Zur Schuldfrage

Foto:Martin Heinlein CC/ BY 2.0 Befragte man Menschen nach dieser Partei nicht wert wäre, Christian Hirte (CDU), dürfte den von der Angst vor sozialem man Schulterzucken ernten. Abstieg geplagten Menschen Das wäre im Westen Deutsch- noch mehr Angst einzujagen lands nicht ungewöhnlich, denn und sich als rettende Alternati- der Mann ist der Ostbeauf- ve zu profilieren. Minderheiten tragte der Bundesregierung. werden verbal ausgegrenzt, Aber auch im Osten ist er völlig beleidigt, physisch bedroht und unbekannt. Nur kürzlich schaff- die Armen gegen die Ärmsten te er es in die Schlagzeilen, mit ausgespielt. Und hier kommt der Bemerkung, DIE LINKE sei die etablierte Politik ins Spiel: schuld am Aufstieg der AfD. Sie Seit der AGENDA 2010 übt hätte die Demokratie verächt- diese sich in Demütigung, Links! lich gemacht. Herabwürdigung und Stigma- im Digitalabo. Jede tisierung von Arbeitslosen, Ausgabe schon drei Tage Wie bitte, frage ich mich da? Sozialleistung beziehenden Ausgerechnet jene Partei, die Menschen, genussvoll begleitet früher im Mailpostfach! seit Jahren permanent den Lob- von ekelhafter Zurschaustel- byismus in der Politik kritisiert, lung menschlicher Schwäche, Jetzt kostenlos bestellen: die Aushöhlung der Demokratie besonders in den privaten www.links-sachsen.de/abonnieren, durch die Privatisierung des Öf- Medien. Das Treten nach unten [email protected] fentlichen anprangert und für wurde den Menschen in den oder 0351/84 38 9773. eine Senkung der Hürden für letzten 20 Jahren planvoll an- Volksbegehren und Demokrati- erzogen. Auf dieser Basis baut sierung der Wirtschaft streitet, die AfD auf. Nur so ist ihr Erfolg ausgerechnet wir also, haben erklärbar und zu verstehen. die Demokratie verächtlich gemacht? Entweder, Herr Hirte DIE LINKE hat als einzige Partei hat keine Ahnung – oder er stets vor dieser gefährlichen stellt sich dumm. Gemengelage gewarnt – als einsame Ruferin in der Wüste. Für den Aufstieg der AfD gibt Sie wurde dafür diffamiert, es viele Ursachen. Beson- lächerlich gemacht und ihre ders der Osten ist seit 1990 Warnungen vor den faschisti- zu einem Labor neoliberaler schen Umtrieben, besonders in ökonomischer Experimente den ländlichen Regionen, wur- gemacht worden. Der Deindus- den als Panikmache abgetan, Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt trialisierung folgten Massen- antifaschistischer Protest oft arbeitslosigkeit, Niedriglöhne, als extremistisch kriminalisiert. Oktober 2019 ein demütigender Umgang mit Erwerbsbiographien und die Es mag sein, dass die Gegen- Besetzung aller Schaltstellen in strategie der LINKEN, beson- Wirtschaft, Politik, Justiz, Medi- ders in den letzten fünf Jahren, en, Hochschulen und öffent- auch von einer gewissen licher Verwaltung mit Personal Ratlosigkeit geprägt war – es aus dem Westen. Das bittere ging uns da nicht viel anders Schimpfwort von der „Kohlo- als den anderen Parteien, die nisation“ des Ostens fand zu erschüttert vor der Wucht der Beginn der 90er Jahre Eingang rechten Umtriebe standen und in den Sprachgebrauch. Para- stehen. Und es mag auch sein, dox allerdings: Besonders im dass wir ein Sprachproblem ländlichen Sachsen wählten die haben. Sowohl in der Aus- als Menschen viele Jahre unver- auch in der Ansprache. Ich drossen CDU, die 18 Jahre nehme mich da gar nicht aus. brauchte, um einen Ostdeut- Oft in akademischem Dialekt schen zum sächsischen Mini- vorgetragenen Reden, im Sozi- sterpräsidenten zu machen. ologendeutsch verfasste Texte und der Drang, lieber zu beleh- Nun ist dies allein noch lange ren als zu überzeugen, sollten kein Grund, um die AfD zu in den fälligen Diskussionen wählen, eine Partei, deren über die Zukunft unserer Partei Führungspersonal rassistische eine gebührende Rolle spielen. Ressentiments bedient und Eines darf jedoch meines fördert, faktisch kein soziales Erachtens keinesfalls die Profil und auch wirtschaftlich Lösung sein: Den Menschen keinerlei Kompetenz vorzu- aus wahltaktischen Gründen weisen hat. Eines allerdings nach dem Mund zu reden. schafft sie hervorragend: Angst Menschenfeindliche Einstel- schüren. Angst vor Überfrem- lungen sind zu entlarven, nicht dung, Angst vor „Islamisie- zu übernehmen. Wer auf diese rung“, Angst um die heimische Weise versuchen will, Wähler Bratwurst, Angst vor dem Wolf. zurück zu gewinnen, wird die Keine Lüge, keine Halbwahr- Verbliebenen noch verlieren. heit, keine Übertreibung und keine rassistische Hetze, die es • Katja Kipping Links! 10/2019 Links! im Gespräch Seite 2

Wer weiß schon, dass es in Chemnitz Sie wollten etwas Besseres essen 14.500 Kleingärten gibt? Der Bundes- als Industrieprodukte von Planta- verband Deutscher Gartenfreunde e. V. Direkt vom Beet – gen, wo es kaum Bienen gibt. hat in Sachsen rund 200.000 Mitglie- Wir waren auf einer Veranstaltung, in der. Thomas Seidel von den Chemnitzer der es darum ging, welche Massen an Gartenfreunden rechnet vor: Wenn je- Müll hergestellt werden und wie man der der Chemnitzer Gartenfreunde ein Müll vermeiden, zumindest minimieren Kilo Äpfel verschenken würde, müssten auch in der Stadt! kann. Dort kam es zu heftigen Diskussi- 14,5 Tonnen Äpfel weniger in die Super- onen. Während manche meinten, man märkte transportiert werden. Dort sieht könnte die Supermärkte dazu bewegen, der Chemnitzer Kleingärtner Seidel ein Thomas Seidel und die Chemnitzer Garten- unverpackte Lebensmitteln anzubieten, wesentliches Problem: Obwohl es jede sah ich das eher skeptisch. Schließlich Menge Obst und Gemüse in den Klein- freunde bringen Kleingärtner und Nicht- sagte uns eine Freundin, dass sie ihrem gärten gibt, das die Gärtner mit ihren Opa im Garten hilft, der seine Tomaten Familien gar nicht verbrauchen können, Gärtner zusammen, damit alle mehr von liebt und so viele davon anbaut, dass sie finden überschüssige Birnen, Toma- für die eigene Familie immer noch viel ten und Äpfel sowie zahlreiche ande- gesunden Lebensmitteln haben zu viel sind. Aber es sei eben seine gro- re Gemüse- und Obstsorten nicht den ße Leidenschaft. Da schlug ich ihr vor, Weg zum gartenlosen Nachbarn. Der woher Essen kommen kann und wie gut Motivation. Die einen wollen gesundes die überzähligen Tomaten einfach uns kauft stattdessen vielleicht Äpfel im Su- es schmeckt, wenn es aus dem Garten und frische Produkte aus dem Garten, zu geben, und damit war vom Prinzip her permarkt aus Neuseeland. Das müsste kommt. Zusätzlich gibt es einen ganz wollen die Herkunft wissen oder Ver- die Grundidee geboren. nicht so sein, der Apfelfreund Seidel will wichtigen Aspekt: die Verpackung und packungen sparen. Der Gartenbesitzer das ändern. Ralf Richter hat ihn befragt. Transporte! Es werden Tonnen von Obst bekommt Hilfe oder etwas für die Spar- Wie funktioniert die Webseite? und Gemüse in Fabriken sortiert und büchse oder ist einfach froh, wenn sei- Die Seite ist leicht zu bedienen. Zuerst Was ernten Sie selbst und was ha- verpackt und transportiert, während Äp- ne Produkte auch verbraucht werden. muss man sich anmelden und registrie- ben Sie sich vorgenommen? fel oder Pflaumen am Baum ungenutzt ren. Im zweiten Schritt kann man ganz Da wir unseren Kleingarten erst im Mai bleiben. Das muss sich ändern. Wie kam Ihnen die Idee, solch einfach seine Anzeige schalten bzw. die übernommen haben, war unser Zeitfens- eine Homepage zu entwickeln? Anzeigen durchsuchen. Hat man etwas ter für die Pflanzvorbereitungen sehr Manchmal liest man auch Aus- Ich gehöre zu den Leuten, die täglich ei- Interessantes gefunden, tritt man über kurz. Zudem mussten wir erst testen, hänge, wo Gärtner Hilfe suchen. nen Apfel essen – während meine Frau das interne Nachrichtensystem in Kon- was guten Ertrag bringt und was nicht Spielten diese Gesuche bei der gern Tomaten isst. Wir haben festge- takt. Erhält jemand auf seine Anzeige gut wächst. Geerntet haben wir Gurken, Konzeption auch eine Rolle? stellt, dass es mit dem Geschmack des eine Antwort, so wird er via Email infor- Tomaten, Bohnen, Radieschen, Möhren, Das war unsere erste Idee, genau die- im Supermarkt gekauften Obstes bzw. miert. Das interne Nachrichtensystem Kohlrabi, Weintrauben, Äpfel, Aubergi- se Hilfe mit dem Nutzen für beide Seiten Gemüses nicht weit her ist. Insbeson- gewährleistet Anonymität, bis jeder ein- nen, Zucchini, Blumenkohl und Kräuter. zusammen zu bringen. Was das Thema dere was den Geschmack der Tomaten zelne von sich aus entscheidet, ob und Künftig werden wir noch ein paar Beete Hilfe betrifft, so ist der Bedarf aber mei- betrifft, aber auch bei Äpfeln sind die wem er seine Kontaktdaten gibt. anlegen und Ziergehölze gegen Stachel- ner Ansicht nach geringer als gemein- Supermärkte auf wenige Sorten konzen- beeren und Johannisbeeren tauschen – hin angenommen wird. Jeder, der bei triert, so dass es viele Geschmacksrich- Wird es auch eine App geben? ein Pflaumenbaum fehlt auch noch … uns Anzeigen schaltet, hat eine eigene tungen gar nicht zu kaufen gibt. Die Konzeption dafür liegt vor. Leider sind die Kosten hoch. Wenn es aber ein Welche Rolle spielt der Gemüse- großes Interesse und eine Beteiligungs- und Obstanbau im Stadtverband bereitschaft gibt, können wir loslegen. der Kleingärtner in Chemnitz? Der Stadtverband steht laut Satzung Nicht alle sind besonders technik- für die umweltbewusste Nutzung des begeistert. Sie haben aber mit ih- Bodens und die Förderung des Um- rem „Anhänger von Frische“ ein welt- und Naturschutzes sowie der besonderes Angebot. Landschaftspflege. Die nachhaltige Pro- Wer mal im Hotel war, der weiß, dass duktion von Gartenobst und -gemüse ist es dort einen Türklinkenanhänger gibt: eines der größten Anliegen des Stadtver- „Bitte nicht stören!“ Ähnlich funktioniert bandes. Unter diesem und weiteren Ge- der „Anhänger von Frische“. Er besteht sichtspunkten berät der Stadtverband aus Kunststoff, hat eine Größe von etwa die Kleingartenvereine der Stadt. zehn cm und kann an jedem Gartenzaun oder Gartentor angebracht werden. Wer Im Interesse der Nachhaltigkeit dann von den Passanten draußen vor- wäre es sinnvoll, wenn jeder von beiläuft, kann erkennen, hier gärtnert uns mehr Lebensmittel aus der jemand, der gern von seinen Produkten Region konsumieren würde. Lei- etwas abgibt und kann den Gärtner oder der wissen viele Städter gar nicht, die Gärtnerin ansprechen. was nebenan an Obst und Gemüse wächst. Wäre es nicht eine Über- Unsere Leserinnen und Leser legung wert, in den Großstädten kommen aus ganz Sachsen. Kön- mehr Regionalmärkte in zu etab- nen die alle einen „Anhänger der lieren? Frische“ bestellen bzw. sich auf Genau da setzen wir mit unserer Initiati- der Homepage anmelden? ve an! Direktvombeet.de steht für nach- Wir sind offen für alle, die sich unserer haltige Lebensmittel aus der Region. Idee des Zusammenbringens von Klein- Dabei meint „Region“ tatsächlich das, gärtnern mit ökologisch bewussten was die Nachbarn im Garten in der un- Städtern anschließen möchten. Die Re- mittelbaren Umgebung anbauen. Regio- sonanz war bislang schon riesig. Damit nalmärkte wären aus unserer Sicht sehr auf die Schnelle anderen Regionen das gut. Will man Produkte aber auf einem nachahmen können, haben ich Aushän- Markt verkaufen, sind behördliche Auf- ge erstellt, die man herunterladen, aus- lagen zu erfüllen, die die Waren teurer drucken und in den Gartenanlagen aus- machen. Auch eine entsprechende Inf- hängen kann: www.direktvombeet.de/ rastruktur müsste vorhanden sein. Das lebensmittel-retten-bundesweit alles darf man nicht vergessen. Ihr Projekt lebt nicht zuletzt von Also ist der Weg über das Internet Spenden. Wie kann man helfen? der bessere? Haben Sie deshalb Ich suche noch einen Sponsor und bin direktvombeet.de geschaffen? für Spenden, einzeln oder dauerhaft, Nicht nur. Uns geht es darum, den Klein- sehr dankbar. Einfach auf www.direkt- garten wieder als Lebensmittellieferan- vombeet.de/spende gehen und aus- ten zu sehen. Städter können erfahren, wählen. Seite 3 Die dritte Seite 10/2019 Links! Jeder dritte junge Mensch armutsgefährdet Susanne Schaper fordert realistische Unterstützung Sozial-Skandal des Monats für Auszubildende und Studierende in Sachsen

Laut einer Statistik, die von der LIN- Menschen zu verringern muss das Ziel teil angepriesen hat, anstatt sich für zen und Beihilfen zur Berufsausbildung KEN Bundestagsabgeordneten Sabi- politischen Handelns sein. In Sachsen anständige Löhne einzusetzen. Das – kurz: mit einem Sozialstaat, der die- ne Zimmermann veröffentlicht worden scheint aber das Gegenteil der Fall zu wirkt bis heute nach. Deutschlandweit sen Namen verdient. ist, gilt über ein Drittel der Sächsin- sein. Betrug die Quote armutsgefähr- ist ein Drittel der Armen erwerbstä- nen und Sachsen im Alter zwischen deter Menschen im Alter zwischen tig, in Sachsen voraussichtlich mehr. Da die Staatsregierung in den letzten 18 und 25 Jahren als armutsgefährdet. 18 und 25 Jahren im Jahr noch 2005 Das sind Zustände, die nicht hinnehm- 29 Jahren nichts unternommen hat, Der Bundesdurchschnitt liegt bei 25,6 „nur“ 30,5 Prozent, waren es letztes bar sind. In einem reichen Land wie um den Sozialstaat zu stärken und da- Prozent. Die sogenannte Armutsge- Jahr schon 35,7 Prozent. Und das trotz Deutschland sollte es möglich sein, von auszugehen ist, dass sich diesbe- fährdungsschelle lag 2018 im bundes- der Einführung des gesetzlichen Min- Armut effektiv zu bekämpfen: mit ei- züglich auch Grüne und SPD bei den weiten Durchschnitt für einen Single- destlohns im Jahr 2015. Ursache da- ner höheren und sanktionsfreien Min- Sondierungsgesprächen nicht durch- Haushalt bei 1.035 Euro, in Sachsen für ist natürlich auch, dass die säch- destsicherung, höherem Kindergeld setzen werden, heißt es für mich und bei 937 Euro. Darin enthalten ist das sische Staatsregierung den niedrigen bzw. einer eigenständigen Kinder- meine Fraktion: auch in den nächsten gesamte Nettoeinkommen eines Haus- Lohn jahrzehntelang als Standortvor- grundsicherung, höheren BAföG-Sät- fünf Jahren dafür kämpfen! haltes inklusive Wohngeld, Kindergeld oder anderer Sozialleistungen. Der Be- griff Armutsgefährdung ist jedoch irre- führend. Denn als armutsgefährdet gilt jeder, der weniger als diese Summe im Monat zur Verfügung hat. Ich mei- ne, dass jeder, der über weniger Netto- einkommen im Monat verfügt, bereits arm ist. Denn Armut ist kein Zustand, in den man langsam hineingleitet, wie es die Armutsgefährdung suggeriert. Entweder man ist arm oder eben nicht.

Unter den 18- bis 25-Jährigen befin- den sich selbstverständlich Studie- rende und Auszubildende, die von Haus aus geringere Einkommen ha- ben. Das müsste aber nicht so sein, wenn BAföG-Sätze und Berufsaus- bildungsbeihilfen sich an der Reali- tät orientieren würden, damit man als Lehrling oder Student eben nicht au- tomatisch arm ist. Den Anteil armer

aber nicht verallgemeinerbare Art der erte keine ganze Stunde und endete Mobilität) das arktische Klima erkun- sogar etwas zu früh am Zielort. Die Hasen und die Igel den. Und der Regenwald in Südameri- Dennoch war Zeit zum Beobachten ka brennt immer noch. und Nachdenken. Was bewegte sich Es ist Freitag, der 20. September, fen? „Sei nicht so empfindlich“, denke eigentlich auf diesem Be-tonband und und bereits abends. Ein langer, schö- ich. Im Radio höre ich nämlich gera- Pünktlich war ich auf die unweite Au- wodurch bewegte es sich? So kam ner Tag neigt sich zu Ende, knapp de, dass das GroKo-Bundeskabinett tobahn aufgefahren und habe mich plötzlich die Erkenntnis: Ich fuhr an vor Herbstanfang, mit einem herrli- die ganze Nacht „getagt“ hat und im- eingereiht. Das ging gar nicht so ein- Tausenden brennenden Arbeitsplät- chen Abendrot, das einen sonnigen mer noch tagt, um die Hausaufgabe zen vorbei. Die befanden sich in den nächsten Tag verspricht. Ich sitze am eines Klimaschutzprogrammes zum Lkws und sie befanden sich in den Au- Schreibtisch und schreibe diese Glos- Ende zu bringen. Das erinnert mich tos vor und hinter mir. Die dagegen se. Der Tag war lang, weil ich um 9:30 an meine Schulzeit – nächtliches Er- anrennen sind die Hasen, kam mir in einen Termin in Dresden wahrnehmen ledigen von Hausaufgaben bringt den Sinn. Sie rennen hinter den Igeln musste; Fahrzeit eine knappe Stunde Fehlerhaftigkeit des Resultats. „Fri- her. Die rufen aber überall, „Ick bin – also spätestens 8:00 Uhr los, aufste- day for future“ ist der Tag auch noch. allhier“. Genau dagegen wurde ja am hen halb sieben. Kann ja etwas dazwi- Sicher sammeln sich schon allüber- gleichen Tag demonstriert, genau des- schen kommen. Vor Staus ist man nie all die Schüler*innen und von diesen halb tagte nächtens die GroKo. Wer gefeit. Hin blieb er mir erspart, zurück aufgeweckte Erwachsene zur Fahrt wird dieses Rennen gewinnen, war war er da. Rechtzeitig ausgewichen, in die großen Städte zur Demo für die plötzlich die Frage des Tages? Werden weil durch das Radio gewarnt, gelang Klimarettung. In anderen Teilen der die Hasen, so wie im Märchen, eines mir die Rückfahrt – über vier Umlei- Erde sind sie schon längst auf den Tages wegen des nicht zu gewinnen- tungen und zwei lange Aufenthalte vor Beinen. In Australien und Polynesi- den Wettbewerbs tot umfallen? Oder Ampeln, die wegen Baustellen vereng- en ist schon alles wieder fast vorbei. geben die Igel auf, weil ihnen die Ha- te Fahrbahnen wechselweise frei ga- In Frankfurt am Main erwacht indes- fach, denn auf der rechten Spur be- sen etwas Neues als Ersatz für dieses ben – in gut zwei Stunden. sen der vorletzte Tag der Internatio- wegte sich eine unendliche, dicht auf sinnlose Wettrennen anbieten – mit nalen Automobilausstellung. Den Zu- dicht fahrende Kolonne von Lkws und Gewinn für beide Seiten? Das Mär- Ja, die Fahrt wurde mit dem Auto an- gang in die Hallen haben am ersten links eine ebensolche Schlange von chen beginnt im Original mit dem nie- getreten. Mit Öffis wäre der Termin Tag Demonstrant*innen blockiert. Pkws und kleineren Transportfahr- derdeutschen Satz: „Disse Geschich- nicht zu halten gewesen: Erst drei Ki- Wer hinein wollte, musste den Hinter- zeugen. Sich da hineinzuschlängeln te ist lögenhaft to vertellen.“ Das ist lometer zum nächsten Bahnhof. Von ausgang benutzen. Beim Frühstück musste man erst schaffen. Mit Brem- der Anfang für die AfD und Konsorten. da fährt jede Stunde ein Zug nach kann ich schon das zeitig angelieferte se, Gas, Hupe, Übermut und auch Die glauben nicht an die drohende Leipzig. Kommt man dort an, fährt der „Neue Deutschland“ lesen, mit einem etwas Rücksichtslosigkeit war es Tragödie. Wir wissen jedoch, uns ret- Zug nach Dresden just im gleichen Extrablatt zum FfF-Klimastreik. Am geglückt. Jetzt war man Teil der Kara- tet nicht das schöne Wetter des Mär- Augenblick weg. Nach einer halben Ende des Tages sticht das Schiff „Po- wane. Fast Stoßstange an Stoßstange chens und dieses 20. Septembers. Stunde geht es dann weiter. In Dres- larstern“ von Norwegen aus in See. Es bewegte sich auf beiden Spuren der Wetter an ein paar Tagen ist nicht Kli- den noch Straßenbahn. Wann soll soll ein Jahr lang im Eis festgefroren Tross. Die Fahrt verlief jedoch, wie be- ma. Es muss uns etwas einfallen – für ich da aufstehen, um alles zu schaf- triftend (eine sehr umweltfreundliche, reits gesagt, ohne Zwischenfälle, dau- Klima und Arbeitsplätze. Links! 10/2019 Nachruf Seite 4 „Sig“, ein Mensch – und Kosmonaut Falls Vorbilder heute noch gefragt sind - Dr. Sigmund Jähn kann eines sein. Von René Heilig

Nachdem die traurige Nachricht von wie etwa Manfred von Richthofen, te man nur postum ehren, auch US- majors, entlassen. Er war damit ein den Medien verbreitet worden war, Werner Mölders und Johannes Stein- Astronauten starben beim Training auf in fremden Streitkräften Gedienter, kam vielfache Betroffenheit zurück. hoff hatte er wenig gemein. Viele Pilo- der Erde. Auch nach Jähns Flug wurde wurde also für die Tradition der „neu- Mehr oder weniger bedeutende Men- ten eifern diesen Wehrmachtsoffizie- Raumfahrt nicht zum Ausflugsvergnü- en“ deutschen Armee nicht für wür- schen suchten in ihren Handyarchiven ren noch immer nach. Jähn hatte sich gen. Die Opferliste verlängerte 1986, dig befunden. Man stelle sich nur ei- nach Selfies, auf denen sie neben dem aus anderen Gründen zum Militär ge- als der US-Space-Shuttle „Challen- nem Moment vor, die Bundeswehr berühmten Raumfahrtpionier zu sehen meldet. Das war Anfang der 1950er ger“ nur Sekunden nach dem Start hätte angefragt, ob sie nicht eine sind. Weltweit, in Europa, in Deutsch- Jahre, die Weltmächte rüsteten sich zerbrach. Alle sieben Crewmitglieder Luftwaffenschule nach ihm benen- land, vor allem in jenem Teil, der zu atomar, die beiden Deutschlands stan- starben. nen könne … absurder Gedanke – Jähns „Sternstunden“ noch DDR hieß, den in der Ost-West-Konfrontation auch für Jähn. trauern Menschen um den Mann, der auch militärisch gegeneinander. Jähn So sehr Jähn den Blick auf die Erde der erste Deutsche im All war. stieg als Offizier der NVA und Mitglied aus kosmischen Höhen genossen hat: Dass er als weltraumerfahrener Zivi- der SED in Flugzeuge, um zu verhin- Er blieb erdverbunden, obwohl die list wieder Tritt fassen konnte, hat er Er sei ihr erster „Held“ gewesen, dern, dass der Frieden abermals zer- DDR-Partei- und Staatsführung ihn seinem vogtländischen Landsmann schreiben Leute, die heute um die 50 schossen wird. Das Überlebensmo- mit Orden und Beförderungen über- Ulf Merbold zu verdanken. Der Mann, sind. Deren Kinder fragen, ob das ei- dell beider Seiten hieß Abschreckung. häufte – nicht zuletzt, um sich selbst der 1983 als zweiter Deutscher ins ner von denen war, die auf dem Mond Es hat – obwohl so oft knapp vor dem in Jähns Ruhm zu sonnen. Dem Kos- All flog, hatte einst die DDR aus poli- so komisch rumgehüpft sind. Die Zeit Scheitern – seinen Zweck erfüllt. monauten war das Heldengerede wie tischen Gründen verlassen. Er holte verändert Perspektiven. Die positive jegliche Lobhudelei zuwider. Oft ge- Dr. Jähn als Berater ins heutige Deut- Sicht auf Sigmund Jähn hält jeder kriti- Von 1966 bis 1970 studierte Jähn an nug war es ihm peinlich, wenn Briga- sche Zentrum für Luft- und Raumfahrt schen Betrachtung stand. der Militärakademie „Juri Gagarin“ in den aus Betrieben oder Schulen da- (DLR) und die Europäischen Weltraum- Monino bei Moskau. Sechs Jahre spä- rum baten, seinen Namen tragen zu organisation ESA. Das ermöglichte Die meisten, die jetzt voller Hochach- ter sammelte er abermals Wissen an dürfen. Umso mehr bemühte er sich, Jähn auch, den Kontakt zu seinen rus- tung von Jähn sprechen, haben ihn nie einer sowjetischen Lehreinrichtung, mit ihnen auf menschlicher Ebene in sischen Freunden und Raumfahrerkol- persönlich getroffen. Doch sie fühlen die nach dem ersten Kosmonauten Kontakt zu bleiben. Auch zu Journalis- legen aufrecht zu erhalten. Die emp- sich diesem Menschen – über Bewun- der Welt benannt war. Gemeinsam ten pflegte er stets ehrliche Kontakte. fingen den „Mann aus dem Westen“ derung und Respekt hinaus – nah. Seit mit seinem „Double“ Eberhard Köll- mit offenen Armen und richteten ihm Jahrzehnten. Warum das so ist, hat der ner bereitete sich der Auserwählte un- Er wollte nicht im Vordergrund stehen, in Sternenstädtchen ein Büro ein. Von (west-)deutsche Astronaut Thomas ter strikter Geheimhaltung auf einen konnte es aber doch nicht vermeiden, hier aus unterstützte er in den 90er Reiter in seinem Vorwort zu einer vor Raumflug vor. zu vielen Gelegenheiten Mittelpunkt Jahren deutsche Astronauten bei der zwei Jahrzehnten von Horst Hoffmann des Interesses zu sein. Offiziell war er Vorbereitung auf ihre Arbeit in der veröffentlichten und immer noch Damals lief gerade das Interkosmos- plötzlich Inbegriff der „Sieghaftigkeit russischen Raumstation MIR. Als das höchst lesenswerten Jähn-Biografie Programm an. Es bedeutete: Die so- des Sozialismus“. Er avancierte zum Programm auslief, hätte Jähn sich mit zusammengefasst: „Man fragt sich, zialistischen Staaten beteiligten sich Volkshelden. Doch er gab dafür, auch seiner Frau in sein Wochenendhaus in wie die Welt wohl wäre, wenn es nur unter Führung der Sowjetunion an der das zeichnet ihn aus, niemandem die der vogtländischen Heimat zurückzie- gute Menschen gäbe, tolerant, um- friedlichen Eroberung des Weltraums. Schuld. Im Grunde habe er sich „frei- hen und warten können, dass die bei- sichtig, mit großem Herzen und gro- Die DDR hatte einiges zu bieten. Nicht willig vereinnahmen“ lassen, da er das den Töchter samt Enkeln zu Besuch ßer Seele.“ In diesem Zusammenhang, nur die als „Multispektakelkamera“ gesellschaftliche System der DDR be- kommen. Doch er war weiter als Fach- so Reiter, sei er von zwei Dingen fest verspottete Jenaer High-tech-Kiste, jaht habe und sich für die Sache eines mann gefragt. überzeugt: „Es gibt leider noch nicht mit der sich die Erde aus kosmischen menschlichen Sozialismus habe enga- genug von diesen Menschen“, aber ei- Bahnen analysieren ließ. Die Ausbil- gieren wollen, bekannte er später. Darüber hinaus machte ihm die Ge- nen habe er kennengelernt: Sigmund dung im „Sternenstädtchen“ war eine fährdung des Friedens durch die neue Jähn. Tortur für Körper und Geist. Doch Jähn Mit dem Ende der DDR wurde Jähn, Konfrontationspolitik des Westens ge- hielt stand, wuchs mit seinen Aufga- damals im Range eines NVA-General- genüber Russland, Sorgen. 2014 wur- Als der am 13. Februar 1937 im vogt- ben. Dann, am 26. August 1978, war de der Appell „Wieder Krieg in Europa? ländischen Morgenröthe-Rautenkranz es so weit. An der Seite seines sowje- Nicht in unserem Namen!“ veröffent- in sogenannten einfachen Verhält- tischen Kommandanten Waleri Bykow- licht. Die Bundesregierung, hieß es da- nissen – Vater war Waldarbeiter, die ski (1934-2019) startete er mit Sojus rin, müsse ihrer Verantwortung für ei- Mutter Näherin – geborene Sigmund 31 zu einer einwöchigen Forschungs- ne neue Entspannungspolitik gerecht Werner Paul Jähn acht Jahre alt wur- mission. „Wenn man den Eindruck werden. Wer nur Feindbilder aufbaue de, ging auf Dresden ein Bombenhagel hat, in einem Auto mit viereckigen Rä- und mit einseitigen Schuldzuweisun- nieder. Der Junge, dem in der Schule dern zu sitzen und damit über Kopf- gen hantiere, verschärfe die Spannun- das „Heil Hitler“ eingetrichtert wurde, steinpflaster zu holpern, dann ist al- gen „in einer Zeit, in der die Signale sah fliehende deutsche Truppen und les normal“, hatte ihn sein Ausbilder, auf Entspannung stehen müssten“. Flüchtlingstrecks, die sich ins Unge- der Fliegerkosmonaut Alexej Leonow, , so die Forderung, solle in der wisse quälten. Dann kamen die Sieger, vorgewarnt. Wie normal der Start lief, verfahrenen Situation „auch weiter- der Krieg war aus. Etwas Neues be- konnte man Jähns hintergründigem hin zur Besonnenheit und zum Dialog gann. Was sollte Jähn daraus machen? Grinsen entnehmen, wenn er im enge- mit Russland“ aufrufen. Denn: „Das ren Kreis davon berichtete. Und dass Sicherheitsbedürfnis der Russen ist In der Jugendherberge von Rauten- seine Rückkehr zur Erde so brutal war, so legitim und ausgeprägt wie das der kranz waren Flüchtlingskinder aus dass er teilinvalidisiert wurde und spä- Deutschen, der Polen, der Balten und Ostpreußen untergebracht. Ein Jun- ter jahrelang die Bekanntschaft diver- der Ukrainer.“ Zu den Unterzeichnern ge schenkte dem „Sig“ – die Kurzform ser Bundeswehrärzte suchen musste, der Resolution gehörten Ex-Bundes- seines Namens hat ihn ein Leben lang ist gleichfalls eine von der damaligen präsident Roman Herzog, Altkanzler begleitet – ein Modellflugzeug. Ob das sozialistischen Propaganda unbeach- Gerhard Schröder, die ehemaligen der Anfang seiner Fliegerkarriere war? tete Geschichte. Bundesminister Erhard Eppler, Her- Ursprünglich jedenfalls hatte er Förs- ta Däubler-Gmelin, Otto Schily und ter werden wollen. Oder Lokführer. Der Kosmonautenkandidat war kein Hans-Jochen Vogel, Wirtschaftsbos- Aber auf keinen Fall wollte er auf ei- Riese, keiner, der das Wort führte. se, Künstler, Kirchenleute – und ein ne höhere Schule wechseln. Letztlich Der Flug um die Erde verlangte viele Fliegerkosmonaut: Sigmund Jähn. Ein wurde er Buchdrucker und verdiente andere Eigenschaften: Wissen vor al- Mann, der sich auch politisch treu ge- 380 Mark im Monat. lem, Verlässlichkeit, Neugier, körper- blieben war. Es war eine Ehre, ihn zu liche Fitness und vor allem: Eine ge- kennen! Bei Wikipedia liest man, Jähn sei „ein hörige Portion Mut. Vor Jähn waren deutscher Jagdflieger“ gewesen. Das bereits 89 Menschen ins All geflogen. Erstabdruck: Tageszeitung „neues

ist nicht falsch. Aber mit „Kollegen“ Vier sowjetische Kosmonauten konn- Bundesarchiv,Bild 183-T0709-148 Peter/ Koard CC-BY-SA/ deutschland“, 23.09.2019 Seite 5 Hintergrund 10/2019 Links!

Jour fixe, der unkonventionelle Ge- faktuelle Querverweise, die Keßlers sprächskreis am Leipziger Standort fulminante freie Rede würzten, finden der RLS Sachsen, ist immer für Über- sich im Buchtext in Gestalt ausführli- raschungen gut. Wer befürchtet hat- Feuerwerk der cher Fußnoten. Ausweis einer immen- te, seine 47. Runde Mitte September sen wissenschaftlichen Kärrnerarbeit, mit dem doch etwas speziellen Thema die den Anspruch des Historikers do- „Westemigranten. Deutsche Kommu- kumentiert, die einmal in Gesprächen, nisten zwischen USA-Exil und DDR“ Fakten und aus Archivquellen und Fachliteratur würde nur wenige Interessierte in das eruierten Informationen möglichst voll- Reclam-Museum locken, sah sich ei- ständig ins Licht der Öffentlichkeit zu nes Besseren belehrt. Hausherr Hans- heben. Joachim Marquardt musste sämtliche Stuhlreserven aufbieten, um dem An- Emotionen Was Wunder, dass mancher Ältere die sturm der Besucher gerecht zu werden. Diskussion nutzte, um aus dem Spe- Aus und Weimar kamen sie. Groß- zialwissen des Autors hintergründige eltern brachten ihre erwachsenen En- Mario Keßler wandelte bei Jour fixe auf den Aufschlüsse über den einen oder an- kel mit. Und die größte Überraschung: deren von der DDR-Historiografie be- Zeitzeugin Annette Boenheim, 1948 in Spuren kommunistischer Exilanten in den schwiegenen Westremigranten zu New York als Emigrantenkind geboren, erhalten. Eine aktuelle Perspektive bereicherte den Diskurs mit sehr per- USA. Von Wulf Skaun wählte der Enkelsohn des 94-jährigen sönlichen Auskünften. Vereinsfreundes Prof. Harry Pawula. In Analogie zu den Westexilanten, die Um es vorweg zu sagen: Der Abend vielfach benötigtes Wissen in die DDR belohnte alle. Mario Keßler (64), His- mitbrachten, sinnierte er, ob das wohl toriker des Leibniz-Zentrums für Zeit- auch für heutige Asylanten in Deutsch- historische Forschung Potsdam mit land zuträfe, wenn sie in ihre Heimat Gastprofessuren in den USA und Isra- zurückgingen. Die finale Frage aus dem el, beschenkte sein Publikum mit ei- Auditorium, warum er aus seinen bio- nem repräsentativen Querschnitt aus grafischen Erkundungen kein Fazit ge- seinem gleichnamigen Buch, das in zogen habe, beantwortete der Autor 576-Seiten-Opulenz vor ihm lag und mit Verweis auf eben diese Biografien. ihm für einige Vorleseprunkstücke dien- Zu unterschiedlich, zu wenig vergleich- te. Jour-fixe-Mitbegründer Manfred bar seien die Emigranten-Rückkehrer Neuhaus, Moderator des Abends, hat- und ihre Lebensumstände, ihre Leis- te den Professor, dessen wissenschaft- tungen und Einsichten, Irrtümer und Il- licher Werdegang einst in Leipzig be- lusionen gewesen. Einen Schlusspunkt gann, als produktiven Buchautor mit setzte Mario Keßler aber doch: In einer besonderem Forschungsinteresse für kleiner werdenden Welt, deren Proble- das Schicksal linker Intellektueller vor- me größer würden, brauche Zukunft Er- gestellt. Sein neues Werk könne man innerung. Sein Buch leistet dazu einen als spannende kollektiv-biografische Beitrag. Synthese bisheriger Untersuchungen lesen.

Neuhaus hatte nicht zu viel verspro- chen. Der Autor breitete in einem Einladung zur mitreißenden Erzählstrom so uner- Filmvorführung hört-extraordinäre Früchte seiner For- schungsarbeit aus, dass das Publikum „Der marktgerechte Patient“ mehr als eine Ahnung davon bekam, Ein „FILM VON UNTEN“ von welche unikalen informativen Schät- Leslie Franke und Herdolor ze sein dickleibiges Sachbuch birgt. Ei- Lorenz nen Überblick gab er immerhin, indem er dessen acht Kapitel resümierte. So Mit der Einführung der Fallpauscha- erfuhr die Jour-fixe-Gemeinde, warum len in den Krankenhäusern wurde kommunistische Exilanten gerade in angestrebt, die Kosten im Gesund- den USA landeten. Welche Arbeits- und heitswesen nicht weiter steigen Lebensbedingungen sie vorfanden bzw. zu lassen. Das führte zum Ausbau sich eroberten. Mit welchen Exilerfah- der Kommerzialisierung und Öko- rungen sie in den Osten Deutschlands nomisierung. Es geht nicht mehr zurückkehrten, wo die „Moskauer“ hauptsächlich um Hilfe, Empathie bereits alle Kommandohöhen in Poli- und Fürsorge, sondern es wird im- tik, Wirtschaft und Kultur besetzt hat- mer stärker gefragt „Was bringt der ten und sie misstrauisch unter politi- Patient uns?“ Der Film stellt sehr schen Generalverdacht stellten. Wie anschaulich die Ursachen und die demokratische Entwürfe der Westemi- Folgen der Einführung der Fallpau- granten für ein neues Deutschland am schalen für das medizinische Per- Bollwerk eines stalinistischen Macht- sonal, Ärzte und Pflegekräfte so- apparates zerschellten. Keßler schil- wie für die Patienten dar. Wir laden dert diese Transformationsprozesse am Sie ein, gemeinsam mit Susanne Schicksal zahlreicher KPD-Aktivisten. Schaper, Mitglied des Sächsischen Doch interessierten ihn auch promi- Landtages, Fraktion DIE LINKE und nente „Genossen ohne Parteibuch“ wie Dorit Hollasky, Sozialarbeiterin im Bertolt Brecht, Ernst Bloch, Hermann Städtischen Klinikum Dresden, den Budzislawski, Hanns Eisler oder Stefan ihm, sodass wesentliche historiogra- von ihnen hat er in ihren Lebens- und Film zu sehen und zu diskutieren. Heym. fische Botschaften in gekonntem In- Arbeitsverhältnissen in Amerika und in fotainmentstil mit ausschmückenden der DDR beschrieben. Doch kaum ein 10.10.2019, 17:00-19:30, ALL Das Auditorium ging seine einzigartige Schnurren und Petitessen garniert wur- Name blieb solo im Raum stehen, ohne INN, Rosenhof 18, Chemnitz Spurensuche begeistert mit. Denn da den. Dabei rückte Keßler immer neue vom Redner in ein Netzwerk weiterer brannte ein von seiner Mission Erfüll- Facetten des Themas in den Fokus, Personalia eingewoben zu werden, das Eine Veranstaltung des Bürgerbü- ter ein Feuerwerk an Fakten und Emo- weitete das Geschehen auf vermeintli- in seiner Gesamtheit das vielfältig schil- ros Susanne Schaper und der AG tionen ab! Wie um die Wette brillierten che Nebenkriegsschauplätze aus, die lernde biografische Biotop der ameri- betrieb&gewerkschaft beim Stadt- der sachlich-systematische Wissen- sich dann als kalkulierte Erklärmuster kanischen Emigranten bzw. Rückkeh- verband DIE LINKE Chemnitz. schaftler und der begnadete Rhetor in der handelnden Personen erwiesen. 50 rer bildete. Unzählige personelle und Links! 10/2019 Hintergrund Seite 6

Das am häufigsten gebrauchte Wort zu bilden, „eine bürgerliche, mit der am Abend des ersten Septemberta- AfD“. Zwar ist die arme Frau viel für ges 2019 lautete: ein Schock. Bei den Auf der Suche ihre Auslegung des Wahlergebnisses Wahlen zum Sächsischen Landtag gescholten worden, nichtsdestotrotz stürzte DIE LINKE auf 10,4 Prozent ab. hat sie Recht. Immerhin kommen CDU Damit hat sich ihr Stimmenanteil bei und AfD in Sachsen auf rund sechzig den Landtagswahlen binnen zehn Jah- Prozent Stimmenanteil, Linke, SPD ren halbiert: 2009 waren es 20,6 Pro- nach dem „Geist und Grüne hingegen bloß auf rund 27 zent, 2014 18,9 Prozent und nun bloß Prozent. noch 10 Prozent. Statt 27 Abgeordne- ten schickt die Partei 14 Parlamenta- Die vom Chef des „Teams Kretsch- rier in den Landtag. Auch das ist eine der Revolte“ mer“ angestrebte sogenannte Kenia- Halbierung. Dass die Partei abermals Koalition mit den Grünen und der SPD Verluste erleiden würde, stand zu er- ist ein Zweckbündnis, und der Zweck warten. Seriöse Umfragen sahen DIE lautet: die AfD abwehren. Das größ- LINKE zuletzt bei einem Stimmenan- Jochen Mattern denkt über das Wahl- te Wagnis geht in dieser Konstellati- teil von 14 Prozent. Jedoch hatte nie- on die Union ein. Ob es ihr als Teil ei- mand ahnen können, dass es noch tie- ergebnis für die LINKE und die Folgen nach ner Kenia-Koalition gelingen wird, den fer bergab gehen würde. Am Ende der Zerfall des (rechts)konservativen La- Dekade scheint DIE LINKE in einem gers zu stoppen und – nach dem Mot- Zustand, den Wolf Biermann im Bun- politisches Projekt verficht, aus dem Kraft in Sachsen zu werden drohte, to Franz Josef Strauß‘, rechts von der destag zum 25. Jahrestag des Mauer- alle gesellschaftlich relevanten Grup- von der Machtübernahme ferngehal- CSU dürfe es keine Partei geben – die falls als der „elende Rest dessen, was pen Nutzen ziehen, reduziert sich Re- ten werden. Wer jedoch selbst zu ei- AfD zurückzudrängen, kann bezwei- zum Glück überwunden ist“, bezeich- gieren auf eine administrative Tech- nem auf das Duell von CDU und AfD felt werden. Bislang hatte die Union net hat. nik. Das gilt sowohl für die Bundes- als fixierten Wahlkampf beiträgt, in dem zur Wiederherstellung der christde- auch die Landespolitik. die Christdemokraten als Bollwerk ge- mokratischen Vorherrschaft in Sach- Was also tun? Wie kann die Partei aus der existenziellen Krise herausfin- den? Eine schlüssige Erklärung für das Wahldesaster, das zeitgleich in Bran- denburg eingetreten ist, steht noch aus. Sie zu erarbeiten wird noch einige Zeit beanspruchen. Gleichwohl lassen sich schon jetzt Gründe dafür anfüh- ren, wie es zu dem Desaster kommen konnte. Die Wahlergebnisse in der ver- gangenen Dekade geben einen Finger- zeig. Sie zeigen, dass der Rückgang in der Wählergunst 2014 moderat ausge- fallen war. Erst in den letzten fünf Jah- ren scheinen sich die Probleme derart massiert zu haben, dass es zu den de- saströsen Verlusten gekommen ist.

Auf der Klausur der Landtagsfraktion Mitte September bildete die „Selbst- verständigung“ über das Geschehe- ne einen thematischen Schwerpunkt. Den „Geist der Revolte“ vermissten die Anwesenden. Die Formulierung ist eine Reminiszenz an Albert Camus. Der französische Nobelpreisträger für Literatur veröffentlichte sein Buch „Der Mensch in der Revolte“ 1951. Ausgangspunkt bei Camus ist die fun- damentale Sinnlosigkeit und Absurdi- tät der menschlichen Existenz. Dies zu überwinden gibt es einen Weg: die Revolte. Die Revolte, so Albert Camus, beginnt damit, dass es jemanden gibt, „der nein sagt“.

Das Neinsagen hat DIE LINKE verlernt. Bildvon Flore aufW Pixabay Das Image einer Protestpartei hat sie abgestreift. Sie gilt als eine etablier- „Normativ entkernt“ nennt Jürgen Ha- gen den Faschismus erscheinen, der sen einen autoritären Kurs gesteuert. te Partei, dem politischen Mainstream bermas eine solche Politik; sie be- muss sich nicht wundern, nicht als Die Partei konnte sich dabei auf die zugehörig. Auf dem langen Marsch schränke sich, so der Philosoph, „auf eine eigenständige politische Kraft Stimmung in der Bevölkerung berufen. durch die Institutionen ging der wider- das Management gelegentlicher Po- wahrgenommen zu werden. Die Fixie- Die Sachsen haben mehrheitlich den spenstige Geist verloren, den einst litikwechsel“. Politiker gebrauchen rung auf die Abwehr der AfD hat der Eindruck, der Staat sei als Ordnungs- „Gysis bunte Truppe“ verkörperte. im Falle einer bevorstehenden Regie- Partei das Wasser abgegraben und faktor abwesend. Seine Funktion, die Zwar repräsentiert die Partei noch rungsbildung Floskeln wie, dass man den Christdemokraten in die Hände öffentliche Ordnung und Sicherheit zu immer die Erfahrungen von Margina- Gespräche führe mit allen demokra- gespielt. gewährleisten, übe er nur noch man- lisierung und Elend sowie Abstiegs- tischen Parteien, nichts von vorher- gelhaft aus. Deshalb befürwortete angst, doch ihr fehlt ein überzeugen- ein ausschließe und für alles offen sei. So konnte sich der Anführer des im Sachsen-Monitor die Mehrheit ei- des gegenhegemoniales Projekt, mit Selbst die sächsische LINKE, die zu „Teams Kretschmer“ am Wahlabend ne Politik der starken Hand, die po- dem sich die Mehrheit der Bevölke- keiner Zeit auch nur den Hauch einer als strahlender Sieger präsentieren litische Führung verspricht. Für eine rung identifizieren kann. Ein Projekt, Chance hatte, auf die Regierungsbil- und das Wahlergebnis mit den Wor- straffe politische Führung könnte die das die Begeisterung der Bürgerinnen dung Einfluss nehmen zu können, er- ten kommentieren: „Das freundliche Hälfte der Sachsen sogar auf den Par- und Bürger weckt, weil es ihnen eine ging sich vor den Landtagswahlen in Sachsen hat gewonnen.“ Tatsächlich? teienpluralismus verzichten. Das ist Perspektive bietet für die Mobilisie- Spekulationen über die Tolerierung Einen besseren politischen Instinkt der Geist, aus dem sich die rechte Re- rung ihrer politischen Leidenschaf- eine Minderheitsregierung der CDU als Michael Kretschmer hatte die Mo- volte speist. Er bestimmt das politi- ten zur Stärkung der Demokratie. Oh- oder die Bildung einer Koalition mit deratorin des MDR-Fernsehens be- sche Geschehen in Sachsen. Ein wirk- ne Konsens in der Bevölkerung, ohne den Christdemokraten. Auf diese Wei- wiesen, als sie von der Möglichkeit sames Mittel dagegen ist bislang noch die Überzeugung, dass DIE LINKE ein se sollte die AfD, die zur stärksten sprach, „eine stabile Zweierkoalition“ nicht gefunden. Seite 7 10/2019 Links! Thema Die basisdemokratische Revolution zur Erneuerung der DDR Ein umfassender Rückblick von Prof. Dr. Kurt Schneider auf 1989/90 - Teil 1

Die Staatskrise der DDR, die 1989 alle als Sozialismusfeinde darzustellen.“ In Bereiche des gesellschaftlichen Lebens einer Resolution, die zahlreiche Rock- erfasst hatte, war ein Ausdruck der Kri- musiker und Liedermacher der DDR un- se der sozialistischen Staaten in Euro- terzeichnet hatten, hieß es zu diesem pa. Längst hatte sich erwiesen, dass es Vorgang: „Wir wollen in diesem Land le- nicht mehr möglich war, den Sozialis- ben, und es macht uns krank, tatenlos mus so wie bisher weiterhin zu gestal- zusehen zu müssen, wie Versuche einer ten. Eine gravierende Zäsur des Sozia- Demokratisierung, Versuche der gesell- lismus war herangereift. Zuvor wirkende schaftlichen Analyse kriminalisiert bzw. innere Triebkräfte waren ermattet oder ignoriert werden. Wir fordern jetzt und völlig versiegt, tiefgreifende Verände- hier sofort den öffentlichen Dialog mit rungen, die als eine „Fortführung der allen Kräften.“ Betont wurde: „Es geht sozialistischen Revolution“ bezeichnet nicht um ,Reformen, die den Sozialis- wurden, waren zwingend notwendig. mus abschaffen‘, sondern um Refor- Als Kern wurde die Frage der Macht be- men, die ihn weiterhin in diesem Land nannt: „Macht, ausgeübt durch das Volk möglich machen.“ Und: „Wir begrüßen als tätiges Subjekt zur Verwirklichung ausdrücklich, dass Bürger sich in basis- des Sinns des Sozialismus.“ Hervorge- demokratisch orientierten Gruppen fin- hoben wurde das unerlässliche „reali- den, um die Lösung der anstehenden

tätsbezogene Wirken des politischen Bundesarchiv,Bild 183-1989-1210-006 CC-BY-SA/ 3.0 Probleme in die Hand zunehmen, dieses Systems des Sozialismus in seiner Ge- Land braucht die millionenfache Aktivie- samtheit und aller seiner Elemente“. 10.12.89, Berlin: Das Neue Forum hatte zu einer Demonstration anläßlich rung von Individualität; die alten Struk- des Internationalen Tages für Menschenrechte aufgerufen. turen sind offenbar kaum in der Lage Gravierend waren die Auswirkungen des dazu.“ Auf Druck großer Teile der Bevöl- allseitigen Zerfalls des sowjetischen Ge- Aufbruch – sozial, ökologisch“ (DA) – Partei/Grüne Liga, Die Nelken, Deut- kerung erfolgte im Oktober zunächst ei- sellschaftssystems auf die DDR. Große die Parteigründung erfolgte am 16./17. sche Soziale Union (DSU), Unabhängi- ne Tolerierung des NF und schließlich Teile der DDR-Bevölkerung glaubten vor Dezember 1989 – bekundete: „Das poli- ger Frauenverband (UFV) u.a.m. am 8. November 1989 seine Zulassung. allem im Agieren von Gorbatschow ei- tische Ziel ist eine demokratische, sozi- Generell hatte sich gezeigt: Das Haupt- ne Wende vom autoritären Sozialismus ale und ökologische Gesellschaft in der Am bekanntesten wurde der mit brei- anliegen der basisdemokratischen De- hin zu einem demokratischen Sozialis- Fortführung der sozialistischen Traditi- ter Zustimmung aufgenommene Grün- mokratiebewegung war nicht, den So- mus zu sehen und vertrauten seinen Be- on.“ Und Friedrich Schorlemmer erklär- dungsaufruf „Aufbruch 89 – NEUES FO- zialismus in Frage zu stellen, sondern teuerungen. Nicht zuletzt deshalb hatte te, dass der DA als Teil der Opposition RUM“ vom 10. September 1989, der, Sozialismus und Demokratie in Überein- das Festhalten der Führung der DDR an in der DDR „für eine sozialistische Ge- nach sachlicher Benennung grundle- stimmung zu bringen und dafür insbe- überholten Strategien und Strukturen sellschaftsordnung auf demokratischer gender gesellschaftlicher Defizite in der sondere Veränderungen des politischen sowie an gesellschaftlichen Verkrustun- Basis“ eintritt, dass es dem DA darum DDR, zu einem gemeinsamen demo- Systems herbeizuführen sowie gesell- gen zu einer umfassenden gravierenden geht, „einen demokratischen Sozialis- kratischen Dialog im ganzen Land auf- schaftliche Reformen einzuleiten. Ent- Unzufriedenheit breitester Teile der Be- mus zu errichten“. rief. „Wir bilden deshalb gemeinsam ei- gegen diesem unüberhörbaren Willen völkerung geführt. Während die SED – ne politische Plattform für die gesamte war die Partei- und Staatsführung der deren Führung über Monate hinweg zu Anfang September 1989 veröffentlich- DDR“, hieß es, „die es Menschen aus DDR nicht gewillt, das politische System der sich zuspitzenden innenpolitischen ten Vertreter verschiedener sozialisti- allen Berufen, Lebenskreisen, Partei- offiziell für eine sozialistische Oppositi- Lage beharrlich schwieg – absolut scher Auffassungen, darunter Marxis- en und Gruppen möglich macht, sich an on zu öffnen. Damit hatte die Kritik der nicht in der Lage war, eine grundlegen- ten und Christen, die sich nach dem der Diskussion und Bearbeitung lebens- Menschen auf der Straße an den poli- de Wende in der Gesellschaftspolitik Chemiestandort südlich von Leipzig als wichtiger Gesellschaftsprobleme in die- tischen Verhältnissen ihres Landes im einzuleiten, traten in dem kurzzeitigen „Böhlener Plattform“ benannten, ei- sem Land zu beteiligen." Seine Tätigkeit existierenden politischen System keine Machtvakuum basisdemokratische Or- nen Appell „Für eine vereinigte Linke“, sollte entsprechend der Anerkennung Interessenvertretung gefunden. Durch ganisationen bzw. Zusammenschlüsse, der eine „grundlegende Gesellschafts- der Verfassung der DDR auf gesetzliche den enormen Macht- und Autoritätsver- oftmals bisher unter dem Dach der Kir- reform im Sinne eines freiheitlichen Grundlage gestellt werden, wozu die An- lust nicht nur der SED, sondern auch chen wirkende Friedens- und Umwelt- Sozialismus“ unter Beibehaltung „des meldung der Gründung bei den zustän- von Regierung und Parlament, war ein gruppen, hervor, die schnell an Zulauf gesellschaftlichen Eigentums an Pro- digen Organen auf den Weg gebracht Vakuum entstanden, dass durch die Zu- gewannen. Das Empfinden und die Be- duktionsmitteln“ einforderte. Etwa wurde. An alle Bürgerinnen und Bürger lassung des NF zwar entschärft, aber reitschaft insbesondere junger Men- gleichzeitig erfolgte der „Aufruf der Initi- erging der Aufruf, Mitglied des basisde- nicht überwunden worden war. schen, jetzt etwas für die Demokratisie- ativgruppe ,Sozialdemokratische Partei‘ mokratisch arbeitenden NF zu werden. rung des Landes tun zu müssen, waren in der DDR“ (SPD), – die Gründung er- Verfasser und Unterzeichner stimm- Die in dieser Situation agierenden Or- groß. Mit dem Ruf „Wir bleiben hier!“ folgte am 7. Oktober 1989 – in dem es ten darin überein, dass die notwendige ganisationen waren nicht homogen, es traten sie dem Verlassen der DDR ent- hieß: „Wir brauchen eine offene geistige Wende nicht mehr aus den Reihen der dominierte vielmehr eine bestimmte gegen und forderten dazu auf, sich in Auseinandersetzung über den Zustand SED zu erwarten war. Der Antrag des Grundrichtung, bei Vorhandensein ei- die Belange ihres Staates einzumischen. unseres Landes und seines künftigen NF auf Registrierung als Vereinigung ner zum Teil beträchtlichen inneren Dif- Weges“, ergänzt durch die Bekundung: (19.09.1989) wurde vom Innenminister ferenzierung. Das traf auch zu auf das Dem entsprach die Bürgerbewegung „Wir suchen ein Bündnis mit allen, die abgelehnt, mit der Begründung, dass es NF, die umfassendste nunmehr legale „Demokratie Jetzt – sozial, ökologisch“ an einer grundlegenden Demokrati- sich bei dem NF um eine „verfassungs- Bürgerorganisation der DDR, die in kur- (DJ), die am 12. September 1989 mit ih- sierung unseres Landes mitarbeiten widrige und staatsfeindliche Plattform“ zer Zeit vor allem mittels der Montags- rem „Aufruf zur Einmischung in eigener wollen.“ Am 4. Oktober 1989 gaben handele. Ergänzend teilte das Ministeri- demonstrationen etwa zwei Millionen Sache“ an die Öffentlichkeit trat, der verschiedene Gruppen der Bürgerbe- um mit, dass für eine derartige Vereini- Menschen mobilisierte und insbeson- sich von der Notwendigkeit der Bildung wegung eine „Gemeinsame Erklärung“ gung „keine gesellschaftliche Notwen- dere in den südlichen Bezirken netzartig einer „oppositionellen Sammelbewe- heraus, welche die sich entwickelnde digkeit“ bestehe. Dagegen wandte sich agierte. In diesem Sinne war das NF bis gung zur demokratischen Erneuerung Vielfalt der Bürgerbewegung begrüßte mit heftigen Worten das NF, unterstützt etwa Ende Dezember 1989 die wichtigs- der DDR“ leiten ließ. Sie trat dafür ein, und bekundete: „Uns verbindet der Wil- vom Rechtsanwalt Dr. Gregor Gysi. Die te und wirksamste basisdemokratische dass der Sozialismus „seine eigentliche, le, Staat und Gesellschaft demokratisch Tätigkeiten der Mitglieder und Unter- Organisation im Prozess der sich voll- demokratische Gestalt findet“, damit er umzugestalten.“ Alle Bürger der DDR stützer des NF seien „weit davon ent- ziehenden revolutionär-demokratischen „geschichtlich nicht verloren“ geht, wo- wurden dazu aufgerufen, „an der demo- fernt, eine staatsfeindliche Handlung Veränderungen in der DDR, die diesen für „Reformkonzepte von unten“ wirken kratischen Erneuerung mitzuwirken“. zu sein – sie sind ein Akt staatsbürger- Prozess prägende politische Triebkraft. sollten. Der am 30. Oktober 1989 als Weitere Zusammenschlüsse, die im licher Verantwortung. Wir protestieren Partei konstituierte „Demokratischer Herbst 1989 entstanden, waren: Grüne gegen die Versuche der Regierung, uns (Fortsetzung nächste Seite.) Links! 10/2019 Seite 8 Thema Die basisdemokratische Revolution zur Erneuerung der DDR Ein umfassender Rückblick von Prof. Dr. Kurt Schneider auf 1989/90 - Teil 2

Das Neue Forum, in nicht wenigen his- Alle sogenannten oppositionellen Grup- torischen Rückbetrachtungen absolut pen, die nun wie Pilze aus dem Boden ungenügend beachtet, vielfach sogar schießen, betonen nahezu übereinstim- bewusst ausgeblendet, definierte sich mend, dass auch sie auf dem Boden des in seiner Programmerklärung vom 28. Sozialismus stehen.“ Januar 1990 als „eine politische Platt- form für alle Bürgerinnen und Bürger, Am 6. November 1989 demonstrierten die unabhängig von Parteien eine kon- in Leipzig nach inoffiziellen Angaben sequente und basisorientierte Demo- 500.000 Bürger. Nicht zuletzt trug die kratisierung anstreben“. Es verstand Berliner Großkundgebung und die sich sich als landesweite Bürgerbewegung, anschließende Demonstration in Leip- die, in örtlichen und betrieblichen Ba- zig entscheidend dazu bei, dass am 7. sisgruppen und Arbeitsgruppen orga- November 1989 Willi Stoph mit seiner nisiert, offen für Bürgerinnen und Bür- Regierung unter dem massiven Druck ger verschiedener weltanschaulicher der Forderungen nach grundlegenden und parteilicher Orientierung ist. „Das Veränderungen im Lande zurücktreten NEUE FORUM ist, zu einer breiten basis- musste. Bevor jedoch eine neue Regie- demokratischen Bewegung geworden rung der DDR gebildet werden konnte, und bleibt Anwalt der Basisdemokra- erfolgte am 9. November 1989 die Berli- tie.“ Seine Stellung im sich gravierend ner Maueröffnung. Mit ihr und der nach-

verändernden politischen System der Bundesarchiv,Bild 183-1989-1104-437 Settnik,/ Bernd CC-BY-SA/ 3.0 folgenden Grenzöffnung zur BRD erfuhr DDR unterschied sich von der der Par- die DDR schlagartig eine grundlegende teien dadurch, kein Durchgangsstadium Großkundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz am 4. November 1989. Veränderung ihrer innenpolitischen La- zu einer Parteigründung zu sein, son- ge. Dem politischen Gegner der DDR dern sich als eine von Parteien unab- Am 18. Oktober 1989 wurde Honecker In welchem Maße die Demokratiebe- waren nunmehr Tür und Tor geöffnet. hängige basisdemokratische Bewegung gestürzt und Egon Krenz neuer General- wegung in der DDR fortgeschritten war, zu verstehen. „Parteipolitik verkürzt sekretär, ohne dass in der Folgezeit die das hatte die vom Fernsehen der DDR In dieser hochexplosiven Situation – al- unsere Interessen auf Wahlkampfpa- neue Führung der SED – am 8. Novem- live übertragene Großkundgebung in lein in Leipzig demonstrierten, vom NF rolen und verschiebt ihre Umsetzung ber 1989 war das Politbüro geschlos- Berlin am 4. November 1989 gezeigt, organisiert, erneut rund 300.000 für auf Wahltermine. Sie teilt die Bürgerin- sen zurückgetreten und eine Neuwahl an der nahezu eine Million Menschen freie Wahlen und gegen einen Ausver- nen und Bürger in Wahlblöcke. Es gibt erfolgt – Vertrauen und Glaubwürdigkeit teilnahmen, die einhellig eine demokra- kauf des Landes – kam es am 13. No- jedoch zahlreiche Probleme, in denen der Bürgerbewegung erlangen konn- tisch erneuerte, souveräne DDR und die vember zur Wahl von Hans Modrow zum das Meinungsspektrum quer durch die te. Nicht nur, aber vor allem auf inner- damit verbundene Überwindung des Ministerpräsidenten. Die Regierungser- Parteien geht.“ Aus all diesen Überle- parteilichen Druck – ein tiefgreifender Stalinismus und des Machtmonopols klärung vom 17. November ging noch gungen heraus leitete das NF seinen Klärungs- und Differenzierungsprozess der SED forderte. Der Sozialismus soll- von der weiteren Existenz der DDR und Anspruch auf das Mandat ab, sich als hatte die Partei erfasst – traten nun- te den Freiheits- und Demokratierech- damit von einer klaren Absage an die Bürgerbewegung mit eigenen Kandida- mehr am 3. Dezember 1989 alle SED- ten des Volkes entsprechen. Gregor Gy- Wiedervereinigung aus. Sie enthielt den tinnen und Kandidaten an den Kommu- Führungsgremien, also Generalsekretär si sprach davon, dass es darum gehe, Vorschlag zur Bildung einer Vertragsge- nal- und Volkskammerwahlen zu betei- Krenz, das Politbüro und das Zentral- einen Prozess zu bewältigen, in dem meinschaft beider deutscher Staaten, ligen, „weil die umfassende Krise der komitee, geschlossen zurück und ein „die Begriffe DDR, Sozialismus, Huma- die weit über den Grundlagenvertrag DDR auch unsere umfassende Einfluss- zeitweiliger Arbeitsausschuss über- nismus, Demokratie und Rechtsstaat- und die abgeschlossenen Verträge und nahme auf allen Ebenen des Staates er- nahm die Vorbereitung des überfälli- lichkeit zu einer untrennbaren Einheit Abkommen hinausreichen sollte. Es war fordert“. Zu vermerken ist, dass die Pro- gen Sonderparteitages, der am 8./9. verschmelzen“. Friedrich Schorlemmer ein Konzept, das die Zustimmung der grammerklärung des NF konzeptionell und 16./17. Dezember 1989 in Berlin trat für eine „Koalition der Vernunft, basisdemokratischen Bürgerbewegung nicht von einem Ende der DDR ausging, stattfand. Im Ergebnis einer turbulen- die quer durch die bisherigen Parteien erfuhr. Das traf auch auf den von Stefan sondern von einem „Neubeginn unse- ten basisdemokratischen innerpartei- und quer durch die neuen Bewegungen Heym und Christa Wolf verfassten Auf- res Landes“. Diese DDR sollte eine „so- lichen Entwicklung entstand die SED/ geht“ ein. „Damit aber niemand wie- ruf „Für unser Land“ vom 26. Novem- lidarische Gesellschaft (sein), die von PDS (später PDS), die konsequent mit der Irrtümer unangefochten als Wahr- ber zu. In kürzester Zeit unterschrieben Selbstbestimmung und Toleranz ihrer dem Stalinismus als System brach und heit ausgeben kann, dazu brauchen wir ihn hunderttausende Menschen, unter- Bürgerinnen und Bürger lebt, die soziale sich zum Demokratischen Sozialismus die volle Demokratie, die keinen festge- stützt von einer Menschenkette durch Gerechtigkeit und Pluralismus gewähr- bekannte. Die entscheidenden inner- schriebenen Wahrheits- oder Führungs- die DDR. Das Informationsblatt des NF leistet.“ parteilichen Triebkräfte waren jene Mit- anspruch einer Gruppe verträgt.“ Und Leipzig, Nummer 7 vom 28. Novem- glieder, die schon länger eine konstruk- Christa Wolf sagte, es gehe nicht um ei- ber 1989, erschien mit der Überschrift Innerhalb von weniger Wochen zerfiel tive oppositionelle Haltung gegenüber ne „Wende“, sondern um eine grundle- „DDR soll DDR bleiben“. Mit der Erklä- das Fünfparteiensystem der DDR und ihrer Parteiführung eingenommen hat- gende „revolutionäre Erneuerung“, die rung „Auch wir treten für eine sozialisti- damit der „Demokratische Block der ten und für grundlegende strategische sich gegenwärtig vollziehe. „Revoluti- sche Alternative zur BRD ein“, solidari- Parteien und Massenorganisationen“, Veränderungen sowie personelle Kon- onen gehen von unten aus. Unten und sierte sich die Redaktion mit dem Aufruf aus dem am 4. Dezember die CDU und sequenzen eingetreten waren. Diese oben wechseln ihre Plätze in dem Wer- „Für unser Land“. LDPD, am 5. Dezember die DBD und am nicht organisatorisch verbundenen Par- tesystem. Und dieser Wechsel stellt die 7. Dezember 1989 die NDPD austra- teimitglieder waren Kräfte, die in ihren sozialistische Gesellschaft vom Kopf auf Am 1. Dezember 1989 strich die Volks- ten. Der prägnanteste Ausdruck dafür Parteiorganisationen und außerhalb der die Füße.“ kammer auf Antrag aller zehn Frakti- war jedoch der Zerfall der SED selbst, in SED wirkten. Das geschah in der Regel onen und ohne Gegenstimme die im der rund 2,3 Millionen Mitglieder orga- nicht konträr zur Bürgerbewegung, son- Aus der Flut der Pressestimmen zur Artikel 1 der Verfassung der DDR aus- nisiert waren und von denen von Herbst dern vielmehr in Verbindung mit ihr. Ein Berliner Kundgebung vom 4. November gewiesene führende Rolle der SED. Es 1989 bis Ende Januar 1990 nahezu zwei Beispiel hierfür war, dass drei Sekretä- 1989, die der bisher umfassendste Aus- schien, als hätte die breit gefächerte Millionen ihre Mitgliedschaft beende- re der SED-Bezirksleitung Leipzig zu den druck der basisdemokratischen Volks- basisdemokratische Bürgerbewegung ten. Nicht wenige von ihnen engagierten „Leipziger Sechs“ gehörten, die sich am bewegung für die allseitige Erneuerung im Prozess der revolutionären Erneue- sich in der Bürgerbewegung zur demo- 9. Oktober 1989 in hochkritischer Situ- des Landes war, sei die FRANKFURTER rung der DDR Erfolge errungen, die nun- kratischen Erneuerung der DDR, insbe- ation an die Seite der Bürgerbewegung ALLGEMEINE genannt. Sie schrieb im mehr als nächste notwendige Stufe den sondere im NF. Ähnliche Entwicklungen gestellt und zur Gewaltlosigkeit und zum Rahmen ihrer Berichterstattung: „Auch Übergang zu den anstehenden inhaltli- vollzogen sich in den ehemaligen vier Dialog aufgerufen hatten – eine Hand- wenn Norbert Blüm ihn für tot erklärt chen Reformen ermöglichten. Doch die Bündnisparteien der SED, wenn auch in lung, die vom NF in Leipzig mit Respekt hat: Karl Marx scheint immer noch zu Ernüchterung ließ nicht lange auf sich unterschiedlichem Maße. behandelt wurde. leben und mit ihm der Sozialismus ... warten. Seite 9 Geschichte 10/2019 Links!

Wir und die Russen Lyrisches

Anmerkungen von Dr. Rainer Holze zum neuen Buch von Egon Krenz Ewa

Es ist schon bemerkenswert, welche fallen quittiert worden. Krenz beklagt, Ein Zauberwind Beachtung der jüngste Band von Egon Gorbatschow habe an die Stelle der Trägt dich durch Zeit und Raum Krenz selbst im Mainstream gefun- Marxschen Dialektik sein neues Den- Ein Traum den hat. Das Hamburger Nachrichten- ken gesetzt, obwohl die NATO zu kei- Ein Glück magazin, der Berliner „Tagesspiegel“ nem Zeitpunkt bereit war, in den Kate- Ein Leben und selbst die „Frankfurter Allgemei- gorien der Entspannung neu zu denken. ne Sonntagszeitung“ überraschten mit Diffuse „allgemeinmenschliche Werte“ Kahlschlag ganzseitigen Interviews. Mit dem ambi- hätten bei ihm einen höheren Stellen- valenten Verhältanis zwischen der DDR wert besessen als die Werte und Ideale Novemberwind beraubt und der UdSSR greift der Autor allemal des Sozialismus. Dadurch sei der Auf- Hohen Stolz der Bäume ein Thema auf, das naturgemäß auf ein bruch zur Erneuerung des Sozialismus, großes Interesse stößt. Er ist bekannt- dessentwegen auch viele in der DDR Irrtum lich einer der letzten Zeitzeugen aus Gorbatschow geschätzt und als Hoff- der obersten Führungsriege der DDR nungsträger bewundert hatten, versan- Ich sehe Frühling und der SED. Mitte Oktober 1989 wur- det. Krenz charakterisiert Gorbatschow Spüre Herbst de er letzter Generalsekretär des ZK als eine „in sich gespaltene Persönlich- Gestrandet am Ufer der Zeit der SED, gleichzeitig Vorsitzender des keit“, was der Westen eiskalt ausge- Staatsrates und des Nationalen Vertei- nutzt habe. Und was seine Beziehung • Janina Niemann-Rich digungsrates der DDR; aber bereits An- zu Erich Honecker anbelangt, räumt fang Dezember des gleichen Jahres trat Krenz ein: Er habe sich mit dessen Po- 3. Oktober er von all diesen Funktionen zurück. litikauffassung – dies betraf nicht jene Momente, die sich positiv auf die Ent- Der Kanzler der Zweiheit Ein Vorzug des vorliegenden Buches wicklung DDR und ihres Verhältnisses Vereinnahmte die DDR liegt meines Erachtens darin, dass zur übrigen Welt ausgewirkt haben –, Westdeutsche blicken oft auf der Autor seine oft auch kritische und viel zu spät und zu inkonsequent ausei- Ostdeutsche herab selbstkritische Sicht der Dinge mit bis- die Nachkriegsentwicklung zugewie- nandergesetzt. Die Partei- und Staats- Herabsehen: lang weitgehend unbekannten Quellen sen worden.“ Hinzu komme, dass die führung der DDR habe überholte Dog- Wiedervereinigt nur in belegt. Er schöpft aus exklusiven Einbli- Herrschenden in der BRD die DDR vom men verteidigt, das Vertrauen großer Zementierten Phrasen cken und Erlebnissen und vermag viel ersten Tag ihrer Existenz an zu besei- Teile der DDR-Bevölkerung verloren. Durch Vereinnahmung bröckelt Neues darzubieten. Nachdem er sich tigen trachteten. Ungeachtet ihrer ei- Anhand von Dokumenten versucht Vermauerung nicht seit vielen Jahren mit den inneren Ursa- genen Sünden habe für die DDR keine Krenz zu belegen, wie wichtig es für chen des Niedergangs der DDR befasst Chance mehr bestanden, als die Sow- ihn im Herbst 1989 war, dass keine Ge- Neupreußisch hatte, wolle er nun versuchen, „das jetunion auf dem Sterbebett lag. Krenz walt gegen das eigene Volk eingesetzt Dreiecksverhältnis zwischen UdSSR, schildert anhand einer Reihe wichti- wurde und dass die in der DDR statio- Unter Wilhelm II. DDR und BRD in der zweiten Hälfte ger Begegnungen und Treffen der Par- nierten 500.000 sowjetischen Militär- Blindgänger auf dem Thron des 20. Jahrhunderts zu beleuchten“. tei- und Staatsführungen der DDR und angehörigen in den Kasernen blieben. War der Offizier etwas Besonderes: Wenn er beklagt, dass eine umfassen- der UdSSR: Solange sich die DDR an Zu seiner Darstellung der Geschehnis- Fürst in Uniform de marxistische Analyse der Ursachen die Regeln hielt, sei ihr Verhältnis zur se am 9. Oktober 1989 in Leipzig sei er- Bei Kramp-Karrenbauer der weltpolitischen Vorgänge von 1989 UdSSR in Ordnung gewesen. „Durch- gänzend auf die Berichte so maßgeb- Schwarz wie Schießpulver bis 1991 nach 30 Jahren auch deshalb brachen wir aus Moskauer Sicht die Ge- licher Zeitzeugen wie der „Leipziger Ist der einfache Soldat etwas noch ausstehe, „weil manch linke Partei meinsamkeit, dann gab es Schwierig- Sechs“ verwiesen. Besonderes: sich der pauschalen Verurteilung des keiten bis hin zur Aufgabe der DDR.“ So Bahnfahrt umsonst realexistierenden Sozialismus durch etwa 1953, als Politbüromitglied Berija, Der Autor resümiert: Ein gutes Verhält- dessen damalige und heutige Gegner der zweite Mann hinter Ministerpräsi- nis zu den Russen ist eine Schicksals- Hauptgründe für Klimaschutz kritiklos“ anschließe, werden ihm nicht dent Malenkow, die DDR für zehn Milli- frage für die Deutschen. Die Mehrheit wenige zustimmen. Es sei höchste Zeit, arden Dollar verscherbeln wollte. der DDR-Bürger sei im Herbst 1989 Nicht länger Parteien wählen die DDR und ihre Geschichte in den nicht dafür auf die Straße gegangen, Mit luftverschmutzendem Profit- Kontext der Geschichte des 20. Jahr- Aufschlussreich ist, was Krenz über dass deutsche Truppen an Russlands hoch-zwei hunderts zu stellen: „An der Wiege der die Konflikte zwischen Honecker und Grenzen stehen. Die Lehren aus den Kanzleramt Außenministerium DDR stand die Sowjetunion. Ohne ihre Gorbatschow schreibt. Honecker ha- historischen Erfahrungen zwischen müssen Hilfe hätte es die DDR nie gegeben, wä- be trotz der Zuspitzung der Gegensät- Russen und Deutschen zu ziehen, erfor- Bei Reisen um die Welt re sie weder ökonomisch noch politisch ze den Ausgleich mit der Bundesre- dert eine Politik der Freundschaft und umweltbewusst lebensfähig gewesen. […] Unser klei- publik gesucht, was Gorbatschow mit Zusammenarbeit zwischen beiden Völ- Menschenrecht auf Klimaschutz zur nes Land im Zentrum Europas – im Ver- Misstrauen betrachtete. Moskau ha- kern, nicht der „Sanktionen“. Sprache bringen hältnis zur Bundesrepublik von Anfang be dieser Politik dann auch manche Vergrößerung der Entwicklungshilfe an auch immer das ärmere – stand in Hindernisse in den Weg gelegt. Auch Egon Krenz: Wir und die Russen. Die Be- Durch Verkleinerung der einem weltpolitischen Spannungsfeld. Honeckers Bemühungen um eine Ver- ziehungen zwischen Berlin und Moskau Militärausgaben: Diesen Platz hat sich die DDR nicht besserung der Beziehungen zur Volks- im Herbst ´89, 1. Auflage, Eulenspiegel Keinen Platz an der Großmacht- freiwillig ausgesucht. Er war ihr durch republik China seien im Kreml mit Miss- Verlagsgruppe Buchverlage, Berlin 2019. Sonne Herbeibomben! Vor 75 Jahren im KZ gestorben: Albert Kayser • Jürgen Riedel Am 28. November 1898 in Stettin ge- trat der im April 1917 gegründeten schen Machthabern verhaftet und in Tode verurteilt. Aufgrund einer brei- boren und in Berlin aufgewachsen, USPD bei und wurde 1921 Mitglied das KZ Sonnenburg eingeliefert, wo er ten internationalen Protestbewegung hinderte ihn die materielle Not der Fa- der KPD. Gleichzeitig gehörte er der sich bis Dezember 1933 in „Schutz- wurde dieses Urteil in eine lebenslan- Gewerkschaft an und wurde Mitglied haft“ befand. Nach seiner Entlassung ge Zuchthausstrafe umgewandelt. Zu- des Betriebsrates in den Berliner Sie- beauftragte ihn die illegale KPD-Füh- nächst in Berlin-Plötzensee inhaftiert, menswerken. Im November 1932 war rung, als Instrukteur die Parteiorgani- wurde er in das Zuchthaus Branden- er einer der Organisatoren des macht- sationen in den Bezirken , Halle, burg-Görden überführt. Ende 1943 er- vollen BVG-Streiks. Zuvor war er im Ju- Hannover und anzuleiten. folgt seine Einlieferung in das KZ Bu- li 1932 in den Reichstag gewählt wor- chenwald, wo er am 18. Oktober 1944 milie, einen Beruf zu erlernen. Früh- den. Ende Januar 1935 wurde Albert Kayser dem im Lager herrschenden Fleckty- zeitig fand er den Weg zur Arbeiterbe- von der erneut festgenom- phus erlag. wegung, um für soziale und politische Am 28. Februar 1933 wurde Albert men und am 2. August 1935 vom 1. Rechte der Arbeiter zu kämpfen. Er Kayser von den nunmehr faschisti- Senat des „Volksgerichtshofes“ zum • Prof. Dr. Kurt Schneider Links! 10/2019 Seite 10 Terminübersicht

Leipzig, 16.09.-18.10., zu Büroöff- anstaltung der Landesarbeitsgemein- Volkshaus, Karl-Liebknecht-Straße 30- Glauchau, 2. November, 18 Uhr nungszeiten und nach Vereinbarung schaft Auseinandersetzung mit dem 32, Leipzig n Festival n Ausstellung NS (sLAG) und des Treibhaus Döbeln Im Winter (d)ein Herz – Fest* Kein Land in Sicht für Seenotret- e.V. mit der RLS Sachsen. Anmeldung: Chemnitz, 24. Oktober, 19 Uhr Mit John Berger. Ein kleines Indoor-Fes- tung*** Eine Ausstellung des neuen [email protected] n Buchvorstellung und Gespräch tival, das für Provinz-untypische Musik deutschland, veranstaltet vom Abge- Café Courage, Bahnhofstr. 56, Döbeln Like a Rolling Stone: Dylan, Co- und Verkopftes/Experimentelles ange- ordnetenbüro INTERIM und der RLS cker, Springsteen – Weststars in legt ist und die Symbiose aus Lyrik und Sachsen. Chemnitz, 11. Oktober, 19 Uhr der DDR*** Mit Harald Hauswald (Fo- Musik schaffen soll. Eine Veranstaltung Geschäftsstelle der RLS Sachsen und n Buchvorstellung tograf) und Christoph Dieckmann (Jour- des Café Taktlos Glauchau mit Unter- Abgeordnetenbüro INTERIM, Demme- 30 Jahre Antifa in Ostdeutsch- nalist). Eine Veranstaltung der Stadtbi- stützung der RLS Sachsen. ringstraße 32, Leipzig land – Perspektiven auf eine eigen- bliothek mit der RLS Sachsen. Café Taktlos, Heinrich-Heine-Str. 2, ständige Bewegung*** Mit Christin Jä- Veranstaltungssaal, dasTietz, Moritz- Glauchau Crimmitschau, 30.09-28.10, Do./Fr. nicke (Autorin). straße 20, Chemnitz 10-17 Uhr, Sa./So./Fei. 14-17 Uhr Lesecafé Odradek, Leipziger Str. 3, Chemnitz, 4. November, 21 Uhr n Wanderausstellung Chemnitz Chemnitz, 26. Oktober, 15 Uhr n Film und Gespräch Schicksal Treuhand – Treuhand- n Buchvorstellung und Gespräch Coming out*** R E I H E : L ///O S T/// Schicksale. Eine Ausstellung der Ro- Dresden, 15. Oktober, 18 Uhr CHAOZE ONE: Spielverderber – TRACES – Verlorene Spuren - Filme der sa-Luxemburg-Stiftung, kuratiert durch n Vortrag und Diskussion Mein Leben zwischen RAP und DEFA 1980-1990. Eine Veranstaltung Rohnstock-Biografien*. Welches Deutschland soll es sein ANTIFA*** Mit Chaoze One (Rapper). der RLS Sachsen in Kooperation mit Sächsisches Industriemuseum I Tuch- – nach Faschismus und Krieg?* Eine Veranstaltung der RLS Sachsen dem AJZ Chemnitz. fabrik Gebr. Pfau, Leipziger Straße 125, REIHE: Junge Rosa. Mit Stefan Bollinger und der VHS Chemnitz. Mediencafé m54, AJZ Chemnitz, Chem- Crimmitschau (Historiker und Politologe). Bühne im Erdgeschoß, dasTietz, Moritz- nitztalstraße 54, Chemnitz WIR-AG, Martin-Luther-Str. 21, Dresden straße 20, Chemnitz Chemnitz, 4.-6. Oktober, ganztägig Chemnitz, 6. November, 19 Uhr n Kongress Leipzig, 17. Oktober, 19 Uhr Leipzig, 29. Oktober, 18 Uhr n Vortrag und Diskussion 4. Jugendkongress „Never give n Vortrag und Diskussion n Vortrag und Diskussion Studentisches Seminar zur Wert- up“*** Eine Veranstaltung von WASTE- Widerstand gegen einen türki- „Handeln! Handeln! Das ist es, theorie von Karl Marx*** Mit Dr. LAND - Vernetzung antifaschistischer schen Staudamm-Bau*** Mit Ercan wozu wir da sind!“ Fichtes Ge- Fabian Richter (TU Chemnitz). Eine Ver- und antirassistischer Gruppen Ost, der Ayboga (Bauingenieur). Eine Kooperati- schichtsphilosophische Positionen anstaltung der RLS Sachsen und des RLS Sachsen und des Conne Island. on von AG Kurdistan und RLS Sachsen. im Kontext der ‘Entdeckung’ der Zu- Referats AntiDis des Stura der TUC. AJZ Chemnitz e.V., Chemnitztalstr. 54, Universität Leipzig, Uni-Campus, Augus- kunft*** REIHE: Philosophische Diens- Klub der Kulturen, Thüringer Weg 3, Chemnitz tusplatz 10, Hörsaal 12, Leipzig tagsgesellschaft. Mit Dr. Jürgen Stahl Chemnitz (Philosoph), Moderation: Dr. Monika Leipzig, 8. Oktober, 19 Uhr Leipzig, 18.-19. Oktober, Freitag ab Runge. Dresden, 17. November, 15 Uhr n Podiumsgespräch 18 Uhr, Sonnabend ab 10 Uhr RLS Sachsen, Demmeringstr. 32, Leipzig n Lesung und Workshop Seenotrettung – was kommt da- n Tagung „Lernen im Umbruch – Umbruch nach? Über Verteilmechanismen der Transformation2SocialGreen*** Görlitz, 29. Oktober, 17:30 Uhr lernen“*Herbst 89 – Zeit utopischen EU*** Im Rahmen der Ausstellung Herausforderungen, Pfade und Gestal- n Vortrag und Diskussion Wetterleuchtens und permanenter „Kein Land in Sicht für die Seenotret- tung sozialökologischer Transforma- Antifa – Geschichte einer linksra- Wegbrüche. Eine Veranstaltung der tung“. Mit Clara Anne Bünger (Equal tionen. Eine Veranstaltung der Abge- dikalen Bewegung*** Evangelischen Hochschule Dresden, Rights Beyond Borders), Aktivist*innen ordnetenbüros linXXnet und INTERIM Mit Bernd Langer (Autor). des riesa efau und der RLS Sachsen. der Seenotrettung (angefragt); Modera- mit der RLS Sachsen. Die Teilnahme ist Bürger*innenbüro Mirko Schultze, Motorenhalle, Wachsbleichstraße 4, tion: Sebastian Baehr (neues deutsch- kostenfrei. Eine Spende für die Verpfle- Schulstraße 8, Görlitz 01067 Dresden land). gung ist willkommen. Um Anmeldung Abgeordnetenbüro INTERIM, Demme- an [email protected] wird Dresden, 30. Oktober, 19 Uhr *** Gemeinsam mit Rosa-Luxemburg- ringstraße 32, Leipzig gebeten. Details unter www.sachsen. n Diskussion Stiftung. Gesellschaftsanalyse und Poli- rosalux.de. Herbst 89. Ein deutscher Früh- tische Bildung e.V. Dresden, 9. Oktober, 19 Uhr Abgeordnetenbüro linXXnet, Brandstra- ling?* Mit Dieter Segert (Politikwis- n Film und Diskussion ße 15, Leipzig; Abgeordnetenbüro INTE- senschaftler) und Friedemann Affol- * Diese Maßnahme wird mitfinanziert „Der marktgerechte Patient“* RIM und RLS Sachsen, Demmeringstra- derbach (Hochschullehrer für Soziale durch Steuermittel auf der Grundla- Ein „FILM VON UNTEN“ von Leslie Fran- ße 32, Leipzig (Der genaue Ort für die Arbeit). ge des vom Sächsischen Landtag be- ke und Herdolor Lorenz. Mit Susanne Veranstaltungen wird noch bekannt ge- WIR-AG, Martin-Luther-Str. 21, Dresden schlossenen Haushaltes. Schaper (gesundheitspolitische Spre- geben: www.rosalux-sachsen.de) cherin DIE LINKE im Landtag). WIR-AG, Martin-Luther-Str. 21, Dresden Leipzig, 19. Oktober, 15 Uhr n Lesung mit Gespräch Impressum Kontakt: Chemnitz, 9. Oktober, 18:30 Uhr Kolja Mensing: „Fels“*** REIHE: ra- [email protected] n Lesung und Gespräch dical bookfair. Mit Kolja Mensing (Au- Links! Telefon 0351-8532725 Fidel Castro*** Mit Volker Herms- tor). Eine Veranstaltung der radical Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Fax 0351-8532720 dorf (Autor). Eine Veranstaltung der bookfair und der RLS Sachsen. Welt Redaktionsschluss: 27.03.2019 RLS und der Thalia-Buchhandlung Ro- Selbstorganisierte Bibliothek Index, Herausgeber: Die nächste Ausgabe erscheint voraussicht- ter Turm Chemnitz. Breite Straße/Wurzner Straße, Leipzig Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter lich am 06.11.2019. Thalia-Buchhandlung Roter Turm, Porsch, Dr. Achim Grunke Neumarkt 2, Chemnitz Chemnitz, 20. Oktober, 19 Uhr Verleger: Die Zeitung „Links!“ kann kostenfrei abonniert n Filmvorführung und Diskussion Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V., werden. Wir freuen uns jedoch über eine Döbeln, 10. Oktober, 19 Uhr Generation Freiheit*** REIHE: PO- Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Spende, mit der Sie das Erscheinen unserer Zei- n Szenische Lesung CHEN-Symposium. Mit Rafael Löffler Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung tung unterstützen. Kostendeckend für ein Jahres- Wörterbuch des besorgten Bür- (Regisseur) und Anne Ramstorf (Pod- der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich abo ist eine Spende in Höhe von 12 Euro. gers*** Mit Robert Feustel (Politikwis- cast Ostwärts). Eine Veranstaltung des das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Ter- Sollten Sie an uns spenden wollen, verwenden Sie senschaftler), Nancy Grochol (Lekto- Spinnerei e.V. und der RLS Sachsen. mine der Redaktionssitzungen bitte erfragen. bitte folgende Konto­daten: rin). Eine Veranstaltung des Treibhaus Kino, Weltecho, Annaberger Str. 24, Die Papierausgabe wird in der LR Medienver- Verein Linke Bildung und Döbeln e.V. und der RLS Sachsen. Chemnitz lag und Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auf­ Kultur für Sachsen e.V. Treibhaus, Bahnhofstraße 56, Döbeln lage von 10.950 Exemplaren gedruckt. IBAN: DE83 8509 0000 3491 1010 07 Leipzig, 22. Oktober, 19 Uhr Der Redaktion gehören an: BIC: GENODEF1DRS Döbeln, 11. Oktober, 11-16 Uhr n Vortrag und Diskussion Kevin Reißig (V.i.S.d.P.), Jayne-Ann Igel, Dresdner Volksbank Raiffeisenbank n Workshop Wie kam das Soziale in die Markt- Thomas Dudzak, Ralf Richter Aboservice: Woher kommt die Kohle? Finanzie- wirtschaft? Mit Dr. Uwe Fuhrmann Bildnachweise, wenn nicht gesondert www.links-sachsen.de/abonnieren, rungsmöglichkeiten von Geschichts- (Historiker). Eine Veranstaltung des vermerkt: Archiv, pixelio, iStockphoto [email protected] oder arbeit*** Mit Netzwerk Selbsthilfe DGB Nordsachsen in Kooperation mit Telefon 0351-84389773 - der politische Förderfonds. Eine Ver- der RLS Sachsen. Seite 11 Rezensionen 10/2019 Links! Wohin steuert das Menschheits-Narren-Schiff? Hans-Eckardt Wenzel referierte in Kamenz über „Die misslungene Erziehung des Menschengeschlechts“. Ralf Richter hat zugehört

Er sei so sehr Pessimist, dass er so- hängst – Längst gespeichert hat man „Der Laden lässt sich nicht die intellektuellen Köpfe seiner Zeit gar seinem eigenen Pessimismus dein Gesicht ...“ mehr zusammenhalten. euphorisierten, im öffentlichen Dis- misstraue, wird der Liedermacher Als hätten die Teile nichts kurs kaum noch eine Rolle spielen. noch später an diesem denkwürdi- Als er das singt, wurde er vom Mode- Stattdessen hat mit Donald Trump gen Abend in der Kamenzer Kloster- rator längst angekündigt als einer, der miteinander zu tun, das mächtigste Land der westlichen kirche St. Annen sagen. Das macht von sich gesagt habe: „Ich bin so wie monologisieren Akteure Welt, die USA, einen Politiker neu- Hoffnung, vielleicht ist ja doch nicht ich bin, weil ich in der DDR aufgewach- und Phänomene, Parteien, en Typus an die Macht gebracht. Die- alles verloren? Die sechste Kamenzer sen bin.“ Menschlichkeit, Vernunft und Lobbyisten, Bürger, ser entspräche am konsequentesten Rede wird immer noch zum „Volks- Toleranz sowie die Suche der Wahr- Wutbürger, Reichsbürger dem Typus des neoliberalen Politikers, preis“ von fünf Euro gehalten. Die Mo- heit hätten Gotthold Ephraim Lessing und Bürgerwehren, der Abmachungen und Vertraulichkei- deration des Abends hat Michael Ha- umgetrieben so wie Wenzel auch, der Fangruppen und ten unter dem Kalkül des wirtschaft- metner vom MDR übernommen. Auch ein Romantiker sei mit Hang zur Me- lichen Gewinns kündigt, führt Wenzel wenn die Kirche ausverkauft ist – von lancholie. Nach den letzten Liedzei- Impfgegner, Nazis und aus. „Die Ökonomie hat die Geschäfte den großen Politikern des Freistaa- len „Man wird einsam, wenn man an- Naturfreunde, Auto- und selbst übernommen. Sie braucht kei- tes Sachsen hat niemand den Weg ders denkt – Denn die Wahrheit wird Radfahrer – allenthalben ne Volksschauspieler mehr. Ein dem in die Geburtsstadt Lessings gefun- hier nicht verschenkt“ setzt Wenzel gründen sie neue, römischen Reich weit überlegenes den oder ihn finden wollen. Schließ- die Gitarre auf den Boden, stellt sich hochgerüstete Kleinstaaten Weltreich behauptet seinen Anspruch lich weiß man vom Wenzel, dass er ans Rednerpult und kommt gleich am mit Propagandaministerien und bedroht alle, die nicht seiner Dok- kein Blatt vor den Mund nimmt. Das Anfang auf den Punkt: „Es zerteilt sich und imperialem Habitus. trin folgen.“ ist wohl auch der Grund, weshalb er zunehmend, was dereinst als schö- von der „Arbeitsstelle für Lessing-Re- ne Einheit gedacht werden konnte.“ Aufgeputscht durch die Sinn und Zweck der Kamenzer Reden zeption“, welche seit dem 11. Septem- Viele der Anwesenden mögen Wen- eigene Meinung im Sound ist es, die moderne Gedankenwelt ber 2014 die Veranstaltung managt, zel noch in Erinnerung haben, als er der Echoräume. Unsere Lessings als Angebot für Analyse und für die Rede ausgewählt wurde. Auf mit dem Clownsgesicht unverschäm- Hilflosigkeit gegenüber Beantwortung gegenwärtiger Prob- der nicht aktualisierten Homepage te Wahrheiten verkündete. Doch in diesem Zerfransen der leme und Fragen zu entdecken, auch ist die Rede davon, dass „in diesem Kamenz, das spürt wohl jeder an dem Welt offenbart, wie sehr zum kritischen Dialog zu nutzen. Der Jahr die Reihe mit Volker Braun fortge- Abend, steht da vorn kein Clown mehr. uns das Instrumentarium Dialog kommt nicht zustande. Anstatt setzt“ würde. Wenzel wird auf seinen Da steht einer, hinter dem über sechs das Mikrofon herum zu reichen, wie in bekannten Vorredner von 2018 später Lebensjahrzehnte liegen, in denen er der Vernunft abhanden solchen Veranstaltungen üblich, sol- mehrfach Bezug nehmen. Seine Gi- sich tiefe Gedanken darüber gemacht gekommen ist.“ len Fragen auf Papier formuliert wer- tarre steht an dem Abend unter dem hat, wohin dieses Menschheits-Nar- Hans-Eckardt Wenzel den – das Verfahren funktioniert mehr Kreuz – mit zwei Liedern wird er seine ren-Schiff denn eigentlich steuert. schlecht als recht. Hat man Angst Rede einrahmen. Das erste trägt den Diese Gedanken wollen nun endlich vor „falschen“ mündlich geäußerten Titel „Nimm Dein Glas und wirf es an mal ausgesprochen werden. Statements? Auf jeden Fall wird man die Wand“. Darin heißt es in einer Stro- Spätwerk „Die Erziehung des Men- die Rede bestellen können – ab Okto- phe: „Wen Du wählen wirst, weiß man Lessing war es, der noch an den Sieg schengeschlechts“ schrieb. 2019 ist ber in Kamenz bei der Arbeitsstelle für längst – Weil Du ewig nur im Netz rum- der Vernunft glaubte, als er 1780 sein offenkundig, dass Lessings Ideen, die Lessing-Rezeption. 30 Jahre Klartext marxistischen Denkens

Die Zeitschrift Marxistische Erneue- Linke habe immer noch zu tun, Sozi- oder getrennte Aspekte eines histori- rie dürfe nicht bei der Verurteilung der rung wird 30. Stammleser des streit- ales und Ökologisches zusammenzu- schen Prozesses handele. Treuhandpolitik stehenbleiben, son- bar-linksdemokratischen Periodikums denken. Dieser Dialektik fortgesetzt dern müsse dem gescheiterten Sozi- wissen dessen „Sagen, was ist“-Cre- Geltung zu verschaffen, konstituie- Den zweiten thematischen Schwer- alismusversuch in seiner Komplexität do auf dem zuverlässig weiten Feld ih- ren fünf einschlägige Aufsätze einen punkt in Z 119 bilden Erkenntnisse, Er- Rechnung tragen. Äußerst aufschluss- res Lektüre- und Diskursangebotes zu der beiden inhaltlichen Schwerpunk- fahrungen, Reflexionen rund um die reich, weil mit allgemein unbekannten schätzen: Klartext zu bedeutsamen te der vorliegenden Ausgabe. Auf zwei markanten deutsch-deutschen Ge- Fakten gewürzt, befassen sich Sieg- aktuellen politischen Themen ebenso sei hier verwiesen. André Leisewitz schichtsdaten 1949, 1989, 2019. Die fried Prokops und Jörg Roeslers Texte wie zu grundsätzlichen strategischen legt in seinem „Marx, Engels und die ihnen gewidmeten vier Wortmeldun- mit wirtschaftspolitischen Problemen Problemfragen marxistischen Den- Klimakrise“ überschriebenen Beitrag gen eint die verdienstvolle Absicht, in der Endzeit der DDR. kens. Ersterer Gattung entsprechen die widersprüchlichen Beziehungen die Deutungshoheit über unsere jün- in der September-Nummer 2019 auch von Kapital und Arbeit sowie von Kapi- gere Historie nicht dem bürgerlichen Ein Sonderlob haben sich erneut die zwei Beiträge über die EU-Wahlen im tal und Natur dar. Ausgehend von den Mainstream oder gar den Rechtspopu- Buchbesprechungen verdient. Un- Mai. Gerd Wiegels und Klaus Drägers Erkenntnissen, die Marx und Engels listen zu überlassen. Einmal mehr wird ter den 13 rezensierten Publikatio- nüchterne (und ernüchternde) Analy- über diese als Ausbeutungsverhältnis- die als publizistische Reaktion auf den nen rangieren ideelle Schwergewich- sen der Wahlergebnisse bilanzieren se gewonnen hatten, geht er der Frage Epochenwandel seit dem Herbst 1989 te, was im Wortsinne auch für ihre die Rechten trotz deren organisatori- nach, wie sie im heutigen Turbo-Ka- herausgegebene Zeitschrift damit ih- Druckumfänge und Ladenpreise gilt. scher Zersplitterung ungeschönt als pitalismus begrenzt werden könnten. rem selbstbestimmten Gründungsauf- Umso dankbarer dürfte mancher Z- klare Gewinner, während den Links- Sein unverblümtes Fazit: Nur durch trag gerecht, Defizite und Fehler der Leser sein, sich die wesentlichen Aus- parteien ebenso unmissverständlich in sozialen Bewegungen erkämpfte Vergangenheit und Gegenwart in The- sagen und Botschaften anhand aus- bescheinigt wird, mit ihrer unentschie- staatlich-gesetzliche Repressivmaß- orie und Praxis aufzudecken und anzu- führlicher Analysen und Kommentare den-klassenindifferenten EU-Politik nahmen gegenüber den Einzelkapi- gehen. Ganz im Sinne des Universal- aus marxistischer Sicht aneignen zu „Schiffbruch erlitten“ zu haben. talien. Dieter Stache führt den Leser historikers Walter Markov, Geschichte können. an eine geistige Bewegung heran, die sei total oder gar nicht, mahnt Jürgen Als eine strategisch-programmati- sich als eigenständige Disziplin öko- Hoffmann an, linke Geschichtsschrei- • Wulf Skaun sche Grundfrage hatte die Vierteljah- sozialistischen Denkens seit Ende der bung müsse auch das westdeutsche resschrift die Klimakrise zuletzt in Z 1980er Jahre in den USA etabliert hat. Erbe seit 1949 in den Blick nehmen. Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung, 114 thematisch fokussiert und dabei Eine ihrer Kernfragen laute, ob es sich Diesen Totalitätsanspruch, bezogen N. 119 (September 2019), 240 Seiten, auch dem bedenklichen Befund des bei den Widersprüchen zwischen Ka- auf die neoliberale Transformation der Einzelheftbezug 10 Euro. Bestellungen avantgardistischen Ökomarxisten El- pital und Arbeit bzw. Mensch und Na- DDR-Wirtschaft nach der Wende, ver- über [email protected] oder www. mar Altvater Rechnung getragen, die tur im Kapitalismus um einheitliche tritt auch Stefan Bollinger. Linke Histo- zeitschrift-marxistische-erneuerung.de Links! 10/2019 Die letzte Seite Seite 12

Kann eigentlich kulturelle Vielfalt nur waren zwei Mitglieder des Improthea- in Großstadtmetropolen entflammen? ters „Improsant“ angereist, denen es Diese Frage könnte man bejahen, gä- mit schlagfertigem Humor spielerisch be es nicht nennenswerte Ausnahmen „Es ist Zeit …“ gelang, das Publikum szenisch einzu- quer von Nord bis Süd, die nicht nur beziehen, während „tonneCtion“ aus saisonbedingt genreübergreifend von Bremen „poetische Akrobatik“ boten. sich reden machen. Städte wie Rudol- Der 28. Greizer Theaterherbst lud ein. Clara Groeger und Tine Thevissen fas- stadt mit seinem TFF oder Quedlin- zinierten mit clownesker Akkurates- burg mit seinen Marktveranstaltun- Jens-Paul Wollenberg war dabei se und halsbrecherischer Artistik. Ge- gen haben bewiesen, dass es trotz der konnt improvisierten die beiden einen Abwanderung gerade junger Leute in waghalsig anmutenden Streit um eine größere Städte möglich ist, Freiraum Manege, das Gastensemble „Circus meiers Masken Marching Band“ gab simple blaue Plastiktonne, in der sie für Kunst und Kultur zu schaffen. MoMoLo“ aus Jena übte mit Kindern es fünf hochkarätige Aufführungen am Ende gemeinsam verschwanden. und Jugendlichen, ein Programm ein, unterschiedlicher Couleur. Aufgefressen von der Zeit? Würde Abgesehen davon, finanzielle Unter- das mit gekonntem Jonglieren, kühner schon zum Motto passen. stützung von den Gemeinden, Städ- Akrobatik und spaßiger Clownerie das Die „Maskapelle“ ist in Bremens ten, Ländern bzw. Sponsoren zu er- Publikum überraschte. Auch der Grei- „Blaumeier Atelier“ gegründet wor- Einen weiteren Höhepunkt, jedoch halten, spielt ein gehöriger Schuss zer Bahnhof öffnete seine Wartehalle, den, einer künstlerischen Initiati- mit leiseren Tönen, aber dennoch individueller Willenskraft und leiden- in der die Werkstattleiter des Thea- ve, deren Verein und deren Mitbe- mit kräftiger Stimme bot die Leipzi- schaftlicher Kreativität der Macher terherbstes eine biografische Collage gründer einst mit dem Riesenprojekt ger Malerin, Lyrikerin und singende und Organisatoren eine wesentliche Straßenmusikerin Uta Pilling mit ei- Rolle. Gäbe es nicht diese unzähli- genen Chansons. Innerhalb weniger gen ehrenamtliche Mitstreiter, wäre Minuten hatte sie die Herzen des Pu- so manches Vorhaben nicht umsetz- blikums auf ihrer Seite. Nach ihrem bar. Als gelungenes Beispiel sei hier Motto „Ich male Bilder, schreibe Bil- der Greizer Theaterherbst genannt. der, singe Bilder“ sang sie ihre Lieder, Schauspiel, Theaterwerkstatt, Panto- die sich zwischen bissig-sarkastisch mime, Clownerie, Akrobatik, Chanson, und schwermütig-melancholisch be- Filmkunst, Lesungen, Performance, wegen, begleitet auf dem Bajan. Auch sogar Popmusik in Kombination mit konnte man ihre Grafiken bewundern. Jazz, all das konnte man bei der 28. Und da sich unter den vielen Zuhörern Auflage zwischen dem 13. und dem auch Kinder scharten, unterbrach sie 22. September dieses Jahres erleben. kurzerhand ihr Programm und ermun- terte die Kleinen, mit ihr Kinderlieder Jedes Jahr zur etwa gleichen Zeit ver- zu singen, was auch gut gelang. Als wandelt sich Greiz in ein abwechs- dann Eltern und Großeltern in den Re- lungsreiches Eldorado für die Lieb- frain einstimmten, erreichte ihr Auf- haber oben genannter Genre, wobei tritt beinahe eine neue Dimension, so freilich das Theatermachen selbst an dass sie es dann doch etwas schwer oberster Stelle steht. Neben gestan- hatte, die Dramaturgie ihres Chanson- denen Künstlerpersönlichkeiten, die repertoires aufrecht zu erhalten. Doch nicht nur lokal bekannt sind, gibt es unter dem großen Beifall der Zuhören- stets auch zahlreiche außergewöhn- den klappte auch das. liche Talente zu entdecken und zu er- leben, die den Theaterherbst immer Scharrschmidt Karsten Foto: Parallel zu diesen sämtlich auf dem Uta Pilling während ihres Auftritts. wieder aufs Neue bereichern. Die- Marktplatz stattfindenden Aktionen ser Herbst steht jährlich unter einem installierten die Münchener Künst- anderen Motto. Der diesjährige Leit- über das Leben von B. Traven präsen- „Blaue Karawane“ auf sich aufmerk- ler Peter Heesch und Anja Callam ein spruch lautete: „Es ist Zeit …“ tierten. Weitere Veranstaltungen gab sam machten. Ende der 80er und zu Bauprojekt unweit des Geschehens, es im Pferdestall des oberen Schlos- Beginn der 90er gelang es den Initi- das unter dem Motto „Brücken bau- Martin Heesch, künstlerischer Leiter ses (Greiz hat zwei vorzuweisen) und atoren gemeinsam mit reformorien- en“ symbolisch demonstriert, dass die des Ganzen, begründet das Panier wie im UT99 Kinocafé Greiz, wie auch in tierten Psychologen und Psychiatern, Zeit reif dafür sei, Wünsche, Hoffnun- folgt: „Ernest Hemingway sagte ein- der Alten Papierfabrik oder der Be- einige geschlossene Anstalten schlie- gen, kulturelle Vielfalt und Migration mal: ,Das Merkwürdige an der Zukunft gegnungsstätte Siebenhitze. Selbst- ßen zu lassen, damit deren Insassen, zu verbinden. Das Finale der gelun- ist wohl die Vorstellung, dass man un- verständlich fanden die meisten Auf- also psychisch kranke Patienten, wie- genen Straßenveranstaltung läute- sere Zeit einmal die gute alte Zeit nen- führungen in den Räumlichkeiten der der in die Gesellschaft integriert wer- te das punkige Rocktrio „In Schwarz“ nen wird.‘ Wenn man sich unsere Zeit riesigen Vogtlandhalle statt, die ne- den konnten. In diesem Zusammen- ein. Drei hoch motivierte Jungs, Mitte betrachtet, die wir teilweise als recht ben der Studiobühne auch über einen hang entstand die Idee, mit ihnen Zwanzig, schmetterten förmlich ihre nervös, egoistisch, unruhig und in- Ballettsaal verfügt und in der auch gemeinsam Theater zu machen. Kur- aufmüpfigen Songs, durch E-Bass, E- stabil empfinden, so fällt es in der Tat der Greizer Theaterherbst e. V. seinen zentschlossen wurde Goethes „Faust“ Gitarre und Schlagzeug verstärkt, ins schwer, sich vorzustellen, dass unser Sitz hat. inszeniert, bis auf eine Ausnahme tanzwütige Publikum. Und das höchst Jetzt in Zukunft als gute alte Zeit be- wirkten nur Menschen mit Behinde- professionell! zeichnet werden wird.“ Am 13. September gab es in der Al- rung mit. Die Ausnahme war ein aus- ten Papierfabrik die Eröffnungsinsze- gebildeter Schauspieler, der die Regie Bis zum 22. September fanden täglich Der Theaterherbst will mit seinen nierung – „Raum der Wünsche“, ein übernahm und es verstand, das Ganze mindestens zwei Vorstellungen pro neun Werkstattprojekten und zahlrei- Dokumentarstück basierend auf dem dramaturgisch in den Griff zu kriegen. Spielstätte statt, um Sparten wie Film, chen Gastspielen Impulse zum Reflek- utopischen Roman „Picknick am Die Inszenierung wurde damals beju- Schreibwerkstatt oder Schauspiel am tieren und Diskutieren über diese „gu- Wegesrand“ der Gebrüder Strugaz- belt, so dass man beschloss, weiter zu geeigneten Platz zu präsentieren. Das te“ Zeit geben. Im Programmkatalog ki. Am Samstag, dem 14. September, machen, und bis heute wird diese Tra- durchweg gut organisierte Spektakel des Festivals wird Novalis zitiert, der war im Rahmen des Herbstes erst- dition weiterentwickelt. beendete am Abend des 21. Septem- übrigens seine Kinder- und Jugendjah- malig das Greizer Straßentheaterfest ber die Leipziger Band „Herje Mine“, re unweit von Greiz verbrachte: „The- „Come Together“ auf dem Marktplatz Die Maskapelle spielte nicht wirklich, deren Mitglieder aus Polen, Israel und ater ist die tätige Reflexion des Men- zu erleben. Dieser wurde zur Bühne das zehnköpfige Ensemble improvi- Deutschland stammen. Mit heißblü- schen über sich selbst“, woraus sich umstaffiert, auf der sich die Straßen- sierte mit selbst angefertigten Instru- tiger virtuoser Dynamik brachten sie für die Theaterschaffenden Anforde- künstlerinnen mit ihren vielseitigen mentalattrappen, die den sehr origi- den Saal des Greizer Bahnhofs zum rungen „an die Zeit“ ergeben, wie sich Darbietungen austoben konnten. Das nell maskierten Darstellern auch als Kochen, bevor noch eine Schauspiel- zu erinnern, sich einzumischen, aufzu- Ganze war perfekt durchorganisiert Requisit für ihre szenischen Aktionen werkstatt für Kinder in der Studiobüh- wachen, umzudenken, aufzuschreien, und es entwickelte sich ein über zehn dienten. Die Musik (Blasmusik, Zir- ne und eine Leseperformance in der zuzuhören, offen zu sein für Wünsche, Stunden dauerndes abwechslungs- kusmarsch bis hin zum Freejazz) er- Begegnungsstätte Siebenhitze sich Zuversicht, Traum und Realität. reiches Theaterspektakel, das fanta- tönte aus einer mobilen Musikbox. dem Thema „Es ist Zeit …“ widmeten. sievoll Komödiantisches, Poetisches, Angeführt wurde diese skurrile Sze- Gespielt und dargeboten wurde in den Dramatisches mit musikalischen Ein- nerie von einem leidenschaftlichen Es bleibt zu hoffen, dass die Zeit eine unterschiedlichen Räumlichkeiten der lagen verband. Umrahmt vom Ein- Tambourmajor mit einem silbrig fun- Fortsetzung zulässt, nicht nur in der Stadt. Da wurde die Jahnturnhalle zur marsch der „Maskapelle alias Blau- kelnden Dirigentenstab. Aus Erfurt wunderschönen Stadt Greiz. Seite 1 10/2019 Sachsens Linke! Oktober 2019

Sachsens Aktuelle Informationen stets auch unter www.dielinke- Linke sachsen.de DIE LINKE wird gebraucht – sie muss es aber auch zeigen Thomas Dudzak konstatiert mit Horst Kahrs: Nur eine Eine parteiliche Erneuerung ist unausweichlich Antwort: Auch wenn ein wenig Zeit vergangen der wahrnehmbaren Funktion bei Kämpfe kommen, wir müssen auch ist seit dem Wahlabend vom 1. Sep- Wahlen, welche in der zugespitzten auf sie hinwirken. Und doch besteht Zusammenhalt tember, bleiben die Ergebnisse für die Auseinandersetzung der Landtags- die vordringliche Aufgabe nun darin, sächsische LINKE schmerzhaft. „DIE wahlen in diesem Jahr einen traurigen bis dahin eine selbsttragende Basis LINKE ist die Verliererin des Wahl- Höhepunkt erreicht: In einem Umfeld, und Funktion unserer Partei zu ent- Liebe Genossinnen und Genossen, abends“, schrieb Horst Kahrs in in der die Frage, ob die regierungstra- wickeln, auf der wir innerhalb einer seiner Wahlnachtberichterstattung zu gende Partei – in Sachsen die CDU, in solchen Auseinandersetzung wachsen der Wahltag liegt zwar jetzt schon ei- den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg die SPD – stärkste Kraft können. Nie wieder darf es passie- nige Wochen hinter uns, und dennoch: Brandenburg. Weder als Regierungs- wird oder die AfD, und – wie in Sach- ren, dass WählerInnen den Eindruck Die Ergebnisse dieses Wahlgangs, die- noch als Oppositionspartei sei es ihr sen – der LINKEN in Ermangelung haben, in taktischer Hinsicht sei ses Wahljahres bleiben für uns bitter. bei diesen Wahlgängen gelungen, an möglichen Modellen nicht einmal der Verzicht auf die Stimme für DIE Wir haben bereits im Mai rund ein Drit- mehr als ein Zehntel der abgegebenen LINKE am wenigsten schmerzhaft. Nie tel unserer kommunalen Mandate verlo- Stimmen auf sich zu vereinen. Und wieder dürfen wir in die Falle geraten, ren. Nach der Landtagswahl sind wir nur tatsächlich erscheinen die Ergebnisse in einer zugespitzten Auseinanderset- noch mit 14 Abgeordneten im Sächsi- auf einen schnellen Blick ähnlich, zung keine Funktion mehr zugeschrie- schen Landtag vertreten. Ein Schock. obwohl die Partei in beiden Ländern ben zu bekommen. vollkommen unterschiedlich aufge- Und dennoch, so bleiern die Ergebnisse stellt und auch unterschiedlich in die Denn: DIE LINKE – gerade auch in auf uns lasten, so groß die Hypothek ist, Wahlauseinandersetzung gegangen Sachsen – wird gebraucht. Der Kapi- mit der wir in den kommenden fünf Jah- ist. talismus produziert und manifestiert ren umzugehen lernen müssen, so sehr weltweit nach wie vor Ungleichheit habe ich in den zahlreichen Gesprä- Tatsächlich lägen die Probleme und Armut, es ist sein Wesen. Wie chen, Beratungen und Runden in der tiefer, meint Kahrs: „Die Folgen der in einem Brennglas werden diese Partei seit dem Wahltag eines erlebt: ei- Altersstruktur der Mitgliedschaft und systembedingten Ungleichheiten nen klaren Wille dazu, Dinge in Zukunft Wählerschaft wirken stärker, die Jahr- eine Funktion in einer Konstellations- dank vereinigungsbedingter Brüche, anders anzupacken. Und zwar gemein- gänge der 1989 etwa 15-35jährigen, bildung zukommt, wirkt sich dieser jahrzehntelanger Niedriglohnstrategie sam. Die Lage ist zu ernst, als dass wir die heute in der zweiten Hälfte ihres Funktionsverlust umso deutlicher aus. der CDU-geführten Staatsregierung es uns leisten könnten, den Gegner in Erwerbslebens stehen, waren tradi- DIE LINKE verliert in alle Richtungen. und dem Abbau der sozialen Siche- Zukunft weiter vor allem in der eigenen tionell schwach vertreten, so dass Taktisches Wählen und die beschrie- rungssysteme gerade in Sachsen Partei zu suchen. hier wichtige Bindungen fehlen, die bene – mediale – Zuspitzung auf die manifest. Wir sind in diesem Parteien- zwischenzeitlich überdurchschnitt- Auseinandersetzung zwischen AfD system die einzige antikapitalistische DIE LINKE ist unser gemeinsames Haus. liche Zustimmung unter Jüngeren ist und dem Amtsinhaber haben auch Kraft, die sich dem entgegenstellt, Jeder und jede mag unterschiedliche nicht mehr zu beobachten.“ Auch dazu geführt, dass auch uns naheste- und müssen wieder zur hörbaren Gründe gehabt haben, in diese Partei hätten die jüngeren Auseinanderset- hende WählerInnen ihr Kreuz diesmal Stimme des Neins zu Ausbeutung, Ar- einzutreten, aber stets mit dem Willen zungen innerhalb der Partei zu einem einer anderen Partei gegeben haben. mut und sozialer Verwerfung werden. und dem Wunsch, dass diese Partei Er- neuen, eher lähmenden Konflikt folg haben soll. Das gemeinsame Rin- geführt, der auch in der Außendar- Diese Entwicklung ist jedoch keine Dafür bedarf es eines Zusammenwir- gen um den richtigen Weg gehört dazu. stellung wahrnehmbar sei: „Ob sich Naturgewalt, die über uns gekom- kens aller Teile dieser Partei. Partei Der Ton, die Form des Umgangs müssen eine linke Partei vor allem als Anwalt men ist. Kurzfristig ist es uns nicht und Fraktion müssen gemeinsam jedoch stets solidarisch sein. Und so der ‚Armen und Schwachen‘ in der gelungen, aus der strategischen Falle sichtbar werden und abgestimmt freue ich mich, dass es gerade zu gelin- Gesellschaft verstehen müsse oder des Funktionsverlustes herauszukom- sichtbare Ausrufezeichen entlang gen scheint, Einigkeit herzustellen: Wir (!) als entschiedene Verfechterin von men. Die Wurzeln dieser Entwicklung des sozialen Markenkerns unserer bereiten uns gemeinsam auf den kom- ‚Menschheitsfragen‘ (wie dem Klima- liegen aber Jahre, wenn nicht sogar Partei setzen. Es ist eine Aufgabe, die menden Landesparteitag vor uns sen- wandel und seinen Folgen)“. Jahrzehnte zurück und sind durch die über die Grenzen der Landespartei den von dort ein starkes Signal. Mit der Blutgabe einer neuen Aufmerksam- hinausgeht, die klar als eine der Ge- LINKEN ist weiter zu rechnen. Wir sind Tatsächlich reihen sich die Wahler- keit im Rahmen der Hartz-IV-Proteste samtpartei wahrgenommen werden nicht weg. Im Gegenteil: Wir sind da, gebnisse vom 1. September in eine und der Parteineubildung übertüncht, muss. „Stärke der Linken waren schließen die Reihen, haken uns unter lange Reihe von Ergebnissen im Osten nicht jedoch beseitigt worden. Wir immer Phasen, in denen verteilungs- und kämpfen weiter für eine starke LIN- ein, die Sorge erregen müssen. Mit müssen uns die Frage stellen, warum politische Fragen mit den politischen KE und eine Perspektive jenseits des Ausnahme von Mecklenburg-Vorpom- wir es „unseren“ WählerInnen diesmal Leidenschaften für eine bessere, Kapitalismus. mern in den 2000ern und Thüringen so einfach gemacht haben, DIE gerechtere Gesellschaft als greifbarer aktuell erlebt die Partei im Osten eine LINKE nicht mehr zu wählen. Und aus Vision verbunden werden konnten. Herzlichst, Annäherung der Landtagswahlergeb- der Beantwortung dieser Frage die Diese ‚programmatische‘ Lücke teilen nisse in den Ländern – und zwar nach richtigen Schlüsse ziehen: Wir können sich DIE LINKE und die SPD, program- unten. Auch bei den Bundestags- als Partei nicht auf das nächste Hartz matische Erneuerung, neue Ideen bei wahlen verliert die Partei seit 2005 IV warten, auf neue soziale Proteste, den Antworten auf die großen Zu- in Sachsen wie im gesamten Osten um uns als VertreterIn dieser Proteste kunftsfragen scheint unausweichlich“, permanent an Zustimmung. Die Partei neu aufzuschwingen. Sicherlich konstatiert Horst Kahrs. Wir haben insgesamt leidet unter einem Verlust werden neue verteilungspolitische eine Aufgabe. Sachsens Linke! 10/2019 Seite 2

dauen. Nicht bloß so paar, allzu viele, Leserbriefe Schrecknisse im Stasi-Knast, wovon Neues aus dem keiner unserer mitengagierten Genos- Landesvorstand sen je wirklich was ahnte. Nicht zuletzt, Zum Wahlergebnis diese es wollten. Überhaupt haben es dass es irgendeine (angeblich nur von Wie schon auf seiner Sitzung am 2. Teile der Kirchen nicht so mit Toleranz, üblen Machenschaften behinderte, pro- September setzte sich der Landes- Pessimismus und Besser- wie z. B. die Verleumdung von Schwan- letarische) „objektiv“ beinahe natur- vorstand am 27. September mit den wisserei helfen nicht gerschaftsabbrüchen als Mord oder der gesetzhafte Gesellschaftsprogression Ergebnissen des Wahljahres 2019 im Umgang mit Homosexualität zeigen. bis in eine zukünftig auch nur halbwegs Allgemeinen und den Landtagswahl- Mit zunehmender Distanz zu den Land- Und was Bildungschancen betrifft: Viele vollendete humane Gesellschaft ebenso ergebnissen im Speziellen auseinan- tagswahlen in Sachsen und Branden- Kinder können heutzutage wegen ihrer wenig geben dürfte ... wie andererseits der. Strukturiert wurden anhand von burg schwindet ein wenig der Groll über sozialen Herkunft nicht studieren. Wo so einen geheimnisvollen „Heilsweg Leitfragen Ursachen aufgearbeitet: die schlechten Ergebnisse der LINKEN. bleibt der Protest der Kirchen dagegen? Gottes durch die Geschichte“. Welche gesellschaftlichen Faktoren Was ist zu tun? Pessimismus und Bes- Setzen sie sich nicht eher für ihre Schu- Dir, Simone H., sehr gern zugute (biss- spielten eine Rolle? Gab es inhaltli- serwisserei werden uns nicht weiterhel- len ein? Während Uwe Schnabel zur chen mit H. Böll, heute eventuell zusam- che Schwächen? Wo lagen mögliche fen. Wir sollten uns unbedingt Zeit für Zusammenarbeit und dem Abbau von men mit Bodo R. oder Tilo W. u.v.a....) strategische Fehler? Die solidarisch eine gründliche Analyse nehmen und Vorbehalten aufruft, wiederholt Simo- im Sinne dieses einen, auch ins Katho- geführte Debatte kulminierte in der daraus, gepaart mit Herz sowie Sach- ne Hock leider die Vorurteile, die zwar lische konvertierten Graham Greene Beauftragung des Leitantrages an verstand, programmatische und prak- im Einzelfall zutreffen mögen, in dieser (war das nicht der Literat mit der „Am- den Landesparteitag, welcher unter tische Schlussfolgerungen ableiten. Pauschalität, wie gezeigt, aber nicht. bivalenz alles Menschlichen“?): Es sind Federführung von Landesvorsitzen- Schnellschüsse und emotional vorgetra- Wie Uwe Schnabel und Simone Hock Christentum und Sozialismus eventuell der und Landesgeschäftsführer unter gene Forderungen, an wen auch immer, wünsche auch ich mir Zusammenarbeit doch nur zwei Seiten ein- und desselben Einbeziehung möglichst vieler Genos- sollten unterbleiben. Dafür müssen gut bei den gemeinsamen Zielen und den Glaubens ... sInnen unterschiedlichster Herkunft aus- und abgewogene Vorschläge für Abbau von Vorbehalten. Dazu gehört • Hubert Lehmann, Dresden und Parteigeschichte erarbeitet wer- politische Zielsetzungen auf der Grund- auch der Abbau von Vorurteilen in den den soll, um die Pluralität der Partei lage des Parteiprogramms eingebracht Kirchen gegenüber der DDR und Linken. Zu „Gedanken zu Landtagswahl und zum Ausdruck kommen zu lassen. werden. Friedenspolitische, soziale und • Rita Kring, Dresden Wahlkampf“, Sachsens Linke! 9/2019, Auch die Wahlauswertung wird ein solidarische Schwerpunkte sind dabei in S. 12 Sonderkapitel erhalten, in dem Ak- den Mittelpunkt zu stellen sowie öffent- teurInnen und Gliederungen die Mög- lichkeitswirksam umzusetzen. Mit der Christentum und Bekenntnis zum demokra- lichkeit erhalten, in rund 3.000 Zei- Diskussion über die Vorschläge in den Sozialismus zwei Seiten tischen Sozialismus für chen ihre Position zu thematisieren. Gremien müssen vor allem möglichst desselben Glaubens mich wahlentscheidend Zuschriften hierfür sind an die Lan- viele außerparlamentarische Aktionen desgeschäftsstelle zu richten. einhergehen. Der Landtagswahl in Thü- Liebe Simone Hock, Dein heutiger Ka- Das Bekenntnis zum demokratischen ringen müssen unsere ganze Aufmerk- tholizismus hat es ja auch sehr viel ein- Sozialismus war für mich ein wesent- Die Beratung aus Landesvorstand, samkeit sowie tatkräftige Unterstützung facher als die momentane Linke, sich licher Grund, die LINKE zu wählen. Par- Landesrat, Kreisvorsitzenden und gelten und dies bundesweit. Besinnen derart undogmatisch-tolerant zu geben, teien, die für den un-/antidemokra- Fraktionsvorstand, die sich tags da- wir uns auf unsere gemeinsamen Ziele dass einem gelegentlich wie auch in an- tischen Kapitalismus sind, gibt es mehr rauf traf, begrüßte einmütig die Be- im Kampf um Veränderungen, bündeln deren religiösen Gemeinden warm ums als genug. Was ist für mich der demo- mühungen um eine gemeinsame und wir unsere Kräfte und ringen um beste Herz werden kann, ich weiß, wovon ich kratische Sozialismus? Nur kurz: Statt solidarische Vorbereitung des Lan- Wahlergebnisse in Thüringen. Das wäre hier rede. Allerdings ist diese Toleranz der gegenwärtigen Diktatur des Kapitals desparteitages. Die Beratung forder- eine erste richtungsweise und ermuti- gegenüber LINKS (nicht anders als auch und ihrer Ausführenden in Wirtschaft, te die AkteurInnen der unterschiedli- gende Antwort auf das Wahldesaster! unsere neuerliche linksseitige Religi- Politik, Medien usw. Demokratie, al- chen Gruppen im Landesverband auf, • Raimon Brete, Chemnitz onstoleranz) erst allerjüngsten Datums! so die gemeinsame Suche der Betrof- sich mit ihren Politikansätzen in die Mal abgesehen vom berechtigten Ab- fenen nach der besten Lösung. Statt Erarbeitung eines inhaltlichen und Zu „Erwarte Offenheit von einer stand zur staatlichen Atheismus-Agita- Produktion im Interesse des Profits Be- personellen Vorschlags für den Par- pluralistischen Partei“, Sachsens Linke! tion – es wussten paar Jahrzehnte und dürfnisbefriedigung für alle Menschen teitag einzubringen. 9/2019, Seite 2 die allerletzten Höllenpredigten zurück weltweit, einschließlich zukünftiger Ge- ... nämlich ein Bischof Schaffran z. B. nerationen. Daraus ergibt sich Umwelt- • Thomas Dudzak Vorurteile abbauen und mit Ernesto Cardenal, der Ortspfaffe schutz automatisch (religiös: Bewah- nicht pauschal urteilen mit Darwin, die Päpste Vojtyla, Ratzin- rung der Schöpfung). Statt Egoismus ger mit Leonardo Boff absolut nichts und Konkurrenz Solidarität und Koope- Ich selbst wurde 1955 konfirmiert und anzufangen. Das real existierende Chri- ration (christlich: Nächstenliebe). Was 1956 jugendgeweiht. Ich kann verste- stentum – in seiner Weltgestaltungs- ist der Unterschied zum Kommunismus, Impressum hen, dass Personen, die selbst oder kompetenz bereits vor 500 Jahren rest- meinem Endziel? Im Kommunismus im persönlichen Umfeld von Benach- los gescheitert (!) – hat den inzwischen denken die Menschen nicht mehr in Wa- Sachsens Linke! teiligungen oder Angriffen betroffen beinahe längst vergessenen, regelrecht renkategorien, z. B. in Geld. Sie verhal- Die Zeitung der LINKEN in Sachsen sind, emotional reagieren und es ihnen verzweifelten Kampf gegen jeden „mo- ten sich automatisch solidarisch und Herausgeberin: schwer fällt zu differenzieren. Aber auch dernistischen“ Humanismus im Gefol- suchen gemeinsam nach der besten Lö- DIE LINKE. Sachsen ein jüngerer Bekannter von mir und an- ge der rationalen Aufklärung angeblich sung. Der demokratische Sozialismus Verleger: dere aus seinem Jahrgang waren in der hinter sich. Heute „kann“ es sich locker ist somit die Einübungsphase für die Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen Jungen Gemeinde nach der Konfirmati- freibleibend-progressiv geben und da- Menschen, die noch vom Kapitalismus e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden on aktiv und studierten zu DDR-Zeiten. rauf verweisen, quasi durchaus gezwun- geprägt sind und solange der Kapitalis- Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung Dabei setzte er sich in den 1980er Jah- genermaßen auf den innersten Kern der mus noch nicht vollständig überwun- der Redaktion wieder. Die Redaktion behält ren für die Ziele des Konziliaren Pro- Botschaft Jesu, weniger zurück- als „viel den ist. Der Kommunismus ist somit sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen zesses/der Ökumenischen Versamm- mehr nach vorn“ geworfen worden zu das, was Jesus mit dem Reich Gottes vor. Termine der Redaktionssitzungen bitte er- lung für Gerechtigkeit, Frieden und sein. Ich kenne Freunde, die das ganze bezeichnete und z. B. in der Bergpredigt fragen. Bewahrung der Schöpfung ein. Und an- Katholische Kompendium nicht mehr in- und in verschiedenen Gleichnissen be- Die Papierausgabe wird in der LR Medien- dere waren nicht Mitglied der Pionier- teressiert, die nicht dogmatisch-katho- schrieb. Wer also wirklich den Lehren verlag und Druckerei GmbH in Cottbus in einer organisation und konnten in der DDR lisch, aber gern „kulturell-katholisch“ Jesu folgen will, müsste von der Forde- Auf­lage von 10.950 Explaren gedruckt. promovieren. Es waren eher die evange- sind. Sofern sie auch schon mal von der rung nach demokratischem Sozialismus Der Redaktion gehören an: lischen Kirchen, die nie die Jugendweihe Theologin Dorothee Sölle gehört haben: begeistert sein. Jayne-Ann Igel, Thomas Dudzak, Antje Feiks akzeptiert und sie nur zeitweise gedul- „Es kommt nicht darauf an, ein Bekennt- Da der Kapitalismus nicht freiwillig die (V.i.S.d.P.), Andreas Haupt, Ralf Richter, det haben. Eine katholische POS-Klas- nis zu glauben, sondern einen (eigenen) Ressourcen und Machtmittel rausrü- Stathis Soudias. senkameradin meines Bekannten warf Glauben zu bekennen!“ ckt, werden sich Auseinandersetzungen Bildnachweise, wenn nicht gesondert ver- ihm vor, dass er das Kommunistische Glauben hierbei zuerst als „credo, cre- nicht vermeiden lassen, wie auch Je- merkt: Archiv, pixelio, iStockphoto Manifest gelesen hat. Überhaupt er- dere, cor dare“ verstanden (wie ja be- sus voraussagte. Allerdings können wir Kontakt: lebte mein Bekannter viel Feindschaft reits Maxim Gorki fragte, und nicht etwa schon jetzt versuchen, dem Kapitalis- [email protected] gegenüber der DDR und Linken über- nach der Anzahl der Rosenkranzgebete mus möglichst viele Herrschaftsinstru- Telefon 0351-8532725 haupt, z. B. von einem Pfarrer in der oder Bekreuzigungen). mente wegzunehmen und möglichst Fax 0351-8532720 Christenlehre oder bei Jugendevange- Unsere LINKE, nach dem Ende der DDR viele Personen für unsere Ziele gewin- Redaktionsschluss: 25.09.2019 lisationen. Andere Bekannte berichte- und dem im Weltmaßstab ebenso gran- nen, damit diese Auseinandersetzungen Die nächste Ausgabe erscheint voraus- ten, dass Eltern/Kirchen Kindern verbo- diosen Scheitern sämtlicher M-L.-Stra- möglichst gewaltfrei verlaufen. sichtlich am 06.11.2019. ten, zu den Pionieren zu gehen, obwohl tegien, muss allzu vieles erst noch ver- • Uwe Schnabel, Coswig Seite 3 10/2019 Sachsens Linke! Blickpunkt Landtagswahl Die Ergebnisse der Landtagswahl Erste Gedanken von Tilman Loos – die Auswertung geht bei Regionalkonferenzen weiter

Die Wahl am 1. September 2019 ist für weiligen Bundespartei absetzen. Und: Zweistimmen und 21 % der Erststim- terschied nur im Nachkommabereich DIE LINKE und die Linke eine Zäsur. DIE Um sich ein Bild von einer Partei zu ma- men). Damit erzielen wir ca. 41.400 liegt. Deutlich über dem Zweitstimmen- LINKE verliert 8,6 %-Punkte zur Vor- chen, muss man weder deren (Wahl-) mehr Erst- als Zweitstimmen. Der ergebnis lagen die Kandidat*innen der wahl und wird mit 10,4 % nur knapp vor Programm gelesen oder ein Plakat ge- „Überhang“ von 2 %-Punkten von Erst- Wahlkreise Leipzig 2 (7,4 %-Punkte), Grünen und SPD drittstärkste Kraft. Mit sehen haben. Die inhaltlich-program- stimmen weicht im Jahr 2019 also nicht Leipzig 4 (6,7), Leipzig 3 (5,6), Chemnitz diesem Ergebnis ist unsere Partei auf matischen Überlegungen der Wählerin- wirklich von dem im Jahr 2014 ab. In 2 (5), Leipzig 6 (4,8) und Leipzig 7 (4,3). den Wert vom Oktober 1990 zurückge- nen und Wähler werden ergänzt um die absoluten Stimmen verliert DIE LINKE Im Erzgebirge lag Spitzenkandidat Rico worfen. Unsere Landtagsfraktion wird Frage, welche Themen gesellschaftlich 85.170 Zweistimmen. Gebhardt im Wahlkreis Erzgebirge 2 3,6 von 27 auf 14 Abgeordnete halbiert. gerade als wichtig erscheinen. Eine in- Punkte über dem Zweitstimmenergeb- Zwar sind besonders viele Wählerin- haltlich-programmatische Übereinstim- Ergebnisse auf Wahlkreisebene nis. Ein ebenso hoher Abstand lag in nen und Wähler zur Urne geschritten, mung in den Feldern A, B und C mit Par- den Wahlkreisen Zwickau 5, Meißen 1 doch von allen Wahlberechtigten haben tei X kann also trotzdem dazu führen, DIE LINKE ist in keinem (!) der sächsi- und Dresden 5 vor. sich in Sachsen letztlich dennoch nur dass Partei Y mit Übereinstimmung im schen Wahlkreise mehr stärkste Zweit- noch 6,8 % für DIE LINKE entschieden. Feld D gewählt wird, weil D gerade als stimmen-Kraft. Nur in einem Wahl- Vor der Landtagswahl wurden Kriteri- SPD und LINKE verlieren zusammen das wichtigere Thema gewertet wird. kreis (Leipzig 2, Juliane Nagel) konnten en für strategische Wahlkreise festge- 13,2 %-Punkte, so dass auch mit dem wir das Direktmandat holen und unser legt, letztlich bewarben sich vier Leipzi- leichten Zugewinn der Grünen die be- Fragen wie „Sind die Silben auf den Erststimmenergebnis weitgehend hal- ger und ein Chemnitzer Wahlkreis und reits bisher schwach vertretenen Mitte- Plakaten richtig getrennt?“ oder „Wer ten (-0,9 %-Punkte). In einem Wahl- erfüllten die Kriterien. In einem dieser Links-Parteien 10,3 %-Punkte verlieren steht auf Platz Z der Landesliste?“ dürf- kreis konnten wir unser Erststimmen- Wahlkreise (Leipzig 2) konnte das Di- und mit einem Gesamtanteil von unter ten dagegen weitgehend bedeutungs- ergebnis auf sehr niedrigem Niveau rektmandat verteidigt werden, im Wahl- 27 % der gültigen Stimmen noch unter los sein. Der Ausgang von Wahlen ist ausbauen (Leipzig 4, Marco Böhme, kreis Leipzig 4 betrug der Abstand zur dem Stimmenanteil der AfD liegen. vor allem Ergebnis gesellschaftlicher +0,6 %-Punkte). Bezogen auf die Zweit- bei den Erststimmen erstplatzierten Verhältnisse, Diskurslagen und des Bil- stimmen sind wir in über der Hälfte Partei 2,5 %-Punkte, im Wahlkreis Leip- Wahlentscheidungen des von Parteien, die allesamt nicht der Wahlkreise einstellig geblieben (36 zig 3 7,6 %-Punkte und in den verblei- räumlich auf das Wahlgebiet oder zeit- Wahlkreise). Unser Zweitstimmenan- benden zwei strategischen Wahlkrei- Eine einzelne Wahlentscheidung eines lich auf die konkrete Wahl beschränkt teil rangiert zwischen 20 % und 6,3 %. sen etwas über 10 %-Punkten. Die als einzelnen Wählers oder einer einzel- sind. Sie sind nicht vor allem Ergebnis Wie bereits die letzten Jahre erzielt DIE strategisch definierten Wahlkreise be- nen Wählerin ist Ergebnis zahlreicher der Wahlkampagnen der Parteien, die LINKE in den größeren Städten tenden- finden sich damit gemeinsam mit den Einflüsse und (unvollständiger) Infor- immer nur sehr begrenzt versuchen ziell bessere Ergebnisse. Die Spann- Wahlkreisen Leipzig 6, Leipzig 7, Dres- mationen. Auf jede Wählerin und je- können, an die vorhandenen oben ge- breites unseres Verlustes in %-Punkten den 5 und Dresen 7 in denen – trotz den Wähler treffen eine nahezu unbe- nannten Faktoren anzuknüpfen. Da ei- liegt in den Wahlkreisen zwischen -4,4 teilweise noch deutlichen Abstands grenzte Anzahl an soziostrukturellen ne einzelne Partei aber selbst im Feld %-Punkten (Leipzig 4) und 11,9 %-Punk- – die Differenz zur Wahlkreissiegerin/ Eigenschaften zu: Geschlecht, Alter, der Wahlkämpfe nur eine Akteurin un- ten (Meißen 1). Bezüglich dieser Zahlen zum Wahlkreissieger noch am gerings- Wohnort, Beruf, Bildung, Lebensstand, ter vielen ist, kann sie selbst dieses gibt es auf Wahlkreisebene keine einfa- ten ausfällt. Einkommen, Konfession, Zugehörig- Feld nur bedingt kontrollieren. Sie kann che Stadt-Land-Spaltung: Zwar liegen keit zu Großorganisationen und derglei- in Wahlkämpfen weder ein neues Bild von den sieben Wahlkreisen mit Verlus- Ergebnisse auf Gemeindeebene chen mehr. Gleichzeitig sind alle Wahl- ihrer selbst zeichnen noch alleine ei- ten von 7 %-Punkten oder weniger vier berechtigten mit einer Vielzahl äußerer nen Diskursraum, der größer ist als ihr in Leipzig und zwei in Dresden, doch Die Untersuchung der Wahlergebnisse Einflüsse konfrontiert: Das persönli- Wahlgebiet, signifikant verschieben. liegen alle Chemnitzer Wahlkreise, auf Gemeindeebene als kleinste Ein- che Umfeld (Familie, Freundeskreis, zwei Leipziger Wahlkreise sowie zwei heit, bei der statistische Daten sowohl Kolleg*innen) in der digitalen wie ana- Das Wahlergebnis in Sachsen Dresdner Wahlkreise über dem Lan- von Wahlen als auch über soziostruk- logen Welt, sie konsumieren verschie- desverlust – teilweise deutlich. Bereits turelle Zusammenhänge von den sta- dene Nachrichten und Zeitungen und Mit der Landtagswahl 2019 verliert DIE auf Wahlkreisebene zeigt sich: Leipzig tistischen Landesämtern veröffentlicht gegebenenfalls begegnen vor der Wahl LINKE die dritte Landtagswahl in Folge und Dresden sind nicht nur Leipzig und werden, ist schwieriger, als man anneh- auch der Eigenwerbung der Parteien. Stimmenanteile im Vergleich zur jewei- Dresden, sondern in sich differenziert. men könnte. Das liegt nicht zuletzt dar- ligen Vorwahl. Wie bereits bei den letz- an, dass viele der Einheiten, die als eine Die Wahlentscheidung ist ein kom- ten drei Wahlen liegen auch 2019 Eu- In 57 Wahlkreisen liegt unser Erststim- Gemeinde fungieren, tatsächlich recht plexer Prozess, in den sowohl inhalt- ropa- und Landtagswahlergebnis nahe menergebnis über dem Zweitstimmen- verschiedene Lebensorte darstellen. lich-programmatische Überlegungen, beieinander, auch wenn 2019 das erste ergebnis, was keine neue Entwicklung So ist die Gemeinde Grimma die flä- langfristige Bindungen, strategische Mal im genannten Zeitraum das Land- ist. Die drei Wahlkreise, in denen dies chenmäßig viertgrößte Stadt Sachsens, oder taktische Gedankenspiele, eine tagswahlergebnis sogar leicht unter nicht der Fall ist, sind der Wahlkreis die aus 13 Ortschaften und 64 Ortstei- Kandidat*innen-Orientierung und na- dem der Europawahl liegt. Landesweit des Ministerpräsidenten (Görlitz 2), des len besteht. Wenn also die Gemeinde türlich das allgemeine Bild von den Par- kommt DIE LINKE nur noch auf 10,4 % Landtagspräsidenten und Hans-Georg- Grimma Untersuchungsgegenstand ist, teien einfließen. Das Bild, das sich die der gültigen Zweitstimmen und 12,3 Maaßen-Freundes (Meißen 4) sowie in bleibt stets zu bedenken, dass dieser Wählerinnen und Wähler dabei von den % der Erststimmen (2014: 18,9 % der einem Wahlkreis in SOE, wobei der Un- aus letztlich vielen verschiedenen Or- Parteien machen, ist selbst nicht losge- ten besteht, die sich hinsichtlich Ein- löst von Raum und Zeit, sondern eine wohnerzahl, öffentlicher Versorgung, Art ständig von vielen Pinseln gezeich- Verkehrsanbindung und vielerlei Merk- netes Gemälde. Das Bild einer Partei male mehr doch erheblich unterschei- wird zu keinem Zeitpunkt X neu ge- den. zeichnet. Das aktuelle Bild, dass Men- schen von einer Partei haben, basiert Von den 415 Gemeinden (ohne Leipzig, immer auf einem ähnlichen Vorgänger- Dresden, Chemnitz und Zwickau) fällt Bild. Das Bild ist auch zumeist ein Ge- DIE LINKE in 21 Gemeinden unter einen samtbild der Partei: Wählerinnen und Stimmenanteil von 5 %. In insgesamt Wähler haben kein Bild vom Bundesver- 350 Gemeinden bleibt sie einstellig. band, eines vom Landesverband X und Die fünf größten Städte Sachsens stel- eines vom Kreisverband Y an der Wand len insgesamt 36,3 % der Wahlberech- hängen, sondern nur eines, das alle die- tigten, aber 47,1 % der Stimmen, die se Ebenen vereint. Dominant bei der DIE LINKE bei der Landtagswahl 2019 Zeichnung sind diejenigen „Pinsel“, die erhielt. Die an Wahlberechtigten 32 eine besonders hohe Reichweite oder kleinsten Gemeinden (bis 1.000 Wahl- aber einen besonders hohen Grad an berechtigte) stellen nur 0,8 % aller Nähe haben (persönliche Kontakte). sächsischen Wahlberechtigten und 0,5 Landesverbände von Parteien können % unserer Wählerinnen und Wähler bei sich daher nur in sehr seltenen Aus- der Landtagswahl 2019. Die insgesamt nahmefällen (positiv) vom Bild ihrer je- Abbildung 1: Haltequote zur Landtagswahl 2019 50 Gemeinden zwischen 10.000 und Sachsens Linke! 10/2019 Seite 4 Blickpunkt Landtagswahl

50.000 Wahlberechtigten machen mit Auch zu den Grünen sind spürbar mehr n Mit der Eventisierung der Wahlkämp- haltlich - wahrgenommenen Polen Grü- 26,7 % über ein Viertel der Wahlberech- Wähler*innen gewechselt als bei allen fe hat sich auch die Berichterstattung ne und AfD geprägt und andererseits tigten aus und haben einen Anteil an anderen Wahlen zuvor. Auch wenn ihr gewandelt, weg vom trockenen thema- dazu passend thematisch von den Fel- 23,1 % der Wählerinnen und Wähler von Anteil mit 5 % deutlich geringer ist als tischen Tagesschau-Stil hin zu Berich- dern Umwelt- und Klimapolitik sowie DIE LINKE. Mit Ausnahme der acht Ge- derjenige der Union, ist er auf Grund ten über Events, Äußerungen, Persönli- Migrations- bzw. Asylpolitik geprägt. meinden, in denen 25.000 bis 50.000 der nach wie vor geringen „Größe“ der ches, vermeintliche Skandale etc. Letztgenanntes Thema bestimmt letzt- Wahlberechtigte leben, sowie der Stadt Grünen in Sachsen nicht zu unterschät- n Durch die permanente Dynamik und lich seit mehreren Jahren die öffentli- Dresden lässt sich grundsätzlich fest- zen und dürfte vor allem in den Städten unabgeschirmte Dauerbeobachtung chen Debatten und hat einen ungeheu- halten, dass das Abschneiden von DIE stattgefunden haben. So gering wie nie ist auch jede Form von Fettnäpfchen ren Mobilisierungsschub (nicht nur in LINKE mit steigender Gemeindegröße und passend zur hohen Wahlbeteiligung wahrscheinlicher geworden. eine Richtung) ausgelöst. Diese Debat- (Zahl der Wahlberechtigten) wächst. fällt hingegen der Anteil derjenigen aus, n In vielen der letzten Landtagswahl- ten wurden freilich nicht nur öffentlich die uns bei der Vorwahl ihre Stimme ga- kämpfe haben Personen eine starke zwischen den Parteien geführt, son- Wähler*innenwanderungen ben und bei dieser Wahl nicht zur Wahl Rolle gespielt, waren gleichzeitig aber dern – gleichfalls öffentlich wahrnehm- gegangen sind. für die Wahlentscheidung für bspw. die bar - auch innerhalb derselben, wobei Die Wählerwanderung basiert auf den AfD fast überhaupt nicht relevant. Der hier vor allem DIE LINKE sowie beide Wahltagsbefragungen der Umfragein- Etwa 63 % unseres Elektorats von 2019 Fokus auf Berichterstattung über Per- Unionsparteien zu nennen sind. Die da- stitute, in diesem Fall von Infratest di- haben uns bereits 2014 gewählt (Ab- sonen hat wohl auch deshalb zugenom- mit einhergehenden (wenn auch nicht map. Diese Befragungen sind im All- bildung 2). Den größten Anteil an „neu- men, weil es zur Dynamisierung (s.o.) nur damit zu erklärenden) harten De- gemeinen recht treffsicher, aber leider en“ Wählerinnen und Wählern machen passt, die handelnden Akteure einfa- batten und Auseinandersetzungen dürf- sind gerade die besonders spannen- mit einem Anteil von ca. 17 % an unse- cher erreichbar sind und auch bei ge- ten die Wahrnehmung von DIE LINKE in den Zahlen der Wählerwanderungsbe- ren Stimmen diejenigen aus, die sich sunkener Recherchekapazität (Wandel den letzten Jahren nicht unwesentlich wegungen die problematischsten. Um 2014 nicht an der Landtagswahl be- der Medienlandschaft) ein dankbarerer geprägt haben. An dieser Gesamtkon- die Wanderung zu berechnen, werden teiligten. Etwa 5 % sind Erstwählerin- Gegenstand der Berichterstattung ist. stellation konnten auch einige positive Wählerinnen und Wähler auch gefragt, nen und Erstwähler und 4 % Zugezo- n Die klassischen Medien unterliegen Akzente, wie das erste die DIE LINKE wen sie bei der letzten Wahl gewählt gene. Knapp 6 % machen vormalige zwar all diesen genannten Prozessen, einschließende Mitte-Links-Bündnis in haben. Diese Rückerinnerungsfrage Wähler*innen der SPD aus während haben gegenüber dem, was abseits von einem rein westdeutschen Bundesland bezieht sich also auf eine Wahl, die vor die vorherigen Wähler*innen anderen Ihnen im Netz passiert, aber nicht per oder die sozialpolitischen Vorstöße in fünf Jahren stattgefunden hat und seit Parteien nur insgesamt knapp 7 % un- se an Einfluss verloren, sondern sich der Frage der Mieten in Berlin, kaum et- der mehrere weitere Wahlen anderen serer Wählerinnen und Wähler ausma- eben diesem angepasst und wirken als was ändern. Typs vergangen sind. Wenn man keine chen. Vor allem der AfD und in Teilen Impulsgeber und Verstärker. Wechselwählerin/kein Wechselwähler auch der CDU ist es gelungen, vormali- Bei dieser Wahl standen in der öffent- ist und zu jeder Wahl die gleiche Par- ge Nichtwählerinnen und Nichtwähler Insgesamt spielte in Sachsen (in die- lichen Debatte und Berichterstattung tei wählt, lässt sich diese Frage leicht zu aktivieren. Insgesamt 40 % derer, die ser Form vermutlich erstmals) eine Fragen im Vordergrund, bei denen wir beantworten. Wechselt man aber zwi- 2014 der Wahl fernblieben und auch bei Fokussierung auf die Frage „Wer wird nur eine Nebenrolle spiel(t)en. Das wa- schen Parteien, splittet Erst- und Zweit- der Landtagswahl 2019 in Sachsen hät- stärkste Partei“ eine Rolle, die in die- ren: stimme und kann diese gegebenenfalls ten teilnehmen können, haben sich im ser Form erwartbar aber nur CDU und n inhaltliche Debatten: Der Themen- nicht genau auseinanderhalten, wird September 2019 für eine Wahlteilnah- AfD inkludierte. Auch die Koalitionsfra- komplex Sicherheit/Migration und das die Beantwortung rasch sehr fehler- me entschieden. Nur 6 % der vormali- ge wurden offen diskutiert: Nachdem Feld Umweltpolitik. Davon profitieren anfällig. Die Wanderungszahlen bieten gen Nichtwähler*innen, die sich an die- die SPD sich in der Frühphase zunächst – unabhängig, ob berechtigt oder nicht eher eine grobe Orientierung. ser Wahl beteiligten, stimmten für DIE als alleiniger Garant dafür präsentier- – vor allem die Parteien, die damit origi- LINKE. te, eine Regierungsbeteiligung der AfD när verbunden werden. DIE LINKE erreicht bei der Landtags- verhindern zu können, rückte sie öf- n „tektonische“ Debatten: Die Perso- wahl 2019 eine Haltequote von ca. 46 Wahlberichterstattung und fentliche zunächst von dieser Wahltak- nalisierung um Michael Kretschmer, die % (Abbildung 1). Das heißt, so viele Koalitionsdebatten tischen Argumentation ab. Stattdessen Debatte, wer stärkste Partei wird (Kopf- Wählerinnen und Wähler der Vorwahl betrat eine kleine Gruppe angeführt an-Kopf-Berichterstattung und -Debat- machten ihr Kreuz erneut bei DIE LIN- Die Berichterstattung vor Wahlen hat von einem ehemaligen SPD-Mitglied te) und der Fokus auf das Abschneiden KE. Knapp 15 % unserer Wählerinnen sich gewandelt. Einige Trends sind: das Spielfeld und warb offensiv für ei- der Rechten und mögliche Erwägungen und Wähler kamen gar nicht erst in die- ne gegen die AfD gerichtete Kenia- über Regierungskonstellationen und se Versuchung, da sie entweder das n Eine stärkere Fokussierung auf mög- Koalition, die (freilich nicht nur wegen Verhinderungen solcher. Bundesland (ca. 4 %) verließen oder liche Wahlausgänge („Horse Race“-Be- dieser Initiative) vor den Wahlen öf- verstorben sind (ca. 10 %). Knapp 5 % richterstattung) mit immer enger getak- fentlich diskutiert worden ist. Kurz vor Kurzum: Dort, wo Themen diskutiert beteiligten sich nicht an dieser Land- teten Umfragen und zahlreichen fast der Wahl und das Statement im MDR- worden sind, waren es nicht haupt- tagswahl und über ein Drittel wählte bei aus dem nichts auftauchenden (Wahl- Spitzenkandidat*innen-Duell nutzend, sächlich unsere. Dort, wo Konstella- dieser Wahl eine andere Partei. Knapp kreis-)Prognoseanbietern, die unabhän- fiel dann Martin Dulig leicht abgewan- tionen diskutiert worden sind, kamen ein Fünftel entschied sich für eine der gig von der Qualität ihrer Arbeit sowohl delt auf seine früheren Formulierungen wir kaum vor. Da nutzt es auch wenig, Parteien des rechten Lagers, nur etwas von der Presse als teilweise auch der zurück und warb offensiv für eine Ke- dass nach wie vor die meisten Men- mehr als ein Zehntel wanderten zu SPD eigenen Mitgliedschaft begierig aufge- nia-Koalition. schen die Vertretung Ostdeutscher In- (ca. 6 %) oder Grünen (ca. 5 %) ab. Die griffen werden. teressen am ehesten uns zutrauen (25 Haltequote bewegt sich deutlich unter- n Damit verbunden und durch die Ver- Gesellschaftliche Debattenlage %, Infratest dimap), unsere Kompetenz halb des Niveaus von 2014 (ca. 60 %, - änderungen im Parteienspektrum be- bei sozialer Gerechtigkeit im Vergleich 15 %-Punkte) aber auf dem Niveau der stärkt ein Fokus auf Koalitionsdebat- Bundesweit waren die Debatten einer- zu 2019 sogar leicht gestiegen ist (27 jüngsten Landtagswahlen in den drei ten. seits von den – tektonisch als auch in- %, +2 zu 2014, allerdings wenig aussa- anderen ostdeutschen Bundesländern. gekräftige Werte) oder sogar 44 % der von Infratest Befragten sagen, dass es Während der Anteil der verstorbe- an der Zeit sei, dass DIE LINKE auch in nen oder verzogenen Wählerinnen und Sachsen mitregiert – aber nur 10 % uns Wähler sich auf dem Niveau von 2014 wählen. und damit zumindest in ähnlichen Di- mensionen wie bei den anderen Land- Fehlende Aspekte und Vorschlä- tagswahlen seit 1990 bewegt (wenn- ge für eine weitere Debatte gleich der regelmäßige „Verlust“ von 10 % unserer Wählerinnen und Wäh- Diese Ergebnisdarstellung ist keines- ler durch Tod nach wie vor ein Prob- wegs vollständig. Es fehlt nicht nur lem bleibt) und auch bei der Abwan- noch eine Analyse der Ausschöpfungs- derung zur SPD keine nennenswerten quoten des Potenzials, die Bewertung Ausschläge zu verzeichnen sind, so ha- der Ergebnisse anderer Parteien oder ben sich erheblich mehr unserer Vor- die Darstellung und Bewertung der wahl-Wähler*innen für die Wahl der Wahlentscheidung nach Gruppen (Ge- CDU entschieden, als das bei einer an- schlecht, Beruf, Gewerkschaftsmitglie- deren Wahl im Betrachtungszeitraum der etc.), sondern zahlreiche weitere der Fall war. Auch der Anteil derjeni- denkbare Untersuchungen hinsichtlich gen, die nach „Rechtsaußen“ gewech- des Einflusses soziostruktureller Fak- selt sind, hat sich nahezu verdoppelt. Abbildung 2: Veränderungen unseres Elektorats im Vergleich zu 2014 toren. Seite 5 10/2019 Sachsens Linke! DIE LINKE. Kreisverband Zwickau Wir sind #unteilbar! Josiane Tauber schildert Eindrücke von der Demo in Dresden

„Dresden offen und bunt“ – dieses Mot- gerzone getroffen, wo er den Dialog mit der Aufschrift „Omas gegen rechts“, in menkommen in Dresden in bester Erin- to stand bei der „#unteilbar“-Demo En- den Bürgern suchte. Relativ zentral im den Händen mutiger älterer Damen am nerung behalten zu können. de August für Tausende im Mittelpunkt. Block der Linken sah man noch weite- Straßenrand. Die Route insgesamt war Gemeinsam versammelte man sich, um re bekannte Gesichter. Zusammen mit ca. 4,6 km lang und führte uns über die Der Besuch der „#unteilbar“-Demo war zu Solidarität und Gleichheit aufzurufen weiteren Mitgliedern hielt Caren Lay Wigardstraße, die Albertbrücke und die eine super Erfahrung. Auch der Kreis- und vor allem, um ein Zeichen gegen ein Plakat in den Händen: „Unsere Al- Güntzstraße. Auf den Lautsprecherwa- verband der LINKEN Zwickau war prä- Rechtsextremismus zu setzen. Diese ternative heißt soziale Gerechtigkeit. gen schallte Musik durch die Boxen, so- sent und wir haben uns gefreut, ein Inhalte und die Vielzahl von kämpferi- Gegen Rassismus und Hetze!“ Strah- gar eigene Interpretationen von Liedern paar bekannte Gesichter zu sehen. Ich schen Aktivisten bestärkten mich, als lend hielt sie das in Richtung Kamera. waren dabei. hoffe, wir finden uns bald wieder zu- Sympathisantin der Linkspartei, Teil der sammen, um uns gemeinsam gegen Veranstaltung zu sein! Als wir gegen 14:30 Uhr noch immer Schließlich sammelte man sich auf rechts zu erheben! vor dem Kulturpalast standen und der Cockerwiese. Es gab verschiede- Am 30 Grad warmen Samstagmorgen schon tausende Menschen an uns vor- ne Stände, an denen man gegen eine ging die Fahrt nach Dresden mit dem beigezogen waren, traten wir die Demo- Spende kulinarische Köstlichkeiten wie Treffpunkt Altstadt los. Mit dabei war route an. Der Block der LINKEN bildete einen feurigen Curry-Linsen-Eintopf auch Genosse Steffen Göbel. Am Mit- den Abschluss des Demozuges. Schnel- bekam. Hier sollte nun die Abschluss- Herbst 1989 – tag strebten wir Richtung Altmarkt, wo len Schrittes ging es dann vorwärts kundgebung stattfinden, die mit Mu- Reifung zwischen sich bereits die Anhänger der Demo zu- Richtung des „Queer“-Blockes, in den sik der „Banda Internationale“ einge- Besorgnis und sammenfanden. Über die Frage, in wel- wir uns einreihten. Auf dem Weg zu den leitet wurde. Auch hier gab es Vorträge chem Block wir wohl mitlaufen sollten, bunten Regenbogenfarben entdeck- auf der Bühne und rot-weiße Schals Hoffnung wurden wir uns ziemlich schnell einig: te ich unter den Demonstranten und wurden verteilt. So einen habe ich mir Es sollte der Block der LINKEN sein. Demonstrantinnen sogar Plakate mit schnell geschnappt, um das Zusam- 6. November 2019, 19 Uhr, Dieser bildete sich direkt vor dem Kul- BarTerre, Alter Gasometer, turpalast. Dort angekommen, suchten Kleine Biergasse 3, Zwickau wir nach Ausrüstung oder Schildern, um uns bemerkbar zu machen. Steffen Gäste: Diakon Dr. Daniel Frank, ergatterte einen großen roten Luftbal- Leiter des katholischen Büros im lon mit dem Schriftzug der Linkspartei, Freistaat Sachsen den er an meinen Rucksack knotete. Simone Hock, Mitglied im Beirat Nun konnte die Demo starten! des Demokratiebündnisses und im Katholikenrat des Bistums Dres- Bis zum Beginn um 14 Uhr wurden Sel- den Meißen fies geschossen und Gespräche ge- Moderation: Wolfgang Wetzel, Mit- führt. Wir suchten zudem Genosse glied im Beirat des Demokratie- René Hahn, der sich für „#unteilbar“ bündnisses angemeldet hatte. Als die Lautspre- cherwagen an uns vorbeifuhren, ent- Vor 30 Jahren erlebten wir in deckten wir ihn. „Es war schön, dass Deutschland aufregende und be- Leute des Landkreises Zwickau in Dres- wegte Zeiten. Im Sommer verlie- den vertreten waren“, meinte er spä- ßen viele Menschen die DDR, so ter. René hatte sich auch als Kandidat mancher kam nicht aus dem Ur- zur Landtagswahl gestellt. Vor kurzem laub zurück. Die Geflüchteten in hatte ich ihn in der Zwickauer Fußgän- der Prager Botschaft erhielten am 30. September die erlösende Nachricht, dass sie ausreisen kön- nen. Nach den Fluchtbewegungen Ein LINKER zu sein war noch nie einfach im Sommer kamen die Demons- trationen im Herbst. Und keiner Am 18.09.2019 traf sich unsere Basis- n Zu Wahlkampfzeiten maximal fünf auf die Kommunalwahl. Ähnlich ernüch- wusste, wie die Staatsmacht re- gruppe Wilkau-Haßlau. Das Thema war Themen aufgreifen und über einen län- ternd ist auch hier das Ergebnis ausge- agieren würde, ob sie mit Waffen- „Auswertung der Wahlen 2019“, vor- geren Zeitraum verfolgen. fallen. Bisher hatten wir im Stadtrat vier gewalt gegen die Demonstranten dergründig die Landtagswahl. Dazu be- Mandate von 18. Nach der Wahl sind vorgehen würde. Heute wissen wir, grüßten wir unsere Landesvorsitzen- n Persönliche Querelen und Auseinan- wir nur noch mit zwei Mandaten vertre- dass das nicht geschah. Doch wie de Antje Feiks. Nach der Begrüßung dersetzungen öffentlich auszutragen ten – trotz des engagierten Einsatzes erlebten Zeitzeugen diese Wochen durch Steffi Müller gab Antje eine um- schadet (Sahra Wagenknecht) unserer Kandidaten an Infoständen und und Monate? fangreiche Einschätzung. Offen und bei Flyer-Aktionen. Es ist nicht unse- ehrlich wurde das Ergebnis von 10,4 n Zum Thema „ Asyl und Migration“ re Art, über andere zu reden, eine Fra- Dr. Daniel Frank war damals als Prozent für DIE LINKE als große Enttäu- kann es keine Gleichschaltung geben. ge bewegt aber unsere Genossen: Wie Wehrpflichtiger im Grundwehr- schung bewertet. Unsere Themen des Eine Einzelfallprüfung hat zeitnah zu er- kann es sein, dass eine Partei wie die dienst in Zwickau stationiert und Wahlkampfes fanden beim Wähler nur folgen. AfD in Wilkau-Haßlau aus dem Stand erfuhr von den ersten Zwickauer am Rande Beachtung. Unsere Strate- fünf Mandate erringt, fünf Kandidaten Demonstrationen hinter den Ka- gie, mit Inhalten zu punkten, kam nicht n Es sollte für die LINKE selbstver- waren angetreten? Wir haben in Wilkau- sernenmauern bei Ausgangssper- an. Es ist leider so, dass viele Wähler ständlich sein, keine Militäreinsätze zu- Haßlau kein „Ausländerproblem“. Die re und Alarmbereitschaft „rot“. sehr oberflächlich oder gar nicht sich zulassen. Auch humanitäre Katastro- Kandidaten der AfD waren bisher kom- Er stellte sich damals die bangen mit den Programmen der Parteien be- phen sind nicht militärisch zu lösen. munalpolitisch nicht in Erscheinung Fragen: Werden wir den Befehl er- schäftigen. Fluch oder Segen kann man getreten, weder in Sport- oder Kultur- halten, uns gegen die Zivilbevölke- es nennen, dass die LINKE nicht mehr n Das Verhältnis zu den USA ist kri- vereinen, auch nicht in öffentlichen Ver- rung zu stellen? Und was erwartet als Protestpartei wahrgenommen wird. tisch zu hinterfragen. Handlanger der anstaltungen. Diese Fragen konnten mich, wenn ich mich dem verwei- Antje hob jedoch auch hervor, dass es derzeitigen Führung der USA zu sein ist nicht beantwortet werden. gere? Simone Hock war damals 15 auch in jetziger Zeit möglich ist, das abzulehnen. Jahre alt, erlebte als Zuschauerin Beispiel Leipzig zeigt es, Direktman- Mein Fazit: Um die politische Kultur ist die Demonstration vom Wohnzim- date zu erringen. Ihr Fazit: Hinfallen ist n Das Verhältnis zu Russland ist zu nor- es zurzeit sehr schlecht bestellt. Bange merfenster aus und hatte ein eher keine Schande, Aufstehen ist wichtig. malisieren und im europäischen Inter- machen gilt nicht! Ein LINKER zu sein mulmiges Gefühl. Was passiert In diesem Sinne entwickelte sich eine esse positiv zu gestalten. war noch nie einfach. hier gerade und was bedeutet das rege Diskussion. In Kürze zusammenge- für die Zukunft? fasst waren wir uns einig: Ein Teil der Diskussion bezog sich auch • Joachim Michel, Wilkau-Haßlau Sachsens Linke! 10/2019 Seite 6 DIE LINKE. Kreisverband Meißen Linke Politik lohnt sich – wir bleiben dran Von Bärbel Heym, Fraktionsvorsitzende im Kreistag

Seit langem beschäftigt sich unsere und „Teilhabe“ der Friedrich-Ebert- Fraktion mit den komplexen Fragen Stiftung. Übereinstimmend wurde der Pflege. Bewährt hat sich die Praxis sichtbar, dass komplexe Fragen der unserer alljährlichen Aktionswochen Daseinsvorsorge ein Schlüssel für zum Thema. Lebensqualität in ländlichen Räumen sind. Eröffnet werden diese mit einer Land- tour in unserer Region, wo uns immer Daraus erwachsen auch neue Fragen wieder die Herausforderungen der am- der interkommunalen Kooperation, bulanten Pflege im ländlich geprägten denen wir uns zu stellen haben: Ver- Raum deutlich werden. sorgung, Gesundheitsförderung und Die Bedeutung dieser Thematik altersgerechtes Bauen. zeigten die dabei geführten Bürgerge- Abschließend wurde die Hochschule spräche im öffentlichen Diskurs und Mittweida mit einer Studie beauftragt, die spürbar anerkennende Wertschät- in fünf Kommunen unseres Kreises zung gegenüber den im Pflegebereich den realen Bestand zu analysieren Beschäftigten. Wir sahen allerdings sowie die Erfassung des Bedarfs und auch, wie viele Bürger Angst vor die Ableitung notwendiger Handlungs- Pflegebedürftigkeit haben. Und diese schritte vorzunehmen. Ende 2020 sol- Sorgen sind berechtigt und müssen len diese Ergebnisse vorliegen und zu als Handlungsnotwendigkeiten auf Handlungsempfehlungen für unseren Riesa: Betreutes Wohnen auf dem Bauernhof Bundesebene erkannt werden. Kreis reifen.

Das betrifft In Hintergrundgesprächen z.B. mit Bereits im März dieses Jahres fand Unsere Fraktion – als Initiator – wird den Bürgermeistern von Stauchitz, eine Sonderberatung des Sozialaus- diesen Prozess natürlich weiter beglei- n die Kostensteigerung in der Alten- Hirschstein und Nossen wurde uns schusses statt, die eine Fachtagung ten. Man sieht: Unsere politische Ar- pflege, klar, dass sie sich ihrer Verantwortung „Angleichung der Lebensverhältnisse – beit durch Setzen inhaltlicher Akzente bewusst sind und nach Wegen suchen, eine Herausforderung für die Altenhil- wird anerkannt und zeigt Wirkung. n die Pflegeversicherung, die ihre ei- die Situation zu verbessern. Aber die fe“ am 24. September 2019 initiierte. gentliche Aufgabe verfehlt. Sie gehört Rahmenbedingungen erschweren reformiert zu einer Pflegevollversi- ihnen das. Die von uns aufgerufenen Themen cherung, in die alle verpflichtet sind wurden aus unterschiedlichster Sicht einzuzahlen. Unsere Eindrücke und Erfahrungen beleuchtet. Wie unsere Region im mündeten in unseren Entschluss, die- deutschlandweiten Vergleich einzu- Alltägliches n die Gestaltung der Infrastruktur. se Fragen zum Thema im Kreistag zu ordnen ist, zeigte unter anderem die Bund und Länder dürfen sich nicht aus machen. Den entsprechenden Antrag kartografischen Unterlagen „ZDF- Ich kann es nicht fassen. Niemand der Verantwortung stehlen. stellten wir im Mai 2018. Deutschland“, „Progros-Zukunft“ 2019 kann es fassen. Ich weiß nicht, wie lange wir weinend und uns umar- mend auf der Straße standen. Dein Weinen erst leise und wimmernd, dann zu einem schmerzvollen Salam, Priwijet, Bonjour, Schalom Klagen werdend. „Auf Wiedersehen hat er gesagt. Auf Wiedersehen. Auf Wiedersehen.“ Mit deinen Kindern Interkulturelle Woche 2019 – nicht ohne uns! Von Reinhard Heinrich hast du es bis hierher geschafft. 6.000 km. Ihr habt Afghanistan Ungefähr in dieser Reihenfolge be- Jahr in einer Coswiger Einrichtung Verein gleichen Namens. Der treibt überlebt und die gefährliche Flucht. grüßen wir Freunde und Teilnehmer tätig. Flüchtlinge? Ja, auch. Aber eben Gelder ein und lässt sie satzungsge- Du wolltest, dass deine Kinder unserer Deutschkurse in der Initiative nicht nur. mäß in die verschiedenen Projekte leben. Jetzt ist dein Junge tot. „Coswig – Ort der Vielfalt“. Oder fließen. Deutschunterricht ist nur Gestorben in einem Dresdner Kran- auch beim Fest der Vielfalt. Natürlich Jahrelang fand sie wenig Beachtung eines. Die „Kochschule Internatio- kenhaus. Er hatte sich aufgegeben. auch mit ¡Hola, buenos diaz! – wobei – von links – im Kreis Meißen: die nal“, die Fahrradwerkstatt und noch Deutschland wollte ihn nicht. So der jüdische Mexikaner aus Dresden Interkulturelle Woche. Und gänzlich einiges mehr findet sich unter www. wie deinen anderen großen Sohn. Iwrit (modernes Hebräisch) kaum ohne Beschluss von oben hat sich das coswig-ort-der-vielfalt.de. Du und die beiden jüngeren haben gebraucht. Mit Tschetschenen und geändert. Wie geht das? Hinter der Aufenthaltsrecht bekommen. Sie anderen Ex-Sowjetbürgern klappt weit offenen Initiative, die alle Coswi- Und wieso ist DIE LINKE.Coswig wollten deine Familie trennen. Jetzt Russisch noch ganz gut. Das Bonjour ger guten Willens gern mitarbeiten mittendrin? Zwei der fünf Vorstands- hast Du Angst, dass dein anderes gilt der jungen Frau aus Togo, studier- lässt, muss es noch eine juristische mitglieder gehören zu uns. Wenn das Kind verrückt wird. Wie viel kannst te Soziologin, im Freiwilligen Sozialen Person geben: den eingetragenen mal nichts ist! du ertragen? Du hast so unermess- lich gelitten, bist an Leib und Seele verwundet.

Vorgestern habt ihr den toten Mal „Danke!“ sagen im Kreis Meißen Körper deines Kindes aus dem Krankenhaus geholt. Gestern wurde Erfreut – ist der Verein „Coswig – Ort Präsidentin jetzt ganz für sich zu einzelne Stadträte, darunter Uta Knebel er gewaschen und nach Afghanistan der Vielfalt“ (siehe oben) über die haben. SODiS fördert und unterstützt (DIE LINKE, federführend), einen Fir- überführt. Und du stehst vor mir. Bereitschaft linker Einwohner, sich auf Veranstaltungen sowie Wettbewerbe menkauf (RDL) der Stadt platzen lassen, Klein und zerbrechlich. Dein junges zwei von fünf Vorstandsposten einzu- von Menschen mit geistiger Behin- weil den Stadträten eine Entscheidung Gesicht wirkt leer. Deine schönen bringen. Konkrete Arbeit für konkrete derung und ist über seinen Bundes- im Blindflug abverlangt worden war. Das Augen haben keine Tränen mehr. Integration. Danke, ihr beiden! verband SOD Teil der internationalen „Herrschaftswissen“ der Verwaltung Sie haben zu viel weinen müssen. olympischen Bewegung. Danke, sollte über demokratische Mitwirkung Erleichtert – ist „Specialolympics Kerstin! hinweg Wünsche erfüllen helfen. Ging Es tut mir so leid. Deutschland in Sachsen e.V.“ (SODiS) aber schief. Danke, Uta! darüber, die bisherige Landtagsabge- Erschüttert – ist der Stadtrat zu Riesa. • Una ordnete Kerstin Lauterbach ab sofort Haben doch Handwerkskammer und • Reinhard Heinrich Seite 7 10/2019 Sachsens Linke! DIE LINKE.Kreisverband Erzgebirge Weil der Topf nun ein Loch hat … Finanzvorschläge von der Schatzmeisterin Angela Hähnel Müssen wir jetzt den Gürtel enger unsere Ortsvorsitzenden ist auch nicht material der Linken im Briefkasten hat. schnallen?! Im Prinzip ja. Ich sehe je- zu verachten. Das geht jedoch nur, n Um unseren Wahlkampf finanzieren doch darin die Chance, uns organisa- wenn alle Mitglieder eine Kreiszeitung zu können, müssen Rücklagen gebildet torisch, strukturell und finanziell neu erhalten und sich an der Refinanzierung werden und wir müssen mit unseren und besser aufzustellen. Dafür sollten beteiligen. Kommunalpolitiker*innen reden, da- wir sogar Geld in die Hand nehmen, mit sie Mandatsträgerbeiträge zahlen. auch wenn uns monatlich zwischen n Wir benötigen eine Beitragsehrlich- Wenn alle, die eine Aufwandsentschä- 500 bis 1.000 Euro in der Kasse feh- keit. Wenn jedes Mitglied seinen Bei- digung erhalten, monatlich fünf Euro len werden. Wie stelle ich mir das vor? trag entsprechend der Beitragstabelle bezahlen, können wir unsere Rückla- Wie können wir das erreichen? bezahlte, würden sich unsere Einnah- gen erhöhen. Schön wäre es, wenn sich men erhöhen. Zur Beitragsehrlichkeit auch jene Kommunalpolitiker*innen, n Wenn wir uns in Aue und Annaberg- gehört aber auch, dass unsere Mitglie- die „nur“ Sitzungsgeld erhalten, eben- Buchholz kleinere, barrierefreie und der ihren Beitrag regelmäßig bezahlen falls Mandatsträgerbeiträge zahlen attraktivere Büroräume suchen, kön- und nicht erst nach einer schriftlicher würden. nen wir die Büros in Marienberg und Mahnung durch die Schatzmeisterin. Stollberg noch finanzieren. Unsere n Unsere Bundes- und Landtagsab- Bürgerbüros müssen wieder Begeg- n Unsere Öffentlichkeitsarbeit muss geordneten müssen mehr mit unse- nungsorte werden. verstärkt werden. Internet und Face- ren Stadt- und Gemeinderäten zu- book müssen immer aktuell sein. Land- sammenarbeiten. Die Probleme der n Unsere Organisationsstruktur muss kreistour, thematische Anzeigen und Bürger*innen müssen mehr in den Mit- auf den Prüfstand. Aus meiner Sicht regelmäßig Einladungen schreiben, die Anzeigen zur Veranstaltungsankündi- telpunkt rücken. Wir müssen uns wie- ist sie zu groß und wir erreichen nicht dann per Post an unsere Mitglieder ge- gung müssen weiter finanziert werden. der mehr in Vereinen und Organisatio- mehr alle Mitglieder. Letzteres halte hen. Damit sparen wir Kosten und das Ziel muss es sein, das fast jeder Haus- nen engagieren. Auch diesen können ich für besonders wichtig. Im Wahl- nicht nur beim Porto. Der Zeitfaktor für halt im Erzgebirge einmal im Jahr Info- wir unsere Räumlichkeiten zur Verfü- kampf habe ich erlebt, dass sich viele gung stellen. Mitglieder beteiligen wollten, wir aber Annaberg Aue-Schwar- Mittleres Stollberg sie nicht erreichen und damit nicht Damit könnten wir das Loch im Topf zenberg Erzgebirge einbezogen haben. stopfen, bevor er leer wird. Unsere Fi- nanzen gehen uns alle etwas an. Sie n Wir müssen unsere Stadt- und Ge- sind nicht nur die „Spielwiese“ von Mitglieder- meinderäte mehr unterstützen und 17,15 % 43,68 % 18,95 % 20,22 % Schatzmeister/innen. Da ich das Ge- anteil das muss vor Ort in den Kommunen fühl habe, dass meine Übersichten über erfolgen. Die Wege sind kürzer und wir Durchschnittsbeiträge und -spenden in beziehen mehr Mitglieder in die Ar- den einzelnen Gliederungen nicht rich- Beitrags- beit ein. 21,81 % 44,24 % 15,99 % 17,96 % tig angekommen bzw. ernst genommen anteil wurden, habe ich mir erlaubt, kleine n Unsere aktiven Mitglieder sind fast Übersichten meinem Beitrag anzufü- immer auch jene Mitglieder, die viel gen. Für meine Nachfolgerin oder mei- Spenden- spenden. Natürlich gibt es auch Aus- 27,89 % 48,22 % 15,5 % 8,39 % nen Nachfolger wünsche ich mir, dass anteil nahmen. Mitglieder, die nicht zu unse- Mahnungen Geschichte werden, dass ren Versammlungen oder Veranstal- alle spenden, dass ohne Diskussion tungen kommen, werden selten um Beitrags- für alle Aktivitäten Finanzpläne erstellt Spenden oder eine Erhöhung des Mit- durchschnitt 15,81 € 14,84 € 11,72 € 12,90 € werden und alle an einem Strang zie- gliedsbeitrages gebeten. pro Mitglied hen. n Unserer Kreiszeitung muss einen Spenden- größeren Stellenwert erhalten. Neben durchschnitt 23,57 € 25,82 € 13,24 € 10,23 € Berichten muss sie zu Diskussionen pro Mitglied anregen und mehr für Informationen genutzt werden. Wenn alle Termine in Zahl der Orts- der Kreiszeitung veröffentlicht werden, 2 5 3 1 verbände müssten Ortsvorsitzende nicht mehr

Einladung zur Gesamtmitgliederversammlung

9. November 2019, 9-16 Uhr; Ferienho- n Vorstellung, Anfragen und Die konkretisierte Tagesordnung und tel Markersbach, Obermittweida 5, Ra- Wahlhandlung der Zeitplan werden zur Gesamtmitglie- schau-Markersbach / OT Markersbach derversammlung beschlossen. Kreisvorsitzende/r Vorläufige Tagesordnung: Stellv. Kreisvorsitzende/r Der Kreisvorstand hat beschlossen: Die Geschäftsführer/in Einladung der Mitglieder des Kreisver- n Begrüßung Schatzmeister/in bandes der LINKEN.Erzgebirge erfolgt Mitglieder des Kreisvorstan- nur durch die Landeszeitung. Die Koor- n Abstimmung zu Tagesordnung, Ge- des dinierungsräte und die Ortsverbände 3.0 BY-SA Commons, Wikimedia CC Halank, Sandro schäftsordnung und Arbeitsgremien Delegierte für den Bundes- sind für die Information aller Mitglieder parteitag der LINKEN.Erzgebirge verantwortlich. Gregor Gysi kommt n Berichte und Diskussion/Nachfragen Delegierte für die Landes- nach Oelsnitz! zu den Berichten seniorenkonferenz Mitglieder, die länger als vier Monate keinen Beitrag bezahlt haben, erhal- des Kreisvorstandes n Diskussion ten kein Stimmrecht und können an Samstag, 12. Oktober, 17-18:30 Uhr der Schatzmeisterin der Wahl nicht teilnehmen. (Grundlage: der Arbeitsgruppen n Beschlussfassung Bundessatzung § 4 Abs. 3) Stadthalle Oelsnitz, Rathausplatz 3, 09376 Oelsnitz/Erzgebirge n Satzungsänderungen n Schlusswort • DIE LINKE. Erzgebirge Sachsens Linke! 10/2019 Seite 8 Überlegungen zum Wahlergebnis Reinhard Kluge plädiert dafür, in der Bewertung Maß zu halten

Das Wahlergebnis der LINKEN ist mehr Wer sich das Wahlprogramm noch haben, warum haben wir dennoch an Auch der beste Wahlkampf kann offen- als enttäuschend. Aber wir sollten bei einmal ansieht, wird mir zustimmen, Einfluss verloren? Ein wichtiger Grund sichtlich das Defizit nicht ausgleichen, der Bewertung auch Maß halten. Von es entspricht den objektiven Inter- liegt in der abnehmenden Kampag- das darin besteht, dass wir nicht mehr einer Katastrophe zu sprechen, hal- essen der Arbeiter und Angestellten, nenfähigkeit infolge des Mitglieder- über ausreichend stabile Kanäle verfü- te ich nicht für angemessen. Wir ge- der Rentner, der Mieter bis hin zu den schwundes und des wachsenden Al- gen, um unser politisches Programm hen geschwächt, aber mit einer guten Handwerkern, Universitätsangehö- tersdurchschnittes besonders auf dem und unsere Aktivitäten in unserer po- Fraktion in den Landtag. Unsere Kern- rigen, Selbständigen und Kleinunter- Land, der schwindenden Verankerung tenziellen Wählerschaft zu verbreiten. wählerschaft hat zu uns gehalten. Das nehmern, also allen, die den Verwer- in den Gemeindevertretungen und in Das gilt namentlich auch für die wich- ist auch ein Ergebnis des engagierten fungen des Finanzmarkt-gesteuerten Beratungsgremien (z.B. bei Miete und tige Arbeit unserer Parlamentsfraktio- Wahlkampfes vieler Funktionäre, Abge- modernen Kapitalismus und der gegen- Rente) und in der Zivilgesellschaft. DIE nen. Es ist nicht zu erwarten, dass viele ordneter und Mitglieder der Partei, die wärtigen Politik der großen Koalition LINKE ist auf dem Land und in man- Menschen in der Lage wären, die Über- dafür Dank verdienen. Zwölf Prozent besonders ausgesetzt sind. Ich halte chen Kleinstädten im Alltag weithin tragungen der Parlamentssitzungen in unserer Wähler haben aus taktischen nichts davon, jetzt eine Diskussion da- nicht mehr erlebbar. Das passiert in den Nachrichtenkanälen zu verfolgen. Gründen die CDU gewählt. Sie haben rüber zu beginnen, welche dieser Grup- einem politisch-geistigen Klima, das Was fehlt, sind ausführliche Berichte mitgeholfen, dass die Rechte ihr Wahl- pen wir zu priorisieren haben. Für eine über die Medien darauf gerichtet ist, über die Parlamentsdebatten, wie sie ziel deutlich verfehlt hat. Wir haben Transformation des Kapitalismus ist die Bürger des politischen Denkens zu zu Zeiten August Bebels üblich und po- auch nicht, um ein Wort aus dem ND zu die gemeinsame Aktion aller dieser ge- entwöhnen, so dass sie eher den politi- litisch höchst wirksam waren. verwenden, unsere „Deutungsmacht“ sellschaftlichen Schichten notwendig. schen Worthülsen der äußersten Rech- eingebüßt. Das würde heißen, unser Wenn also, wie ich glaube, Wahlpro- ten folgen. Die Herrschenden kopieren Wir brauchen eine breite Debatte da- Wahlprogramm mit den Kernthemen gramm und Wahlkampf den Erforder- politische Erfahrungen des Machter- rüber, welche Informationskanäle Frieden, Solidarität, sozialökologische nissen im Wesentlichen entsprochen halts am Ende der Weimarer Republik. und -mittel unter den gegenwärtigen Wende hätte der politischen Realität schwierigen Bedingungen der geistig- nicht entsprochen. kulturellen Vorherrschaft der bürgerli- chen Ideologie uns zur Verfügung ste- Sicher sollten wir darüber beraten, ob hen bzw. entwickelt werden müssen, der eine oder andere Akzent aufgewer- um den Kontakt zu breiten Wähler- tet werden sollte, ob etwa das Thema schichten wieder zu gewinnen. Dabei Ökologie einen höheren Stellenwert könnten uns zum Beispiel regelmäßige bekommt. Als problematisch hat sich Rechenschaftslegungen aller unserer die uneinheitliche Position der LIN- Abgeordneten vor den Wählern helfen, KEN zur Frage der Flüchtlingsproble- die wenigstens vier Mal im Jahr statt- matik erwiesen, umso mehr, als nach finden sollten. Auch über breitere Öf- den diesbezüglichen Differenzen in der fentlichkeitsarbeit in den Zeitungen Führungsetage keine einheitliche über- sollte nachgedacht werden, wie sie von zeugende Position erarbeitet worden manchen Abgeordneten und Funkti- ist. Hier ist jedenfalls kein Raum für Ge- onsträgern vorbildlich gemacht wird. dankenspiele, die unseren humanisti- Schließlich sollten uns die Erfahrungen schen Idealen nicht gerecht werden, jener Kreisverbände, die in der Wahl selbst wenn zu erwarten ist, dass uns überdurchschnittlich gut abgeschnit- viele Wähler dabei nicht folgen werden. ten haben, besonders interessieren.

Das Elend der LINKEN René Lindenau fordert mehr Politik anstelle weiterer Politik-Papiere

DIE LINKE scheint endgültig ange- sprechend Bescheid weiß? Ferner hat war 2012. Man hat den Eindruck, erst über „Die kommende Demokratie: So- kommen zu sein. Nein, sie ist nicht im sich die Linkspartei zahlreiche Themen die Klimastreiks haben die Partei aus ih- zialismus 2.0“. Darin haben sie einige (noch) staatstragenden Kapitalismus wegnehmen lassen, ohne auf ihr Urhe- ren Winterschlaf gerissen. Das man den Einstiegsprojekte zu einer wirklichen angekommen, sie bedient sich besten- berrecht zu bestehen (besonders ekla- Klimaaktivisten jetzt Rederecht auf Par- Demokratie, zum Sozialismus 2.0 skiz- falls seiner Mechanismen, um ihn ganz tant beim Mindestlohn). Die Quittungen teitagen gewährt und ihrem Thema ein ziert. Man geht auf die Kämpfe der Zu- zu verändern und letztlich abzuschaf- werden u.a. an Wahltagen ausgeteilt. paar Zeilen in Wahlprogrammen zuge- kunft ein und thematisiert die Zukunft fen. Meine Kritik am Ankommen betrifft Doch nicht nur, denn man bekommt es steht, genügt bei weitem nicht. Ein Jahr der Arbeit. Berührt werden wieder der eher ihre wiederkehrende Krisenhaftig- hier stets auch mit langfristigen Folgen später (2013) traten Katja Kipping und Plan B, man sich erinnert sich, diesmal keit in dem System, dem sie eigentlich zu tun. Bernd Riexinger mit „Verankern, ver- unter dem Label einer sozial-ökologi- eine demokratische sozialistische Alter- breiten, verbinden“, einem Projekt zur schen Energiewende, verbunden mit native entgegensetzen will. Eine politische Formation, die sich mit Parteientwicklung an die Öffentlichkeit. der Idee an eine Wirtschaftsdemokra- Stagnation und Abwärtsspiralen zu- Schön geschrieben, von der Analyse tie. Tja, aber erneut die Frage: Wer hat Hier geht es nicht nur um verlorene frieden gibt, macht keinen Sinn. So ein über die Beschreibung von Herausfor- es gelesen, debattiert und als prakti- Wahlen. In der Summe zeigt sich ein Gewächs in der Parteienlandschaft hat derungen nach den Bundestagswahlen sches Arbeitsmaterial verinnerlicht? Verbindungsverlust in die Zivilgesell- nicht mal Anspruch auf einen Platz auf bis zu einer Aufgabenbeschreibung für schaft, zu Menschen und ihren Sorgen. der roten Liste, denn ihr politischer Ge- DIE LINKE. Dabei griffen die Autoren Unbestritten ist solches Schriftgut Den Status als Kümmerer-Partei gab brauchswert, von dem Lothar Bisky auf Antonio Gramsci zurück. Demnach von Wert, um zu einem Urteil über de- man leichtsinnigerweise auf. Stattdes- sprach, wäre gleich Null. Im Schreiben muss eine Partei eine eigene Weltan- ren Verfasser und ihrer Partei usw. sen hat man sich eine Generation Sit- von Papieren lag immer eine Stärke der schauung transportieren, Bündnispoli- zu gelangen. Aber wenn der Eindruck zungssozialisten herangezogen, wobei linken Bewegungen, ihre Schwäche of- tik betreiben, um Mehrheiten gegen die entsteht, da findet keine Politik mehr man zunehmend auf „Straßenkämp- fenbart sich bis heute darin, damit auch kapitalistische Ordnung zu mobilisie- statt, dann läuft was falsch. Vor allem fer“ verzichtet hat, die linke Politikan- wirklich zu arbeiten. Machen wir einen ren, und eigene organische Intellektuel- deshalb hat verbindlich zu gelten: Po- gebote und ihre Ergebnisse in die Öf- kurzen Ausflug in die „Papiergeschich- le ausbilden, also Multiplikator_innen. litik muss wieder erlebbar und erfahr- fentlichkeit tragen. Wie soll Akzeptanz te“ der LINKEN. Beginnen wir mit dem bar sein und ihr Instrument, die Partei, wachsen, wie soll neues Interesse ent- Plan B, wo die Bundestagsfraktion Ge- Im Rahmen der ersten LINKEN Woche ein lebendiger Organismus (Gramsci), stehen und sich altes verfestigen, wenn danken und Ideen für einen sozial öko- der Zukunft (2015) präsentierten Kip- wenn sich erneut Erfolge einstellen sol- nicht die einmal die Mitgliedschaft ent- logischen Umbau zusammentrug. Das ping und Riexinger ihre Vorstellungen len. Seite 9 10/2019 Sachsens Linke!

„Wie Lassalle sagte, ist und bleibt die re- publik China an. Sie stellt in den politi- volutionärste Tat, immer das ‚laut zu sa- schen Kämpfen die Eigentums-, Macht- gen, was ist‘.“ „Laut zu sagen, und Systemfrage. (…) Rosa Luxemburg 1906 (Gesammelte These 10: In Sachsen weist der lin- Schriften. Bd. 2. S. 36.) ke Flügel der Partei seit Jahren auf hausgemachte Fehlentwicklun- These 1: DIE LINKE ist in einer was ist …“ gen hin; die Landesspitze lehnt ei- existenziellen Krise. nen parteiöffentlichen Dialog dar- über bis heute ab. Mit den Wahlen vom 1. September ist ihre Zukunft als bundesweite Partei in Für eine Linkspartei, die diesen Namen Bereits den Ausgang der Landtagswah- Frage gestellt. Sie ist seit Jahren auf An- len 2014 nutzte der linke Flügel zu kriti- passungskurs und dabei, sich als kämp- verdient. Elf Thesen (Auszüge) von schen Reflexionen über den Wahlkampf ferische sozialistische Partei zu verab- und den schleichenden Niedergangs- schieden. In Ostdeutschland wird sie Volker Külow und Ekkehard Lieberam prozess im Landesverband. Es wurde vermutlich zur 10-Prozent-Partei. Bun- seinerzeit zugelassen, dass das Opposi- desweit nähert sie sich der Fünf-Pro- tionsprofil der sächsischen LINKEN bis zent-Hürde. In den Wahlgruppen der These 5: Strukturelle Hauptursa- bilen Herrschaftskonstellation zu Guns- hin zur Zustimmung für die Schulden- Arbeiter, der Arbeitslosen und Prekari- che der Anpassung der LINKEN ten des Kapitals“ (Frank Deppe) zu tun. bremse abgeschwächt statt verstärkt sierten überhaupt, ist die Wählerschaft ist die Herausbildung einer par- wurde. (…) der rechten und (prä)faschistischen teieigenen Sozialschicht. Die Offensive und Hegemonie des Neo- Kräfte inzwischen mehrfach stärker. Die liberalismus, als Ausdruck vor allem ei- Weder im Landesvorstand noch in der Lage ist insofern dramatischer als 2002, (…) Zunächst haben Lenin, Rosa Luxem- ner sich verschärfenden Krise der Ka- Fraktion wurde ernsthaft über diese als die PDS mit vier Prozent die Bundes- burg und Robert Michels zu Beginn des pitalverwertung, haben den globalen Fehlentwicklungen diskutiert. Ganz im tagswahlen verlor. (…) 20. Jahrhunderts, in den 1950er und Kapitalismus in eine multiple politische Gegenteil: Selbstkritik fand nicht statt. 1960er Jahren dann Johannes Agnoli Krise gestürzt. Linke Politik und linke Kritiker wurden abgestraft bzw. gezielt These 2: Die LINKE ist in einer und Wolfgang Abendroth, die Ursachen Parteien konnten aber daraus bisher zu- ignoriert und der innerparteiliche Plura- Glaubwürdigkeitskrise. von Anpassungsprozessen linker Partei- meist keinen Nutzen ziehen (…) Das er- lismus massiv beschädigt. Der Landes- en in der Herausbildung bürokratischer leichtert es rechten Kräften enorm, sich verband hat sich bis heute von diesen Als kämpferische sozialistische Partei Strukturen erkannt. Wolfgang Abend- als vermeintliche Alternative zum Kapi- Deformationen nicht erholt. Postfeuda- ist DIE LINKE acht Jahre nach der Verab- roth schrieb, dass sich auch in einer so- talismus darzustellen und von der Un- le Mechanismen der Nachfolgeregelung schiedung des Erfurter Grundsatzpro- zialistischen Partei eine „Sozialschicht“ zufriedenheit breiter Teile der Bevölke- für Spitzenämter setzten sich durch, gramms kaum noch zu erkennen. Hin- herausbildet, die von der Partei lebt und rung zu profitieren. Die Gefahr rechter eine Personalauswahl nach fachlicher sichtlich ihrer Gesellschaftsstrategie hat an „der verwaltungsmäßigen Fortfüh- und (prä)faschistischer Massenbewe- Kompetenz, beruflicher Verankerung in sie ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die rung der Partei in der gegebenen Exis- gungen als Herrschaftsoption des au- der Gesellschaft und strömungsüber- Systemfrage stellt sie nicht mehr. (…) tenzweise interessiert ist“. (…) toritären Kapitalismus nimmt an Wahr- greifender Vielfalt spielte faktisch keine Die Sozialschicht, die von der Partei scheinlichkeit zu, gerade auch, wenn es Rolle mehr. Das Aufstellungsverfahren Ihr Erscheinungsbild ist das einer Partei lebt, ist in der LINKEN und ihrer partei- zum Ausbruch der drohenden globalen für die Landesliste, der Listenvorschlag, „pseudoprofessioneller Langeweile und eigenen Stiftung mit ca. 2300 Personen Wirtschafts- und Finanzkrise kommen die Wahl der Landesliste auf der Landes- grünlinker Attitüden“ (Ältestenrat), einer heute bedeutend größer als zu Zeiten sollte. vertreterversammlung am 13./14. April Partei des Establishments. Die meisten der PDS (ca. 1000). DIE LINKE hat ge- und die nunmehrige Zusammensetzung Eckpunkte bundesdeutscher Staatsrä- genüber der PDS ebenfalls signifikant These 8: Die wichtigste Aufga- der 14köpfigen Landtagsfraktion spre- son (darunter Schuldenbremse, Sozial- bei den Einnahmen aus der Staatskas- be aller Linken besteht darin, die chen dafür Bände. partnerschaft, Totalitarismusideologie, se zugelegt. Sie ist durch die existen- Klassenmachtverhältnisse durch Verklärung der parlamentarischen De- zielle Abhängigkeit von pekuniären Zu- eine Gegenmachtstrategie zu These 11: Nach den Wahlen am 26. mokratie, Kriminalisierung der DDR) ak- schüssen und dem Angebot vielfältiger Gunsten der subalternen Klassen Mai und dem 1. September ist es zeptiert sie vollständig oder teilweise. Karrieremöglichkeiten faktisch in ei- zu verändern. für die sächsische LINKE fünf vor (…) ne systemkonforme Oppositionspartei zwölf. verwandelt worden. (…) Die Aufgabe einer linken Partei These 3: DIE LINKE hat eine Füh- muss es sein, Politik für die subalter- Das Wahldesaster 2019 war teilweise rungskrise. These 6: Die Entwicklung einer nen Klassen sowie mit allen anderen hausgemacht und begann bereits am linken Partei von einer Opposi- Schichten zu machen, die täglich um 26. Mai mit den Europa- und Kommu- Eine Partei, die permanent Wahlen ver- tions- zu einer Regierungspartei ihr Überleben oder ihren wenigen Wohl- nalwahlen. Die sächsische LINKE büßte geigt, dafür nicht die Verantwortung macht in der Regel ihre Anpas- stand hart zu kämpfen haben. Für diese rund ein Drittel ihrer kommunalen Man- übernimmt, darüber nicht einmal kri- sung unumkehrbar. Priorität in den Metropolen zu werben date ein. Es wurde spätestens jetzt deut- tisch diskutiert und ihre bekannteste Po- und die urbane Mittelschicht als hilfrei- lich: Die Partei hat auch in Sachsen ihren litikerin - die Gespür für harte Oppositi- Es ist deswegen nicht verwunderlich, che Bündnispartner zu gewinnen, ist Charakter als erste Adresse des politi- onspolitik und für die Mobilisierung von dass sich nach der Parlamentsfixiert- Voraussetzung, um geistig-kulturelle schen und gesellschaftlichen Protestes Widerstand gegen Neoliberalismus und heit die Regierungsfixiertheit in der LIN- Gegenmacht zu erringen. Dabei ist die gegen Prekarisierung, soziale Ungleich- Kriegspolitik hat - aus Spitzenpositionen KEN durchgesetzt hat. Auch auf der Funktion als Kümmererpartei unver- heit, Kriegspolitik und Umweltzerstö- verdrängt, wird nicht auf der Höhe der Bundesebene soll „rot-rot-grün“ 2021 zichtbar. rung verloren. Sie wird in wachsendem Aufgaben geführt. (…) oder später die Rettung der Partei brin- Maße mit „denen da oben“ gleichge- gen. Mit ihrer Regierungskuschelei hat These 9: Teil der Strategiedebatte setzt. (…) These 4: Die Partei hat sich im Il- die Partei in weiten Teilen die Fähigkeit muss die Beantwortung der Frage lusionstheater des „täuschenden eingebüßt, überhaupt noch die richti- sein, was für eine Partei die Lohn- Die Kommentierung zum Wahlausgang Scheins“ (Karl Marx) eingerichtet. gen Fragen zu stellen und Themen zu arbeiterklasse im 21. Jahrhun- durch die Landespitze ist bislang subs- setzen, mit denen sie durchdringt und dert braucht. tanzlos, frei von selbstkritischer Refle- Die LINKE folgt der offiziellen Propa- öffentlich wahrgenommen wird. Die xion und wird der Dramatik der Lage in ganda von den Wahlen als Vergabe von grundsätzliche Kritik von Rosa Luxem- Angesichts der stabilen Kapitalherr- keiner Weise gerecht. Im Interesse des „Macht auf Zeit“. Sie verwechselt per- burg an der Regierungsbeteiligung von schaft brauchen die Lohnabhängigen Selbsterhalts spielt man offensichtlich manent die Machtfrage mit der Re- Sozialisten ist bis heute aktuell geblie- und weitere abhängig Arbeitende ei- auf Zeit, um inhaltliche und personel- gierungsfrage. Gepflegt werden die ben. (…) ne linke marxistische Partei mit Mas- le Konsequenzen entweder zu vermei- Trugbilder vom „linken Lager“ und der seneinfluss, eine kämpferische sozia- den oder aber so moderat wie möglich „politischen Gestaltung in Regierungs- These 7: In Deutschland und in listische Partei. Eine Partei, die diese zu halten. verantwortung“. Ihre politische Hand- den meisten Regionen der Welt Bezeichnung wirklich verdient, steht lungsorientierung folgt damit Wunsch- haben wir es mit einer objektiven nicht nur in Opposition zu den Regie- Es ist fünf vor zwölf und damit höchs- vorstellungen, die unweigerlich in die Orientierungs- und Gestaltungs- renden, sondern zum Kapitalismus und te Zeit, dem Landesverband wieder ein Sackgasse der Anpassung führen. krise linker Politik zu tun. der herrschenden Klasse sowie zur Zer- konsequent linkes Profil zu verleihen. störung von Natur und Umwelt durch Wenn die sächsische LINKE jetzt nicht Den Klassencharakter der politisch- Diese Krise hat vor allen zwei Ursachen: die gegenwärtige Wirtschaftsordnung. aufwacht und spätestens auf dem Lan- staatlichen Institutionen thematisiert Wir leben heute in einer „demobilisier- Sie klagt den USA-Imperialismus und desparteitag Mitte November 2019 die die Partei in völlig unzureichender Wei- ten Klassengesellschaft“ (Klaus Dörre). die NATO der Kriegstreiberei gegen die notwendigen Schlussfolgerungen zieht, se. (…) Und wir haben es mit einer „relativ sta- Russische Föderation und die Volksre- wird es zu spät sein. Sachsens Linke! 10/2019 Seite 10 Jugend

Der Klimawandel ist präsenter und fallende Gebühr. Plastik soll außerdem akuter denn je. Doch wir müssen ihn nur dort genutzt werden, wo es sinn- konsequent antikapitalistisch denken voll und bislang alternativlos ist. Wir und fordern. Global betrachtet treffen Umweltpolitik fordern wir eine Verschärfung der Ver- die Folgen vor allem Menschen ohne packungsrichtlinien um sie auf das nö- finanzielles Kapital. Es sind jene, die tigste zu reduzieren. Weiterhin schla- aufgrund ihrer sozialen Verhältnisse gen wir vor, dass die Gebühren für die von einer intakten Biosphäre abhän- endlich ernst Abfallentsorgung, also für wiederver- gen. Der globale Süden ist somit stär- wertbare Stoffe wie Papier, Plaste, ker betroffen als der Norden, Frauen* Glas, Bioabfall und Elektrokleingeräte, stärker als Männer und Arme stär- völlig kostenfrei gestaltet wird. Plastik ker als Reiche. Die Frage nach dem wollen wir vor allem dort angreifen wo Schutz der Umwelt ist dadurch eine nehmen er entsteht, deshalb fordern wir eine Verteilungsfrage. Wir wollen dies nicht Steuer bereits bei der Produktion von länger akzeptieren. Gesundheit und Plastik. Gegen den Verzicht oder das Nachhaltigkeit sind eine grundlegende Verbot von Plastik wollen wir alterna- Notwendigkeit für alle. Und eine um- Gekürzter Auszug aus dem Grundsatz- tive Verpackungsmaterialien und un- weltschädliche Produktionsweise und giftige, biologische und Stoffkreislauf- deren Folgen sind nicht alternativlos. programm der Linksjugend Sachsen konzepte setzen. Wo die Produktion von vollständig biologisch abbaubaren Landwirtschaft: Öko für alle! Materialien nicht möglich ist setzen der Mensch in der industrialisierten lar, Geothermie und die Verstromung wir auf Kreislaufsysteme, wobei die Die aktuelle industrielle Landwirt- Gesellschaft benötigt Strom. Damit von biologischen Abfällen sind für uns Produkte so zu designen sind, dass schaft in Deutschland gefährdet Strom nicht zum Gegenstand von Spe- gute Alternativen zum Kohlestrom. möglichst alle Ressourcen wiederge- Mensch und Natur. Sie ist ein Haupt- kulation und Profitmaximierung wird, Energieraufwändigen und landwirt- wonnen werden können. Wir setzen verursacher von Nitratbelastungen, fordern wir die Rückführung des Ener- schaftsintensivierenden Strom aus ei- uns deshalb für verstärkte Förderung aber auch Feinstaub sowie dem Arten- giesektors und des Versorgungsnet- gens dafür angebauten Energiepflan- der Erforschung alternativer Verpa- sterben in Deutschland. Wir fordern zes in die öffentliche Hand. Strom zen lehnen wir hingegen genauso ab ckungsmaterialen und intelligenter deshalb die konsequente Einhaltung muss sauber sein und darf weder Um- wie die Subventionierung dessen. Ein Produktdesigns ein. und Verschärfung von ökologischen welt noch Menschen schaden. Auch, großes Problem der erneuerbaren Richtwerten. Gegen das Artenster- wenn der Kohleausstieg bereits be- Energie ist die inkonstante Verfügbar- Naturschutz darf keine Grenzen ben setzen wir auf eine Reduktion von kennen Pestiziden. Gesundheits- und umwelt- schädliche Pestizide sollten ersetzt Durch die Intensivierung von konven- und nicht neu zugelassen werden. Wir tioneller Land- und Forstwirtschaft setzen uns für konsequente Sanktio- sind 66% aller in Europa zu findenden nierung von gesundheits- und umwelt- Habitate in ihrer Existenz gefährdet. schädlichen Methoden in der Land- Allein in Deutschland sind 51 – 75% al- wirtschaft ein. ler Säugetierarten ausgestorben, in Europa sind 42% aller Tier- und Pflan- Nachhaltiger Konsum darf keine Frage zenarten in den letzten zehn Jahren in des Geldbeutels sein: Wir wollen öko- ihren Populationsgrößen geschrumpft logische Produkte für alle! Wenn die- und 82% aller Fische im Mittelmeer se preisbedingt nur einem kleinen Teil gelten als überfischt. Dieser Verlust der Bevölkerung zur Verfügung stehen an biologischer Vielfalt hat dramati- und mit konventionellen Produkten sche Folgen für die Luftreinigung und konkurrieren ist wenig erreicht. Öko- die Wasserfilterfunktion, aber auch logische Standards müssen vielmehr die Bereitstellung von Lebensmitteln auch Einzug in die Produktion konven- durch die Natur. Wir fordern, diese tioneller Lebensmittel finden. Das al- Funktionen der Natur qualitativ und ternative Konzept der solidarischen quantitativ in Planungsprojekte zu in- Landwirtschaft unterstützen wir und tegrieren und Naturressourcen bes- wollen dieses aktiv bewerben und fi- ser zu schützen. Dem Schutz vor wirt- nanziell unterstützen. schaftlichen Interessen kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Nicht- Die Spekulation mit Ackerland muss regierungsorganisationen sollen dabei beendet werden. Gegen die horrenden ein Klagerecht gegen die Zerstörung Preise für landwirtschaftliches Land von Lebensräumen erhalten. Dafür und die Akkumulation durch Großbe- bedarf es einer konsequenten Einhal- triebe fordern wir deshalb die Rekom- tung von Richtlinien in Naturschutzge- munalisierung und bevorzugte Ver- bieten und Nationalparks. Durch die Bild von ejaugsburg auf Pixabay auf ejaugsburg von Bild pachtung an Jungbäuer_innen. Für uns Einrichtung von Naturschutzgebieten gilt: Eigentum verpflichtet. Wer land- auf Zeit kann der spontanen Verände- wirtschaftliches Land besitzt sollte schlossen ist, fordern wir seine kon- keit und die Frage der Speicherung. rung biologischer Systeme Rechnung verpflichtet sein, dieses entweder in sequente Umsetzung, die nicht zu Um die Durchsetzung der Energie- getragen werden. Eine Jagd aus kom- den Naturschutz oder in die landwirt- Lasten der Verbraucher_innen und wende zu beschleunigen brauchen wir merziellen oder Gründen des Sportes schaftliche Produktion einzubringen. Arbeitnehmer_innen gehen darf. Für mehr Forschung und Modellprojek- lehnen wir ab. Darüber hinaus gilt es, Gentechnik lehnen wir nicht grund- die Renaturierungskosten ehemali- te zur Speicherung von erneuerbaren Naturschutz nicht nur in Deutschland sätzlich ab, jedoch stellt ihre kommer- ger Kohlegebiete wollen wir die Ver- Energien. Wir setzen uns daher für ein zu betreiben, sondern weltweit. Für zielle Verwendung in der Landwirt- ursacher_innen zur Kasse bitten. Da Wasserstoffzentrum in Sachsen als dieses Ziel fordern wir folgerichtig die schaft für uns keine Option dar. Sie die Energiewende uns alle betrifft, for- Energiespeicher ein. weltweite Einhaltung von Umweltstan- kann für die landwirtschaftliche Pro- dern wir weiter die EEG-Umlage end- dards durch deutsche Firmen. Uns duktion unter schwierigen Umweltbe- lich auch auf Konzerne anzuwenden, Vermiedener Abfall muss nicht ist bewusst, dass es nicht ausreicht, dingungen sinnvoll sein, die Lösung welche als große Stromverbraucher_- verbrannt werden Natur nur räumlich beschränkt zu von Lebensmittelknappheiten sehen innen bisher nicht belastet werden. schützen, deshalb setzen wir uns für wir jedoch in der Verteilung des globa- Desweiteren gilt es in den Regionen, Die „Verwertung“ von Plastik heißt die stärkere Integration und Gewich- len Reichtums. in denen der Kohleabbau bisher eine häufig: Verbrennung. Diese Praxis tung des Naturschutzes in Landwirt- wichtige wirtschaftliche Rolle gespielt wollen wir verbieten! Auch wenn das schafts-, Energie-, aber auch Bildungs- Energie: sauber und öffentlich! hat, Alternativen zu schaffen und den Verbot von Plastik bisher mit Ein- politik ein. In Städten soll die grüne Strukturwandel zu unterstützen. Um schränkungen verbunden ist und für Infrastruktur gefördert werden, um Der Klimawandel ist eine der Haupt- die Menschen von den Vorteilen alter- uns keine Option darstellt, fordern wir mehr Menschen Zugang zu Naturres- aufgaben unserer Zeit. Wir fordern nativer Energien zu überzeugen, muss die Reduktion des Plastikmülls z. B. sourcen zu ermöglichen und der Natur deshalb einen schnellen und konse- der Staat Aufklärungsarbeit und finan- durch eine höhere Entsorgungsgebühr innerstädtisch einen Rückzugsraum quenten Kohleausstieg bis 2025! Je- zielle Unterstützung leisten. Wind, So- für Kunststoffe als die für Bioabfall an- zu bieten. Seite 11 10/2019 Sachsens Linke! DIE LINKE im Europäischen Parlament Die Delegation von DIE LINKE Europ ean United Left / Nordic Green Left European Parliamentary im Europaparlament Group Wer ist wofür zuständig? Und welche Kontaktmöglichkeiten gibt es?

Özlem Alev Demirel Büroleiterin: Manuela Kropp tur und Bildung Delegation Südkauka- Delegationen: Mitglied in der Delega- [email protected] sus, Euronest) tion für die Beziehungen zu den Verei- 0032 2 28 45660 [email protected] nigten Staaten, in der Delegation für +32 228 37834 die Beziehungen zu Weißrussland, im Komitee für die Beziehungen der EU Martina Michels zu Moldau sowie Mitglied in der De- Martin Schirdewan legation zur parlamentarischen Ver- sammlung (Euronest) und stellvertre- Ko-Vorsitzender der Linksfraktion tendes Mitglied in der Delegation für GUE/NGL und Finanzpolitischer Spre- die Beziehungen zur Volksrepublik cher China. Ansprechpartner für Mecklen-

Sprecherin für Arbeitsrecht, Friedens- und Sicherheitspolitik

Arbeitsschwerpunkte: Friedenspolitik, Außenpolitik, Sicherheits- und Vertei- digungspolitik, Arbeits- und Sozialpoli- tik, europäische Gewerkschaften

Ausschüsse des Europaparlaments: Vize-Präsidentin im Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung (SEDE), Mitglied im Ausschuss für Beschäfti- gung und Soziales (EMPL) und stell- vertretendes Mitglied im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten (AFET)

Delegationen: Mitglied in der Delega- tion des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zur Türkei. Ansprech- Leiterin der Delegation. Sprecherin für partnerin für Nordrhein-Westfalen Regionalpolitik, für Digitalisierung, Kul- und Hamburg. tur und Medien Mitglied in der Brexit Steering Group burg-Vorpommern, Brandenburg und des Europäischen Parlaments, Mit- Schleswig-Holstein. Büroleiterin: Alexandra Mehdi Arbeitsschwerpunkte: Regionalpolitik, glied in der Konferenz der Präsiden- [email protected] sozial-ökologischer Strukturwandel, ten (CoP) Mitarbeiter: 0032 2 28 45589 Kultur-, Medienpolitik, digitale Agen- Bernd Schneider da, Bildungs- und Jugendpolitik Arbeitsschwerpunkte: Steuergerech- [email protected] tigkeit, Finanzpolitik, Konzernkont- +32 228 37893 Cornelia Ernst Ausschüsse des Europäischen Parla- rolle, europäische Gewerkschaften, Sprecherin für Innen-, Netz- und Ener- ments: Obfrau im Ausschuss für Re- Brexit. Fotos: © European Union, 2019 giepolitik gionale Entwicklung (REGI), stellver- tretendes Mitglied im Ausschuss für Ausschüsse des Europaparlaments: Kultur und Bildung (CULT) und mitwir- Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft kungsberechtigtes Mitglied im Aus- und Währung (ECON), stellvertreten- schuss für die Angelegenheiten der des Mitglied im Ausschuss für Binnen- Europäischen Union des Deutschen markt und Verbraucherschutz (IMCO). Bundestages Delegationen: Mitglied in der Dele- Delegationen: Mitglied in der Delega- gation des Europäischen Parlaments tion des Europäischen Parlaments für für die Beziehungen zu Kanada. An- die Beziehungen zu Israel, Delegation sprechpartner für Thüringen und Bre- zur parlamentarischen Versammlung men. Euronest (Länder der Östlichen Part- Arbeitsschwerpunkte: Asyl/Migration, nerschaft: Armenien, Aserbaidschan, Datenschutz und innere Sicherheit, Georgien, Moldau, Ukraine und Weiß- Helmut Scholz Energie- und Klimapolitik russland) sowie stellvertretendes Mit- glied in der Delegation für die Länder Sprecher für Handelspolitik und konsti- Ausschüsse des Europaparlaments: des Südkaukasus (Armenien, Aserbai- tutionelle Fragen Mitglied im Ausschuss für Bürgerli- dschan, Georgien). Ansprechpartnerin che Freiheiten, Justiz und Inneres (LI- für Berlin und Sachsen-Anhalt. Arbeitsschwerpunkte: Handelspolitik, BE), stellvertretendes Mitglied im Aus- internationale Beziehungen, Institutio- schuss für Industrie, Forschung und Mitarbeiterinnen: nelle Angelegenheiten, Brexit. Energie (ITRE) Nora Schüttpelz (Ausschuss für Re- gionale Entwicklung Delegation EU- Ausschüsse des Europäischen Parla- Delegationen: Vorsitzende der Delega- Israel) ments: Mitglied im Ausschuss für In- tion des Europäischen Parlaments für [email protected] ternationalen Handel (INTA) und stell- die Beziehungen zum Iran. Ansprech- +32 228 47834 vertretendes Mitglied im Ausschuss partnerin für Sachsen und Rheinland- für Konstitutionelle Fragen (AFCO) Pfalz Konstanze Kriese (Ausschuss für Kul- Sachsens Linke! 10/2019 Seite 12 Eine bemerkenswerte Publikation Dr. Hartmut Kästner empfiehlt einen Sammelband zur Nachbarschaft mit Russland

Ein (noch) nicht sehr großer Zusam- der komplizierten Nachkriegssitu- menschluss Leipziger Bürger hat ein ation, eine Dankbarkeit gegenüber lesenswertes, unterhaltsames und russischen Soldaten und einfachen zugleich ernstes Büchlein vorgelegt russischen Bürgern aus. Die meis- – „Geschichten über den Zaun. Zur ten Beiträge schildern, wie die Au- Förderung guter Nachbarschaft mit toren das heutige Russland bzw. die Russland“. 26 Autoren berichten in Sowjetunion erlebt haben, so Frie- knappen Beiträgen über ihre Bezie- der Hofmann (Moskau im Sommer hungen zu Russen und zu Russland 2016), Hans Pawletzky (Verspäte- (bzw. zur Sowjetunion). Erinnerun- te Reiseandenken), Helga Lemme gen an die Zeit nach 1945, insbe- (Chirurgiepraktikum in Kiew), Rein- sondere an die ersten Aufenthalte hard Bernhof (Aufgesetzt in Irkutsk; in der Sowjetunion, und persönliche Stromaufwärts übern Ob), Albrecht Schilderungen gegenwärtiger Rei- Bemmann (Lehrjahre an der Newa), sen durch und Aufenthalte in Russ- Helga Crostewitz (Eindrücke mit land stellen den Kern des Buches Nachdruck) und andere. dar. Zugleich werden einige typische Gerichte der russische Küche sowie Johannes Schroth gibt mit seinen bekannte Lieder sowie Gedichte in Erinnerungen an den „Tamada“ zu- Deutsch und Russisch vorgestellt. gleich einen kleinen Einblick in Tisch- und Trinksitten und macht auf die Widersprüchlichkeit mancher ge- genwärtiger Entwicklung aufmerk- sam (Der Fortschritt). Sehr einfühl- sam schildert Volker Müller seine frühe Bekanntschaft mit der russi- schen Literatur (Erste Liebe). Inter- essant ist die Aufnahme einiger his- torischer Texte, so z.B. Befehle und Erlasse von Oberst Prendel, des rus- sischen Stadtkommandanten von Leipzig 1813. Dazu zählen auch die Erinnerungen des „alten Mannes“ Wilhelm von Kügelgen an den Ein- marsch russischer Truppen 1813 in Dresden.

Im öffentlichen Leben der Messe- stadt hat die Initiative, eine Kopie des Völkerschlachtdenkmals im rus- sischen Ort Leipzig (im südlichen Ural) zu errichten, eine breite Öf- fentlichkeit erfahren. Heiko Waber, besondere in Ostdeutschland haben Band gefunden hätten. Auch wäre Mitinitiator dieses Projektes, erin- viel Menschen vielfältige Erfahrun- eine Systematik bei der Platzierung Für den Leser ist es sehr anregend, nert in seinem Beitrag (Zwei Leip- gen mit Sowjetbürgern und Russen, der Artikel wünschenswert gewesen. den Autoren zu folgen, wie sie das zigs schließen Freundschaft), was mit dem „großen Bruder“, gesam- Gesehene oder Gewesene ganz in- seit 2014 passiert ist. Hendrik Lasch melt. „Sie pflegen persönliche Erin- Cornelius Weiss, der 86jährige Spi- dividuell verarbeiten. So kann er die hat in seinem Vorwort das Streben nerungen an ein großes, faszinieren- ritus Rector der Bürgerinitiative, Gedankengänge gut nachvollziehen der Leipziger „Bürgerinitiative Gute des, an Widersprüchen reiches Land schreibt. „Wir sind uns einig in der und zu neuen Einsichten gelangen. Nachbarschaft mit Russland“ – die und seine herzlichen Menschen.“ tiefen Enttäuschung über die ge- Dabei ist heute die Brisanz der anti- das Buch verantwortet – gut darge- schichtsvergessene und ebenso un- russischen Politik der EU, der Na- stellt: Die Mitstreiter verschiedener Schön wäre es gewesen, wenn Bei- moralische wie unvernünftige heu- to und der deutschen Regierung of- politischer, kultureller und ideologi- träge eines am Bau der Erdgastras- tige deutsche Ostpolitik. Wir sind fensichtlich. Man nimmt billigend scher Couleur stoßen sich an der Un- se Beteiligten und eines Absolventen empört, dass unsere Regierung ge- in Kauf, dass aus dem kalten Krieg gleichheit der Behandlung Russlands sowjetischer militärischer Bildungs- genüber Russland den allwissenden ein heißer wird. 1961 schrieb Jewtu- in Vergleich zu anderen Staaten. Ins- einrichtungen noch Eingang in den Oberlehrer spielt ... Haben die Deut- schenko: „Nicht nur für das eigene schen vergessen, was ihre Großvä- Vaterland fiel der Soldat im Welten- ter und Väter den Völkern der Sow- brand. Nein, dass auf Erden jeder- jetunion angetan haben? Wollen sie mann in Ruhe schlafen gehen kann. nicht mehr wahrhaben, dass die Rus- Holt euch bei jenem Kämpfer Rat, sen trotz ihrer bösen historischen der siegend an die Elbe trat, was tief Erfahrungen mit Deutschland groß- in unserem Herzen blieb: meinst Du mütig den Weg für dessen Wieder- die Russen wollen Krieg?“ vereinigung frei gemacht haben?“

Die 20 lebenden Autoren des Bu- Er wie die Mitglieder der Bürgerin- ches (sechs sind verstorben) wen- itiative sehen sich als „Russland- den sich gegen diesen verderbten Versteher“ und begreifen die ur- Trend offizieller Politik und des jour- sprünglich abwertend gemeinte nalistischen Mainstream. Viele Au- Klassifikation als Auszeichnung. toren erinnern sich: Eva Schloss (Die Russen), Christa Rüdiger (Vom Geschichten über den Zaun. Zur Ende der Kindheit), Manfred Hes- Förderung guter Nachbarschaft sel (Weihnachten 1949), Cornelius mit Russland, Engelsdorfer Verlag, Weiss (Wir „Russland-Kinder“), Cle- Schongauerstraße 25, 04329 Leipzig; mens Weiss (Die Ärztin) und andere. 0341 2711870; winfo@engelsdorfer- Diese Erinnerungen strömen, trotz verlag.de Kommunal-Info 8-2019 1. Oktober 2019 Online-Ausgabe unter www.kommunalforum-sachsen.de

Städtetag Städte unterstützen mehr Engagement für Klimaschutz Seite 3 Landkreistag Klimaschutz mit Blick für die ländlichen Räume Seite 3 Seminare im Herbst Veranstaltungen und Seminare des KFS zu folgenden Themen: ƒƒBarrierefreiheit in der Kommune ƒƒDer Jugendhilfeausschuss ƒƒZeitsouveränität ƒƒDer kommunale Haushalt Seite 4 Der Bürgermeister Rechtsstellung und Zuständigkeiten In § 1 Abs. 4 der Sächsischen Ge- ob haupt- oder ehrenamtlich, gelten in Wofür ist der Bürgermeister als Vor- die der Gemeinderat zur angemessenen meindeordnung (SächsGemO) wer- vollem Umfang die beamtenrechtli- sitzender des Gemeinderats hauptsäch- Vorbereitung auf die Sitzung benötigt, den der Gemeinderat und der Bürger- chen Dienstpflichten. lich verantwortlich? damit er eine sachgerechte Entschei- meister als „Organe der Gemeinde“ Nach § 51 Abs. 1 SächsGemO ist der dung treffen kann. Welche Unterlagen benannt. Neben dem Gemeinderat als Bürgermeister sowohl Vorsitzender Tagesordnung dazu gehören, ist eine Frage des Ein- dem Hauptorgan der Gemeinde1 wird des Gemeinderats als auch Leiter der Der Bürgermeister ist zuständig für zelfalles. Es kommt insbesondere auf dem Bürgermeister eine eigene Organ- Gemeindeverwaltung, außerdem ver- die Aufstellung der Tagesordnung den zu behandelnden Gegenstand, des- stellung zugewiesen. Analog gilt das tritt er die Gemeinde nach außen. der Gemeinderats- und Ausschusssit- sen Komplexität und Tragweite an. In nach § 1 Abs. 3 Sächsische Landkrei- zungen. Er bereitet die Sitzungen des Betracht kommen auch zusammenfas- sordnung (SächsLKrO) für den Kreis- Gemeinderats und der Ausschüsse vor sende Darstellungen von Gutachten, tag und den Landrat.2 Vorsitzender und vollzieht die Beschlüsse. Mit der Planfertigungen, Skizzen, Prognose- Die für den Bürgermeister festge- des Gemeinderats Aufstellung der Tagesordnung besitzt berechnungen und dgl. Bei komplexen schriebene Organstellung bedeutet, der Bürgermeister die Hoheit über die Vorgängen wird eine derartige Aufbe- dass er „nicht anders als der Gemeinde- Kraft Gesetzes gemäß § 36 Abs. 1 Bestimmung der Verhandlungsgegen- reitung auch erforderlich sein. Andern- rat eigenständig und auf der Grundlage SächsGemO führt der Bürgermeister stände der Gemeinderatssitzungen. falls wäre eine zielgerichtete, ergebni- eigener Kompetenzen Entscheidungen den Vorsitz im Gemeinderat und ist in Damit hat der Bürgermeister die poli- sorientierte Beratung nicht möglich. für die Gemeinde treffen kann… Mit dieser Eigenschaft auch „geborener“ tische Initiative und verfügt somit auch Der Bürgermeister hat folglich die für der Organstellung des Bürgermeisters Vorsitzender der beschließenden Aus- über ein erhebliches politisches Ge- die Entscheidung maßgeblichen Tatsa- schreibt das Gesetz die Eigenständig- schüsse des Gemeinderats. wicht. Jedoch steht dem Bürgermei- chen und Gesichtspunkte zu ermitteln keit seiner Rechtsstellung auch und ge- Der Vorsitz kann ihm vom Ge- ster kein alleiniges Recht zu, über die und darzustellen und eventuelle recht- rade im Verhältnis zum Gemeinderat meinderat „weder allgemein noch im Aufstellung der Tagesordnung zu be- liche Zweifelsfragen - u. U. durch Ein- fest: Soweit die Zuständigkeiten des Einzelfall ausgeschlossen oder ein- stimmen. Nach § 36 Abs. 5 ist auf An- schaltung der Rechtsaufsichtsbehörde Bürgermeisters reichen, entscheidet er geschränkt werden.“ Auch der Bürger- trag von mindestens einem Fünftel der - zu klären. Hält der Gemeinderat die selbst und ist nicht an Weisungen des meister kann sich dieser Befugnis nicht Gemeinderäte oder einer Fraktion ein Unterlagen für unzureichend und die Gemeinderats gebunden. Allerdings von sich aus entziehen, „er kann die Verhandlungsgegenstand auf die Ta- Angelegenheit deshalb nicht für ent- hat der Gemeinderat als Hauptorgan sich aus dem Vorsitz ergebenden Kom- gesordnung spätestens der übernäch- scheidungsreif, kann er beschließen, der Gemeinde (§ 27 Abs. 1 SächsGe- petenzen grundsätzlich nicht auf ande- sten Sitzung des Gemeinderats zu stel- dass der Bürgermeister die noch offe- mO) eine Vorrangstellung inne und re Personen übertragen.“4 len. nen Punkte klärt. kann daher auch mit Wirkung für den Als Vorsitzender ist der Bürgermei- Die Übersendung der Unterlagen un- Zuständigkeitsbereich des Bürgermei- ster nach § 39 Abs. 5 SächsGemO bei Einberufung terbleibt, wenn das öffentliche Wohl sters die Grundsätze der Verwaltung Beschlussfassungen des Gemeinderats Zu den Aufgaben des Bürgermeisters oder berechtigte Interessen Einzelner der Gemeinde festlegen (§ 28 Abs. 1 auch stimmberechtigt. gehört es nach § 36 Abs. 3 SächsGe- entgegenstehen... Dabei kommt es nicht SächsGemO).“3 Nur dann, wenn im Gesetzestext bei mO, den Gemeinderat schriftlich oder darauf an, ob die Sitzung öffentlich ist; Der Bürgermeister ist nach § Entscheidungen ausdrücklich von „Ge- in elektronischer Form in angemes- auch für nichtöffentliche Sitzungen hat 158 Sächsisches Beamtengesetz meinderäten“ die Rede ist, zählt die sener Frist einzuberufen und die Ver- die Übersendung der Unterlagen zu er- (SächsBG) ein Wahlbeamter auf Zeit. Stimme des Bürgermeisters nicht. Das handlungsgegenstände rechtzeitig folgen. Muss die Übersendung aber un- Sein Beamtenverhältnis wird nicht betrifft hier sogenannte „Minderhei- mitzuteilen. Dabei sind die für die Be- terbleiben, z.B. aus Gründen der Ge- durch eine Ernennung, sondern durch tenrechte“ von Gemeinderäten (Recht ratung erforderlichen Unterlagen bei- heimhaltungspflicht, so kann auch eine Wahl begründet. Dienstherr des auf Akteneinsicht, Einberufung einer zufügen, soweit nicht das öffentliche die Sitzung des Gemeinderates nur Bürgermeisters (ebenso der Beigeord- Gemeinderatssitzung, einen Verhand- Wohl oder berechtigte Interessen Ein- nichtöffentlich sein.“5 neten) ist nach § 159 Abs. 1 SächsBG lungsgegenstand auf die Tagesordnung zelner entgegenstehen. die Gemeinde. Für den Bürgermeister, setzen). „Erforderlich sind die Unterlagen, Fortsetzung auf folgender Seite Kommunal-Info 8/2 019 Seite 2

Sitzungsleitung den.“8 nungsmäßigen Gang der Gemeindever- Ordnung in den Verwaltungsgebäuden Nach § 38 Abs. 1 SächsGemO hat Das Ausüben des Widerspruchs- waltung verantwortlich und regelt die der Gemeinde durch die Ausübung des der Bürgermeister die Verhandlung rechts bei Nachteiligkeit eines Be- innere Organisation der Gemeindever- Hausrechts.“12 des Gemeinderats zu leiten. Er kann schlusses für die Gemeinde liegt ganz waltung. Er ist nach § 53 Abs. 4 Vor- die Verhandlungsleitung an einen Ge- im Ermessen des Bürgermeisters. Als gesetzter, Dienstvorgesetzter und Laufende Verwaltung meinderat abgeben, dabei soll diese nachteilig kann ein Beschluss ange- oberste Dienstbehörde der Gemein- In § 53 Abs. 2 SächsGemO ist be- Übertragung „nur zeitweise und für sehen werden, wenn nach Auffassung debediensteten. stimmt, dass der Bürgermeister in ei- bestimmte Tagesordnungspunkte er- des Bürgermeisters ein anderer Be- gener Zuständigkeit die Geschäfte der folgen.“6 schluss für die Gemeinde besser oder Innere Organisation laufenden Verwaltung erledigt. Die Verhandlungsleitung umfasst: günstiger sein könnte. „Die Nachteili- Es gehört grundsätzlich in die al- Allgemein werden unter Geschäften die Eröffnung der Sitzung, das Auf- gkeit ist nicht auf rechtliche oder mate- leinige Zuständigkeit des Bürgermei- der laufenden Verwaltung solche An- rufen der Tagesordnungspunkte (Be- rielle Nachteile, Schäden und Gefahren sters, für die sachgemäße Erledigung gelegenheiten des im Bereich der kom- ratungsgegenstände), dazu selbst vor- für die Gemeinde selbst und unmittel- der Aufgaben und den ordnungsmä- munalen Selbstverwaltung verstanden, zutragen oder den Vortrag durch bar beschränkt, sondern sie kann auch ßigen Gang der Gemeindeverwaltung die mehr oder weniger regelmäßig wie- kompetente Mitarbeiter der Verwal- darin bestehen, dass sich allgemein zu sorgen und die innere Organisa- derkehren und nach Größe, Umfang tung halten zu lassen, das Wort zu er- Nachteile für die öffentlichen Interes- tion der Gemeindeverwaltung zu re- der Verwaltungstätigkeit und Finanz- teilen und ggf. zu entziehen, insge- sen innerhalb der Gemeinde ergeben geln. Diese gesetzlich zugewiesenen kraft der Gemeinde von weniger erheb- samt für den ungestörten Ablauf der können. Gründe können z.B. negative Aufgaben als Leiter der Gemeindever- licher Bedeutung sind. Das sind solche Beratungen zu sorgen, die Aussprache Auswirkungen auf die Gemeindefinan- waltung können ihm vom Gemeinde- in der Gemeinde zu erledigenden All- zu schließen, den Gegenstand zur Ab- zen, das Ansehen der Gemeindever- rat nicht entzogen werden. Bei der Lei- tagsgeschäfte, bei denen eine Beratung stimmung zu stellen, die Abstimmung waltung oder den Frieden in der Ge- tung der Gemeindeverwaltung handelt und Entscheidung durch den Gemein- zu leiten, ihr Ergebnis festzustellen und meinde sein.“9 der Bürgermeister kraft originärer Zu- derat unnötig ist. Jedoch gibt es keine die Verhandlung zu schließen. Außer- ständigkeit. In seine Leitungsbefugnis abschließende gesetzliche Definition, dem übt der Bürgermeister die Ord- Eilentscheidungen darf der Gemeinderat nicht eingreifen, was denn unter die Geschäfte der lau- nungsgewalt (bezieht sich auf die Teil- In dringenden Angelegenheiten, de- es sei denn, der Gemeinderat muss in fenden Verwaltung fallen würde, da es nehmer der Sitzung) aus und setzt das ren Erledigung auch nicht bis zu einer Ausübung seines Kontrollrechts beim wesentlich auf die Verhältnisse vor Ort Hausrecht durch (bezieht sich auf die ohne Frist und formlos einberufenen Auftreten von Missständen in der Ge- im Einzelfall ankommt. Von besonde- Zuhörer und zugezogene Personen, die Gemeinderatssitzung aufgeschoben meindeverwaltung nach § 28 Abs. 3 für rer Bedeutung ist dabei die Größe der keine Sitzungsteilnehmer sind). werden kann, entscheidet nach § 52 deren Beseitigung Sorge zu tragen. Gemeinde, ferner sind Struktur, Fi- „Bei der Verhandlungsleitung hat Abs. 4 SächsGemO der Bürgermeister nanzkraft und Verwaltungsintensität sich der Bürgermeister objektiv zu ver- anstelle des Gemeinderats. Die Grün- Aufgabenverteilung zu berücksichtigen. halten, den Sitzungsablauf unpartei- de für die Eilentscheidung und die Art In den Zuständigkeitsbereich des „Ob die finanziellen Auswirkungen isch zu gestalten und Neutralität ge- der Erledigung sind dem Gemeinderat Bürgermeisters gehört die Verant- erheblich sind, lässt sich auch für ei- genüber den verschiedenen politischen unverzüglich mitzuteilen. Das Glei- wortung für die Gliederung der Ge- ne bestimmte Gemeinde nicht allge- Richtungen zu wahren.“7 Jedoch steht che gilt für Angelegenheiten, für deren meindeverwaltung und für die Vertei- meingültig beantworten, denn der für es dem Bürgermeister bei Ordnungs- Entscheidung ein beschließender Aus- lung der Aufgaben auf die einzelnen eine Aufgabe einzusetzende finanzi- verstößen (z.B. Äußerungen ohne Wor- schuss zuständig ist. Verwaltungseinheiten. Dem Bürger- elle Aufwand kann innerhalb der Ge- terteilung, beleidigenden Äußerungen, Voraussetzungen für eine Eilent- meister steht die Befugnis zu, die Ge- meinde in den verschiedenen Äm- gegen die Grundsätze der Menschlich- scheidung sind: (1) die Unmöglichkeit meindeverwaltung etwa in Dezernate, tern unterschiedlich beurteilt werden. keit verstoßende Äußerungen) zu, von zu einer Einberufung der Sitzung auch Abteilungen, Ämter und Sachgebiete So kann die Beschaffung von Materi- seiner Ordnungsgewalt Gebrauch zu ohne Frist und Form, (2) die Gefahr zu unterteilen und im einzelnen zu be- al zur Instandsetzung von Straßen im machen. von Nachteilen für die Gemeinde. stimmen, welche Aufgaben von den Wert von 25.000 EUR ein Geschäft der „Die Unterlassung oder die Verzö- einzelnen Verwaltungseinheiten wahr- laufenden Verwaltung darstellen, wäh- Widerspruchsrecht gerung der Entscheidung müsste er- zunehmen sind. Nur bei der Festlegung rend die Einrichtung einer Kinderbibli- Nach § 52 Abs. 2 ist der Bürgermei- hebliche oder wesentliche Nachteile der Geschäftskreise der Beigeordneten othek mit demselben Aufwand in der ster berechtigt, Beschlüssen des Ge- für die Gemeinde, einzelne Einwoh- kann der Bürgermeister nicht uneinge- gleichen Gemeinde wegen ihrer grund- meinderats zu widersprechen. Dabei ner, sonstige Beteiligte oder die Allge- schränkt handeln, sondern ist auf das sätzlichen kulturellen Bedeutung und muss er Beschlüssen des Gemeinderats meinheit mit hoher Wahrscheinlichkeit Einvernehmen (hier des Stadtrats) an- wegen ihrer wesentlichen Auswir- widersprechen, wenn er der Auffassung zur Folge haben. Es müssen nicht auf- gewiesen. kungen auf den Kulturetat nicht zur ist, dass sie rechtswidrig sind; er kann schiebbare Entscheidungen sein, die Weiterhin ist der Bürgermeister für laufenden Verwaltung gehört.“13 ihnen widersprechen, wenn er der Auf- aus der Sache heraus unter einem sol- den Einsatz der Gemeindebediensteten In der Regel gehören zu den Geschäf- fassung ist, dass sie für die Gemeinde chen Entscheidungszwang stehen, dass zuständig. Vor allem berechtigt das aus ten der laufenden Verwaltung: nachteilig sind. Der Widerspruch muss sie nach den Umständen des Einzel- seiner Vorgesetztenstellung resultie- ƒƒdie Beschaffung des laufenden Büro- unverzüglich, spätestens jedoch binnen falls unverzüglich zu treffen sind. Ge- rende Weisungsrecht den Bürgermei- bedarfes und sonstigen Verbrauchsma- einer Woche nach Beschlussfassung meint sind nicht nur vermögenswirk- ster, allgemeine und besondere Anord- terials, gegenüber den Gemeinderäten ausge- same Schäden, sondern auch ideelle nungen an die Gemeindebediensteten ƒƒGeschäfte nach feststehenden Tarifen sprochen werden. Der Widerspruch Schäden… Die Anlässe zu Eilentschei- hinsichtlich der Art der Sachbearbei- (z.B. die Belieferung mit Trinkwasser, hat aufschiebende Wirkung. Gleichzei- dungen können durchaus verschie- tung zu stellen. Selbst Beigeordneten Heizmaterial, Gas, Strom), tig ist unter Angabe der Widerspruchs- den sein, z. B. Naturkatastrophen, Un- kann der Bürgermeister allgemein ƒƒdie Heranziehung zu Gemeindeabga- gründe eine Sitzung einzuberufen, in glücksfälle, Versorgungsengpässe, oder im Einzelfall nach § 55 Abs. 3 ben, der erneut über die Angelegenheit zu Terminsachen, dringliche Personalent- SächsGemO soweit Weisungen ertei- ƒƒdie Entscheidung über Widersprüche beschließen ist; diese Sitzung hat spä- scheidungen wie außerordentliche len, ohne ihnen dabei ihren Geschäfts- von Bürgern gegen Verwaltungsakte testens vier Wochen nach der ersten Kündigungen, Abwendung von Haf- kreis ganz oder teilweise zu entziehen. der Gemeinde, Sitzung stattzufinden. Ist nach Ansicht tungs- und Regressansprüchen. Bei Ei- des Bürgermeisters auch der neue Be- lentscheidungen ist der Bürgermeister Ordnungsmäßigkeit Fortsetzung auf Seite 3 schluss rechtswidrig, muss er ihm er- nicht gezwungen, erreichbare Gemein- Der Bürgermeister trägt die Ver- neut widersprechen und unverzüglich deräte vorher anzuhören, doch ist dies antwortung dafür, dass die Dienstge- die Entscheidung der Rechtsaufsichts- nicht ausgeschlossen.“10 schäfte unter Berücksichtigung der Impressum behörde über die Rechtmäßigkeit her- Aufgrund der Vorrangstellung des gesetzlichen Verfahrensgrundsätze Kommunalpolitisches beiführen. Gemeinderats als Hauptorgan der Ge- rechtzeitig, wirtschaftlich und rationell Forum Sachsen e.V. „Rechtswidrig ist jeder Verstoß ge- meinde ist das Eilentscheidungsrecht erledigt werden. Ihm obliegt ferner, Großenhainer Straße 99 gen geltendes Recht sowohl in Hin- des Bürgermeisters sehr eng auszule- für den ordnungsgemäßen Gang der 01127 Dresden blick auf den Inhalt des Beschlusses als gen und an hohe Anforderungen ge- Verwaltung zu sorgen. „Dazu gehö- Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 auch hinsichtlich seines Zustandekom- knüpft. Eine Eilentscheidung muss ren auch die Aufsicht über die Einhal- Fax: 0351-7952453 mens. Zum geltenden Recht zählen auf außergewöhnliche Ausnahmefäl- tung der Arbeits- und Öffnungszeiten, [email protected] das gesamte geschriebene (Gesetze, le beschränkt bleiben und darf erst als über den taktvollen, verständlichen www.kommunalforum-sachsen.de Rechtsverordnungen, Satzungen) und „letztes Mittel“ eingesetzt werden.11 und nachvollziehbaren Umgang mit Red., Satz und Layout: A. Grunke ungeschriebene (Gewohnheits-)Recht Bürgerinnen und Bürgern, über die V.i.S.d.P.: P. Pritscha sowie öffentlich-rechtliche Vereinba- ordnungsgemäße Aktenführung und rungen. Ein rechtswidriger Beschluss Leitung der Registratur, über die Form und Aus- Die Kommunal-Info dient der kommu- liegt auch dann vor, wenn unbestimmte Gemeindeverwaltung druckweise sowie über die rechtzeitige nalpolitischen Bildung und Informati- Rechtsbegriffe fehlerhaft angewandt, Aufstellung des Haushaltsplanes und on und wird durch Steuermittel auf der Ermessen unrichtig ausgeübt oder bei Nach § 53 Abs. 1 SächsGemO ist der des Jahresabschlusses. Zum ordnungs- Grundlage des von den Abgeordneten Weisungsaufgaben fachaufsichtsrecht- Bürgermeister für die sachgemäße Er- gemäßen Gang der Verwaltung gehört des Sächsischen Landtags liche Weisungen nicht beachtet wer- ledigung der Aufgaben und den ord- außerdem die Aufrechterhaltung der beschlossenen Haushalts finanziert. Seite 3 Kommunal-Info 8/2019

Städte unterstützen mehr Engagement für Klimaschutz Stadt wird derzeit diskutiert, was noch mehr getan werden kann, damit die Schritte im Verkehr reichen noch nicht aus oder ausgebaut, die bis heute den städ- Klimaziele von erreicht werden. tischen Verkehr überhaupt am Leben Diese Diskussionen müssen wir nut- halten. Der Deutsche Städtetag setzt zen, um weiter voranzukommen beim sich zudem dafür ein, dass mit den nachhaltigen Stadtumba“, so Griesert. Mitteln des Programms sanierungs- Initiativen, die den kommunalen Kli- bedürftige ÖPNV-Systeme grundle- maschutz und das private Engagement gend erneuert werden können. Das ist für mehr Klimaschutz stärken, wie bei- auch Voraussetzung dafür, mit Digita- spielsweise die Bewegung „Fridays for lisierungsmaßnahmen im ÖPNV Wir- Future“, könnten die Arbeit der Städ- kungen zu erzielen. te unterstützen. Der Städtetag emp- Die Städte unterstützen, dass die fehle den Städten, gemeinsam mit den CO2-Einsparziele für alle Sektoren im Klimaschutz aktiven gesellschaft- festgeschrieben und regelmäßig über- lichen Gruppen und Organisationen, prüft werden sollen. Nur so können wie beispielsweise den Klimabündnis- zeitnah daraus Anpassungen bei den sen, Agenda 21-Gruppen und Schüler- Deutscher Städtetag nach Präsidiums- besserungen im Abgasverhalten wer- Maßnahmen eingeleitet werden. bewegungen örtliche Projekte im Kli- sitzung in Salzgitter zum Klimapaket den durch immer mehr und immer maschutz zu prüfen und umzusetzen. Pressemitteilung 24.09.2019 schwerere Fahrzeuge und die deutliche Klimaschutz in den Städten und In einer Reihe von Städten sei das be- Die Städte halten einige Ansätze des Zunahme des Verkehrs aufgefressen. Ausbau der erneuerbaren Energien reits geübte Praxis oder macht man sich von der Bundesregierung beschlos- „Alternative Antriebe zu fördern, das Der Stellvertreter des Präsidenten des auf diesen Weg. senen Klimapakets für sinnvoll. Sie ge- Bahnfahren attraktiver zu machen und Deutschen Städtetages, Oberbürger- (www.staedtetag.de) hen jedoch davon aus, dass die Maß- die Umstellung der Kfz-Steuer sind meister Wolfgang Griesert aus Osna- nahmen aller Voraussicht nach nicht richtig, reichen voraussichtlich aber brück, sagte mit Blick auf den Ausbau Klimaschutz mit Blick ausreichen, um in Deutschland die in- nicht aus, um die CO2-Einsparungs- der erneuerbaren Energien, in Korre- für die ländlichen Räume ternational vereinbarten Klimaziele ziele für den Verkehrsbereich zu errei- spondenz zur CO2-Bepreisung sei die bis 2030 zu erreichen. Das machte der chen“, so Jung: „Wir müssen es schaf- geplante Senkung der EEG-Umlage Deutscher Landkreistag Präsident des Deutschen Städtetages, fen, dass der CO2-Ausstoß im Verkehr sinnvoll, auch um den sauberer wer- Pressemitteilung 18. September 2019 Oberbürgermeister Burkhard Jung aus signifikant sinkt. Deshalb muss es für denden Strom zu begünstigen und den Der Deutsche Landkreistag hat sich Leipzig, nach einer Sitzung des Präsi- die Menschen noch attraktiver werden, Umstieg auf „grünen“ Strom zu för- im Vorfeld seiner Jahrestagung in Mer- diums des kommunalen Spitzenver- vom Auto auf emissionsarme Verkehrs- dern. Dazu gehöre aber auch ein am- seburg (Saalekreis) zum Klimaschutz bandes in Salzgitter deutlich. mittel umzusteigen. Die Städte brau- bitionierter Ausbau der erneuerbaren geäußert. Präsident Landrat Reinhard „Es ist gut und notwendig, dass die chen Unterstützung durch Bund und Energien. Sager sprach von einem Thema, dessen Bundesregierung dem Klimaschutz ei- Länder, um rasch notwendige Investi- Zum Engagement der Städte beim Bedeutung mittlerweile wahlentschei- nen höheren Stellenwert einräumt. Der tionen für einen attraktiven ÖPNV mit Klimaschutz betonte der stellvertre- dende Dimensionen angenommen ha- Einstieg in eine CO2-Bepreisung, För- mehr modernen Bussen und Bahnen tende Städtetagspräsident: „Klima- be. „Den Landkreisen kommt etwa bei derprogramme etwa für Gebäudesa- leisten zu können. Wir begrüßen des- schutz ist eine globale Herausforde- den erneuerbaren Energien, beim Wald nierung und einzelne Maßnahmen im halb ausdrücklich, dass der Bund die rung, der sich die Städte schon seit oder beim Umbau des Energiesystems Verkehrsbereich weisen in die richtige Mittel für die kommunale Verkehrsin- vielen Jahren aktiv stellen. Das gilt eine zentrale Rolle zu. Klimaschutz Richtung“, sagte der Städtetagsprä- frastruktur durch das Gemeindever- auch für die Anpassung an den Klima- und Energiewende dürfen nicht auf sident: „Allerdings wird manches zu kehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) auf wandel als eine weitere wichtige Zu- Kosten der ländlichen Räume gestaltet zaghaft und langsam angepackt. Vor zwei Milliarden Euro anheben will und kunftsaufgabe, der wir uns neben vie- werden. Als Standorte für Windener- allem die Vorschläge für den Verkehr damit um eine Milliarde Euro mehr als len anderen nationalen und regionalen gieanlagen, Photovoltaik-Freiflächen, halten wir als Städte noch nicht für aus- bisher geplant. Dies entspricht einer Handlungsbedarfen widmen. Klima- Biogasanlagen und Überlandleitungen reichend, um die Klimaziele zu errei- langjährigen Forderung des Deutschen schutz ist derzeit ein bestimmendes tragen die ländlichen Räume besonde- chen.“ Städtetages. Das darf aber nicht erst im Thema in vielen Rathäusern. Die Städ- re Belastungen. Es bedarf deshalb bei Aus Sicht der Städte entscheidet sich Jahr 2025 kommen. Diese Mittel müs- te bauen erneuerbare Energien stärker möglichen neuen Instrumenten wie ei- der Erfolg der Klimabeschlüsse des sen schon bei der laufenden Novelle der aus und senken gemeinsam mit ihren ner CO2-Bepreisung auch eines beson- Bundes zu einem großen Teil daran, Gemeindefinanzierung noch in dieser Stadtwerken ihre CO2-Emissionen. Sie deren Ausgleichs für die ländlichen wie gut die Verkehrswende zu nachhal- Legislaturperiode greifen. Auch die forcieren den Umbau zu nachhaltiger Räume. Zudem gilt es, umgehend in tiger Mobilität gelingt. Die CO2-Emis- Länder müssen dies durch zusätzliche Mobilität. Sie treiben die energetische moderne Mobilitätsinfrastruktur wie sionen des Straßenverkehrs lagen im Mittel unterstützen.“ Sanierung von Gebäuden voran und Schienenwege, bedarfsgerechte und vergangenen Jahr noch immer auf dem Mit diesen Mitteln werden Stadt-, U- berücksichtigen Klimaschutzkriterien Niveau von 1990. Denn bisherige Ver- und Straßenbahn-Systeme realisiert stärker bei der Bauleitplanung. In jeder Fortsetzung auf folgender Seite

Fortsetzung von Seite 3 für die Ermessenspraxis der Gemein- gener Zuständigkeit zu prüfen. Strei- 7Gemeindeordnung für den Freistaat de bei der Erteilung von Sondernut- tigkeiten zwischen dem Bürgermeister Sachsen. Ergänzbarer Kommentar …, Der Bürgermeister... zungserlaubnissen für Werbeanlagen und dem Gemeinderat, ob ein Geschäft G § 51, Rn 21. ƒƒ der Abschluss von Werk- und Dienst- im öffentlichen Straßenraum (auch der laufenden Verwaltung vorliegt, 8Sächsische Gemeindeordnung. Kom- verträgen des alltäglichen Verkehrs bei Großstädten kein Geschäft der lau- können Gegenstand eines Kommunal- mentar, Hrsg.: Binus/Sponer/Kool- (Instandhaltungsarbeiten usw.), fenden Verwaltung), verfassungsstreitverfahrens vor dem mann…, S. 188. ƒƒdie Inanspruchnahme von inneren und ƒƒder Erlass allgemeiner Richtlinien zuständigen Verwaltungsgerichts sein. 9Ebenda, S. 189. äußeren Kassenkrediten nach Maßga- für die Zulassung von Bewerbern zu 10Ebenda, S. 191. be der Haushaltssatzung, Volksfesten und Märkten, AG 11Vgl. Gemeindeordnung für den Frei- ƒƒder Abschluss von gängigen Versiche- ƒƒdie Benennung von Straßen und Plät- — staat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar rungen für die Gemeinde, zen, 1Sie hierzu „Der Gemeinderat. Kompe- …, G § 52, Rn 110. ƒƒdie Zuordnung von Hausnummern, da ƒƒder Erlass allgemeiner Regelungen zu tenzen und Rechtsstellung“ in: Kommu- 12Sächsische Gemeindeordnung. Kom- hierbei die Ordnungsfunktion im Vor- der von der Vergabe einzelner Num- nal-Info Nr. 7/2019. mentar, Hrsg.: Binus/Sponer/Kool- dergrund steht und dem Eigentümer mern zu trennenden Frage, nach 2Wenn nachfolgend die Rechtsstellung mann…, S. 193. des betroffenen Grundstücks damit welcher Systematik die Hausnum- und die Zuständigkeiten des Bürgermei- 13Gemeindeordnung für den Freistaat auch keine begünstigende Rechtsposi- mernverteilung im Gemeindegebiet sters nach §§ 51 bis 53 SächsGemO be- Sachsen. Ergänzbarer Kommentar …, tion verschafft wird, sondern diese nur vorgenommen werden soll, handelt werden, dann gilt das ebenso G § 53, Rn 31. tatsächliche Auswirkungen hat. ƒƒdie Entwidmung von öffentlichen We- entsprechend für den Landrat nach §§ 14Sächsische Gemeindeordnung. Kom- Keine Geschäfte der laufenden Ver- gen und 47 bis 49 SächsLKrO. mentar, Hrsg.: Binus/Sponer/Kool- waltung sind in den meisten Gemein- ƒƒder Abschluss eines Grundstück- 3Gemeindeordnung für den Freistaat mann…, S. 194f. den Entscheidungen mit Dauerwirkung stauschvertrags über ein größeres Sachsen. Ergänzbarer Kommentar …, wie beispielsweise: Grundstück.14 G § 51, Randnummer (Rn) 3. ƒƒdie längerfristige Entscheidung über Bei den Geschäften der laufenden Ver- 4Ebenda, G § 51, Rn 16. die Vergabe von Räumen der Gemein- waltung handelt es sich um einen un- 5Ebenda, G § 36, Rn 22f. de, die Zusage der Einstellung eines lei- bestimmten Rechtsbegriff, der folglich 6Sächsische Gemeindeordnung. Kom- tenden Bediensteten, die Verleihung gerichtlich voll überprüfbar ist. Ob ein mentar, Hrsg.: Binus/Sponer/Kool- des Ehrenbürgerrechts, Geschäft der laufenden Verwaltung mann, Kommunal- und Schulverlag ƒƒder Erlass allgemeiner Richtlinien vorliegt, hat der Bürgermeister in ei- 2016, S. 146. Kommunal-Info 8/2 019 Seite 4

Fortsetzung Klimaschutz... ländliche Räume Vorschau auf Seminare flexible Angebote, Radwege und vieles mehr zu investieren.“ Man müsse gut aufpassen, dass es Info-Veranstaltung beim Klimathema nicht wieder zu einer Barrierefreiheit in der Kommune einseitigen Wahrnehmung der großen Städte komme: „56 % der Bevölkerung Wo besteht noch Handlungsbedarf? leben in ländlichen Räumen. 91 % der 22. Oktober 2019, 17 - 20 Uhr Fläche Deutschlands sind ländlich.“ Infoladen Zittau, Äußere Weberstraße 2 Die Energiewende entscheide sich vor 02763 Zittau allem im ländlichen Raum. Gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention sind Voraussetzungen zu schaffen, die es behinderten Menschen ermög- In diesem Zusammenhang ist Sager lichen, gleichberechtigt und selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Hierzu gehören beispielsweise davon überzeugt, dass es ein falscher auch barrierefreie Zugänge zu öffentlichen Einrichtungen und dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Weg wäre, mit Verboten statt mit An- Wo besteht im Landkreis Görlitz weiterer Handlungsbedarf, was muss sich ändern? Und welche Möglichkeiten haben reizen zu operieren und beispielswei- die Kommunen dazu? Wo und wie können sich Betroffene Gehör verschaffen? se Treibstoffe höher zu besteuern. „Das REFERENTEN: führt lediglich zu höheren Kosten für ƒƒJens Hentschel-Thöricht (Kreisrat, Stadtrat) die Verbraucher, die auf das Auto ange- ƒƒWinfried Bruns (Vorsitzender des Sozialverbandes VDK, Ortsverband Löbau – Zittau) wiesen sind. Und diese finden wir nicht Kein Teilnehmerbeitrag ! in den großen Städten mit ihrem engen ÖPNV-Netz. Nein, die davon betrof- fenen Pendler leben in den Landkrei- Grundlagenseminar sen und vielfach im ländlichen Raum.“ Dies verdeutliche, dass Schnellschüsse Der Jugendhilfeausschuss in der Klimapolitik zwar auf den ersten am 25. Oktober 2019, 16 Uhr - 21 Uhr Blick nach einfachen Lösungen klin- Kreativcafé „All In“, Rosenhof 14 gen, bei Lichte betrachtet aber große 09111 Chemnit z strukturelle Verwerfungen hervorru- Der Kinder­- und Jugendhilfeausschuss nimmt unter den kommunalen Ausschüssen eine Sonderstellung ein. Zum ei- fen könnten. „Daher müssen die Folge- nen ist er auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte zwingend gesetzlich vorgeschrieben. Zum anderen sind wirkungen mitgedacht und an anderer in diesem Gremium nicht nur kommunale MandatsträgerInnen stimm­berechtigt, sondern auch die VertreterInnen der Stelle abgefedert werden.“ anerkanntenTräger der freien Jugendhilfe. Da treffen viele Personen aus verschiedenen Kontexten aufeinander, um ge- Gleiches gelte für die Mobilitätswen- meinsam die Kin­der-­ und Jugendhilfepolitik der Kommune zu gestalten. de, die der Klimawandel immer dring- Die Kinder-­ und Jugendhilfeausschüsse in Sachsen werden mit Beginn der Wahlperiode 2019 neu besetzt, drum bie- licher werden lasse. Sie betreffe nicht tet das KFS allen neuen VertreterInnen, ob mit oder ohne Mandat, dieses Seminar an. Langjährige und erfahrene Mit- nur Berufspendler, auf die in der lau- glieder von Kinder- ­und Jugendhilfeausschüssen führen in die Besonderheiten der Arbeit dieser Ausschüsse ein. fenden Debatte besonderes Augen- REFERENTIN: Sabine Pester (Stadträtin, Historikerin, Vorsitzende KFS) merk gerichtet werden sollte. „Von Teilnehmerbeitrag: 10 EUR, ermäßigt 5 EUR einer Verteuerung der Autonutzung be- Ermäßigung für KFS-Mitglieder und ALG-Empfänger, Auszubildende etc. Teilnahmebeitrag inklusive alkoholfreien troffen wären die allermeisten Haus- Tagungsgetränken. Teilnahme nur nach voriger Anmeldung und Bestätigung! halte in den Landkreisen. Denn hier – und das ist ein großer Unterschied zu den Großstädten – verfügt nahezu je- Grundlagenseminar de Familie über mindestens ein Auto.“ Solle beispielsweise Elektromobilität Zeitsouveränität breite Akzeptanz finden, müsse des- 1. November 2019, 17 Uhr - 3. November 2019, 13 Uhr halb die entsprechende Infrastruktur Landhotel Frankenberg, Dammplatz 3 mit Unterstützung von Bund und Län- 09669 Frankenberg dern noch weiter und verstärkt flächen- Fraktions­, Gemeinderats­ und Ausschusssitzung. Dazu Einla­dungen, Gespräche, Vorbereitungszeit. In der Kommunal- deckend ausgebaut werden. Auch auto- politik und besonders im Ehrenamt ist Zeit ein wertvolles Gut. Wie schaffen wir es, der Hetzerei und Fremdbestimmung nome Fahrzeugkonzepte sollten gerade aktiv ent­gegen zu steuern? Ist es möglich, seine eigenen Belastungsgrenzen zu berücksichtigen und den eigenen Tages- in der Fläche erprobt werden. rhythmus bei der Arbeitsplanung mit einzubeziehen? Wie kann ich meine Energie bündeln und den Alltag bewältigen? Schwieriger sei die Situation bei kom- Das Seminar unterstützt dabei, durch praxisnahe Übungen und kritische Reflexionen Zeit auf die richtige Art und Wei- munalen Nutzfahrzeugen und Elektro- se zu nutzen. bussen, so Sager weiter: „Die EU hat REFERENT: Dr. Christian Wirrwitz (Dozent, Trainer, Coach) hier unlängst ambitionierte Vorgaben Teilnehmerbeitrag: 30 EUR, ermäßigt 15 EUR gemacht, die vorsehen, dass bis 2025 Ermäßigung für KFS-Mitglieder und ALG-Empfänger, Auszubildende etc. Teilnahmebeitrag inklusive alkoholfreien bzw. 2030 ein großer Teil der beschaff- Tagungsgetränken und Handbuch. Teilnahme nur nach voriger Anmeldung und Bestätigung! ten Busse und Lkw ‚saubere Fahr- zeuge‘ sein müssen. Das ist allerdings im ländlichen Raum ohne massive Un- Grundlagenseminar terstützung auch durch Bund und Län- der im Zuge der anstehenden Beschlüs- Der kommunale Haushalt se des Klimakabinetts nicht darstellbar vom 8. November 2019, 18 Uhr - 9. November 2019, 16 Uhr – den Verkehrsbetrieben drohen sonst Jugendherberge, Herbergsweg 2 unverhältnismäßige Kosten. Das bringt 04651 Bad Lausick/OT Buchheim den ÖPNV in der Fläche nicht voran, Der kommunale Haushalt oder: wo kommt das Geld her und wo geht es hin? Wer den Haushalt einer Kommune versteht, schlimmstenfalls sogar zum Erliegen.“ kann auch besser Politik betreiben. Dazu gehört es, über die Grundlagen orientiert zu sein: Was ist eine Haushaltssat- Und der weitere Ausbau der erneuer- zung, was ein Haushaltsstrukturkonzept und was ein Haushaltsplan? Nach welchen Grundsätzen sind sie auf­zustellen baren Energien müsse mit besonderem und was wiederum bedeuten vorläufige Haushaltsführung und Nachtragshaushalt? Blick für die Landkreise und mit Au- Natürlich soll es nicht allein bei der Theorie bleiben. Ganz praktische Fragen wie z.B. welchen Einfluss Mandatsträge- genmaß betrieben werden: „Von daher rInnen überhaupt auf den Haushaltsplan haben, wie Gebühren und Beiträge kalkuliert werden und was die Einwohne- sind Energiepolitik und Klimaschutz rInnenzahl für den kommunalen Haushalt bedeutet, werden ebenso behandelt. strukturpolitische Themen, bei denen Ziel des Seminars ist es, die haushälterischen Grundlagen zu vermitteln, euch einen informierten Einblick zu verschaf- man die unterschiedlichen Betroffen- fen und so politische Handlungsspielräume zu erkennen! heiten von Stadt und Land in eine ge- REFERENT: Alexander Thomas (Dipl.-Verwaltungswirt, parl.-wiss. Berater) sunde Balance bringen muss. Nicht Teilnehmerbeitrag: 20 EUR, ermäßigt 10 EUR zuletzt um die Akzeptanz für die En- Ermäßigung für KFS-Mitglieder und ALG-Empfänger, Auszubildende etc. Teilnahmebeitrag inklusive Übernachtung, ergiewende zu sichern, brauchen wir alkoholfreien Tagungsgetränken und Handbuch. Teilnahme nur nach voriger Anmeldung und Bestätigung! viel klarere, wirtschaftliche Anreize. Die Wertschöpfung muss bei den Men- Anmeldungen an: Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V., Großenhainer Straße 99, 01127 Dresden schen vor Ort bleiben“, formulierte er Tel.: 0351-4827944 oder 4827945, Fax: 0351-7952453 zum Schluss. [email protected], www.kommunalforum-sachsen.de (www.landkreistag.de) Oktober 2019 Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag ParlamentsReport Für konstruktive und laute Opposition

Seit dem 1. Oktober ist der 7. Sächsi- die Beratungen nicht mehr bis in die rungen künftig zwecks Veröffentlichung sche Landtag im Amt. Zur Konstituie- Nacht dauern. Auch erhoben wir erneut aufgezeichnet werden. Die angehenden rung wurden auch die 14 Abgeordneten die Forderung, dass die Ausschüsse Koalitionäre stimmten keinem dieser der Linksfraktion per Handschlag ver- grundsätzlich öffentlich tagen sollten, Vorschläge zu. Das macht wenig Hoff- pflichtet. Der alte Landtagspräsident ist wie es in zahlreichen Bundesländern nung auf eine neue politische Kultur, in auch der neue – Matthias Rößler (CDU), der Fall ist. Wir wollen die Staatsre- der Vorschläge mit Blick auf die Sache zuletzt in den Schlagzeilen als Gastge- gierung stärker in die Pflicht nehmen, anstatt aufs Parteibuch diskutiert wer- ber einer Wahlkampfveranstaltung mit Landtag und Öffentlichkeit mit Infor- den. Hans-Georg Maaßen, die in AfD-Krei- mationen zu versorgen – über ihre Vor- sen euphorisch gefeiert wurde. „Mit haben, Staatsverträge, Verordnungen, Nun muss laut Verfassung binnen vier Liebe Leserinnen diesem Votum für einen National-Kon- Bundesratsangelegenheiten und mehr. Monaten ein Regierungschef gewählt servativen demonstriert die CDU-Frak- Die Streichung der Ministerbefragung, werden, sonst gibt es Neuwahlen. und Leser, tion, dass sie aus dem Wahlergebnis über die CDU, SPD und Grüne disku- Wir sind gespannt, ob eine „Kenia“- nichts gelernt hat“, befand LINKEN- tiert hatten, lehnte die Linksfraktion ab. Koalition aus CDU, SPD und Grünen klare Ansage: Wir müssen jetzt schnell- Fraktionschef Rico Gebhardt. stens und schonungslos nachdenken, „Richtig wäre es gewesen, ein Gesicht wie wir uns anders aufstellen und zu nominieren, das mit einer Positio- wie wir innerhalb und außerhalb des nierung gegen antihumanistische Ten- Parlaments die schlagkräftige soziale denzen wahrgenommen wird.“ Rößler Opposition sein können, um zwar nicht erhielt 87 Stimmen – die CDU stellt 45, die zahlenmäßige, aber die politische die „Kenia-Koalition“ 67 Abgeordnete. Oppositionsführerschaft zu erringen. Also muss Rößler Stimmen von der AfD Ich will dazu beitragen, was ich kann. erhalten haben – aus der Linksfraktion Die Fraktion hat mich, zunächst für ein sicher nicht. Jahr, wieder zum Vorsitzenden gewählt, damit will ich die Neuaufstellung Eine Änderung der Geschäftsordnung begleiten. führt dazu, dass die Linksfraktion trotz ihres Mandateverlusts weiter ein Vize- Für dieses Vertrauen bin ich sehr präsidenten-Amt besetzen kann. Sie dankbar. Wir müssen den Blick nun nominierte Luise Neuhaus-Wartenberg, nach vorn richten und lösungsorien- die im dritten Wahlgang gewählt wurde tiert diskutieren. Alles kommt auf den und mehr Stimmen erhielt als der AfD- Prüfstand: Mit welchen Strukturen Kandidat für den zweiten Vizepräsiden- wir arbeiten, wie wir uns thematisch ten-Platz. Die Geschäftsordnung stand aufstellen, wie wir kommunizieren und überhaupt zur Debatte. Die Linksfrak- Wir wollen sie aufwerten – etwa indem zustande kommt und welchen Weg sie unsere Arbeit nach außen darstellen: tion beantragte diverse Änderungen. auch der Ministerpräsident regelmä- einschlägt. Wir nehmen den Auftrag der Gewohnt sachlich, aber rebellischer im Im Lichte jüngster Erfahrungen plä- ßig Rede und Antwort steht. Und um Wählerinnen und Wähler an und wer- Auftreten, damit wir unsere Konzepte dierten wir für drei anstelle von zwei zu zeigen, dass externer Sachverstand den eine ebenso konstruktive wie laute für ein soziales Sachsen besser zu Plenartagen pro Sitzungswoche, damit im Parlament gefragt ist, sollten Anhö- Opposition sein! Gehör bringen. Bei unserer Klausur in Meißen haben wir das mit externen Gästen schon andiskutiert, und Abge- ordnete wie Beschäftigte der Fraktion arbeiten derzeit mit Hochdruck an Vorstand gewählt – zunächst bis 2020 neuen Ideen. Am 17. September hat die Linksfrak- dacht habe. Er wolle Verantwortung Rolle haben für mich auch die unzäh- Wir kämpfen weiter – und freuen uns tion sich eine Geschäftsordnung gege- für die Neuaufstellung des parlamenta- ligen Anrufe und Nachrichten seit der über jede Unterstützung. Auch wenn ben und einen Vorstand gewählt. Rico rischen Arms der sächsischen LINKEN Wahlnacht gespielt, die mich aufgefor- die Rahmenbedingungen für uns als Gebhardt bleibt Vorsitzender (neun übernehmen und die Phase der Neu- dert haben, jetzt in dieser schwierigen nunmehr wohl einzige demokratische Ja-, vier Nein-Stimmen, eine Enthal- aufstellung begleiten. „Eine wichtige Situation nicht hinzuschmeißen.“ Oppositionspartei nicht leichter tung) und Sarah Buddeberg Parla- geworden sind: Wir resignieren nicht, mentarische Geschäftsführerin (zwölf sondern sind entschlossen, uns wieder Ja- und zwei Nein-Stimmen). Zu stell- größeren Einfluss zu erkämpfen, schon vertretenden Vorsitzenden wählten im Interesse der vielen Menschen in die 14 Abgeordneten Susanne Scha- unserem Lande und außerhalb, die auf per (neun Ja- und drei Nein-Stimmen) eine starke LINKE wie auf eine starke sowie Marika Tändler-Walenta (acht Ja- Linke angewiesen sind. und fünf Nein-Stimmen). Die Amtszeit dieses Vorstandes läuft ein Jahr.

„Das Wahlergebnis war für uns – und für mich – ein politisches Erdbeben. Die Zerstörungen sind erheblich. Das Rico Gebhardt sieht man an all denen, die leider nicht Fraktionsvorsitzender im Landtag sind. Nun ist die Antwort auf Erdbeben nicht, dass man alle beschädigten Häuser, die noch ste- hen, vorsorglich dem Erdboden gleich- macht. Es geht darum, das noch Beste- hende auf Stabilität zu prüfen und das Kaputte stabiler wiederaufzubauen“, begründete Rico Gebhardt seine V. l. n. r.: Susanne Schaper, Marika Tändler-Walenta, Sarah Buddeberg, Kandidatur, über die er lange nachge- Rico Gebhardt. Seite 2 PARLAMENTSREPORT Oktober 2019 Wofür wir streiten

Wir haben unsere 14 Abgeordneten die Arbeit. Dauernde Belastung und „Wir sollten als Freistaat alle Möglich- gefragt: Erreichbarkeit steht wachsender Pro- keiten nutzen, um Profitinteressen duktivität gegenüber. Die Forderung aus zentralen Lebensbereichen her- Was ist die wichtigste politische nach einer 30-Stunden-Woche ist auszuhalten. Es gibt Felder, die für Veränderung in Sachsen, für die wieder aktuell!“ unser aller Leben enorm wichtig sind Du in den kommenden fünf Jah- ren im Landtag streiten willst? Nico Brünler, MdL

Hier sind die Antworten: „Ich werde mich für eine gewaltfreie „Das wichtigste Thema der nächsten Gesellschaft einsetzen, in der es fünf Jahre und darüber hinaus ist die keine Diskriminierung auf Grund von Bewahrung unserer Lebensgrund- Herkunft, Geschlecht, sexueller Ori- lagen. Der Schutz von Klima und Umwelt umfasst alle Sektoren – Ener- gieversorgung, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft. So wie Deutschland

seits des Parlaments, gemeinsam mit der demokratischen Zivilgesellschaft. Das heißt in Sachsen vor allem, ver- eint standzuhalten gegen autoritäre Entwicklungen und den bedrohli- chen Rechtsruck. Deshalb brauchen wir endlich ein Gesamtkonzept zur und wo es nicht darauf ankommen Zurückdrängung der extremen Rech- darf, dass Leistungen sich rechnen, ten.“ sondern dass sie in höchster Qualität erbracht werden – etwa die Wasser- Kerstin Köditz, MdL und Energieversorgung, Krankenhäu- ser, Pflege oder Wohnen. Öffentliches Eigentum vor privaten Interessen!“ „Für ein besseres Sachsen! Ich setze mich in den nächsten fünf Jahren für entierung oder sozialem Status gibt. Rico Gebhardt, MdL einen gelingenden Strukturwandel Es geht nicht um Sonderrechte, son- ein. Denn es wird nicht der letzte dern um ein Sachsen, in dem wir alle frei und selbstbestimmt leben kön- „Ich werde mich u.a. für mehr Jugend- weltweit vorbildlich werden sollte, nen. Mein Motto bleibt daher: Lieber beteiligung einsetzen, z. B. durch muss Sachsen in Deutschland vor- gleichberechtigt als später!“ Absenkung des Wahlalters und Ein- bildlich sein. Das heißt: Vorfahrt für führung von Jugendbeteiligungsforen. erneuerbare Energieträger, Alter- Sarah Buddeberg, MdL Außerdem streite ich für die Erhöhung nativen zum Auto und energetische und Weiterentwicklung der Jugend- Sanierung fördern, die Nahrungsmit- telproduktion ökologisch machen, „Überall in Sachsen muss es sich gut Insekten schützen. Es gibt viel zu tun leben lassen. Ich will dafür streiten, – und die Zeit drängt!“ dass es überall schöne gleichwertige

Marco Böhme, MdL

„Sachsen muss sich der Digitalisie- rung stellen. Derzeit sind Verwaltung und Infrastruktur schlecht vorbe- reitet. Datennetze gehören in die öffentliche Hand, öffentlich gesam- melte Daten müssen frei zugänglich sein. Digitalisierung verändert auch sein. Wir brauchen viele Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern, um Konflikte zu lösen, oder vielleicht auch erstmal ungewöhnliche Pro- jekte, wie ein Modellprojekt Grund- einkommen oder eine geförderte Regionalwirtschaft.“ pauschale, um Jugendclubs und Alternative Jugendzentren, vor allem Antonia Mertsching, MdL außerhalb der Großstädte, zu erhalten und auszubauen. Weiterer wichtiger Lebensbedingungen gibt, was vor Punkt ist die Stärkung von Jugendpro- „Ich will im Landtag eine Stimme allem abseits der Großstädte großes jekten gegen z. B. Neonazismus.“ von Mieterinnen und Mietern sein Engagement erfordert. Wir dürfen und werde dafür streiten, dass Mie- aber keine Region abhängen oder Anna Gorskih, MdL ten bezahlbar bleiben und werden. aufgeben. Ein zweites wichtiges Ziel Dafür braucht es grundlegende Ver- ist der Schutz des öffentlichen Eigen- änderungen, nicht nur beim sozialen tums vor Privatisierung.“ „Ich streite für eine solidarische und Wohnungsbau. Wohnen ist Teil der unteilbare Gesellschaft, für Freiheit Daseinsvorsorge, keine Ware. In die- Antje Feiks, MdL und Gleichheit – diesseits und jen- sem Sinne müssen öffentliche und Oktober 2019 PARLAMENTSREPORT Seite 3

gemeinwohlorientierte Vermieter moderne Pflege erhalten kann – ohne Franz Sodann, MdL Regionen entwickeln und streiten für gestärkt und die Dominanz der priva- Kopfzerbrechen, ob man sie sich leis- die Umgestaltung der EU zur Sozial-, ten Immobilienunternehmen zurück- ten kann!“ Rechts- und Wirtschaftsunion. Wir gedrängt werden.“ „Sachsen muss sich stärker einbrin- wollen kein Europa des Kapitals, son- Susanne Schaper, MdL gen in Europa, dazu kann auch der dern eines für uns Menschen, das den Juliane Nagel, MdL Landtag beitragen. Europapolitik darf Frieden sichert. Das verlangt den radi- sich nicht darin erschöpfen, Förder- kalen Umbau der EU-Institutionen.“ „Ich wünsche mir moderne gesetzli- mittel abzugreifen. Wir wollen ein „Wir haben jetzt jahrelang über Geld che Rahmenbedingungen für einen positives Leitbild für ein Europa der Marika Tändler-Walenta, MdL und Lehrkräftestellen reden müssen. zeitgemäßen Bevölkerungsschutz. Ich will, dass endlich wieder Bildungs- Das bedeutet auch, das Sächsische politik gemacht wird! Wir müssen Gesetz über den Brandschutz, Ret-

dringend darüber nachdenken, was tungsdienst und Katastrophenschutz wie gelernt und gelehrt werden soll. in zielgenaue Einzelgesetze weiter- Das Bildungssystem muss verantwor- zuentwickeln. Und ich will, dass die Glückwünsche für Luise Neuhaus-Wartenberg nach ihrer Wahl zur tungsbewusste, demokratische und Kommunen mehr finanziellen Ent- Landtags-Vizepräsidentin friedensbewegte junge Menschen scheidungsspielraum bekommen, hervorbringen, die unsere Gesell- damit sie das Leben vor Ort verbes- schaft weiterentwickeln helfen.“ sern können, anstatt von einer Pflicht- aufgabe zur nächsten zu hetzen.“ Luise Neuhaus-Wartenberg, MdL Mirko Schultze, MdL

„Es gibt auch in Sachsen inzwischen „Ich sehe die Bewahrung der Frei- Pflegeheime, in denen alle oder heit von Kunst und Kultur als meine fast alle Bewohner zum Sozialamt oberste Aufgabe. Wir wollen Frei- müssen, obwohl sie ihr Leben lang räume erhalten und ausbauen. Im gearbeitet und Beiträge in die Pflege- ländlichen Raum sollen Atelierbeauf- versicherung eingezahlt haben. Eine tragte die dortige Entwicklung unter- Schande! Wir wollen eine Pflegever- stützen. Und ich kämpfe für mehr sicherung, die ihren Namen verdient. Verbraucherschutz dahingehend, Alle, die ein Einkommen erzielen, dass die Staatsregierung endlich ihrer ob aus Arbeit oder am Finanzmarkt, Pflicht nachkommt, zu verhindern, sollen für dessen gesamte Höhe Bei- dass die Menschen an jeder Ecke vom träge einzahlen. Ich will eine Gesell- Kapitalismus über den Hobel gezogen Schon zur Konstituierung des 7. Sächsischen Landtages gab es klare schaft, in der jeder menschenwürdige werden.“ Ansagen der LINKEN-Abgeordneten - hier Marco Böhme und Anna Gorskih Seite 4 PARLAMENTSREPORT Oktober 2019 Erste Initiative: Für eine gerechte Grundsteuer! Schon der erste Vorstoß der Linksfrak- Miete umgelegt werden kann. Das Wir halten auch an unserer Forderung stücke berücksichtigen muss. Sonst tion in der neuen Wahlperiode betrifft muss auf der Bundesebene geregelt fest, dass die Grundsteuer den Ver- müssten Villenbesitzer für einen Qua- uns alle: Es geht um die Reform der werden – aktuell gibt es im Bundes- kehrswert der Gebäude und Grund- dratmeter Wohnfläche nicht mehr Grundsteuer. Unser Gemeinwesen rat einen Gesetzesantrag des rot-rot Grundsteuer bezahlen als die Miete- kann nicht auf diese Einnahme ver- regierten Landes Berlin, die Umlage- rinnen und Mieter einer Sozialwoh- zichten. Doch es kommt darauf, wer möglichkeit abzuschaffen. Die Grund- nung. durch die Steuer wie stark belastet steuer soll also kein Bestandteil der wird. Wer ein kleines oder mittleres Betriebskosten mehr sein dürfen, Die Grundsteuer wird bald ein lan- Einkommen hat, soll nicht mehr zahlen dazu müsste die Betriebskostenver- despolitisches Thema werden – denn müssen. Die Grundsteuer darf auch ordnung geändert werden. Dann wäre das entworfene Bundesgesetz enthält nicht den angespannten Wohnungs- die Grundsteuer eine Eigentümerab- eine Öffnungsklausel für die Länder, markt in den Städten und die steigen- gabe, entsprechend dem Grundsatz die Alleingänge ermöglicht. Bayern hat den Mietpreise weiter hochtreiben. „Eigentum verpflichtet“. Wir wollen die schon angekündigt, eine vom Wert des Nicht-profitorientierte, gemeinwohl- sächsische Landesregierung beauftra- Grundstückes unabhängige Grund- orientierte und genossenschaftliche gen, das im Bundesrat zu unterstüt- steuer anzustreben. Auch Sachsens Wohnungsunternehmen und -träger zen. Die Entlastung der Mieterinnen Finanzminister will diese Regelung sollten von ihr befreit werden. und Mieter ist also Thema unseres nutzen. Wir werden der neuen Regie- ersten Antrages nach der Wahl – und rung genau auf die Finger schauen und Vor allem wollen wir erreichen, dass ein klarer Auftrag an die nahende aufpassen, dass das nicht zu unsozia-

die Grundsteuer nicht mehr auf die „Kenia“-Koalition. Agency auf Pixabay LEEROY Bild von len Grundsteuer-Änderungen führt! Keine Opposition im Wartestand

Wohl bis zum Jahresende werden CDU, Auszubildende über hundert Euro von tromobilität wegzufallen drohen – vor dertag am 20. September dank rot-rot- SPD und Grüne hinter verschlossenen ihrem oft sehr bescheidenen Lehrlings- allem in der Industrieregion Chemnitz/ grüner Mehrheit gesetzlicher Feiertag. Türen darüber verhandeln, was sie sich Salär für die Monatskarte aufbringen. Erzgebirge. Die Suche nach klima- und Wir wollen für Sachsen ebenfalls einen für die nächsten fünf Jahre vornehmen 68 Euro für das Verkehrsverbünde- umweltschonender Mobilität ist wich- gesetzlichen Familien-Feiertag: den wollen – und mit welchem Personal eine übergreifende Ticket, wozu sich die tig. Die Menschen in Sachsen haben ersten Freitag im Juni im Zusammen- neue Regierung arbeiten soll. Die Oppo- CDU/SPD-Koalition mit Ach und Krach aber einen Anspruch darauf, dass die hang mit dem Internationalen Kinder- sition bleibt draußen. Aber wir warten durchgerungen hat, sind zu viel. Regierungspolitik diese Prozesse mit tag. Das wäre ein starkes Signal an die natürlich nicht, bis die Koalitionäre zu Industriepolitik begleitet, um einem Familien und passte als nichtkonfessi- Potte gekommen sind. Wir begleiten die n Druck macht für höhere Löhne, Kahlschlag in der Industrielandschaft oneller Feiertag zu einer Gesellschaft, Verhandlungen mit Forderungen, denn etwa durch ein soziales Vergabegesetz. entgegenzuwirken. die zu drei Vierteln nicht religiös, aber viele Probleme harren einer schnellen Staatliche Aufträge sollen nur noch an an humanistischen Werten des Zusam- Lösung. Sachsen verdient eine Landes- Unternehmen gehen, die gute Arbeit n sich um bezahlbares Wohnen küm- menlebens interessiert ist. regierung, die zum Beispiel … auch anständig bezahlen. Es soll nicht mert. Seit 2006 ist der Bestand an Sozi- mehr nur um das vermeintlich wirt- alwohnungen in Sachsen von 134.000 n jungen Leuten mehr demokratische n die Ausbildung attraktiver macht. schaftlichste Angebot gehen, das in der auf 11.800 und damit um 95 Prozent (!) Beteiligung ermöglicht. Engagierte Denn Sachsen braucht mehr Hand- Regel das billigste ist. Wie wichtig sol- gesunken. Die CDU-geführten Regie- junge Menschen treiben schon seit werkerinnen und Handwerker, zu viele cher Druck ist, zeigt der aktuelle Warn- rungen geben nicht einmal die Bundes- über einem Jahr die herrschende Poli- Lehrstellen bleiben frei. Auszubildende streik von Gebäude-Reinigungskräften. mittel für soziale Wohnraumförderung tik in der Schlüsselfrage Klimaschutz sollen künftig kostenlos zur Berufs- vollständig an die Kommunen weiter, vor sich her. Nicht zuletzt deshalb ist schule kommen. Wir wollen ein landes- n Strukturwandel-Politik nicht nur für und sie investieren kein Landesgeld. es höchste Zeit, Kindern und Jugendli- weites Bildungs-Ticket für den gesam- Braunkohle-Reviere macht, sondern Das muss sich ändern! chen die Mitwirkungsrechte zu geben, ten Ausbildungsverkehr, ob zur Schule auch für die sächsische Automobilin- die ihnen zustehen. Gerade Sachsen ist oder Berufsschule: Zehn Euro für alle dustrie, in der zehntausende Arbeits- n Familien mehr Zeit gibt. In unserem da besonders rückständig – hier gibt es im ganzen Land! Heute müssen viele plätze durch die Umstellung auf Elek- Nachbarland Thüringen ist der Weltkin- im Unterschied zur Mehrheit der Bun- desländer nicht mal Wahlalter 16 bei Kommunalwahlen. Dass Jugendliche ab 16 mit der Fahrschule beginnen kön- Nur noch peinlich nen, aber nicht mitentscheiden dürfen, wie ihr Lebensumfeld aussieht, ist ein Sachsens Ex-Ministerpräsident Widerspruch! Tillich (CDU) hat einen neuen Job – als Aufsichtsratschef bei der Mitteldeutschen Braunkohlenge- sellschaft. Das hat „mehr als ein Geschmäckle“, finden Linksfrak- tionschef Rico Gebhardt und die stellvertretende LINKEN-Landes- vorsitzende Dr. Jana Pinka. Denn Impressum Tillich war in seiner Amtszeit ein gnadenloser Kohlelobbyist ohne Fraktion DIE LINKE Rücksicht auf Verluste bei Umwelt im Sächsischen Landtag und Kultur, und nun verdient er Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 sein Geld ausgerechnet mit einem 01067 Dresden Bergbauunternehmen. Seine Telefon: 0351/493-5800 Arbeit in der Kohlekommission Telefax: 0351/493-5460 diente wohl der Vorbereitung. E-Mail: [email protected] www.linksfraktion-sachsen.de Tillichs Nachfolger Kretschmer V.i.S.d.P.: Marcel Braumann fällt indes mit destruktiven Rund- Redaktion: Kevin Reißig umschlägen gegen ein sowieso unzureichendes „Klimapaket“ als Verteidiger der Vergangenheit auf. Und diese personifizierte Vergan- genheit macht nun Kohle mit der Kohle …