängt eine digitale Variante der Pürschge- normalerweise im Amtszimmer des Oberbürgermeis- richtskarte ausgeliehen, die es dem Be- ters. Das über zwei Meter im Durchmesser große Expo- sucher ermöglicht, sich an einem Bild- Zum 150. Geburtstag des Künstlers - Von Prof. Dr. Günther Schweizer nat entstand Ende des 19. Jahrhunderts. Die detailge- schirm Details der Karte mit Erklärun- treue Kopie fertigte der Zeichner, Bildhauer und Alter- genanzuschauen. Zwei Maler von internationalem Rang hat das würt- tumsforscher Oskar Hölder (1832 – 1894) an. Hölder ist Die Ausstellung bietet vielfältige tembergische Amts- und Grenzstädtchen Ebingen her- in Rottweil vor allem durch seine Zeichnungen von Alt- Einblicke in die Adelswelt des Spätmit- vorgebracht, Johann Ludwig Krimmel und Christian Rottweil und als Namensgeber der Hölderstraße be- telalters und dokumentiert das kultu- Landenberger. Beide entstammen Ebinger Handwer- kannt.„ManwolltedemfürdieRottweilStadtgeschichte relle Erbe der Grafen von Zimmern, die kerfamilien, die über viele Jahrhunderte in Ebingen das so bedeutsamen Original nicht den weiten Weg nach mit der „Zimmerschen Chronik“ Leben auf der Südwestalb mitbestimmt haben. Wäh- Meßkirch zumuten. Ab September wird die Pürschge- buchstäblich Geschichte geschrieben rend Krimmel1, nun mit den Vornamen John Lewis, richtskarte dann aber im Original im Dominikanermu- haben. sein kurzes Leben (1786 – 1823) als Erwachsener weit- gehend in Amerika verbrachte, machte Christian Land- enberger (1862 – 1927) in seiner schwäbischen Hei- mat Karriere. Er ist vor 150 Jahren in Ebingen geboren worden, Anlaß für eine Ausstellung der städtischen Kunstsammlungen „Galerie Albstadt“, diesmal zum Thema Spiegelbilder | Lichtreflexe, ergänzt durch ganz andersartige, aber themenverwandte Werke von Adolf Die Termine im Oktober und November Luther (1912 – 1990). Im vorliegenden Aufsatz geht es nicht um die Bio- Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung grafie und um die unbestrittene künstlerische Bedeu- tung von Christian Landenberger, sondern um die Spu- OKTOBER bedingt. Nachmittags werden die beiden Ausstellun- Dr. Christoph Morrissey, 20 Uhr, Landratsamt Zol- ren seiner Herkunft, um seine Vorfahren und um die gen der Landesausstellung „Die Welt der Kelten“ be- lernalbkreis, Balingen, Hirschbergstr. 29, Sitzungssaal, unglaublich dichte Vernetzung der Landenberger mit sucht, nämlich „Zentren der Macht“ im Kunstgebäu- Eintritt frei. anderen Ebinger Familien. Um seinen künstlerischen Mittwoch, 10. Oktober: Lesung im Rahmen des Ba- de Stuttgart (Schlossplatz 2) und „Kostbarkeiten der Rang wenigstens anzudeuten, seien aus der Mono- linger Stammtisches im Gasthof Lang mit Dr. Diet- Kunst“ im Landesmuseum Württemberg (Altes Donnerstag, 29. November: Rückblick 2012 und Aus- grafie von Heinz Höfchen (1986) über Christian Land- mar Färber. Dr. Färber liest Geschichten aus seinem Schloss). Die wohl größte Keltenausstellung seit drei- blick 2013 mit Wolfgang Willig. Vortrag: Milieus und enberger die ersten Sätze des Vorworts zitiert: Buch „Schwäbische G’schichta“, 17 Uhr, Storchen- ßig Jahren widmet sich der Bedeutung dieser Kultur Wahlergebnisse im Oberamt Balingen 1919 – 1933 „Christian Landenberger zählt zu den bedeutenden zimmer, Gasthof Lang, Wilhelm-Kraut-Straße 1, Ba- als eine der prägenden Kräfte der europäischen Ge- mit Dr. Michael Walther, 18 Uhr, Landratsamt Zol- Meistern, die die schwäbische Malerei hervorgebracht lingen. schichte. Es werden beeindruckende Exponate aus Mu- lernalbkreis, Balingen, Hirschbergstraße 29, Sitzungs- hat. Für den Bereich der schwäbischen Freilichtma- seen in ganz Europa und spektakuläre Neufunde prä- saal, Eintritt frei. lerei der Zeit zwischen 1880 und 1920 muss er als zent- sentiert. Nach den offiziellen Führungen besteht Ge- rale Künstlerpersönlichkeit angesprochen werden. Im Samstag, 13. Oktober: Exkursion nach Stuttgart zur legenheit, die Ausstellungen noch selbstständig zu er- gesamtdeutschen Vergleich impressionistischer Ma- Landesausstellung „Die Welt der Kelten: Zentren der kunden. lerei ist er nach den mit Berlin verbundenen Künst- Macht“ und „Kostbarkeiten der Kunst“ und zur Aus- Bahnfahrt,AbfahrtinAlbstadt-Ebingen8:12Uhr,8:27 Stammtische lern Max Liebermann, Max Slevogt und Lovis Corinth stellung „Anständig gehandelt – Widerstand und Uhr Balingen, Hechingen 8:39 Uhr. Rückfahrt ab Stutt- neben Fritz von Uhde der führende Vertreter der süd- Volksgemeinschaft 1933 – 1945“ (Haus der Ge- gart 18:16 Uhr. Ankunft Hechingen 19:18 Uhr, Balin- Jeweils am 1. Mittwoch eines Monats trifft sich unter deutschenKomponentedesStils.Undnichtzuletztwird schichte) mit Dr. Andreas Zekorn. gen 19:30 Uhr, Ebingen 19:52 Uhr. Umlage 30 Euro für der Leitung von Dr. Peter Th. Lang der Ebinger Stamm- Christian Landenbergers Einfluss als Akademielehrer In Abänderung des Programms, wird vormittags die Fahrt, Eintritte und Führungen. tische im Café Wildt-Abt, Sonnenstraße 67, 72458 Alb- maßgeblich für die Tradition der gegenständlichen Ausstellung „Anständig gehandelt – Widerstand und stadt-Ebingen: Telefon (0 74 31) 41 88. Malerei des 20. Jahrhunderts in Schwaben.“ Die um- Volksgemeinschaft 1933 – 1945“ im Haus der Ge- fangreichsten und wichtigsten Werke Landenbergers schichte besucht. Dieser Besuch geschieht auf Einla- Mittwoch, 17. Oktober: Vortrag „Judennasen, Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- befinden sich in der Städtischen Galerie Albstadt, im dung von Manfred Kaut, der durch die Ausstellung „Ge- Mönchsvisagen, Muslimkarikaturen. Kontinuitäten schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- Kunstmuseum Stuttgart und in der Staatsgalerie Stutt- org Elser“ im Landratsamt Zollernalbkreis führte. Die religionsphysiognomischer Stereotype“ mit Prof. Dr. chingen, Telefon (0 74 71) 1 55 40 / Fax (0 74 71) gart. Ausstellung zeigt am Beispiel konkreter Aktionen, wie Paul Münch, 20 Uhr, Landratsamt Zollernalbkreis, 1 22 83. Email: anfrage@heimatkundliche-vereini- Über Leben und Werk des Malers unterrichten zahl- sich Einzelne und Gruppen im Kleinen und Großen ge- Balingen, Hirschbergstraße 29, Sitzungssaal, Eintritt gung.de oder über unsere Homepage www.heimat- reiche Publikationen. In einem Projekt des Gymnasi- gen den Nationalsozialismus zur Wehr setzten. Der frei. kundliche–vereinigung.de. ums Ebingen mit der Galerie Albstadt, eingebettet in Ausstellungsbesuch fügt sich in das Schwerpunktthe- Der emeritierte Professor für Neuere Geschichte an die landesweite Aktion LernStadtMuseum, wurde Li- ma der Heimatkundlichen Vereinigung 2012, ist aber der Universität Duisburg-Essen setzt sich in seinem Bei allen Veranstaltungen sind Gäste jederzeit herz- teratur zu Christian Landenberger zusammengestellt; auch durch das umfangreiche Nachmittagsprogramm Vortrag mit der Physiognomik auseinander. Dies ist ei- lich willkommen. mehr als 50 Aufsätze, Werkbeschreibungen, Ausstel- ne schon viele Jahrhunderte verbreitete pseudowis- lungskataloge, Biografien und Nekrologe kamen zu- senschaftliche Methode, aus der körperlichen Er- sammen2. Auch eine tabellarisch gestaltete Biografie scheinung eines Menschen Rückschlüsse auf dessen und eine Liste der zahlreichen Ausstellungen, auf de- Charakter und geistige Fähigkeiten zu schließen. Der Herausgegeben von der nen Werke von Landenberger, dem „schwäbischen Im- Vortrag spannt einen Faden von dem angeblich ver- Heimatkundlichen Vereinigung pressionisten“, gezeigt wurden oder die allein seinem schlagenen Gesichtsausdruck der Jesuiten, über die an- Zollernalb Werk galten, wurden im Projekt erarbeitet. Der Autor dieser Ausgabe geblich finsteren Charakterzüge, die jüdischen Mit- Begegnet einem namenkundlich erfahrenen Schwa- bürgern unterstellt wurden bis hin zu den aktuellen Vorsitzender: ben jemand namens Landenberger, dann setzt er die- Darstellungen von Muslimen in Teilen der westlichen Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, sen gleich in Beziehung zu Ebingen, heute Hauptort Medien. Die Mechanismen von Diskriminierung und 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 von Albstadt. Zwar sind die Landenberger heute über Ausgrenzung haben unter Zuhilfenahme der Physi- ganz Deutschland verbreitet und auch in den USA nicht Prof. Dr. Günther Schweizer ognomik zu allen Zeiten, bis in die Gegenwart hinein, Geschäftsführung: selten, aber die Wurzeln fast aller Landenberger lie- Christian Landenberger auf einem Selbstbildnis von 1910, Bleistift, Galerie Albstadt, Stiftung Sammlung Walter Groz. Ahornweg 6 nach ähnlichen Mustern funktioniert. Erich Mahler, Mörikeweg 6, gen, so weit bekannt, in Ebingen. Einzige Ausnahmen 72076 Tübingen 72379 Hechingen, sind frühe Vorkommen in Kirchheim unter Teck3,wo lingen, Brackenheim, Esslingen, Grötzingen, Helm- nen sind aus den Kirchenbüchern die Sterbedaten – Telefon (0 74 71) 1 55 40 ein Matheuß Landenberger und seine Frau Catharina lingen, Pfullingen, Schramberg, Stuttgart oder Wal- er stirbt 1609, 70-jährig, sie 1622 als 90-Jährige – und E-Mail: e. [email protected] im ersten Taufbuch 1558, 1560 und 1562 als Eltern drei- denbuch weiter verbreiteten, stammen alle von einem die Taufdaten der 10 Kinder, von denen die beiden ers- NOVEMBER er Täuflinge genannt werden, und in Kreuzlingen bei gemeinsamen Stammvater ab. In seinem bewun- ten vor Beginn des Taufbuches zur Welt kamen, das Redaktion: Konstanz, von wo Johann Caspar Landenberger, ein dernswert breit angelegten „Familienbuch der Nach- letzte, wieder ein Jacob, im Jahr 1581. Dr. Walter Stett- Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, ehemaliger Mönch des dortigen Benediktinerklosters kommen des Jacob Landenberger von Ebingen“ (1941) ner, dem Ebinger Stadthistoriker, ist es zu danken, dass Mittwoch, 14. November: Vortrag Kelten und kelti- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 sich 1665 nach Poltringen4 bei Herrenberg verheiratet. nennt der Autor Max Rösch eben diesen Jacob mit sei- er ein Einwohnerbuch5 aller vor 1600 urkundlich ge- sche Höhensiedlungen in der Region Zollernalb mit Und die Ebinger Landenberger, ob sie sich nach Ba- ner Frau Magdalene als Stammeltern. Bekannt von ih- nannten Ebinger angelegt hat, das uns im Falle der Seite 1815 Heimatkundliche Blätter Oktober 2012 mann“, die dem „Landrat vorrechnet, es gehe hier um ment“. ein Theaterjahresbudget, das nur ein Zehntel des Mo- Uwe Zellmer beschreibt in natsgehalts vom künftigen Sparkassendirektor in Stutt- seinem autobiografischen gart umfasse“. Als Haasis Jahre später als „oberster na- Roman die Höhen und die tionaler Sparkassier“ verabschiedet wird, treten Hurm Tiefen seines Lebens. Und und Zellmer beim Fest auf. „So isch no aus wieder. Die ein großer Teil seines Le- Dialektik sitzt in der Ecke und lächelt vor sich na“, bens ist eng verknüpft mit schreibt Zellmer. dem Lindenhof. Er schreibt Die Balinger Stadthalle ist die zweite Heimat der Mel- über das Gelingende und das chinger - und das nicht erst seit der Nikodemus-Frisch- Scheiternde, über die Rei- lin-Inszenierung. Stadthallenchef Uli Klingler be- sen nach Frankreich und kommt eine liebevolle Würdigung. Im Buch heißt er Italien, über Melchingen und Uli Leuter, „der an seinem Lebensstammtisch von die raue Alb, über Charak- Jahrgang 59 31. Oktober 2012 Nr. 10 Stadthallenanfängen an 'Picasso' genannt wird“. Zell- ter- und Betonköpfe, über mer erinnert sich gerne an die Besuche bei Leu- samtigen Trollinger und den ter/Klingler: „Manch Aufenthalt gab es im heimlichen „schwarzen Cahors“, über Wasen auf der südlichen Terrasse mit 'Entre deux Mers' Hölderlin und Uhland. von Bordeaux oder leichtem Hagnauer vom Boden- „Himmelsberg, Engels- see“. wies“ ist ein Reiseroman, ein Auch die Unternehmerin Claudia Mock, im Buch Schelmenstück, ein Thea- heißt sie Claudia Instetten, aus Stetten am kalten Markt terroman, ein Blick in die bekommt eine ausführliche Würdigung. Sie war maß- Abgründe der schwäbischen geblich daran beteiligt, dass der Lindenhof zu Auf- Seele, ein Buch über führungen nach Stetten kam. Freundschaftenund Kon- Wehmütig sind die Stellen im Buch über den Tü- kurrenz. binger Rhetorik-Professor und Literaten Walter Jens, „Irgendwie gewöhnt man der zusammen mit seiner Frau Inge Jens immer hinter sich im Leben an das Le- den Lindenhöflern stand, sie ermuntert hat. Als Zell- ben“, schreibt Zellmer. mers Töchter in Tübingen zur Welt kommen, be- „Himmelsberg, Engelswies“ kommt der erschöpfte Vater eine Einladung zum Kaf- ist ein Buch über das Leben fee bei den Jensens. Die Melchinger sind auch immer und darüber, wie man sich noch gern gesehene Gäste, als Walter Jens an Demenz ans Leben gewöhnt. erkrankt. Als Holder/Hurm Hölderlins Gedicht „An- denken“ rezitiert, „erhellt sich der Kranke, Leben kommt in die Augen, Farbe auf die Wangen und er hebt Info die Arme wie einst im Festsaal, ja, sagt er, oh ja!“ Es ist ei- Uwe Zellmer: „Himmels- ne der berührendsten Stellen des Buches. Das kurze berg, Engelswies.“ 236 Sei- Auftauchen aus der Erinnerung. „Es ist Hölderlin“, ten, Verlag Klöpfer und Mey- schreibt Uwe Zellmer, „und es ist ein wunderbarer Mo- er, Tübingen. Exkursionen und Termine Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung

NOVEMBER keltischer Zeit vorgestellt, ergänzt um neue Erkennt- STAMMTISCHE nisse der letzten Jahre.

Mittwoch, 14. November: Vortrag Kelten und kelti- Beginn: 20 Uhr, Landratsamt Zollernalbkreis, Ba- Jeweils am 1. Mittwoch eines Monats trifft sich unter sche Höhensiedlungen in der Region Zollernalb mit lingen, Hirschbergstr. 29, Sitzungssaal, Eintritt frei. der Leitung von Dr. Peter Th. Lang der Ebinger Stamm- Dr. Christoph Morrissey. tische im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 Alb- stadt-Ebingen: Tel.: 07431 4188. Was hat es mit den gewaltigen Steinwällen und Grä- Donnerstag, 29. November: Rückblick 2012 und Aus- ben auf dem Gräbelesberg bei Hossingen, den Wällen blick 2013 mit Dr. Andreas Zekorn. Vortrag: Milieus Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- auf dem Katzenbuckel oder der seichten Rampe um und Wahlergebnisse im Oberamt Balingen und in Ho- schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- den Sendeturm am Plettenberg auf sich? Ein kelti- henzollern 1919 – 1933 mit Dr. Michael Walther. chingen, Telefon 07471-15540 / Fax 07471-12283. scher Hof stand auch auf der Felsenhöhe des Lo- Email: [email protected] chenstein. Bekannt ist Vielen ja die Heuneburg bei Dr. Andreas Zekorn hält eine Rückschau auf das Jahr oder über unsere Homepage www.heimatkundli- Hundersingen, die keltische Stadtbefestigung an der 2012 und gibt einen Ausblick auf das Programm des Jah- che–vereinigung.de. Donau. Warum aber zog es die Menschen der Vorzeit res 2013. Danach wird Dr. Michael Walther in seinem auf abgelegene Höhen mit Nachteilen wie fehlendem Vortrag auf die Wahlergebnisse im württembergi- Bei allen Veranstaltungen sind Gäste jederzeit herz- Wasser, weiter und beschwerlicher Wege oder rauher schen Oberamt Balingen und im preußischen Ho- lich willkommen. Witterung? Den unterschiedlichen Spuren keltischen henzollern mit seinen beiden Kreisen Hechingen und Lebens an diesen Orten nachzugehen, setzt sich der be- Sigmaringen in der Zeit der Weimarer Republik (1919 Kundgebung der Ebinger Arbeiter mit Gewerkschaftssekretär Wilhelm Sauter auf dem Schweinweiher am 12. November 1918 (Signatur: StadtA Albstadt, Bildnissammlung, Nr. B-238) bilderte Vortrag zum Ziel. Ausgehend von der Zoller- – 1933) eingehen. Ein Vergleich der beiden Gebiete zeigt nalb werden bekannte aber auch weniger bekannte Be- erstaunliche Unterschiede im Wahlverhalten der je- festigungsanlagen oder einfache Höhensiedlungen aus weiligen Bevölkerung. Dabei geht es unter anderem um die Frage, in welchem Zusammenhang die Sozialis- tengesetzgebung und der Kulturkampf der Bismar- ckära mit dem Wahlverhalten der Menschen in den Tausend Menschen auf den Straßen 1920er Jahren stehen? Von Interesse ist auch das The- Herausgegeben von der ma, in welchen Gebieten die Nationalsozialisten be- Heimatkundlichen Vereinigung Die Arbeiterunruhen in Ebingen (1) – Von Dr. Peter Thaddäus Lang sonders erfolgreich und welche Voraussetzungen da- Zollernalb Die Autoren dieser Ausgabe für notwendig waren. Die Veranstaltung wird mit ei- (2) nem gemütlichen Zusammensein ausklingen. Gäste Vorsitzender: Arbeiterunruhen in Ebingen, wird sich der geneigte Le- einzustellen , nachdem diese aus dem Krieg heim- schrieb, taxierte das liberale Blatt, „Der Neue Alb-Bo- sind dabei wie immer herzlich willkommen. Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, ser fragen, ist das überhaupt möglich? Arbeiterunru- gekehrt waren, doch dagegen standen die wirtschaft- te“, deren Zahl auf einige Tausend. Selbst wenn die Dr. Peter Thaddäus Lang 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 hen in einer eher beschaulichen Kleinstadt auf der lichen Probleme der Unternehmen: Der bereits wäh- letztgenannte Zahl übertrieben sein sollte, so wäre ein Lammerbergstraße 53 Beginn: 18 Uhr, Landratsamt Zollernalbkreis, Ba- Schwäbischen Alb? Und in der Tat, das war möglich, rend der Kriegsjahre herrschende Rohstoffmangel blieb Protestzug von tausend Teilnehmern in einer kleine- 72461 Albstadt lingen, Hirschbergstr. 29, Sitzungssaal, Eintritt frei. Geschäftsführung: vor längerer Zeit allerdings, als kurz nach dem Ersten weiterhin akut; außerdem waren mit dem Krieg viele ren Kommune von damals rund 12000 Einwohnern Erich Mahler, Mörikeweg 6, Weltkrieg die Voraussetzungen hierzu gegeben waren. Auslandsmärkte weggebrochen. doch recht ansehnlich. An diesem Tag wurde in ei- 72379 Hechingen, Am meisten machte damals den Menschen die ka- Am 2. Juli 1919 zog einer der ersten großen De- nem Großteil der Ebinger Fabriken nicht gearbeitet. Daniel Seeburger Telefon (0 74 71) 1 55 40 tastrophale Lebensmittelversorgung zu schaffen. Wäh- monstrationszüge durch Ebingen. „Nicht ganz uner- Im Rathaus trafen sich die Vertreter der Gewerk- Grünewaldstr.15 DEZEMBER E-Mail: e. [email protected] rend in den Kriegsjahren die Unzufriedenheit durch wartet, aber im Augenblick doch überraschend ver- schaften mit den Unternehmern, um über die Forde- 72336 Balingen die starken staatlichen Reglementierungen gedämpft anstaltete die hiesige Arbeiterschaft […] gestern vor- rungen der Arbeiter zu verhandeln. Wichtigstes An- Redaktion: blieb, artikulierte sich Anfang 1919 der Unmut in zu- mittag um 9 Uhr einen Demonstrationszug durch die liegen war dabei die Rücknahme der ausgesproche- Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, nehmender Häufigkeit. Hinzu kam für viele Arbeiter Stadt und an den verschiedenen Fabrikgebäuden vor- nen Kündigungen. Während die Verhandlungspartner Im Dezember finden keine Veranstaltungen statt. Der 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 die Ungewissheit ihrer Existenz. Zwar zeigten die meis- bei.“ (3) Während die konservative Zeitung Ebingens, im Gebäude zum Teil „sehr erregt“ diskutierten, war- Stammtisch in Albstadt-Ebingen findet statt. ten Firmen sich bereit, ihre früheren Arbeiter wieder „Der Alb-Bote“, von mehreren Hundert Teilnehmen teten auf der Marktstraße einige Hundert Demonst- Seite 1813 Heimatkundliche Blätter Oktober 2012 Oktober 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1814

ranten. Einen solchen Aufmarsch der Arbeiter hatte es ensleute der Gewerkschaft wie auch die Kartelldele- meinderat monierte die Arbeiterdelegation die be- nächst war vorgesehen, dass ein Untersuchungsaus- ter schilderte derselbe Schreiber das Verhalten vieler Protest der Arbeiter. Dieses Engagement führte dazu, in Ebingen zuvor noch nie gegeben; nie zuvor war hier gierten (6) und die Arbeiterausschussmitglieder, dass die kanntgewordenenSchiebereienmitLebensmittelnund schuss unter Vorsitz des Gewerkschaftssekretärs die er- Bürger – vielleicht auch sein eigenes –, nachdem er den dass er wenig später aus Württemberg ausgewiesen in diesem Umfang demonstriert und gestreikt wor- Arbeiterschaft mit den so genannten „hohen Löhnen“ Gebrauchsgütern. Dies wurde protokolliert, wie üb- hobenen Vorwürfe klären sollte. Doch damit war die Einfluss radikaler Arbeiter kritisiert und das Verhalten wurde (19). den. Dass sich jetzt in so kurzer Zeit so viel veränder- nur verhöhnt und verspottet werde: „Angesichts der lich in dem hinlänglich bekannten, ungelenken Be- anwesende Arbeiterdelegation überhaupt nicht ein- der gemäßigten Sozialdemokraten gelobt hatte: „Wie Obwohl die Proteste schlussendlich wenig Erfolg zei- te, versuchte Gewerkschaftssekretär Wilhelm Sauter Preissteigerungen bloß in der allerletzten Zeit wäre ei- amtendeutsch: „Die vorgenommene Prüfung der Ver- verstanden. Sie forderte „stürmisch“ die Entlassung des aber verhielt sich das Bürgertum kläglich! Es stand mit tigten, so erwies sich doch, dass die Arbeiterschaft sich den Unternehmern zu erklären: „In der Zeit größter ne Lohnerhöhung von mindestens 80 Prozent das un- teilungsstücke habe ergeben, daß verschiedene Per- korrupten Beamten und zeigte sich erst bereit, das Rat- verschränkten Armen auf der Straße, oder – wie bei sich als geschlossene Gruppe auftrat. Ein Bewusstsein Entbehrung und Opfer sei der Arbeiterschaft eine bes- bedingt Nötigste, um nur einigermaßen einen Aus- sonen, die nicht zu den Minderbemittelten zählen, von haus zu verlassen, als der Gemeinderat schließlich doch Fastnachtsumzügen – an den Fenstern der benach- für die Interessen der eigenen, sozialen Schicht be- sere Zeit, der 'Dank des Vaterlandes' versprochen wor- gleich zu schaffen.“ Im November 1919 erhöhten sich diesen [Beamten oder Angestellten] Kleidungsstücke noch auf ihre Forderungen einging. Nun verließ die Ab- barten Gebäude, jammerte über die schlimmen Zei- gann sich aufgrund der wirtschaftlichen Notlage zu den. Leider sei von alledem nichts zu spüren; viele die Löhne der Textilarbeiter um 43 Prozent gegenüber erhalten haben, sodann haben die Kaufleute bei Aus- ordnung endlich das Ebinger Rathaus, allerdings nur, ten und die noch schlimmeren Leute , und hernach entwickeln. Viel Kredit verspielte dabei die klassische könnten nicht einmal Arbeit finden, die ihre Lebens- dem jüngsten Tarifvertrag im Juni. Allerdings erreich- gabe der Manufakturwaren solche für die guten Kun- um sich anschließend zum Gasthof zum Palmengar- beim Schoppen machte man seinem gepreßten Her- Vertreterin der Arbeiter-Interessen, die SPD, durch ihr existenz sichern würde.“ (4) ten die Arbeiter auch, dass der Acht-Stunden-Tag ein- den zurückgelegt, so daß, als die Inhaber der Bezugs- tenzuverfügen,wodieEbingerMetallindustriellenüber zen Luft durch kräftiges Schimpfen über 'Gott und zögerliches Handeln. Sie musste es postwendend bü- Hier sprach der Gewerkschaftler neben den mate- geführt wurde (7). scheine in den Läden erschienen, bald nichts mehr zu Lohnforderungen berieten. Der damalige Ebinger Welt'!“ Am Ende des Leserbriefs bemerkte die Redak- ßen: Hatten die Sozialdemokraten bei den Gemein- riellen Nöten auch die psychische Lage der Arbeiter Die katastrophale Lebensmittelversorgung war ein bekommen war, während die guten Kunden, als sie spä- Stadtchronist Gottlob Friedrich Hummel (12) beschrieb tion des „Neuen Alb-Boten“, dass „nun alle Kreise in derastwahlen 1919 noch 40,75 Prozent der Stimmen an: Die herbe Enttäuschung nach so vielen Verspre- weiteres, ebenso wichtiges Problem, das überhaupt ter erschienen, ihre Waren abholen konnten.“ (10) dies folgendermaßen: „Die ausgerückten Burschen be- der Presse zu Worte gekommen sind“ und man die öf- einfahren können, so war es 1922 fast nur noch die Hälf- chungen; und schon wieder kämpfen zu müssen, jetzt nicht in den Griff zu bekommen war. Viele Grund- Doch damit nicht genug: Ein früherer städtischer An- setzten die Ausgänge des Gasthofs und … gaben durch fentliche Aussprache als abgeschlossen betrachte. Auch te davon, nämlich 23,85 Prozent (20). nicht für das Vaterland, sondern um die eigene, blan- nahrungsmittel konnte man immer noch nur mit Le- gestellter ließ sich vom Hausmeister des Rathauses den schlimme Androhungen zu verstehen, daß sie von den dies war ein Merkmal der Auseinandersetzung: Die ke Existenz. Nach knapp dreistündigen Verhandlun- bensmittelmarken bekommen. Die Klagen über Schie- Schlüssel geben und nahm 186 Meter Bettkattun mit, vorgebrachten Forderungen sich nichts abhandeln lie- Konfrontation fand fand vor allem in den beiden Lo- gen konnten sich die Gewerkschaftsvertreter zunächst bereien nahmen zu: So wurde ein Metzger beobach- der eigentlich an Bedürftige hätte verteilt werden sol- ßen.“ (13) kalzeitungen statt. Der Gemeinderat setzte dann et- einmal durchsetzen. Gleichzeitig aber betonten die tet, der zu später Stunde heimlich Fleisch in „bessere len. Ein im Rathaus beschäftigter Sekretär versorgte sich Zwei Tage später nahmen die Gemeinderäte ihre Zu- was hilflos die entsprechenden Punkte auf die Tages- Unternehmer, dass die Arbeiter nicht vergessen soll- Häuser“ getragen habe, nachdem er tagsüber Kund- ebenfalls mit Kattunstoff. Dieser Letztgenannte hatte geständnisse wieder zurück, da „dem von der Arbei- ordnung, die schon längst publik und eben aufgrund Anmerkungen ten, „in welch schwieriger Lage sich fast alle Betriebe schaft mit Bezugskarten abgewiesen hatte. Auch auf sich schon während des Kriegs bei den Arbeitern un- terdemonstration erzwungenen Entlassungsbeschluss der Veröffentlichungen emotional aufgeladen waren. befinden, wie schwer es sei, eine Arbeitsmöglichkeit dem Rathaus (hier wurden Gebrauchsartikel verteilt) beliebt gemacht. Die Arbeiterdelegation forderte des- natürlich keine Rechtskraft zukommen könne.“ Den- Mithin führte die Sprachlosigkeit der Ratsgremien 1) Es handelt sich um ein Kapitel des 1990 bis 1992 aufrecht zu erhalten.“ Nach diesem Verhandlungser- ging offenbar nicht alles mit rechten Dingen zu. „Hier halb „[er] habe seinen Posten zu verlassen, da die Er- noch wurden die von den Arbeitern Beschuldigten zu- dazu, dass vor allem auch die Gewerkschaften die Ini- im Auftrag der Stadt Albstadt von Gerhard Hauser gebnis löste sich die erste Ebinger „Großdemo“ auf. stinkt's“ kommentierten Arbeiter den Zustand nicht regung gegen ihn, insbesondere wegen der groben Be- nächst beurlaubt. Indes blieben die Arbeiter erfolg- tiative ergriffen, um die am meisten drängenden Prob- erstellten und von mir begleiteten Manuskripts mit Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen blieben eben schmeichelhaft. Mindestens zwei Rathaus-An- handlung der Kriegerfrauen während der Kriegszeit bei reich mit ihrer Forderung, eine Verteilungskommissi- leme zu lösen. Dass dabei die radikaleren USPD-Mit- dem Arbeitstitel „Albstadt im 20. Jahrhundert“, das jedoch für die Unternehmen auch weiterhin wenig ro- gestellte hatten von den Waren einiges abgezweigt, ins- Einreichung von Urlaubsgesuchen etc. sehr groß sei.“ on unter ihrer Beteiligung einzusetzen. Doch bereits glieder (15) mehr und mehr die Führung übernahmen, seinerzeit leider nicht zur Veröffentlichung kam. sig. Trotz der „Good-Will“-Erklärung der Industriellen besondere Schuhe und Bettwäsche, und ihre Ange- (11) bei der Zusammenstellung des Ausschusses entstand lag auch daran, dass die recht moderaten Sozialde- Für die Veröffentlichung in den „Heimatkundli- mussten immer wieder Arbeiter entlassen werden. Um hörigen damit versorgt (8). Zur Sprache kam dann auch zum wiederholten Mal böses Blut: Noch in derselben Gemeinderatssitzung mokraten erst Stellung bezogen, nachdem die de- chen Blättern“ musste der Text von Grund auf nicht gleich ganze Familien an den Rand ihrer Exis- Diese Missstände schufen unter den Arbeitern die schlechte Versorgung mit Grundnahrungsmitteln. musste sich ein Fraktionsmitglied der Deutschen De- monstrierenden Arbeiter Druck gemacht hatten. Erst überarbeitet werden. Die hier geschilderten Vor- tenz zu bringen, kam aus dem Rathaus die Verfügung, schnell böses Blut. Sie bildeten eine Abordnung, die In diesem Punkt wollte sich der Gemeinderat für eine mokratischen Partei, das als Ausschussmitglied vor- vier Tage nach der großen Demonstration und dann gänge auch bei Walter Stettner, Ebingen, Ge- dass weibliche Arbeitskräfte durch männliche ersetzt währendeinerGemeinderatssitzungam14.Januar1920 Verbesserung einsetzen. Bei der Verteilung der Ge- gesehen war, den Vorwurf gefallen lassen, er habe be- auch noch in einem Leserbrief stellte der SPD-Abge- schichte einer württembergischen Stadt, Sigma- werden sollten (5). Das Gewerkschaftskartell setzte auch in das Rathaus eindrang und auf der Zuschauertribü- brauchsartikel sollten in Zukunft auch Gewerk- hauptet, dass jeder Preis für die Waren verlangt wer- ordnete Johannes Zahner fest, dass dieser der Kor- ringen 1986, S. 484-487: Sehr knapp und aus der Lohnerhöhungen durch, die allerdings die immer stär- ne Platz nahm. Vor dem Rathaus wartete wie schon zu- schaftsvertreter anwesend sein. Zu personellen Kon- den könne, „die Leute bezahlen es ja“. Allerdings konn- ruption verdächtigte Beamte „schon während des Krie- Sicht eines Bildungsbürgers alter Schule, so z.B. S. ker voranschreitende Inflation kaum auffangen konn- vor eine für Ebinger Verhältnisse riesige Menschen- sequenzen, vor allem gegen den bewussten Sekretär, te sich der Vertrauensmann der Gewerkschaft, der die- ges von seinem Posten hätte entfernt werden müs- 484: „die Linken erstrebten die Räterepublik, die ten. So beklagten im Januar 1920 sowohl die Vertrau- menge von über tausend Arbeitern (9). Vor dem Ge- konnte sich das Gremium nicht durchringen: Zu- sen Spruch gehört haben wollte, bei einer Gegen- sen.“ (16) Diktatur des Proletariats und ein enges Bündnis überstellung dann doch nicht mehr daran erinnern. Offensichtlich wurde also die schlechte Stimmung mit der Sowjetunion“. Dass eben auch Gerüchte, Falschmeldungen und unter den Arbeitern unterschätzt, denn es ging eben 2) Stadtarchiv Albstadt, der Neue Alb-Bote 27. No- Denunziationen zuhauf in Ebingen kursierten, das er- nicht nur um die korrupten Beamten, die das Rathaus vember 1918. leichterte die Arbeit der biederen Rathausleute kei- als Selbstbedienungsladen benutzten. Den Arbeitern 3) Ebenda, 3. Juli 1919. neswegs. Mit einer Erklärung, die in beiden Lokalzei- war klar, dass sich nicht so schnell etwas ändern wür- 4) Ebenda. tungen abgedruckt wurde, wehrten sie sich vehement de, auch wenn der Gemeinderat beschloss, für „eine 5) Gottlob Friedrich Hummel, Geschichte der Stadt- dagegen, von der Bevölkerung als Sündenböcke pau- bessere Versorgung mit Fleisch und Mehl beim Kom- gemeinde Ebingen, 2. Aufl. 1936, S. 199. schal für alle Missstände verantwortlich gemacht zu munalverband zu sorgen.“ Anders da es aus, was die 6) Bezeichnung für eine bestimmte Art des Funkti- werden. „Mit aller Entschiedenheit müssen wir … da- personellen Konsequenzen in Ebinger Rathaus anbe- onsträgers innerhalb der Gewerkschaft. gegen Verwahrung einlegen, daß die gegen einzelne traf. Hier sahen die Arbeiter immerhin größere Chan- 7) Der Neue Alb-Bote, 3. November 1919. Beamte und Angestellte erhobenen Beschuldigungen ce, sich direkt durchzusetzen. Doch auch dies sollte 8) Ebenda, 14. Januar 1920. auf die Gesamtheit ausgedehnt wird.“ Außerdem fühl- nicht gelingen, denn die Kreisregierung lehnte es ab, ei- 9) Der Alb-Bote, 15. Januar 1920. ten sie sich vom Ratsgremium im Stich gelassen. In ne Disziplinaruntersuchung einzuleiten (17). Statt des- 10) Stadtarchiv Albstadt, Stadt Ebingen, Gemeinde- der folgenden Sitzung am 19. Januar bekundeten die sen mussten vierzig Arbeiterinnen und Arbeiter damit ratsprotokoll 14. Januar 1920. Gemeinderäte zwar den Beamten ihr Vertrauen, sie rechnen, „wegen Aufruhrs, Hausfriedensbruchs und 11) Ebenda. stellten sich aber selbst ein Zeugnis bemerkenswerter Nötigung“ vor dem Kadi zu landen. Die Staatsanwalt- 12) Über diesen vgl. Peter Thaddäus Lang in: Hei- Hilflosigkeit aus: „Von einer Veröffentlichung der Ver- schaft Rottweil stellte dann aber das Verfahren bei den matkundliche Blätter Februar 1999. trauenserklärung möchte der Gemeinderat im Inte- meisten Demonstranten denn doch ein. Schließlich 13) Hummel, wie Anm. 5, S. 221. resse der Ruhe in der Einwohnerschaft absehen, weil wurden acht Arbeiter angeklagt, wovon fünf zu Haft- 14) Der Neue Alb-Bote, 22. Januar 1920. er selbst das Vertrauen der Einwohnerschaft nicht be- strafen von bis zu acht Monaten verurteilt wurden (18). 15) Unabhängige sozialdemokratische Partei sitzt.“ Übrigens: Rund ein Drittel der Beschuldigten waren Deutschlands. Eine radikalere Abspaltung der SPD, Die materiellen Sorgen wuchsen den Arbeitern hier Frauen, eine bemerkenswerte Tatsache, da weibliches seit 1917; versinkt ab 1922 in der politischen Be- wie überall in der jungen Weimarer Republik alsbald Engagement in der Politik damals noch nicht sehr lan- deutungslosigkeit (Wikipedia). über den Kopf. Kaum anders ist es zu erklären, mit wie ge akzeptiert war. Weiterhin fällt das jugendliche Alter 16) Der Neue Alb-Bote, 16. Januar 1920. viel Vehemenz man auf den freien Fall unter das Exis- vieler Demonstranten auf, wie es in der Begründung 17) Stadtarchiv Albstadt, Stadt Ebingen, Gemeinde- tenzminimum reagierte. Ein Ebinger Bürger beschrieb der Staatsanwaltschaft zum Ausdruck kommt. Jene Ar- ratsprotokoll 29. Januar 1920. die Stimmung nach der Demonstration in einem Le- beiter, die wegen der Demonstration ins Blickfeld der 18) Wie Anm. 13. serbrief an den „Neuen Alb-Boten“ besonders plas- Polizei gerieten, waren allesamt zwischen 20 und 30 19) Manfred Scheck, Zwischen Weltkrieg und Revo- tisch (14): „In unserem sonst so friedlichen und arbeit- Jahre alt. lution, Köln-Wien 1980, S. 263. Walter Stettner, samen Ebingen ist es seit 8 Tagen, als ob ein Vulkan , an- Da die SPD sich eher halbherzig um die Belange der Ebingen (wie Anm. 1), S. 486: „Seebacher, ein ra- gefüllt mit seit 5 Jahren gesammelten Groll und Ärger Arbeiter kümmerte, schwang sich USPD-Mitglied und dikaler Gewerkschafter, der aus Norddeutschland der Einwohnerschaft, plötzlich seine Lavaströme über Gewerkschaftsführer August Seebacher zu deren Für- zugezogen war, ist bald darauf von der Regierung die Stadt ergieße, alles mit sich fortreißend und zer- sprecher auf. Er leitete nicht nur die Verhandlungen des Landes verwiesen worden.“ störend, was auf dem Weg ihnen begegnet!“ Und wei- mit dem Gemeinderat, sondern organisierte auch den 20) Walter Stettner (wie Anm. 1), S. 461. Die Dialektik lächelt in der Ecke „vor sich na“ Uwe Zellmers schreibt über das Leben und wie man sich daran gewöhnt – Von Daniel Seeburger

„Häbe“ ist der schwäbische Konjunktiv von „ha- man Hans Holder heißt. Zellmer erzählt die Ge- spielsweise. Als das Festival im Zelt eröffnet wird, be- ben“. Im neuen Roman „Himmelsberg, Engelswies“ schichte des Melchinger Theaters, er erzählt Ge- ginnt es zu stürmen. „Der Balinger OB Merkel stemmt schwäbelt Lindehof-Theatermacher Uwe Zellmer al- schichten über das Theater. Die knitzen Älbler, die mit sich mit seinem ganzen staatsmännischen Gewicht ge- lerdings nicht nur im Konjunktiv. ihrer Bauernschläue eine eigene Philosophenschule gen das Unheil, und hält den mittigen Pfosten um- Uwe Zellmer gehört zu den Großen der deutschen gründen könnten, kommen genau so in Zellmers Ro- klammert“. Doch selbst Merkels Einsatz bringt nichts, Theaterszene. Sein neuer Roman „Himmelsberg, En- man vor, wie die staatstragenden Institutionen oder man muss in die Lindenhof-Kneipe fliehen. Zu na- gelswies“, der kürzlich im Tübinger Verlag „Klöpfer und Banken, mit denen Theatermacher verhandeln müs- mentlichen Ehren gelangen der ehemalige Zollernalb- Meyer“ erschienen ist, ist der Roman seines Lebens. sen, wenn das Geplante denn gelingen soll. Landrat Heinrich Haasis, der sich bei der Anfrage auf Obwohl er ins Fiktionale abtaucht, erkennt man ihn Manchmal wird Uwe Zellmer konkret, verzichtet auf Unterstützung eines eigenen Theaters des Zollern-Alb- in seinem alter ego Philipp Heim sofort wieder. Genau Pseudonyme. Bei der Anekdote über die Württem- Kreises nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen will Ansicht auf Ebingen von Süden, um 1920 (Signatur: StadtA Albstadt, Bildnissammlung (Signatur: StadtA Albstadt, Bildnissammlung, Nr. B-756) so wie seinen Mitstreiter Bernhard Hurm, der im Ro- bergischen Theatertage in Melchingen 1994 bei- und die „kühne Sozialdemokratin Helga Zimmer- Seite 1813 Heimatkundliche Blätter Oktober 2012 Oktober 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1814

ranten. Einen solchen Aufmarsch der Arbeiter hatte es ensleute der Gewerkschaft wie auch die Kartelldele- meinderat monierte die Arbeiterdelegation die be- nächst war vorgesehen, dass ein Untersuchungsaus- ter schilderte derselbe Schreiber das Verhalten vieler Protest der Arbeiter. Dieses Engagement führte dazu, in Ebingen zuvor noch nie gegeben; nie zuvor war hier gierten (6) und die Arbeiterausschussmitglieder, dass die kanntgewordenenSchiebereienmitLebensmittelnund schuss unter Vorsitz des Gewerkschaftssekretärs die er- Bürger – vielleicht auch sein eigenes –, nachdem er den dass er wenig später aus Württemberg ausgewiesen in diesem Umfang demonstriert und gestreikt wor- Arbeiterschaft mit den so genannten „hohen Löhnen“ Gebrauchsgütern. Dies wurde protokolliert, wie üb- hobenen Vorwürfe klären sollte. Doch damit war die Einfluss radikaler Arbeiter kritisiert und das Verhalten wurde (19). den. Dass sich jetzt in so kurzer Zeit so viel veränder- nur verhöhnt und verspottet werde: „Angesichts der lich in dem hinlänglich bekannten, ungelenken Be- anwesende Arbeiterdelegation überhaupt nicht ein- der gemäßigten Sozialdemokraten gelobt hatte: „Wie Obwohl die Proteste schlussendlich wenig Erfolg zei- te, versuchte Gewerkschaftssekretär Wilhelm Sauter Preissteigerungen bloß in der allerletzten Zeit wäre ei- amtendeutsch: „Die vorgenommene Prüfung der Ver- verstanden. Sie forderte „stürmisch“ die Entlassung des aber verhielt sich das Bürgertum kläglich! Es stand mit tigten, so erwies sich doch, dass die Arbeiterschaft sich den Unternehmern zu erklären: „In der Zeit größter ne Lohnerhöhung von mindestens 80 Prozent das un- teilungsstücke habe ergeben, daß verschiedene Per- korrupten Beamten und zeigte sich erst bereit, das Rat- verschränkten Armen auf der Straße, oder – wie bei sich als geschlossene Gruppe auftrat. Ein Bewusstsein Entbehrung und Opfer sei der Arbeiterschaft eine bes- bedingt Nötigste, um nur einigermaßen einen Aus- sonen, die nicht zu den Minderbemittelten zählen, von haus zu verlassen, als der Gemeinderat schließlich doch Fastnachtsumzügen – an den Fenstern der benach- für die Interessen der eigenen, sozialen Schicht be- sere Zeit, der 'Dank des Vaterlandes' versprochen wor- gleich zu schaffen.“ Im November 1919 erhöhten sich diesen [Beamten oder Angestellten] Kleidungsstücke noch auf ihre Forderungen einging. Nun verließ die Ab- barten Gebäude, jammerte über die schlimmen Zei- gann sich aufgrund der wirtschaftlichen Notlage zu den. Leider sei von alledem nichts zu spüren; viele die Löhne der Textilarbeiter um 43 Prozent gegenüber erhalten haben, sodann haben die Kaufleute bei Aus- ordnung endlich das Ebinger Rathaus, allerdings nur, ten und die noch schlimmeren Leute , und hernach entwickeln. Viel Kredit verspielte dabei die klassische könnten nicht einmal Arbeit finden, die ihre Lebens- dem jüngsten Tarifvertrag im Juni. Allerdings erreich- gabe der Manufakturwaren solche für die guten Kun- um sich anschließend zum Gasthof zum Palmengar- beim Schoppen machte man seinem gepreßten Her- Vertreterin der Arbeiter-Interessen, die SPD, durch ihr existenz sichern würde.“ (4) ten die Arbeiter auch, dass der Acht-Stunden-Tag ein- den zurückgelegt, so daß, als die Inhaber der Bezugs- tenzuverfügen,wodieEbingerMetallindustriellenüber zen Luft durch kräftiges Schimpfen über 'Gott und zögerliches Handeln. Sie musste es postwendend bü- Hier sprach der Gewerkschaftler neben den mate- geführt wurde (7). scheine in den Läden erschienen, bald nichts mehr zu Lohnforderungen berieten. Der damalige Ebinger Welt'!“ Am Ende des Leserbriefs bemerkte die Redak- ßen: Hatten die Sozialdemokraten bei den Gemein- riellen Nöten auch die psychische Lage der Arbeiter Die katastrophale Lebensmittelversorgung war ein bekommen war, während die guten Kunden, als sie spä- Stadtchronist Gottlob Friedrich Hummel (12) beschrieb tion des „Neuen Alb-Boten“, dass „nun alle Kreise in derastwahlen 1919 noch 40,75 Prozent der Stimmen an: Die herbe Enttäuschung nach so vielen Verspre- weiteres, ebenso wichtiges Problem, das überhaupt ter erschienen, ihre Waren abholen konnten.“ (10) dies folgendermaßen: „Die ausgerückten Burschen be- der Presse zu Worte gekommen sind“ und man die öf- einfahren können, so war es 1922 fast nur noch die Hälf- chungen; und schon wieder kämpfen zu müssen, jetzt nicht in den Griff zu bekommen war. Viele Grund- Doch damit nicht genug: Ein früherer städtischer An- setzten die Ausgänge des Gasthofs und … gaben durch fentliche Aussprache als abgeschlossen betrachte. Auch te davon, nämlich 23,85 Prozent (20). nicht für das Vaterland, sondern um die eigene, blan- nahrungsmittel konnte man immer noch nur mit Le- gestellter ließ sich vom Hausmeister des Rathauses den schlimme Androhungen zu verstehen, daß sie von den dies war ein Merkmal der Auseinandersetzung: Die ke Existenz. Nach knapp dreistündigen Verhandlun- bensmittelmarken bekommen. Die Klagen über Schie- Schlüssel geben und nahm 186 Meter Bettkattun mit, vorgebrachten Forderungen sich nichts abhandeln lie- Konfrontation fand fand vor allem in den beiden Lo- gen konnten sich die Gewerkschaftsvertreter zunächst bereien nahmen zu: So wurde ein Metzger beobach- der eigentlich an Bedürftige hätte verteilt werden sol- ßen.“ (13) kalzeitungen statt. Der Gemeinderat setzte dann et- einmal durchsetzen. Gleichzeitig aber betonten die tet, der zu später Stunde heimlich Fleisch in „bessere len. Ein im Rathaus beschäftigter Sekretär versorgte sich Zwei Tage später nahmen die Gemeinderäte ihre Zu- was hilflos die entsprechenden Punkte auf die Tages- Unternehmer, dass die Arbeiter nicht vergessen soll- Häuser“ getragen habe, nachdem er tagsüber Kund- ebenfalls mit Kattunstoff. Dieser Letztgenannte hatte geständnisse wieder zurück, da „dem von der Arbei- ordnung, die schon längst publik und eben aufgrund Anmerkungen ten, „in welch schwieriger Lage sich fast alle Betriebe schaft mit Bezugskarten abgewiesen hatte. Auch auf sich schon während des Kriegs bei den Arbeitern un- terdemonstration erzwungenen Entlassungsbeschluss der Veröffentlichungen emotional aufgeladen waren. befinden, wie schwer es sei, eine Arbeitsmöglichkeit dem Rathaus (hier wurden Gebrauchsartikel verteilt) beliebt gemacht. Die Arbeiterdelegation forderte des- natürlich keine Rechtskraft zukommen könne.“ Den- Mithin führte die Sprachlosigkeit der Ratsgremien 1) Es handelt sich um ein Kapitel des 1990 bis 1992 aufrecht zu erhalten.“ Nach diesem Verhandlungser- ging offenbar nicht alles mit rechten Dingen zu. „Hier halb „[er] habe seinen Posten zu verlassen, da die Er- noch wurden die von den Arbeitern Beschuldigten zu- dazu, dass vor allem auch die Gewerkschaften die Ini- im Auftrag der Stadt Albstadt von Gerhard Hauser gebnis löste sich die erste Ebinger „Großdemo“ auf. stinkt's“ kommentierten Arbeiter den Zustand nicht regung gegen ihn, insbesondere wegen der groben Be- nächst beurlaubt. Indes blieben die Arbeiter erfolg- tiative ergriffen, um die am meisten drängenden Prob- erstellten und von mir begleiteten Manuskripts mit Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen blieben eben schmeichelhaft. Mindestens zwei Rathaus-An- handlung der Kriegerfrauen während der Kriegszeit bei reich mit ihrer Forderung, eine Verteilungskommissi- leme zu lösen. Dass dabei die radikaleren USPD-Mit- dem Arbeitstitel „Albstadt im 20. Jahrhundert“, das jedoch für die Unternehmen auch weiterhin wenig ro- gestellte hatten von den Waren einiges abgezweigt, ins- Einreichung von Urlaubsgesuchen etc. sehr groß sei.“ on unter ihrer Beteiligung einzusetzen. Doch bereits glieder (15) mehr und mehr die Führung übernahmen, seinerzeit leider nicht zur Veröffentlichung kam. sig. Trotz der „Good-Will“-Erklärung der Industriellen besondere Schuhe und Bettwäsche, und ihre Ange- (11) bei der Zusammenstellung des Ausschusses entstand lag auch daran, dass die recht moderaten Sozialde- Für die Veröffentlichung in den „Heimatkundli- mussten immer wieder Arbeiter entlassen werden. Um hörigen damit versorgt (8). Zur Sprache kam dann auch zum wiederholten Mal böses Blut: Noch in derselben Gemeinderatssitzung mokraten erst Stellung bezogen, nachdem die de- chen Blättern“ musste der Text von Grund auf nicht gleich ganze Familien an den Rand ihrer Exis- Diese Missstände schufen unter den Arbeitern die schlechte Versorgung mit Grundnahrungsmitteln. musste sich ein Fraktionsmitglied der Deutschen De- monstrierenden Arbeiter Druck gemacht hatten. Erst überarbeitet werden. Die hier geschilderten Vor- tenz zu bringen, kam aus dem Rathaus die Verfügung, schnell böses Blut. Sie bildeten eine Abordnung, die In diesem Punkt wollte sich der Gemeinderat für eine mokratischen Partei, das als Ausschussmitglied vor- vier Tage nach der großen Demonstration und dann gänge auch bei Walter Stettner, Ebingen, Ge- dass weibliche Arbeitskräfte durch männliche ersetzt währendeinerGemeinderatssitzungam14.Januar1920 Verbesserung einsetzen. Bei der Verteilung der Ge- gesehen war, den Vorwurf gefallen lassen, er habe be- auch noch in einem Leserbrief stellte der SPD-Abge- schichte einer württembergischen Stadt, Sigma- werden sollten (5). Das Gewerkschaftskartell setzte auch in das Rathaus eindrang und auf der Zuschauertribü- brauchsartikel sollten in Zukunft auch Gewerk- hauptet, dass jeder Preis für die Waren verlangt wer- ordnete Johannes Zahner fest, dass dieser der Kor- ringen 1986, S. 484-487: Sehr knapp und aus der Lohnerhöhungen durch, die allerdings die immer stär- ne Platz nahm. Vor dem Rathaus wartete wie schon zu- schaftsvertreter anwesend sein. Zu personellen Kon- den könne, „die Leute bezahlen es ja“. Allerdings konn- ruption verdächtigte Beamte „schon während des Krie- Sicht eines Bildungsbürgers alter Schule, so z.B. S. ker voranschreitende Inflation kaum auffangen konn- vor eine für Ebinger Verhältnisse riesige Menschen- sequenzen, vor allem gegen den bewussten Sekretär, te sich der Vertrauensmann der Gewerkschaft, der die- ges von seinem Posten hätte entfernt werden müs- 484: „die Linken erstrebten die Räterepublik, die ten. So beklagten im Januar 1920 sowohl die Vertrau- menge von über tausend Arbeitern (9). Vor dem Ge- konnte sich das Gremium nicht durchringen: Zu- sen Spruch gehört haben wollte, bei einer Gegen- sen.“ (16) Diktatur des Proletariats und ein enges Bündnis überstellung dann doch nicht mehr daran erinnern. Offensichtlich wurde also die schlechte Stimmung mit der Sowjetunion“. Dass eben auch Gerüchte, Falschmeldungen und unter den Arbeitern unterschätzt, denn es ging eben 2) Stadtarchiv Albstadt, der Neue Alb-Bote 27. No- Denunziationen zuhauf in Ebingen kursierten, das er- nicht nur um die korrupten Beamten, die das Rathaus vember 1918. leichterte die Arbeit der biederen Rathausleute kei- als Selbstbedienungsladen benutzten. Den Arbeitern 3) Ebenda, 3. Juli 1919. neswegs. Mit einer Erklärung, die in beiden Lokalzei- war klar, dass sich nicht so schnell etwas ändern wür- 4) Ebenda. tungen abgedruckt wurde, wehrten sie sich vehement de, auch wenn der Gemeinderat beschloss, für „eine 5) Gottlob Friedrich Hummel, Geschichte der Stadt- dagegen, von der Bevölkerung als Sündenböcke pau- bessere Versorgung mit Fleisch und Mehl beim Kom- gemeinde Ebingen, 2. Aufl. 1936, S. 199. schal für alle Missstände verantwortlich gemacht zu munalverband zu sorgen.“ Anders da es aus, was die 6) Bezeichnung für eine bestimmte Art des Funkti- werden. „Mit aller Entschiedenheit müssen wir … da- personellen Konsequenzen in Ebinger Rathaus anbe- onsträgers innerhalb der Gewerkschaft. gegen Verwahrung einlegen, daß die gegen einzelne traf. Hier sahen die Arbeiter immerhin größere Chan- 7) Der Neue Alb-Bote, 3. November 1919. Beamte und Angestellte erhobenen Beschuldigungen ce, sich direkt durchzusetzen. Doch auch dies sollte 8) Ebenda, 14. Januar 1920. auf die Gesamtheit ausgedehnt wird.“ Außerdem fühl- nicht gelingen, denn die Kreisregierung lehnte es ab, ei- 9) Der Alb-Bote, 15. Januar 1920. ten sie sich vom Ratsgremium im Stich gelassen. In ne Disziplinaruntersuchung einzuleiten (17). Statt des- 10) Stadtarchiv Albstadt, Stadt Ebingen, Gemeinde- der folgenden Sitzung am 19. Januar bekundeten die sen mussten vierzig Arbeiterinnen und Arbeiter damit ratsprotokoll 14. Januar 1920. Gemeinderäte zwar den Beamten ihr Vertrauen, sie rechnen, „wegen Aufruhrs, Hausfriedensbruchs und 11) Ebenda. stellten sich aber selbst ein Zeugnis bemerkenswerter Nötigung“ vor dem Kadi zu landen. Die Staatsanwalt- 12) Über diesen vgl. Peter Thaddäus Lang in: Hei- Hilflosigkeit aus: „Von einer Veröffentlichung der Ver- schaft Rottweil stellte dann aber das Verfahren bei den matkundliche Blätter Februar 1999. trauenserklärung möchte der Gemeinderat im Inte- meisten Demonstranten denn doch ein. Schließlich 13) Hummel, wie Anm. 5, S. 221. resse der Ruhe in der Einwohnerschaft absehen, weil wurden acht Arbeiter angeklagt, wovon fünf zu Haft- 14) Der Neue Alb-Bote, 22. Januar 1920. er selbst das Vertrauen der Einwohnerschaft nicht be- strafen von bis zu acht Monaten verurteilt wurden (18). 15) Unabhängige sozialdemokratische Partei sitzt.“ Übrigens: Rund ein Drittel der Beschuldigten waren Deutschlands. Eine radikalere Abspaltung der SPD, Die materiellen Sorgen wuchsen den Arbeitern hier Frauen, eine bemerkenswerte Tatsache, da weibliches seit 1917; versinkt ab 1922 in der politischen Be- wie überall in der jungen Weimarer Republik alsbald Engagement in der Politik damals noch nicht sehr lan- deutungslosigkeit (Wikipedia). über den Kopf. Kaum anders ist es zu erklären, mit wie ge akzeptiert war. Weiterhin fällt das jugendliche Alter 16) Der Neue Alb-Bote, 16. Januar 1920. viel Vehemenz man auf den freien Fall unter das Exis- vieler Demonstranten auf, wie es in der Begründung 17) Stadtarchiv Albstadt, Stadt Ebingen, Gemeinde- tenzminimum reagierte. Ein Ebinger Bürger beschrieb der Staatsanwaltschaft zum Ausdruck kommt. Jene Ar- ratsprotokoll 29. Januar 1920. die Stimmung nach der Demonstration in einem Le- beiter, die wegen der Demonstration ins Blickfeld der 18) Wie Anm. 13. serbrief an den „Neuen Alb-Boten“ besonders plas- Polizei gerieten, waren allesamt zwischen 20 und 30 19) Manfred Scheck, Zwischen Weltkrieg und Revo- tisch (14): „In unserem sonst so friedlichen und arbeit- Jahre alt. lution, Köln-Wien 1980, S. 263. Walter Stettner, samen Ebingen ist es seit 8 Tagen, als ob ein Vulkan , an- Da die SPD sich eher halbherzig um die Belange der Ebingen (wie Anm. 1), S. 486: „Seebacher, ein ra- gefüllt mit seit 5 Jahren gesammelten Groll und Ärger Arbeiter kümmerte, schwang sich USPD-Mitglied und dikaler Gewerkschafter, der aus Norddeutschland der Einwohnerschaft, plötzlich seine Lavaströme über Gewerkschaftsführer August Seebacher zu deren Für- zugezogen war, ist bald darauf von der Regierung die Stadt ergieße, alles mit sich fortreißend und zer- sprecher auf. Er leitete nicht nur die Verhandlungen des Landes verwiesen worden.“ störend, was auf dem Weg ihnen begegnet!“ Und wei- mit dem Gemeinderat, sondern organisierte auch den 20) Walter Stettner (wie Anm. 1), S. 461. Die Dialektik lächelt in der Ecke „vor sich na“ Uwe Zellmers schreibt über das Leben und wie man sich daran gewöhnt – Von Daniel Seeburger

„Häbe“ ist der schwäbische Konjunktiv von „ha- man Hans Holder heißt. Zellmer erzählt die Ge- spielsweise. Als das Festival im Zelt eröffnet wird, be- ben“. Im neuen Roman „Himmelsberg, Engelswies“ schichte des Melchinger Theaters, er erzählt Ge- ginnt es zu stürmen. „Der Balinger OB Merkel stemmt schwäbelt Lindehof-Theatermacher Uwe Zellmer al- schichten über das Theater. Die knitzen Älbler, die mit sich mit seinem ganzen staatsmännischen Gewicht ge- lerdings nicht nur im Konjunktiv. ihrer Bauernschläue eine eigene Philosophenschule gen das Unheil, und hält den mittigen Pfosten um- Uwe Zellmer gehört zu den Großen der deutschen gründen könnten, kommen genau so in Zellmers Ro- klammert“. Doch selbst Merkels Einsatz bringt nichts, Theaterszene. Sein neuer Roman „Himmelsberg, En- man vor, wie die staatstragenden Institutionen oder man muss in die Lindenhof-Kneipe fliehen. Zu na- gelswies“, der kürzlich im Tübinger Verlag „Klöpfer und Banken, mit denen Theatermacher verhandeln müs- mentlichen Ehren gelangen der ehemalige Zollernalb- Meyer“ erschienen ist, ist der Roman seines Lebens. sen, wenn das Geplante denn gelingen soll. Landrat Heinrich Haasis, der sich bei der Anfrage auf Obwohl er ins Fiktionale abtaucht, erkennt man ihn Manchmal wird Uwe Zellmer konkret, verzichtet auf Unterstützung eines eigenen Theaters des Zollern-Alb- in seinem alter ego Philipp Heim sofort wieder. Genau Pseudonyme. Bei der Anekdote über die Württem- Kreises nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen will Ansicht auf Ebingen von Süden, um 1920 (Signatur: StadtA Albstadt, Bildnissammlung (Signatur: StadtA Albstadt, Bildnissammlung, Nr. B-756) so wie seinen Mitstreiter Bernhard Hurm, der im Ro- bergischen Theatertage in Melchingen 1994 bei- und die „kühne Sozialdemokratin Helga Zimmer- Seite 1815 Heimatkundliche Blätter Oktober 2012 mann“, die dem „Landrat vorrechnet, es gehe hier um ment“. ein Theaterjahresbudget, das nur ein Zehntel des Mo- Uwe Zellmer beschreibt in natsgehalts vom künftigen Sparkassendirektor in Stutt- seinem autobiografischen gart umfasse“. Als Haasis Jahre später als „oberster na- Roman die Höhen und die tionaler Sparkassier“ verabschiedet wird, treten Hurm Tiefen seines Lebens. Und und Zellmer beim Fest auf. „So isch no aus wieder. Die ein großer Teil seines Le- Dialektik sitzt in der Ecke und lächelt vor sich na“, bens ist eng verknüpft mit schreibt Zellmer. dem Lindenhof. Er schreibt Die Balinger Stadthalle ist die zweite Heimat der Mel- über das Gelingende und das chinger - und das nicht erst seit der Nikodemus-Frisch- Scheiternde, über die Rei- lin-Inszenierung. Stadthallenchef Uli Klingler be- sen nach Frankreich und kommt eine liebevolle Würdigung. Im Buch heißt er Italien, über Melchingen und Uli Leuter, „der an seinem Lebensstammtisch von die raue Alb, über Charak- Jahrgang 59 31. Oktober 2012 Nr. 10 Stadthallenanfängen an 'Picasso' genannt wird“. Zell- ter- und Betonköpfe, über mer erinnert sich gerne an die Besuche bei Leu- samtigen Trollinger und den ter/Klingler: „Manch Aufenthalt gab es im heimlichen „schwarzen Cahors“, über Wasen auf der südlichen Terrasse mit 'Entre deux Mers' Hölderlin und Uhland. von Bordeaux oder leichtem Hagnauer vom Boden- „Himmelsberg, Engels- see“. wies“ ist ein Reiseroman, ein Auch die Unternehmerin Claudia Mock, im Buch Schelmenstück, ein Thea- heißt sie Claudia Instetten, aus Stetten am kalten Markt terroman, ein Blick in die bekommt eine ausführliche Würdigung. Sie war maß- Abgründe der schwäbischen geblich daran beteiligt, dass der Lindenhof zu Auf- Seele, ein Buch über führungen nach Stetten kam. Freundschaftenund Kon- Wehmütig sind die Stellen im Buch über den Tü- kurrenz. binger Rhetorik-Professor und Literaten Walter Jens, „Irgendwie gewöhnt man der zusammen mit seiner Frau Inge Jens immer hinter sich im Leben an das Le- den Lindenhöflern stand, sie ermuntert hat. Als Zell- ben“, schreibt Zellmer. mers Töchter in Tübingen zur Welt kommen, be- „Himmelsberg, Engelswies“ kommt der erschöpfte Vater eine Einladung zum Kaf- ist ein Buch über das Leben fee bei den Jensens. Die Melchinger sind auch immer und darüber, wie man sich noch gern gesehene Gäste, als Walter Jens an Demenz ans Leben gewöhnt. erkrankt. Als Holder/Hurm Hölderlins Gedicht „An- denken“ rezitiert, „erhellt sich der Kranke, Leben kommt in die Augen, Farbe auf die Wangen und er hebt Info die Arme wie einst im Festsaal, ja, sagt er, oh ja!“ Es ist ei- Uwe Zellmer: „Himmels- ne der berührendsten Stellen des Buches. Das kurze berg, Engelswies.“ 236 Sei- Auftauchen aus der Erinnerung. „Es ist Hölderlin“, ten, Verlag Klöpfer und Mey- schreibt Uwe Zellmer, „und es ist ein wunderbarer Mo- er, Tübingen. Exkursionen und Termine Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung

NOVEMBER keltischer Zeit vorgestellt, ergänzt um neue Erkennt- STAMMTISCHE nisse der letzten Jahre.

Mittwoch, 14. November: Vortrag Kelten und kelti- Beginn: 20 Uhr, Landratsamt Zollernalbkreis, Ba- Jeweils am 1. Mittwoch eines Monats trifft sich unter sche Höhensiedlungen in der Region Zollernalb mit lingen, Hirschbergstr. 29, Sitzungssaal, Eintritt frei. der Leitung von Dr. Peter Th. Lang der Ebinger Stamm- Dr. Christoph Morrissey. tische im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 Alb- stadt-Ebingen: Tel.: 07431 4188. Was hat es mit den gewaltigen Steinwällen und Grä- Donnerstag, 29. November: Rückblick 2012 und Aus- ben auf dem Gräbelesberg bei Hossingen, den Wällen blick 2013 mit Dr. Andreas Zekorn. Vortrag: Milieus Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- auf dem Katzenbuckel oder der seichten Rampe um und Wahlergebnisse im Oberamt Balingen und in Ho- schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- den Sendeturm am Plettenberg auf sich? Ein kelti- henzollern 1919 – 1933 mit Dr. Michael Walther. chingen, Telefon 07471-15540 / Fax 07471-12283. scher Hof stand auch auf der Felsenhöhe des Lo- Email: [email protected] chenstein. Bekannt ist Vielen ja die Heuneburg bei Dr. Andreas Zekorn hält eine Rückschau auf das Jahr oder über unsere Homepage www.heimatkundli- Hundersingen, die keltische Stadtbefestigung an der 2012 und gibt einen Ausblick auf das Programm des Jah- che–vereinigung.de. Donau. Warum aber zog es die Menschen der Vorzeit res 2013. Danach wird Dr. Michael Walther in seinem auf abgelegene Höhen mit Nachteilen wie fehlendem Vortrag auf die Wahlergebnisse im württembergi- Bei allen Veranstaltungen sind Gäste jederzeit herz- Wasser, weiter und beschwerlicher Wege oder rauher schen Oberamt Balingen und im preußischen Ho- lich willkommen. Witterung? Den unterschiedlichen Spuren keltischen henzollern mit seinen beiden Kreisen Hechingen und Lebens an diesen Orten nachzugehen, setzt sich der be- Sigmaringen in der Zeit der Weimarer Republik (1919 Kundgebung der Ebinger Arbeiter mit Gewerkschaftssekretär Wilhelm Sauter auf dem Schweinweiher am 12. November 1918 (Signatur: StadtA Albstadt, Bildnissammlung, Nr. B-238) bilderte Vortrag zum Ziel. Ausgehend von der Zoller- – 1933) eingehen. Ein Vergleich der beiden Gebiete zeigt nalb werden bekannte aber auch weniger bekannte Be- erstaunliche Unterschiede im Wahlverhalten der je- festigungsanlagen oder einfache Höhensiedlungen aus weiligen Bevölkerung. Dabei geht es unter anderem um die Frage, in welchem Zusammenhang die Sozialis- tengesetzgebung und der Kulturkampf der Bismar- ckära mit dem Wahlverhalten der Menschen in den Tausend Menschen auf den Straßen 1920er Jahren stehen? Von Interesse ist auch das The- Herausgegeben von der ma, in welchen Gebieten die Nationalsozialisten be- Heimatkundlichen Vereinigung Die Arbeiterunruhen in Ebingen (1) – Von Dr. Peter Thaddäus Lang sonders erfolgreich und welche Voraussetzungen da- Zollernalb Die Autoren dieser Ausgabe für notwendig waren. Die Veranstaltung wird mit ei- (2) nem gemütlichen Zusammensein ausklingen. Gäste Vorsitzender: Arbeiterunruhen in Ebingen, wird sich der geneigte Le- einzustellen , nachdem diese aus dem Krieg heim- schrieb, taxierte das liberale Blatt, „Der Neue Alb-Bo- sind dabei wie immer herzlich willkommen. Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, ser fragen, ist das überhaupt möglich? Arbeiterunru- gekehrt waren, doch dagegen standen die wirtschaft- te“, deren Zahl auf einige Tausend. Selbst wenn die Dr. Peter Thaddäus Lang 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 hen in einer eher beschaulichen Kleinstadt auf der lichen Probleme der Unternehmen: Der bereits wäh- letztgenannte Zahl übertrieben sein sollte, so wäre ein Lammerbergstraße 53 Beginn: 18 Uhr, Landratsamt Zollernalbkreis, Ba- Schwäbischen Alb? Und in der Tat, das war möglich, rend der Kriegsjahre herrschende Rohstoffmangel blieb Protestzug von tausend Teilnehmern in einer kleine- 72461 Albstadt lingen, Hirschbergstr. 29, Sitzungssaal, Eintritt frei. Geschäftsführung: vor längerer Zeit allerdings, als kurz nach dem Ersten weiterhin akut; außerdem waren mit dem Krieg viele ren Kommune von damals rund 12000 Einwohnern Erich Mahler, Mörikeweg 6, Weltkrieg die Voraussetzungen hierzu gegeben waren. Auslandsmärkte weggebrochen. doch recht ansehnlich. An diesem Tag wurde in ei- 72379 Hechingen, Am meisten machte damals den Menschen die ka- Am 2. Juli 1919 zog einer der ersten großen De- nem Großteil der Ebinger Fabriken nicht gearbeitet. Daniel Seeburger Telefon (0 74 71) 1 55 40 tastrophale Lebensmittelversorgung zu schaffen. Wäh- monstrationszüge durch Ebingen. „Nicht ganz uner- Im Rathaus trafen sich die Vertreter der Gewerk- Grünewaldstr.15 DEZEMBER E-Mail: e. [email protected] rend in den Kriegsjahren die Unzufriedenheit durch wartet, aber im Augenblick doch überraschend ver- schaften mit den Unternehmern, um über die Forde- 72336 Balingen die starken staatlichen Reglementierungen gedämpft anstaltete die hiesige Arbeiterschaft […] gestern vor- rungen der Arbeiter zu verhandeln. Wichtigstes An- Redaktion: blieb, artikulierte sich Anfang 1919 der Unmut in zu- mittag um 9 Uhr einen Demonstrationszug durch die liegen war dabei die Rücknahme der ausgesproche- Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, nehmender Häufigkeit. Hinzu kam für viele Arbeiter Stadt und an den verschiedenen Fabrikgebäuden vor- nen Kündigungen. Während die Verhandlungspartner Im Dezember finden keine Veranstaltungen statt. Der 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 die Ungewissheit ihrer Existenz. Zwar zeigten die meis- bei.“ (3) Während die konservative Zeitung Ebingens, im Gebäude zum Teil „sehr erregt“ diskutierten, war- Stammtisch in Albstadt-Ebingen findet statt. ten Firmen sich bereit, ihre früheren Arbeiter wieder „Der Alb-Bote“, von mehreren Hundert Teilnehmen teten auf der Marktstraße einige Hundert Demonst- Seite 1819 Heimatkundliche Blätter November 2012 Im Fokus der Spione Stasioperation in Ebingen - Von Volker Leitermann

In der heißen Phase des Kalten Krieges geriet auch die für ihn vorgesehen Strafe unmittelbar an seinem jet- wegen, da er der politischen Einstellung hinterher Ebingen in den Fokus der Spione. Der hochrangige Mit- zigen Wohnort zu vollziehen und ihn physisch zu ver- hinkte. Solange er dies jedoch nicht tat, versorgte man arbeiter Paul Hesse des MfS (Ministerium für Staatssi- nichten.“ ihn aber auch bis zur Übersiedlung mit „schmutzigen“ cherheit der DDR) floh aus dem Regime 1961 in den Getreu seinem Motto „Lieber 100 Prozent zu viel Jobs. Sein größter Coup, das Stehlen der US-Agenten- Westen und tauchte in der Olgastraße im Ebinger Wes- Sprengstoff als zu wenig“ schmiedete GM Donner den daten, wurde 1963 in der DDR übrigens mit dem Film ten unter. In Ebingen arbeitete Hesse als Kranführer. Plan zur Hinrichtung von Paul Hesse in der Olga- „For eyes only“aufgearbeitet, in der Hauptrolle Alfred Jahrgang 59 30. November 2012 Nr. 11 Sich in trügerischer Sicherheit wiegend, kamen Stasi- straße. Da Herr Hesse jeden Abend sein Mofa im Keller Müller. Im Sommer 1961 siedelte Wax als Westbürger in Agenten ihm aber schon bald auf die Fährte. des von ihm bewohnten Mehrfamilienhauses abstellte, den Osten über und wurde dort zu einer Ikone des MfS Wie bei vielen Deserteuren zuvor, wollte man auch sollte bei Nacht ein Sprengsatz im Sattel des Zweirades hochstilisiert und propagandistisch genutzt. Zu diesem an ihm ein Exempel statuieren und setzte auf ihn den untergebracht werden, welcher über einen Kontakt- Zeitpunkt wurde sein Status auch zum „HIM“ (Haupt- GM (Geheimen Mitarbeiter) Donner an. Hinter dem zünder ausgelöst würde – GM Donner: „Die physische amtlicher Geheimdienstmitarbeiter) erhoben, da seine Decknamen verbarg sich der damals Anfang 30-jährige Vernichtung ist garantiert“. Erfahrung nun propagandistisch und in der Ausbildung Reife und Vollendung MfS Spitzenagent Hans Hubert Wax1. GM Donner wur- Anhand der möglichen politischen Folgen des Vor- neuer GMs genutzt wurde. Er betrieb unter anderem ei- de unter anderem dadurch bekannt, dass er 1956 die habens, beschloss im Februar 1964 die MfS Führung je- ne Autowerkstatt für das MfS. Als nicht-angepasste Per- komplette Agentendatei des MIS (Military Intelligence doch den Mordauftag zurückzuziehen. GM Donner sönlichkeit eckte er auch in der DDR an, landete wegen Gustav Essig zwischen Impressionismus und Neuer Sachlichkeit - Von Dr. Ingrid Helber Service – Militärgeheimdienst der USA) stahl. In Folge wurde nur wenige Tage vor dem geplanten Attentat eines Betrugsversuchs im Gefängnis und sogar in der dieser Tat wurden 140 US-Agenten in der DDR enttarnt nach Berlin beordert und aus Ebingen abgezogen. Paul Psychiatrie. Hans Hubert Wax verstarb 1983. Am 4. November 2012 wurde in Murrhardt die tradi- und festgenommen – ein schwerer Rückschlag für west- Hesse kam knapp und darüber hinaus vermutlich un- tionelle Herbstausstellung eröffnet mit dem Titel „Fa- liche Geheimdienste. wissentlich mit dem Leben davon. (2) GM Donner sprengte den Funkmast, Garagen und cetten zweier Malerleben im 20. Jahrhundert. Schüler Der draufgängerische West-Berliner KfZ-Werkstatt- Noch heute dürften die wenigsten Ebinger Kenntnis beschädigte das Funkhaus des Radiosenders russischer von Franz von Stuck stellen aus: Gustav Essig – Carl besitzer Wax hatte daher auch im MfS ein enorm hohes haben von der geheimen Stasi-Operation in der Ol- Emigranten, die hier auch einen Verlag betrieben, in Obenland.“ Die einführende Rede bei der Vernissage Ansehen und war der Hauptabteilung II der Spionage- gastraße und dem Spitzenagenten der DDR, welcher Sprendligen im Rahmens der „Aktion Sender“ stark. hielt die Verfasserin. abwehr unterstellt. Auf das Konto des Risiko suchenden 1963 durch die Weststadt zog bzw. dem übergelaufenen Bereits 2011 in der großen Schau zum „Schwäbi- und technisch versierten Agenten gingen Sprengstoff- Agenten Paul H., der vielleicht einmal der freundliche schen Impressionismus im Umkreis von Heinrich von anschläge auf die „anti-kommunistische“ Radiostation Nachbar von nebenan war oder in der Bäckerei neben Quellen und Literatur: Zügel“ wurden in Murrhardt Werke von Gustav Essig NTS (Narodno-Trudovoj Sojus = dt. Volksbund des einem stand. gezeigt. Seine letzte Einzelausstellung fand zum 110. Schaffens) in Sprendlingen bei Mainz2, Entführungen – Behörde für die Unterlagen des Staatssicherheits- Geburtstag im Jahr 1990 statt. Anlässlich des 50. To- von gegnerischen Geheimdienstmitarbeitern oder dienstes der ehemaligen Deutschen Demokrati- destages von Gustav Essig und aufgrund der Tatsache, Überläufern im Westen - als auch bislang indirekt be- Anmerkungen schen Republik (BStU), MfS, HA II, HIM (Hauptamt- dass der Murrhardter Maler Carl Obenland ebenfalls stätigte Liquidationsaufträge auf dem Gebiet des da- (1) Hans Wax (geboren 1927) war als Jugendlicher in der lich Indirekter Mitarbeiter) Donner / Hans Hubert ein Schüler des berühmten Münchner Professors und maligen „Klassenfeindes“. SS mit dem Bau von Sprengsätzen befasst. Nach dem Wax „Malerfürsten“ Franz von Stuck war, ist 2012 beiden ei- Wax operierte in direktem Auftrag des DDR Ministers Zweiten Weltkrieg war er ein West-Berliner Kleinkrimi- – Hubertus Knabe: West-Arbeit des MfS: das Zusam- ne gemeinsame Ausstellung gewidmet. Diese ist in der für Staatssicherheit Erich Mielke. Sein Auftrag in Ebin- neller, der gerne Fahrzeuge in den Osten verschob. Zi- menspiel von „Aufklärung“ und „Abwehr“. Berlin: Städtischen Kunstsammlung Murrhardt noch bis zum gen lautete: „Ausspähung und Entführung des Deser- vilberuflich war er KfZ-Werkstattbesitzer in West Berlin. Links, 1999 (2. Aufl.) (Analysen und Dokumente / Der 16. Dezember zu sehen. teurs Paul Hesse“. Nach getaner Aufklärungsarbeit vor In den 1950er- und Anfang der 1960er-Jahren arbeitete Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssi- Gustav Essigs impressionistisches Gemälde „Fami- Ort, legte er dem MfS folgendes Schreiben vor: er als Geheimdienstmitarbeiter (GM) unter dem Deck- cherheitsdienstes der Ehemaligen Deutschen De- lie Darboven im Park“ in Hamburg ziert das Ausstel- „Vorschlag zur Liquidierung des Verräters Hxxxx, namen „Donner“ für das Ministerium für Staatssicher- mokratischen Re-publik; 18): Zu Hans Wax und Ar- lungsplakat. Die von Heide von Berlepsch, Kuratorin Paul.“ Darin hieß es: „Seit geraumer Zeit ist geplant den heit. Er war wegen seines brutalen Vorgehens bekannt. chivunterlagen: S. 186 der Städtischen Kunstsammlung Murrhardt, ausge- Verräter H. für seinen begangenen Verrat zur Verant- Wann immer es im Westen Aufträge mit Bombenan- – Christiane Kohl: „Donner“, Blitz und Teddy: In: Der wählten Werke sind von herausragender Qualität. wortung zu ziehen. Die vorliegenden Aufklärungser- schlägen, Entführungen etc. gab, griff man bevorzugt Spiegel 10/1996, S. 52 - 68 Gustav Essig kam 1880 in Albstadt-Truchtelfingen gebnisse und die gegenwärtige Jahreszeit sind dafür ge- auf ihn zurück. Da er in vielen Bereichen dem MfS – Nicht genug für Karl Moor. In: Der Spiegel 34/1952, S. zur Welt als Sohn des Pfarrers Karl Friedrich Essig und eignet, dass die Liquidierung des H. unverzüglich selbstständig Lösungsvorschläge anbot, welche nahezu 8-9 seiner Ehefrau Sofie geb. Weiss, die aus Tübingen durchgeführt werden kann. Bedingt durch das starke immer auf der Liquidierung des „Ziels“ basierten, und – Bernd Stöver: Zuflucht DDR : Spione und andere stammte. Als der Junge zwei Jahre alt war, trat der Va- Körpergewicht des H. und andere für eine Rückführung auch gerne selbstständig agierte, wollte ihn der MfS ins- Übersiedler. München: Beck 2009 (ISBN 978-3-406- ter eine Pfarrstelle in Weiler bei Schorndorf im Rems- des Verräters ungünstige Faktoren wird vorgeschlagen, geheim schon 1959 zur Übersiedlung in den Osten be- 59100-6) tal an. Schon im Alter von neun Jahren beschloss der kleine Gustav „ganz instinktiv“, Maler zu werden, „oh- ne recht zu wissen, was eigentlich ein Maler ist“. Er be- saß viel Humor und viel künstlerisches Talent, was ihm früh bewusst wurde. Auch Gustavs Geschwister waren sehr begabt - musikalisch, schauspielerisch und lite- Termine und Exkursionen rarisch wie der Schriftsteller Hermann Essig, der auch in Albstadt schon zu Ehren gekommen ist. Eine Tafel Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung im Dezember und Januar am ehemaligen Truchtelfinger Pfarrhaus erinnert an ihn. Gustav Essigs Lebenslauf, in dem er „Näheres“ aus seinem Leben auf interessante Art beschreibt, zeugt DEZEMBER Unter der Leitung von Wilfried Groh besuchen wir zu- Stammtische im Café Wildt-Abt, Sonnenstraße 67, ebenfalls von einer gewissen schriftstellerischen Be- nächst das Herrenkramersche Kripple im Stadtmuse- 72458 Albstadt-Ebingen, Telefon 0 74 31/41 88. gabung des Malers. Keine Veranstaltungen. Der Stammtisch in Ebingen um, das zu einer Weihnacht in Rottweil dazu gehört. Ex- Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- Die „künstlerische Ader“ ist auf die Seite der Mutter findet statt. trafürunswirddiebarockeSpielkrippe„leabiggmacht“. schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- zurückzuführen. Der Bruder der Großmutter hatte Dann zeigen das Annemarekele und der Kreuzwirt und chingen, Telefon 0 74 71/1 55 40, Fax 0 74 71/1 22 83. Zwillingssöhne, Gustav Paul Closs und Adolf Closs, die die übrigen kleinen Leute im Kripple, wie das so war Email: [email protected] beide Künstler waren. Adolfs gleichnamiger Sohn war JANUAR mit Weihnachten zu Reichsstadtzeiten. Es wird kein oder über unsere Homepage: später ebenfalls als Maler in Ludwigsburg tätig. Gus- Eintritt erhoben, aber es wird um eine angemessene www.heimatkundliche–vereinigung.de tav Essig schreibt: „In meinem elterlichen Haus hing Samstag, 12. Januar: Krippen in Rottweil. Rotten- Spende gebeten: „Und richtet au Kreuzerle her für dia im sogenannten Salon ein Gemälde von Gustav Closs münster mit Wilfried Groh. Kripplesmaidle und -bueba.“ Anschließend geht es zu Bei allen Veranstaltungen sind Gäste willkommen. „Mondnacht am Chiemsee“.“ Fuß und mit Führung zu den Krippen im Heilig-Kreuz- „Bei meiner Mutter war also Kunst nichts Fremdes, Münster (Figurenkrippe in Rottweiler Landschaft) und sie hatte selbst auch ein ganz nettes Talent zum Zeich- in der Kapellenkirche (barocke Bretterkrippe von Jo- Herausgegeben von der nen. Wie freute sie sich über das Erbe, das ich an den seph Firthmaier, der auch den Innenraum barock aus- Heimatkundlichen Vereinigung Tag legte und wie nahm sie mich oft in Schutz gegen gestaltet hat). Mit dem Bus geht es dann zur romani- Zollernalb den Vater, der es gerner gesehen hätte, wenn ich la- Die Autoren dieser Ausgabe schen St. Pelagiuskirche in der Altstadt, wo eine riesi- teinische oder französische „Wörtle“ gelernt hätte.“ ge Krippenlandschaft aufgebaut ist und dazu noch ein“ Vorsitzender: Nach dem Abitur 1899 in Heilbronn besuchte Essig Fatschenkind“ und ein „Jesulein“ bewundert werden Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, die Technische Hochschule in Stuttgart, wo er 1903 sein kann. Letzte Station der Führung ist die Kirche des ehe- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 Architekturstudium abschloss und ein Jahr später an Gustav Essig: Selbstportrait. Volker Leitermann maligen Zisterzienserinnenklosters Rottenmünster, wo der Kunstgewerbeschule das Staatsexamen als Zei- Krämerstr. 32 eine kleine Landschaftskrippe mit Figuren aus dem Geschäftsführung: chenlehrer ablegte. Schon im Wintersemester 1902/03 te nach wusste ich, dass der für mich bedeutungsvolle Kühe sehen konnte. Das gefiel mir, dem Landgebore- 72458 Albstadt Grödnertal sowie aus Eigeltingen besichtigt werden Erich Mahler, Mörikeweg 6, wurden zwei Aquarelle Essigs von der Hochschule mit Ort nicht mehr weit sein konnte. Der Wald des Hö- nen. In dem sauberen Bett schlief ich vortrefflich und kann. Busfahrt: Abfahrt in Ebingen 12.45 Uhr, in Ba- 72379 Hechingen, einer goldenen Medaille prämiert. Möglicherweise henzugs, auf dem ich wanderte, lichtete sich: in ei- wie ich am Morgen gegen 4 Uhr erwachte, hörte ich Dr. Ingrid Helber lingen 13.05 Uhr, Kosten: 20 Euro. Telefon (0 74 71) 1 55 40 lernte er damals seine spätere Frau, Anna Julie Wetzel, nem schönen Hochtal zu meinen Füssen lag Truch- durch das offene Fenster, von den Getreidefeldern her, Westerwaldstr. 17 E-Mail: e. [email protected] kennen, die in genau denselben Jahren an der Stutt- tefingen! Mein Herz bebte. – Ich blieb dort für einige Ta- die ich vom Bett aus sehen konnte, eine Wachtel schla- 72336 Balingen garter Kunstschule Malerei studierte. ge, weil ich aquarellierte. In der „Rose“ nahm ich Quar- gen. Ach! – Mein erster Gang durchs Ort galt natürlich STAMMTISCHE Redaktion: Im Sommer 1904 kam Gustav Essig auf einer Wan- tier. Das Zimmer, das ich bezog, lag über dem Kuh- dem Pfarrhaus. Da stand ich also vor der Wiege mei- Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, derung nach Truchtelfingen und beschrieb seinen Ge- stall und war voll des süßen Kuhdufts, der durch be- nes Lebens. Aus der Haustüre trat eben (war ich’s nicht Jeweils am ersten Mittwoch eines Monats trifft sich un- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 burtsort: „An einem schönen Junitag kam ich vom Ho- trächtliche Spalten des Fußbodens drang, durch die selbst?) ein 2-jähriges Kind, das zweitjüngste von den ter der Leitung von Dr. Peter Th. Lang der Ebinger henzollern her. Es ging schon gegen Abend und der Kar- ich auch die runden Bäuche der friedlich malmenden 6en des Pfarrers. Dieser, ein sehr netter Mann, der vol- Seite 1817 Heimatkundliche Blätter November 2012 November 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1818

siven Tendenzen zeigen die großformatigen Gemälde rätaufträge der Universität Tübingen für die Profes- die Vollendung gefehlt. Und trotz all dem muss Gus- der „Gräfin Reventlow“ und seiner Frau „Anna Essig“. sorengalerie. Auch hier wird die neusachliche, nüch- tav Essig den Vergleich mit dem bekannten, aus Ebin- les Verständnis für mein Erlebnis hatte, lud mich für Die Gesichter sind aus sanften Grün- und Rosatönen tern-realistische und fast skulpturale Auffassung der gen stammenden Professor Christian Landenberger den Nachmittag ein. Als ich mit ihm im Garten den Kaf- aufgebaut. Bei einem Porträt seiner Frau fällt die raf- offiziellen Porträts der Universitäts-Rektoren mit kla- nicht scheuen! Essigs Malerei entwickelte sich in der fee trank, unter Tannen, die ich bewunderte, erfuhr finierte Lichtführung auf. Eine Gesichtshälfte ist fast ren Umrisslinien und Strukturen deutlich. Der Hin- Bandbreite von Impressionismus und Neuer Sach- ich, dass eben diese Tannen von meinem Vater ge- ganz in den Schatten getaucht. Eine ähnliche Farb- tergrund ist einfarbig und zurückhaltend gestaltet, so lichkeit. Seine Werke sind von ausgezeichneter Qua- pflanzt worden seien. (Mein Vater hatte, um den Schaf- wahl kann auch bei seinem Selbstporträt vor der Staf- dass die Gesichter und Ehrenzeichen hervortreten. Der lität in Komposition, Farbe und Ausführung. stall zu verdecken, der an den Pfarrgarten grenzte, eins- felei festgestellt werden. Künstler variiert in der Komposition, da die Gemälde tens Tännchen gesetzt; ich erinnerte mich nun auch, Bei Gustav Essigs Landschaftsbildern fällt der An- auch im Zusammenhang aufgehängt wurden. Der Me- Info dass mir meine Geschwister schon erzählt hatten, wie fang des 20. Jahrhunderts ungebrochen beliebte Im- dizin-Professor und Direktor der Klinik für Psychiat- sie sich bemühten, hinter den Tännchen die Köpfe der pressionismus auf wie bei der „Familie Darboven im rie, Hermann Fritz Hoffmann, ist nicht im üblichen Ta- Öffnungszeiten der Städtischen Kunstsammlung Schafe durch die kleinen Fenster des Schaftstalls zu se- Park“ (das Plakat dieser Ausstellung) oder „Anna in lar,sonderninUniformdargestellt.Essigsigniertekaum Murrhardt: Donnerstag und Freitag von 16 bis 18.30 hen).“ Gras“. Die kräftigen hellen Farben sowie die vehe- sichtbar rechts unten mit schwarzer Farbe auf den Uhr, Samstag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr. Füh- Das damals entstandene Aquarell seines Geburts- mente und breite Pinselführung zeigen Momentauf- schwarzen Hintergrund. In der Ausstellung ist das Werk rungen Donnerstag um 17 Uhr und Sonntag um 15 Uhr. hauses ist in „Spuren 16“ der Deutschen Schillerge- nahmen im Licht- und Schattenspiel eines ganz un- bewusst in den räumlichen Zusammenhang mit dem sellschaft Marbach am Neckar abgebildet. gezwungenen Freizeitvergnügens. Ähnlich schwung- „Verwundeten Soldaten“ und dem „Alten Juden“ ge- Gustav Essig wurde noch im Oktober selben Jahres voll sind auch viele Blumenbilder gestaltet. In Gustav bracht worden. Die Universität Tübingen hat ihre Si- unter der Matrikelnummer 2849 von der Münchner und Anna Essigs Bildern entwickelt sich in der Folge- tuation während der nationalsozialistischen Zeit be- Literaturverzeichnis Akademie zunächst in die Zeichenklasse von Profes- zeit ähnlich wie bei Maria Caspar-Filser, die in ihrer Ju- reits aufgearbeitet. sor Peter von Halm aufgenommen. Nur für ein Se- gendzeit in Balingen gelebt hat, eine kräftige Farb- In die 30er Jahre fallen auch Essigs intensive Studien – Essig, Gustav: Lebenslauf von Gustav Essig geb. 18. mester hatte Gustav Essig nach München gehen wol- wirkung wie beim „Interieur der Münchner Woh- und fotorealistischen Zeichnungen von Schmetterlin- November 1880. Manuskript. Städtische Kunst- len, doch es wurden auf den Tag genau 26 Jahre da- nung“ und bei der „Sitzenden Frau“. gen, die eine „große Rolle spielen“ in seinem Leben, und sammlung Murrhardt. raus. Es lag wohl an der „starken Persönlichkeit“ und Einen starken Einschnitt bedeutete der Erste Welt- anderen Insekten für seine eigene Dokumentations- – Essig, Rolf-Bernhard: „Konnte man nicht bleiben im an den Gebäuden sowie am südlichen Flair von „Isar- krieg, wurde Gustav Essig doch 1915 zum Militär- mappe. Interessant sind die samtig erscheinende Ober- Märchenland?“ Hermann Essigs Geburtshaus in Athen“, einem „Land Arkadien“. „In dieser Stadt kann dienst eingezogen. Er war Infantrist und von Novem- flächenstruktur und die Plastizität. In den Skizzenbü- Truchtelfingen. Spuren 16. Deutsche Schillerge- und darf man Mensch sein“, so Essig. „Ich erwischte ber 1915 bis Januar 1916 Kriegsmaler beim Armee- chern findet man auch Pflanzen und Obst. sellschaft Marbach am Neckar. Hrsg. von Ulrich Ott noch die „Aera Lenbach“ an einem Zipfel“. In Schwa- oberkommando 6, einem überwiegend bayerischen Er lebte zurückgezogen in Murrhardt und wurde im- / Friedrich Pfäfflin / Thomas Scheuffelen. Eine Ver- bing wohnte er bis zu seiner Heirat 1910 bei einem Fo- Heer, in Lille eingesetzt. Das Gemälde mit dem jun- mer wieder von Familienangehörigen unterstützt. Die öffentlichung der Arbeitsstelle für literarische Mu- tografen in einem „ururmünchnerischen“ Atelier, das gen verwundeten Soldaten (Gurkha) legt hiervor ein Tragik besteht wohl darin, dass er in der Zeitspanne von seen, Archive und Gedenkstätten in Baden-Würt- durchdieFassadenmalereieiner„Karussel-Bude“glich. eindrucksvolles Zeugnis ab (Städt. Kunstsammlung zwei Weltkriegen einen Professorentitel nicht hatte er- temberg. Leinfelden-Echterdingen 1992. Als Gustav Essig an die Akademie kam, ging von Stuck Murrhardt). Dann kam er zum Armeeflugpark 6 in die ringen können, der ihn finanziell abgesichert hätte. – Helber, Ingrid / von Berlepsch, Heide: Schwäbi- eine große Faszination aus. Essig zählte nach über zehn Bildabteilung und wurde später Bildgeräteverwalter. Unter das kleine Aquarell eines gelbgrünen Apfels scher Impressionismusim Umkreis von Heinrich von Jahren Lehrtätigkeit des Professors quasi schon zur Bei Kriegsende kehrte er nach München zurück. schrieb der Künstler, der bis zuletzt doch seinen Hu- Zügel. Katalog zur Sonderausstellung. Städtische „zweiten Studenten-Generation“ der insgesamt über Essigs großformatige und beeindruckende Gemälde mor behalten hat: „Der gestohlene Apfel – am Vor- Kunstsammlung Murrhardt. Hrsg. von der Stadt 150 Stuck-Schüler. Essig fast unmittelbar vorausge- der 20er Jahre wie die „Dame in Rot“ oder Baurat Hans mittag hat ich ihn gemalt – am Nachmittag gefres- Murrhardt. Murrhardt 2011. gangen waren Paul Klee 1900/01 – ihm riet der Meis- Daiber 1927 sind in ihrer Ausdruckskraft und in ihrem sen.“ 11. 10. 1962. Einige Tage später, am 23. Oktober – Ludwig, Horst: Franz von Stuck und seine Schüler. ter zum Übertritt in die Bildhauerklasse – und Wassily Malstil zwischen Impressionismus und Neuer Sach- 1962 starb der Künstler. Gemälde und Zeichnungen. Villa Stuck München. Kandinsky, der bei der Zeichenlehrerprüfung der Aka- lichkeit einzuordnen. Zum Schluss seines Lebens war der Gustav Essig ver- Hrsg. vom Stuck-Jugendstil-Verein. München 1989. demie durchgefallen war, aber Gnade vor den Augen Da Anna Essig erkrankt war, zog das Ehepaar Essig bittert und äußerst selbstkritisch. So meinte er, seine – Schriftliche Informationen von Ulrich Hartmann, Stucks fand. 1930 nach Murrhardt. Die Malerin starb dort 1932. Gemälde hätten „immer einen Schmiss und eine per- Kraichtal, vom 7. November 2012. Üblich war der dreistufige Aufbau des Studiums. In Gustav Essig blieb in Murrhardt. Nun gab es Port- sönliche Note“ aufgewiesen, doch hätten die Reife und – www.murrhardt.de der Zeichenschule sollten die Schüler das Naturstu- dium am lebenden Modell betreiben mit anatomisch richtigem Zeichnen von Kopf und Akt. Essig gelang es bereits nach drei Semestern zu Professor Franz von Stuck in die Malklasse und anschließend in die Kom- ponierklasse, die Meisterklasse, aufzusteigen. „Von Mönchsvisagen und Muslimkarikaturen“ Der 1906 geadelte „Malerfürste“ Franz von Stuck war 1892 Mitbegründer der „Münchner Secession“ – einer Künstlervereinigung, die sich gegen konservative und Zum Vortrag von Prof. Dr. Paul Münch – Von Dr. Michael Walther staatliche Bevormundung der Ausstellungspolitik wehrte. Auch der Balinger Maler Friedrich Eckenfel- DasimmernochaktuelleThemaderPhysiognomik,d.h. dertzudenallseitsbekanntenschrecklichenFolgen. soProf.Münch,istbisheuteweitgehendunbekannt. der war Gründungsmitglied der Secession. 1895 trat die Praxis, anhand bestimmter körperlicher Merkmale Dagegen ist bis heute weitgehend unbekannt, dass Antikatholische Ressentiments, besonders gegen- Stuck die Nachfolge seines eigenen Professors Wil- auf den Charakter von Menschen zu schließen, war sich auch Aufklärer des 18. und 19. Jahrhunderts mit der über den Jesuiten, tauchten dann wieder im Zuge des helm von Lindenschmit an. Übrigens im gleichen Jahr Thema eines Vortrags von Prof. Münch am 17. Oktober - Religionsphysiognomik beschäftigt haben. Physiogno- Kulturkampfes im wilhelminischen Kaiserreich auf. Im 1895 schied Johann Leonhard Raab an der Akademie eine Veranstaltung der Heimatkundlichen Vereinigung mische Erklärungsmuster wurden dabei ausschließlich Dritten Reich wurden antikatholische und antisemiti- aus und seine Kupferstecherschule wurde geschlossen Zollernalb. Dr. Paul Münch ist emeritierter Professor für von protestantischer Seite gegenüber den Katholiken sche Vorurteile oft gemeinsam verbreitet. Aber auch in – dafür richtete man die Tiermalschule mit dem in Neuere Geschichte und beschäftigt sich seit vielen Jah- verwendet. Als Beispiele nannte Prof. Münch den Berli- der Gegenwart sind solche Ausgrenzungsmuster wieder Murrhardt geborenen Heinrich von Zügel ein, der in ren mit dieser Thematik. Eine der Spielarten der Physi- ner Schriftsteller und radikalen Aufklärer Friedrich Ni- zu erkennen, wie zum Beispiel bei Karikaturen, die die Ausstrahlung und Aktualität der Konkurrent Stucks war. Gustav Essig: Anna Essig. ognomik ist die Religionsphysiognomik, mit deren Hilfe colaiunddenausZürichstammendenprotestantischen Missbrauchsfälle im katholischen Milieu zum Thema Franz von Stuck ist vor allem bekannt durch das man glaubte, die konfessionelle Zugehörigkeit erken- Theologen Johann Caspar Lavater. Dieser stellte in sei- haben. Und schließlich wird in vielen Karikaturen auch Kunstgewerbe, die Jugendstil-Grafiken und seine Ma- ten seiner Klasse aus. Gustav Essig war stolz, dass be- sagt.“ Das war für Gustav Essig nicht nötig, denn er ver- nenzukönnen. nem Werk „Physiognomische Fragmente zur Beförde- bei der Darstellung von Muslimen mit physiognomi- lerei. 1889 stellte er im Glaspalast den „Wächter des Pa- reits 1906, das heißt nach einem Semester, eines sei- stand sofort und merkte sich jedes Wort. „Ich verehrte Das wohl bekannteste Beispiel in der Geschichte ist rung der Menschenkenntnis und Menschenliebe“ ei- schenKennzeichnungengearbeitet. radieses“ aus. Gerne wählte Stuck religiöse, mytholo- ner Bilder „zum Zug kam“ – „eine große Seltenheit“. und liebte Stuck wie einen Vater. Wenn er (bei der Kor- die Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung. Wobei die nen direkten Zusammenhang zwischen Körper und Wesentlich für den anhaltenden Erfolg der Physiog- gische, symbolhafte und erotische Themen mit ext- Im Frühjahr 1911 hingen zum ersten Mal zwei Essig-Ge- rektur) neben mir stand, hatte ich das herrliche Ge- Diffamierung über angebliche körperliche Merkmale Seele her. Selbst aus einer Gesichtszeichnung des Re- nomik war und ist, so schloss Prof. Münch seinen Vor- rem pastosem Farbauftrag. Bei den Zeitgenossen fand mäldeinderNachwuchs-AusstellungderSezessionund fühl absoluter Geborgenheit.“ wie die sprichwörtliche „Judennase“ ein Phänomen des formators Martin Luther meinte er noch „versteckte trag, die vermeintliche Simplizität der Gedankenfüh- er als „schöpferisches Genie“ große Beachtung. Stucks gleich anschließend ein „Großer weiblicher Akt“ im Nach Abschluss des Studiums eröffnete Essig 1909 19. Jahrhunderts darstellte. Die Verbindung von Physi- Reste katholischer Frömmigkeit und Mönchstums“ er- rung und der immer noch weit verbreitete Reflex, Min- Figuren stehen für Tanz, Eros, Kampf, Genuss, Spiel Sommer in der Hauptausstellung. Von da an fehlte Es- eine eigene Malschule, wovon ihm Stuck in einem Brief ognomik und Rassenlehre führte dann im 20. Jahrhun- kennen zu können. Diese „dunkle Seite“ der Aufklärung derheitenalsSündenböckevorzuführen. und Schönheit. Beispielhaft kann man hier anführen: sig in keiner Ausstellung des Glaspalastes mehr. 1916 anriet. Die Schule leitete er bis 1913, bezeichnete sie Die Sünde, Der Krieg, Judith und Holofernes. Von den wurde er als Mitglied in die Secession aufgenommen, aber im Nachhinein als Unsinn. Im Jahr 1909 verlobte frühen Bildern mit meist hellen Farben und weichen wozu der Nachweis einer bestimmten Anzahl von Aus- er sich mit der in Sulz am Neckar lebenden Anna Wet- Konturen ging er über zu stärkerer Tonigkeit (Braun- stellungen notwendig war. zel. 1880, im gleichen Jahr wie Gustav Essig, wurde sie Ocker) und größerer Plastizität, auch mit Kalt-Warm- Interessant ist die Beurteilung des Akademie-Pro- in Ludwigsburg geboren. Ihr Vater übte den Beruf ei- kontrasten. Auffallend sind der statische „flächenhaft- fessors Franz von Stuck durch seine Schüler. Gustav Es- nes Bauinspektors aus. Das Paar wurde am 15. März Neue Erkenntnisse in der Keltenforschung dekorative Bildrhythmus“ und die „flächige Ausbrei- sig resümierte: „Stuckschüler zu sein war eine beson- 1910 von Essigs Bruder Richard getraut, der damals tung der Bewegung“. Dem Professor waren die tech- dere Ehre, man hielt es, als solcher, zum mindesten Pfarrer in Waldenbuch war. Ein frühes Ölgemälde An- nische Ausführung, die Form und das Formenspiel be- für eine … Gewöhnlich war in der Klasse ein Höllen- nas zeigt wohl die Sulzer Waldhornbrücke. Sie brachte Höhensiedlungen auf der Zollernalb - Vortrag von Dr. Christoph Morrissey - Von Dr. Michael Walther sonders wichtig. lärm, es wurde gesungen, gepfiffen und gejodelt … – es als Malerin zu beachtlicher Meisterschaft bei Blu- Stuck traf bezüglich der Annahme der Schüler eine und geraucht, dass man das Modell oft nur mit Mühe menbildern, die sich stilistisch parallel zu denjenigen Im Rahmen des Veranstaltungsprogramms der Hei- logen beispielsweise davon aus, dass es sich bei den so- vermutet, dass es sich bei dieser nur schwer zu- strenge Auswahl. Wichtig ist er als Künstler für die Stil- sehen konnte … Anders war es an den Donnerstagen, ihres Mannes entwickelten. Gemeinsam schuf das matkundlichen Vereinigung Zollernalb referierte der genannten Viereckschanzen um befestigte Plätze ge- gänglichen Stelle um einen Brandopferplatz ge- entwicklung hin zur Moderne, die dann seine Schüler da kam der Stuck-Franzl zur Korrektur. Die Klasse stand Künstlerehepaar ein Gemälde mit „Pfingstrosen“ – ei- Archäologe Dr. Christoph Morrissey über keltische handelt hat. Heute sehen die Forscher darin eher Guts- handelt hat. unterschiedlich bestritten. Stilistisch gesehen gab es dann sozusagen zur Abnahme der Parade ausgerich- ne solche partnerschaftliche Arbeit ist eine Seltenheit. Siedlungen in der Region Zollernalb. Im ersten Teil höfe oder Gehöfte, die von Wällen umgeben wa- An vielen Plätzen sind zwar Siedlungsreste zu er- keine homogene Schule mehr. Einflüsse kamen aus der tet. Kein Ton war zu hören und keiner rauchte… End- Bei der Themenauswahl konzentrierte sich Gustav des Vortrags gab der Referent einen kurzen Über- ren, die mehr repräsentativen Zwecken gedient ha- kennen, nicht aber, ob sich dort auch tatsächlich Kel- Secession zwischen Jugendstil und Impressionismus. lich war’s so weit: „Gott selbst hatte die Klasse betre- Essig auf Porträts, Landschaften, Stillleben und Blu- blick über die Keltenforschung in Vergangenheit und ben. ten aufgehalten haben. Als Beispiel nannte der Re- Beim Bau und bei der Einrichtung seiner Villa 1898 ten“ … Stuck ging von Staffelei zur Staffelei, er nahm menbilder. Sein „Stillleben mit Kürbissen“ von 1910 Gegenwart. Da die Kelten selbst keine schriftlichen Im zweiten Teil des Vortrags ging Dr. Morrissey im ferent den Plettenberg auf dem sich bisher nur vor- schwebte Stuck wie in der Barockzeit ein „Gesamt- die Korrektur sehr gründlich und sie war ausgezeich- und auch das „Stillleben mit Krug“ (Eigentum der Städ- Zeugnisse hinterlassen haben, war ihre Lebenswelt vollbesetzten Sitzungssaal des Landratsamtes in Ba- keltische Spuren gefunden haben. Dasselbe gilt für kunstwerk“ vor aus Architektur, Plastiken, Bildern und net. Mit gedämpfter Stimme (damit der Nachbar ei- tischen Kunstsammlung Murrhardt) verdeutlichen die und Kultur bisher, neben Beschreibungen antiker lingen auf bedeutende keltische Hinterlassenschaf- die Funde auf der Hochburg bei Rangendingen oder Möbeln. Dieses Prinzip wurde dann bei vielen Ju- nen etwaigen Tadel nicht hören konnte) besprach Stuck neusachlichen Tendenzen mit klarem, statischem Auf- Schriftsteller des griechischen und römischen Kul- ten in der Region ein. Dazu zählt die größte kelti- auf dem Schafberg. gendstil-Gebäuden angewandt wie bei der neuen „Vil- die einzelnen Arbeiten. Nie legte er Hand an, … er bau als Dreieckskomposition mit sparsam ausge- turraums, nur mit den Mitteln der Archäologie zu er- sche Anlage in der Region, die sich auf dem Grä- Der Referent schloss seinen gelungenen Vortrag mit la Haux“ in Ebingen. machte einen auf die großen Wahrheiten in der Ma- wählten Objekten, mit größeren Farbflächen und mit forschen. In den letzten Jahrzehnten aber hat die Sied- belesberg bei Hossingen befindet. Oder der Peter- dem Hinweis, dass aufgrund neuer wissenschaftli- Für die jährlich im Herbst stattfindende Akade- lerei aufmerksam … Professor Herterich, der ihn … ver- viel Volumen und Plastizität. Einen starken Pinsel- lungsforschung neue Erkenntnisse zu Tage ge- fels bei Beuron, wo in großem Umfang Fibeln und Ke- cher Verfahren in den nächsten Jahren noch viele neue mieausstellung wählte Stuck selbst die Schülerarbei- treten hat, sagte: „Schreiben Sie sich alles auf, was Stuck duktus und eine monochrome Farbigkeit mit expres- bracht. Bis vor wenigen Jahren gingen die Archäo- ramiken aus keltischer Zeit gefunden wurden. Es wird Erkenntnisse über die Kelten zu erwarten sind. Seite 1817 Heimatkundliche Blätter November 2012 November 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1818

siven Tendenzen zeigen die großformatigen Gemälde rätaufträge der Universität Tübingen für die Profes- die Vollendung gefehlt. Und trotz all dem muss Gus- der „Gräfin Reventlow“ und seiner Frau „Anna Essig“. sorengalerie. Auch hier wird die neusachliche, nüch- tav Essig den Vergleich mit dem bekannten, aus Ebin- les Verständnis für mein Erlebnis hatte, lud mich für Die Gesichter sind aus sanften Grün- und Rosatönen tern-realistische und fast skulpturale Auffassung der gen stammenden Professor Christian Landenberger den Nachmittag ein. Als ich mit ihm im Garten den Kaf- aufgebaut. Bei einem Porträt seiner Frau fällt die raf- offiziellen Porträts der Universitäts-Rektoren mit kla- nicht scheuen! Essigs Malerei entwickelte sich in der fee trank, unter Tannen, die ich bewunderte, erfuhr finierte Lichtführung auf. Eine Gesichtshälfte ist fast ren Umrisslinien und Strukturen deutlich. Der Hin- Bandbreite von Impressionismus und Neuer Sach- ich, dass eben diese Tannen von meinem Vater ge- ganz in den Schatten getaucht. Eine ähnliche Farb- tergrund ist einfarbig und zurückhaltend gestaltet, so lichkeit. Seine Werke sind von ausgezeichneter Qua- pflanzt worden seien. (Mein Vater hatte, um den Schaf- wahl kann auch bei seinem Selbstporträt vor der Staf- dass die Gesichter und Ehrenzeichen hervortreten. Der lität in Komposition, Farbe und Ausführung. stall zu verdecken, der an den Pfarrgarten grenzte, eins- felei festgestellt werden. Künstler variiert in der Komposition, da die Gemälde tens Tännchen gesetzt; ich erinnerte mich nun auch, Bei Gustav Essigs Landschaftsbildern fällt der An- auch im Zusammenhang aufgehängt wurden. Der Me- Info dass mir meine Geschwister schon erzählt hatten, wie fang des 20. Jahrhunderts ungebrochen beliebte Im- dizin-Professor und Direktor der Klinik für Psychiat- sie sich bemühten, hinter den Tännchen die Köpfe der pressionismus auf wie bei der „Familie Darboven im rie, Hermann Fritz Hoffmann, ist nicht im üblichen Ta- Öffnungszeiten der Städtischen Kunstsammlung Schafe durch die kleinen Fenster des Schaftstalls zu se- Park“ (das Plakat dieser Ausstellung) oder „Anna in lar,sonderninUniformdargestellt.Essigsigniertekaum Murrhardt: Donnerstag und Freitag von 16 bis 18.30 hen).“ Gras“. Die kräftigen hellen Farben sowie die vehe- sichtbar rechts unten mit schwarzer Farbe auf den Uhr, Samstag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr. Füh- Das damals entstandene Aquarell seines Geburts- mente und breite Pinselführung zeigen Momentauf- schwarzen Hintergrund. In der Ausstellung ist das Werk rungen Donnerstag um 17 Uhr und Sonntag um 15 Uhr. hauses ist in „Spuren 16“ der Deutschen Schillerge- nahmen im Licht- und Schattenspiel eines ganz un- bewusst in den räumlichen Zusammenhang mit dem sellschaft Marbach am Neckar abgebildet. gezwungenen Freizeitvergnügens. Ähnlich schwung- „Verwundeten Soldaten“ und dem „Alten Juden“ ge- Gustav Essig wurde noch im Oktober selben Jahres voll sind auch viele Blumenbilder gestaltet. In Gustav bracht worden. Die Universität Tübingen hat ihre Si- unter der Matrikelnummer 2849 von der Münchner und Anna Essigs Bildern entwickelt sich in der Folge- tuation während der nationalsozialistischen Zeit be- Literaturverzeichnis Akademie zunächst in die Zeichenklasse von Profes- zeit ähnlich wie bei Maria Caspar-Filser, die in ihrer Ju- reits aufgearbeitet. sor Peter von Halm aufgenommen. Nur für ein Se- gendzeit in Balingen gelebt hat, eine kräftige Farb- In die 30er Jahre fallen auch Essigs intensive Studien – Essig, Gustav: Lebenslauf von Gustav Essig geb. 18. mester hatte Gustav Essig nach München gehen wol- wirkung wie beim „Interieur der Münchner Woh- und fotorealistischen Zeichnungen von Schmetterlin- November 1880. Manuskript. Städtische Kunst- len, doch es wurden auf den Tag genau 26 Jahre da- nung“ und bei der „Sitzenden Frau“. gen, die eine „große Rolle spielen“ in seinem Leben, und sammlung Murrhardt. raus. Es lag wohl an der „starken Persönlichkeit“ und Einen starken Einschnitt bedeutete der Erste Welt- anderen Insekten für seine eigene Dokumentations- – Essig, Rolf-Bernhard: „Konnte man nicht bleiben im an den Gebäuden sowie am südlichen Flair von „Isar- krieg, wurde Gustav Essig doch 1915 zum Militär- mappe. Interessant sind die samtig erscheinende Ober- Märchenland?“ Hermann Essigs Geburtshaus in Athen“, einem „Land Arkadien“. „In dieser Stadt kann dienst eingezogen. Er war Infantrist und von Novem- flächenstruktur und die Plastizität. In den Skizzenbü- Truchtelfingen. Spuren 16. Deutsche Schillerge- und darf man Mensch sein“, so Essig. „Ich erwischte ber 1915 bis Januar 1916 Kriegsmaler beim Armee- chern findet man auch Pflanzen und Obst. sellschaft Marbach am Neckar. Hrsg. von Ulrich Ott noch die „Aera Lenbach“ an einem Zipfel“. In Schwa- oberkommando 6, einem überwiegend bayerischen Er lebte zurückgezogen in Murrhardt und wurde im- / Friedrich Pfäfflin / Thomas Scheuffelen. Eine Ver- bing wohnte er bis zu seiner Heirat 1910 bei einem Fo- Heer, in Lille eingesetzt. Das Gemälde mit dem jun- mer wieder von Familienangehörigen unterstützt. Die öffentlichung der Arbeitsstelle für literarische Mu- tografen in einem „ururmünchnerischen“ Atelier, das gen verwundeten Soldaten (Gurkha) legt hiervor ein Tragik besteht wohl darin, dass er in der Zeitspanne von seen, Archive und Gedenkstätten in Baden-Würt- durchdieFassadenmalereieiner„Karussel-Bude“glich. eindrucksvolles Zeugnis ab (Städt. Kunstsammlung zwei Weltkriegen einen Professorentitel nicht hatte er- temberg. Leinfelden-Echterdingen 1992. Als Gustav Essig an die Akademie kam, ging von Stuck Murrhardt). Dann kam er zum Armeeflugpark 6 in die ringen können, der ihn finanziell abgesichert hätte. – Helber, Ingrid / von Berlepsch, Heide: Schwäbi- eine große Faszination aus. Essig zählte nach über zehn Bildabteilung und wurde später Bildgeräteverwalter. Unter das kleine Aquarell eines gelbgrünen Apfels scher Impressionismusim Umkreis von Heinrich von Jahren Lehrtätigkeit des Professors quasi schon zur Bei Kriegsende kehrte er nach München zurück. schrieb der Künstler, der bis zuletzt doch seinen Hu- Zügel. Katalog zur Sonderausstellung. Städtische „zweiten Studenten-Generation“ der insgesamt über Essigs großformatige und beeindruckende Gemälde mor behalten hat: „Der gestohlene Apfel – am Vor- Kunstsammlung Murrhardt. Hrsg. von der Stadt 150 Stuck-Schüler. Essig fast unmittelbar vorausge- der 20er Jahre wie die „Dame in Rot“ oder Baurat Hans mittag hat ich ihn gemalt – am Nachmittag gefres- Murrhardt. Murrhardt 2011. gangen waren Paul Klee 1900/01 – ihm riet der Meis- Daiber 1927 sind in ihrer Ausdruckskraft und in ihrem sen.“ 11. 10. 1962. Einige Tage später, am 23. Oktober – Ludwig, Horst: Franz von Stuck und seine Schüler. ter zum Übertritt in die Bildhauerklasse – und Wassily Malstil zwischen Impressionismus und Neuer Sach- 1962 starb der Künstler. Gemälde und Zeichnungen. Villa Stuck München. Kandinsky, der bei der Zeichenlehrerprüfung der Aka- lichkeit einzuordnen. Zum Schluss seines Lebens war der Gustav Essig ver- Hrsg. vom Stuck-Jugendstil-Verein. München 1989. demie durchgefallen war, aber Gnade vor den Augen Da Anna Essig erkrankt war, zog das Ehepaar Essig bittert und äußerst selbstkritisch. So meinte er, seine – Schriftliche Informationen von Ulrich Hartmann, Stucks fand. 1930 nach Murrhardt. Die Malerin starb dort 1932. Gemälde hätten „immer einen Schmiss und eine per- Kraichtal, vom 7. November 2012. Üblich war der dreistufige Aufbau des Studiums. In Gustav Essig blieb in Murrhardt. Nun gab es Port- sönliche Note“ aufgewiesen, doch hätten die Reife und – www.murrhardt.de der Zeichenschule sollten die Schüler das Naturstu- dium am lebenden Modell betreiben mit anatomisch richtigem Zeichnen von Kopf und Akt. Essig gelang es bereits nach drei Semestern zu Professor Franz von Stuck in die Malklasse und anschließend in die Kom- ponierklasse, die Meisterklasse, aufzusteigen. „Von Mönchsvisagen und Muslimkarikaturen“ Der 1906 geadelte „Malerfürste“ Franz von Stuck war 1892 Mitbegründer der „Münchner Secession“ – einer Künstlervereinigung, die sich gegen konservative und Zum Vortrag von Prof. Dr. Paul Münch – Von Dr. Michael Walther staatliche Bevormundung der Ausstellungspolitik wehrte. Auch der Balinger Maler Friedrich Eckenfel- DasimmernochaktuelleThemaderPhysiognomik,d.h. dertzudenallseitsbekanntenschrecklichenFolgen. soProf.Münch,istbisheuteweitgehendunbekannt. der war Gründungsmitglied der Secession. 1895 trat die Praxis, anhand bestimmter körperlicher Merkmale Dagegen ist bis heute weitgehend unbekannt, dass Antikatholische Ressentiments, besonders gegen- Stuck die Nachfolge seines eigenen Professors Wil- auf den Charakter von Menschen zu schließen, war sich auch Aufklärer des 18. und 19. Jahrhunderts mit der über den Jesuiten, tauchten dann wieder im Zuge des helm von Lindenschmit an. Übrigens im gleichen Jahr Thema eines Vortrags von Prof. Münch am 17. Oktober - Religionsphysiognomik beschäftigt haben. Physiogno- Kulturkampfes im wilhelminischen Kaiserreich auf. Im 1895 schied Johann Leonhard Raab an der Akademie eine Veranstaltung der Heimatkundlichen Vereinigung mische Erklärungsmuster wurden dabei ausschließlich Dritten Reich wurden antikatholische und antisemiti- aus und seine Kupferstecherschule wurde geschlossen Zollernalb. Dr. Paul Münch ist emeritierter Professor für von protestantischer Seite gegenüber den Katholiken sche Vorurteile oft gemeinsam verbreitet. Aber auch in – dafür richtete man die Tiermalschule mit dem in Neuere Geschichte und beschäftigt sich seit vielen Jah- verwendet. Als Beispiele nannte Prof. Münch den Berli- der Gegenwart sind solche Ausgrenzungsmuster wieder Murrhardt geborenen Heinrich von Zügel ein, der in ren mit dieser Thematik. Eine der Spielarten der Physi- ner Schriftsteller und radikalen Aufklärer Friedrich Ni- zu erkennen, wie zum Beispiel bei Karikaturen, die die Ausstrahlung und Aktualität der Konkurrent Stucks war. Gustav Essig: Anna Essig. ognomik ist die Religionsphysiognomik, mit deren Hilfe colaiunddenausZürichstammendenprotestantischen Missbrauchsfälle im katholischen Milieu zum Thema Franz von Stuck ist vor allem bekannt durch das man glaubte, die konfessionelle Zugehörigkeit erken- Theologen Johann Caspar Lavater. Dieser stellte in sei- haben. Und schließlich wird in vielen Karikaturen auch Kunstgewerbe, die Jugendstil-Grafiken und seine Ma- ten seiner Klasse aus. Gustav Essig war stolz, dass be- sagt.“ Das war für Gustav Essig nicht nötig, denn er ver- nenzukönnen. nem Werk „Physiognomische Fragmente zur Beförde- bei der Darstellung von Muslimen mit physiognomi- lerei. 1889 stellte er im Glaspalast den „Wächter des Pa- reits 1906, das heißt nach einem Semester, eines sei- stand sofort und merkte sich jedes Wort. „Ich verehrte Das wohl bekannteste Beispiel in der Geschichte ist rung der Menschenkenntnis und Menschenliebe“ ei- schenKennzeichnungengearbeitet. radieses“ aus. Gerne wählte Stuck religiöse, mytholo- ner Bilder „zum Zug kam“ – „eine große Seltenheit“. und liebte Stuck wie einen Vater. Wenn er (bei der Kor- die Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung. Wobei die nen direkten Zusammenhang zwischen Körper und Wesentlich für den anhaltenden Erfolg der Physiog- gische, symbolhafte und erotische Themen mit ext- Im Frühjahr 1911 hingen zum ersten Mal zwei Essig-Ge- rektur) neben mir stand, hatte ich das herrliche Ge- Diffamierung über angebliche körperliche Merkmale Seele her. Selbst aus einer Gesichtszeichnung des Re- nomik war und ist, so schloss Prof. Münch seinen Vor- rem pastosem Farbauftrag. Bei den Zeitgenossen fand mäldeinderNachwuchs-AusstellungderSezessionund fühl absoluter Geborgenheit.“ wie die sprichwörtliche „Judennase“ ein Phänomen des formators Martin Luther meinte er noch „versteckte trag, die vermeintliche Simplizität der Gedankenfüh- er als „schöpferisches Genie“ große Beachtung. Stucks gleich anschließend ein „Großer weiblicher Akt“ im Nach Abschluss des Studiums eröffnete Essig 1909 19. Jahrhunderts darstellte. Die Verbindung von Physi- Reste katholischer Frömmigkeit und Mönchstums“ er- rung und der immer noch weit verbreitete Reflex, Min- Figuren stehen für Tanz, Eros, Kampf, Genuss, Spiel Sommer in der Hauptausstellung. Von da an fehlte Es- eine eigene Malschule, wovon ihm Stuck in einem Brief ognomik und Rassenlehre führte dann im 20. Jahrhun- kennen zu können. Diese „dunkle Seite“ der Aufklärung derheitenalsSündenböckevorzuführen. und Schönheit. Beispielhaft kann man hier anführen: sig in keiner Ausstellung des Glaspalastes mehr. 1916 anriet. Die Schule leitete er bis 1913, bezeichnete sie Die Sünde, Der Krieg, Judith und Holofernes. Von den wurde er als Mitglied in die Secession aufgenommen, aber im Nachhinein als Unsinn. Im Jahr 1909 verlobte frühen Bildern mit meist hellen Farben und weichen wozu der Nachweis einer bestimmten Anzahl von Aus- er sich mit der in Sulz am Neckar lebenden Anna Wet- Konturen ging er über zu stärkerer Tonigkeit (Braun- stellungen notwendig war. zel. 1880, im gleichen Jahr wie Gustav Essig, wurde sie Ocker) und größerer Plastizität, auch mit Kalt-Warm- Interessant ist die Beurteilung des Akademie-Pro- in Ludwigsburg geboren. Ihr Vater übte den Beruf ei- kontrasten. Auffallend sind der statische „flächenhaft- fessors Franz von Stuck durch seine Schüler. Gustav Es- nes Bauinspektors aus. Das Paar wurde am 15. März Neue Erkenntnisse in der Keltenforschung dekorative Bildrhythmus“ und die „flächige Ausbrei- sig resümierte: „Stuckschüler zu sein war eine beson- 1910 von Essigs Bruder Richard getraut, der damals tung der Bewegung“. Dem Professor waren die tech- dere Ehre, man hielt es, als solcher, zum mindesten Pfarrer in Waldenbuch war. Ein frühes Ölgemälde An- nische Ausführung, die Form und das Formenspiel be- für eine … Gewöhnlich war in der Klasse ein Höllen- nas zeigt wohl die Sulzer Waldhornbrücke. Sie brachte Höhensiedlungen auf der Zollernalb - Vortrag von Dr. Christoph Morrissey - Von Dr. Michael Walther sonders wichtig. lärm, es wurde gesungen, gepfiffen und gejodelt … – es als Malerin zu beachtlicher Meisterschaft bei Blu- Stuck traf bezüglich der Annahme der Schüler eine und geraucht, dass man das Modell oft nur mit Mühe menbildern, die sich stilistisch parallel zu denjenigen Im Rahmen des Veranstaltungsprogramms der Hei- logen beispielsweise davon aus, dass es sich bei den so- vermutet, dass es sich bei dieser nur schwer zu- strenge Auswahl. Wichtig ist er als Künstler für die Stil- sehen konnte … Anders war es an den Donnerstagen, ihres Mannes entwickelten. Gemeinsam schuf das matkundlichen Vereinigung Zollernalb referierte der genannten Viereckschanzen um befestigte Plätze ge- gänglichen Stelle um einen Brandopferplatz ge- entwicklung hin zur Moderne, die dann seine Schüler da kam der Stuck-Franzl zur Korrektur. Die Klasse stand Künstlerehepaar ein Gemälde mit „Pfingstrosen“ – ei- Archäologe Dr. Christoph Morrissey über keltische handelt hat. Heute sehen die Forscher darin eher Guts- handelt hat. unterschiedlich bestritten. Stilistisch gesehen gab es dann sozusagen zur Abnahme der Parade ausgerich- ne solche partnerschaftliche Arbeit ist eine Seltenheit. Siedlungen in der Region Zollernalb. Im ersten Teil höfe oder Gehöfte, die von Wällen umgeben wa- An vielen Plätzen sind zwar Siedlungsreste zu er- keine homogene Schule mehr. Einflüsse kamen aus der tet. Kein Ton war zu hören und keiner rauchte… End- Bei der Themenauswahl konzentrierte sich Gustav des Vortrags gab der Referent einen kurzen Über- ren, die mehr repräsentativen Zwecken gedient ha- kennen, nicht aber, ob sich dort auch tatsächlich Kel- Secession zwischen Jugendstil und Impressionismus. lich war’s so weit: „Gott selbst hatte die Klasse betre- Essig auf Porträts, Landschaften, Stillleben und Blu- blick über die Keltenforschung in Vergangenheit und ben. ten aufgehalten haben. Als Beispiel nannte der Re- Beim Bau und bei der Einrichtung seiner Villa 1898 ten“ … Stuck ging von Staffelei zur Staffelei, er nahm menbilder. Sein „Stillleben mit Kürbissen“ von 1910 Gegenwart. Da die Kelten selbst keine schriftlichen Im zweiten Teil des Vortrags ging Dr. Morrissey im ferent den Plettenberg auf dem sich bisher nur vor- schwebte Stuck wie in der Barockzeit ein „Gesamt- die Korrektur sehr gründlich und sie war ausgezeich- und auch das „Stillleben mit Krug“ (Eigentum der Städ- Zeugnisse hinterlassen haben, war ihre Lebenswelt vollbesetzten Sitzungssaal des Landratsamtes in Ba- keltische Spuren gefunden haben. Dasselbe gilt für kunstwerk“ vor aus Architektur, Plastiken, Bildern und net. Mit gedämpfter Stimme (damit der Nachbar ei- tischen Kunstsammlung Murrhardt) verdeutlichen die und Kultur bisher, neben Beschreibungen antiker lingen auf bedeutende keltische Hinterlassenschaf- die Funde auf der Hochburg bei Rangendingen oder Möbeln. Dieses Prinzip wurde dann bei vielen Ju- nen etwaigen Tadel nicht hören konnte) besprach Stuck neusachlichen Tendenzen mit klarem, statischem Auf- Schriftsteller des griechischen und römischen Kul- ten in der Region ein. Dazu zählt die größte kelti- auf dem Schafberg. gendstil-Gebäuden angewandt wie bei der neuen „Vil- die einzelnen Arbeiten. Nie legte er Hand an, … er bau als Dreieckskomposition mit sparsam ausge- turraums, nur mit den Mitteln der Archäologie zu er- sche Anlage in der Region, die sich auf dem Grä- Der Referent schloss seinen gelungenen Vortrag mit la Haux“ in Ebingen. machte einen auf die großen Wahrheiten in der Ma- wählten Objekten, mit größeren Farbflächen und mit forschen. In den letzten Jahrzehnten aber hat die Sied- belesberg bei Hossingen befindet. Oder der Peter- dem Hinweis, dass aufgrund neuer wissenschaftli- Für die jährlich im Herbst stattfindende Akade- lerei aufmerksam … Professor Herterich, der ihn … ver- viel Volumen und Plastizität. Einen starken Pinsel- lungsforschung neue Erkenntnisse zu Tage ge- fels bei Beuron, wo in großem Umfang Fibeln und Ke- cher Verfahren in den nächsten Jahren noch viele neue mieausstellung wählte Stuck selbst die Schülerarbei- treten hat, sagte: „Schreiben Sie sich alles auf, was Stuck duktus und eine monochrome Farbigkeit mit expres- bracht. Bis vor wenigen Jahren gingen die Archäo- ramiken aus keltischer Zeit gefunden wurden. Es wird Erkenntnisse über die Kelten zu erwarten sind. Seite 1819 Heimatkundliche Blätter November 2012 Im Fokus der Spione Stasioperation in Ebingen - Von Volker Leitermann

In der heißen Phase des Kalten Krieges geriet auch die für ihn vorgesehen Strafe unmittelbar an seinem jet- wegen, da er der politischen Einstellung hinterher Ebingen in den Fokus der Spione. Der hochrangige Mit- zigen Wohnort zu vollziehen und ihn physisch zu ver- hinkte. Solange er dies jedoch nicht tat, versorgte man arbeiter Paul Hesse des MfS (Ministerium für Staatssi- nichten.“ ihn aber auch bis zur Übersiedlung mit „schmutzigen“ cherheit der DDR) floh aus dem Regime 1961 in den Getreu seinem Motto „Lieber 100 Prozent zu viel Jobs. Sein größter Coup, das Stehlen der US-Agenten- Westen und tauchte in der Olgastraße im Ebinger Wes- Sprengstoff als zu wenig“ schmiedete GM Donner den daten, wurde 1963 in der DDR übrigens mit dem Film ten unter. In Ebingen arbeitete Hesse als Kranführer. Plan zur Hinrichtung von Paul Hesse in der Olga- „For eyes only“aufgearbeitet, in der Hauptrolle Alfred Jahrgang 59 30. November 2012 Nr. 11 Sich in trügerischer Sicherheit wiegend, kamen Stasi- straße. Da Herr Hesse jeden Abend sein Mofa im Keller Müller. Im Sommer 1961 siedelte Wax als Westbürger in Agenten ihm aber schon bald auf die Fährte. des von ihm bewohnten Mehrfamilienhauses abstellte, den Osten über und wurde dort zu einer Ikone des MfS Wie bei vielen Deserteuren zuvor, wollte man auch sollte bei Nacht ein Sprengsatz im Sattel des Zweirades hochstilisiert und propagandistisch genutzt. Zu diesem an ihm ein Exempel statuieren und setzte auf ihn den untergebracht werden, welcher über einen Kontakt- Zeitpunkt wurde sein Status auch zum „HIM“ (Haupt- GM (Geheimen Mitarbeiter) Donner an. Hinter dem zünder ausgelöst würde – GM Donner: „Die physische amtlicher Geheimdienstmitarbeiter) erhoben, da seine Decknamen verbarg sich der damals Anfang 30-jährige Vernichtung ist garantiert“. Erfahrung nun propagandistisch und in der Ausbildung Reife und Vollendung MfS Spitzenagent Hans Hubert Wax1. GM Donner wur- Anhand der möglichen politischen Folgen des Vor- neuer GMs genutzt wurde. Er betrieb unter anderem ei- de unter anderem dadurch bekannt, dass er 1956 die habens, beschloss im Februar 1964 die MfS Führung je- ne Autowerkstatt für das MfS. Als nicht-angepasste Per- komplette Agentendatei des MIS (Military Intelligence doch den Mordauftag zurückzuziehen. GM Donner sönlichkeit eckte er auch in der DDR an, landete wegen Gustav Essig zwischen Impressionismus und Neuer Sachlichkeit - Von Dr. Ingrid Helber Service – Militärgeheimdienst der USA) stahl. In Folge wurde nur wenige Tage vor dem geplanten Attentat eines Betrugsversuchs im Gefängnis und sogar in der dieser Tat wurden 140 US-Agenten in der DDR enttarnt nach Berlin beordert und aus Ebingen abgezogen. Paul Psychiatrie. Hans Hubert Wax verstarb 1983. Am 4. November 2012 wurde in Murrhardt die tradi- und festgenommen – ein schwerer Rückschlag für west- Hesse kam knapp und darüber hinaus vermutlich un- tionelle Herbstausstellung eröffnet mit dem Titel „Fa- liche Geheimdienste. wissentlich mit dem Leben davon. (2) GM Donner sprengte den Funkmast, Garagen und cetten zweier Malerleben im 20. Jahrhundert. Schüler Der draufgängerische West-Berliner KfZ-Werkstatt- Noch heute dürften die wenigsten Ebinger Kenntnis beschädigte das Funkhaus des Radiosenders russischer von Franz von Stuck stellen aus: Gustav Essig – Carl besitzer Wax hatte daher auch im MfS ein enorm hohes haben von der geheimen Stasi-Operation in der Ol- Emigranten, die hier auch einen Verlag betrieben, in Obenland.“ Die einführende Rede bei der Vernissage Ansehen und war der Hauptabteilung II der Spionage- gastraße und dem Spitzenagenten der DDR, welcher Sprendligen im Rahmens der „Aktion Sender“ stark. hielt die Verfasserin. abwehr unterstellt. Auf das Konto des Risiko suchenden 1963 durch die Weststadt zog bzw. dem übergelaufenen Bereits 2011 in der großen Schau zum „Schwäbi- und technisch versierten Agenten gingen Sprengstoff- Agenten Paul H., der vielleicht einmal der freundliche schen Impressionismus im Umkreis von Heinrich von anschläge auf die „anti-kommunistische“ Radiostation Nachbar von nebenan war oder in der Bäckerei neben Quellen und Literatur: Zügel“ wurden in Murrhardt Werke von Gustav Essig NTS (Narodno-Trudovoj Sojus = dt. Volksbund des einem stand. gezeigt. Seine letzte Einzelausstellung fand zum 110. Schaffens) in Sprendlingen bei Mainz2, Entführungen – Behörde für die Unterlagen des Staatssicherheits- Geburtstag im Jahr 1990 statt. Anlässlich des 50. To- von gegnerischen Geheimdienstmitarbeitern oder dienstes der ehemaligen Deutschen Demokrati- destages von Gustav Essig und aufgrund der Tatsache, Überläufern im Westen - als auch bislang indirekt be- Anmerkungen schen Republik (BStU), MfS, HA II, HIM (Hauptamt- dass der Murrhardter Maler Carl Obenland ebenfalls stätigte Liquidationsaufträge auf dem Gebiet des da- (1) Hans Wax (geboren 1927) war als Jugendlicher in der lich Indirekter Mitarbeiter) Donner / Hans Hubert ein Schüler des berühmten Münchner Professors und maligen „Klassenfeindes“. SS mit dem Bau von Sprengsätzen befasst. Nach dem Wax „Malerfürsten“ Franz von Stuck war, ist 2012 beiden ei- Wax operierte in direktem Auftrag des DDR Ministers Zweiten Weltkrieg war er ein West-Berliner Kleinkrimi- – Hubertus Knabe: West-Arbeit des MfS: das Zusam- ne gemeinsame Ausstellung gewidmet. Diese ist in der für Staatssicherheit Erich Mielke. Sein Auftrag in Ebin- neller, der gerne Fahrzeuge in den Osten verschob. Zi- menspiel von „Aufklärung“ und „Abwehr“. Berlin: Städtischen Kunstsammlung Murrhardt noch bis zum gen lautete: „Ausspähung und Entführung des Deser- vilberuflich war er KfZ-Werkstattbesitzer in West Berlin. Links, 1999 (2. Aufl.) (Analysen und Dokumente / Der 16. Dezember zu sehen. teurs Paul Hesse“. Nach getaner Aufklärungsarbeit vor In den 1950er- und Anfang der 1960er-Jahren arbeitete Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssi- Gustav Essigs impressionistisches Gemälde „Fami- Ort, legte er dem MfS folgendes Schreiben vor: er als Geheimdienstmitarbeiter (GM) unter dem Deck- cherheitsdienstes der Ehemaligen Deutschen De- lie Darboven im Park“ in Hamburg ziert das Ausstel- „Vorschlag zur Liquidierung des Verräters Hxxxx, namen „Donner“ für das Ministerium für Staatssicher- mokratischen Re-publik; 18): Zu Hans Wax und Ar- lungsplakat. Die von Heide von Berlepsch, Kuratorin Paul.“ Darin hieß es: „Seit geraumer Zeit ist geplant den heit. Er war wegen seines brutalen Vorgehens bekannt. chivunterlagen: S. 186 der Städtischen Kunstsammlung Murrhardt, ausge- Verräter H. für seinen begangenen Verrat zur Verant- Wann immer es im Westen Aufträge mit Bombenan- – Christiane Kohl: „Donner“, Blitz und Teddy: In: Der wählten Werke sind von herausragender Qualität. wortung zu ziehen. Die vorliegenden Aufklärungser- schlägen, Entführungen etc. gab, griff man bevorzugt Spiegel 10/1996, S. 52 - 68 Gustav Essig kam 1880 in Albstadt-Truchtelfingen gebnisse und die gegenwärtige Jahreszeit sind dafür ge- auf ihn zurück. Da er in vielen Bereichen dem MfS – Nicht genug für Karl Moor. In: Der Spiegel 34/1952, S. zur Welt als Sohn des Pfarrers Karl Friedrich Essig und eignet, dass die Liquidierung des H. unverzüglich selbstständig Lösungsvorschläge anbot, welche nahezu 8-9 seiner Ehefrau Sofie geb. Weiss, die aus Tübingen durchgeführt werden kann. Bedingt durch das starke immer auf der Liquidierung des „Ziels“ basierten, und – Bernd Stöver: Zuflucht DDR : Spione und andere stammte. Als der Junge zwei Jahre alt war, trat der Va- Körpergewicht des H. und andere für eine Rückführung auch gerne selbstständig agierte, wollte ihn der MfS ins- Übersiedler. München: Beck 2009 (ISBN 978-3-406- ter eine Pfarrstelle in Weiler bei Schorndorf im Rems- des Verräters ungünstige Faktoren wird vorgeschlagen, geheim schon 1959 zur Übersiedlung in den Osten be- 59100-6) tal an. Schon im Alter von neun Jahren beschloss der kleine Gustav „ganz instinktiv“, Maler zu werden, „oh- ne recht zu wissen, was eigentlich ein Maler ist“. Er be- saß viel Humor und viel künstlerisches Talent, was ihm früh bewusst wurde. Auch Gustavs Geschwister waren sehr begabt - musikalisch, schauspielerisch und lite- Termine und Exkursionen rarisch wie der Schriftsteller Hermann Essig, der auch in Albstadt schon zu Ehren gekommen ist. Eine Tafel Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung im Dezember und Januar am ehemaligen Truchtelfinger Pfarrhaus erinnert an ihn. Gustav Essigs Lebenslauf, in dem er „Näheres“ aus seinem Leben auf interessante Art beschreibt, zeugt DEZEMBER Unter der Leitung von Wilfried Groh besuchen wir zu- Stammtische im Café Wildt-Abt, Sonnenstraße 67, ebenfalls von einer gewissen schriftstellerischen Be- nächst das Herrenkramersche Kripple im Stadtmuse- 72458 Albstadt-Ebingen, Telefon 0 74 31/41 88. gabung des Malers. Keine Veranstaltungen. Der Stammtisch in Ebingen um, das zu einer Weihnacht in Rottweil dazu gehört. Ex- Anmeldung zu den Veranstaltungen über den Ge- Die „künstlerische Ader“ ist auf die Seite der Mutter findet statt. trafürunswirddiebarockeSpielkrippe„leabiggmacht“. schäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 He- zurückzuführen. Der Bruder der Großmutter hatte Dann zeigen das Annemarekele und der Kreuzwirt und chingen, Telefon 0 74 71/1 55 40, Fax 0 74 71/1 22 83. Zwillingssöhne, Gustav Paul Closs und Adolf Closs, die die übrigen kleinen Leute im Kripple, wie das so war Email: [email protected] beide Künstler waren. Adolfs gleichnamiger Sohn war JANUAR mit Weihnachten zu Reichsstadtzeiten. Es wird kein oder über unsere Homepage: später ebenfalls als Maler in Ludwigsburg tätig. Gus- Eintritt erhoben, aber es wird um eine angemessene www.heimatkundliche–vereinigung.de tav Essig schreibt: „In meinem elterlichen Haus hing Samstag, 12. Januar: Krippen in Rottweil. Rotten- Spende gebeten: „Und richtet au Kreuzerle her für dia im sogenannten Salon ein Gemälde von Gustav Closs münster mit Wilfried Groh. Kripplesmaidle und -bueba.“ Anschließend geht es zu Bei allen Veranstaltungen sind Gäste willkommen. „Mondnacht am Chiemsee“.“ Fuß und mit Führung zu den Krippen im Heilig-Kreuz- „Bei meiner Mutter war also Kunst nichts Fremdes, Münster (Figurenkrippe in Rottweiler Landschaft) und sie hatte selbst auch ein ganz nettes Talent zum Zeich- in der Kapellenkirche (barocke Bretterkrippe von Jo- Herausgegeben von der nen. Wie freute sie sich über das Erbe, das ich an den seph Firthmaier, der auch den Innenraum barock aus- Heimatkundlichen Vereinigung Tag legte und wie nahm sie mich oft in Schutz gegen gestaltet hat). Mit dem Bus geht es dann zur romani- Zollernalb den Vater, der es gerner gesehen hätte, wenn ich la- Die Autoren dieser Ausgabe schen St. Pelagiuskirche in der Altstadt, wo eine riesi- teinische oder französische „Wörtle“ gelernt hätte.“ ge Krippenlandschaft aufgebaut ist und dazu noch ein“ Vorsitzender: Nach dem Abitur 1899 in Heilbronn besuchte Essig Fatschenkind“ und ein „Jesulein“ bewundert werden Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, die Technische Hochschule in Stuttgart, wo er 1903 sein kann. Letzte Station der Führung ist die Kirche des ehe- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 Architekturstudium abschloss und ein Jahr später an Gustav Essig: Selbstportrait. Volker Leitermann maligen Zisterzienserinnenklosters Rottenmünster, wo der Kunstgewerbeschule das Staatsexamen als Zei- Krämerstr. 32 eine kleine Landschaftskrippe mit Figuren aus dem Geschäftsführung: chenlehrer ablegte. Schon im Wintersemester 1902/03 te nach wusste ich, dass der für mich bedeutungsvolle Kühe sehen konnte. Das gefiel mir, dem Landgebore- 72458 Albstadt Grödnertal sowie aus Eigeltingen besichtigt werden Erich Mahler, Mörikeweg 6, wurden zwei Aquarelle Essigs von der Hochschule mit Ort nicht mehr weit sein konnte. Der Wald des Hö- nen. In dem sauberen Bett schlief ich vortrefflich und kann. Busfahrt: Abfahrt in Ebingen 12.45 Uhr, in Ba- 72379 Hechingen, einer goldenen Medaille prämiert. Möglicherweise henzugs, auf dem ich wanderte, lichtete sich: in ei- wie ich am Morgen gegen 4 Uhr erwachte, hörte ich Dr. Ingrid Helber lingen 13.05 Uhr, Kosten: 20 Euro. Telefon (0 74 71) 1 55 40 lernte er damals seine spätere Frau, Anna Julie Wetzel, nem schönen Hochtal zu meinen Füssen lag Truch- durch das offene Fenster, von den Getreidefeldern her, Westerwaldstr. 17 E-Mail: e. [email protected] kennen, die in genau denselben Jahren an der Stutt- tefingen! Mein Herz bebte. – Ich blieb dort für einige Ta- die ich vom Bett aus sehen konnte, eine Wachtel schla- 72336 Balingen garter Kunstschule Malerei studierte. ge, weil ich aquarellierte. In der „Rose“ nahm ich Quar- gen. Ach! – Mein erster Gang durchs Ort galt natürlich STAMMTISCHE Redaktion: Im Sommer 1904 kam Gustav Essig auf einer Wan- tier. Das Zimmer, das ich bezog, lag über dem Kuh- dem Pfarrhaus. Da stand ich also vor der Wiege mei- Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, derung nach Truchtelfingen und beschrieb seinen Ge- stall und war voll des süßen Kuhdufts, der durch be- nes Lebens. Aus der Haustüre trat eben (war ich’s nicht Jeweils am ersten Mittwoch eines Monats trifft sich un- 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 burtsort: „An einem schönen Junitag kam ich vom Ho- trächtliche Spalten des Fußbodens drang, durch die selbst?) ein 2-jähriges Kind, das zweitjüngste von den ter der Leitung von Dr. Peter Th. Lang der Ebinger henzollern her. Es ging schon gegen Abend und der Kar- ich auch die runden Bäuche der friedlich malmenden 6en des Pfarrers. Dieser, ein sehr netter Mann, der vol- Seite 1823 Heimatkundliche Blätter Dezember 2012

delssohns eng befreundet war. Goethe war ebenso zur Reisegruppe wie ein Dr. Neuburg und meh- schon im Jahr 1797 diese Strecke in die rere Dienstboten. In Frankfurt stiegen zwei jugend- Schweiz gefahren. Er hatte in seinem Ta- liche Cousinen der Mutter zu. Folglich waren ohne die gebuch ebenfalls einen Aufenthalt in Ba- Dienstboten schon zehn Reisende zu befördern. Wird lingen und seinen Eindruck von der Stadt noch das umfangreiche Gepäck mitbedacht, er- festgehalten. Weil seine Reise aber nicht rechnen sich etwa vier Kutschen. Ab dem 6. Juni 1822 in Stuttgart, sondern in Tübingen am Haus trabte also eine ganze Kutschen-Karawane durch des Verlegers Cotta frühmorgens um 4 Uhr Deutschland nach Süden. begann, kam er schon vormittags um 10 Für deren Unterkunft in den Haltestationen muss- Uhr in Balingen an. Solange den Pfer- ten geräumige Häuser gewählt werden. Die vier Kut- den eine Pause gegönnt oder sie gar ge- scher hatten insgesamt acht Pferde zu betreuen oder wechselt wurden, machte Goethe einen auszuwechseln. In Balingen wäre außer dem „Gol- Spaziergang durch und hinter die Stadt Ba- denen Adler“ kein anderes Gasthaus in der Lage ge- Jahrgang 59 31. Dezember 2012 Nr. 12 lingen. Dann konnte er weiterfahren in der wesen, eine so große Reisegesellschaft zu beher- Kutsche, die ihm sein Herzog zur Ver- bergen. Die Stadt kann sich künftig rühmen, nicht nur fügung gestellt hatte. Dichter, sondern auch Musikerpersönlichkeiten gast- lich aufgenommen zu haben. Die Mendelssohn-Karawane Felix und seine Geschwister Fanny, Re- becca und Paul waren die Kinder sehr rei- cher Eltern in Berlin. Der Vater besaß als Literaturnachweis Bankier ein großes Vermögen, und der Großvater mütterlicherseits war eben- – Klek, Adolf: Die Mendelssohns und das Balinger Bier. falls Bankier. Für die Urlaubsreise in die In Heimatkundliche Blätter, Jahrg. 57, Oktober 2009 Schweiz waren drei Monate mit ausgie- – Stadtarchiv Balingen, Flurkarte von 1839. bigen Aufenthalten in Göttingen, Kassel, – Töpfer, Rudolf: Das Königlich Württembergische Frankfurt, Darmstadt, Heidelberg und Postamt Balingen in der Zeit von 1806 bis 1918/ 20. Stuttgart eingeplant. – Die beiden Personenbilder sind dem Internet bei Wi- Fanny Mendelssohn Bartholdy (1822) Der Hauslehrer der Kinder gehörte kipedia entnommen. Die schwäbische Seele – humorvoll betrachtet

Nachdem Bundestagsvizepräsident Wolfgang bischen Wesen befassen. Allen voran Karl Napfs „Der ga Merkle. Thierse vor kurzem in einem Zeitungsinterview seine Schwabe als solcher“. Der schwäbische Satiriker prä- Lokalmatador Wulf Wagers „Das Schwäbische Witz- Ansicht über die Schwaben kundgetan hat, könnte er sentiert „eine heitere Charakterkunde“ über den büchle“ sammelt die schönsten schwäbischen Lacher. sich mittels Bücher intensiver mit dem in Baden-Würt- Schwaben als solchen und präsentiert ihn in 26 Mini- Dazu gibt's als Gegenpart Helmut Dolds „Das badi- temberg ansässigen Volksstamm befassen, um seiner aturen – lesenswert! sche Witzbüchle“. Man stichelt und witzelt überei- geäußerten Vorurteile Herr zu werden. Der Silber- Heitere schwäbische Kurzgeschichten und Gedichte nander und letztlich lachen Baden und Schwaben zu- burg-Verlag hat neulich einige Bücher herausge- gibt's in Bernd Merkles „Jetzd guck no!“ zu lesen. Lie- sammen. Vielleicht könnte sich über diese Art Humor bracht, die sich in humorvoller Weise mit dem schwä- bevoll illustriert ist das Werk mit Zeichnungen von Hel- Herr Thierse mal Gedanken machen D. Seeburger Termine und Exkursionen Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung im Januar und Februar Der Vogel des Jahres 2013: die Bekassine. Foto: Privat

JANUAR Fuß und mit Führung zu den Krippen im Heilig-Kreuz- ter der Leitung von Dr. Peter Th. Lang der Ebinger Münster (Figurenkrippe in Rottweiler Landschaft) und Stammtische im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 Samstag, 12. Januar: Halbtagesexkursion zu Krippen in der Kapellenkirche (barocke Bretterkrippe von Jo- Albstadt-Ebingen: Tel.: 07431 4188. Vogel der Moor- und Feuchtwiesen in Rottweil. Rottenmünster mit Wilfried Groh. seph Firthmaier, der auch den Innenraum barock aus- Unter der Leitung von Wilfried Groh besuchen wir zu- gestaltet hat). Mit dem Bus geht es dann zur romani- Anmeldung zu den Veranstaltungen über den nächst das Herrenkramersche Kripple im Stadtmuse- schen St. Pelagiuskirche in der Altstadt, wo eine riesi- Geschäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 Die Bekassine ist Vogel des Jahres 2013 - Von Dr. Karl-Eugen Maulbetsch um, das zu einer Weihnacht in Rottweil dazu gehört. Ex- ge Krippenlandschaft aufgebaut ist und dazu noch ein“ Hechingen, Telefon 07471-15540 / Fax 07471-12283. trafürunswirddiebarockeSpielkrippe„leabiggmacht“. Fatschenkind“ und ein „Jesulein“ bewundert werden Email: [email protected] Zu den stark gefährdeten Vogelgruppen gehören in der den-Württemberg gibt es nur noch Restbestände an nehmen, je nach Wasserstand, die maximalen Zäh- Dann zeigen das Annemarekele und der Kreuzwirt und kann. Letzte Station der Führung ist die Kirche des ehe- oder über unsere Homepage: Bundesrepublik die Wiesenvögel. Dazu zählt auch die Brutplätzen. Die meisten befinden sich am mittleren lungen Werte zwischen 30 und 200 an. Die Rastplätze die übrigen kleinen Leute im Kripple, wie das so war maligen Zisterzienserinnenklosters Rottenmünster, wo www.heimatkundliche–vereinigung.de. Bekassine, im Volksmund auch Himmels- oder Me- Oberrhein und im Alpenvorland. befinden sich in den Großseggenrieden, in den über- mit Weihnachten zu Reichsstadtzeiten. Es wird kein eine kleine Landschaftskrippe mit Figuren aus dem ckerziege genannt. Sie war früher auf feuchten Wiesen Der überwiegende Teil der in Deutschland leben- schwemmten Moorwiesen sowie in den See- und Eintritt erhoben, aber es wird um eine angemessene Grödnertal sowie aus Eigeltingen besichtigt werden Bei allen Veranstaltungen sind Gäste jederzeit herz- und Mooren ein häufiger Brutvogel. Durch die inten- den Bekassinen sind Kurzstreckenzieher. Sie verbrin- Teichrosenbeständen am Seeufer. Für Überwinte- Spende gebeten: „Und richtet au Kreuzerle her für dia kann. lich willkommen. sive Nutzung des Grünlandes werden viele ehemalige gen die Winter z. B. in Großbritannien auf der Halb- rungen ist das Federseegebiet zu kalt und es mangelt Kripplesmaidle und –bueba.“ Anschließend geht es zu Busfahrt (Abfahrt in Ebingen 12.45 Uhr, in Balingen Brutreviere jedoch nicht mehr besiedelt. In manchen insel Cornwall, in Südfrankreich, Portugal, Spanien , an eis-und schneefreien Bereichen (Auskünfte, Jost 13.05 Uhr), 20 Euro Gegenden ist sie bereits ausgestorben oder nur noch Norditalien oder in Griechenland. Der Bodenseeraum Einstein, Naturschutzzentrum Federsee). selten anzutreffen. Sie wurde deshalb vom Natur- spielt in Deutschland als Rast- und Überwinterungs- schutzbund Deutschland und vom Landesbund für Vo- gebiet eine wichtige Rolle. Die Winterbestände haben FEBRUAR Herausgegeben von der gelschutz in Bayern zum Vogel des Jahres 2013 ge- jedoch auch hier stark abgenommen. Regelmäßige Kennzeichen Heimatkundlichen Vereinigung wählt. Die Verbände werben mit dieser Wahl für den Er- Vorkommen von kleinen Gruppen mit maximal 30-40 Mittwoch, 20. Februar: Werksbesichtigung der Fir- Zollernalb halt der Moore und Feuchtwiesen als Lebensräume. Individuen finden sich in der Radolfzeller Aachmün- Die Bekassine hat die Größe einer Taube. Auffal- Die Autoren dieser Ausgabe ma Mettler-Toledo in Albstadt - Ebingen mit Dr. Mi- dung und in der Steinacher Bucht bei Arbon. Die Lang- lend an ihr ist der sieben cm lange, gerade Schnabel chael Walther. Vorsitzender: streckenzieher fliegen bis an die Küsten Nordafrikas und die relativ kurzen Beine. Der lange Schnabel ist her- Anfahrt mit Privat – PKW, 14 Uhr, Unter dem Males- Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, Verbreitung oder in die Savannengebiete südlich der Sahara. In mil- vorragend geeignet, um im feuchten oder schlammi- felsen 34, Albstadt-Ebingen, Teilnahme frei. 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 den Wintern bleiben auch einige Individuen in den gen Boden zu stochern. An seiner Spitze, die etwas ab- Dr. Karl-Eugen Maulbetsch Das Brutareal der zur Familie der Schnepfenvögel Brutgebieten. Der Wegzug in die Winterquartiere be- gebogen werden kann ohne den ganzen Schnabel zu Geschäftsführung: Am Stettberg 9 Mittwoch, 27. Februar: Vortrag „Die Segensspur ei- gehörenden Bekassine erstreckt sich im Westen von Is- ginnt bereits Ende Juni, der Hauptteil zieht jedoch im öffnen, befinden sich zahlreiche Sensoren, um z. B. Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72336 Balingen nes Landpfarrers bis heute – Philipp Matthäus Hahn land, den Britischen Inseln und den Azoren ostwärts Herbst ab. Die Heimzüge in die Brutgebiete häufen sich Würmer, Schnecken, Insektenlarven oder Sämereien 72379 Hechingen, und die Waagenindustrie“ mit Martin Sauter. auf das Festland über Frankreich, Mittel- Nord- und in der Zeitspanne von Mitte März bis April. Die Be- aufzuspüren. Das braune Gefieder ist an der Oberseite Telefon (0 74 71) 1 55 40 20 Uhr, Stadtbücherei, Johannesstr. 5, Albstadt-Ebin- Osteuropa und Teilen Asiens bis an den Pazifik. Die kassine kommt im Zollernalbkreis als Durchzügler vor. mit länglichen, weißen Streifen durchsetzt. Auch der E-Mail: e. [email protected] Adolf Klek gen, Eintritt frei. nördliche Grenze verläuft etwa bei 72 Grad, im Süden Am Salenhof bei Trillfingen und auf dem Seewiesen- Kopf besitzt braun-weiße Bänder. Hals und Brust sind Wolfsbühlstraße 6 Redaktion: setzt sie in Südfrankreich ein, zieht über das südliche gelände bei Hart ist sie beispielsweise gelegentlich an- braun-beige gefleckt. Der Bauch ist an den Seiten quer- 72336 Balingen Mitteleuropa und von dort quer über Osteuropa hi- zutreffen (Auskünfte. H. Fuchs). Beobachtungsmög- gestreift. Die Unterseite erscheint weiß. Ist Gefahr im STAMMTISCHE Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 naus bis nach Kamtschatka. In Mitteleuropa liegen die lichkeiten bieten in der weiteren Umgebung auch die Verzug, duckt sich die Bekassine zunächst am Boden Schwerpunkte der Verbreitung in den Tiefebenen der Zielfinger Baggerseen (Chr. und K. E. Maulbetsch, En- und fliegt dann mit raschen Flügelschlägen im Zick- Jeweils am 1. Mittwoch eines Monats trifft sich un- Niederlande, Norddeutschlands und Polens. In Ba- de Nov. 2012) und das Federseegebiet. Bei letzterem Zack-Flug nach oben weg (Beobachtungen, H. Reb- Seite 1821 Heimatkundliche Blätter Dezember 2012 Dezember 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1822 stock, K. E. Maulbetsch in den Feuchtwiesen um die Felix Mendelssohn-Bartholdy in Balingen Schwarzachtal-Seen). Spektakulär sind die Balzflüge der Männchen. Sie fliegen steil bis zu 100 m empor, dre- hen waagerecht ein, ziehen mit ruckartigen Flügel- Spaziergang beim Mondenschein im Park vom „Goldenen Adler“ – Von Adolf Klek schlägen Kreise und stürzen dann mit halbangelegten Schwingen und breit aufgefächertem Schwanz einige Vom genialen Felix Mendelssohn Bartholdy sind in jün- Meter tief ab. Die versteiften äußeren Schwanzfedern gerer Zeit zunehmend beeindruckende Kompositio- geraten beim Absturz in Schwingungen und erzeugen nen zu hören, etwa in der Kirchenmusik „Wirf dein An- das weit hörbare sogenannte meckernde Geräusch. liegen auf den Herrn“ oder „Verleih uns Frieden gnä- Dieser Abwärtsflug brachte der Bekassine den Namen diglich“. Größere, anspruchsvolle Chöre erfreuen sich Himmels- oder Meckerziege ein. In manchen Gegen- und die Zuhörer mit den doppelchörigen Psalm- den gilt die Bekassine auch als Wettervogel. Sie kün- motetten „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ oder digt Regen an, sobald sie ihre Stimme erhebt. Zu er- „Jauchzet dem Herrn alle Welt“. Man entdeckt und be- wähnen wäre noch, dass ähnlich beeindruckende Flü- wundert, wie der Sinn der Texte mit romantischen ge auch bei anderen Arten wie z. B. beim Kiebitz, beim Klängen die seelische Tiefe anspricht. Oft wird sein Rotschenkel oder beim Großen Brachvogel vorkom- „Hochzeitsmarsch“ für Trauungen gewünscht. Ne- men. Beim Kiebitz sind es die abwechselnden Sturz- ben seinen Oratorien „Elias“ und „Paulus“ kommen und Steilflüge, beim Rotschenkel das mit hellen Rufen auch Orchesterwerke in den letzten Jahrzehnten häu- einhergehende Abwärtsgleiten und beim Großen fig zur Aufführung. Brachvogel der trillernde Gesang beim Flug in weiten Kreisen. Neues zum Aufenthalt in Balingen Lebensraum und Brutbiologie In den „Heimatkundlichen Blättern“ konnte im Ok- Die Bekassine bewohnt Hoch- und Niedermoore, tober 2009 berichtet werden, in einer Neuausgabe der verlandende Seen und Teiche sowie Schilfgebiete mit Briefe von Felix Mendelssohn Bartholdy habe der Uni- Schlickflächen, ebenso feuchte Brachflächen, extensiv versitätsmusikdirektor Prof. Dr. Konrad Klek in Er- genutztes, feuchtes Grünland und Randbereiche von langen den Namen seiner Heimatstadt Balingen ent- Gewässern. Im Winter werden eisfreie Stellen an Was- deckt. Der Student und Briefschreiber Felix erin- sergräben, Quellmulden, Seen und Uferbereichen von nerte sich darin, dass vor Jahren bei der Reise von Stutt- Fließgewässern angenommen. Die Böden sollten nicht gart in die Schweiz sein Vater in Balingen ein mi- zu dicht und die Vegetation nicht zu hoch sein. Güns- serables Bier zu trinken bekommen hatte. Felix war da- tig für Brutplätze sind Flächen mit Gräsern und Zwerg- mals 13 Jahre alt. Es ist aus dem besagten Brief lei- sträuchern. Die Neststandorte befinden sich auf Gras- den-Württemberg aus. „Der Bestand vom Erlöschen, Insbesondere die intensive Nutzung des Grünlandes der nicht zu ersehen, wie lange der Aufenthalt der Fa- büscheln oder auf erhöhten trockenen Mulden, aus- vom Aussterben bedroht“, so lautet die Eingruppie- führt dazu, dass die Lebensräume von Verwandten der milie Mendelssohn in Balingen gedauert hat. gepolstert mit Gräsern und gut getarnt durch über- rung der Bekassine in der fünften Fassung der Roten Bekassine und anderer Arten immer weiter eingeengt Aber neuerdings hat wieder Prof. Konrad Klek da- hängende Halme. Das Weibchen legt ab April meist Liste für unser Land. Die Anzahl der Brutpaare wird werden. Sie verschwinden oder werden seltener und ih- rüber genauere Auskunft gefunden.Im Jahr 2012 ist ein vier olivfarbene, braun gesprenkelte Eier. Nach etwa mit 20 bis 30 angegeben. Im westlichen Bodenseege- re Namen kommen so in die Roten Listen der Brut- Buch mit Briefen, Tagebuchauszügen und Zeich- drei Wochen schlüpfen die Jungen. Diese können an- biet ist die Art seit Anfang der 1990er Jahre als Brut- vögel. Einige Vertreter sind in der Tabelle 2 aufge- nungen von seiner Schwester Fanny Mendelssohn Bar- schließend sofort das Nest verlassen. Droht Gefahr, vogel nicht mehr anzutreffen. Am längsten hielten sich führt. Zum Schutz der Bekassine und anderer faszi- tholdy erschienen. Sie war damals ein junges Fräu- dann können die Eltern ihren Nachwuchs mit dem die Brutplätze noch im Wollmatinger Ried. Doch seit nierender Arten, die in Mooren und Feuchtwiesen brü- lein von 17 Jahren. Der Herausgeber H.-G.Klein wähl- Schnabel und den Beinen an ihren Bauch drücken und 2001 gab es auch dort keine sicheren Nachweise mehr. ten, schlagen die Verbände folgende Maßnahmen vor: te als Titel des Buches eine typisch romantische No- davonfliegen. Eine weitere Strategie, die auch andere Die ehemaligen Brutplätze im nördlichen Gebiet und Renaturierung früherer Moorflächen und Feuchtwie- tizvonihr:„…überjedenAusdruckerhabenundschön“. Arten anwenden, ist das Verleiten. Ein Altvogel mar- im Eriskircher Ried wurden schon einige Jahre vorher sen, erneute Vernässung ehemaliger kleiner Überflu- Untertitel: Die Schweizer Reise der Familie Men- kiert mit hängenden Flügeln einen Verletzten und lenkt nicht mehr besiedelt. Noch in den 1970er Jahren brü- tungsflächen z. B. durch Hebung der Grundwasser- delssohn 1822. so mögliche Fressfeinde vom Nest ab. Im Alter von drei teten im Rheindelta etwa 20 bis 30 Paare. 2011 konn- stände, Anlage von flachen Teichen und Aus- bis vier Wochen sind die Jungen flugfähig und selb- ten dort nur noch 3 und 2012 noch 2 Paare festgestellt schürfung von Mulden, extensive Bewirtschaftung von ständig. werden (Auskunft, Harald Jacoby, Ornithologische Ar- Feuchtgrünland und Entbuschung verwaister Streu- beitsgemeinschaft Bodensee). Regelmäßig 20 bis 30 flächen. Dringend erforderlich ist auch eine Anpas- Paare konnten bis 1990 im Federseegebiet in den weit- sung der Mahdtermine an die Brutzeiten und ein ganz- Bestand und Gefährdung flächigen Großseggenrieden registriert werden. Da- jähriger Schutz. nach ging der Bestand ständig bis auf drei Reviere zu- Die Bekassine war früher in ganz Deutschland hei- rück. Der Verlust an Lebensräumen dürfte die Haupt- misch, heute nur noch in etwas größeren Beständen ursache für die Abnahmen sein. Moore wurden tro- in Nord- und Ostdeutschland. In der Literatur werden cken gelegt, Feuchtwiesen entwässert, große Wiesen- für Deutschland Zahlen zwischen 5500 und 6700 Brut- flächen umgebrochen. Weitere geeignete Flächen gin- Literatur paare angegeben, Werte die halb so groß sind wie noch gen durch den Abbau von Kies und durch Auffors- vor 20 Jahren. In den 70er Jahren des vorigen Jahr- tungen sowie durch Verbuschung nicht mehr bewirt- – Bauer, H-G. u. a.: Die Vögel Baden-Württembergs, hunderts brüteten z. B. in Schleswig Holstein mehr als schafteter, feuchter Wiesen verloren. Auch während des Atlas der Winterverbreitung, Ulmer 1995 zehntausend Paare. Die heutigen Bestände werden dort Zuges und in den Winterquartieren kommen Bekas- – Einstein, J.: Hinweise über den Brutbestand der Be- auf Tausend Paare geschätzt. Von 400 in den Jahren sinen um oder landen im Kochtopf. In der Europäi- kassine am Federsee, NABU-Naturschutzzentrum 1974/75 nachgewiesenen Revieren in Hessen sind nach schen Union werden jährlich bis zu einer halben Mil- Federsee 37 Jahren nur noch 25% vorhanden. In der Roten Liste lion abgeschossen. Verluste gibt es auch durch natür- – Heine, G. u. a.: Die Vögel des Bodenseegebietes, Or- der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, sind für Bran- liche Feinde wie Füchse, Dachse und Igel. Sie sind Ge- nitholog. Jahresh. für BW, Bd. 14/15, 1998/1999 Fanny schrieb Einzelheiten auf wobei –wie gesagt –das Bier des Adlerwirts nicht das denburg, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern legeräuber. Greifvögel wie Sperber und Habichte oder – Hölzinger, J. u. a.: Artenliste der Vögel BW, Ornit- beste war. Vor der Nachtruhe erging sich Fanny im Frei- Rückgänge um mehr als 20% und für die anderen Bun- Wanderfalken können den Altvögeln gefährlich wer- holog. Jahresh. für BW, Bd. 22, Heft 1, Dez. 2005 Fanny schrieb zum 27. Juni 1822 in ihr Tage- en bei Mondenschein. Sie wird dabei von weiteren Glie- desländer Minderungen um mehr als 50% verzeich- den. – Hölzinger, J.: Die Vögel Baden-Württembergs, Bd. buch: „Wir reisten bis nach Balingen, wo wir guter Zeit dern der Reisegesellschaft, vielleicht von ihrem Bru- net. Die Tabelle über die Bestandszahlen ausgewähl- Nach Veröffentlichungen des Naturschutzbundes 1, Teil 2, Ulmer 1987 ankamen; wir waren durch Hechingen gekommen, wo der Felix, begleitet worden sein. ter Bundesländer enthält neuere Angaben und ent- sind 95% der Moorflächen in Deutschland zerstört und – Hölzinger, J. u. a.: Rote Liste der Brutvögel BW, Stand wir das Stammschloss unserer Könige, Hohenzol- Der Stadtplan von 1839 weist aus, dass oberhalb des sprechende Einordnungen. Düster sieht es auch in Ba- 90% des Grünlandes werden intensiv bewirtschaftet. 31. 12. 2004, Ornitholog. Jahresh. für BW, Bd. 24, Heft lern, und die Preuß. Farben erblickten. Die Graf- Gasthauses „Goldener Adler“ gepflegte Gartenanla- 1, Juli 2008 schaft Hohenzollern-Hechingen ist unter Preuß. Ho- gen dafür zur Verfügung standen. An dieser Post- – Jacoby, H.: Hinweise über den Brutbestand der Be- heit. Es war eine gebirgige aber schöne Tagereise. Der station sollten damals nicht nur die Pferde ge- kassine im Bodenseegebiet, Ornitholog. Arbeitsge- Abend kühl und klar. Im Mondscheine gehend, dach- wechselt werden können, sondern auch die Rei- meinschaft Bodensee te ich viel an die liebe Ferne. Sonntag fuhren wir über senden die Möglichkeit haben, ihre durchgeschüt- – Jenrich, J.: Bundesamt für Naturschutz, Informati- die Donau bei Tuttlingen…“ telten Glieder an der frischen Luft zu bewegen. Fa- onen zur Bekassine, 1. 12. 2012 Jetzt lässt sich die Reisepause der Mendelssohns in milie Mendelssohn Bartholdy schlief also im geräu- – Lindahl, K.C., Das große Buch vom Vogelzug, Pa- Balingen ziemlich genau rekonstruieren. Die Kara- migen Gasthaus, frühstückte hier wohl auch und reis- rey, Berlin/Hamburg 1982 wane mit den Kutschen reiste auf der Schweizer- te am Sonntag, – Lissak, W.: Die Vögel des Landkreises Göppingen, straße, die mitten durch die Ortschaften verlief. In Ba- 28. Juni, auf der Schweizerstraße weiter über Tutt- Ornitholog. Jahresh. für BW, Bd. 19, Heft 1, Mai 2003 lingen führte sie vor dem unteren Stadttor als He- lingen nach Schaffhausen. Dort wollte man am Abend – NABU-Naturschutzbund Deutschland: Aktionsleit- chinger Straße direkt auf das Gasthaus „Goldener Ad- eintreffen, wie Felix nach Berlin seinem Lehrer Carl faden, Die Bekassine, Vogel des Jahres 2013, Berlin ler“ zu, wo heute die Geschäftshäuser Gess, Zoller- Friedrich Zelter am 26. Juni von Stuttgart aus ge- 2012 nalbkurier und Daniel stehen. Das Anwesen des Gold- schrieben hatte. – NABU-Naturschutzbund Deutschland: Die Bekas- adlerwirts Roller bestand aus Wohn- und Gasthaus, sine, Vogel des Jahres 2013, Berlin 2012 Stallungen, Wagenremise, Scheuer und Bierbrauerei. – Südbeck, P. u. a.: Rote Liste der Brutvögel Deutsch- Es diente auch als Poststation. Wie war es bei Goethe? lands, 4. Fassung, Berichte zum Vogelschutz, Heft Die Mendelsssohns kamen am Samstag, 27. Juni 1822 Nr. 44, Deutscher Rat für Vogelschutz 2007 „zu guter Zeit“, also am Abend bei Tageslicht in Ba- Diese Reiseroute hatte der Dichter und Geheim- – Bildnachweis: Bekassine, NABU/W. Rolfes Felix Mendelssohn Bartholdy (1822) lingen an. Sicher stärkte man sich mit Speis und Trank, rat Goethe empfohlen, der bekanntlich mit Men- Seite 1821 Heimatkundliche Blätter Dezember 2012 Dezember 2012 Heimatkundliche Blätter Seite 1822 stock, K. E. Maulbetsch in den Feuchtwiesen um die Felix Mendelssohn-Bartholdy in Balingen Schwarzachtal-Seen). Spektakulär sind die Balzflüge der Männchen. Sie fliegen steil bis zu 100 m empor, dre- hen waagerecht ein, ziehen mit ruckartigen Flügel- Spaziergang beim Mondenschein im Park vom „Goldenen Adler“ – Von Adolf Klek schlägen Kreise und stürzen dann mit halbangelegten Schwingen und breit aufgefächertem Schwanz einige Vom genialen Felix Mendelssohn Bartholdy sind in jün- Meter tief ab. Die versteiften äußeren Schwanzfedern gerer Zeit zunehmend beeindruckende Kompositio- geraten beim Absturz in Schwingungen und erzeugen nen zu hören, etwa in der Kirchenmusik „Wirf dein An- das weit hörbare sogenannte meckernde Geräusch. liegen auf den Herrn“ oder „Verleih uns Frieden gnä- Dieser Abwärtsflug brachte der Bekassine den Namen diglich“. Größere, anspruchsvolle Chöre erfreuen sich Himmels- oder Meckerziege ein. In manchen Gegen- und die Zuhörer mit den doppelchörigen Psalm- den gilt die Bekassine auch als Wettervogel. Sie kün- motetten „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ oder digt Regen an, sobald sie ihre Stimme erhebt. Zu er- „Jauchzet dem Herrn alle Welt“. Man entdeckt und be- wähnen wäre noch, dass ähnlich beeindruckende Flü- wundert, wie der Sinn der Texte mit romantischen ge auch bei anderen Arten wie z. B. beim Kiebitz, beim Klängen die seelische Tiefe anspricht. Oft wird sein Rotschenkel oder beim Großen Brachvogel vorkom- „Hochzeitsmarsch“ für Trauungen gewünscht. Ne- men. Beim Kiebitz sind es die abwechselnden Sturz- ben seinen Oratorien „Elias“ und „Paulus“ kommen und Steilflüge, beim Rotschenkel das mit hellen Rufen auch Orchesterwerke in den letzten Jahrzehnten häu- einhergehende Abwärtsgleiten und beim Großen fig zur Aufführung. Brachvogel der trillernde Gesang beim Flug in weiten Kreisen. Neues zum Aufenthalt in Balingen Lebensraum und Brutbiologie In den „Heimatkundlichen Blättern“ konnte im Ok- Die Bekassine bewohnt Hoch- und Niedermoore, tober 2009 berichtet werden, in einer Neuausgabe der verlandende Seen und Teiche sowie Schilfgebiete mit Briefe von Felix Mendelssohn Bartholdy habe der Uni- Schlickflächen, ebenso feuchte Brachflächen, extensiv versitätsmusikdirektor Prof. Dr. Konrad Klek in Er- genutztes, feuchtes Grünland und Randbereiche von langen den Namen seiner Heimatstadt Balingen ent- Gewässern. Im Winter werden eisfreie Stellen an Was- deckt. Der Student und Briefschreiber Felix erin- sergräben, Quellmulden, Seen und Uferbereichen von nerte sich darin, dass vor Jahren bei der Reise von Stutt- Fließgewässern angenommen. Die Böden sollten nicht gart in die Schweiz sein Vater in Balingen ein mi- zu dicht und die Vegetation nicht zu hoch sein. Güns- serables Bier zu trinken bekommen hatte. Felix war da- tig für Brutplätze sind Flächen mit Gräsern und Zwerg- mals 13 Jahre alt. Es ist aus dem besagten Brief lei- sträuchern. Die Neststandorte befinden sich auf Gras- den-Württemberg aus. „Der Bestand vom Erlöschen, Insbesondere die intensive Nutzung des Grünlandes der nicht zu ersehen, wie lange der Aufenthalt der Fa- büscheln oder auf erhöhten trockenen Mulden, aus- vom Aussterben bedroht“, so lautet die Eingruppie- führt dazu, dass die Lebensräume von Verwandten der milie Mendelssohn in Balingen gedauert hat. gepolstert mit Gräsern und gut getarnt durch über- rung der Bekassine in der fünften Fassung der Roten Bekassine und anderer Arten immer weiter eingeengt Aber neuerdings hat wieder Prof. Konrad Klek da- hängende Halme. Das Weibchen legt ab April meist Liste für unser Land. Die Anzahl der Brutpaare wird werden. Sie verschwinden oder werden seltener und ih- rüber genauere Auskunft gefunden.Im Jahr 2012 ist ein vier olivfarbene, braun gesprenkelte Eier. Nach etwa mit 20 bis 30 angegeben. Im westlichen Bodenseege- re Namen kommen so in die Roten Listen der Brut- Buch mit Briefen, Tagebuchauszügen und Zeich- drei Wochen schlüpfen die Jungen. Diese können an- biet ist die Art seit Anfang der 1990er Jahre als Brut- vögel. Einige Vertreter sind in der Tabelle 2 aufge- nungen von seiner Schwester Fanny Mendelssohn Bar- schließend sofort das Nest verlassen. Droht Gefahr, vogel nicht mehr anzutreffen. Am längsten hielten sich führt. Zum Schutz der Bekassine und anderer faszi- tholdy erschienen. Sie war damals ein junges Fräu- dann können die Eltern ihren Nachwuchs mit dem die Brutplätze noch im Wollmatinger Ried. Doch seit nierender Arten, die in Mooren und Feuchtwiesen brü- lein von 17 Jahren. Der Herausgeber H.-G.Klein wähl- Schnabel und den Beinen an ihren Bauch drücken und 2001 gab es auch dort keine sicheren Nachweise mehr. ten, schlagen die Verbände folgende Maßnahmen vor: te als Titel des Buches eine typisch romantische No- davonfliegen. Eine weitere Strategie, die auch andere Die ehemaligen Brutplätze im nördlichen Gebiet und Renaturierung früherer Moorflächen und Feuchtwie- tizvonihr:„…überjedenAusdruckerhabenundschön“. Arten anwenden, ist das Verleiten. Ein Altvogel mar- im Eriskircher Ried wurden schon einige Jahre vorher sen, erneute Vernässung ehemaliger kleiner Überflu- Untertitel: Die Schweizer Reise der Familie Men- kiert mit hängenden Flügeln einen Verletzten und lenkt nicht mehr besiedelt. Noch in den 1970er Jahren brü- tungsflächen z. B. durch Hebung der Grundwasser- delssohn 1822. so mögliche Fressfeinde vom Nest ab. Im Alter von drei teten im Rheindelta etwa 20 bis 30 Paare. 2011 konn- stände, Anlage von flachen Teichen und Aus- bis vier Wochen sind die Jungen flugfähig und selb- ten dort nur noch 3 und 2012 noch 2 Paare festgestellt schürfung von Mulden, extensive Bewirtschaftung von ständig. werden (Auskunft, Harald Jacoby, Ornithologische Ar- Feuchtgrünland und Entbuschung verwaister Streu- beitsgemeinschaft Bodensee). Regelmäßig 20 bis 30 flächen. Dringend erforderlich ist auch eine Anpas- Paare konnten bis 1990 im Federseegebiet in den weit- sung der Mahdtermine an die Brutzeiten und ein ganz- Bestand und Gefährdung flächigen Großseggenrieden registriert werden. Da- jähriger Schutz. nach ging der Bestand ständig bis auf drei Reviere zu- Die Bekassine war früher in ganz Deutschland hei- rück. Der Verlust an Lebensräumen dürfte die Haupt- misch, heute nur noch in etwas größeren Beständen ursache für die Abnahmen sein. Moore wurden tro- in Nord- und Ostdeutschland. In der Literatur werden cken gelegt, Feuchtwiesen entwässert, große Wiesen- für Deutschland Zahlen zwischen 5500 und 6700 Brut- flächen umgebrochen. Weitere geeignete Flächen gin- Literatur paare angegeben, Werte die halb so groß sind wie noch gen durch den Abbau von Kies und durch Auffors- vor 20 Jahren. In den 70er Jahren des vorigen Jahr- tungen sowie durch Verbuschung nicht mehr bewirt- – Bauer, H-G. u. a.: Die Vögel Baden-Württembergs, hunderts brüteten z. B. in Schleswig Holstein mehr als schafteter, feuchter Wiesen verloren. Auch während des Atlas der Winterverbreitung, Ulmer 1995 zehntausend Paare. Die heutigen Bestände werden dort Zuges und in den Winterquartieren kommen Bekas- – Einstein, J.: Hinweise über den Brutbestand der Be- auf Tausend Paare geschätzt. Von 400 in den Jahren sinen um oder landen im Kochtopf. In der Europäi- kassine am Federsee, NABU-Naturschutzzentrum 1974/75 nachgewiesenen Revieren in Hessen sind nach schen Union werden jährlich bis zu einer halben Mil- Federsee 37 Jahren nur noch 25% vorhanden. In der Roten Liste lion abgeschossen. Verluste gibt es auch durch natür- – Heine, G. u. a.: Die Vögel des Bodenseegebietes, Or- der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, sind für Bran- liche Feinde wie Füchse, Dachse und Igel. Sie sind Ge- nitholog. Jahresh. für BW, Bd. 14/15, 1998/1999 Fanny schrieb Einzelheiten auf wobei –wie gesagt –das Bier des Adlerwirts nicht das denburg, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern legeräuber. Greifvögel wie Sperber und Habichte oder – Hölzinger, J. u. a.: Artenliste der Vögel BW, Ornit- beste war. Vor der Nachtruhe erging sich Fanny im Frei- Rückgänge um mehr als 20% und für die anderen Bun- Wanderfalken können den Altvögeln gefährlich wer- holog. Jahresh. für BW, Bd. 22, Heft 1, Dez. 2005 Fanny schrieb zum 27. Juni 1822 in ihr Tage- en bei Mondenschein. Sie wird dabei von weiteren Glie- desländer Minderungen um mehr als 50% verzeich- den. – Hölzinger, J.: Die Vögel Baden-Württembergs, Bd. buch: „Wir reisten bis nach Balingen, wo wir guter Zeit dern der Reisegesellschaft, vielleicht von ihrem Bru- net. Die Tabelle über die Bestandszahlen ausgewähl- Nach Veröffentlichungen des Naturschutzbundes 1, Teil 2, Ulmer 1987 ankamen; wir waren durch Hechingen gekommen, wo der Felix, begleitet worden sein. ter Bundesländer enthält neuere Angaben und ent- sind 95% der Moorflächen in Deutschland zerstört und – Hölzinger, J. u. a.: Rote Liste der Brutvögel BW, Stand wir das Stammschloss unserer Könige, Hohenzol- Der Stadtplan von 1839 weist aus, dass oberhalb des sprechende Einordnungen. Düster sieht es auch in Ba- 90% des Grünlandes werden intensiv bewirtschaftet. 31. 12. 2004, Ornitholog. Jahresh. für BW, Bd. 24, Heft lern, und die Preuß. Farben erblickten. Die Graf- Gasthauses „Goldener Adler“ gepflegte Gartenanla- 1, Juli 2008 schaft Hohenzollern-Hechingen ist unter Preuß. Ho- gen dafür zur Verfügung standen. An dieser Post- – Jacoby, H.: Hinweise über den Brutbestand der Be- heit. Es war eine gebirgige aber schöne Tagereise. Der station sollten damals nicht nur die Pferde ge- kassine im Bodenseegebiet, Ornitholog. Arbeitsge- Abend kühl und klar. Im Mondscheine gehend, dach- wechselt werden können, sondern auch die Rei- meinschaft Bodensee te ich viel an die liebe Ferne. Sonntag fuhren wir über senden die Möglichkeit haben, ihre durchgeschüt- – Jenrich, J.: Bundesamt für Naturschutz, Informati- die Donau bei Tuttlingen…“ telten Glieder an der frischen Luft zu bewegen. Fa- onen zur Bekassine, 1. 12. 2012 Jetzt lässt sich die Reisepause der Mendelssohns in milie Mendelssohn Bartholdy schlief also im geräu- – Lindahl, K.C., Das große Buch vom Vogelzug, Pa- Balingen ziemlich genau rekonstruieren. Die Kara- migen Gasthaus, frühstückte hier wohl auch und reis- rey, Berlin/Hamburg 1982 wane mit den Kutschen reiste auf der Schweizer- te am Sonntag, – Lissak, W.: Die Vögel des Landkreises Göppingen, straße, die mitten durch die Ortschaften verlief. In Ba- 28. Juni, auf der Schweizerstraße weiter über Tutt- Ornitholog. Jahresh. für BW, Bd. 19, Heft 1, Mai 2003 lingen führte sie vor dem unteren Stadttor als He- lingen nach Schaffhausen. Dort wollte man am Abend – NABU-Naturschutzbund Deutschland: Aktionsleit- chinger Straße direkt auf das Gasthaus „Goldener Ad- eintreffen, wie Felix nach Berlin seinem Lehrer Carl faden, Die Bekassine, Vogel des Jahres 2013, Berlin ler“ zu, wo heute die Geschäftshäuser Gess, Zoller- Friedrich Zelter am 26. Juni von Stuttgart aus ge- 2012 nalbkurier und Daniel stehen. Das Anwesen des Gold- schrieben hatte. – NABU-Naturschutzbund Deutschland: Die Bekas- adlerwirts Roller bestand aus Wohn- und Gasthaus, sine, Vogel des Jahres 2013, Berlin 2012 Stallungen, Wagenremise, Scheuer und Bierbrauerei. – Südbeck, P. u. a.: Rote Liste der Brutvögel Deutsch- Es diente auch als Poststation. Wie war es bei Goethe? lands, 4. Fassung, Berichte zum Vogelschutz, Heft Die Mendelsssohns kamen am Samstag, 27. Juni 1822 Nr. 44, Deutscher Rat für Vogelschutz 2007 „zu guter Zeit“, also am Abend bei Tageslicht in Ba- Diese Reiseroute hatte der Dichter und Geheim- – Bildnachweis: Bekassine, NABU/W. Rolfes Felix Mendelssohn Bartholdy (1822) lingen an. Sicher stärkte man sich mit Speis und Trank, rat Goethe empfohlen, der bekanntlich mit Men- Seite 1823 Heimatkundliche Blätter Dezember 2012

delssohns eng befreundet war. Goethe war ebenso zur Reisegruppe wie ein Dr. Neuburg und meh- schon im Jahr 1797 diese Strecke in die rere Dienstboten. In Frankfurt stiegen zwei jugend- Schweiz gefahren. Er hatte in seinem Ta- liche Cousinen der Mutter zu. Folglich waren ohne die gebuch ebenfalls einen Aufenthalt in Ba- Dienstboten schon zehn Reisende zu befördern. Wird lingen und seinen Eindruck von der Stadt noch das umfangreiche Gepäck mitbedacht, er- festgehalten. Weil seine Reise aber nicht rechnen sich etwa vier Kutschen. Ab dem 6. Juni 1822 in Stuttgart, sondern in Tübingen am Haus trabte also eine ganze Kutschen-Karawane durch des Verlegers Cotta frühmorgens um 4 Uhr Deutschland nach Süden. begann, kam er schon vormittags um 10 Für deren Unterkunft in den Haltestationen muss- Uhr in Balingen an. Solange den Pfer- ten geräumige Häuser gewählt werden. Die vier Kut- den eine Pause gegönnt oder sie gar ge- scher hatten insgesamt acht Pferde zu betreuen oder wechselt wurden, machte Goethe einen auszuwechseln. In Balingen wäre außer dem „Gol- Spaziergang durch und hinter die Stadt Ba- denen Adler“ kein anderes Gasthaus in der Lage ge- Jahrgang 59 31. Dezember 2012 Nr. 12 lingen. Dann konnte er weiterfahren in der wesen, eine so große Reisegesellschaft zu beher- Kutsche, die ihm sein Herzog zur Ver- bergen. Die Stadt kann sich künftig rühmen, nicht nur fügung gestellt hatte. Dichter, sondern auch Musikerpersönlichkeiten gast- lich aufgenommen zu haben. Die Mendelssohn-Karawane Felix und seine Geschwister Fanny, Re- becca und Paul waren die Kinder sehr rei- cher Eltern in Berlin. Der Vater besaß als Literaturnachweis Bankier ein großes Vermögen, und der Großvater mütterlicherseits war eben- – Klek, Adolf: Die Mendelssohns und das Balinger Bier. falls Bankier. Für die Urlaubsreise in die In Heimatkundliche Blätter, Jahrg. 57, Oktober 2009 Schweiz waren drei Monate mit ausgie- – Stadtarchiv Balingen, Flurkarte von 1839. bigen Aufenthalten in Göttingen, Kassel, – Töpfer, Rudolf: Das Königlich Württembergische Frankfurt, Darmstadt, Heidelberg und Postamt Balingen in der Zeit von 1806 bis 1918/ 20. Stuttgart eingeplant. – Die beiden Personenbilder sind dem Internet bei Wi- Fanny Mendelssohn Bartholdy (1822) Der Hauslehrer der Kinder gehörte kipedia entnommen. Die schwäbische Seele – humorvoll betrachtet

Nachdem Bundestagsvizepräsident Wolfgang bischen Wesen befassen. Allen voran Karl Napfs „Der ga Merkle. Thierse vor kurzem in einem Zeitungsinterview seine Schwabe als solcher“. Der schwäbische Satiriker prä- Lokalmatador Wulf Wagers „Das Schwäbische Witz- Ansicht über die Schwaben kundgetan hat, könnte er sentiert „eine heitere Charakterkunde“ über den büchle“ sammelt die schönsten schwäbischen Lacher. sich mittels Bücher intensiver mit dem in Baden-Würt- Schwaben als solchen und präsentiert ihn in 26 Mini- Dazu gibt's als Gegenpart Helmut Dolds „Das badi- temberg ansässigen Volksstamm befassen, um seiner aturen – lesenswert! sche Witzbüchle“. Man stichelt und witzelt überei- geäußerten Vorurteile Herr zu werden. Der Silber- Heitere schwäbische Kurzgeschichten und Gedichte nander und letztlich lachen Baden und Schwaben zu- burg-Verlag hat neulich einige Bücher herausge- gibt's in Bernd Merkles „Jetzd guck no!“ zu lesen. Lie- sammen. Vielleicht könnte sich über diese Art Humor bracht, die sich in humorvoller Weise mit dem schwä- bevoll illustriert ist das Werk mit Zeichnungen von Hel- Herr Thierse mal Gedanken machen D. Seeburger Termine und Exkursionen Die Veranstaltungen der Heimatkundlichen Vereinigung im Januar und Februar Der Vogel des Jahres 2013: die Bekassine. Foto: Privat

JANUAR Fuß und mit Führung zu den Krippen im Heilig-Kreuz- ter der Leitung von Dr. Peter Th. Lang der Ebinger Münster (Figurenkrippe in Rottweiler Landschaft) und Stammtische im Café Wildt-Abt, Sonnenstr. 67, 72458 Samstag, 12. Januar: Halbtagesexkursion zu Krippen in der Kapellenkirche (barocke Bretterkrippe von Jo- Albstadt-Ebingen: Tel.: 07431 4188. Vogel der Moor- und Feuchtwiesen in Rottweil. Rottenmünster mit Wilfried Groh. seph Firthmaier, der auch den Innenraum barock aus- Unter der Leitung von Wilfried Groh besuchen wir zu- gestaltet hat). Mit dem Bus geht es dann zur romani- Anmeldung zu den Veranstaltungen über den nächst das Herrenkramersche Kripple im Stadtmuse- schen St. Pelagiuskirche in der Altstadt, wo eine riesi- Geschäftsführer Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72379 Die Bekassine ist Vogel des Jahres 2013 - Von Dr. Karl-Eugen Maulbetsch um, das zu einer Weihnacht in Rottweil dazu gehört. Ex- ge Krippenlandschaft aufgebaut ist und dazu noch ein“ Hechingen, Telefon 07471-15540 / Fax 07471-12283. trafürunswirddiebarockeSpielkrippe„leabiggmacht“. Fatschenkind“ und ein „Jesulein“ bewundert werden Email: [email protected] Zu den stark gefährdeten Vogelgruppen gehören in der den-Württemberg gibt es nur noch Restbestände an nehmen, je nach Wasserstand, die maximalen Zäh- Dann zeigen das Annemarekele und der Kreuzwirt und kann. Letzte Station der Führung ist die Kirche des ehe- oder über unsere Homepage: Bundesrepublik die Wiesenvögel. Dazu zählt auch die Brutplätzen. Die meisten befinden sich am mittleren lungen Werte zwischen 30 und 200 an. Die Rastplätze die übrigen kleinen Leute im Kripple, wie das so war maligen Zisterzienserinnenklosters Rottenmünster, wo www.heimatkundliche–vereinigung.de. Bekassine, im Volksmund auch Himmels- oder Me- Oberrhein und im Alpenvorland. befinden sich in den Großseggenrieden, in den über- mit Weihnachten zu Reichsstadtzeiten. Es wird kein eine kleine Landschaftskrippe mit Figuren aus dem ckerziege genannt. Sie war früher auf feuchten Wiesen Der überwiegende Teil der in Deutschland leben- schwemmten Moorwiesen sowie in den See- und Eintritt erhoben, aber es wird um eine angemessene Grödnertal sowie aus Eigeltingen besichtigt werden Bei allen Veranstaltungen sind Gäste jederzeit herz- und Mooren ein häufiger Brutvogel. Durch die inten- den Bekassinen sind Kurzstreckenzieher. Sie verbrin- Teichrosenbeständen am Seeufer. Für Überwinte- Spende gebeten: „Und richtet au Kreuzerle her für dia kann. lich willkommen. sive Nutzung des Grünlandes werden viele ehemalige gen die Winter z. B. in Großbritannien auf der Halb- rungen ist das Federseegebiet zu kalt und es mangelt Kripplesmaidle und –bueba.“ Anschließend geht es zu Busfahrt (Abfahrt in Ebingen 12.45 Uhr, in Balingen Brutreviere jedoch nicht mehr besiedelt. In manchen insel Cornwall, in Südfrankreich, Portugal, Spanien , an eis-und schneefreien Bereichen (Auskünfte, Jost 13.05 Uhr), 20 Euro Gegenden ist sie bereits ausgestorben oder nur noch Norditalien oder in Griechenland. Der Bodenseeraum Einstein, Naturschutzzentrum Federsee). selten anzutreffen. Sie wurde deshalb vom Natur- spielt in Deutschland als Rast- und Überwinterungs- schutzbund Deutschland und vom Landesbund für Vo- gebiet eine wichtige Rolle. Die Winterbestände haben FEBRUAR Herausgegeben von der gelschutz in Bayern zum Vogel des Jahres 2013 ge- jedoch auch hier stark abgenommen. Regelmäßige Kennzeichen Heimatkundlichen Vereinigung wählt. Die Verbände werben mit dieser Wahl für den Er- Vorkommen von kleinen Gruppen mit maximal 30-40 Mittwoch, 20. Februar: Werksbesichtigung der Fir- Zollernalb halt der Moore und Feuchtwiesen als Lebensräume. Individuen finden sich in der Radolfzeller Aachmün- Die Bekassine hat die Größe einer Taube. Auffal- Die Autoren dieser Ausgabe ma Mettler-Toledo in Albstadt - Ebingen mit Dr. Mi- dung und in der Steinacher Bucht bei Arbon. Die Lang- lend an ihr ist der sieben cm lange, gerade Schnabel chael Walther. Vorsitzender: streckenzieher fliegen bis an die Küsten Nordafrikas und die relativ kurzen Beine. Der lange Schnabel ist her- Anfahrt mit Privat – PKW, 14 Uhr, Unter dem Males- Dr. Andreas Zekorn, Landratsamt Zollernalbkreis, Verbreitung oder in die Savannengebiete südlich der Sahara. In mil- vorragend geeignet, um im feuchten oder schlammi- felsen 34, Albstadt-Ebingen, Teilnahme frei. 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 92 11 45 den Wintern bleiben auch einige Individuen in den gen Boden zu stochern. An seiner Spitze, die etwas ab- Dr. Karl-Eugen Maulbetsch Das Brutareal der zur Familie der Schnepfenvögel Brutgebieten. Der Wegzug in die Winterquartiere be- gebogen werden kann ohne den ganzen Schnabel zu Geschäftsführung: Am Stettberg 9 Mittwoch, 27. Februar: Vortrag „Die Segensspur ei- gehörenden Bekassine erstreckt sich im Westen von Is- ginnt bereits Ende Juni, der Hauptteil zieht jedoch im öffnen, befinden sich zahlreiche Sensoren, um z. B. Erich Mahler, Mörikeweg 6, 72336 Balingen nes Landpfarrers bis heute – Philipp Matthäus Hahn land, den Britischen Inseln und den Azoren ostwärts Herbst ab. Die Heimzüge in die Brutgebiete häufen sich Würmer, Schnecken, Insektenlarven oder Sämereien 72379 Hechingen, und die Waagenindustrie“ mit Martin Sauter. auf das Festland über Frankreich, Mittel- Nord- und in der Zeitspanne von Mitte März bis April. Die Be- aufzuspüren. Das braune Gefieder ist an der Oberseite Telefon (0 74 71) 1 55 40 20 Uhr, Stadtbücherei, Johannesstr. 5, Albstadt-Ebin- Osteuropa und Teilen Asiens bis an den Pazifik. Die kassine kommt im Zollernalbkreis als Durchzügler vor. mit länglichen, weißen Streifen durchsetzt. Auch der E-Mail: e. [email protected] Adolf Klek gen, Eintritt frei. nördliche Grenze verläuft etwa bei 72 Grad, im Süden Am Salenhof bei Trillfingen und auf dem Seewiesen- Kopf besitzt braun-weiße Bänder. Hals und Brust sind Wolfsbühlstraße 6 Redaktion: setzt sie in Südfrankreich ein, zieht über das südliche gelände bei Hart ist sie beispielsweise gelegentlich an- braun-beige gefleckt. Der Bauch ist an den Seiten quer- 72336 Balingen Mitteleuropa und von dort quer über Osteuropa hi- zutreffen (Auskünfte. H. Fuchs). Beobachtungsmög- gestreift. Die Unterseite erscheint weiß. Ist Gefahr im STAMMTISCHE Daniel Seeburger, Grünewaldstraße 15, 72336 Balingen, Telefon (0 74 33) 2 66-1 53 naus bis nach Kamtschatka. In Mitteleuropa liegen die lichkeiten bieten in der weiteren Umgebung auch die Verzug, duckt sich die Bekassine zunächst am Boden Schwerpunkte der Verbreitung in den Tiefebenen der Zielfinger Baggerseen (Chr. und K. E. Maulbetsch, En- und fliegt dann mit raschen Flügelschlägen im Zick- Jeweils am 1. Mittwoch eines Monats trifft sich un- Niederlande, Norddeutschlands und Polens. In Ba- de Nov. 2012) und das Federseegebiet. Bei letzterem Zack-Flug nach oben weg (Beobachtungen, H. Reb-