Religiöse Minderheiten in Israel

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

einer Magistra der Naturwissenschaften

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Anna Christina SCHRIEBL

am Institut für Geographie und Raumforschung

Begutachter: Ao. Univ. Prof. Dr. ČEDE, Peter

Graz, 2019

Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre eidesstattlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht.

Gender-Klausel Aus Gründen der Textökonomie werden in der vorliegenden Arbeit weibliche Formen nicht explizit angeführt. An dieser Stelle wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich alle personenbezogenen Formulierungen grundsätzlich gleichermaßen auf Frauen und Männer beziehen.

______Ort, Datum Anna Christina Schriebl

Vorwort

Die vorliegende Diplomarbeit mit dem Titel „Religiöse Minderheiten in Israel“ ist die Abschlussarbeit meines Lehramtsstudiums der Unterrichtsfächer Biologie und Umweltkunde und Geographie und Wirtschaftskunde an der Karl-Franzens-Universität Graz. Im Rahmen meines Studiums absolvierte ich im Jahr 2017 das geographische Seminar „Israel“ und im Jahr 2018 eine geographische Exkursion nach Israel. Seither setze ich mich zunehmend mit der Rolle Israels im Nahen Osten auseinander.

Seit dem Jahr 2015 engagiere ich mich freiwillig bei der Hilfe von geflüchteten Menschen. Im Zuge meines Studiums habe ich Grundkenntnisse in der arabischen Sprache erworben, die auch hier Einsatz finden. Mein Interesse an anderen Kulturen spiegelt sich bei der Thematik dieser Diplomarbeit wider.

Durch das lehrreiche Seminar und die äußerst interessante Exkursion vermittelte mir mein Diplomarbeitsbetreuer, Herr Professor Peter Čede, das Basiswissen dieser Arbeit. Im Zuge der Gestaltung imponierte er mir durch sein eigenes Interesse an der Thematik und unterstützte mich in zahlreichen Sprechstunden mit seiner zuvorkommenden und kompetenten Art. Dafür möchte ich mich bei ihm ausdrücklich bedanken.

Das größte Dankeschön gilt meinen Eltern Christine und Eduard Schriebl, die mir das Studium ermöglichten und mich tatkräftig und motivierend unterstützten. Obwohl mein Papa die letzten Jahre meines Studiums nicht mehr miterleben konnte, hat er mir die Basis für meine Zukunft gelegt. Sein Vertrauen in mich gibt mir noch immer Kraft! Weiters zu erwähnen ist mein Bruder Paul, der meine Diplomarbeit Probe gelesen und mich in jeglicher Hinsicht bestärkt hat und meine Schwester Iris. Ein großes Dankeschön gilt auch meinen Großeltern, die mir immer hilfsbereit zur Seite standen.

Ein weiterer Dank gilt meinen Freundinnen und Freunden, allen voran Birgit Luttenberger, Tamara König, Nathalie Größ, Mario Poglitsch, Florian Freidorfer, Dominic Fuchs und Eric Merkus, die mich während meiner gesamten Studienzeit motiviert und unterstützt haben.

I

Zusammenfassung

Der Staat Israel stellt das einzige Land der Welt dar, dessen Mehrheit der Bevölkerung dem jüdischen Glauben angehört. Bei der Staatsgründung im Jahr 1948 wurde durch die Unabhängigkeitserklärung das Recht auf die volle soziale und politische Gleichberechtigung aller Bürger ohne Unterschied der Religion, der Rasse und des Geschlechts gewährt. Zudem wurde die Freiheit des Glaubens, des Gewissens, der Sprache, der Erziehung und der Kultur garantiert. Neben der jüdischen Bevölkerung existieren noch viele weitere Religionsgemeinschaften in Israel, die trotz dieser Erklärung einen anderen Status als die jüdische Mehrheit einnehmen. Ungefähr 20% der israelischen Bevölkerung sind nichtjüdisch und gehören den verschiedensten religiösen, ethnischen und nationalen Minderheiten an.

In der vorliegenden Diplomarbeit werden die religiösen Minderheiten in Israel behandelt. Über die Religionsgemeinschaften der Drusen, Samaritaner und Karäer erfolgt eine ausführliche Beschreibung ihrer Entstehung, Lehre und Glaubensinhalte. Neben einem historischen Überblick der Bedeutung der Minderheiten in Israel wird auch auf die aktuelle Situation der drei Glaubensgemeinschaften eingegangen, die sich vor allem im letzten Jahr zunehmend verändert hat. Durch die Unterzeichnung des Nationalitätengesetzes im Jahr 2018, welches den jüdischen Charakter des Staates Israel festschreibt, begann sich die Lage der Minderheiten zu wandeln. Aufgrund dieses Gesetzes kam es im letzten Jahr zu zahlreichen Protesten der nichtjüdischen Bevölkerung. Vor allem die Drusen, die der israelischen Wehrpflicht nachkommen und den Staat Israel schon während der Gründung unterstützten, fühlen sich nun als „Bürger zweiter Klasse“ abgestempelt.

II

Abstract

The state of Israel is the only country in the world whose majority of the population is Jewish. When the state was founded in 1948, the proclamation of independence granted the right to full social and political equality for all citizens regardless of religion, race or gender. In addition, the freedom of faith, conscience, language, education and culture was guaranteed. Beside the Jewish population, there are many other religious communities in Israel, which, despite this declaration, have a different status than the Jewish majority. About 20% of the Israeli population is non-Jewish and belongs to a wide range of religious, ethnic and national minorities.

This diploma thesis deals with the religious minorities in Israel. There is a detailed discription of the formation, doctrine and beliefs of the religious communities of the Druze, and Karaites. In addition to a historical overview of the importance of minorities in Israel, the current situation of the three faith communities is described, which has changed increasingly, especially in the last year. Because of the signing of the nationality law in 2018, which establishes the Jewish character of the state of Israel, the situation of the minorities has begun to change. Because of this law, numerous protests of the non-Jewish population occurred last year. Especially the Druze, who comply with the Israeli conscription and already supported the state of Israel during its founding, now feel labeled as a "second-class citizens".

III

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ...... I

Zusammenfassung ...... II

Abstract ...... III

Inhaltsverzeichnis ...... IV

Abbildungsverzeichnis ...... VIII

Tabellenverzeichnis ...... IX

Abkürzungsverzeichnis ...... IX

1 Einleitung ...... 1

1.1 Problemstellung und Zielsetzung ...... 1

1.2 Arbeitsgrundlagen und Arbeitsmethodik ...... 2

1.3 Anmerkungen zur Schreibweise ...... 2

2 Begriffsdefinitionen ...... 4

2.1 Minderheit ...... 4

2.2 Religiöse Minderheit ...... 5

2.3 Ethnie ...... 5

2.4 Gruppe ...... 6

2.5 Religiöse Gruppe ...... 7

2.6 Identität ...... 7

3 Die Religionsgeographie ...... 8

3.1 Stellung der Religionsgeographie ...... 8

3.2 Religion im Kontext der Wissenschaften...... 9

3.2.1 Definition von Religion ...... 9

3.2.2 Aspekte des religiösen Lebens ...... 9

3.2.3 Klassifikation von Religionen ...... 10

IV

3.3 Stellung der Religion in der Gesellschaft ...... 12

3.3.1 Religion und Gemeinschaft ...... 12

3.3.2 Religion und Bevölkerung ...... 13

3.3.3 Religion und Siedlungsraum ...... 14

3.3.4 Religion und natürliche Umwelt ...... 15

3.3.5 Religion und Politik ...... 17

3.4 Religiöse Minderheiten ...... 17

3.4.1 Entstehung religiöser Minderheiten ...... 17

3.4.2 Forschung über religiöse Minderheiten ...... 18

3.4.3 Religiöse Minderheiten in der modernen Gesellschaft ...... 19

3.4.4 Religiöse Minderheiten im Heiligen Land ...... 19

4 Bevölkerung Israels ...... 20

4.1 Überblick ...... 20

4.2 Religiöse Großgruppen ...... 21

4.2.1 Juden ...... 21

4.2.2 Muslime ...... 21

4.2.3 Christen ...... 22

4.2.4 Weitere religiöse Gruppen ...... 22

4.2.4.1 Tscherkessen ...... 22

4.2.4.2 Ahmadiyya ...... 23

4.2.4.3 Bahai ...... 23

4.3 Themenabgrenzung ...... 23

5 Die Drusen ...... 24

5.1 Die aktuelle drusische Bevölkerung ...... 24

5.2 Entstehung und Anfänge der Drusen ...... 25

5.2.1 al-Ḥākim ...... 26

5.2.2 Ḥamza und Darazī ...... 27

5.3 Die Gesellschaftsstruktur der Drusen ...... 29 V

5.4 Die Lehre der Drusen ...... 32

5.4.1 Glaubensinhalte ...... 32

5.4.2 Die sieben Gebote ...... 35

5.4.3 Der Drusenkanon – al-Ḥikmat al-Sharīfa ...... 36

5.5 Historischer Überblick über die Drusen im Nahen Osten...... 37

5.5.1 Von der Religionsgründung bis zu den Kreuzzügen ...... 37

5.5.2 Die Drusen und das Osmanische Reich ...... 37

5.6 Historischer Überblick über die Drusen in Israel...... 41

5.6.1 Die Drusen unter britischer Mandatsherrschaft ...... 41

5.6.2 Die Drusen im Israelischen Unabhängigkeitskrieg bzw. Palästinakrieg ...... 45

5.6.3 Die Drusen seit der Ausrufung des Staates Israel ...... 46

5.7 Die Identität der Drusen in Israel ...... 51

5.7.1 Die Wehrpflicht der Drusen in Israel ...... 52

5.7.2 Die Drusen im politischen System Israels ...... 54

5.7.3 Die Drusen im Rechtssystem Israels ...... 55

5.7.4 Die drusischen Organisationen in Israel ...... 56

5.8 Aktuelle Situation und Perspektiven der Drusen in Israel ...... 58

6 Die Samaritaner ...... 61

6.1 Entstehung und Anfänge der Samaritaner ...... 62

6.2 Die Gesellschaftsstruktur der Samaritaner ...... 65

6.3 Die Lehre der Samaritaner ...... 66

6.3.1 Glaubensinhalte ...... 73

6.3.2 Der Berg Garizim ...... 74

6.3.2.1 Die Bedeutung des Garizim für die Samaritaner in der Heilsgeschichte ...... 75

6.3.2.2 Archäologische Befunde am Garizim ...... 76

6.4 Historischer Überblick über die Samaritaner in Israel ...... 82

6.5 Die Identität der Samaritaner in Israel ...... 85

6.6 Aktuelle Situation und Perspektiven der Samaritaner in Israel ...... 86 VI

7 Die Karäer ...... 88

7.1 Entstehung und Anfänge der Karäer ...... 88

7.2 Die Gesellschaftsstruktur der Karäer ...... 94

7.3 Die Lehre der Karäer...... 95

7.4 Historischer Überblick über die Karäer in Israel ...... 97

7.5 Die Identität der Karäer in Israel...... 98

7.6 Aktuelle Situation und Perspektiven der Karäer in Israel ...... 98

8 Unabhängigkeitserklärung 1948 vs. Nationalitätengesetz 2018 ...... 100

9 Resümee ...... 104

10 Verzeichnis der Arbeitsgrundlagen ...... 109

10.1 Literatur ...... 109

10.2 Internet ...... 111

VII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Verteilung der Bevölkerung Israels in Gruppen und in Prozent im Jahr 2019 .. 20

Abbildung 2: Männliche ´uqqāl mit traditioneller Kopfbedeckung ...... 30

Abbildung 3: Weibliche ´uqqāl in traditioneller Kleidung ...... 30

Abbildung 4: Flagge der Drusen ...... 31

Abbildung 5: Drusenstern ...... 33

Abbildung 6: Wohngebiete der Drusen in Israel und auf dem Golan ...... 58

Abbildung 7: Hohepriester Aabed-El ben Aasher ben Matzliach ...... 66

Abbildung 8: Traditionelle Reinigung mit Blut beim Pessachfest ...... 69

Abbildung 9: Pessachfest ...... 70

Abbildung 10: Wallfahrt auf den Berg Garizim ...... 70

Abbildung 11: Verehrung der Tora-Rolle ...... 71

Abbildung 12: Decke einer Sukka ...... 73

Abbildung 13: Lage des Berges Garizim ...... 74

Abbildung 14: Blick auf den Berg Garizim und auf den Berg Ebal ...... 75

Abbildung 15: Plan der Ausgrabungen am Berg Garizim ...... 77

Abbildung 16: Theotokoskirche im Zentrum des Kastells am Berg Garizim ...... 78

Abbildung 17: Ausgrabungen am Berg Garizim - Areal der Theotokoskirche ...... 79

Abbildung 18: Zwölf Steine ...... 82

Abbildung 19: Kiryat Luza ...... 83

Abbildung 20: Samaritanische Synagoge in ...... 84

Abbildung 21: Wohngebiete der Samaritaner in Israel und in den palästinensischen

Autonomiegebieten ...... 87

Abbildung 22: Im Stehen betende Karäer ...... 96

Abbildung 23: Anan ben David-Synagoge in Jerusalem ...... 98

Abbildung 24: Wohngebiete der Karäer in Israel ...... 99 VIII

Abbildung 25: David Ben-Gurion bei der Verlesung der Unabhängigkeitserklärung im Jahr

1948 ...... 100

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Wohngebiete der Drusen in Israel und am Golan ...... 59

Tabelle 2: Wohngebiete der Samaritaner in Israel und in den palästinensischen

Autonomiegebieten ...... 86

Tabelle 3: Wohngebiete der Karäer in Israel ...... 99

Abkürzungsverzeichnis ca. circa etc. et cetera n. Chr. nach Christus o.D. ohne Datum v. Chr. vor Christus

IX

1 Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Das Zusammenleben verschiedener Religionen in einem Land wie Israel ist zu einem sehr wichtigen, religiös aufgeladenen Forschungsfeld geworden. Als einziger Staat der Welt stellen die Mehrheit der israelischen Bevölkerung die Juden dar. Seit Juli 2018 wird Israel durch die Unterzeichnung des Nationalitätengesetzes als „Nationalstaat des jüdischen Volkes“ bezeichnet. Bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 9,03 Millionen Einwohnern (Stand Mai 2019) sind ungefähr 1,8 Millionen Menschen (ca. 20% der Bevölkerung Israels) nicht jüdisch. (CENTRAL BUREAU OF STATISTICS, 2019; LUDWIG, 2016, S. 4) Sie bestehen aus heterogenen Gruppen, die verschiedene ethnische Merkmale aufweisen und den unterschiedlichen Religionen angehören.

Das Thema der vorliegenden Arbeit sind die religiösen Minderheiten in Israel. Es wird dabei auf die Entwicklung und auf die Merkmale von drei ausgewählten Minderheiten eingegangen und deren Bedeutung für den Staat Israel analysiert. Die grundlegenden Fragestellungen dieser Arbeit lauten:

• „Was sind die Kennzeichen der Drusen, Samaritaner und Karäer und wie haben sich diese religiösen Minderheiten etabliert?“

• „Welche Bedeutung haben die drei religiösen Minderheiten (Drusen, Samaritaner, Karäer) für den Staat Israel?“

Neben der Beantwortung der oben genannten Forschungsfragen ist das Ziel der Arbeit dem Leser einen grundlegenden Einblick in die aktuelle Situation der religiösen Minderheiten im Staat Israel zu geben. Da sich die Lage der Minderheiten unter anderem aufgrund des im Vorjahr beschlossenen Nationalitätengesetzes verändern wird, kann diese Arbeit nur die Situation zum Forschungszeitpunkt darstellen und keine endgültigen Schlüsse ziehen.

1

Die vorliegende Diplomarbeit ist in zehn Kapitel unterteilt: Das erste Kapitel beinhaltet die Einleitung und beschäftigt sich mit grundlegenden Informationen über die Problemstellung und die Zielsetzung der Thematik. Weiters werden hier die Arbeitsgrundlagen sowie die Arbeitsmethodik, welche für diese Arbeit relevant waren, genauer dargestellt. Im zweiten Kapitel werden für die Arbeit elementare Begriffe angeführt und erklärt. Das Kapitel Drei beschäftigt sich mit der Religionsgeographie und zeigt die Bedeutung dieser in der Wissenschaft auf. Weiters werden in diesem Abschnitt die Bedeutung von Religionen in der Gesellschaft und die Entstehung religiöser Minderheiten behandelt. In Kapitel Vier erfolgt eine Analyse der Bevölkerung Israels. Hier werden die religiösen Großgruppen überblicksmäßig dargestellt und auf weitere kleinere religiöse Gruppen eingegangen. Die Kapitel Fünf, Sechs und Sieben setzen sich mit den drei ausgewählten religiösen Minderheiten (Drusen, Samaritaner und Karäer) auseinander. Ausgehend von deren Entstehung werden die Entwicklung, die religiöse Lehre, die Rolle im Staat Israel sowie die Identität der drei Gruppen beschrieben. In Kapitel Acht folgt eine Darstellung des Nationalitätengesetzes von 2018 im Vergleich zu Auszügen aus der Unabhängigkeitserklärung Israels vom Jahr 1948. In Kapitel Neun werden die am Anfang gestellten Forschungsfragen anhand der gewonnenen Erkenntnisse beantwortet. Im letzten Kapitel ist das Verzeichnis der Arbeitsgrundlagen angeführt.

1.2 Arbeitsgrundlagen und Arbeitsmethodik

Die vorliegende Diplomarbeit basiert auf einer umfangreichen Literaturrecherche und greift auch auf eine Vielzahl relevanter Internetquellen zurück, welche insbesondere für jene Kapitel, die Aktualitätsbezug haben, verwendet wurden. Zur Gestaltung der Arbeit wurde sehr oft Rücksprache mit Herrn Professor Čede gehalten.

Da sich diese Diplomarbeit mit religiösen Minderheiten beschäftigt, ist die Quellenlage über den Ursprung und die Entwicklung sowie über die Glaubensinhalte der Religionsgemeinschaften teilweise spärlich. Vor allem bei den Karäern existiert keine vollständige Ausgabe über ihre Entwicklung. Hierfür wurde vorwiegend das Internet als Quelle herangezogen.

2

Nach dem einleitenden ersten Kapitel folgt im zweiten Kapitel die Erklärung elementarer Begriffe dieser Diplomarbeit, wofür als Arbeitsgrundlage insbesondere das GEOGRAPHIE LEXIKON SPEKTRUM verwendet wurde. Die Basis von Kapitel Drei bildet die Publikation Religionsgeographie von Gisbert RINSCHEDE (1999), da dieses Werk einen grundlegenden Überblick über die Anfänge und die Entwicklung der Religionsgeographie gibt und sich mit der Rolle der Religion in der Gesellschaft auseinandersetzt. Hinzu kommt die interdisziplinäre Schriftenreihe zur Religionsgeographie Religion und Siedlungsraum von Manfred BÜTTNER, Karl HOHEISEL, Ulrich KÖPF, Gisbert RINSCHEDE und Angelika SIEVERS (1986), die sich mit Anfängen der Religionsgeographie und mit der Verbreitung der Religionen in bestimmten Gebieten beschäftigt. Außerdem erwähnenswert ist das Werk Religiöse Vielfalt und der Umgang mit Minderheiten von Dorothea WELTECKE, Ulrich GOTTER und Ulrich RÜDIGER (2015), welches sich speziell mit der Entwicklung religiöser Minderheiten, deren Anerkennung und verschiedenen Perspektiven auseinandersetzt. Für die aktuellen Daten in Kapitel Vier wurden relevante Internetquellen verwendet. Das Kapitel Fünf bezieht sich besonders auf das Werk Die Drusen in Israel von Peggy KLEIN (2001) und auf das Werk Die Drusen in Libanon und Israel von Tobias LANG (2013), welche sich beide mit Ausführungen über die Drusen beschäftigen. Für das Kapitel Sechs wurden neben dem englischen Werk The Samaritans von Reinhard PUMMER (1987) sowie einer weiteren Publikation von Reinhard PUMMER (2016) The Samaritans. A Profile zahlreiche Internetquellen verwendet. Für das Kapitel Sieben wurden die meisten Informationen ebenfalls aus dem Internet herangezogen. Für eine Rekonstruktion der Entwicklung der Karäer wurde das Werk von Daniel DINER (2012) Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur verwendet. Die Arbeitsgrundlagen von Kapitel Acht wurden vorwiegend aus dem Internet entnommen.

1.3 Anmerkungen zur Schreibweise

Arabische Begriffe und Namen werden in der vorliegenden Diplomarbeit orientiert an den Regeln der DEUTSCHEN MORGENLÄNDISCHEN GESELLSCHAFT (DMG) geschrieben. Ortsnamen werden auf Deutsch geschrieben, wenn solch eine Bezeichnung vorhanden ist (z.B. Jerusalem statt al-Quds). Immer wieder haben sich Schreibweisen arabischer Namen eingebürgert, die sich von den Transkriptionsregeln abwenden. Sollte dies der Fall sein, sind beim ersten Gebrauch des Namens beide Schreibweisen, wie zum Beispiel Islam [islām] oder Fastenbrechen [Īd al-Fiṭr] angegeben.

3

2 Begriffsdefinitionen

Bevor eine Analyse der Religionsgeographie und der religiösen Minderheiten vorgenommen wird, beschäftigt sich das Kapitel zwei mit jenen Begriffen und Definitionen, die für ein besseres Verständnis der Thematik relevant sind. Um Unklarheiten in dieser Arbeit zu vermeiden werden folgende Begriffe definiert:

➢ Minderheit ➢ Religiöse Minderheit ➢ Ethnie ➢ Gruppe ➢ Religiöse Gruppe ➢ Identität

2.1 Minderheit

Das EUROPÄISCHE JOURNAL FÜR MINDERHEITENFRAGEN definiert „nationale Minderheiten“ wie folgt (PFEIL, 2012, S. 1):

„Definitionsgemäß sind nationale Minderheiten Gemeinschaften, die sich kulturell – und damit im Regelfall auch sprachlich – von der Mehrheitsbevölkerung ihres Wohnsitzstaates unterscheiden, die also kulturell anders und in diesem Anderssein vom Personenbestand her kleiner sind als die sie umgebende Bevölkerung.“

Das PSYCHOLOGIE LEXIKON SPEKTRUM beschreibt den Begriff „Minderheit“ folgendermaßen (SPEKTRUM, 2000):

„Minderheit, auch: Minorität, die quantitativ kleinere Gruppe in einem Sozialgebilde […].“

Das AUSTRIA-FORUM liefert folgende Definition für den Begriff „Minderheit“ (AUSTRIA- FORUM, 2015): Minderheit ist ein „[…] völkerrechtlicher Begriff zur Bezeichnung einer Bevölkerungsgruppe mit zahlenmäßiger Unterlegenheit, nicht herrschender Stellung, ethnischer, religiöser oder

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sonstiger Besonderheit, die die Minderheit von der anderen Bevölkerung unterscheidet, sowie dem gemeinsamen Wunsch nach Bewahrung der eigenen Kultur, Religion und Sprache.“

2.2 Religiöse Minderheit

Das GEOGRAPHIE LEXIKON SPEKTRUM schildert den Begriff „religiöse Minderheit“ folgendermaßen (SPEKTRUM, 2001a):

Eine „[…] religiöse Minderheit, religiöse Minorität, impliziert sowohl eine zahlenmäßige Relation als auch ein spezifisches Verhältnis zur umgebenden Großgruppe bzw. Gesellschaft. Ihre Mitglieder unterscheiden sich häufig aufgrund dominanter gemeinsamer Merkmale von Werten und Normen von der umgebenden Gesellschaft. Diese Merkmale sind konstitutiv für den Minoritätenstatus und verstärken sich durch eine geringe Teilhabe an der dominanten Kultur oder durch ihre negative Bewertung (z.B. "weltlich"). Religiöse Minderheiten verweigern häufig der sie umgebenden Gesellschaft den Grundkonsens. Äußerlich auffallende Kennzeichen können u.a. sein: ein spezieller Kleidungskodex, eine besondere Bevölkerungs-, Berufs- und Wirtschaftsstruktur, ein spezielles Erziehungs- oder Schulsystem sowie ein eigenes Brauchtum. Religiöse Minoritäten siedeln bevorzugt in enger räumlicher Nähe, um auf diese Weise die Gruppenkohäsion zu stärken oder auch den rituellen Anforderungen der Religion zu entsprechen. Hierdurch kommt es zu räumlichen Schwerpunkten in der Verbreitung und damit zu religiös geprägten, signifikanten Erscheinungen in der Kulturlandschaft, die sich z.B. in Haus- und Flurformen oder Siedlungsmustern niederschlagen.“

2.3 Ethnie

Das GEOGRAPHIE LEXIKON SPEKTRUM liefert für den Begriff Ethnie folgende Definition (SPEKTRUM, 2001b):

„Ethnie (von griech. Ethnos =Volk), ethnische Gruppe, ist eine familienübergreifende und familienerfassende Gruppe, die sich selbst eine […] kollektive Identität zuspricht. Dabei sind die Zuschreibungskriterien, welche die Außengrenzen setzen, wandelbar. Die Bildung von Ethnien beruht auf einer Definition, die von den Mitgliedern selbst stammt und ist in einer Dichotomie von „Wir-Andere“ (Multikulturalismus) verankert. Vier Aspekte können als Basis zur Identifikation ethnischer Gruppen herangezogen werden: gemeinsame Kultur (Sprache, Religion, Normen, Werte und Traditionen); gemeinsame Herkunft und Geschichte; besondere Bevölkerungsstrukturen einschließlich sozialer Interaktionen und räumlicher Konzentration 5

sowie physische Merkmale und Verhaltensweisen […]. Die Erfassung von Charakteristika ethnischer Gruppen ist eingeschränkt und beziehen sich zumeist auf die Variablen wie Sprache, Geburtsort oder Staatsangehörigkeit (z.B. bei Volkszählungen). Ethnische Gruppen, die als Minderheiten wahrgenommen werden, sind sich oft bewusst, dass ihre Herkunft, Kultur, Sprache oder Religion und damit auch ihre Verhaltensweisen sie von anderen unterscheiden.“

Das ONLINE LEXIKON ZUR KULTUR UND GESCHICHTE DER DEUTSCHEN IM ÖSTLICHEN EUROPA DER UNIVERSITÄT OLDENBURG definiert den Begriff Ethnizität wie folgt (FEISCHMIDT, 2016):

Ethnizität bezeichnet „Konzepte der Selbst- und Fremdzuschreibung für Gruppen von Menschen auf der Grundlage soziokultureller Merkmale. Das Ergebnis der Zuschreibung wird bezeichnet als „ethnische Gruppe“, bzw. im älteren Sprachgebrauch als „Volksgruppe“, teilweise auch „Stamm“ oder „Volk“. […] „Ethnizität“ sowie ethnische Erscheinungsweisen können in (spät-)modernen Gesellschaften nur im Zusammenhang mit der nationalstaatlichen Logik und den Ethnisierungsstrategien betrachtet werden, die dieser Logik folgen. Diese erklärt im ethnisch begründeten Nationalstaat „anderskulturelle“ Gruppen zu ethnischen Minderheiten; dabei ist Ethnisierung ein reaktiver Prozess, der nicht nur vonseiten des Staates, sondern auch vonseiten der Einwanderer oder der Minderheiten konstruiert wird, wobei sie zumeist strategisch als Antwort auf den Mangel an Integration eingesetzt wird.“

2.4 Gruppe

Das ONLINE LEXIKON FÜR PSYCHOLOGIE UND PÄDAGIGIK STANGL definiert den

Begriff „Gruppe“ folgendermaßen (STANGL, 2019):

„Die Psychologie definiert eine Gruppe als eine Anordnung von mehr als zwei Menschen, die längere Zeit miteinander interagieren, sich wechselseitig beeinflussen, ein gemeinsames Ziel verfolgen und sich als „Wir“ wahrnehmen. Gruppen besitzen bestimmte Gruppenstrukturen und spezifische Werte sowie Verhaltensnormen. Seit Jahrtausenden existieren Gruppen, wobei in allen Kulturen Gruppen natürlich entstanden und zerfallen sind, sich entwickelten oder stagnierten.“

6

Das GABLER WIRTSCHAFTSLEXIKON charakterisiert für den Begriff drei Merkmale (WIRTSCHAFTSLEXIKON GABLER, 2018): Eine Gruppe ist eine Anzahl von Mitgliedern, „[…] die (1) über längere Zeit miteinander ein gemeinsames Ziel verfolgen und (2) in einem kontinuierlichen Kommunikations- und Interaktionszusammenhang stehen („Wir- Gefühl“) und (3) gruppenspezifische Rollen, Normen und Werte ausbilden.“

2.5 Religiöse Gruppe

In der Arbeit wird neben den Begriffen Minderheit, religiöse Minderheit, Ethnie und Gruppe auch der Begriff „religiöse Gruppe“ verwendet. Im GEOGRAPHIE LEXIKON SPEKTRUM findet sich folgende Definition (SPEKTRUM, 2001c):

Als religiöse Gruppe werden Menschen bezeichnet, „[…] die sich aus religiösen Motiven zu gemeinsamem Handeln organisiert haben. Der Begriff religiöse Gruppe geht vom soziologischen Grundbegriff aus, der jede Gesamtheit von Menschen, die in Interaktion miteinander stehen und deren Handeln sich daraus herleitet, als Gruppe definiert. […] Religiöse Gruppen entstehen entweder als Fremdreligion, meist als Ergebnis von Migration oder als gezielt abweichende Religionsgründung.“

2.6 Identität

Das LEXIKON DER PSYCHOLOGIE DORSCH schildert für den Begriff „Identität“ folgende Definition (LUCIUS-HOENE, 2018):

„Identität (engl. identity, lat. idem derselbe), beschreibt die Art und Weise, wie Menschen sich selbst aus ihrer biographischen Entwicklung heraus in der ständigen Auseinandersetzung mit ihrer sozialen Umwelt wahrnehmen und verstehen. Wichtige Bestimmungsstücke, die in die Konstitution der eigenen Identität eingehen, sind z.B. Geschlecht, Alter und soziale Herkunft, Ethnizität, Nationalität und Gruppenzugehörigkeiten, Beruf und sozialer Status, aber auch persönliche Eigenschaften und Kompetenzen.“

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3 Die Religionsgeographie

3.1 Stellung der Religionsgeographie

Religionen und ihre Raumbeziehungen sind fast täglich in verschiedenster Weise in den Medien vertreten. Durch die Einbeziehung des Faktors „Religion“ können zahlreiche Ereignisse des kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Lebens und vor allem auch globale Problematiken, wie zum Beispiel jene der Minderheiten, verstanden und erklärt werden. Als ein Teilgebiet der Geographie wird die Religionsgeographie der Humangeographie, welche der Sozialgeographie unterliegt, zugeordnet. Sie beschäftigt sich mit grundlegenden Einflüssen von religiösen Vorstellungen diverser sozialer und religiöser Gruppen auf den geographischen Raum. (RINSCHEDE, 1999, S. 7)

Die Religionsgeographie kann zum einen als ein Teilbereich der Kultur- sowie der Sozialgeographie betrachtet werden, zum anderen stellt sie ein interdisziplinäres Arbeitsgebiet zwischen der Geographie und der Religionswissenschaft dar (HENKEL, 2007). Die Religionsgeographie wird sowohl von Geographen als auch von Theologen erforscht (BÜTTNER, 1986, S. 6).

Als Teilgebiet der Religionswissenschaft behandelt die Religionsgeographie Einflüsse geographischer Faktoren auf die Religionen und setzt sich mit der Verbreitung religiöser Vorstellungen und Gruppen auseinander. Als Disziplin der Geographie beschäftigt sich die Religionsgeographie vorwiegend mit der Beeinflussung von Religionsgemeinschaften auf den geographischen Raum. Die Prägung von Räumen durch Religionen geschieht durch eine Steuerung von bestimmten soziokulturellen Grundwerten, von denen sich institutionelle Werte, wie zum Beispiel Normen und Grundrechte, ableiten und durch die dann letztlich diverse Raumstrukturen beeinflusst werden. Diese Einwirkungen stellen die Verbindung der Religion zur natürlichen Umwelt dar. In Anbetracht dessen beschäftigt sich die Geographie weiters mit Themen der Religion, die den Siedlungsraum, die Bevölkerung, die Politik, die Wirtschaft, den Reiseverkehr sowie Kultstätten und auch Nationalitätenkonflikte betreffen. Als interdisziplinäre Wissenschaft ist die Religionsgeographie gekennzeichnet durch die Erfassung der gegenseitigen Beeinflussung und der Wechselwirkung von Religion und Raum. (RINSCHEDE, 1999, S. 20-21)

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3.2 Religion im Kontext der Wissenschaften

3.2.1 Definition von Religion

Für den Begriff „Religion“ finden sich zahlreiche Definitionen, die sich aufgrund der Komplexität des Phänomens Religion in ihrer Bedeutung wesentlich unterscheiden. Es ist schwierig eine abstrakte, allgemeine Definition dafür zu verfassen, da der Begriff einen enorm großen Gegenstandsbereich abdeckt. Grundsätzlich versteht man unter Religionen verschiedene „Orientierungssysteme“, „Geisteshaltungen“ oder „Worldviews“, an denen sich ein Individuum orientiert. Im Glauben an solche Orientierungssysteme sucht der Mensch eine Erklärung für seine Existenz und richtet sein gesamtes Leben entsprechend der Religion aus. In der Religionswissenschaft wird der Gegenstand Religion als eine kulturelle Erscheinung gesehen, die also vom Menschen selbst gemacht wurde. Neben den Religionen unterscheidet man noch die Ideologien, welche als säkulare Orientierungssysteme definiert sind. Die religiösen Orientierungssysteme sind dadurch gekennzeichnet, dass sich etwas Heiliges im Profanen erweist und mit den Anhängern auf irdischer Ebene in Kontakt tritt. Im Gegensatz dazu konzentrieren sich die säkularen Orientierungssysteme nur auf den weltlichen Bereich. (RINSCHEDE, 1999, S. 10-11)

3.2.2 Aspekte des religiösen Lebens

Gisbert RINSCHEDE (1999, S. 11-13) führt in seinen Ausführungen sieben Aspekte an, die zum besseren Verständnis des kulturellen Phänomens „Religion“ dienen und durch die sich die heutigen Religionen näher beschreiben lassen. Diese sind:

Ritueller Aspekt: Bestimmte Rituale wie Gebete, Gottesdienste, Predigten und Meditationen sind Bestandteil jeder Religion.

Emotionaler Aspekt: Emotionale Erlebnisse gehören zu vielen religiösen Ritualen. Bestimmte Emotionen zeigen sich als Beweis für den richtigen Glauben und vermitteln den Gläubigen eine Verbindung zum Göttlichen.

Mythischer Aspekt: In den Religionen ist es üblich „lebendige Geschichten“, wie zum Beispiel über die Entstehung der Welt oder Geschichten über Religionsgründer, wie Jesus, Mohammed, Moses und Buddha, zu überliefern.

Dogmatischer Aspekt: In allen großen Religionen bildeten sich, aus den mythischen Dimensionen hervorgehend, bestimmte Lehren, welche Aussagen über die Grundlage des Glaubens liefern. 9

Ethischer Aspekt: Die Werte der Religionen werden durch den mythischen und dogmatischen Aspekt beeinflusst. So bildeten sich bestimmte Grundregeln und Gesetze, die das Leben der Gläubigen dominieren bzw. leiten. Im Judentum richtet sich das Leben der streng Gläubigen nach den 10 Geboten, sowie den 613 Anweisungen. Ebenso gibt es im Islam bestimmte Gesetze, die in der Scharia verankert sind.

Sozialer Aspekt: Die Bedeutung der sozialen Gemeinschaft ist zum Verständnis einer Religion besonders wichtig.

Materieller Aspekt: Religiöse Gebäude, wie Kirchen, Synagogen, Tempel, Moscheen etc. sowie auch natürliche Objekte gehören zu den materiellen Ausdrucksformen von Religionen, in denen die soziale Gemeinschaft ihren Platz findet.

Die sieben genannten Aspekte der Religionscharakterisierung dienen den verschiedenen Wissenschaften als Hilfestellung, um das Phänomen Religion zu erklären. In der Religionsgeographie sind vor allem der soziale und der materielle Aspekt von großer Bedeutung, da diese Bereiche besondere Charakteristika für die Erarbeitung von Raumstrukturen sind. (RINSCHEDE, 1999, S. 11-13)

3.2.3 Klassifikation von Religionen

Um sich mit dem Phänomen Religion näher auseinandersetzen zu können, versuchte man die diversen Religionen durch vergleichende oder gemeinsame Merkmale zu charakterisieren. Für die Klassifizierung der Religionen ist oft eine zweigliedrige Einteilung verwendet worden. Beispiele für diese zweigliedrige Klassifizierung sind: „christliche und nichtchristliche Religionen“, „wahre und falsche Religionen“, „primitive und Hochreligionen“, „Natur- und Kulturreligionen“, „Natur- und Offenbarungsreligionen“, „schriftlose und Schriftreligionen“ sowie „östliche und westliche Religionen“. Allerdings wird durch dieses binäre System die Diversität der einzelnen Religionen viel zu wenig berücksichtigt. Heutzutage werden daher vorwiegend folgende Klassifizierungskriterien angewendet: Die Klassifizierung nach „Glaubensinhalten“, „Ursprungsgebieten“ und „Ausbreitungstendenzen“. (RINSCHEDE, 1999, S. 13) Diese Kriterien beschreibt RINSCHEDE (1999, S. 13-17) folgendermaßen:

Klassifikation nach Glaubensinhalten:

Innerhalb dieser Klassifikation ist zwischen jenen Religionen zu unterscheiden, die an das Vorhandensein eines Gottes glauben (theistische Religionen) und solchen Religionen, die das nicht tun (nicht-theistische Religionen). Die theistischen Religionen charakterisieren sich durch

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den Glauben an ein höheres Wesen, welches die Verbindung zum Universum darstellt, ohne dass es Teil davon ist. Im Bereich der theistischen Religionen erfolgt noch eine Unterteilung zwischen der Anzahl der Gottheiten: Die Vertreter des Monotheismus glauben und verehren ausschließlich einen Gott. Die drei monotheistischen Weltreligionen sind das Christentum, der Islam und das Judentum. Die Anhänger des Polytheismus glauben an mehrere Götter. Ein Beispiel für eine polytheistische Religion ist der Hinduismus. Ein besonderes Merkmal der polytheistischen Religionen ist der Dualismus, in welchem Aspekte wie Licht und Finsternis, Gut und Böse etc. gegenübergestellt werden.

Die nicht-theistischen Religionen glauben nicht an einen Gott, sondern glauben an die Kräfte von natürlichen Objekten, wie Bäume, Tiere, Gewässer, Steine etc. und verehren diese. Obwohl sie an keinen Gott glauben, lehnen sie seine Existenz nicht unbedingt ab.

Klassifikation nach Ursprungsgebieten:

Die Zuordnung der Religionen nach der Verbreitung bzw. der Ursprungsregion bietet eine weitere Möglichkeit der Klassifikation. So wird binär zwischen „westlichen“ und „östlichen“ Religionen unterschieden, wobei unter „westlich“ das Christentum und das Judentum fallen und unter „östlich“ Religionen in China oder Indien verstanden werden. Bei dieser Einteilung wird allerdings der Islam übersehen und generell werden hier einige Erdteile mit ihren Religionen nicht beachtet. Bei der Klassifizierung der Religionen nach ihrem Ursprungsgebiet und ihrer Verbreitung entstehen jedoch auch Probleme, da einige der Religionen in ihren Ausgangsgebieten fast ausgestorben sind und aktuell in anderen Regionen eine Rolle spielen. Die ausschließliche Betrachtung der geographischen Kriterien ist bei solch einer Klassifikation sehr ungenau. Deshalb werden die geographischen Kriterien oft mit historischen verbunden. Diese Form der Einteilung trägt allerdings zum Verständnis des Glaubensinhalts nur wenig bei und ist lediglich bei Informationen über die Herkunft und ihre Ausbreitungsrichtung hilfreich.

Klassifikation nach Ausbreitungstendenzen:

Die Gliederung der Religionen nach Ausbreitungstendenzen erfolgt grundsätzlich durch die Betrachtung der aktiven oder fehlenden Missionstätigkeit. Hier lässt sich zwischen Ethnischen Religionen und Universal-Religionen unterscheiden: Die Vertreter der Ethnischen Religionen sind an regional begrenzte, ethnische Gruppen gebunden. Sie kennzeichnen sich dadurch, dass sie sich nur langsam und über längere Zeit hinweg ausbreiten und in der Regel keine Konvertiten aufnehmen. Das Judentum zählt man zu den ethnischen Religionen, da die Religion 11

lediglich aus einer ethnischen Gruppe, den Juden, besteht. Zu den Universal-Religionen, auch Weltreligionen genannt, zählt das Christentum, der Islam, der Bahaismus und Formen des Buddhismus. Diese Religionen zeichnen sich vor allem durch ihre starke Missionstätigkeit aus, weshalb sie sich auch weit von ihren Ursprungsgebieten ausbreiteten. Anhänger dieser Religionen suchen Konvertiten, weshalb auch keine Ethnizität, Nationalität und vorherige Religionszugehörigkeit ein Hindernis für den Übertritt darstellt.

Für die Religionsgeographie bieten die drei oben beschriebenen Klassifikationskriterien grundlegende Einsichten in die Glaubensrichtung und tragen zum besseren Verständnis der Beziehung zwischen Religion und Raum bei.

3.3 Stellung der Religion in der Gesellschaft

3.3.1 Religion und Gemeinschaft

Zum allgemeinen wissenschaftlichen Verständnis des Phänomens Religion ist eine Betrachtung der wechselseitigen Beziehung zwischen Religionen und Gemeinschaften notwendig. (Religiöse) Gemeinschaften verkörpern gewisse Werte und prägen Ideale, die ihre Einstellung, ihre Verhaltensweisen und ihre Glaubensinhalte beeinflussen. Für die Raumgestaltung sind insbesondere die Vorschriften der Religionen für soziale Ordnung, Aktivitäten in der Gemeinschaft und auch das Verhalten des Einzelnen von Bedeutung. (RINSCHEDE, 1999, S. 69)

Nicht in allen Religionen hat die Bildung von Gemeinschaften einen gleich hohen Stellenwert. Neben den Religionen, in denen die Gemeinschaft das oberste Prinzip darstellt, gibt es auch solche in denen die gemeinschaftliche Komponente nicht existiert oder nicht von großer Bedeutung ist. Trotz dieser Unterschiede in den verschiedenen Religionen ist festzuhalten, dass der Faktor des Zusammenseins in den meisten Religionen ein raumwirksames Element darstellt. Religiöse Gemeinschaften kennzeichnen sich durch bestimmte Riten, Traditionen oder Verhaltensweisen. So findet man innerhalb der Gemeinschaft oft charakteristische rituelle Aktivitäten. Als Beispiel hierfür sind Pilgerreisen zu nennen. Für die Mitglieder stellt das Zusammenfinden in der Gruppe eine besondere Motivation dar. Innerhalb der Gruppe entwickelt sich das Gefühl nicht allein zu sein und bestimmte Aufgaben gemeinsam bewältigen zu können. (RINSCHEDE, 1999, S. 70)

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In den verschiedenen Religionen sind die Anhänger nicht immer gleichgestellt, so gibt es manche, die als Autoritäts- oder Führungspersonen fungieren und solche, die sich jenen unterordnen. In anderen Religionen existiert keine Hierarchie bzw. ist eine Autoritätsstruktur von der individuellen Beteiligung der Gruppenmitglieder abhängig. In vielen Gemeinschaften spielen Geschlechter, Abstammungen oder die Position in der eigenen Familie (Vater, Mutter, Sohn, Tochter) eine entscheidende Rolle. So wird bestimmten Personen ein gewisser Status innerhalb der Gemeinschaft zugeschrieben. Religiöse Gemeinschaften grenzen sich selbst von der säkularen Bevölkerung bzw. von der andersgläubigen Gesellschaft durch ihre individuellen Konzepte ab. (RINSCHEDE, 1999, S. 70-71)

3.3.2 Religion und Bevölkerung

Der Einfluss der Religion auf die Bevölkerung lässt sich vor allem mittels der Bevölkerungsentwicklung sowie anhand von Wanderungsbewegungen erläutern. Betrachtet man innerhalb der Bevölkerungsentwicklung den Faktor Wachstum, so ist in bestimmten Religionen ein klarer Zusammenhang zwischen Religion und Fertilitätsrate zu beobachten. Beispielsweise ist die Bevölkerung in islamischen Staaten die weltweit am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe. Die rohe Geburtenrate stellt die Zahl der Lebendgeburten in der Bevölkerung zur Jahresmitte dar und wird für die Bestimmung des Bevölkerungswachstums herangezogen. In islamischen Staaten ist die rohe Geburtenrate um ein Viertel höher als in Entwicklungsländern, verglichen mit christlich beschaffenen Industriestaaten etwa dreimal so hoch. Im Durchschnitt hat eine Frau in islamischen Ländern sechs Geburten, vergleichsweise mit fünf in anderen Entwicklungsländern und weniger als zwei in sonstigen Industrieländern. Dieses rapide Bevölkerungswachstum in den islamischen Staaten ist zum Teil durch den Pronatalismus des Islams geprägt, der sich auch in der potenziellen Polygamie zeigt. Neben der pronatalistischen Denkweise werden alle Lebensbereiche der Muslime durch die Scharia bestimmt, welche auch einen grundlegenden Einfluss auf die Ehe, die Familiengründung und damit auch auf die Geburtenrate hat. (RINSCHEDE, 1999, S. 128-132)

In Bezug auf den oben genannten Einfluss der Religion auf Wanderungsbewegungen sind hier jene Formen der Migration zu nennen, die Menschen aufgrund von religiösen Kriegen zur Flucht zwingen und solche, die auf der Ausbreitung des Glaubens basieren. Vor allem im Islam und im Christentum spielen bewaffnete, kriegerische Missionstätigkeiten, wie der Jihad und Kreuzzüge eine große Rolle. Die Beziehung der beiden Religionen ist durch jahrhundertelange Eroberungskriege geprägt. (RINSCHEDE, 1999, S. 133-134)

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In den letzten Jahren riefen radikale Anhänger des sogenannten Islamischen Staates immer wieder zum bewaffneten Jihad auf, weshalb zahlreiche, meistens jüngere Männer und Frauen, die in Europa geboren sind, als selbsternannte Krieger in islamische Länder wie Syrien und den Irak zogen, um dort für die Ausbreitung des radikalen Islams zu kämpfen. Auch hier lässt sich eine religiös motivierte Wanderungsbewegung feststellen. (REIF, 2015) Auf der anderen Seite sind in den von religiösen Kriegen beherrschten Ländern Millionen Menschen aufgrund der lebensbedrohlichen Situation dazu gezwungen ihr Heimatland zu verlassen. So führten kriegerische Auseinandersetzungen, vor allem in Ländern wie Syrien, Afghanistan und dem Irak, in den vergangenen Jahren zu großen Wanderungsbewegungen nach Europa. (WITT, 2016, S. 14-15)

Neben den bereits genannten Wanderungsbewegungen sind auch jene anzuführen, bei der ganze Volksgruppen eine religiös motivierte Migration durchführten. Als Beispiel hierfür beruht der Zionismus des 19. und 20. Jahrhunderts darauf, dem jüdischen Volk in Palästina eine neue Heimat zu bieten. (RINSCHEDE, 1999, S. 133-134) Jede Form der religiösen Migration wirkt sich auf die jeweilige Religion der Migrationsgruppe sowie auf die Religionen der Einwanderungsländer aus. In den Immigrationsländern herrscht folglich ein Zusammenleben von Personen mit den unterschiedlichsten Religionen, welches Auswirkungen auf alle Beteiligten hat. (RINSCHEDE, 1999. S. 135)

3.3.3 Religion und Siedlungsraum

Innerhalb von Gesellschaften prägen Religionen auch Kulturlandschaften und Siedlungsräume. Vom Menschen geschaffene heilige Stätten charakterisieren durch Symbole der jeweiligen Religionen den ländlichen und städtischen Raum. Die Kultstätten unterscheiden sich je nach Religion stark von ihrer Bauweise und Gestaltung. An diesen Plätzen finden religiöse Riten statt, wo der Mensch mit dem Überirdischen in Kontakt treten kann. Besonders prägend für Kulturlandschaften sind religiöse Gebäude, in denen sich die Gläubigen versammeln, um ihre Gottheiten zu verehren. (RINSCHEDE, 1999, S. 137-138)

RINSCHEDE (1999, S. 139-150) beschreibt die religiösen Gebäude in den verschiedenen Religionen folgendermaßen:

Hinduismus: In Indien wurden zahlreiche Tempel erbaut, um die vielen Götter im Hinduismus zu verehren. In fast jedem Ort in Indien prägt zumindest ein Tempel die Landschaft. Für die

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Bauweise der Gotteshäuser gibt es keinen bestimmten Bauplan, somit unterscheiden sich die Tempel oft stark in ihrer Form. Vor allem die unterschiedlichen Größen charakterisieren die jeweilige Wirtschaftskraft der Gebiete.

Judentum: Im Judentum dienen die Synagogen als Versammlungsplätze der jüdischen Gemeinschaft, in denen gebetet, gesungen und die heiligen Schriften gelesen werden. Oftmals sind die heiligen Stätten nach einer bestimmten Gebetsrichtung ausgelegt. Die Gebetsrichtung der meisten Synagogen weist daher auf den Tempelplatz von Jerusalem. Die Innenräume der Synagogen sind mit einem Lehrpult, dem Tora-Schrein mit der heiligen Schrift und dem achtarmigen Leuchter ausgestattet. Im Inneren der meisten jüdischen Gotteshäuser erfolgt eine Trennung der Geschlechter, beispielsweise durch abgegrenzte Räume, Gitter oder Vorhänge. Für die äußere Bauweise gibt es im Judentum keine architektonischen Vorschriften.

Christentum: Das Christentum folgt beim Bau von Sakralgebäuden bestimmten Regeln. Zum Beispiel sollte die Kirche das größte und höchste Gebäude in einer Gemeinschaft darstellen und auf einem großen Platz oder Hügel erbaut sein. In ländlichen Regionen ist diese Form der Bauweise typisch, während sie in vielen Städten nicht mehr zutrifft.

Islam: Der Baustil der Moscheen richtet sich nach dem Grundriss des Wohnhauses Mohammeds in Medina. Dies zeichnet sich durch einen ummauerten Hof mit seitlich überdachtem Umgang aus. An einer der äußeren Ecken des Gebäudes befindet sich das Minarett, wo der Muezzin zum Gebet ausruft. Im Inneren findet sich eine Gebetshalle, die oftmals von Säulen umgeben ist. Weitere Merkmale der Moscheen sind ein Vorhof mit Brunnen für die rituellen Waschungen, sowie abgegrenzte Räume für beide Geschlechter.

Die Ausrichtung von Siedlungen unterliegt außerdem gewissen Leitbildern, die den Raum durch Ordnung, Entwicklung und Nutzung prägen. Landschaften und Siedlungsräume lassen sich somit durch religiöse sowie säkulare Leitbilder charakterisieren. (RINSCHEDE, 1999, S. 150-152)

3.3.4 Religion und natürliche Umwelt

Die Beziehung zwischen Religion und Umwelt ist wechselseitig, da auf der einen Seite Religionen die Umwelt prägen und auf der anderen Seite Religionen ebenso durch die Umwelt determiniert werden. In den Weltreligionen ist der Einfluss der natürlichen Umwelt geringer als in den Stammesreligionen der Naturvölker. Diese Beeinflussung wird durch die Verehrung bestimmter Objekte wie Berge, Höhlen, Felsen, oder auch Pflanzen und Tieren deutlich. (RINSCHEDE, 1999, S. 81-83) 15

RINSCHEDE (1999, S. 83-89) erläutert folgende Naturheiligtümer genauer:

Heilige Berge: Die Verehrung der heiligen Berge hat in den meisten Religionen eine große Bedeutung. Das Ausmaß der Heiligkeit lässt sich von den verschiedenen Bergformen sowie von der Höhe ableiten. Die Bergverehrung unterteilt man in zwei verschiedene Vorstellungen. Zum einen gelten Berge als Erscheinungen, die Gottheiten oder Dämonen beherbergen, zu denen die Gläubigen aufsehen und die für bestimmte Naturereignisse wie Stürme, Erdbeben und Vulkanausbrüche verantwortlich gemacht werden. Zum anderen werden Berge als Stützen des Himmels und Verbindungstelle zwischen Erde und Himmel gesehen. Der Bergkult wirkt sich in der Menschheit in unterschiedlichen Formen aus. Die Gläubigen achten Berge, indem sie Abstand zu ihnen halten oder indem sie diese durch Pilgerreisen aufsuchen und dadurch Opfer bringen. Vor allem im Judentum spielen heilige Berge (wie zum Beispiel Sinai, Zion, Ölberg, Karmel, Tabor) eine große Rolle. Aber auch in anderen Religionen, wie im Buddhismus und Taoismus wird den Bergen eine zentrale Rolle zugeschrieben.

Höhlen: Die Bedeutung von Höhlen als heilige Stätten ist in fast jeder Religion vorhanden. Sie werden in vielen Religionen als Orte von rituellen Handlungen genutzt oder ihnen wird eine besondere Geltung in der Entstehungsgeschichte zugeschrieben, indem sie als Ausgangspunkt der Welt betrachtet werden. Im Taoismus zum Beispiel sind Höhlen jene Orte, an denen der Zugang zum Reich der Toten erfolgt, oder auch das Tor zum Paradies geöffnet wird. Von Schamanen werden Höhlen als Plätze für Übergangs- und Pubertätsriten genutzt. Neben der Funktion als heilige Stätte bieten Höhlen auch Schutz vor Verfolgung. Beispielsweise entstanden Höhlenkirchen im Nahen Osten aufgrund der Verfolgung der christlichen Gemeinschaft und boten den Gläubigen somit Sicherheit.

Felsen und Steine: Vor allem im Islam wird Felsen eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Der Felsendom am Tempelberg in Jerusalem stellt eine der heiligsten Stätten im Islam dar, von dem aus Mohammed seine Reise in den Himmel unternommen hat. Auch der Schwarze Stein, die Kaaba, spielt für Muslime eine bedeutende Rolle, denn in ihrem Glauben hat Allah diesen Stein auf die Erde geschickt.

Wasser: Neben den bereits genannten Naturheiligtümern hat auch das Wasser in allen Religionen einen besonderen Stellenwert. Je nach Religion bewirkt das Wasser ein

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Abstandsverhalten oder fordert zum Eintauchen auf, wenn dem Gewässer magisch-religiöse Kräfte bei Berührung zugeschrieben werden.

Pflanzen und Bäume: Bestimmte Pflanzen dienen in den Religionen als Symbol für Reinheit und Göttlichkeit und werden von den Gläubigen verehrt. Im Christentum werden insbesondere immergrüne Bäume wie Tanne oder Fichte für das Weihnachtsfest als Symbol des ewigen Lebens genutzt.

Tiere: Verschiedenen Tierarten werden ebenfalls religiöse Kräfte zugeschrieben. So wurden bestimmte Wildtiere und Haustiere als Ziel der Verehrung in einzelnen Kulturen gewählt. In einigen Religionen werden Tiere wie Rind, Schaf, Schwein und Pferd als Opfertiere genutzt.

3.3.5 Religion und Politik

Die Trennung von Religion und Politik in der westlichen Welt soll ein neutrales Verhalten des Staates gegenüber allen Religionen und allen Menschen, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, bewirken. Allerdings können sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart wechselseitige Beziehungen zwischen Religion und Politik festgestellt werden, wodurch deutlich wird, dass sie stark voneinander beeinflusst sind. Dies zeigt sich durch Konflikte, die auf ethnischen, wirtschaftlichen, sprachlichen und auch räumlichen Faktoren beruhen. (RINSCHEDE, 1999, S. 103)

3.4 Religiöse Minderheiten

3.4.1 Entstehung religiöser Minderheiten

In den Gesellschaften westlicher Industrieländer ist die Existenz einer religiösen Vielfalt zum Regelfall geworden. Auch historisch betrachtet war das Zusammenleben verschiedener Religionen in unmittelbarer Nähe normal. Beispielsweise lebten im Mittelalter in Europa Menschen mit den Religionszugehörigkeiten wie Christen, Juden und Muslime in den gleichen Städten, obwohl die Mehrheit dem lateinischen Christentum zugehörte. (WELTECKE, 2015, S. 14-15)

Dorothea WELTECKE (2015, S. 15) merkt in ihren Ausführungen über religiöse Minderheiten an, dass es schon damals und auch heute rege Differenzierungsprozesse gegeben hat. Betrachtet 17

man die religiösen Bewegungen im lateinischen Christentum im 11. Jahrhundert, so zeigen sich Ausgrenzungsstrategien der römischen Kirche, welche die römischen Christen und Andersgläubige nicht nur religiös, sondern auch sozial voneinander unterscheiden. Auch im Buddhismus sowie im Judentum und im Islam führten soziale und kulturelle Prozesse zu einer Differenzierung innerhalb der Religionsgemeinschaften. (WELTECKE, 2015, S. 15-16)

Die Entstehung religiöser Minderheiten wird durch unterschiedliche kulturelle Haltungen bedingt. Menschen mit unterschiedlichen Religionen treffen dementsprechend verschiedene Entscheidungen und verfolgen andere Interessen. Das kann zur gegenseitigen Abgrenzung von religiösen Identitäten führen, wodurch ein großes Spannungsfeld zwischen der normbestimmten Mehrheit und den Vorstellungen der Minderheit entsteht. (WELTECKE, 2015, S. 10)

3.4.2 Forschung über religiöse Minderheiten

Die Frage was nun eigentlich eine religiöse Minderheit ist und von welcher Mehrheit auszugehen ist, sollte kritisch betrachtet werden. Der Begriff „Minderheit“ wird gegenwärtig in vielen Kulturen umgangen. Alternativ dazu wird von „Vielfalt“ und „religiöser Zugehörigkeit“ gesprochen um abwertende soziale und kulturelle Assoziationen mit dem Wort „Minderheiten“ zu vermeiden. Allerdings sind jene alternativen Begriffe für die Erfassung von quantitativen Realitäten sowie von Machtstellungen in der Forschung nicht schlagkräftig. (WELTECKE, 2015, S. 18)

WELTECKE (2015, S. 18) betont, dass das Verhältnis von religiösen Minderheiten und Mehrheiten nicht dem Gleichnis von Devianz und Norm entspricht, auch wenn das die Meinung der Mehrheiten vertreten würde. Weiters legt sie fest, dass an der Form der Abgrenzungen und an der Bildung von Identitäten beide Gruppierungen beteiligt sind und sich somit gegenseitig beeinflussen. Die Erforschung religiöser Minderheiten ist also eng mit der Untersuchung der Mehrheiten verbunden. Um die Entwicklung der Minderheiten zu verstehen, ist auch deren Einfluss auf die Mehrheiten zu betrachten. Für die Darstellung einer Randgruppe wurde in den meisten Modellen die Veränderung der Mehrheit ausgeblendet und beide Seiten stets allein erforscht. Vor allem bei der Betrachtung der Juden, Christen und Muslime wird trotz der gemeinsamen Geschichte der drei Religionen Einzelforschung betrieben. Die Lage der religiösen Diversität in der historischen und gegenwärtigen Situation ist allerdings nur durch interdisziplinäre und transdisziplinäre Forschung erklärbar. (WELTECKE, 2015, S. 18-20)

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3.4.3 Religiöse Minderheiten in der modernen Gesellschaft

Grundsätzlich wird der Eindruck vermittelt, dass moderne Gesellschaften in der Säkularisierungsphase immer weniger religiös sein würden. Die Entwicklung von religiösen Minderheiten widerspricht jedoch dieser verbreiteten These. (BOCHINGER, 2015, S. 25)

Michael BLUME (2015, S. 151) betont, dass, religionswissenschaftlich betrachtet, länger andauernde Phasen des Wohlstandes und der existentiellen Sicherheit zu einer Abwendung der Religion führen. Im Gegensatz dazu führt existenzielle Verunsicherung sowie Not zum religiösen Glauben. (BLUME, 2015, S. 151). Durch den Globalisierungsprozess sowie den demografischen Wandel stehen alle Gesellschaften vor der Aufgabe mit der wachsenden religiösen und kulturellen Vielfalt umzugehen (BLUME, 2015, S. 161). Christoph BOCHINGER (2015, S. 49) hält in seinen Ausführungen über die Wahrnehmung von Religionen in modernen Gesellschaften fest, dass aufgrund der zunehmenden Vielfalt und Heterogenität religiöser Erscheinungen gerade bezüglich der Rechte religiöser Minderheiten eine besondere Sensibilität fundamental ist.

3.4.4 Religiöse Minderheiten im Heiligen Land

Die größte Gruppe religiöser Minderheiten in Israel ist jene der Palästinenser. Bis zur Staatsgründung Israels im Jahr 1948 stellten die Palästinenser die Mehrheit der Bevölkerung im Heiligen Land dar. Aktuell machen sie ca. 20% der Gesamtbevölkerung aus. Neben den Palästinensern gibt es allerdings noch weitere Minderheiten, die im Heiligen Land leben und weder zur jüdischen noch zur muslimischen Gemeinschaft gezählt werden. Zu ihnen gehören die Drusen, Samaritaner, Karäer, Tscherkessen, Ahmadiyya und Bahai. Weiters gibt es noch zahlreiche christliche Konfessionen und Abspaltungen des Islam. (LUDWIG, 2016, S. 4-5)

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4 Bevölkerung Israels

4.1 Überblick

Die Gesamtbevölkerung Israels beträgt laut israelischem Zentralbüro für Statistik im Mai 2019 ca. 9,021 Millionen Einwohner (CENTRAL BUREAU OF STATISTICS, 2019). Die Juden stellen mit ca. 6,697 Millionen Menschen (ca. 74,24%) die Mehrheit der Bevölkerung dar. Ungefähr 1,890 Millionen (ca. 20,95%) der Bürger Israels sind Araber und ca. 434.000 Bürger (ca. 4,81%) werden in die Kategorie „Andere“ eingeteilt. (ISRAEL NETZ, 2019) In Abbildung 1 ist die prozentuelle Verteilung der Bevölkerung Israels in Gruppen ersichtlich.

Abbildung 1: Verteilung der Bevölkerung Israels in Gruppen und in Prozent im Jahr 2019

Verteilung der Bevölkerung Israels in Gruppen und Prozent im Jahr 2019

4,81%

Juden 20,95% Araber

74,24% Andere

Arbeitsgrundlage: ISRAEL NETZ (Hrsg.), 2019; Eigene Darstellung, 2019

Die ungefähr 1,89 Millionen Menschen, die zur nichtjüdischen Bevölkerung Israels zählen, werden zusammenfassend oft als arabische Israelis bezeichnet, die zwar vorwiegend arabisch sprechen, aber aus den unterschiedlichsten Gruppen bestehen und verschiedene ethnische Merkmale aufweisen. Die muslimischen Araber bilden mit mehr als 1,2 Millionen Menschen die Mehrheit der sogenannten arabischen Israelis. An zweiter Stelle stehen mit rund 165.000 Menschen die christlichen Araber. (ZAKEN, 2016, S. 18-19)

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4.2 Religiöse Großgruppen

4.2.1 Juden

Wie bereits erwähnt gehört die Mehrheit der israelischen Bevölkerung mit ungefähr 6,69 Millionen Menschen der jüdischen Religion an (ISRAEL HEUTE, 2018). Das Judentum zeigte sich in seiner langen Geschichte allerdings nie als eine Einheit. Es existieren unterschiedliche Strömungen im Judentum, die einerseits aufgrund ihrer verschiedenen Herkunftsorte und andererseits wegen diverser Reformbewegungen entstanden sind. (ROSENTHAL, 2014, S. 6- 11) Das Spektrum reicht hierbei von den säkularen über die traditionellen, oder auch die konservativen Juden, bis hin zu den ultraorthodoxen Juden. Diese vier Richtungen manifestieren sich auch heute noch im alltäglichen Leben der Juden. (ROSENTHAL, 2014, S. 181-191)

4.2.2 Muslime

In Israel leben ungefähr 1,2 Millionen muslimische Araber, wovon die Mehrheit Sunniten sind. Die zwei Hauptströmungen im Islam sind der Sunnismus und der Schiismus. Die muslimischen Araber sind vorwiegend in drei Regionen beheimatet. Dazu zählt Galiläa im Norden Israels, wo ca. die Hälfte der Bevölkerung muslimisch ist; Meschulasch (hebräisch) / Muthallath (arabisch), eine Gegend in der Mitte Israels, die auf beiden Sprachen als „das Dreieck“ bezeichnet wird; und die südliche Wüstenregion der Negev, wo vorwiegend Beduinen leben. Weiters gibt es eine größere Anzahl von muslimischen Arabern in den Städten Haifa, Jerusalem, Jaffa, Akkon, Lod und Ramla. (ZAKEN, 2016, S. 19; ACADEMIC, o.D.)

Die ungefähr 250.000 muslimischen Beduinen lebten zunächst als Nomaden, die mit der Zeit von einer nomadischen zu einer ortsgebundenen Lebensweise übergegangen sind. Die Beduinen in der Negev-Wüste leben in nichtregistrierten Dörfern, die von den staatlichen Behörden nicht als legal anerkannt werden und daher einen großen Streitpunkt zwischen der beduinischen Gemeinschaft und dem Staat darstellen. In Nordisrael bevölkern die Beduinen zahlreiche Dörfer in Galiläa. Fast die Hälfte der beduinischen Bevölkerung lebt in südlichen Städten wie Rahat, Ar´arat an-Naqab, Bir Hadaj, Hura, Kuseife, Lakiya, Shaqib al-Salam und Tel as-Sabi´. (ZAKEN, 2016, S. 19)

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4.2.3 Christen

Die ca. 165.000 christlichen Araber leben vorwiegend in urbanen Räumen, wie in Nazareth, Shefar´am und Haifa. Zur Mehrheit der christlichen Araber zählen die Glaubensgemeinschaften der griechisch-katholischen, griechisch-orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche. Eine weitere größere christliche Glaubensrichtung in Israel stellen die Maroniten dar, deren Zahl seit dem Rückzug Israels aus dem Libanon auf ca. 6.000 Einwohner gewachsen ist. Andere kleinere christliche Konfessionen in Israel sind die Aramäer, Armenier, Kopten, Äthiopisch-Orthodoxe und Protestanten. (ZAKEN, 2016, S. 19)

Das Zusammenleben der vielen christlichen Gruppierungen ist teilweise mit Streitigkeiten verbunden. Zum Beispiel wird die Grabeskirche in Jerusalem von sechs christlichen Konfessionen verwaltet, was gemeinsame Entscheidungen sehr schwierig macht. (SEGENREICH, 2018)

4.2.4 Weitere religiöse Gruppen

Im Folgenden werden weitere religiöse Gruppen beschrieben, die unter die Kategorie „Andere“ fallen. Die Minderheitengruppen der Drusen, Samaritaner und Karäer werden in den nächsten drei großen Kapiteln dargestellt, da sie den Schwerpunkt dieser Arbeit bilden.

4.2.4.1 Tscherkessen

In Israel leben ungefähr 4.000 Tscherkessen, die ursprünglich aus dem Kaukasus stammen. Sie nennen sich selbst „Adiga“ und immigrierten in das Osmanische Reich sowie nach Israel, wo sie zwei rein tscherkessische Dörfer, Rehaniya und Kafr Kama, beheimaten. (ZAKEN, 2016, S. 21) Die Tscherkessen werden in Israel akzeptiert, wenn nicht sogar geschätzt und werden als loyal und stark angesehen. Sie stehen wiederum hinter dem Staat Israel, da dieser sie nach ihrer Flucht aufgenommen hat. Es gibt sogar eine Schule, in der Hebräisch, Arabisch, Englisch und Tscherkessisch unterrichtet wird und es wird dort ebenso die Geschichte des Kaukasus gelehrt. (WINTER, 2016)

Während die Tscherkessen ihre eigene ethnische Identität bewahren, nehmen sie an der Wirtschaft Israels und an nationalen Angelegenheiten teil, ohne sich an die jüdische oder die muslimische Gesellschaft anzupassen. Sie werden auch als nichtarabische Muslime bezeichnet. Neben den Drusen zählen die Tscherkessen zu den zwei Minderheitengruppen, die in der israelischen Armee als Soldaten dienen. (ZAKEN, 2016, S. 21)

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4.2.4.2 Ahmadiyya

In Israel sind in der Stadt Haifa ca. 2.000 Ahmadiyya-Muslime beheimatet. Ihre Religion hat ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert in Indien. Dabei handelt es sich um eine Verbindung von unterschiedlichen Religionen, die vorwiegend auf dem Islam basieren, aber auch hinduistische und christliche Elemente einbeziehen. Die Ahmadiyya-Muslime lehnen den jihadistisch- militanten Islam ab und fokussieren ihren Glauben auf Frieden und Liebe. (ZAKEN, 2016, S. 21)

4.2.4.3 Bahai

Die Religion der Bahai wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in Persien gegründet. Im Iran wird die Religionsgemeinschaft seit der islamischen Revolution im Jahr 1979 verfolgt. Ihr Weltzentrum wurde in der israelischen Stadt Haifa errichtet und gilt als das größte Heiligtum ihres Glaubens. (WOLFFSOHN, 2018, S. 81) Insgesamt 14 heilige Stätten der Bahai liegen in Israel, die jedes Jahr von rund 2.000 Bahai-Pilgern aus aller Welt besucht werden (PIETRUS, 2008).

4.3 Themenabgrenzung

Nachfolgend werden die drei Minderheitengruppen der Drusen, Samaritaner und Karäer ausführlich behandelt.

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5 Die Drusen

Die Drusen sind eine religiöse Minderheit im Nahen Osten, die sich einst vom Islam abspaltete. Die Mitglieder leben in geschlossenen Gesellschaften und nehmen keine Konvertiten auf. Sie zeichnen sich durch einen starken Gemeinschaftssinn aus. Ihre Siedlungsgebiete befinden sich vorwiegend in ländlichen, schwer erreichbaren Gebirgsregionen der historischen Region Großsyrien. Zu dieser Region zählen die heutigen Länder Syrien, Libanon, Israel, die palästinensischen Autonomiegebiete sowie südliche Teile der Türkei. (LANG, 2013, S.13)

Weltweit gibt es geschätzte drei Millionen Menschen, die zu der drusischen Population zählen, wovon die Mehrheit in Syrien, im Libanon sowie in Israel lebt. Die Drusen sind sich kulturell und sprachlich den Palästinensern sehr ähnlich, so ist ihre Muttersprache auch arabisch. Das Besondere an den Drusen ist, dass sie ihre Religion vor Außenstehenden geheim halten. (KLEIN, 2001, S. 9-10)

5.1 Die aktuelle drusische Bevölkerung

Der drusischen Doktrin zufolge wurden seit dem Jahr 1043 n. Chr. keine Konvertiten mehr aufgenommen. Dementsprechend kann man nur noch als Druse geboren werden, aber niemals zum Drusen werden. (KLEIN, 2001, S. 34) Die Anzahl der Mitglieder der drusischen Gemeinschaft sollte seit diesem Jahr für alle Zeiten fixiert sein, da nach ihrem Glauben die Seele eines Drusen nach seinem Ableben in einen anderen drusischen Körper weiterwandert. Die Statistikbüros weisen allerdings durchaus eine Veränderung der drusischen Bevölkerung auf. Nachdem das Osmanische Reich zusammenbrach und Nationalstaaten im Nahen Osten entstanden, verteilte sich die Mehrheit der Drusen auf drei verschiedene Länder: Syrien, Libanon und Israel. Daneben gibt es eine unbekannte Anzahl von Drusen, die in der Diaspora leben, nachdem sie zwischen dem 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem aus dem Libanon in die USA, nach Mittel- und Südamerika, Afrika, Australien sowie Europa auswanderten. (RANDA, 2008, S. 52-53)

Tobias LANG (2013, S. 13-14) beschreibt in seinen Ausführungen über die Drusen die heutige Verteilung der Religionsgemeinschaft wie folgt:

• Syrien: ca. 500.000 Drusen, ca. 2,25% der Gesamtbevölkerung

o Der größte Teil der Drusen in Syrien lebt im Ğabal ad-Durūz, in der Ḥaurān- Region und im Ğabal al-Alā. Weiters gibt es Drusen in Vororten von Damaskus und auf dem von Israel annektierten Golan. 24

• Libanon: ca. 250.000 Drusen, ca. 5-6,5% der Gesamtbevölkerung

o Die Drusen im Libanon leben vorwiegend im Libanongebirge, in den Bezirken Sūf und ´Ālaih sowie Matn und B´abdā, in Beirut und in den Gegenden um Rāšaiā und Ḥāṣbaiā an den Ausläufern des Hermon.

• Israel: ca. 120.800 Drusen (inklusive der ca. 20.000 Drusen am Golan), ca. 1,6% der Gesamtbevölkerung

o Die Drusen in Israel leben hauptsächlich in 16 Dörfern im Norden Galiläas und in zwei Dörfern auf dem Karmel in der Nähe von Haifa.

• Jordanien: hier existiert eine kleine Gemeinschaft von Drusen, deren Anzahl ist allerdings unbekannt

o Die Drusen in Jordanien leben hauptsächlich in den Städten az-Azraq und az- Zarqā und nordöstlich von Amman.

Obwohl die Zahlen teilweise Schätzungen unterliegen weisen sie in eine gewisse Richtung: Die quantitativ größte drusische Gemeinschaft lebt in Syrien, während die Drusen im Libanon den größten Anteil aller Gemeinschaften an der Gesamtbevölkerung darstellen. In Israel, wo die Daten zuverlässig sind, machen die Drusen nur eine kleine Gruppe aus, aber sind mit rund 8% ein Bestandteil der nichtjüdischen Bevölkerung. (LANG, 2013, S. 14)

5.2 Entstehung und Anfänge der Drusen

Die Religionsgemeinschaft der Drusen entwickelte sich im 11. Jahrhundert n. Chr. (in islamischer Zeitrechnung im 5. Jahrhundert) durch eine Abspaltung vom schiitisch- ismailitischen Islam. Als Begründer des Drusentums sind Ḥamza ibn ´Alī ibn Aḥmad und Muḥammad ibn Ismail ad-Darazī bekannt, die die theologische Lehre entwickelten, nach der der Kalif al-Ḥākim bi-Amr Allāh als Inkarnation Gottes gilt. (LANG, 2013, S. 24; KLEIN, 2001, S. 31)

Um die spezifische Identität der Drusen zu verstehen, ist eine kurze Darstellung der Religionsentwicklung notwendig: Wie bereits in Kapitel 4 erwähnt, lässt sich der Islam in zwei religiös-politische Strömungen, die Sunniten und die Schiiten, unterteilen. In diesen Hauptströmungen gibt es weitere Unterteilungen. Die Schiiten spalten sich in Fünferschiiten,

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Siebenerschiiten und Zwölferschiiten, abhängig von der Anerkennung eines bestimmten Imams. Von den Siebenerschiiten wurde Ismail als rechtmäßig anerkannter siebenter Imam angesehen, weshalb diese auch den Namen Ismailiten tragen. Zu ihren Untergruppen zählen neben den Karmaten unter anderem auch die Fatimiden, die bei der Entstehung des Drusentums eine wichtige Rolle spielten. Der Name leitet sich von Mohammeds Tochter und Alis Ehefrau Fātima ab. (KLEIN, 2001, S. 22-24) Die Fatimiden eroberten im Jahr 969 n. Chr. Ägypten und dehnten ihren politischen und religiösen Einfluss nach Palästina und Großsyrien aus. Diese Verbreitung der ismailitischen Lehre wird als da´wa („Aufruf“) bezeichnet. Als zentraler Teil der schiitischen Konfession, also auch der Fatimiden, gilt das Warten auf einen rechtgeleiteten Nachkommen Mohammeds, den Messias (mahdī). Die Anhänger der drusischen da´wa sahen den Kalifen al-Ḥākim bi-Amr Allāh als mahdī an. Als Zeitpunkt der Religionsgründung der Drusen gilt das Jahr 1017 n. Chr., als die Göttlichkeit al-Ḥākims offiziell proklamiert wurde. (LANG, 2013, S. 24-25)

5.2.1 al-Ḥākim

Wie bereits erwähnt ist für die Drusen der Fatimadenkalif al-Ḥākim bi-Amr Allāh („der durch Gottes Befehl Richtende“), kurz al-Ḥākim genannt, von wesentlicher Bedeutung. Er wurde im Jahre 985 n. Chr. geboren und wird vom Drusentum als „letzte Reinkarnation Gottes“ angesehen. Mit nur elf Jahren bestieg al-Ḥākim den Thron. Die Persönlichkeit des jungen Herrschers wird in der Literatur von den Historikern als jähzornig, exzentrisch und eigenwillig dargestellt. (KLEIN, 2001, S. 25-26) Heinz HALM (2003, S. 178-179) beschreibt die Anfangszeit seiner Regentschaft mit einer Bluttat, die der damals fünfzehnjährige an seinem alten Lehrmeister persönlich verübte.

Al-Ḥākim sah sich selbst als „Treuhänder Gottes“ (amīn Allāh), der seinem Volk strikt vorschrieb, was Recht und Unrecht sei und nach den Worten Gottes, wie es im Koran steht, handelte. Er verstand sich als Nachfolger des Gesandten Gottes, der das Ziel vor Augen hatte, sein Volk zu einer islamischen Gemeinschaft (umma) unter der Leitung eines vorbildlichen Führers (imām) zu machen. Er setzte sich für viele Verbote, wie zum Beispiel jenes des Genusses von Alkohol oder das Verzehren von bestimmten Speisen, wie den schuppenlosen Fischen, ein. Al-Ḥākim ordnete ab 1008 n. Chr. die Zerstörung und Plünderung zahlreicher christlicher und jüdischer Glaubensorte an, unter ihnen auch die Grabeskirche in Jerusalem. So sollte sich der schiitische Glaube durchsetzen und verbreitet werden. Allerdings berief sich al- Ḥākim wenig später wieder auf den Koran, wo das Verbot von Zwang im Glauben als

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Grundsatz der islamischen Lehre festgelegt ist. Somit überließ er den Christen die Grabeskirche wieder. Al-Ḥākim diskriminierte jedoch die Christen und Juden, indem er ihnen strikte Kleidungsvorschriften erteilte und ihnen öffentliche Prozessionen verbot. Neben den Gräueltaten an den beiden anderen monotheistischen Religionen sind auch positive Taten al- Ḥākims zu nennen. Er setzte sich beispielsweise sehr für die Bildung ein und gründete neben Schulen auch eine wissenschaftliche Akademie (dār al-´ilm „Haus der Wissenschaft“ bzw. dār al-ḥikma „Haus der Weisheit“). In der wissenschaftlichen Akademie befand sich eine öffentlich zugängliche Bibliothek, in der jedem Besucher Papier, Tinte sowie Federn frei zur Verfügung gestellt wurde. Al-Ḥākim galt als ein sehr sprunghafter Herrscher, dessen Handeln unberechenbar war. In seinen letzten Lebensjahren wurde er zunehmen rätselhafter. Eines Tages, im Februar 1021 n. Chr. verschwand er plötzlich, nachdem er mit seinem Esel in die Wüste ausritt. Über sein Verschwinden gibt es Spekulationen, sein Leichnam wurde scheinbar nie gefunden. (KLEIN, 2001, S. 26-29)

Noch vor seinem Verschwinden kam es zu einer da´wa des Drusentums, also zu einem Aufruf der Verbreitung dieser Lehre. Zu den zwei wichtigsten Punkten dieser reformierenden Lehre zählen die Aufhebung der Sklaverei sowie die Abschaffung der Polygamie. (LANG, 2013, S. 24-25)

5.2.2 Ḥamza und Darazī

Als einer der Vorreiter der drusischen da´wa und gleichzeitiger Begründer des Drusentums gilt Ḥamza ibn ´Alī, kurz Ḥamza genannt, welcher aus Persien stammt und im Jahr 1017 n. Chr. zum Imam erklärt wurde. Ḥamza begann das Doktrin al-Ḥākims, den „göttlichen Ruf“, die da´wa, zu verbreiten. Nach dem Verschwinden von al-Ḥākim wurde der Drusenkanon (al- Ḥikmat al Sharīfa „Das Edle Wissen“) gesammelt, der sich aus sechs Büchern zusammensetzt und aus insgesamt 111 Briefen besteht. Ḥamza verstand sich selbst als Imam, der solch eine Position von jeglichem Größenwahnsinn und Vergleichbarkeiten Gottes befreien wollte. In diesem Zusammenhang zeigt sich eine der Quintessenzen des drusischen Glaubens deutlich, denn für die Drusen nimmt Gott keinen Platz über dem Volk ein, sondern befindet sich überall und in allem. Ḥamza sprach sich außerdem ausdrücklich dafür aus, dass Gott zuletzt auf der Erde in al-Ḥākim erschienen ist und bis zum Tag des Jüngsten Gerichts nicht mehr wiederkommen würde. Durch den Aufbau einer bedeutenden missionarischen Organisation und durch das Verfassen vieler Schriften entwickelte sich Ḥamza schnell zu einem angesehenen Herrscher. (KLEIN, 2001, S. 30-31)

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Neben Ḥamza ist ein weiterer Missionar, Muḥammad ibn Ismail ad-Darazī, zu nennen, dessen Herkunft auf türkischer oder persischer Ebene beruht und der im Jahr 1015 n. Chr. nach Kairo kam. Aufgrund seiner Missionarstätigkeit erhielten die Anhänger der neuen Religion den Namen darazi, plural durzi, wovon sich wahrscheinlich der heutige Name des Drusentums ableitet. Einige Drusen lehnen diese Verbindung allerdings ab und identifizieren sich selbst nicht als Anhänger von ad-Darazī und sahen ihn sogar als Apostaten, der die Lehren des Kalifen al-Ḥākim verfälscht haben soll. (KLEIN, 2001, S. 31)

Ad-Darazī und Ḥamza verfolgten die Aufgabe, die da´wa weiter zu verbreiten. Allerdings unterschieden sich deren beiden Vorstellungen in der Art und Weise der Missionierung. Während Ḥamza auf die Macht einer gut überlegten Argumentation setzte, bekehrte ad-Darazī die Bevölkerung gewaltvoll und war damit im Süden des Libanons durchaus erfolgreich. Am letzten Tag des Jahres 1019 n. Chr. führte eine heftige Auseinandersetzung zur Ermordung von ad-Darazī. Nur zwei Jahre später verstarb Ḥamza, der allerdings zuvor seinen Nachfolger, Bahā´uddin ´Alī ibn aḥmad ibn aḍ-Ḍayf bestimmte, welcher den Titel al-Muqtanā (was so viel wie „der vom Imam Auserwählte den göttlichen Ruf weiterzuführen“ bedeutet) erhielt. Unter seiner gewissenhaften Führung der Gemeinschaft setzte er mit der Verbreitung der da´wa fort und leistete mit seinen Schriften einen großen Beitrag zum Drusenkanon. Während seiner Regentschaft etablierten sich die Drusen zum ersten Mal zu einer eng verbundenen Gemeinde, deren Zusammenhalt durch den Glauben, tawḥīd, bestärkt wurde. Er beschützte auch diejenigen, die unter der Verfolgung des Kalifen aẓ-Ẓāhir litten, welcher als Nachfolger von al- Ḥākim galt. Al-Muqtanā sandte dā´īs (Glaubensboten) und ma´dhūn (Gehilfen der Glaubensboten) aus, um die Missionarstätigkeit anzutreiben. Nachdem al-Ḥākim verschwand, wurden die Anhänger der neuen Religion verfolgt, da der nachfolgende Kalif diese noch nicht anerkannte. (KLEIN, 2001, S. 32-34)

Die miḥna, die brutale Verfolgung der Drusen, versetzte die Religionszugehörigen nicht nur unter Angst und Schrecken, sondern förderte zugleich ihr Zusammengehörigkeitsgefühl. Al- Muqtanā verkündete im Jahr 1043 n. Chr. das Ende der drusischen da´wa. Seit diesem Zeitpunkt werden keine neuen Konvertiten mehr aufgenommen, was bedeutet, dass man nur als Druse geboren werden kann. (KLEIN, 2001, S. 34)

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5.3 Die Gesellschaftsstruktur der Drusen

Im Drusentum stellt die hamūla (Großfamilie) eine der wichtigsten sozialen Einheiten dar, weswegen die Loyalität einer Person immer primär der Familie gilt. Die drusische Gesellschaft wird in zwei Klassen unterteilt, nämlich in die ´uqqāl („die Eingeweihten“ bzw. „die Wissenden“) und in die juhhāl („die Unwissenden)“. Die ´uqqāl machen ungefähr nur ein Fünftel aller Drusen weltweit aus. Wie bereits zu Beginn in Kapitel 5 erwähnt, halten die Drusen ihren Glauben geheim. Sie wollen ihre Religion damit schützen, indem sie jene davon fernhalten, die nicht vorbereitet sind, die da´wa, also den göttlichen Ruf, zu empfangen und ihn deswegen falsch interpretieren und seine Wahrheit verfälschen könnten. (KLEIN, 2001, S. 46)

Über den Prozess und die ihn begleitenden Riten um von einem Unwissenden zu einem Wissenden zu werden, ist bis heute nur wenig bekannt. Die Veränderung von juhhāl zu ´uqqāl geschieht allerdings auf freiwilliger Basis durch einen Scheich. Ist der Wunsch einmal geäußert, muss der Gläubige sein Leben asketisch führen und wird mindestens sechs Monate lang, bis eine Aufnahme zu den Eingeweihten möglich ist, beobachtet. (KLEIN, 2001, S. 46)

Nur die ´uqqāl wissen über die Grundprinzipien der Drusenreligion Bescheid. Ausschließlich ihnen ist es erlaubt die Texte zu lesen, die im Laufe der drusischen Geschichte, vornehmlich von Ḥamza und al-Muqtanā verfasst, geschrieben worden sind. Dabei handelt es sich um den sogenannten Drusenkanon, welcher in Kapitel 5.4.3 genauer erläutert wird. Die juhhāl besitzen keinen Zugang zu den Schriften, leben aber trotzdem gemäß der drusischen Ethik, indem sie einer vereinfachten Darstellung ihres Glaubens folgen. Sie halten sich aber dennoch an die gleichen Regeln und Glaubensgrundsätze wie die ´uqqāl. In der Schule wird aufgrund der Geheimhaltung nur wenig über die Religion gelehrt. Für die Kinder ist die Religion allerdings ein Bestandteil ihrer Erziehung zuhause, denn die Familie gibt ihr Wissen an die nachfolgenden Generationen weiter. (KLEIN, 2001, S. 46-47)

Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen den ´uqqāl und juhhāl ist ihre Kleidung. Während die ´uqqāl sich traditionell bekleiden, tragen die juhhāl eine moderne, westliche Kleidung. Wie in Abbildung 2 zu sehen ist, haben die männlichen ´uqqāl buschige Schnurrbärte und setzen einen weißen Turban auf ihren rasierten Kopf. Sie tragen weite schwarze oder dunkelblaue Hosen. (KLEIN, 2001, S. 47) Neben der Kleiderordnung der ´uqqāl müssen sie streng auf Alkohol, Tabak und Schweinefleisch verzichten und sich dem anderen Geschlecht gegenüber äußerst restriktiv verhalten (RANDA, 2008, S. 61). Weibliche ´uqqāl kleiden sich mit langen dunklen Gewändern und mit einem langen weißen Kopftuch, das meistens nur die 29

Augen und die Nase freilässt, was in Abbildung 3 sichtbar ist. Da die Verschleierung von Frauen schon im vorislamischen Arabien traditionell war, geht man davon aus, dass die Verhüllung der Drusinnen nicht unbedingt auf den Islam zurückgeht, sondern auf einer alteinheimischen Tradition beruht. (KLEIN, 2001, S. 47)

Abbildung 2: Männliche ´uqqāl mit traditioneller Kopfbedeckung

Arbeitsgrundlage: HOYLE, 2017

Abbildung 3: Weibliche ´uqqāl in traditioneller Kleidung

Arbeitsgrundlage: SPIEGEL (Hrsg.), 2015

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In der Gesellschaft der Drusen werden die gelehrtesten und belesensten ´uqqāl ausgewählt, die sogenannten shuyyukh (Sing. shaykh), die dann eine besondere Ausbildung in speziellen Schulen erhalten. Die shuyyukh übernehmen die religiöse Führung der Gemeinde. In Israel hat die religiöse Führung aktuell Muwarfaq Tarīf aus der Familie Tarīf aus Julis in Westgaliläa. (KLEIN, 2001, S. 47)

Der Gebetsort der Drusengemeinde liegt immer außerhalb des Ortes und wird khalwa (Einsiedelei) genannt. In der einfach gehaltenen Einrichtung befinden sich Bänke und am Boden ein dicker Teppich. Als einziger Schmuck ist die Flagge der Drusen mit den fünf Farben zu sehen (vgl. Abbildung 4). An dem Gebetsort finden jeweils in der Nacht von Donnerstag auf Freitag Versammlungen statt. Die Drusen finden sich hier nicht nur zum Beten ein, sondern besprechen auch weltliche Angelegenheiten. Der genaue Ablauf dieser Sitzungen ist der Außenwelt nicht bekannt, da den Nichtdrusen der Zugang zur khalwa verwehrt wird. Um nichtreligiöse Angelegenheiten und alltägliche Probleme der Dorfgemeinschaft zu klären, versammeln sich die Drusen in einem anderen Raum, der majīlis genannt wird. (KLEIN, 2001, S. 47-48)

Abbildung 4: Flagge der Drusen

Arbeitsgrundlage: KENDALL, o.D.

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5.4 Die Lehre der Drusen

Die heutigen Drusen, die sich selbst als muwaḥḥidūn (bedeutet so viel wie „Monotheisten“ oder „Einheitsbekenner“) bezeichnen, glauben an die „strikte und kompromisslose Einheit Gottes“. Zudem tragen die Drusen weitere Namen, wie zum Beispiel Banu Ma´rūf („Leute des esoterischen Wissens“) oder A´rāf („jene, die esoterisches Wissen besitzen“). (KLEIN, 2001, S. 35)

Eine besondere Kennzeichnung der Drusenreligion stellt der Glaube an die Wiedergeburt dar, welche besagt, dass sie Seelen der drusischen Gemeinschaft von den Toten zu den Neugeborenen übergehen. Ebenso ist die Göttlichkeit des Fatimadenkalifen al-Ḥākim ein zentraler Grundsatz in ihrem Glauben. Die Drusen halten jeden Donnerstag Sitzungen an ihrem Gebetsort ab, wo die ´uqqāl die religiösen Schriften lesen und zusammen beten. Am spirituellen Part der Sitzungen dürfen nur die ´uqqāl teilnehmen, am allgemeinen Part, der aus dem Lesen von Texten moralischer Themen besteht, dürfen auch Drusen teilnehmen, die nicht in die Geheimnisse eingeweiht sind. (LANG, 2013, S. 18) Im Gegensatz zu den Muslimen, für die die Pilgerfahrt nach Mekka und der Fastenmonat Ramadan verpflichtet ist, praktizieren die Drusen dies nicht. Manche Teile der Gemeinschaft feiern allerdings īd al-fiṭr (das Fastenbrechen). Daraus kristallisieren sich die Wurzeln des Drusentums im Islam. (LANG, 2013, S. 19)

5.4.1 Glaubensinhalte

Die Abwesenheit – ġayba:

Die Drusen glauben, dass sich Gott zehn Mal als menschliches Wesen, zuletzt in al-Ḥākim, offenbart hat und danach verschwand. Seit dem Verschwinden al-Ḥākims im Jahr 1021 n. Chr. herrscht die Zeit der Abwesenheit (ġayba). Nicht nur die Drusen, sondern auch die Mehrheit der schiitischen Strömungen glaubt an die Abwesenheit. Allerdings unterscheidet sich die drusische ġayba wesentlich von den anderen. Sie glauben zum einen daran, dass Gott sich abwechselnd in menschlicher Form offenbart hat und wieder verschwindet und zum anderen geht es bei ihnen nicht um einen Propheten, der als Zeugnis Gottes (huğğa) auf Erden ist. Beispielsweise wird bei den Schiiten der Imam durch schiitische Gottesgelehrte und nicht durch weltliche Herrscher vertreten. Im Drusentum hat sich ein übernatürliches Wesen mehrmals der Menschheit auf Erden offenbart. Aufgrund dessen fühlten sie sich in direktem Kontakt mit dem Schöpfer. Immer wieder gab es neue Phasen, wo das Übersinnliche den Menschen verborgen blieb und wo eine neue ġayba anbrach. Der menschliche Aspekt (nāsūt) Gottes und der

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göttliche Glaube (tawḥīd) liegen der ġayba zugrunde. In der Zeit der Abwesenheit Gottes im Irdischen stehen die Drusen vor einer Prüfung, nämlich jener, dem Glauben standhaft zu sein. (KLEIN, 2001, S. 35-36)

Die kosmischen Prinzipien –ḥudūd:

Ein wesentlicher Bestandteil der drusischen Religion sind die fünf kosmischen Prinzipien (ḥudūd). Die Drusen glauben an die Einzigartigkeit Gottes, wodurch Gott nicht nur als Schöpfer der Welt gilt, sondern die Welt selbst ist. Gott wird als grenzenloses Wesen dargestellt, welches durch sein Licht die Intelligenz (al-´aql al kullī) erschaffen hat. Gott erschuf dann vom Licht der Weisheit (´aql) die universelle Seele (an-nafs al-kullīya). Aus dem Licht der Seele entstand das Wort (al-kalima), wovon sich der Vorhergehende (as-saqīb) und von diesem der Folgende (al-talī) ableitet. Die fünf kosmischen Prinzipien setzen sich also aus Intelligenz, Seele, Wort, Vorhergehender und Folgender zusammen. (KLEIN, 2001, S. 36-37)

Das wichtigste Symbol der Drusen ist der fünfzackige Drusenstern, welcher in Abbildung 5 zu sehen ist. Er besteht, gleich wie die Flagge der Drusen, aus den Farben rot, grün, gelb, weiß und blau, wobei jede Farbe eine bestimmte Eigenschaft bzw. spezifische Werte der Drusen repräsentiert. Die Farbe Rot steht für die Tapferkeit und den Mut, Grün symbolisiert die Natur und das Land, Gelb steht für das Wissen und Aufgeklärtheit, Weiß symbolisiert den Frieden und die Versöhnung und Blau steht für die Toleranz, die Vergebung und die Brüderlichkeit. (ROSENTHAL, 2007, S. 360-362)

Abbildung 5: Drusenstern

Arbeitsgrundlage: ENZYKLOPÄDIE DES ISLAM (Hrsg.) o.D.

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Die Seelenwanderung – taqammus:

Der Glaube an die Reinkarnation (taqammus) ist ein zentraler Bestandteil im Drusentum. Demzufolge ist der Körper nur eine Hülle, der die Seele beinhaltet, die, sobald ein Druse stirbt, in einem anderen drusischen Körper wiedergeboren wird. Nach der Auffassung der Drusen bleibt deswegen die Zahl ihrer Mitglieder immer konstant, was aber aufgrund der hohen Geburtenrate nicht der Realität entspricht. Die Seele eines jeden Drusen erfährt alle Arten des Lebens, sei es Wohlstand und Armut, oder Gesundheit und Krankheit oder ein niedriger und ein hoher Rang. Dadurch spiegelt sich ein wichtiges Dogma der Drusenreligion wider, nämlich die Gerechtigkeit. (KLEIN, 2001, S. 40)

Den Körper verstehen die Drusen als Medium, durch welches die Seele sich selbst realisiert. Körper und Seele sind während des gesamten Lebens miteinander verbunden und können nicht unabhängig voneinander existieren. Stoffe, die dem Körper schaden könnten, sind deswegen verboten. Die eingeweihten Drusen (´uqqāl) verzichten deshalb auch heute noch vollständig auf Alkohol, Nikotin und andere derartige Stoffe. (KLEIN, 2001, S. 41)

Nach dem Ableben eines Mitgliedes wird nur eine kurze Zeit getrauert, da die Seele als unsterblich verstanden wird. Der Glaube an die Seelenwanderung ist im Drusentum eine Grundüberzeugung der menschlichen Existenz und kräftigt die Solidarität und den Zusammenhalt der Gemeinde. Indem die Drusen von der Reinkarnation überzeugt sind, entfremden sie sich vom Glauben an ein Paradies, wie es bei Muslimen der Fall ist. Das Paradies hat für die Drusen eine rein spirituelle Bedeutung. Für die Religionsgemeinschaft ist das größte Glück die Einheit mit Gott. Deswegen warten sie auf den „Tag der Wiederauferstehung“ bzw. auf den „Tag des Jüngsten Gerichts“, an dem die Seele Gottes durch Reinkarnation wiedererscheint. Die Drusen glauben, dass dieser besondere Tag durch verschiedene Zeichen angekündigt wird. Beispielsweise sollen an diesem Tag die Christen die Oberhand über die Muslime haben. Wenn es soweit ist, wird al-Ḥākim wieder als menschliches Wesen erscheinen und über die Welt herrschen. Die Drusen werden ab diesem Tag die Macht und das größte Vermögen haben. Allen Andersgläubigen soll dann ein schweres Schicksal bevorstehen. (KLEIN, 2001, S. 41-42)

Die Verstellung – taqiyya:

Um ihren Glauben zu schützen, vertrauen die Drusen dem Konzept der taqiyya (Verstellung bzw. Heuchelei). Die taqiyya ist aus dem schiitischen Islam bekannt und beinhaltet das „Unterlassen des Pflichtmäßigen“ sowie das „Tun des Tabuierten“. Es handelt sich hierbei um

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das Gegenteil der Präsentation des Glaubens. Die taqiyya soll nicht als Erlaubnis für Lügen verstanden werden, sondern als ein Weg, bestimmte Dinge einfach nicht nennen zu müssen. Das Wort taqiyya kommt in keinem drusischen religiösen Buch vor. Die Schiiten nutzen die taqiyya, um sich vor der Verfolgung durch die Sunniten zu schützen. So verwendeten auch die Drusen dieses Prinzip als Schutz vor Verfolgung. (KLEIN, 2001, S. 42-43)

Bei dem Konzept der Verstellung geht es weniger um eine statische, sondern vielmehr um eine dynamische Doktrin, welche an das Umfeld angepasst werden kann. Heutzutage gibt es fast keine Gründe mehr für die Anwendung von der taqiyya, da eine offene Verfolgung der Drusen, wie es früher der Fall war, nicht mehr stattfindet. (KLEIN, 2001, S. 45)

5.4.2 Die sieben Gebote

Der Mensch gilt als einzige Kreatur im Drusentum, die den Willen Gottes befolgen kann, weil sie mit Intelligenz und Verstand ausgestattet ist und dementsprechend fähig ist, den Verstand durch Lernen zu verbessern und zu erweitern. Um in Frieden und Einheit mit Gott leben zu können, muss jeder Druse folgende sieben Gebote befolgen (KLEIN, 2001, S. 39):

1. Die Treue zur Wahrheit (ṣidq al-lisān). 2. Die gegenseitige Solidarität entlang des Pfades der Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe (ḥifz al-ikhwān). 3. Das Abschwören aller Glaubensrichtungen, die die Einzigartigkeit Gottes verneinen und in die Verderbnis führen würden (tark ´ibādat al-awthān). 4. Die Lossagung von Ungläubigen, die den Drusen auf dem rechten Weg behindern (barā´ah min al-abāsilah wal-ṭughyān). 5. Die Anerkennung der Einheit Gott zu allen Zeiten (tawḥīd al-bāri). 6. Die Zustimmung und das Zufriedensein mit dem Handeln Gottes (riḍa). 7. Die Unterwerfung von Gottes Handeln und Willen (taslīm).

Peggy KLEIN (2001, S. 39) erläutert diese sieben Gebote als eine Interpretation der fünf Säulen des Islam. Diese sind: das Glaubensbekenntnis zu Allah und seinen Gesandten Mohammed (shahāda), das fünfmalige tägliche Gebet (ṣalāt), die Pflicht zur Almosengabe (zakāt), das Fasten (ṣawm) und die Wallfahrt nach Mekka (ḥajj). (KLEIN, 2001, S. 39)

Das erste Gebot der Drusen, das Gebot der Treue zur Wahrheit, entspricht dem Gebot des Gebets im Islam (ṣalāt). Durch das Gebet nähern sich die Drusen Gott und realisieren sich selbst 35

in einer mystischen Art und Weise. Das zweite Gebot der Drusen handelt vom Schutz der Glaubensgemeinschaft. Das kann man aus dem Gebot der Almosengabe (zakāt) ableiten, da unter den Spenden vor allem Spenden von Treue verstanden werden, die von „reinem Herzen“ kommen. Das dritte Gebot, das Abschwören von Götzen, bezieht sich auf das Aufgeben der Sünde, insbesondere das Aufgeben von menschlichen Schwächen. Die Referenz dieses Gebotes findet sich im Gebot des Fastens (ṣawm) wieder. Das vierte Gebot, das Gebot der Lossagung von Ungläubigen, bezieht sich auf das Gebot der Wallfahrt (ḥajj). Die Wallfahrt bedeutet für die Drusen innehalten und eine Wallfahrt zur eigenen Seele auf der Suche nach Frieden zu begehen. Das fünfte Gebot deklariert die Einheit Gottes und nimmt damit direkten Bezug zur shahāda. Das sechste Gebot lässt sich vom islamischen Pfeiler des Kampfes für den Glauben (jīhad) ableiten, obwohl im tawḥīd der jīhad rein spirituell verstanden wird und die Relation zwischen Gott und Gläubigen symbolisiert. Das siebte Gebot zeigt eine Version der walāya, was im Islam Ergebenheit bedeutet und durch die man jemanden folgen und unterstützen soll. (KLEIN, 2001, S. 39-40)

5.4.3 Der Drusenkanon – al-Ḥikmat al-Sharīfa

Der Drusenkanon setzt sich aus sechs Bänden zusammen, die aus insgesamt 111 heiligen Schriften bestehen. Die Anordnung der Bände sowie der einzelnen Schriftstücke weist ein bestimmtes Schema auf. Die 111 Schriften stellen den größten Teil der ältesten Drusenliteratur dar. Ungefähr 70 der kanonischen Traktate stammen von al-Muqtanā. Die Reihenfolge der Schriftstücke ist nicht vollkommen chronologisch, sondern ist zum Teil auch inhaltlich angeordnet. Am Anfang steht der siğill, die letzte Schrift Ḥamzas, welche aus dem Jahr 1021 n. Chr. stammt. Dem siğill folgt das älteste Stück der Sammlung, nämlich das Edikt al-Ḥākims aus dem Jahr 1010 n. Chr., das unter anderem den Weingenuss verbietet. Von Ḥamza stammen 30 Schriftstücke, wovon dreizehn datiert sind. Deshalb konnte rekonstruiert werden, dass seine ersten Schriften, die Nummer sechs und sieben des ersten Bands, welche von der Göttlichkeit al-Ḥākims und der Widerlegung der islamischen Gesetze durch ihn handeln, aus dem Jahr 1017 bzw. 1018 n. Chr. stammen. Die Schrifttätigkeit von Ḥamza ist zwischen den Jahren 1018 und 1021 n. Chr. einzuordnen. (RANDA, 2008, S. 32)

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5.5 Historischer Überblick über die Drusen im Nahen Osten

5.5.1 Von der Religionsgründung bis zu den Kreuzzügen

Wie bereits in Kapitel 5.1 erwähnt entstand das Drusentum im 11. Jahrhundert n. Chr. durch eine Abspaltung vom schiitisch-ismailitischen Islam in Ägypten. Nachdem mit al-Ḥākim bi- Amr Allāh eine exzentrische Herrscherpersönlichkeit im Jahr 1021 n. Chr. unter ungeklärten Umständen verschwand, setzte unter seinem Nachfolger eine Verfolgung der Drusen ein. Der größte Teil von ihnen floh von Ägypten nach Großsyrien. Nach der Migration und dem Abschluss der da´wa entwickelten sich die drusische Gemeinschaft zu einem politischen Faktor in der Levante. (LANG, 2013, S. 24-26).

In Syrien besiedelten die Drusen vor allem Wādi al-Taym am Westfuß des Berges Hermon, von wo aus sie sich in den Ġarb südöstlich von Beirut ins Šūf-Gebirge und weiter nach Nordsyrien ausbreiten konnten. In diesen Gebieten sind sie bis heute beheimatet. Bis zum Beginn der Kreuzzüge im Jahr 1096 n. Chr. lebten die Drusen in vielen Teilen Syriens, welche in verschiedene Herrschaftsgebiete aufgeteilt waren. Die Lage ihrer Siedlungsgebiete bedingte dadurch die Beteiligung an zahlreichen Schlachten zwischen Christen und Muslimen. Da die kampferprobten Drusen höchst erfolgreich gegen die Kreuzfahrer vorgingen, erlebten sie in dieser Zeit ihren politischen Aufschwung. In drusischen Quellen wird häufig erwähnt, dass sie damals den Islam freiwillig verteidigten. Trotzdem bekamen sie danach keine Unterstützung von Seiten der Muslime. Nach den Kampfhandlungen mit den Kreuzfahrern breiteten sich die Drusen weiter aus, bis die Mamluken ihre Expansion im 14. Jahrhundert stoppten. Sie versuchten permanent sich dabei einer, von Seiten der jeweiligen Zentralgewalt erzwungenen Integration, zu widersetzen und größtmögliche Autonomie zu erlangen. (RANDA, 2008, S. 43).

Da die Quellenlage zur Zeit der Kreuzzüge in Bezug auf die Drusen sehr mangelhaft ist, kann die militärische und politische Rolle der drusischen Glaubensgemeinschaft nur lückenhaft dargestellt werden. Fest steht aber, dass die Drusen gegen die Kreuzritter gekämpft haben. (LANG, 2013, S. 28)

5.5.2 Die Drusen und das Osmanische Reich

Im Jahr 1516 wurden die Mamluken als Herrscher in Großsyrien von den Osmanen abgelösten. Die Drusen galten im Osmanischen Reich offiziell als Muslime und hatten keinen Status als millet, also als anerkannte religiöse Minderheit mit eigener Gerichtsbarkeit. In der Realität

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genossen sie besonders im Libanon Autonomie in der Regelung ihrer Angelegenheiten. (LANG, 2013, S. 28-29)

In der frühen osmanischen Phase dominierte auf drusischer Seite der Ma´n-Clan in Syrien. Die Ma´n hatten während des gesamten 16. Jahrhunderts die lokale Macht inne und führten den drusischen Widerstand gegen die Osmanen bis das Libanongebirge 1586 unterworfen wurde. Im Jahr 1590 konnten die Ma´n unter der Leitung von Faḫr ad-Dīn Ma´n II. zu einem politischen und militärischen Machtfaktor werden. Faḫr ad-Dīn wurde für die militärische Unterstützung mit Herrschaftsgebieten belohnt, wodurch sich sein Einflussgebiet zeitweilig bis zum Territorium des heutigen Libanons erweiterte. Damals gelang es den drusischen Ma´n erstmals ein Herrschaftssystem (imāra) im Libanongebirge zu installieren, welches für mehr als zwei Jahrhunderte parallel zur osmanischen Provinzverwaltung des Libanongebirges (Ğabal Lubnān) bestand. Die strenge Hierarche und religiöse Toleranz, welche diese Form von politischer Einheit auszeichnet, schufen Sicherheit, Stabilität sowie wirtschaftlichen Erfolg. Faḫr ad-Dīn wurde zu einer großen Bedrohung für die Osmanen und richtete sich immer stärker gegen ihre Herrschaft. Die Osmanen konnten ihn stürzen und ließen ihn im Jahr 1635 in Istanbul hinrichten. Obwohl die internen Strukturen im Libanongebirge nicht angetastet wurden, bedeutete der Tod Faḫr ad-Dīns den Niedergang für die Drusen und andere Bewohner des Gebirges. (RANDA, 2008, S. 44)

Tobias LANG (2013, S. 30) merkt diesbezüglich an, dass sich das Zentrum der Drusen während der Herrschaft der Ma´n-Dynastie zwar im Libanon befand, aber die Zahl der Drusen außerhalb des Libanons stark zunahm. Die Migration war vor allem nach Palästina und in den Ḥaurān erkennbar. Diese Migration setzte sich im 18. Jahrhundert aufgrund der Flucht vor Auseinandersetzungen im Libanongebirge fort. (LANG, 2013, S. 30)

Obwohl die Ma´n Dynastie von den sunnitischen Šihāb (1697-1841) im Jahr 1697 abgelöst wurde, blieb die Politik im Ğabal Lubnān bis zum 19. Jahrhundert weitgehend von der Hegemonie der Drusen bestimmt. Zusammen mit dem herrschenden Emir (amīr), der der Kontrolle der drusischen Feudalherren unterworfen war, garantierten die großen drusischen Familien innerhalb der imāra politische Autorität. Die herkömmliche Machtverteilung im Herrschaftssystem wurde erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts nachhaltig gestört, als der amīr Bašīr Šihāb II. die Maroniten für die Ämter in der Verwaltung bevorzugte und die drusischen Privilegien einschränkte. Die Drusen machten die fast 145 Jahre währende Herrschaft der Šihāb für alle Übel verantwortlich. Die Herrschaft Bašīrs II. besiegelte durch das Ende der imāra der

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Drusen den Verlust der traditionellen Autonomie des Libanongebirges. Die Drusen erlebten somit einen politischen und wirtschaftlichen Niedergang. (RANDA, 2008, S. 44-45)

Nachdem Bašīr II. die drusischen Clans gegeneinander ausgespielt hatte, gelang es Bašīr Ğunbulāṭ, welcher zuvor mit Bašīr II. kollaboriert hatte, die verschiedenen Fraktionen der Drusen wieder zu vereinen und sich daraufhin gegen den Emir zu stellen. LANG (2013, S. 31) hält fest, dass es sich hierbei erstmals um einen offen ausgetragenen konfessionellen Konflikt zwischen Maroniten und Drusen handelt, welcher von den Geistlichen beider Seiten ausgelöst wurde. Dieser Aufstand wurde 1825 durch die Hängung des drusischen Anführers Bašīr Ğunbulāṭ beendet. Somit wurden die Drusen im Libanongebirge endgültig ihrer verbliebenen Führung beraubt. (LANG, 2013, S. 31)

Durch das harte Vorgehen von Bašīr II. wuchs die Unzufriedenheit seiner Untertanen, die sich durch militante Proteste äußerte. Bašīr II. ging während der ägyptischen Okkupation (1831- 1840) ein Bündnis mit den Besatzern ein und machte sich demzufolge bei der eigenen Bevölkerung zusehends unbeliebter. Im Jahr 1840 führte ein gemeinsamer Aufstand durch militärische Intervention der europäischen Großmächte zum Sturz Bašīrs II. und zur Vertreibung der Ägypter. Neben der militärischen Auseinandersetzung zwischen Maroniten und rebellierenden Drusen kam es zu einer zunehmenden Konfessionalisierung in der Region. Während die Konflikte zuvor politisch oder wirtschaftlich motiviert waren, ereigneten sich in den folgenden 20 Jahren mehrere konfessionelle, bürgerkriegsartige Kämpfe zwischen Maroniten und Drusen. (RANDA, 2008, S. 46)

Die Osmanen versuchten nach 1841 den Konflikt zwischen den beiden Parteien zu besänftigen, indem sie das Libanongebirge in einen drusischen und einen maronitischen Subdistrikt unterteilten. Der Erfolg dieser Maßnahme blieb allerdings aufgrund fortwährender Auseinandersetzungen aus. Im Jahr 1845 wurden im Laufe von Konflikten 14 drusische Dörfer durch die Maroniten niedergebrannt. Zwischen 1845 und 1860 kam es zu einem offenen Bürgerkrieg, wobei die meisten der fast 12.000 Opfer Christen waren. Anstatt in dieser Situation zu intervenieren, ergriffen die Osmanen teilweise offen Partei gegen die Christen. Diese Angriffe auf Christen dehnten sich bis nach Damaskus aus. Das führte sogar zu einem Pogrom, bei dem sich europäische Mächte entschlossen, gemeinsam einzugreifen, wobei aber nur Frankreich 7.000 Soldaten schickte. Die osmanische und britische Diplomatie verhinderte allerdings eine militärische Intervention der französischen Truppen gegen die Drusen. Durch die Unterstützung der Europäer kam es zu einem wirtschaftlichen Aufstieg der Christen, besonders der Maroniten. Aufgrund der wirtschaftlichen Emanzipation der Maroniten im 39

Libanongebirge zeigen sich hier nicht nur rein religiös motivierte Interessen in der Auseinandersetzung. (LANG, 2013, S. 33-34)

Das Libanongebirge bekam ab 1861 einen von den europäischen Großmächten garantierten Autonomiestatus innerhalb des Osmanischen Reiches. Als einzige Verwaltungseinheit (mutaṣarrifīya) wurde das Libanongebirge (ohne Beirut) direkt von Istanbul aus regiert. In der mutaṣarrifīya waren die Drusen politisch geschwächt und hatten ihren Status als dominante Gemeinschaft im Libanongebirge an die Maroniten verloren. Ihr Zentrum verlagerte sich in der Folge in den Ḥaurān. Nach der Verlagerung des politischen Zentrums der Drusen kam es im Ḥaurān zu weiteren Konflikten. Zwischen 1877 und 1879 kam es zu Kämpfen mit der sunnitischen Bevölkerung, bei denen die osmanische Armee eingriff. Auf Seiten der Drusen intervenierten die Briten mit Erfolg in Damaskus. Im Ḥaurān wurde danach ein drusischer Gouverneur eingesetzt. Dadurch konnte erstmals eine legalisierte drusische Autonomie innerhalb des Osmanischen Reiches erreicht werden. (LANG, 2013, S. 34)

Im Jahr 1896 brach im Ḥaurān ein erneuter bewaffneter Konflikt aus, auf den die Osmanen mit der Entsendung eines Truppenkontingents reagierten. Die Briten intervenierten diesmal nicht diplomatisch zu Gunsten der Drusen und mussten sich letztendlich 1897 der militärischen Übermacht ergeben. Daraufhin flohen viele Aufständische ins Exil und kamen erst mit der Verkündung einer Amnestie im Jahr 1900 nach Syrien zurück. (LANG, 2013, S. 34-35)

Nach der Machtergreifung der Jungtürken 1908 wurde der Konflikt mit den Osmanen um mehr Autonomie im Ḥaurān fortgesetzt. Auslöser hierfür war eine Volkszählung der Drusen im Ḥaurān, die die Jungtürken verlangten. Die drusische Gemeinschaft sah dies als eine einschlagende Einschränkung ihrer Autonomie an und weigerte sich vehement dagegen. Das führte dazu, dass der Ḥaurān, der das Libanongebirge als Gebirge der Drusen (Ğabal ad-Durūz) und als politisches Zentrum abgelöst hatte, direkt unter osmanische Kontrolle gestellt wurde. Die Stationierung der osmanischen Truppen war aber nicht von langer Dauer. Demzufolge kehrte der Ḥaurān nach dem Abzug der osmanischen Truppen im Jahr 1911 wieder in den semiautonomen Status zurück. (LANG, 2013. S. 35)

Die politische Situation wurde durch den Beginn des Ersten Weltkrieges und durch den Ausbruch der Arabischen Revolte schlagartig verändert. Die damals im Ḥaurān führende drusische Familie al-Aṭraš spaltete sich in eine pro-osmanische und eine arabisch- nationalistische Fraktion. Der Sulṭān al-Aṭraš forderte die Drusen auf, mit den arabisch- nationalistischen Kräften bei der Schlacht um Damaskus im Jahr 1918 zu kämpfen. Diese

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Unterstützung war für die Bewahrung der Autonomie im Ğabal ad-Durūz gegenüber dem Emir Faiṣal, der bis 1920 König von Syrien war, ausschlaggebend. (LANG, 2013. S. 35)

Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte eine Aufteilung der ehemaligen osmanischen Provinzen im Nahen Osten in Mandatsgebiete des Völkerbundes: Unter britische Verwaltung kamen der Irak, Transjordanien und Palästina. Syrien und der Libanon kamen unter französische Verwaltung. Neben den Gemeinschaften in Palästina und Transjordanien verblieb unter der Kontrolle der alten britischen Verbündeten nur noch ein Bruchteil der drusischen Bevölkerung. Die drusische Gemeinschaft wurde nun in drei (Libanon und Syrien wurden getrennt verwaltet) separate Mandatsgebiete aufgeteilt und stand unter der Herrschaft von zwei Mandatsmächten. Die Drusen waren in jedem Mandatsgebiet mit einem anderen sozioökonomischen System und mit jeweils unterschiedlichen Autoritäten konfrontiert. Die periphere drusische Gemeinschaft in Palästina wurde somit immer mehr von den Entwicklungen in den drusischen Zentren im Ḥaurān und im Libanongebirge isoliert. Viele junge Drusen verließen ihre Familien und gingen in die Hauptstädte Beirut und Damaskus, wo sie durch den arabischen Nationalismus geprägt wurden. In Palästina fand hingegen keine derartige Entwicklung statt. (LANG, 2013, S. 35-36)

5.6 Historischer Überblick über die Drusen in Israel

5.6.1 Die Drusen unter britischer Mandatsherrschaft

Die Drusen machten zu Beginn der britischen Mandatsherrschaft in Palästina mit ungefähr 7.000 Einwohnern weniger als 1% der Gesamtbevölkerung aus. Die damals mächtigen drusischen Clans, wie zum Beispiel die al-Aṭraš im Ḥaurān, konnten sich in Palästina nicht etablieren. Den Drusen wurde unter der britischen Mandatsverwaltung die Anerkennung als eigene Religionsgemeinschaft verweigert. Sie wurden zunächst unter die Autorität der Sunniten gestellt. Salman Ṭarīf, Mitglied der damals sehr einflussreichen Ṭarīf-Familie in Palästina, wurde als „head of the Druze Community“ von der britischen Mandatsmacht anerkannt. Die palästinensischen Drusen orientierten sich, aufgrund der geographischen Isolation und der politischen Vormacht von sunnitischen und christlichen Eliten, an ihren Glaubensbrüdern in Syrien und im Libanon. Die Drusen in Palästina sahen sich zu dieser Zeit wegen des Partikularismus als Teil einer größeren drusischen Gemeinschaft und nicht als Mitglied einer sunnitisch dominierten Gemeinschaft in Palästina. (LANG, 2013, S. 37-38)

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Das Machtzentrum der Drusen war nach wie vor im Libanon. Die Drusen in Palästina bewahrten bei den meisten Kämpfen und Auseinandersetzungen Neutralität. Im Jahr 1925 lehnten sich die Drusen in Syrien gegen die Franzosen auf. Die palästinensischen Drusen verblieben friedlich und nahmen lediglich hilfsbereit drusische Flüchtlinge auf. Im Laufe des britischen Mandats (1917-1948) in Palästina entstanden die ersten guten nachbarschaftlichen Kontakte zwischen Drusen und Juden. Als Paradebeispiel ist hier der Kibbuz Yagur am Fuße des Karmelberges zu nennen, wo beide Glaubensgemeinschaften ein nebeneinanderliegendes Land bewirtschafteten. (KLEIN, 2001, S. 50)

Tobias LANG (2013, S. 39) hält hierbei fest, dass es in den 1920er Jahren vermehrt zu einem Zuzug von jüdischen Siedlern gekommen ist, der die Opposition auf arabischer Seite anwachsen ließ. Deswegen kam es zu gewaltsamen Ausbrüchen im April 1920 und im Mai 1921. Danach folgte bis ins Jahr 1929 eine Periode relativer Ruhe. 1929 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Juden. Die drusischen Familien in Palästina nahmen hier eine neutrale Position ein, obwohl sich Drusen aus dem Ḥaurān an den Angriffen auf jüdische Siedlungen beteiligten. Die Drusen brachten diese Position vor allem gegenüber den Briten zum Ausdruck. Das dürfte mit den Anstrengungen um eine eigene Repräsentation in der Legislative und der damit verbundenen Anerkennung als eigene Gemeinschaft zusammenhängen. Die Bemühungen wurden von den Briten allerdings ignoriert. (LANG, 2013, S. 39)

Der Einfluss der Zionisten auf die Briten war den Drusen bereits bekannt und sie versuchten diesen in der Folge zu ihren Gunsten zu nutzen. Die Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Juden hatten eine starke religiöse, sunnitische Komponente, von der sich die Drusen nicht angesprochen fühlten. Das Verhalten der palästinensischen Drusen im Laufe der Ereignisse von 1929 wurde von zionistischer Seite sehr geschätzt. Im selben Jahr wurde die Jewish Agency gegründet. (LANG, 2013, S. 39-40)

Die Jewish Agency hatte die Aufgabe mit den Briten zu verhandeln und in Palästina eine nationale Heimstätte für Juden aufzubauen. Zudem schickte die Institution offizielle Vertreter in die Dörfer, um die guten nachbarschaftlichen Kontakte zwischen Drusen und Juden zu fördern. Im Jahr 1930 begann ein landesweiter institutionalisierter Dialog zwischen beiden Glaubensrichtungen durch die Etablierung des Joint Bureau for Arab Affairs und den Jewish National Council. (KLEIN, 2001, S. 50)

Als eine wichtige Persönlichkeit dieser Zeit ist Yitzhak Ben-Zvi zu nennen. Ben-Zvi, der später der zweite Präsident des Staates Israels wurde, war zur damaligen Zeit Vorsitzender des Jewish 42

National Council und Vizedirektor des Joint Bureau for Arab Affairs. Er zeigte als einer der ersten Mitglieder einer zionistischen Bewegung Interesse an den Drusen. Weiters bemühte er sich um gute Beziehungen zwischen Drusen und Juden und profitierte stets von seinem Netzwerk. Ihm gelang es beispielsweise mit der Hilfe von Scheich Salmān Ṭarīf einen Streit zwischen beiden Glaubensgemeinschaften in der drusischen Gemeinde Buqai´a zu schlichten. (KLEIN, 2001, S. 50-51; LANG, 2013, S. 41-42) Die Juden waren davon überzeugt, dass die Drusen als Nichtmuslime der arabischen Mehrheit gegenüber abgeneigt wären. Für die Drusen spielten die Juden eine wichtige Rolle, weil sie sich von ihnen Einfluss auf die französische Mandatsregierung in Syrien erhofften, da dort Franzosen gegen Drusen kämpften. Die galiläischen Drusen wollten ihre Glaubensbrüder in Syrien unterstützen. Ben-Zvi konnte die Drusenführer davon überzeugen, Übergriffe von drusischer Seite auf jüdische Siedler zu unterlassen. Außerdem gelang es ihm die Drusen vom Anschluss an arabische Gruppen abzubringen, welche sich gegen die massive jüdische Immigration wehrten. Aufgrund der Einwilligung der Drusen glaubten die Juden in ihnen einen stabilisierenden Faktor gefunden zu haben. (KLEIN, 2001, S. 50-51)

Im Jahr 1930 beantragten die Drusen in der parlamentarischen Versammlung, welche die verschiedenen Gruppen Palästinas repräsentierte, unabhängig vertreten zu sein. Nach dem Tod des drusischen religiösen Oberhauptes Scheich Ṭarīf im Jahr 1928 übergab die britische Mandatsregierung den Sunniten die religiöse Vertretung der Drusen. Diese bestanden jedoch darauf, dass sie in ihren Gesetzen, Doktrinen, Riten und Gebräuchen vollkommen unabhängig seien und wollten keinerlei Einbeziehung ihrer drusischen Gemeinschaft in die muslimische. Die Briten weigerten sich allerdings die Drusen als eigenständige ethnische Gruppe anzuerkennen. Die Juden konnten deswegen ihr Vertrauen leichter gewinnen, da sie die Drusen von Anfang an anders als die übrigen Araber behandelten. (KLEIN, 2001, S. 51)

Das neutrale Verhalten der meisten Drusen in Palästina ließ sie in den Augen der palästinensischen Rebellen als potenzielle Verbündete der Zionisten erscheinen. Im Oktober und November 1938 ereigneten sich mehrere Angriffe arabischer Rebellen auf die drusischen Dörfer am Karmel, ´Isfiyā und Dāliyat al-Karmal. Bei dem Angriff in ´Isfiyā wurden einige Drusen getötet, darunter Ḥasan Abū Rukun. Seine Familie bat ihre jüdischen Kontakte in Haifa um Hilfe. Diese verständigten die britische Armee, welche in der Folge eingriff und viele der Rebellen tötete. Diese Ereignisse führten zu einer feindseligen Stimmung zwischen Muslimen und Drusen in der Region Haifa. Sogar die wenigen Drusen, die die Nationalisten unterstützen,

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stellten ihre Unterstützung nach diesen Ereignissen ein. Die Drusen begannen vermehrt das „jüdische Lager“ zu fördern. (LANG, 2013, S. 44-45)

Die ursprünglich geheim gehaltenen Treffen zwischen Drusen und Juden wurden mittlerweile publik, weswegen es zu weiteren Auseinandersetzungen zwischen muslimischen Rebellen und Drusen kam. Die Mitglieder der Jewish Agency versuchten deswegen eine „Rettungsmaßnahme“ der Drusen zu entwickeln und arbeiteten einen Transferplan aus, der die Umsiedlung der galiläischen Drusen in den Ḥaurān, also nach Syrien, vorgesehen hatte. (KLEIN, 2001, S. 51) Eliahu COHEN hält in einem Bericht über die Situation folgendes fest:

„We are faced with the partition of the country and the establishment of a Jewish state, which, according to the proposed plan, would contain eighteen villages inhabited by ten thousand Druzes. It is possible that relations with the leader of the Druze people in the Mountain [Jabal ad-Durūz] will help us to transfer in the future those who are living among us to the Mountain or to another place in Syria… Only such acts can give us greater standing in the eyes of the important Arab governments.“ (KLEIN, 2001, S. 51-52)

Nach den Auseinandersetzungen von 1938 im Dorf ´Isfiya und dem Mord an Ḥasan Abū Rukun waren die Drusen diesem Plan gegenüber nicht abgeneigt. Im Januar 1939 wurde der drusische religiöse Führer Shaykh Ḥasan Khayfīs ermordet. Aufgrund dieser Ereignisse bereiteten sich die Drusen auf eine Auswanderung nach Syrien vor. Im selben Jahr begannen drusische Scheiche (Shuyyukh) und muslimische Führer eine Lösung des Konflikts auszuarbeiten, der am 14. Januar 1940 zugestimmt wurde. (KLEIN, 2001, S. 52)

Im Jahr 1940 wurde in ´Isfiyā eine örtliche Sektion der Histadrut gegründet. Dadurch wurde auf lokaler Ebene ein Rahmen für drusisch-jüdische Kooperationen ermöglicht. Nach den Angriffen gab es nun ein Bündnis zwischen Drusen und Zionisten. Allerdings war der Anteil der Drusen nur auf jene in Palästina beschränkt, die am Karmel wohnten. Die Mehrheit der Drusen in Palästina, also jene Gemeinschaften in Galiläa, waren somit nicht miteinbezogen. (LANG, 2013, S. 45)

Die Drusen nahmen bis zum Jahr 1948 eine neutrale Position ein und kehrten damit in ihren traditionellen Partikularismus zurück. Einzelne Drusen stellten sich bereits früh wieder auf die jüdische Seite. Die Zionisten hatten den Transferplan aufgegeben, da es zu viele Hindernisse für die Durchführung gab. (KLEIN, 2001, S. 52)

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5.6.2 Die Drusen im Israelischen Unabhängigkeitskrieg bzw. Palästinakrieg

In den ersten Kriegsmonaten des Unabhängigkeitskrieges bzw. Palästinakrieges von 1947-1948 nahmen die drusischen Führer in Palästina keine pro-jüdische Position ein, sondern versuchten sich aus dem Konflikt herauszuhalten. Die guten Beziehungen zwischen Zionisten und jenen drusischen Familien bzw. Einzelpersonen aus der Mandatszeit wurden allerdings aufrechterhalten. Darunter waren beispielsweise Labīb Abū Rukun und Ṣāliḥ Ḫanaifis. Sie waren allerdings nur lokal bedeutend und ihr Einfluss reichte nicht an den der bedeutenden Familie Ṭarīf heran, welche sich weiterhin neutral verhielt. Die Drusen im westlichen Galiläa waren in drusisch-israelischen Beziehungen generell wenig involviert. Durch den Nachrichtendienst SHAI, der für die Hagana, eine Vorläuferorganisation der israelischen Armee vor der Staatsgründung, arbeitete und durch die Arab Section der Jewish Agency versuchte man die Beziehungen auf jüdischer Seite zu festigen. Die Zionisten erwarteten sich von dem guten Verhältnis zu den Drusen in Palästina zugleich ein friedliches Verhältnis mit den militärisch stark eingeschätzten Drusen im Ḥaurān. (LANG, 2013, S. 49)

Im Juli 1947 kam es zu blutigen Auseinandersetzungen innerhalb der drusischen Gemeinschaft des Ḥaurān. Auslöser waren die schon seit den 1930er Jahren andauernden Streitigkeiten über den Grad der Integration des Ğabal ad-Durūz in den syrischen Staat. Im November desselben Jahres flammte dieser Konflikt wieder auf. Zur gleichen Zeit wurde der UN-Teilungsplan für Palästina beschlossen (29. November 1947). Mitte Dezember 1947 wurde versucht, Drusen für die Arab Liberation Army (ALA) zu rekrutieren. Diese Bemühungen erklärten die Briten allerdings als gescheitert. (LANG, 2013, S. 50-51)

Im Jänner 1948 ereignete sich ein Konflikt zwischen drusischen Scheichen aus ´Isfiyā und dem Anführer der Muslimbrüder in Haifa. Hintergrund der Auseinandersetzung war ursprünglich der Mord an einem Drusen in der Hafenstadt. Außerdem wurde das Verhältnis der Drusen zu den Zionisten zunehmend zu einem beherrschenden Thema. Nicht nur die Kriegsgeschehen intensivierten sich, sondern auch der Druck auf die Drusen, in diesem Krieg eine eindeutige Position einzunehmen. Es sind einzelne Fälle bekannt, wo palästinensische Drusen Personen auf jüdischer Seite töteten. So wurde zum Beispiel im Februar ein jüdischer Konvoi von einer drusischen Einheit überfallen. Die einschlägige Literatur ist sich allerdings darüber einig, dass der Großteil der palästinensischen Drusen eine neutrale Position einnahm. (LANG, 2013, S. 51-52)

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Im Ḥaurān wurde von Šakīb Wahhāb erstmals ein drusisches ALA-Bataillon aufgestellt. Wahhāb diente im Ersten Weltkrieg in der osmanischen Armee, war 1926 am syrischen Aufstand gegen die Franzosen und am palästinensischen Aufstand 1936-1939 beteiligt und kämpfte im Zweiten Weltkrieg als Hauptmann im drusischen Regiment der britischen Armee. Danach war er Offizier in der syrischen Armee, aus welcher er im Frühjahr 1948 austrat, um der ALA zu dienen. Die Aufstellung des Bataillons wurde durch Sulṭān al-Aṭraš vermutlich nur erlaubt, um den Frieden im Ğabal ad-Durūz nach den Auseinandersetzungen im Laufe des Jahres 1947 zu wahren. Das spricht allerdings dafür, dass er dem Wunsch der Arabischen Liga nach einem drusischen Bataillon erst sehr spät nachkam und außerdem darauf bedacht war, dass das Bataillon nicht ausschließlich als Einheit der Drusen aus dem Ḥaurān wahrgenommen wurde. Deswegen erlaubte Sulṭān die Aufstellung nicht unter dem Namen Bataillon Ğabal ad- Durūz, sondern lediglich unter dem Namen Bataillon Ğabal al-Arab. Dem stimmte auch Wahhāb zu und sprach sich offen dafür aus, dass seine Einheit keine speziellen drusischen Ziele verfolgen würde. Das Bataillon umfasste ungefähr 500 Mann bei seiner Aufstellung. Als Standort für diesen Bataillon wurde Šafā ´Amr gewählt. Dabei handelt es sich um eine Stadt mit drusischen, christlichen und muslimischen Bewohnern, die zwischen den Dörfern am Karmel und den drusischen Siedlungen im westlichen Galiläa liegt und strategisch wichtig war. Im April kam es zu den ersten Auseinandersetzungen im Nord-Osten von Haifa. Das Bataillon ging gegen die Hagana siegreich hervor, verlor aber unmittelbar danach zwei Dörfer. Daraufhin zogen sie sich nach Šafā ´Amr zurück. Letztendlich war die Hagana stärker, aber das drusische Bataillon hat sich als ernst zu nehmender Gegner erwiesen. (LANG, 2013, S. 52-53) Im April 1948 fielen Tiberias und Haifa in die Hände der Hagana. Da keine Unterstützung durch die Arabische Befreiungsarmee zu erwarten war, desertierten die 212 verbliebenen der ehemals 500 Drusen und zogen sich nach Syrien und in den Libanon zurück. (KLEIN, 2001, S. 53)

5.6.3 Die Drusen seit der Ausrufung des Staates Israel

Als die Briten ihr Mandat über Palästina niederlegten, schlug die UNO durch die Resolution Nr. 181 einen Teilungsplan für das Mandatsgebiet vor, welches ein Nebeneinanderleben von Juden und Arabern garantieren sollte. Jerusalem sollte dabei eine Sonderposition unter internationaler Verwaltung bekommen. Die Araber lehnten diesen Teilungsvorschlag ausdrücklich ab. Am 14. Mai 1948 wurde schließlich der Staat Israel von David Ben-Gurion ausgerufen und wenig später die IDF (Israeli Defense Forces) gegründet. Die Verkündung des neuen Staates war der Auslöser für den ersten Arabisch-Israelischen Krieg, der bis zum Frühjahr 1949 andauerte. (KLEIN, 2001, S. 53)

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Eine Einheit aus drusischen Freiwilligen schloss sich den israelischen Verteidigungskräften an. Diese militärische Einheit wurde von Damaskus aus kommandiert. Die meisten Drusen blieben während dieses Krieges allerdings bei ihrer neutralen Position. Sulṭān al-Aṭraš unterstützte die Drusen vom Ḥaurān in ihrem Kampf gegen die Zionisten und in ihrer Solidarität mit den Palästinensern. (KLEIN, 2001, S. 53)

Am Tag des britischen Rückzugs aus Palästina griff die Hagana Akkon an und eroberte die Hafenstadt nach drei Tagen. Ende Mai 1948 waren über die Hälfte der Soldaten des Bataillons aus Šafā ´Amr desertiert und wieder nach Syrien zurückgekehrt. Zudem verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Sunniten und Drusen aufgrund der Gerüchte über Kontakte des Bataillons zu den Juden. Am 23. Mai rückten lokale muslimische Kräfte mit bis zu 300 Mann in Šafā ´Amr ein und ersetzten das Bataillon von Wahhāb. Die ALA zog sich infolge der Invasion der arabischen Armee zurück, um sich zu reorganisieren. Somit wurde auch das Bataillon von Wahhāb an die libanesische Grenze verlegt. Im Juni/Juli gab es einen Waffenstillstand. In dieser Zeit löste sich das Bataillon endgültig auf und die meisten Männer kehrten nach Syrien zurück, einige verblieben in Palästina und siedelten sich in den drusischen Dörfern an. Ungefähr 50 von anfangs 500 Soldaten kämpften für die ALA weiter. Die Mitglieder dieser Truppe, welche sich in Palästina ansiedelten, kämpften später auf israelischer Seite. Die Beeinflussung von Wahhābs Bataillon markiert den Beginn einer militärischen Kooperation Israels mit den Drusen, die im Verlauf des Krieges noch weiter intensiviert wurde und bis heute die Beziehungen der Drusen zum jüdischen Staat prägt. (LANG, 2013, S. 56-57)

Nach dem von der UN erzwungenen Waffenstillstand vom 11. Juni bis 8. Juli 1948 folgte eine Periode mit intensiven Kämpfen. In dieser Zeit eroberte die IDF viele wichtige palästinensische Städte wie Lod, Ramla und Nazareth. Im Zuge der Operation Dekel war das ultimative Ziel, die Eroberung von Nazareth und von mehreren Dörfern in Galiläa inklusive Šafā ´Amr, das am 14. Juli 1948 eingenommen wurde, erreicht worden. Die Darstellung dieser Umstände ist höchst komplex und unterscheidet sich je nach Quelle. Ein paar Tage vor dem Angriff der IDF kam es zu einem Treffen zwischen Drusen aus Šafā ´Amr und anderen Dörfern mit einer jüdischen Delegation. Die Drusen sprachen den jüdischen Abgeordneten ihre Unterstützung zu, waren jedoch um ihre eigenen Dörfer besorgt. Am 13. Juli 1948 um Mitternacht begann der Angriff der IDF. Die Eroberung des drusischen Viertels war allerdings nur gestellt. (LANG, 2013, S. 57-58) Ein Kommandant der angreifenden IDF-Einheit beschreibt die Ereignisse wie folgt:

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„They and the Druze defenders fired harmlessy over each others head´s. The attackers quickley passed through the Druze lines, entering the village and taking the Moslems from rear. Within short time, the whole village was securely in our hands.“ (LANG, 2013, S. 58)

Die Muslime bemerkten die gestellten Kampfhandlungen und beschuldigten die Drusen des Verrats. Die Kooperation der Drusen mit den Israelis hatte aufgrund der auslösenden Panik in den umliegenden muslimischen Dörfern eine große militärische Auswirkung. Durch die Flucht und die Deportation der meisten Muslime aus Šafā ´Amr wurde dessen Eroberung und auch die Einnahme von Nazareth viel einfacher. Dadurch konnten militärische Vorteile aus der politischen Interaktion mit den Drusen gezogen werden. Am 18. Juli 1948 begann der zweite Waffenstillstand. (LANG, 2013, S. 58-59)

Im Sommer 1948 wurde die Minorities Unit der IDF gegründet. In der Periode des ersten Waffenstillstands gab es Bemühungen, durch pro-israelische drusische Akteure junge Drusen aus ´Isfiyā und Dāliyat al-Karmel für eine neue israelische Minderheiteneinheit zu rekrutieren. Ein gutes Argument für eine Verpflichtung bei der Minorities Unit war der freie Zugang zu den Feldern, welcher einen wichtigen Faktor während der Erntezeit darstellt. Zudem wurden Familien und Mitglieder der Minorities Unit bei der Erteilung von Reise- und Transporterlaubnissen bevorzugt. Neben den Freiwilligen aus ´Isfiyā und Dāliyat al-Karmel kamen reguläre Kräfte, die sich schon zuvor der israelischen Einheit angeschlossen haben. Darunter waren ehemalige Soldaten und Offiziere der ALA (auch aus Wahhābs Bataillon) und der regulären syrischen Armee, muslimische Beduinen, einige Drusen aus dem Karmel sowie Tscherkessen. Zu Beginn des Jahres 1949 waren ungefähr 850 Soldaten und Offiziere bei der Minorities Unit beteiligt, worunter 400 Drusen, 200 Beduinen, 100 Tscherkessen und 150 jüdische Offiziere und weiteres Militärpersonal waren. Die Drusen machten dementsprechend die Mehrheit der Minorities Unit aus. (LANG, 2013, S. 60-61)

Für die Israelis war die Etablierung der Minorities Unit vor allem von politischer Bedeutung, denn sie erwarteten einen Effekt auf die Drusen im Ḥaurān und deren Haltung gegenüber Israel. Die israelische Propaganda nutzte die Minorities Unit für eine psychologische Kriegsführung. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Gemeinschaften wurden über Radioprogramme in Arabisch in Kontrast zur Situation von ethnischen und religiösen Minderheiten in den arabischen Staaten gestellt. Es wurden auch Flugblätter verteilt, die feindliche Soldaten mit Drusen und Tscherkessen als mögliche Gegner konfrontierten und sie deswegen zur Desertation anstiften sollten. (LANG, 2013, S. 61)

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Die Rolle der Drusen im Zusammenhang mit der Rekrutierung für die IDF wurde von Yacov Schimoni, ein Mitarbeiter der Nahostabteilung des israelischen Außenministeriums, wie folgt beschrieben:

„…the sharp blade of a knife to stab in the back of Arab unity.“ (LANG, 2013, S. 61)

Der zweite Waffenstillstand wurde am 15. Oktober 1948 von Israel durch die Einleitung der Operation Yoav gebrochen, welche die ägyptische Armee aus der Negev-Wüste vertreiben sollte. Im Norden wurde die Waffenruhe am 22. Oktober 1948 durch die ALA, die den Kibbuz Manara angriff, gebrochen und am 29. Oktober wurde von der IDF die Operation Hiram gestartet. Diese Operation hatte die Eroberung des oberen Galiläas zum Ziel, das unter der Kontrolle der ALA war. Die Obed-Brigade, eine Einheit, die der Minorities Unit unterstellt war, sollte von Westen aus eindringen und in das Gebiet unter ALA-Kontrolle, inklusive dem Ort Taršīḥa, einfallen. Um Taršīḥa angreifen zu können war der Ort Yānūḥ von strategischer Bedeutung. Die Bewohner Yānūḥs waren fast ausschließlich Drusen. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Eroberung eines anderen strategisch wichtigen Dorfes musste sich die Obed-Brigade kurz nach Eintreffen in Yānūḥ zurückziehen und sich regruppieren. Die drusischen IDF-Soldaten, welche oberhalb von Yānūḥ Stellung genommen hatten, konnten wegen Funkstörungen nicht über den Rückzug informiert werden. Es kam zu einem Gegenangriff der ALA auf Yānūḥ, wobei die ALA durch Bewohner von Yānūḥ und dem Nachbardorf Ğaṯ unterstützt wurden. Dabei wurden drei jüdische Offiziere und mindestens 13 drusische IDF-Soldaten getötet. (LANG, 2013, S. 62-63)

Das Verhalten der Bewohner von Yānūḥ und Ğaṯ war für die Israelis und besonders für die drusischen IDF-Soldaten schockierend, denn sie gingen davon aus, dass die Drusen in Galiläa auf israelischer Seite stünden. Ungefähr einen Monat vor der Operation Hiram gab es zwischen den Bewohnern von Yānūḥ und der IDF ein Abkommen, welches eine fingierte Verteidigung durch die Einwohner vorsah. Für die Fehler in der Kommunikation über den Rückzug gibt es verschiedene Erklärungen. Darunter finden sich solche, wie eine versteckte Informationsweitergabe an die ALA oder eine Gefangennahme eines Boten, der die notwendigen Informationen an die Bewohner überbringen hätte sollen. (LANG, 2013, S. 63- 64)

Obwohl die Eroberung von Yānūḥ missglückt war, bedeutete die Operation Hiram einen großen Sieg für Israel im Norden. Die ALA wurde nämlich aus Galiläa vertrieben, die reguläre syrische Armee wurde nach Osten zurückgedrängt und die libanesische Armee wurde zum Rückzug gezwungen. Der Mittelpunkt Galiläas, der zuvor vor von der ALA kontrolliert wurde, 49

hatte einen großen Anteil arabischer Bewohner. Viele dieser Bewohner wurden von der IDF vertrieben oder flohen in den Libanon. Im Vergleich dazu blieben im ersten Arabisch- Israelischen Krieg 1947-1948 fast alle palästinensischen Drusen in ihren Dörfern. (LANG, 2013, S. 65)

Der Krieg im Norden Israels war, mit der für die israelische Seite erfolgreiche Operation Hiram, im Großen und Ganzen vorbei und die drusischen Führer, die das Risiko einer Kooperation mit den Israelis eingegangen waren, bekamen dadurch ihre Bestätigung. Unter der gesamten arabischen Bevölkerung im Norden herrschte nun eine große Unsicherheit. Auch nach der Operation Hiram erfolgten Vertreibungen von ganzen Dörfern durch die IDF. Davon waren auch christliche Dörfer betroffen, obwohl diese mit der ALA nicht kooperiert hatten. Bei den Drusen herrschte Unklarheit über ihren Status als Freunde der Israelis. Yitzhak Ben-Zvi und der damalige Minister für Minderheitenangelegenheiten, Bechor Shitrit, fühlten sich dazu veranlasst, sich gegen die Vertreibung von Drusen auszusprechen und die Beziehungen zu ihnen zu festigen. Das deutet darauf hin, dass die Ängste auf drusischer Seite nicht unbegründet waren. (LANG, 2013, S. 66)

Ein Bericht des Ministeriums für Minderheitenangelegenheiten beschreibt die Einstellung des Ministeriums gegenüber den Drusen in Israel. In diesem wird darauf hingewiesen, dass die Drusen von den Arabern abzugrenzen sind, obwohl sie Arabisch sprechen. Die Drusen wurden somit von israelischer Seite eindeutig nicht den Arabern zugerechnet. Schon zu diesem Zeitpunkt, im Dezember 1948, war die israelische Strategie erkennbar, die vorsah, die Drusen zu „entarabisieren“. (LANG, 2013, S. 66)

Mit der Einführung der Wehrpflicht der Drusen, am 15. April 1957, kam es zu einer großen Veränderung des Status der Drusen im Staat Israel. Sie erhielten durch das Religionsministerium den Status als eigenständige Religionsgemeinschaft und wurden gleichzeitig juristisch endgültig unabhängig von den Sunniten betrachtet. Die langwierigen Bemühungen der Drusen, während der britischen Mandatszeit den Status einer eigenständigen anerkannten Religionsgemeinschaft zu erreichen, hatten endlich Erfolg. Nachfolgend wurde die drusische Gemeinschaft in Israel auch gesetzlich organisiert, wobei der staatliche Einfluss langlebig gesichert wurde. Weiters wurde die religiöse Führung der Drusen in Israel durch die Errichtung eines Religious Council mit dem Scheich Amīn Ṭarīf als Vorsitzenden formal institutionalisiert. Darüber hinaus wurden auch drusische Gerichtshöfe geschaffen, bei denen allerdings aus Mangel einer juristischen Grundlage das Personenstandsrecht für Drusen adaptiert wurde. Die Mitglieder des drusischen Berufungsgerichts und des Religious Council 50

waren allerdings dieselben. Die Stellung der Familie Ṭarīf wurde außerdem gesetzlich verankert. (LANG, 2013, S. 71-72)

5.7 Die Identität der Drusen in Israel

Die Drusen bekamen kurze Zeit nach der Anerkennung als eigenständige Religionsgemeinschaft im Jahr 1957 neue Personalausweise von der israelischen Regierung. Die Nationalität auf diesen Ausweisen wurde vom vorherigen „Araber“ durch „Druse“ ersetzt. In der Folge gab es Proteste von Drusen, die sich selbst als Araber identifizierten. Diese hatten allerdings keinen Erfolg. Die Segregation der Drusen von den anderen Arabern in Israel war zu diesem Zeitpunkt bereits weit fortgeschritten, beispielsweise durch die Einführung der Wehrpflicht für Drusen, nicht aber für Christen und Muslime. Die größte Abgrenzung war allerdings die Anerkennung als eigenständige Religionsgemeinschaft sowie die israelische Entwicklung einer drusischen Nationalität. Obwohl die Drusen einen neuen formalen Status erhielten, wurden sie von der israelischen Regierung stets über das Büro des Beraters für Minderheitenangelegenheiten des Premierministers administriert, welches die Abteilung für arabische Angelegenheiten in den einzelnen Ministerien koordinierte. Außerdem war der Kontakt zur Histadrut, der mächtigen zionistischen Gewerkschaft, ebenfalls nur über die Büros für arabische Angelegenheiten möglich. Demzufolge brachte der neue formelle Status im Hinblick auf Zugang zu den Ministerien oder der Gewerkschaft keine Gleichberechtigung der Drusen mit der jüdischen Bevölkerung, da die Drusen in diesen Bereichen weiterhin als Araber behandelt wurden. (LANG, 2013, S. 72)

Die Drusen am Golan:

Die Drusen am Golan sind separat zu jenen in Israel zu betrachten. Nach der Annexion der Golanhöhen durch Israel am 14. Dezember 1981 kam es zu Massenprotesten. Die israelische Regierung bot den drusischen Bewohnern am Golan die israelische Staatsbürgerschaft bereits seit dem Jahr 1979 an, jedoch zeigten sich diese nur wenig interessiert. Der Staat Israel wollte ihnen nach der Annexion die Staatsbürgerschaft aufzwingen, wogegen sich die Drusen aber massiv wehrten. Außerdem hatten die traditionellen drusischen Führer des Golan im März 1981 eine Versammlung abgehalten. Das Ergebnis war ein Memorandum, welches an ausländische Diplomaten in Israel, an die Vereinten Nationen sowie an israelische Politiker und die Presse weitergeleitet wurde. (KLEIN, 2001, S. 70-71) Es beinhaltete folgende Erklärungen (KLEIN, 2001, S. 71): 51

1. Der Golan ist ein integraler Bestandteil Syriens.

2. Die Bewohner des Golan sind ausschließlich Syrer.

3. Die golanischen Drusen sind mit dem Boden verbunden.

4. Jeder, der Land an Israelis verkauft, wird aus der religiösen drusischen Gemeinschaft ausgestoßen.

5. Die lokalen Gemeinderäte, die von der Militärverwaltung eingerichtet wurden, sind nicht legal.

6. Jeder Druse, der die israelische Staatsbürgerschaft annimmt, wird ebenfalls aus der religiösen drusischen Gemeinde ausgestoßen.

Diese Erklärung übte einen ungeheuren Druck aus, weswegen sich schließlich die Israelis und die golanischen Drusen auf einen Kompromiss einigten. Dieser sah wie folgt aus: Die Drusen akzeptierten die israelischen Personalausweise und im Gegenzug ging die israelische Regierung auf ihre Forderungen ein. Dazu zählten die sofortigen Freilassungen von inhaftierten Drusenführern, keine weitere Konfiszierung von Land und keine Verstaatlichung von Wasserquellen durch Israel. Der Personalausweis der golanischen Drusen gleicht allerdings keinem üblichen, sondern ist eine Karte, die sie als „non-citizen residents“ klassifiziert. Das bedeutet, sie sind lediglich Bewohner und keine Bürger Israels. Zudem besitzen sie keine Reisepässe, sondern nur einen amtlichen Papiersatz, sogenannte „Laissez-Passer“-Papiere (Passierscheine). (KLEIN, 2001, S. 71-72)

5.7.1 Die Wehrpflicht der Drusen in Israel

Die Drusen dienten ab 1949 auf freiwilliger Ebene der Minorities Unit der IDF. Im Mai 1956 führte der Generalstab Israels die Wehrpflicht für männliche Drusen ein, der offiziellen israelischen Darstellung zufolge sogar auf Wunsch von Teilen der drusischen Führungskräfte. Jedoch regte sich, noch bevor die ersten drusischen Wehrpflichtigen eingezogen wurden, ein Protest innerhalb der Gemeinschaft. Das Gesetz trat aber trotz der Proteste aus der drusischen Gemeinschaft wie geplant in Kraft. Somit wurden die Drusen, mit Ausnahme der tscherkessischen Gemeinschaft, die einzige (nichtjüdische) Minderheit, die zum Wehrdienst in Israel verpflichtet ist. Die weiblichen Drusen sowie die ´uqqāl waren von Beginn an von dieser Pflicht ausgenommen. (LANG, 2013, S. 70-71)

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Peggy KLEIN (2001, S. 89) betont, dass eine Wehrdienstverweigerung nicht möglich ist und eine Desertation mit hohen Haftstrafen geahndet wird. Eine Verweigerung würde den Verlust sämtlicher finanzieller Vorzüge bedeuten, die Armeeveteranen von Israel gewährleistet bekommen. Auch eine Erwerbstätigkeit in öffentlichen und staatlichen Einrichtungen wäre unmöglich. Weitere Konsequenzen im Falle einer Verweigerung wären die Überprüfung durch den israelischen Sicherheitsdienst oder die Aberkennung des Führerscheins. In solchen Fällen sollen in der drusischen Gemeinschaft in Israel härtere Methoden angewendet werden als in der jüdischen. (KLEIN, 2001, S. 89)

Durch die Wehrpflicht werden die Drusen von anderen Arabern im Staat Israel unterschieden. Von arabischer Seite werden die Drusen deswegen häufig als Verräter bezeichnet und verachtet. Die Armee setzt die Drusen aufgrund ihrer Arabisch-Kenntnisse besonders seit 1967 in der Grenzüberwachung ein. Außerdem gibt es in der staatlichen und militärischen Verwaltung in den besetzten Gebieten und bei den Gefängniswärtern in israelischen Sicherheitsgefängnissen, wo hauptsächlich Palästinenser inhaftiert sind, einen hohen Anteil von Drusen. Dies führt zusätzlich zu einer Feindschaft zwischen Palästinensern und Drusen. (KLEIN, 2001, S. 90)

Die Drusen wurden in Israel erst schrittweise integraler Bestandteil des sozialen und ökonomischen Lebens. Beispielsweise wurden sie in Militär vorerst in einer Minderheitenarmee eingesetzt, die zunächst nur an ruhigen Orten, wie zum Beispiel am Toten Meer nahe der jordanischen Grenze, stationiert war. Dies weist auf einen Ausdruck von mangelndem Vertrauen seitens der jüdischen Israelis hin. Erst im Jahr 1967 nahm die Minderheiteneinheit an der Offensive in der Westbank teil und wurde 1975 erstmals an der unbeständigen libanesischen Grenze eingesetzt. Einsätze im Libanon erweisen sich nach wie vor für die Drusen als besonders schwierig, da sie befürchten, auf ihre Glaubensbrüder schießen zu müssen. Ab dem Jahr 1982 erhielten die Drusen den Zugang zu allen Einheiten des israelischen Militärs, ausgenommen jener des Geheimdienstes und der Luftwaffe. Im Zuge dieser Gleichstellung wurden auch Juden zur Minderheitenarmee zugelassen. Innerhalb von zwei Jahren sank der Anteil der Drusen in dieser Einheit auf 40% ab, denn die Soldaten konnten mittlerweile auch in den angeseheneren Infanterieeinheiten wie der Golan Brigade oder dem Luftlandebataillon dienen. 1986 wurde ein Druse zum ersten Mal zum Brigadegeneral ernannt und seit 1991 sind Drusen bei der Luftwaffe zugelassen. (KLEIN, 2001, S. 91-92)

Durch die Einberufung erhalten die männlichen Drusen die Möglichkeit, sich in die hebräisch- sprechende Kultur der Juden zu integrieren. Viele von ihnen weigern sich sogar während ihres Dienstes Arabisch zu sprechen. Auffällig ist hierbei, dass die jungen drusischen Männer nach 53

dem Wehrdienst kein reines Arabisch mehr sprechen, sondern teilweise ins Hebräische zurückfallen, da meist alles Arabische von den Israelis negativ stigmatisiert wird. Während der Wehrpflicht werden alle Rekruten, unabhängig von ihrer Religion, gleichbehandelt. Hier zählt lediglich der militärische Rang. Die Abgrenzung der Drusen gegenüber den anderen Arabern wird meistens mit ihrem Wehrdienst begründet. Israelische Sozialwissenschaftler bezeichnen die Drusen aufgrund ihrer Haltung gegenüber den Israelis oft als „loyale Minderheit“. Die Drusen vom Golan dienen allerdings nicht der israelischen Armee, da sie sich als Syrer verstehen. (KLEIN, 2001, S. 92)

5.7.2 Die Drusen im politischen System Israels

Die Staatsform in Israel ist eine parlamentarische Demokratie mit freien Wahlen, bei denen das ganze Land einen Wahlkreis bildet und ein Verhältniswahlrecht nach Listen herrscht. Juden und Nichtjuden haben das gleiche Wahlrecht, wobei jeder Bürger ab dem Alter von 18 Jahren aktiv und ab dem Alter von 21 Jahren passiv wahlberechtigt ist. Für arabische Bewohner in den besetzten Gebieten und für die arabischen Bewohner Jerusalems gelten andere Regelungen. Jede in der ausgehenden Knesset vertretene Partei darf sich an den Neuwahlen beteiligen, wobei weitere Parteien ebenfalls an den Wahlen teilnehmen können, wenn sie von mindestens 2.500 Wahlberechtigten Unterschriften gesammelt haben und einen Geldpfand hinterlegen. (KLEIN, 2001, S. 57) Die Drusen sind relativ gut in das politische System Israels integriert. Nicht nur in der Histadrut und in der Arbeiterpartei, sondern auch in vielen anderen Parteien finden sich Drusen. (LANG, 2013, S. 113)

Die 21. Knesset mit 120 Abgeordneten wurde auf insgesamt 11 Fraktionen verteilt und am 30. April 2019 eröffnet (BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL, 2019). Die Wahlbeteiligung der Drusen bei der Wahl zur 21. Knesset am 09. April 2019 betrug 56,6%, wobei die meisten Drusen für jüdische Parteien gestimmt haben (RUDNITZKY, 2019). In den vergangenen Wahlen stimmten die Drusen hauptsächlich für rechte Parteien, diesmal gingen die meisten Stimmen an die zentralistische „Blau-Weiß“-Fraktion. Der Grund hierfür war ihre Enttäuschung über das im Juli 2018 verabschiedete Nationalitätengesetz, auf das in Kapitel 8 näher eingegangen wird. Zum ersten Mal wurde eine drusische Frau, Ghadir Kamal von der „Blau-Weiß“-Partei in die Knesset gewählt. (COHEN, 2019)

Da es dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nicht gelungen ist, eine Regierungskoalition zu bilden, kommt es fünf Monate nach der letzten Knessetwahl, am 17. September 2019, zu Neuwahlen. Die Verhandlungen zwischen Netanjahu und möglicher

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Koalitionspartner scheiterten, da sich der Chef der rechten säkularen Partei Jisra`el Beitenu, Avigdor Lieberman, weigerte, der Koalition beizutreten. Das Kernproblem hierfür war ein Streit über ein Gesetz zur Wehrpflicht. Lieberman bestand darauf, dass in Zukunft alle jungen jüdischen Männer, auch die Ultraorthodoxen, den Wehrdienst leisten müssen. Dagegen stemmten sich allerdings die ultraorthodoxen Parteien, auf deren Unterstützung Netanjahu angewiesen ist. (SALLOUM, 2019)

5.7.3 Die Drusen im Rechtssystem Israels

Der Gerichtswesen in Israel besteht aus dem Obersten Gerichtshof und Magistrats- und Distriktgerichten. Daneben verfügt Israel über ein eigenes System religiöser Gerichte, die für Angelegenheiten des Personenstandrechtes zuständig sind. Neben dem jüdischen Rabbinatsgericht existieren dementsprechend muslimische, christliche und auch drusische gerichtliche Instanzen. (KLEIN, 2001, S. 62)

Nach der Anerkennung der Drusen als eigenständige Religionsgemeinschaft im Jahr 1957 erfolgte die rechtliche Anerkennung, welche die juristische Autonomie in persönlichen Angelegenheiten beinhaltet. Diese Anerkennung hatte allerdings keinen Einfluss auf die ökonomischen und politischen Aspekte der Beziehung zwischen Drusen und dem Staat Israel. Im Oktober 1961 wurde die spirituelle Führung der Drusengemeinde als „Religiöser Rat“ anerkannt. Die rechtliche Anerkennung der religiösen Führung führte zu einer Institutionalisierung der religiösen Besitztümer, awqaf (Sing. waqf), wobei die heiligen Stätten unter Kontrolle der Familie Ṭarīf blieben. Der Rat besteht aus drei Mitgliedern, der damals von Scheich Amīn Ṭarīf angeführt wurde. Heute wird dieses Amt von seinem Enkel Muwafaq Ṭarīf geführt. (KLEIN, 2001, S. 62-63)

Drusische Richter können auf der Basis religiöser Überzeugungen Recht sprechen und werden von der drusischen Gemeinde selbst bestimmt. Zu ihren Hauptaufgaben zählt das Registrieren von Eheschließungen und Scheidungen. Die Knesset verabschiedete im Jahr 1963 ein Gesetz, welches das drusische Rechtssystem in ein Eingangsgericht und ein Berufungsgericht einteilte. Der Staat festigte zudem die Position von Amīn Ṭarīf, indem er ihn als Vorsitzenden des Berufungsgerichtes ernannte. Nach dem Jahr 1970 wurden die Angelegenheiten der Drusen nicht mehr über das Ministerium für arabische Minderheiten, sondern über die israelischen Ministerien verwaltet. (KLEIN, 2001, S. 63-64)

In der Rechtsprechung unterscheiden sich die Drusen in wesentlichen Punkten vom muslimischen und christlichen Recht. Hier wird die Abgrenzung der Drusen von anderen 55

Arabern in Israel wieder deutlich. Im drusischen Recht ist beispielsweise Polygamie nicht gestattet. Scheidungen gelten unter allen Umständen als absolut, was bedeutet, dass einmal geschiedene Ehepartner sich nicht noch einmal gegenseitig heiraten können. Darüber hinaus dürfen die beiden Geschiedenen keinen Kontakt mehr miteinander haben und müssen eine bestimmte Distanz einhalten. Neben den einvernehmlichen Scheidungen gibt es auch noch das unilaterale Recht des Mannes, sich ohne die Einwilligung der Frau und sogar in ihrer Abwesenheit scheiden zu lassen. Der Staat Israel erließ im Jahr 1959 ein Recht, welches die Scheidung gegen den Willen der Frau verbietet, jedoch sind nur wenige drusische Frauen über ihre Einspruchsmöglichkeiten informiert. Außerdem hält sich der Staat hier zurück, da eine Einmischung in drusische Angelegenheiten die guten Beziehungen zur drusischen Gemeinde stark gefährden könnte. In allen anderen außerpersönlichen Belangen gilt für die Drusen das israelische Gesetz. (KLEIN, 2001, S. 64)

5.7.4 Die drusischen Organisationen in Israel

Neben dem Religiösen Rat der Drusen gibt es zwei weitere private drusische Organisationen in Israel und eine drusische Vereinigung auf dem Golan. Innerhalb der gesamten drusischen Gemeinschaft in Israel werden die unterschiedlichsten Interessen vertreten, die vor allem in den verschiedenen Organisationen sichtbar werden. (KLEIN, 2001, S. 103)

Zu den Organisationen der Drusen in Israel und am Golan zählen folgende: (KLEIN, 2001, S. 103-104)

The Druze Initiative Comitee (DIC):

Das DIC wurde im Jahr 1972 gegründet und erstrebt vier Hauptziele:

1. Die Abschaffung des obligatorischen Wehrdienstes für Drusen.

2. Die Beendigung der Landenteignungen.

3. Die Bekämpfung der Einmischung von Juden in drusische Identität und in die Religion.

4. Die Abschaffung der Deklaration als Drusen im Personalausweis.

Die Mitglieder des DIC wehren sich gegen die Bezeichnung „israelische Araber“ und sehen sich vielmehr als „Araber in Israel“. Sie verstehen sich als Palästinenser und als Muslime und unterstützen die Errichtung eines palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt. Sie

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setzen sich für gleiche Rechte im Staat Israel und für die Abschaffung der Diskriminierung der Araber in Israel ein. (KLEIN, 2001. S. 103-104)

The Israel Druze Association:

Diese Organisation wurde im Jahr 1966 gegründet und verfolgt eine Stärkung der drusischen Präsenz und verlangt die Beteiligung an allen Aspekten des öffentlichen Lebens in Israel. Ihre Anhänger sprechen sich nicht für eine Bevorzugung, sondern für eine Gleichberechtigung aller Bürger Israels aus. (KLEIN, 2001, S. 105)

The Zionist Druze Circle:

Diese Vereinigung wurde im Jahr 1974 gegründet. Das Hauptziel ist die Unterstützung des Staates Israel. Die Mitglieder dieser Organisation verstehen sich selbst als Drusen, keinesfalls als Muslime und zum Teil nicht einmal als Araber. Der Zionist Druze Circle steht in keiner Verbindung zu politischen Parteien. (KLEIN, 2001, S. 105-106)

The Arab Association for Development (AAD):

Diese unabhängige, nichtstaatliche Organisation wurde im Jahr 1991 auf den Golanhöhen gegründet. Die Mitglieder bemühen sich um die Lösung sozialer und kultureller Probleme der Drusen auf dem Golan. Ihre Identität bezeichnen sie selbst als „syrisch-arabisch“ und versuchen diese durch den Widerstand gegen die Besetzung der Juden am Golan zu wahren. Zur Erlangung ihrer Ziele haben sie verschiedenen Projekte gestartet, wobei eines ihrer Hauptziele das Errichten einer Klinik war, was ihnen schließlich auch gelungen ist. (KLEIN, 2001, S. 106)

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5.8 Aktuelle Situation und Perspektiven der Drusen in Israel

Die drusische Bevölkerung in Israel lebt in 18 verschiedenen Dörfern, wobei sich 16 in Galiläa und zwei auf dem Karmel befinden. Auf dem Golan befinden sich vier weitere drusische Ortschaften. Diese Wohngebiete sind in der folgenden Abbildung 6 dargestellt, wobei die orangen Markierungen die drusischen Ortschaften in Israel kennzeichnen und die grünen Markierungen jene drusischen Ortschaften auf dem Golan hervorheben. Aufgrund der stetigen Verfolgung besiedelten die Drusen meist gebirgige Gegenden, welche entlegen und leicht zu verteidigen waren. (KLEIN, 2001, S. 55) In Tabelle 1 sind die Namen der Wohngebiete der Drusen aufgelistet.

Abbildung 6: Wohngebiete der Drusen in Israel und auf dem Golan

Arbeitsgrundlage: GOOGLE MAPS, 2019a; Eigene Bearbeitung, 2019

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Tabelle 1: Wohngebiete der Drusen in Israel und am Golan

Drusische Wohngebiete in Israel Drusische Wohngebiete am Golan Abū Snān ´Ayn Qniya ´Ayn al-Asad Buq´atha Bait Jann Majdal Shams Buqay´a Mas´ada Daliat al-Carmel Ḥurfayish ´Isfiya Jath Julis Kisṛa Kufar Smai´ Kufar Yāsif Maghār Rāma Sajūr Schefar'am Yarkā Yāsif

Arbeitsgrundlage: KLEIN, 2001, S. 55

Nachdem im Juli 2018 das Nationalitätengesetz beschlossen wurde (siehe Kapitel 8), welches den jüdischen Charakter Israels festschreibt, hat sich die Loyalität der Drusen gegenüber dem Staat Israel verändert. In diesem Gesetz wird festgehalten, dass das Recht auf Selbstbestimmung nur jüdischen Israelis zusteht, was für Spannungen zwischen der treuen drusischen Gemeinschaft und den Juden sorgt. Die Drusen protestierten gegen das diskriminierende Gesetz. Seit der Gründung Israels im Jahr 1948 haben sie mit ihren jüdischen Nachbarn zusammengelebt und mit ihnen gekämpft. Angesichts des bewiesenen Engagements der Drusen für Israel ist das Nationalitätengesetz eine Beleidigung für die gut integrierte Minderheit. (INBAR, 2018)

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Die Drusen zogen auch in der Armee Konsequenzen, indem der drusisch-israelische Kommandant Amir Jmall sein Amt niederlegte und die Mitglieder der drusischen Gemeinschaft aufrief, es ihm gleichzutun. Weiters forderte er von den Regierungsstellen, die Wehrpflicht für Drusen abzuschaffen, denn wenn Drusen nur „Bürger zweiter Klasse“ seien, müssten sie sich dem Staat auch nicht verpflichtet fühlen. Ihm folgte ein weiterer Offizier und gab auch aufgrund des diskriminierenden Nationalitätengesetzes seinen Rücktritt bekannt. (ZEIT ONLINE, 2018)

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6 Die Samaritaner

Die Samaritaner sind Mitglieder einer national-religiösen Gemeinschaft in Israel, deren Glaube dem Judentum sehr nahesteht (ZAKEN, 2016, S.21). Im Gegensatz zu den Juden erkennen sie als heilige Bücher nur die Tora und keine späteren Schriften der Bibel an und benutzen auch heute noch die althebräische, mittlerweile als samaritanisch bezeichnete, Schrift. Durch Verfolgung und Assimilation ihrer Religion im Laufe der Jahrhunderte schrumpfte die Zahl der Mitglieder von rund einer Million auf heute 820 Menschen (Stand Juni 2019), die entweder in in den palästinensischen Autonomiegebieten im Westjordanland oder in Holon bei Tel Aviv in Israel leben. (SCHMIDINGER, 2004; THE SAMARITAN UPDATE, 2019)

Die Samaritaner zählen neben den Pharisäern und den Christen zu den einzigen Gruppen des Frühjudentums, die den ersten jüdisch-römischen Krieg (66-74 n. Chr.) überlebten. Im Gegensatz zu den anderen beiden frühjüdischen Gruppierungen, die im Zuge von komplexen geschichtlichen Entwicklungs- und Trennungsprozessen zu Weltreligionen geworden sind (rabbinisches Judentum und hellenistisch geprägtes Christentum), haben die Samaritaner Weiterentwicklungen ihrer Religionsgemeinschaft maßgeblich vermieden und ihre religiösen und kulturellen Traditionen bis heute fast unverändert beibehalten. (FRESTA, 2011, S. 1)

In der Heilsgeschichte werden die Samaritaner als religiöse Gruppe im Alten Testament (AT) nicht explizit erwähnt. Lediglich die hebräische Bezeichnung Shomronim findet man in einer Stelle im AT (2. Kön 17,29). Damit sind die Bewohner des Nordreichs Israels und dessen Hauptstadt Samaria gemeint. (BÖHM, 2010; FRESTA, 2011, S. 8) Jene Nordreichisraeliten unterscheiden sich von der samaritanischen Religionsgemeinschaft. Um eine Verwechslung der geographisch-politischen und religiösen Aspekte bezüglich der Bevölkerung Samariens zu vermeiden, verwendet man in der neueren Forschung die Begriffe „Samarier“, wobei hier die Bewohner der Provinz Samarien gemeint sind und „Samaritaner“, worunter ausschließlich die religiöse, auf den Berg Garizim orientierte Gemeinschaft zu verstehen ist. (BÖHM, 2010) Im Neuen Testament (NT) findet man im Lukas- und Johannesevangelium eindeutige Verweise auf die Samaritaner, die hier als „Hüter des Bundes“ und auch als „Diener des Herrn Jesus Christus“ bezeichnet werden (FRESTA, 2011, S. 4). In hellenistisch-römischer Zeit benannten sich die Samaritaner selbst als „Israeliten, die zum heiligen Garizim Opfer darbringen“, was durch Inschriften aus Delos belegt ist. Der Name der heutigen Samaritaner leitet sich vom hebräischen Shamerim ab, was übersetzt „Wächter“ oder „Bewahrer“ (der altisraelischen Identität) bedeutet. (BÖHM, 2010) 61

Die Erforschung der Frühgeschichte der Samaritaner stellt aufgrund der wenigen samaritanischen Quellen ein großes Problem dar. Neben dem Pentateuch der Samaritaner sowie einer geringen Anzahl an hellenistisch-samaritanischen Zeugnissen ist die Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte vor allem auf außersamaritanische Referenzen angewiesen, welche unter anderem auch aus Texten ihrer Gegner stammen. Für das geschichtswissenschaftliche Verständnis der Ereignisse in der Zeit vom 8. bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. sind vor allem die Auszüge vom 2. Buch der Könige, Esra, Jesus Sirach, 2. Buch der Makkabäer, Nehemia, Exodus und Flavius Josephus relevant. Für das 1. Jahrhundert n. Chr. stellen Flavius Josephus und das NT (Matthäus-, Lukas- und Johannesevangelium und die Apostelgeschichte des Lukas) wichtige Quellen dar. (FRESTA, 2011, S. 68)

Die Samaritaner werden im Lukasevangelium im NT mehrmals durch ihre Toleranz, Menschlichkeit und Barmherzigkeit beschrieben, wovon auch der Ausdruck des „barmherzigen Samariters“ stammt. Die Juden werden darin genau gegenteilig beschrieben. (WOLFFSOHN, 2018, S. 78)

6.1 Entstehung und Anfänge der Samaritaner

Um die Entstehung der Samaritaner zu verstehen, beschreibt Michael WOLFFSOHN (2018, S. 75-76) in seinen Ausführungen ihre Entwicklung ab dem Jahr 722 v. Chr., als die Assyrer das Königreich Israel zerstörten und ein Großteil der jüdischen Bevölkerung in das Zweistromland gebracht wurde. Dieses Ereignis ist auch als das „babylonische Exil“ bekannt. (WOLFFSOHN, 2018, S. 75-76) Es verblieb nur ein Rest aus den israelitischen Stämmen Ephraim und Manasse im Lande (POWELS-NIAMI, 2005). Infolge der Zerstörung siedelten die Assyrer neue, nichtjüdische Bewohner in dem Gebiet des heutigen Israel an. Mit der Zeit vermischten sich die wenigen in Israel verbliebenden Juden mit der neu angesiedelten nichtjüdischen Bevölkerung. Diese Verbindung wurde seitens der Juden allerdings als unrein angesehen. (WOLFFSOHN, 2018, S. 75-76) Aus der Mischbevölkerung entstand ein neues Volk, welches als Samaritaner bezeichnet wurde (WECKAUF, 2004, S. 5).

Laut einer Bibelstelle (2. Kön, 17,27) erteilte der assyrische König damals folgenden Befehl: „Bringt dorthin einen Priester, die von dort weggeführt sind; er ziehe hin und wohne dort und lehre sie die Verehrung des Landesgottes“. Dies bedeutet, dass ein jüdischer Priester zu den

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Siedlungen der Samaritaner gehen sollte und dessen Bewohner nach den Gesetzen des Judentums lehren sollte. Schenkt man der Bibel Glauben, so wurden dadurch die Samaritaner zu Juden. Dennoch galten die Samaritaner unter der jüdischen Bevölkerung weiterhin als unrein. (WOLFFSOHN, 2018, S. 76)

Zu Beginn des 6. Jahrhunderts v. Chr. kehrten die Juden aus dem babylonischen Exil in ihre ehemaligen Wohngebiete in Zion zurück. Allerdings tolerierten sie die dort lebenden Samaritaner nicht und lehnten eine Kultgemeinschaft mit ihnen strikt ab. Sogar Mischehen zwischen Juden und Samaritanern wurden geächtet und sollten aufgelöst werden. (WOLFFSOHN, 2018, S.76-77)

Die Samaritaner boten den Juden beim Wiederaufbau des zuvor zerstörten Jerusalemer Tempels ihre Hilfe an, welche jedoch von Führern wie Serubbabel und Josua zurückgewiesen wurde. Auch weitere jüdische Persönlichkeiten, wie Esra und Nehemia, lehnten jeglichen Kontakt mit den Samaritanern ab. Seit dieser Ablehnung verschlechterten sich die Beziehungen zwischen den beiden Völkern. Gegen Ende der Perserzeit bzw. zur Zeit der Eroberungen Alexanders wurde am Berg Garizim in der Nähe der Stadt Sichem ein Tempel errichtet, der für die Samaritaner die gleiche Funktion erfüllen sollte wie der Tempel in Jerusalem. Zum endgültigen Bruch zwischen beiden Völkern kam es, als die Stadt Samaria und der samaritanische Tempel am Garizim im Jahr 129 v. Chr. durch den hasmonäischen Herrscher Johannes Hyrkanus I. zerstört wurde. (POWELS-NIAMI, 2005)

Als Palästina von dem römischen Reich eingenommen wurde, erging es den Samaritanern ähnlich wie den Juden. Unter Pontius Pilatus wurden im Jahre 36 n. Chr. eine große Anzahl von Mitgliedern der samaritanischen Religionsgemeinschaft am Berg Garizim getötet. Kaiser Vespasian ließ kurz vor dem Fall Jerusalems ungefähr 11.600 Samaritaner in Sichem hinrichten. An demselben Ort, wo bisher Sichem gestanden hatte, gründete er am Ende des Krieges die heutige Stadt Nablus (röm. Flavius Neapolis). Samaria war zerstört und verlor an Bedeutung. (POWELS-NIAMI, 2005) Nablus wuchs im Laufe der Zeit zu einer der größten Städte Palästinas heran, in der sich unter anderen Gruppen auch die Samaritaner ansiedelten. Kaiser Hadrian ließ um 135 n. Chr. einen neuen Tempel am Garizim errichten. (WECKAUF, 2004, S. 9)

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Während der byzantinischen Herrschaft im Heiligen Land regierten auch die Christen bis zum Jahr 634 n. Chr. nicht sehr tolerant über die Samaritaner (WOLFFSOHN, 2018, S. 78). Die Christianisierung des römischen Weltreiches brachte die Judenverfolgung mit sich, die in gleichem Ausmaß auch die Samaritaner in Palästina sowie jene in ägyptischen, römischen und babylonischen Gemeinden betraf. Unter Konstantin dem Großen litten die Samaritaner als Folge eines Aufruhrs im Jahr 334 n. Chr. an harten Unterdrückungsmaßnahmen. Im Jahr 486 n. Chr. wurde der zweite samaritanische Tempel am Berg Garizim durch Zenon zerstört und an derselben Stelle wurde eine christliche Kirche errichtet. Die Samaritaner erfuhren durch die christliche Herrschaft Verfolgung, Sklaverei und Ermordung. Im Jahr 529 n. Chr., während der Herrschaft Justinians I., riefen die Samaritaner ihren eigenen Kaiser aus. In Folge dessen wurden viele getötet und ca. 20.000 als Sklaven verkauft. Justinian II. erklärte sie sogar offiziell zum „ungesetzlichen Volk“, woraufhin viele Samaritaner aus Verzweiflung zum Christentum übertraten. (POWELS-NIAMI, 2005)

Ab dem Jahr 634 n. Chr. herrschten die Muslime über das Heilige Land. Diese richteten im Jahr 1137 n. Chr. in Nablus ein Blutbad unter den Samaritanern an. Als die Osmanen im 16. Jahrhundert n. Chr. die Herrschaft übernahmen, verbesserte sich die Lage der Samaritaner weiterhin nicht. Die einheimischen Araber gewährten den Samaritanern keinen Zugang auf den Berg Garizim bei Nablus, auf den ihre jährlichen Wallfahrten stattfinden. Erst durch eine britische Intervention ab dem Jahr 1820 durften die Samaritaner ihren heiligen Berg wieder betreten. (WOLFFSOHN, 2018, S. 78-79)

Beinahe zur gleichen Zeit durchlief das Verhältnis zwischen Juden und Samaritaner einen Wandel, wobei der damalige Oberrabbiner Abraham Hajim verkündete, dass das Volk der Samaritaner eine Abspaltung des jüdischen Volkes sei und sich zur Wahrheit der Tora bekennt. Nach mehr als zweitausend Jahren wurde die samaritanische Glaubenslehre und deren Anhänger schließlich von jüdischer Seite anerkannt. Nachdem die Osmanen im Jahr 1917 schließlich abzogen, verblieben im samaritanischen Zentrum Nablus nur noch 146 Samaritaner. (WOLFFSOHN, 2018, S. 79)

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6.2 Die Gesellschaftsstruktur der Samaritaner

Das Leben der Samaritaner innerhalb der Gemeinschaft zeichnet sich durch ein hohes Maß an Ritualen und Traditionen aus. Ihr Gemeinschaftsleben präsentiert eine Richtung des alten Judentums, dessen Entwicklung vor ungefähr 2.000 Jahren, am Ende des vorchristlichen oder am Anfang des christlichen Zeitalters, stehen geblieben ist. Sowohl in der Denkweise als auch in der Literatur und in der Gemeindeorganisation der Samaritaner gab es wenig Neuerungen. (FRESTA, 2011, S. 2) Indem sie die alttestamentlichen Gebote wahren, werden die Samaritaner ihrem Namen als Shamerim, also als Bewahrer bzw. Wächter, gerecht (INSTITUT FÜR ISRAELOGIE, o.D.). Die samaritanische Gesellschaft besteht aus fünf bis sechs Großfamilien, wovon ein Teil in Holon bei Tel Aviv in Israel und ein Teil in Nablus in den palästinensischen Autonomiegebieten im Westjordanland lebt. Die Samaritaner heiraten meistens innerhalb der eigenen Familie, wobei sie die Pränatal-Diagnostik anwenden, um Erbkrankheiten zu vermeiden. (OE1 ORF, 2018)

Als Oberhaupt der Samaritaner fungiert ein Hohepriester. Seit Mai 2013 ist der Hohepriester Aabed-El ben Asher ben Matzliach, welcher auf Abbildung 7 zu sehen ist. Bis ins Jahr 1642 n. Chr. waren ausschließlich Mitglieder der sogenannten Pinhas-Familie in der Reihenfolge der Hohepriester. Es war üblich den Titel vom Vater zum Sohn weiterzugeben. Von Zeit zu Zeit gab es allerdings keinen direkten Nachkommen und so wurde ein Bruder oder ein Onkel zum Hohepriester. Diese Tradition der Weitergabe ist auch im Pentateuch verankert. Der Hohepriester trifft Entscheidungen in persönlichen Angelegenheiten der Gemeinschaft. Er berät sich hierfür mit seinen Priestern. Beispielsweise löst er Feindschaften in Familien innerhalb seiner Gemeinschaft. Er kalkuliert zwei Mal im Jahr den samaritanischen Kalender und leitet alle religiösen Zeremonien wie Beschneidungen, Hochzeiten, Scheidungen, Trauerfeiern und andere Feste. Zudem repräsentiert er die samaritanische Gemeinschaft in Angelegenheiten mit der säkularen Regierung. (ISRAELITE SAMARITAN INFORMATION INSTITUTE, o.D.a)

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Abbildung 7: Hohepriester Aabed-El ben Aasher ben Matzliach

Arbeitsgrundlage: ISRAELITE SAMARITAN INFORMATION INSTITUTE (Hrsg.), o.D.a

6.3 Die Lehre der Samaritaner

Im Gegensatz zu den Juden erkennen die Samaritaner ausschließlich die Tora, also die fünf Bücher Mose (Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri, Deuteronomium), als heilige Schrift an. Ihre Religion basiert auf einem Teil der Bücher, die auch die Grundlage der jüdischen Religion bilden, wodurch die beiden Glaubensformen sehr ähnlich sind, sich aber trotzdem in wesentlichen Dingen unterscheiden, die zu einer Entzweiung führten. Gemeinsam ist ihnen allerdings, dass sie an den einen Gott „Jahwe“ glauben, welcher ihnen, über seinen Propheten Mose, das Gesetz (den Dekalog) gab. Die Samaritaner lehnen die mündlichen Überlieferungen, die in der jüdischen Religion eine große Rolle spielen und ein wesentlicher Bestandteil der rabbinischen Literatur sind, ab. (WECKAUF, 2004, S. 11)

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Der Wortlaut der samaritanischen Tora unterscheidet sich leicht von jenem der jüdischen Tora, die im masoretischem Text überliefert ist. Die samaritanische Auslegung ist ein protomasoretischer Text, dem eine Anzahl von Erweiterungen, Umstellungen, Einfügungen und Parallelen oder Entlehnungen aus anderen biblischen Büchern hinzugefügt wurden. Einige Gelehrte gehen davon aus, dass diese Entwicklung des Textes bereits vor der hasmonäischen Zeit erfolgt ist (2. Jahrhundert v. Chr.). (POWELS-NIAMI, 2005)

Der samaritanische Pentateuch unterscheidet sich von dem masoretischen Text durch das Garizimgebot. In dem Dekalog des samaritanischen Pentateuchs gilt als zehntes Gebot die Aufforderung, auf dem Berg Garizim einen Altar zu bauen. Dieses Gebot bildet einen starken Schriftbeweis für die kultische Bedeutung des Garizim. Durch die Beschränkung auf den Pentateuch zeigt sich bei den Samaritanern eine besondere Hochschätzung Moses. In der samaritanischen Religionsgemeinschaft gilt Mose als einziger Prophet. In ihren religiösen Vorstellungen fokussiert sich die Garizimgemeinde auf die Hoffnung einer Wiederkehr eines Propheten. (BÖHM, 2010)

Die samaritanische Religionsgemeinschaft folgt einem Kalender, der vom rabbinischen abweicht. Der samaritanische Kalender ist eine Kombination aus dem Mond- und Sonnensystem, der sich im Laufe der Jahrhunderte unter Einbeziehung von Elementen aus verschiedenen Traditionen entwickelt hat. Das religiöse Jahr beginnt mit dem Monat, welches dem jüdischen „Nisan“ gleichgesetzt wird. Im Deuteronomium wird dieser Monat auch „Aviv“ genannt. Im Gegensatz zu den jüdischen Monatsnamen verwenden die Samaritaner lediglich Zahlen – vom ersten bis zum zwölften Monat, wobei der erste Monat laut gregorianischem Kalender im April/Mai beginnt. (PUMMER, 2016, S. 258-259)

Im Laufe des liturgischen Jahres feiern die Samaritaner mehrere Feste. Diese sind: Pessach (am 15. Tag des ersten Monats); Mazzot (das Fest der ungesäuerten Brote am 21. Tag des ersten Monats); Schavuot (das Wochenfest am sechsten Tag des dritten Monats); Zimmut Sukkot (am 15. Tag des fünften Monats); der erste Tag des siebten Monats; Yom Kippur (der Versöhnungstag am zehnten Tag des siebten Monats); Sukkot (das Laubhüttenfest am 15. Tag des siebten Monats) und Shemini Azeret (der achte Tag des Laubhüttenfestes). (PUMMER, 2016, S. 259)

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Die Samaritaner praktizieren ihre Feste streng nach den Vorschriften des Pentateuchs. Ihre Feste gleichen den jüdischen Festen, jedoch weichen diese von der Datierung ab. Die jüdischen Feste Chanukka und Purim werden allerdings nicht praktiziert. Drei der sieben samaritanischen Feiern sind Wallfahrtsfeste, die mit einer Prozession auf den Gipfel des Berges Garizim einhergehen. Auf dem Weg dorthin führt die Prozession an allen heiligen Stätten vorbei, die sich nach der samaritanischen Tradition allesamt am Garizim befinden. Zu den heiligen Stätten zählen: Giva´t olam („Nabel der Welt“), wo die Stiftshütte des Moses stand; der Altar, wo Isaak Abraham zum Opfer fallen sollte; und die zwölf Felsbrocken, welche Josua am Garizim errichtet hatte. (BÖHM, 2010)

Das Pilgern der Samaritaner auf den Berg Garizim hat eine besondere Bedeutung. Sie folgen den Anweisungen der Tora, wo im Deuteronomium und Exodus gefordert wird, dass alle Männer vor Jahwe erscheinen. Obwohl die Samaritaner ihre alten Traditionen bewahren, gibt es hin und wieder kleine Veränderungen. So ist zum Beispiel der Ausgangspunkt der Wallfahrten nicht mehr das Tor der Synagoge in Nablus (so wie es im 14. Jahrhundert der Fall war), sondern die Synagoge am Berg Garizim. Die Pilgerreise beginnt nach den einleitenden Gebeten in der Synagoge. Die Religionsgemeinschaft wandert dann bei kompletter Dunkelheit auf den Berg. Während der Wanderung rezitieren die Mitglieder biblische Texte und Gebete. (PUMMER, 1987, S. 23-24)

Im Folgenden werden die samaritanischen Feste genauer beschrieben:

Pessachfest: Am Berg Garizim, der heiligsten Stätte der Samaritaner, findet jährlich das Pessachfest statt. Es stellt für die Mitglieder das wichtigste Fest dar und beginnt am Tag nach dem Schabbat. Die Opferfeier ist geprägt von vorexilischen Riten aus dem Nordreich und zeichnet sich auch durch den Einfluss jüdischer Riten aus nachexilischer Zeit bis hin zur Zeit der Hasmonäer aus. Die Vorschriften des rabbinischen Judentums haben allerdings keinen Einfluss auf die Zeremonien der Samaritaner. (POWELS-NIAMI, 2005) Das samaritanische Pessachfest unterscheidet sich vom jüdischen nicht nur in der Datierung, sondern auch in den Riten. Sieben Tage lang feiert die samaritanische Religionsgemeinschaft streng nach Vorgaben im Pentateuch am Garizim, wo ein Pessachlamm geopfert wird. Alle Samaritaner wohnen während dieser Zeit am Garizim. (BÖHM, 2010) Wo früher Zelte als temporäre Unterkünfte während des Pessachfestes dienten, stehen heute Häuser in der Nähe des Opferplatzes. Diese wurden nach 1967 gebaut und werden von den Samaritanern, angelehnt an eine alte Tradition, Kiryat Luza genannt. Einen wichtigen 68

Stellenwert während des Festes nimmt das Lesen von Bibelpassagen durch den Hohepriester ein, welche sich mit dem Opfer befassen. Das Opferlamm wird erst geschlachtet, nachdem die Stelle 12:6 im Exodus gelesen wurde. (PUMMER, 1987, S. 21-22) In dieser heißt es: „Ihr sollt es bis zum vierzehnten Tag dieses Monats aufbewahren. Gegen Abend soll die ganze versammelte Gemeinde Israel die Lämmer schlachten.“ (UNIVERSITÄT INNSBRUCK, o.D.) Auf dem Gipfel des heiligen Berges befindet sich ein Altar unter freiem Himmel, wo nun für jede Familie der Gemeinde ein Lamm geschlachtet wird. Sylvia POWELS-NIAMI (2005) erwähnt in den Ausführungen zu ihrem Forschungsstand im Jahr 2005 sieben samaritanische Familien, für die jeweils ein Lamm geopfert wird. Im Altar befindet sich eine Brennofengrube und am unteren Ende des Altars ist ein Becken mit Wasser. Nach der zeremoniellen Schlachtung tunken die Samaritaner einen Ysopzweig in das Blut der Opferlämmer und spritzen sich gegenseitig leicht, im Sinne einer rituellen Reinigung, damit an (vgl. Abbildung 8). Um die Gemeinschaft vor dem Engel des Todes zu schützen werden auch die Augenlider der Kinder und die Türpfosten der Häuser mit Blut versehen. Die geopferten Tiere werden gesalzen, auf Spieße gesteckt und senkrecht in die ca. drei Meter tiefe Brennofengrube gelegt, welche mit einem hölzernen Deckel, Kräutern sowie mit Ton abgedeckt werden (vgl. Abbildung 9). Als Zeugnis des Pessachopfers zeigen die Enden der Spieße aus der Grube. Das Fleisch braucht ungefähr drei Stunden bis es gar ist. Um Mitternacht versammeln sich die Familien bei der Brennofengrube, brechen den Ton auf und holen die Tiere heraus. Jede Familie bekommt nun ihren Anteil des Opfertieres und verspeist dieses. (POWELS-NIAMI, 2005) Nach dem Festessen wird alles, was übriggeblieben ist, verbrannt (PUMMER, 1987, S. 22).

Abbildung 8: Traditionelle Reinigung mit Blut beim Pessachfest

Arbeitsgrundlage: FEINGOLD, 2017 69

Abbildung 9: Pessachfest

Arbeitsgrundlage: LAZAROFF, 2016

Mazzot:

Am 21. Tag des ersten Monats wird das Mazzot-Fest gefeiert, wo die erste Wallfahrt im religiösen Jahr zum Gipfel des Garizim stattfindet (PUMMER, 2016, S. 263). Das Ereignis wird auch „Fest der ungesäuerten Brote“ genannt, da dies dort traditionell verzehrt wird. Die Gebete beginnen eine Stunde nach Mitternacht in der Synagoge in Kiryat Luza am Berg Garizim. Ungefähr um 04:00 Uhr morgens verlässt die Religionsgemeinschaft die Synagoge und pilgert auf den Gipfel. Während der Wallfahrt singen und beten die Gläubigen (vgl. Abbildung 10). (ISRAELITE SAMARITAN INFORMATION INSTITUTE, o.D.b)

Abbildung 10: Wallfahrt auf den Berg Garizim

Arbeitsgrundlage: KAPROV, 2013

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Schavuot: Schavuot stellt die zweite Wallfahrt des religiösen Jahres dar und findet 50 Tage nach dem Pessachfest statt. Es fällt immer auf einen Sonntag. Der Mittwoch vor Schavout erinnert an die Übergabe der Tora von Gott an Moses. Am Dienstag um Mitternacht beginnt ein besonderer Gottesdienst in der Synagoge, welcher bis 18:00 Uhr am darauffolgenden Tag andauert. Der Priester hebt während der feierlichen Rezitation der Zehn Gebote bei jedem Gebot die Tora- Rolle in die Höhe und verleiht ihr somit besondere Ehre (vgl. Abbildung 11). (PUMMER, 1987, S. 22-23) Das Fest dauert, wie Pessach und Sukkot, sieben Tage und wird deswegen auch „Wochenfest“ genannt (ISRAELITE SAMARITAN INFORMATION INSTITUTE, o.D.b).

Abbildung 11: Verehrung der Tora-Rolle

Arbeitsgrundlage: SONAWANE, 2017

Der erste Tag des siebten Monats: Im Judentum ist der erste Tag des siebten Monats der Beginn des neuen Jahres, der erste Tag von Tischri. Im Gegensatz dazu ist dies für die Samaritaner nicht der Neujahrstag, sondern lediglich ein Festtag. Die Samaritaner blasen jedoch gleich wie die Juden traditionell das Schofarhorn. Es ist der erste Tag der Bußtage und der zehn Tage der Vergebung. Die Gebete beziehen sich vorwiegend auf die Buße, in Anlehnung auf den bevorstehenden Versöhnungstag. (PUMMER, 2016, S. 264)

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Yom Kippur:

Der Versöhnungstag, der am zehnten Tag des siebenten Monats stattfindet, ist einer der wichtigsten Feiertage im samaritanischen liturgischen Jahr. Jedes Mitglied der Gemeinschaft, das älter als ein Jahr ist, ist verpflichtet für 24 Stunden auf Essen und Trinken zu verzichten. Nur Babys, die von ihren Müttern gestillt werden, sind von dieser Regelung ausgenommen. Gleich wie die Fastenzeit, dauern die Gebete in der Synagoge 24 Stunden. Das bedeutet allerdings nicht, dass jedes Mitglied 24 Stunden in der Synagoge verbringen muss. An diesem Tag ist keine Arbeit erlaubt. Es ist der zweite Tag, an dem die Samaritaner das Schofarhorn blasen. Der Versöhnungstag endet mit einem Festmahl. Am nächsten Morgen wird mit der Errichtung eines Gerüsts für das Laubhüttenfest begonnen. (PUMMER, 2016, S. 264)

Sukkot:

Die dritte Wallfahrt der Samaritaner findet an Sukkot statt und wird am 15. Tag des siebten Monats zelebriert. Die Vorbereitungen beginnen bereits kurz nach Yom Kippur mit dem Errichten der Struktur der „Sukkah“. (PUMMER, 1978, S. 23) „Sukkah“ bezeichnet eine Laubhütte, weshalb das Fest auch „Laubhüttenfest“ genannt wird (ISRAELITE SAMARITAN INFORMATION INSTITUTE, o.D.b). Die samaritanischen Laubhütten werden innerhalb der Häuser gebaut, was zuerst wegen der Unterdrückung muslimischer Herrscher durchgeführt wurde und jetzt aber als Brauchtum weitergeführt wird. Die notwendigen Früchte und Zweige für das Fest müssen gekauft werden. (PUMMER, 1987, S. 23) Im Leviticus sind vier Sorten von Pflanzen vorgeschrieben. Es handelt sich hierbei um Baumfrüchte, Palmzweige, Äste von dichtbelaubten Bäumen und Bachweiden. (HAMP, 2002, S. 120) Im Gegensatz zu den Juden, die die Pflanzen in ihren Händen halten und mit ihnen winken, verwenden die Samaritaner diese, um ihre Laubhütten zu bauen. Die Sukkot (Mehrzahl von Sukkah) haben keine Seitenwände, sondern nur ein Dach, wo verschiedene Früchte aufgehängt werden (vgl. Abbildung 12). Während die Juden an ihrem Laubhüttenfest in den Sukkot schlafen, nutzen die Samaritaner diese nur um in ihnen zu sitzen und zu essen. (PUMMER, 1987, S. 23)

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Abbildung 12: Decke einer Sukka

Arbeitsgrundlage: KUCHAR, 2010

Shemini Azeret:

Der achte Tag des Laubhüttenfestes bzw. der 21. Tag des siebten Monats wird Shemini Azeret genannt und wird durch spezielle Gesänge und Lesungen zelebriert. Zum Abschluss der Zeremonie trägt der Priester die Tora-Rolle in Form eines Tanzes durch die Synagoge. Am Abend desselben Tages wird das Fest durch das Verbrennen der getrockneten Zweige beendet. (PUMMER, 2016, S. 266)

6.3.1 Glaubensinhalte

Alle Samaritaner teilen folgende fünf Grundprinzipien des Glaubens: (BÖHM, 2010) 1. Es gibt nur einen Gott, der der Gott Israels ist. 2. Es gibt nur einen Propheten, Mose, der Sohn des Amran. 3. Es gibt nur eine heilige Schrift, die Tora, welche von Mose überliefert wurde. 4. Es gibt nur eine heilige Stätte, die der Berg Garizim ist. 5. Am Tag des Jüngsten Gerichts wird ein letzter Prophet, Taeb, der Sohn des Joseph, erscheinen.

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Wie auch im Judentum beten die Samaritaner in Synagogen. Die Männer beten jeden Tag am Morgen und am Abend und am Schabbat auch zu Mittag. Vor dem Beten werden rituelle Waschungen durchgeführt. Die Frauen dürfen nur am Versöhnungstag in der Synagoge beten. (BÖHM, 2010)

6.3.2 Der Berg Garizim

Der Berg Garizim in den palästinensischen Autonomiegebieten im Westjordanland (vgl. Abbildung 13) stellt für die Samaritaner die wichtigste heilige Stätte dar. Geographisch betrachtet begrenzt die Ebene des damaligen biblischen Sichem den Berg Garizim, der südlich der Stadt Nablus liegt und den Berg Ebal, welcher sich nördlich befindet (vgl. Abbildung 14). Als ein massiger Gebirgsstock verläuft der Garizim in Nord-Süd-Richtung. Seit der persischen Zeit bildet der Berg Garizim das religiöse Zentrum der Samaritaner. (KIEWELER, 2012)

Abbildung 13: Lage des Berges Garizim

Arbeitsgrundlage: GOOGLE MAPS, 2019b; Eigene Bearbeitung, 2019

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Abbildung 14: Blick auf den Berg Garizim und auf den Berg Ebal

Arbeitsgrundlage: HOLY LAND PHOTOS (Hrsg.), o.D.; Eigene Bearbeitung, 2019

6.3.2.1 Die Bedeutung des Garizim für die Samaritaner in der Heilsgeschichte

Die Geschichte des Garizim beginnt im ersten Buch Mose (Gen 12,5) durch die Beschreibung Abrahams, welcher mit seinem Hab und Gut nach Kanaan zieht, bis er nach Sichem, „bis zur Eiche More“ gelangt. Diese „Eiche More“ kennzeichnet den Platz, an dem Abraham Gott erschien und ihm das Land versprach. Abraham erbaute Gott als Dank an dieser Stelle einen Altar, bevor er aufbrach und weiterzog. Auf diese Errichtung stützen sich weitere Ereignisse, wie zum Beispiel der Altarbau Jakobs oder die Aufstellung eines Altars durch die Israeliten auf dem Garizim, nachdem sie den Jordan überquert hatten. (WECKAUF, 2004, S. 17-18)

Das Buch Deuteronomium (Dtn 27) beschreibt, wie Mose vor seinem Übergang über den Jordan einem Teil des Volkes (den Stämmen Simeon, Levi, Juda, Issacher, Josef und Benjamin) gebot, sich auf dem Garizim zum Segen zu versammeln und einen anderen Teil (den Stämmen Ruben, Gad, Asser, Sebulon, Dan und Naftali) aufforderte, sich auf den Ebal zum Aussprechen eines Fluches zu stellen. Mose erteilte den Befehl, den Segen auf den Berg Garizim und den Fluch auf den Berg Ebal zu legen. (KIEWELER, 2012)

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Am Berg Garizim wurde dann gemäß dem samaritanischen Pentateuch ein Altar errichtet. Das Volk sollte auch Steine für ihren Gott Jahwe aufrichten und darauf die Worte des Gesetzes niederschreiben. Der Aufbau des Altars auf dem Garizim wurde als zehntes Gebot im samaritanischen Dekalog hinzugefügt. (WECKAUF, 2004, S. 18)

In der Zeit bis zur Errichtung des Garizimtempels kann nicht bewiesen werden, ob vorher ein Garizimkult existierte. Eine der ältesten samaritanischen Chroniken, die im 12. Jahrhundert entstand, berichtet, dass die Israeliten bei der Rückkehr aus dem Exil auf den Berg Garizim stiegen und dort einen Altar bauten und ein Opfer darbrachten. Hier ist allerdings nur von einem Altar und nicht von einem Tempel die Rede, womit sich die Israeliten in die Tradition Abrahams und Moses eingereiht sehen wollten. Der Garizimkult begann während der Gründung des ersten Tempels um ca. 330 v. Chr. als Sanballat der samarische Stadthalter war. Sanballat wollte am Berg Garizim einen Tempel errichten, der dem in Jerusalem gleicht. Aufgrund dieses Hinweises, dass der neue Tempel fast ident mit dem in Jerusalem sein solle, zeigt sich eine gewisse Konkurrenz, die der Tempel der Samaritaner für den Tempel der Juden darstellte. Diese Rivalität der beiden Tempel löste Streite zwischen Samaritanern und Juden aus, welches nun das richtige Heiligtum sei. (WECKAUF, 2004, S. 21)

Das Heiligtum am Garizim wurde ungefähr 200 Jahre nach seinem Bau, um 129 v. Chr., unter Johannes Hyrkanus I. zerstört. Nach der Zerstörung des Tempels sowie der Stadt Sichem teilten sich die Samaritaner über ganz Palästina auf. Nachdem unter Kaiser Hadrian ab 135 n. Chr. ein Jupitertempel am Garizim errichtet wurde, nahmen die Unterdrückungen der Samaritaner in den folgenden Jahrzehnten immer weiter zu. So wurde ihnen auch verboten, auf ihren heiligen Berg zu gehen. Die Anzahl der Samaritaner nahm im 4., 5., und 6. Jahrhundert immer weiter ab. (WECKAUF, 2004, S. 24-25)

Zu Beginn des 4. Jahrhunderts ordnete einer der größten samaritanischen Hohepriester, Baba Rabba, die samaritanische Gemeinde neu und baute neue Synagogen am Garizim sowie ein Wasserbassin für Waschungen. Im Zuge des Aufstandes der Vertreibung der Samaritaner durch den Kaiser Zenon im 5. Jahrhundert wurde ihre Synagoge durch ihn zu einem Gebetshaus der heiligen Theotokos Maria umgewandelt. Unter Kaiser Justinian wurde dieses Bauwerk dann vermutlich erneuert und die Theotokoskirche erschaffen. (WECKAUF, 2004, S. 27)

6.3.2.2 Archäologische Befunde am Garizim

Auf Abbildung 15 ist ein Überblick der archäologischen Ausgrabungen zu sehen, die aus unterschiedlichen Epochen stammen. Die vier Hauptperioden sind in vier unterschiedlichen 76

Farben dargestellt. Es handelt sich hierbei um die Perserzeit (spätes 5. Jahrhundert v. Chr.), die Hellenistische Zeit (2. Jahrhundert v. Chr.) und die Byzantinische Zeit (5. sowie 6. Jahrhundert). (BIBLE WALKS, 2012)

Abbildung 15: Plan der Ausgrabungen am Berg Garizim

Arbeitsgrundlage: BIBLE WALKS (Hrsg.), 2012

Hans Volker KIEWELER (2012) unterscheidet in seinen Ausführungen über den Berg Garizim die älteren deutschen und amerikanischen Grabungen von den neueren israelischen Grabungen:

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Die älteren Grabungen unter deutschen und amerikanischen Forschern:

Im Jahr 1913 begann der deutsche Archäologe Ernst Sellin mit Grabungen auf dem Tell , der Stelle des biblischen Sichem, welche dem Fuße des Garizim entspricht. Durch Alfons Maria Schneider starteten im Jahr 1928 Grabungen, die sich vor allem dem Zentralbereich zuwendeten. Besonders von Interesse war der festungsartige Bau. Die Forscher kamen zu folgenden Ergebnissen: Der festungsartige Bau erwies sich als ein Rechteck, wobei sich an jeder Ecke und in der Mitte der Nord- und Südmauer ein Turm befand. Die byzantinisch aussehende Festung konnte über Zugänge in den mittleren Türmen der Nord- und Südseite erreicht werden. Weiters wurde über dem Nordost-Eckturm ein Heiligengrab, der Weli des befreundeten Scheichs Abu Ganem, gefunden, den Saladin erbauen ließ. Der gut erhaltene nordöstliche Eckturm ist auf Abbildung 16 zu sehen. (KIEWELER, 2012)

Abbildung 16: Theotokoskirche im Zentrum des Kastells am Berg Garizim

Arbeitsgrundlage: KIEWELER, 2012

Durch Ausgrabungen im Jahr 1928 konnte eine byzantinische Kirche freigelegt werden, welche oktogonal gebaut war. An vier Seiten der Kirche standen Pfeiler und Säulen sowie Kapellen. Die sogenannte Theotokoskirche wurde vom Architekten so konstruiert, dass die achteckige 78

Form des Grundrisses auch nach außen sichtbar war. Auf Abbildung 17 sind die Ausgrabungen auf dem Berg Garizim sowie die oktogonale Form der Theotokoskirche zu sehen. Der Fußboden der Kirche ist an einigen Randstellen noch erhalten. Er war mit Mosaiken aus bunten Marmorkuben bedeckt, die geometrische Muster zeigten. Es wurden Spuren von Bodengräbern entdeckt. Die Forscher erklärten den Mörtel der Kirche als feiner als der des Castrum. Das Castrum wurde aus grobem Sand, Kies und Holzkohle sowie größeren Ziegelbrocken unter Kaiser Justinian in byzantinischer Zeit erbaut, um die christliche Bevölkerung vor bürgerkriegsähnlichen Ereignissen zu schützen. (KIEWELER, 2012)

Abbildung 17: Ausgrabungen am Berg Garizim - Areal der Theotokoskirche

Arbeitsgrundlage: BIBLE WALKS (Hrsg.), 2012

Noch vor dem Todesjahr des Kaisers Zenon im Jahr 491 v. Chr. wurde die Theotokoskirche fertiggestellt. Nachdem die Kirche von den Arabern zerstört wurde, erneuerte man einzelne Teile, wie den Chor, die Sitzbänke etc., um sie weiter benutzen zu können. Ungefähr Mitte des 10. Jahrhunderts wurde die Kirche restauriert. Durch die Auflösung des abbasidischen Reiches und die Kämpfe mit den Byzantinern wurden schließlich auch diese letzten Reste der Theotokoskirche zerstört. (KIEWELER, 2012)

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Die neueren Grabungen durch israelische Forscher:

Izak Magen setzte die Ausgrabungen am Berg Garizim ab dem Jahr 1983 fort und erstellte neue Ausgrabungspläne, welche den Fokus auf den Bergkamm selbst legen sollten. Es wurde nun an tieferen, älteren Schichten geforscht, die neue Erkenntnisse lieferten. Durch die Ausgrabungen konnte eine befestigte Stadt der hellenistischen Periode auf der höchsten Erhebung gefunden werden. Weiters war ersichtlich, dass die Stadt in vier Wohnviertel (im Norden, Westen und Süden innerhalb der Stadtmauer und im Nord-Westen außerhalb der Stadtmauer) unterteilt war. Die Stadt war zum Teil unter dem Bauschutt der byzantinischen Zeit bedeckt. Im Inneren der Befestigung wurde eine gepflasterte Straße gefunden. Im Norden der Stadt wurde ein Wall freigelegt, dessen Nord-Tor zu einem römischen Tempel und öffentlichen Gebäuden sowie nach Nablus führte. Im Gegensatz zu dem Tor, das die Forscher der spätrömischen Zeit zuordneten, gehörten die Gebäude der byzantinischen Periode an. Bei den Ausgrabungen stießen die Forscher auf Funde von Münzen, Töpferwaren, Kapitellen und Steinkreuzen. Ebenso entdeckten sie ein großes Wasserbassin, welches vermutlich als Zisterne genutzt wurde. (KIEWELER, 2012)

KIEWELER (2012) beschreibt in seinen Ausführungen mehrere Areale am Berg Garizim genauer. Im nördlichen Quartier liegt ein Areal, wo ein Gebäude mit einer Höhe von über vier Metern gefunden wurde. Dieses Gebäude stellte in einer ersten Phase einen Wohnraum dar, worauf eine Steinwanne hinweist. In einer darauffolgenden zweiten Phase war der Raum mit einer Ölpresse ausgestattet. Dieses nördliche Quartier wurde offensichtlich intensiv genutzt und den Bedingungen der jeweiligen Zeit angeglichen. Als Zeugnisse wurden hier Metallwaren, Geschirr, Lampen sowie zahlreiche Münzen gefunden. Außerdem entdeckte man samaritanische Opfersteine aus dem Mittelalter. Vor dem Hauptgebäude liegt ein zentraler Hof, der mit unbehauenen Steinen bepflastert ist. Das Hauptgebäude besteht aus zwei Stockwerken, die durch eine Reihe von Räumen ausgebaut sind. Forscher entdeckten viele Reste von byzantinischer Keramik des 4. bis 6. Jahrhunderts sowie koptisch-arabische Aufzeichnungen aus dem 8. und 9. Jahrhundert n. Chr. (KIEWELER, 2012)

Ein weiteres Areal erstreckt sich in Richtung Westen. In diesem Gebiet wurde ein Gebäude aus hellenistischer Zeit entdeckt, welches sieben Treppen enthält. Neben den Treppen erstreckt sich ein offener Platz, der vermutlich für Versammlungen genutzt wurde. Nördlich dieser Bebauungen wurden die sogenannten „Zwölf Steine“ gefunden, die wegen ihrer Bearbeitung wahrscheinlich aus der hellenistischen Zeit stammen. Auf Abbildung 18 sind die Ausgrabungen dieser „Zwölf Steine“ zu sehen. Dabei könnte es sich um Bestandteile der Strukturen des 80

heiligen Bezirks der Samaritaner handeln, die den ursprünglichen Opferbezirk miteinbezogen und die zahlreichen, von Zerstörung gekennzeichneten Ereignisse überstanden. Die Lokalisation des heiligen Ortes der Samaritaner war lange Zeit umstritten, weswegen man genauer zwischen den Bebauungen des römischen Tempels oberhalb der Stadt und denen auf dem Gipfel des Berges unterscheiden musste. Nach der Zerstörung des samaritanischen Heiligtums unter dem Hasmonäer Johannes Hyrkanus I um 129 v. Chr. erbauten die Byzantiner die Theotokoskirche an derselben Stelle des damaligen Tempels. Der heilige Bezirk, welcher von einer Umfassungsmauer von über 120m von den anderen Bezirken abgetrennt ist, gehört zum Zentrum der Stadt. Das Areal befindet sich außerhalb der eigentlichen Stadtmauern. In diesem Bereich liegt außerdem die heutige Opferstätte der Samaritaner. Die Münzen, die hier gefunden wurden, stammen aus der Zeit von Johannes Hyrkanus I. Daraus lässt sich schließen, dass hasmonäische Truppen am Tempelberg waren. Erwähnenswert sind hierbei noch die ca. 400 hebräischen und aramäischen Inschriftenfunde, die neben den griechischen Inschriften aus Delos im 2. Jahrhundert v. Chr. weitere Zeugnisse der samaritanischen Religionsgemeinschaft und ihrer Kultur am Berg Garizim sind. Trotz zahlreicher Versuche das von den Hasmonäern 129 v. Chr. zerstörte Heiligtum wiederaufzubauen, gelang dies nicht. Das bewirkte einen tiefen Hass zwischen den Samaritanern und Juden. Die Trennung zwischen dem nach Jerusalem orientierten Judentum und auf den Garizim orientierten Samaritanertum dürfte daher in der Epoche der Hasmonäer vollzogen worden sein. (KIEWELER, 2012)

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Abbildung 18: Zwölf Steine

Arbeitsgrundlage: BIBLE WALKS (Hrsg.), 2012

6.4 Historischer Überblick über die Samaritaner in Israel

In hellenistisch-römischer Zeit gab es in der Region Samarien und im östlichen Mittelmeerraum noch einige hunderttausend Samaritaner, welche seit der byzantinischen Epoche vor allem durch Verfolgung, aber auch durch erzwungene Konversion oder durch Assimilation zurückging. Im Jahr 1690 wurden nur noch 140 Samaritaner registriert. (BÖHM, 2010)

Bis Mitte des 18. Jahrhundert gab es sogenannte Diasporasamaritaner in Syrien, Ägypten und Palästina. Danach verließen diese ihre Gemeinden in Damaskus, Kairo und Gaza und gesellten sich zu den Samaritanern in Kiryat Luza bei Nablus. Sie nahmen die Sprache der dort lebenden islamischen Araber an, lebten allerdings in einem isolierten Gebiet. Dadurch konnten sie ihre eigenen religiösen sowie kulturellen Traditionen und Werte aufrechterhalten. In Abbildung 19 ist die Wohnsiedlung der Samaritaner in Kiryat Luza ersichtlich. (SCHMIDINGER, 2004)

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts grenzten sich die Samaritaner nach außen hin ab und richteten sich streng nach ihrem Prinzip der ethnischen Endogamie. Aufgrund der ungebrochenen Weitergabe des samaritanischen Glaubens und der Tradition wurden Mischehen nicht 82

akzeptiert. Am Ende des 19. Jahrhunderts sank die Bevölkerungszahl der Samaritaner aufgrund eines Überhangs an Männern, wobei die Religionsgemeinschaft dem Aussterben nahe war. Aus wirtschaftlichen Gründen entschlossen sich einige Samaritaner Anfang des 20. Jahrhunderts Nablus zu verlassen und ihren Wohnort auf das Gebiet des späteren Israel in Holon, ein Vorort des heutigen Tel Aviv, zu verlegen. Im Zuge dessen stieg die Anzahl ihrer Mitglieder wieder an, da diese Samaritaner jüdische Frauen heirateten, die sich auf eine Konversion einließen. (BÖHM, 2010) In Holon entwickelte sich im Laufe der Jahre eine zweite samaritanische Gemeinde, die über zwei Synagogen, eine Bibliothek und eine viersprachige Zeitschrift verfügt. Die Zeitschrift, „Aleph Beth“ erscheint in den Sprachen Arabisch, Hebräisch, Englisch und in samaritanischem Aramäisch. Diese Vielsprachigkeit weist auf die hybriden Identitäten der samaritanischen Gesellschaft hin. (SCHMIDINGER, 2004)

Abbildung 19: Kiryat Luza

Arbeitsgrundlage: BIBLE WALKS (Hrsg.), 2016

Die beiden Gemeinden waren seit der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 bis zum Sechstagekrieg im Jahr 1967 durch die israelisch-jordanische Waffenstillstandslinie voneinander getrennt und standen zwischen dem Konflikt der Israelis und Palästinenser. Sie versuchten allerdings mit beiden Seiten gut auszukommen. Die Gemeinde in Nablus ist vorwiegend arabisch geprägt. Wie bereits oben erwähnt sprechen die dort lebenden Samaritaner Arabisch. Im Gegensatz dazu sprechen die Mitglieder der Samaritaner in Holon hauptsächlich Hebräisch. Sie sind außerdem israelische Staatsbürger, welche der Armee dienen und dessen 83

Alltagsleben sich kaum von den Israelis unterscheidet. Die Gemeinde in Holon gilt als dynamischer, da sie neben den religiösen Autoritäten auch eine neue intellektuelle Generation vorweisen, die vor allem Wert auf ein modernes Leben legt und neue Medien nutzt. (SCHMIDINGER, 2004) Auf Abbildung 20 ist eine samaritanische Synagoge in Holon ersichtlich.

Abbildung 20: Samaritanische Synagoge in Holon

Arbeitsgrundlage: ISRAEL IN PHOTOS (Hrsg.), 2018

An den Festen Pessach und Schavuot lebt die gesamte samaritanische Gemeinschaft auf dem Berg Garizim. Der Mittelpunkt ihres religiösen Lebens liegt entsprechend der Oslo-Verträge von 1993 in der von Israel kontrollierten Zone C, das Dorf Kiryat Luza liegt allerdings in Zone B, welche von Israel und Palästina gemeinsam kontrolliert wird. Die Straße, die das Dorf Kiryat Luza mit Nablus verbindet, liegt wiederum in Zone A und ist somit im palästinensischen Territorium. Nicht nur die Bewältigung der drei Zonen kann Probleme darstellen, auch die kontroversen Namen der Bewohner können zu Missverständnissen führen. So ist es nicht unüblich, dass auf ID-Karten arabisch-jüdisch-zusammengesetzte Namen vorkommen. (SCHEINER, 2016)

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6.5 Die Identität der Samaritaner in Israel

Im Gegensatz zu den Juden, die sich und ihre Religion im babylonischen Exil weiterentwickelten, verharrten die Samaritaner auf ihren gewohnten Strukturen. Sie haben ihre Religion, Kultur und ursprüngliche Lebensform seit über 3000 Jahren fast unverändert erhalten. (SCHEINER, 2016)

In religiöser, demographischer, sozialer und ökonomischer Hinsicht geht es den Samaritanern heute wesentlich besser als ihren Vorfahren. Sie können ihre Religion frei und ohne Einmischung von anderen religiösen oder politischen Körperschaften ausüben. Weder jüdische noch muslimische Behörden legen ihnen solche Beschränkungen auf, wie es in früheren Regimen üblich war. Während der Zugang zum heiligen Berg Garizim in der Vergangenheit manchmal sehr schwierig bzw. unmöglich für die Samaritaner aus Holon war (besonders zwischen 1948 und 1967), können sich die zwei Gemeinschaften heutzutage ohne größere Probleme besuchen. Seit 1996 können die Samaritaner, welche in der Westbank leben, eine doppelte Staatsbürgerschaft annehmen, also jene von Israel und von Palästina. (PUMMER, 2016, S. 295-296)

Im Jahr 1949 wurde den Samaritanern das Rückkehrrecht gewährt, welches danach allerdings von Yitzhak Ben-Zvi angezweifelt wurde. Er stellte im Parlament die Frage, ob dieses Recht auch den Samaritanern aus Nablus gewährt werden sollte. Ihm wurde versichert, dass sie sich als Juden nach dem Gesetz qualifizierten, das heißt, sie waren Juden gleichgestellt, die aus arabischen Ländern einwanderten. Im Jahr 1970 änderte das Parlament das Rückkehrgesetz wie folgt: „For the purpose of this law, „a Jew“ means a person born to a Jewish mother or converted to Judaism and who is not a member of another religion“. Im Jahr 1992 erklärte die israelische Regierung, beeinflusst durch orthodoxe Mitglieder des Parlaments, dass die Samaritaner keine jüdische Mutter haben und deswegen einer anderen Religion angehören und sich daher nicht für die Erteilung eines Einwanderungsvisums als Jude qualifizieren. (PUMMER, 2016, S. 296)

In Anbetracht auf die soziale Integration haben sich die Samaritaner grundsätzlich gut in die Gesellschaften eingegliedert, in denen sie leben. Trotzdem distanzieren sie sich hinsichtlich ihrer besonderen Religion. Es kommt jedoch immer wieder zu Auseinandersetzungen mit radikalen Juden. Einige orthodoxe Juden sehen die Samaritaner noch immer als Nichtjuden an und verweigern jeglichen Kontakt mit ihnen. Infolge dessen kann es vorkommen, dass sich die

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Samaritaner als Juden identifizieren, um unangenehme Situationen zu vermeiden. (PUMMER, 2016, S. 298)

In der Literatur wird immer wieder auf die kontroverse Position hingewiesen, in der sich die Samaritaner befinden. Sowohl Israelis als auch Palästinenser betrachten die Stellung der Samaritaner skeptisch. Obwohl sie von beiden Seiten der Regierung geschützt werden, kommt es manchmal zu Auseinandersetzungen und Attacken auf die Samaritaner von den zwei Parteien. Von der israelischen Regierung als jüdisch angesehen zu werden hat seine Vor- und Nachteile. Um nicht mit der gleichen Ablehnung wie die Juden behandelt zu werden, bestehen die Samaritaner allerdings darauf, von den muslimischen Nachbarn als älteste Bewohner des Heiligen Landes betrachtet zu werden. Sie versuchen auch die muslimischen Einwohner über ihre Identität durch Vorträge, Ausstellungen und andere Bildungsaktivitäten zu informieren. Im Jahr 2009 gründeten sie zu diesem Zweck die „Samaritan Legend Association“ mit dem Ziel, die muslimischen Bewohner über ihre Religionsgemeinschaft aufzuklären. Denn wenn sie als Juden betrachtet werden, wird sie die Mehrheit der muslimischen Bevölkerung als Feinde und Besetzer ansehen. (PUMMER, 2016, S. 300-301)

6.6 Aktuelle Situation und Perspektiven der Samaritaner in Israel

In Israel leben aktuell 820 Mitglieder der samaritanischen Religionsgemeinschaft (Stand Juni 2019), die in zwei Gemeinden beheimatet sind (vgl. Tabelle 2 und Abbildung 21) (THE SAMARITAN UPDATE, 2019). Bei den beiden Gemeinden handelt es sich, wie bereits in Kapitel 6.4 erwähnt, um Kiryat Luza bei Nablus, eine Wohnsiedlung auf den Hängen des Garizim und Holon, ein Vorort von Tel Aviv in Israel (SCHMIDINGER, 2004).

Tabelle 2: Wohngebiete der Samaritaner in Israel und in den palästinensischen Autonomiegebieten

Wohngebiete in Israel Wohngebiete in den palästinensischen Autonomiegebieten Holon bei Tel Aviv Kiryat Luza bei Nablus

Arbeitsgrundlage: SCHMIDINGER, 2004

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Abbildung 21: Wohngebiete der Samaritaner in Israel und in den palästinensischen Autonomiegebieten

Arbeitsgrundlage: GOOGLE MAPS, 2019c; Eigene Bearbeitung, 2019

Die Samaritaner bilden in Israel und Palästina die kleinste ethnisch-religiöse Minderheit (BÖHM, 2010). Sie leben ohne größere Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern und besitzen teilweise zwei Pässe. Sie sind außerdem im palästinensischen Parlament vertreten und werden zugleich von Israel unterstützt. Durch ihre besondere Position hat die Religionsgemeinschaft bereits versucht ihren heiligen Berg Garizim zu einer Begegnungsstätte der beiden verfeindeten Parteien zu machen, allerdings bis dato ohne Erfolg. Trotz dem beinahe problemlosen Kontakt der Samaritaner mit Israelis und Palästinensern legen sie streng darauf Wert, ihre Völker nicht zu vermischen und versuchen auch heute noch nur innerhalb der eigenen Gemeinschaft zu heiraten. Das bereitete im Laufe der Zeit für die kleine Gemeinde allerdings Schwierigkeiten, da die Zahl derjenigen, die an Erbkrankheiten leiden, bereits besonders hoch ist. Deswegen ist es samaritanischen Männern erlaubt, Frauen außerhalb der Gemeinschaft zu heiraten, wenn sich diese ihresgleichen fügen und alle Traditionen übernehmen. So soll die Existenz der kleinen Religionsgemeinschaft auch noch in Zukunft gesichert werden. (ADLER, 2006)

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7 Die Karäer

Die Karäer sind eine Glaubensgemeinschaft, deren Ursprung bis heute sehr umstritten ist. Zur Entstehung der Karäer gibt es mehrere Theorien. Zum einen wird vermutet, dass ihr ethnischer Ursprung im jüdischen Volk liegt, welches um 722 v. Chr. von den Assyrern aus dem Königreich Israel verschleppt wurde. Zum anderen wird diskutiert, ob die heutigen Karäer Nachfahren der Krim-Karäer sind. Weiters gibt es noch die Annahme, dass die Karäer Nachfahren der Chasaren sind, die dem jüdischen Glauben übertraten. (NEUE ZÜRICHER ZEITUNG, 2007)

Aufgrund der Notwendigkeit umfangreicher Sprachkenntnisse, die für die Erforschung der karäischen Geschichte in den Originalquellen benötigt werden, konnten bis dato nur einzelne Aspekte der Religionsgemeinschaft dargestellt werden. Für das Verständnis sind sowohl Fachkenntnisse in polnischer, litauischer, arabischer, hebräischer, karaimischer, osmanischer, griechischer und russischer Sprache notwendig, in denen die Dokumente der Karäer verfasst sind. Weiters sind Kenntnisse in Judaistik, Turkologie und in der osteuropäischen Geschichte nötig, um die Zusammenhänge der karäischen Identität zu ermitteln bzw. zu verstehen. Die Karäerforschung verlangt deshalb eine interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit. (HOTOPP-RIECKE, 2001, S. 1)

Die Mitglieder des Karäertums werden heute neben der Bezeichnung Karäer auch Karaiten, Karaim und Karäim genannt. Ihr Name leitet sich vom hebräischen benei mikra („Menschen, die die Tora lesen“) und vom arabischen qara („Menschen, die missionieren“) ab. Dieser Bezug auf die Tora geht auf die Ablehnung der mündlichen Überlieferung in der rabbinischen Literatur zurück. Die Karäer bemühten sich ihre religiöse Praxis direkt von der heiligen Schrift herzuleiten. (HOTOPP-RIECKE, 2001, S. 2)

7.1 Entstehung und Anfänge der Karäer

Die Entwicklung der Karäer begann ab dem 8. Jahrhundert n. Chr., wobei ihr ethnischer Ursprung aber, wie bereits oben genannt, auf 722 v. Chr. datiert wird. Unter der Führung von Anan ben David aus Bagdad schlossen sich Mitte des 8. Jahrhunderts verschiedene Gruppen zusammen, welche sich in Fragen der Auslegung der hebräischen Bibel in ihrer Ablehnung der rabbinischen Autorität einig waren. (DINER, 2012, S. 325) Die dort versammelten Juden wurden als „Karäer“ bezeichnet, was übersetzt „Leser“ bedeutet (SCHMIDINGER, 2004). Sie akzeptierten lediglich den Tanach als autoritative Quelle und wiesen den Talmud, also die rabbinischen Schriften, sowie die in ihm formulierten Auslegungen der Halacha (des Gesetzes) 88

als nicht bindend zurück und entwickelten stattdessen ihre eigene Halacha. (DINER, 2012, S. 325)

Obwohl die ersten Entwicklungen des Karäertums im Gebiet des heutigen Iran und Irak im 8. Jahrhundert n. Chr. datiert wurden, bleibt eine konkrete frühe Genese ungewiss. So besteht weder in karäischer noch in rabbinischer Theologie und Historiographie eine Einigkeit. Ihr historischer Hintergrund wird allerdings ab dem 9. und frühen 10. Jahrhundert fassbarer. Die Konsolidierung des Karäertums bewirkte harsche Reaktionen des etablierten rabbinischen Judentums. Diese Abgrenzung führte sowohl in der karaimischen als auch in der rabbinischen Scholastik zu Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Bibelexegenese, der hebräischen Grammatik und Lexikografie, der Rechtswissenschaft und der Religionsgeographie. Die beiden Richtungen des Judentums unterscheiden sich seitdem deutlich hinsichtlich der Regelungen des Schabbats sowie bei den Fastenvorschriften und bei den jeweiligen Kalendern. (HOTOPP- RIECKE, 2001, S. 3)

Ab dem 10. Jahrhundert n. Chr. missionierten die Karäer im Reich der turksprachigen Chasaren im Kaukasus und im nördlichen Gebiet des Schwarzen Meeres. Es existieren Quellen, die beschreiben, dass die Chasaren überwiegend zum rabbinischen Judentum konvertierten. (HOTOPP-RIECKE, 2001, S. 3)

Anfänge im östlichen Europa:

Zu Beginn des 10. Jahrhunderts wurden die Karäer zu einer religiös und sozial identifizierbaren Gruppe innerhalb des Judentums, deren Anhänger Gemeinden im Gebiet des heutigen Iran, Ägypten, Israel sowie in Nordafrika und im Byzantinischen Reich gründeten. Die Karäer erlebten im 10. und 11. Jahrhundert in Israel ein goldenes Zeitalter, als sie ihre Werke auf dem Gebiet des religiösen Rechts, der Exegese, der hebräischen Grammatik, der Theologie und der Polemik verfassten, die später als ausschlaggebende Schriften für ihre Religionsgemeinschaft von großer Bedeutung waren. (DINER, 2012, S. 325) Zudem wurde erfolgreich missioniert (bei den Chasaren) und in Jerusalem wurden in einer eigenen Akademie karäische Wissenschaftler ausgebildet (HOTOPP-RIECKE, 2001, S. 3).

Im 12. Jahrhundert begann der Karäismus zu zerfallen. Die Religionsgemeinschaft war vorwiegend nur noch in Litauen, Polen und auf der Halbinsel Krim vertreten, wo die Anhänger friedlich mit den rabbinischen Juden zusammenlebten. (FROMM, 1922, S. 70)

In der Mitte des 13. Jahrhunderts kamen Karäer aus Byzanz zusammen mit tatarisch- mongolischen Invasoren auf die Krim, wo sie sich in den Orten Kefe, Kezlev, Staryj Krym, 89

Çufut Qale und Mangup ansiedelten. Nachdem die Türken die dortigen Küstenstädte im Jahr 1475 eroberten, gerieten große Teile der Halbinsel in die Macht des Osmanischen Reiches. Die Stadt Çufut Qale entwickelte sich im 17. und 18. Jahrhundert zu einem blühenden Zentrum der Karäer, von dem aus karäische Gemeinden in Konstantinopel, Damaskus, Kairo und Jerusalem sowie im ukrainischen Luzk und im litauischen Troki (lit. Trakai) unterstützt wurden. Unter der karäischen Gemeinde auf der Krim waren Gelehrte, die Bibelkommentare, religionsgesetzliche Abhandlungen und poetische Werke verfassten. Zu den Gelehrten zählten Abraham ben Josia Jeruschalmi (gest. nach 1734), welcher in seiner exegetisch-philosophischen Erörterung Emuna Omen die Grundsätze des karäischen Glaubens von denen der Rabbaniten abgrenzte und Isaak ben Salomo (1755-1826), der neue Determinationen in das Religionsgesetz einführte und einen verbindlichen karäischen Kalender entwickelte. In Çufut Qale wurde die erste hebräische Druckerei auf der Krim gegründet, welche nach zwischenzeitlicher Stilllegung im Jahr 1806 wiederbelebt wurde. (DINER, 2012, S. 325)

Im späten 14. Jahrhundert siedelten sich die ersten Karäer im litauischen Troki an. Etwas später ließen sie sich auch in anderen Städten Polen-Litauens, wie zum Beispiel Nowe Miastro, Panevėžys, Pasvalys, Jezioro Święte, Halicz, Lwow, Kukizów, Luzk und Deraźne nieder. Die karäische Gemeinde in Deraźne wurde während der Kosaken-Verfolgung im Jahr 1649 von den Truppen Bogdan Chmielnickis ausgelöscht. Trotz der Rivalitäten zwischen Karäern und Rabbaniten unterstützten sie sich auch gegenseitig. Beispielsweise standen sie sich beim Freikauf von Gefangenen bei. Die Karäer stellten außerdem rabbinischen Gemeinden eigene Privilegien-Urkunden zur Verfügung, mit denen diese ihre Rechte schützen konnten. Auf der anderen Seite unterstützte der rabbinische wa´ad von Vilnius, die Körperschaft der jüdischen Selbstverwaltung, den Wiederaufbau der karäischen Gemeinde von Troki nach ihrer Zerstörung durch die Kosaken im Jahr 1654 bzw. 1655. Im 16. und 17. Jahrhundert etablierte Troki sich zum geistigen Zentrum des polnisch-litauischen Karäertums. Zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert stand das geistige Leben der Karäer im östlichen Europa unter dem Einfluss der karäischen Gemeinde von Konstantinopel. Die karäischen Gelehrten Polen-Litauens verstanden sich als Teil des kulturellen Milieus des gesamten Judentums und studierten den Talmud und andere rabbinische Werke, die sie für ihre Predigten in der Synagoge verwendeten. (DINER, 2012, S. 325-326)

Im Gegensatz zu den jiddisch-sprechenden rabbinischen Juden im östlichen Europa verwendeten ihre karäischen Nachbarn die sogenannte karaimische Sprache, die zu den Turksprachen zählt. Die Bildungseinrichtungen und Bildungsinhalte waren stark von der

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byzantinisch-osmanischen Tradition des Karäertums beeinflusst. Außerdem gab es zwischen Rabbaniten und Karäern signifikante Unterschiede in der Auslegung der Halacha, welche Ehen zwischen Angehörigen beider Gemeinschaften erlaubte, allerdings unter der Bedingung der innerjüdischen Konversion zum karäischen oder zum rabbinischen Glauben. Zu solchen Eheschließungen kam es jedoch nur selten. (DINER, 2012, S. 326)

Im späten 17. Jahrhundert zeigten protestantische Gelehrte erstmals Interesse an den Karäern. Darunter waren auch Persönlichkeiten aus Riga, die Kontakt mit den Karäern aufnahmen und karäische Schriftstücke sammelten. Vor allem millenaristisch eingestellte Protestanten sahen das Karäertum als die reinere und rationalere Form des Judentums, die dem Frühchristentum nahestehender und nicht vom Talmud geprägt war. Die karäischen Gelehrten verfassten als Ergebnis dieser Begegnungen verstärkt Schriften zu den Ursprüngen der Spaltung sowie zu den Unterschieden zwischen Karäern und Rabbaniten. Die Autoren schlossen sich in gewisser Weise der protestantischen Vorstellung eines antithetischen Verhältnisses von Karäern und Rabbaniten an und führten damit zu einer Wende im karäischen Selbstverständnis. Die karäischen Führer machten im 19. Jahrhundert diese Schriften, welche aus der Akzeptanz durch die Protestanten ihre besondere Legitimität bezogen, zueigen und nutzten sie als Waffe im Kampf um die Emanzipation. (DINER, 2012, S. 326)

Unter russischer Herrschaft:

Durch die Annexion der Halbinsel Krim im Jahr 1783 und von Teilen Polen-Litauens zwischen 1772 und 1795 fielen die karäischen Ansiedlungen im östlichen Europa an Russland. Davon ausgenommen war lediglich Ostgalizien, das ein Teil von Österreich-Ungarn wurde. Die Tatsache, dass die Krim-Karäer den Eroberungsfeldzug der Russen unterstützten, ist später für das Verhältnis zwischen der karäischen Gemeinschaft und der zaristischen Obrigkeit von Bedeutung. Eine Abordnung der Krim-Karäer begab sich im Jahr 1795 nach St. Petersburg und wandte sich mit der Bitte, eine rechtliche Grundlage für die Unterscheidung von den Rabbaniten zu schaffen, an die Behörden. Die damalige Zarin Katharina II. nahm die Karäer daraufhin von der Doppelbesteuerung aus, welcher die jüdische Bevölkerung unterlag. Weiters gewährte sie ihnen das Recht auf Erwerb von Grundeigentum und auch andere Privilegien. Im Jahr 1827 wurden die Karäer im Gegensatz zu den rabbinischen Juden von der Wehrpflicht befreit. Zehn Jahre später, im Jahr 1837, fand die Eröffnung des staatlich geleiteten und finanzierten Geistlichen Konsistoriums der Karäer statt. Damit demonstrierte der Staat die offizielle Anerkennung der Karäer als eigenständige Glaubensgemeinschaft. Ihre rechtliche Gleichstellung mit christlichen Untertanen folgte im Jahr 1863. Am Ende des 19. Jahrhunderts 91

gab es in vielen russischen Städten, wie zum Beispiel St. Petersburg und Moskau, karäische Gemeinden. Im Jahr 1897 lebten vermutlich ungefähr 14.000 Karäer im Zarenreich, während die Zahl der rabbbinischen Juden drei Jahre später bei etwa vier Millionen lang. (DINER, 2012, S. 326)

Der Erfolg der karäischen Emanzipationsbestrebungen ist durch mehrere Umstände zu erklären. Beispielweise unterhielten wirtschaftlich einflussreiche Gemeindevertreter enge Beziehungen zu lokalen Behörden. Weiters waren in der kleinen karäischen Gemeinde wohlhabende Angehörige, die vom Staat als potenziell nützliche Untertanten gesehen wurden. Auch der Einfluss der Romantik auf die damalige russische Kultur spielte eine wichtige Rolle, denn die Karäer wurden als exotisches Mysterium des Orients betrachtet, das die Neugier von Gelehrten sowie von Teilen der Öffentlichkeit weckte. (DINER, 2012, S. 326)

Einer der wichtigsten Vertreter der karäischen Nation ist Abraham Firkowitsch. Er bekam den Titel „Jeruschalmi“, nachdem er ins Heilige Land gepilgert ist. Firkowitsch trug zahlreiche karäische Dokumente zusammen, die als „Firkowitsch-Handschriften“ bekannt wurden. Er schrieb unter anderem das Werk „Russisches Karäertum des alttestamentarischen Glaubens“. (TIMEDIVER, 2010) Firkowitsch unternahm einige Expeditionen auf die Krim und in den Kaukasus, wo er alte Grabsteine und Manuskripte ausfindig machte und die Grundlage der Geschichte der Karäer verfasste. Er stellte im Verlauf seines Schaffens eine neue Theorie über die Ursprünge der Krim-Karäer auf. Ihm zufolge waren die „Proto-Karäer“ Nachfahren des Stammes Juda und haben sich bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. auf der Krim angesiedelt. Sie waren folglich an der Kreuzigung Jesu nicht beteiligt. Firkowitsch versuchte die zarische Obrigkeit davon zu überzeugen, dass die Karäer eine eigenständige Nation bilden und in historischer, kultureller und anthropologischer Hinsicht von den rabbinischen Juden unterschieden werden müssten. Er fälschte sogar Kolophone von Manuskripten und einige Grabinschriften, um dies zu belegen. Außerdem erfand er Figuren der karäischen Geschichte, unter ihnen eine Person, die dem König der Chasaren gleich war. Die Entdeckungen und Ausführungen Firkowitschs wurden ab den 1840er Jahren auf Russisch und Hebräisch publiziert, wodurch er das allgemeine Interesse der Karäer förderte. (DINER, 2012, S. 328-329)

Prozess der Dejudaisierung:

Der Gedanke Firkowitschs, das Karäertum als eigenständige Religionsgemeinschaft zu sehen, wurde von der nachfolgenden Generation der Karäer derart radikalisiert, sodass das jüdische Element aus ihrem Erbe getilgt wurde. Im Jahr 1870 veröffentlichte eine russische Zeitung Beiträge anonymer karäischer Autoren, welche ihre Anhänger dazu aufriefen, die Vorschriften 92

über den Schabbat, die Feiertage, die Speisegesetze sowie das Gesetz der Familienreinheit nicht mehr zu befolgen, da dies schließlich rein jüdische Gebräuche seien. Die Autoren beriefen sich dabei auf die Arbeiten des russischen Orientalisten Wasilij Grigoriew, der die Auffassung vertrat, dass die Karäer chasarischen Ursprungs seien und sich von den Rabbaniten dementsprechend ethnisch unterschieden. Auch weitere karäische Gelehrte vertraten die Theorie eines chasarischen Ursprungs der Karäer, um sie von dem Judentum abzugrenzen. So war der Orientalist und karäische Gelehrte Seraya M. Szapszal einer der radikalsten Anhänger Firkowitschs. Er wurde im Jahr 1928 zum Ḥakham, dem Oberhaupt der Karäer in Polen und Litauen, ernannt. Daraufhin änderte er seinen Titel zu Gahan, um die hebräische Bezeichnung zu vermeiden und die Turk-Abkunft der Karäer zu unterstreichen. Szapszal ignorierte die Beziehungen der Karäer zum Judentum und zum hebräischen Erbe. (DINER, 2012, S. 329)

Während des Holocaust:

In der Zwischenkriegszeit lebten ungefähr 9.000 Karäer innerhalb der Sowjetunion und rund 1.000 Karäer in Polen. Die Abgrenzung zum Judentum trug dazu bei, dass die meisten Karäer den Holocaust überlebten. Nachdem die Nürnberger Gesetze im Jahr 1935 erlassen wurden, stellten karäische Vertreter in Berlin und Paris einen Antrag bei den nationalsozialistischen Behörden, der ihre Bevölkerungsgruppe als Nichtjuden anerkennen sollte. Ihre Behauptungen belegten sie mit Hinweisen auf russische Zaren, welche den Karäern als eigenständige Turk- Nation bereits rechtliche Gleichstellung gewährt hatten. Die deutsche Regierung entsandte zur Klärung dieser Angelegenheit den Theologen Paul Kahle nach Leningrad in die staatliche Bibliothek, die Sammlungen über die Karäer von Firkowitsch aufbewahrte. Dieser kam dann schließlich zu dem Ergebnis, dass die Argumentation der Karäer überzeuge. Die nationalsozialistische Reichsstelle für Sippenforschung definierte, wenn auch nur zögerlich, die Karäer als nichtjüdische Bevölkerungsgruppe. (DINER, 2012, S. 329)

Die Einsatzgruppen der SS verschonten zunächst die Karäer in Troki, Wilna, Luzk und Halicz, bis sie die Anweisung aus Berlin bekamen, die Karäer generell von den Massentötungen auszunehmen. Bevor sich diese Anweisung durchsetzte, wurden einige hundert Karäer in Kiew, Odessa und Cherson getötet und teilten somit das gleiche Schicksal wie die rabbinischen Juden. Heute leben in dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion ungefähr 1.000 und in Polen ca. 300 Karäer. Sie sehen sich selbst als eigenständiges Turkvolk an. Neben den Karäern in den bereits genannten Ländern existieren auch in Israel und in den Vereinigten Staaten karäische Glaubensangehörige. (DINER, 2012, S. 329-330)

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7.2 Die Gesellschaftsstruktur der Karäer

Um die Gesellschaftsstruktur der Karäer zu verstehen, ist eine kurze Betrachtung der wirtschaftlichen Situation des babylonischen Judentums sowohl vor als auch zur Zeit der Entstehung der Karäer notwendig. Die Juden bewohnten seit Jahrhunderten ein ziemlich einheitliches Gebiet. Babylonien war schon nach der Zerstörung des ersten Tempels um 587 v. Chr. eine Hochburg der jüdischen Traditionen und Kultur. Obwohl Palästina bis zur Niederwerfung des letzten jüdischen Aufstandes in der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. das Zentrum des jüdischen Volkes war, bestand in Babylonien eine alte nationale sowie kulturelle Tradition. Die jüdische Bevölkerung in Palästina und Babylonien arbeitete vorwiegend als Ackerbauer, Handwerker, Kleinhändler oder sie waren Grundbesitzer. Den Großhandel betrieben sie jedoch nicht. Sie lehnten die Freizügigkeiten und Bewegungen ab, die mit dem Handel verbunden waren und wussten, dass sie auf Reisen in fremde Länder der Versuchung ausgesetzt wären, auf Irrwege zu geraten. Auch der Talmud steht dem Handel skeptisch gegenüber. So gibt es rabbinische Aussagen und Bestimmungen, die den freien Handel ausdrücklich ablehnen. (FROMM, 1922, S. 70-72)

Als die Araber 636 n. Chr. das neupersische Reich zerstörten und neben Babylonien auch Palästina, Ägypten und Syrien (757 n. Chr.) sowie Nordafrika und die iberische Halbinsel eroberten, änderte sich zugleich die wirtschaftliche Situation. Die Araber hatten in weniger als 100 Jahren ein einheitliches Weltreich geschaffen, das von Babylonien bis Spanien reichte. Durch die Gründung dieses Weltreiches traten völlig neue wirtschaftliche Entwicklungen auf, die sich vor allem im Großhandel zeigten. Bisher hatten sich die Juden im Großhandel nicht betätigt, aber nun entstanden ein neuer Anreiz und eine neue wirtschaftliche Möglichkeit. Um dieser wirtschaftlichen Tendenz folgen zu können, musste im Judentum eine rechtliche Neuordnung vorgenommen werden. Im Jahr 781 n. Chr. wurde eine zivilrechtliche Verordnung erlassen, welche auf eine wirtschaftliche Strukturveränderung der babylonischen Juden schließen lässt. (FROMM, 1922, S. 73-74)

Im Gegensatz zu den rabbinischen Juden haben die Karäer einen anderen wirtschaftlichen Hintergrund. Sie verblieben nicht in einem Gebiet, sondern breiteten sich schnell aus. Im 9. Jahrhundert existierten Karäergemeinden neben Bagdad und Jerusalem bereits im Iran, Ägypten, Syrien und Nordafrika. Diese ausgedehnten Reisen erklärt Erich FROMM (1922, S. 78) in seinen Ausführungen über die Soziologie des Diaspora-Judentums durch das Reisen aus geschäftlichen Gründen. Die Karäer kamen vermutlich durch ihre Tätigkeiten als Großhändler viel unter Andersgläubigen herum und versuchten sich in ihrer Umgebung möglichst gut 94

anzupassen. Schon bei der Gründung der Religionsgemeinschaft tritt diese Tendenz zur Anpassung an den Islam durch den Schöpfer des Karäertums, Anan ben David, deutlich hervor. So zeigten sich bei ihm gewisse Sympathien zu dem Propheten Mohammed. Deswegen orientiert sich der karäische Kalender ähnlich wie der islamische am Neumond. Die Anlehnung an den Islam spiegelt sich in den Entlehnungen aus der mohammedanischen Theologie wider. Dies zeigt sich auch in den drei Methoden der karäischen Schriftauslegung, nämlich der logischen Schlussfolgerung (Hekesch), dem Wortlaut der Schrift (Ketab) und der Übereinstimmung der Gemeinschaft (Kibbuz). (FROMM. 1922, S. 78-79)

Diese Tendenz der Anpassung bzw. Annäherung der Karäer an andere Gesellschaften ist auch dort nachweisbar, wo sie mit dem Christentum in Berührung kamen. Nicht nur Anan ben David, sondern auch die meisten späteren karäischen Führer vertraten das Argument der Christen, dass die Juden Jesus zu Unrecht gekreuzigt hätten. Jesus sei wie Mohammed ein Prophet. Diese Denkweise findet sich auch noch bei Karäern der Neuzeit. Die Karäer in Russland nutzten als Hauptargument, mit dem sie ihre Emanzipation erreichen wollten bzw. auch erreichten, dass sie im Gegensatz zu den anderen Juden bei der Kreuzigung Jesu nicht dabei gewesen seien. Aber sogar dieser Annäherungsversuch an das Christentum entstammt einer dogmatischen Anpassung an den Islam, der neben der Provokation Mohammeds auch die Lästerung der früheren Propheten Moses und Jesus verbietet. (FROMM, 1922, S. 79-80)

Die Anpassung der karäischen Gesellschaft an ihre Umwelt zeigt sich auch in der Sprache. So schrieb Anan ben David seine Dogmatik in arabischer Schrift und sogar das erste Gebetsbuch der Karäer wurde in Arabisch verfasst. (FROMM, 1922, S. 80)

7.3 Die Lehre der Karäer

Die Karäer verstehen sich selbst als eine strikte Buchreligion, die den Talmud (die rabbinischen Gesetze) sowie die mündlichen Überlieferungen und Interpretationen der Gebote (Mitzwa) ablehnen. Sie akzeptieren lediglich die fünf Bücher Mose, also die Tora, als heilige Schriften. Die mündlichen Überlieferungen sehen sie als eine Abweichung der, dem jüdischen Volk historisch gesehenen, göttlichen Offenbarung. Deswegen seien nicht die Karäer, sondern die anderen Richtungen des Judentums von der ursprünglichen, göttlichen Lehre abgewichen. (HOTOPP-RIECKE, 2001, S. 3)

Einige Karäer sprechen Karaimisch, eine Turksprache, die vom Aussterben bedroht ist. Die Sprache wird vorwiegend im historisch-religiösen Zentrum der Karäer aus Polen und Litauen, in Troki verwendet. Zudem spricht die ältere Generation der Krim-Karäer auch Karaimisch. 95

Das Gebetshaus wird von den Karäern selbst nicht Synagoge, sondern Kenasse genannt. In Troki und Vilnius betreuen die Priester und geistigen Lehrer ihre Gemeinde in der Kenasse auf karaimisch, um die Muttersprache der Religionsgemeinschaft zu erhalten. (HOTOPP-RIECKE, 2001, S. 9-10)

In der Kenasse stehen sie, anstatt zu sitzen (vgl. Abbildung 22). Ihre Gebete verrichten sie nach Süden, anstatt nach Osten und verwenden hierfür keinen Tefillin. Die Riten der Karäer unterscheiden sich teilweise sehr von denen der Juden. Sie verwenden einen Kalender, der sich streng nach dem Mond richtet und zahlreiche Abweichungen vom traditionellen jüdischen Kalender aufweist. Außerdem haben die Karäer keine Talmudschulen, wie die rabbinischen Juden. (THEOLOGISCHE LINKS, 2017)

Abbildung 22: Im Stehen betende Karäer

Arbeitsgrundlage: BEN GURION UNIVERSITY, 2012

Im Gegensatz zu den Karäern im Baltikum bzw. auf der Krim sprechen die Karäer in Israel hebräisch. Hier wird der karaimischen Sprache keine besondere Bedeutung zugeschrieben. Die Karäer in Israel berufen sich ausschließlich auf die religiöse Komponente des Karäertums, während die Krim-Karäer das Element der Sprachverwandtschaft zu den Turkvölkern stark betonen. (HOTOPP-RIECKE, 2001, S. 13)

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Die Karäer richten sich nach den biblischen Koschergesetzen, aber essen Milch- und Fleischprodukte zusammen, wenn das Fleisch nicht von jenem Tier stammt, dessen Mutter die Milch geliefert hat. Sie feiern die jüdischen Feiertage mit Ausnahme von Chanukka, welches in der Bibel nicht als Fest zu finden ist. (ISRAEL HEUTE, 2017)

7.4 Historischer Überblick über die Karäer in Israel

Im Laufe der Zeit wurden Konstantinopel, Ägypten sowie die Ukraine zu den Zentren des karäischen Glaubens. Einige Berber aus Nordafrika konvertierten zum Karäertum und breiteten diesen Glauben sogar bis nach Spanien aus. Die größte und aktivste Gemeinde der Karäer gab es im 20. Jahrhundert in Kairo. Hier lebten fast 6.000 Anhänger dieser Glaubensrichtung, die ein eigenes Viertel bewohnten, aber trotzdem einen integrierten Teil der arabischsprachigen Bevölkerung bildeten. Die Karäer in Kairo hatten kaum Ähnlichkeiten mit den rabbinischen Juden und wurden von der arabischen Gesellschaft durchaus akzeptiert. (SCHMIDINGER, 2004)

Als Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts der Antisemitismus auch in Ägypten Einzug fand und nach der Staatsgründung Israels sowie der Suez-Krise von 1956 der Großteil der 65.000 ägyptischen Juden vertrieben wurde, verließen auch fast alle Karäer Ägypten. Die wenigen verbliebenen Karäer werden seitdem von einer kleinen jüdischen Gemeinde in der ägyptischen Hauptstadt mitbetreut. Die Karäer aus Ägypten leben heute zum größten Teil in Israel. Im Unabhängigkeitskrieg von 1948 wurde die karäische Synagoge im jüdischen Viertel der Altstadt Jerusalem zerstört und danach wiederaufgebaut. Diese Synagoge wird auch Anan ben David-Synagoge genannt und ist auf Abbildung 23 ersichtlich. (SCHMIDINGER, 2004)

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Abbildung 23: Anan ben David-Synagoge in Jerusalem

Arbeitsgrundlage: THEOLOGISCHE LINKS (Hrsg.), 2012

7.5 Die Identität der Karäer in Israel

Die Karäer werden in Israel als nichtreligiöse Juden eingestuft. Sie pflegen vom rabbinischen Judentum deutlich abweichende Riten und gestalten ihre religiöse Lebensführung nur durch das Lesen der Tora. (BÖHM, 2014, S. 63) Über ihre Identität im Heiligen Land liegen keine weiteren Informationen vor.

7.6 Aktuelle Situation und Perspektiven der Karäer in Israel

In Israel leben ungefähr 25.000 Karäer (GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER, 2010). Sie stammen vor allem aus Ägypten und leben vorwiegend in vier Ortschaften, die in Abbildung 24 zu sehen und in Tabelle 3 aufgelistet sind. (DINER, 2012, 329) Über die Perspektiven der Karäer in Israel und über die Auswirkungen des 2018 beschlossenen Nationalitätengesetzes auf die Religionsgemeinschaft gibt es zum aktuellen Forschungsstand keine Informationen.

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Abbildung 24: Wohngebiete der Karäer in Israel

Arbeitsgrundlage: GOOGLE MAPS, 2019d; Eigene Bearbeitung, 2019

Tabelle 3: Wohngebiete der Karäer in Israel

Wohngebiete der Karäer in Israel Ashdod

Beer-Sheva Ofakim Ramla

Arbeitsgrundlage: DINER (Hrsg.), 2012

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8 Unabhängigkeitserklärung 1948 vs. Nationalitätengesetz 2018

Am 14. Mai 1948 wurde mit der Verlesung der Unabhängigkeitserklärung von David Ben- Gurion der Staat Israel ausgerufen (vgl. Abbildung 25) (VIEWEGER, 2017, S. 162). In dieser heißt es:

„Der Staat Israel […] wird für die Entwicklung des Landes zum Wohle aller seiner Bewohner sorgen; […] er wird volle soziale und politische Gleichberechtigung aller Bürger ohne Unterschied der Religion, der Rasse und des Geschlechts gewähren; er wird die Freiheit des Glaubens, des Gewissens, der Sprache, der Erziehung und der Kultur garantieren; er wird die heiligen Stätten aller Religionen sicherstellen und den Grundsätzen der Verfassung der Vereinten Nationen treu sein.“ (ISRAELNET, o.D.)

Abbildung 25: David Ben-Gurion bei der Verlesung der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1948

Arbeitsgrundlage: BOLLAG, 2008

In der Nacht vom 14. zum 15. Mai 1948 rückten reguläre Armeeeinheiten einer Allianz, welche von den arabischen Staaten Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien und Irak gebildet wurden, in das ehemalige britische Mandatsgebiet ein und griffen Israel an. Der erste arabisch-israelische Krieg endete 1949 mit dem militärischen Sieg Israels. (TIMM, 2008) Aufgrund des Krieges und auch wegen politischen Kontroversen über die Identität des jungen Staates Israel wurde die Absicht, noch im Jahr 1948 eine Verfassung zu beschließen, nicht umgesetzt. Der Knesset- Abgeordnete Yizhar Harari schlug im Juni 1950 einen Kompromiss vor, der vom Parlament als Resolution angenommen wurde: Die entstehende Verfassung des Staates Israel soll aus 100

separaten Kapiteln bestehen, welche jeweils als selbstständige Grundgesetze verabschiedet werden. Am Ende dieses Prozesses sollen diese einzelnen Paragraphe als Verfassung zusammengefasst werden. Bis zum Jahr 1985 wurden verschiedene Grundgesetze verabschiedet, aber eine umfassende Verfassung ist nicht zustande gekommen. (STEINER, 2019)

Am 19. Juli 2018, 70 Jahre nach der Verlesung der Unabhängigkeitserklärung, wurde das Nationalitätengesetz beschlossen, welches den jüdischen Charakter des Staates festschreibt sowie die nationalen Werte Israels rechtsverbindlich verankert. 62 von 120 Abgeordneten stimmten für das neue Gesetz, während 55 dagegen waren. Der Rest war abwesend oder enthielt sich der Abstimmung. Während Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu von einem „Schlüsselmoment“ in der Geschichte des Zionismus und des Staates Israel sprach, reagierten arabische Abgeordnete mit lauten Protestrufen auf das für sie rassistische Gesetz und zerrissen den Gesetzentwurf in einer symbolischen Geste. (DER STANDARD, 2018) Im Nationalitätengesetz wird der demokratische Charakter des Staates nicht erwähnt und es sind keine Hinweise auf den Schutz der Minderheiten in Israel enthalten. Im ersten Paragraphen wird das Recht auf Selbstbestimmung im Staat Israel nur dem jüdischen Volk zugeschrieben. (STEINER, 2019)

Der Gesetzestext wurde noch am selben Tag auf der Homepage der Knesset publiziert und wird im Folgenden in der englischen Übersetzung dargestellt (THE KNESSET, 2019):

„1. Basic Principles:

a. The Land of Israel is the historical homeland of the Jewish people, in which the State of Israel was established.

b. The State of Israel is the nation state of the Jewish People, in which it realizes its natural, cultural, religious and historical right to self-determination.

c. The exercise of the right to national self-determination in the State of Israel is unique to the Jewish People.

2. State Symbols:

a. The name of the State is "Israel".

b. The State flag is white, with two light-blue stripes close to the edge, and a light-blue Star of David in its centre.

101

c. The State emblem is a seven-branched menorah with olive leaves on both sides, and the word "Israel" at its base.

d. The State anthem is "Hatikvah".

e. Details regarding the State symbols shall be determined by law.

3. State Capital: Jerusalem, complete and united, is the capital of Israel.

4. Language:

a. Hebrew is the State language.

b. The Arabic language has a special status in the State; arrangements regarding the use of Arabic in state institutions or vis-à-vis them will be set by law.

c. Nothing in this article shall affect the status given to the Arabic language before this law came into force.

5. Ingathering of the Exiles: The State shall be open for Jewish immigration, and for the Ingathering of the Exiles.

6. The Connection with the Jewish People:

a. The State shall strive to ensure the safety of members of the Jewish People and of its citizens, who are in trouble and in captivity, due to their Jewishness or due to their citizenship.

b. The State shall act, in the Diaspora, to preserve the ties between the State and members of the Jewish People.

c. The State shall act to preserve the cultural, historical and religious heritage of the Jewish People among Jews in the Diaspora.

7. Jewish Settlement: The State views the development of Jewish settlement as a national value, and shall act to encourage and promote its establishment and strengthening.

8. Official Calendar: The Hebrew calendar is an official calendar of the State, and the Gregorian calendar shall serve alongside it as an official calendar; the use of the Hebrew calendar and the Gregorian calendar shall be determined by law.

9. Independence Day and Memorial Days:

a. Independence Day is the official national holiday of the State.

b. Memorial Day for the Fallen in Israel's Wars, and the Holocaust Martyrs' and Heroes' Remembrance Day, are official memorial days of the state.

102

10. Days of Rest and Statutory Holidays: The Sabbath and the Jewish holidays are the established days of rest in the State; non-Jews have the right to observe the days of rest on their days of Sabbath and holidays; details regarding this matter shall be determined by law.

11. Entrenchment: This Basic law shall not be modified except by a Basic Law, passed by a majority of the members of the Knesset.“

Die arabische Bevölkerung ist entsetzt über dieses Gesetz jüdischer Vormacht, das sie zu Bürgern zweiter Klasse macht. Bislang war ihre Sprache mit Hebräisch gleichberechtigt, doch mit dem neuen Gesetz bekommt Arabisch lediglich einen nicht näher definierten Sonderstatus. Das Adalah-Rechtszentrum für arabische Minderheiten in Israel teilte mit, dass das Gesetz „Schlüsselelemente der Apartheid“ enthalte, welche „nicht nur unmoralisch, sondern absolut verboten unter internationalem Recht“ seien. Trotz der ungefähr 1,5 Millionen palästinensischen Bürger wurde im Gesetz die Identität des Landes als ausschließlich jüdisch verankert. Sogar aus Netanjahus Likud-Partei kam Kritik. Benny Begin, der Sohn des früheren Ministerpräsidenten sagte, dass er sich der Stimme enthalten habe, da die Partei auf einem Weg sei sich von den Menschenrechten zu entfremden. Auch im Ausland kritisierte das Amerikanische Jüdische Komitee, welches die jüdische Diaspora vertritt, dass die Verabschiedung dieses Gesetzes eine tiefe Enttäuschung sei und die Verpflichtung der Gründer Israels ein Land aufzubauen, welches zugleich jüdisch und demokratisch ist, gefährde. (ZEIT ONLINE, 2018)

Mit der Verabschiedung des Nationalitätengesetzes ist die Garantie auf „volle soziale und politische Gleichberechtigung aller Bürger ohne Unterschied der Religion, der Rasse und des Geschlechts“ in der Unabhängigkeitserklärung nun gebrochen (FÖDERL-SCHMID, 2018).

103

9 Resümee

In diesem abschließenden Teil werden die konzipierten Forschungsfragen aus Kapitel 1.1 erneut aufgegriffen und anhand der in dieser Diplomarbeit gewonnenen Erkenntnisse zum Thema „Religiöse Minderheiten in Israel“ beantwortet:

„Was sind die Kennzeichen der Drusen, Samaritaner und Karäer und wie haben sich diese religiösen Minderheiten etabliert?“

Die Drusen:

Die Drusen sind eine religiöse Minderheit im Nahen Osten, die sich im 11. Jahrhundert vom schiitisch-ismailitischen Islam abspaltete. Die Verbreitung ihrer Lehre wird als da´wa bezeichnet. Als zentraler Teil der schiitischen Konfession gilt das Warten auf einen rechtgeleiteten Nachkommen Mohammeds, den mahdi. Als mahdi im Drusentum wird der Kalif al-Ḥākim bi-Amr Allāh angesehen. Im Jahr 1043 n. Chr. wurde das Ende der drusischen da´wa verkündet. Das bedeutet, dass seit diesem Zeitpunkt keine neuen Konvertiten mehr aufgenommen werden. Es ist also nur noch möglich, als Druse geboren zu werden.

Die drusische Gesellschaft wird in zwei Klassen unterteilt, nämlich in die ´uqqāl („die Eingeweihten“ bzw. „die Wissenden“) und in die juhhāl („die Unwissenden“). Die ´uqqāl machen ungefähr nur ein Fünftel aller Drusen weltweit aus. Die Drusen halten ihre Religion gegenüber Außenstehenden geheim. Nur die ´uqqāl wissen über die Grundprinzipien der Drusenreligion Bescheid, die in den drusischen Schriften, dem sogenannten Drusenkanon, festgehalten sind. Die juhhāl besitzen keinen Zugang zu den Schriften, leben aber trotzdem gemäß der drusischen Ethik, indem sie einer vereinfachten Darstellung ihres Glaubens folgen.

Zu einem der wichtigsten Glaubensinhalte der Drusen, die öffentlich bekannt sind, zählt der Glaube an die Reinkarnation. Für die Drusen ist der Körper nur eine leere Hülle, der die Seele beinhaltet. Sobald ein Mitglied stirbt, wird die Seele in einem anderen drusischen Körper wiedergeboren. Nach der Auffassung der Drusen bleibt deswegen die Zahl ihrer Mitglieder immer konstant, was aber aufgrund der hohen Geburtenrate nicht der Realität entspricht. Indem die Drusen von der Reinkarnation überzeugt sind, entfremden sie sich vom Glauben an ein Paradies, wie es bei Muslimen der Fall ist.

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Die Drusen wurden im Laufe ihrer Entwicklung immer wieder verfolgt, da ihre Religionsgemeinschaft von den herrschenden Mächten lange nicht anerkannt wurde. Ihre Siedlungsgebiete befinden sich deswegen vorwiegend in ländlichen, schwer erreichbaren Gebirgsregionen, um sich vor der Verfolgung zu schützen. In Israel leben ungefähr 120.000 Drusen in 18 verschiedenen Dörfern in Galiläa und auf dem Karmel. Auf den von Israel annektierten Golanhöhen befinden sich vier weitere drusische Ortschaften.

Die Samaritaner:

Die Samaritaner sind Mitglieder einer national-religiösen Gemeinschaft in Israel, deren Glaube dem Judentum sehr nahesteht. Der Name Samaritaner leitet sich vom hebräischen Shamerim ab, was übersetzt „Wächter“ oder „Bewahrer“ bedeutet. Sie sehen sich selbst als „Bewahrer“ der altisraelischen Identität.

Die Entstehung der Samaritaner begann im Jahr 722 v. Chr., als die Assyrer das Königreich Israel zerstörten und ein Großteil der jüdischen Bevölkerung in das Zweistromland gebracht wurde. Infolge der Zerstörung siedelten die Assyrer neue, nichtjüdische Bewohner in dem Gebiet des heutigen Israel an. Mit der Zeit vermischten sich die wenigen in Israel verbliebenen Juden mit der neu angesiedelten nichtjüdischen Bevölkerung. Diese Mischbevölkerung wird als Samaritaner bezeichnet.

Die samaritanische Gesellschaft besteht aus fünf bis sechs Großfamilien, dessen Oberhaupt ein Hohepriester ist. Er leitet die religiösen Zeremonien und repräsentiert die samaritanische Gemeinschaft in Angelegenheiten mit der säkularen Regierung.

Im Gegensatz zu den Juden erkennen die Samaritaner als heilige Bücher nur die fünf Bücher Mose (die Tora) und keine späteren Schriften der Bibel an. Die Samaritaner feiern im Laufe des liturgischen Jahres mehrere Feste, die den jüdischen Festen ähnlich sind. Diese Feste finden alle am Berg Garizim statt, der für die Samaritaner die wichtigste heilige Stätte darstellt. Die Samaritaner errichteten gegen Ende der Perserzeit bzw. zur Zeit der Eroberungen Alexanders am Berg Garizim einen Tempel, der für sie die gleiche Funktion erfüllen sollte, wie der Tempel in Jerusalem für die Juden. Im Jahr 129 v. Chr. wurde der samaritanische Tempel durch den hasmonäischen Herrscher Johannes Hykanus I. zerstört. Trotz zahlreicher Versuche das von den Hasmonäern zerstörte Heiligtum wiederaufzubauen, gelang dies nicht.

Im Gegensatz zu den Juden, die sich und ihre Religion im babylonischen Exil weiterentwickelten, verharrten die Samaritaner auf ihren gewohnten Strukturen. Sie haben ihre Religion, Kultur und ursprüngliche Lebensform seit über 3000 Jahren fast unverändert erhalten. 105

In Israel leben aktuell 820 Mitglieder der samaritanischen Gemeinschaft, die in zwei Gemeinden besiedelt sind. Diese sind Kiryat Luza bei Nablus im Westjordanland in den palästinensischen Autonomiegebieten und Holon bei Tel Aviv in Israel.

Die Karäer:

Die Entstehung des Karäertums ist bis heute sehr umstritten, da es mehrere Theorien dazu gibt. Zum einen wird vermutet, dass sie ihren ethnischen Ursprung im jüdischen Volk haben, das um 722 v. Chr. aus dem Königreich Israel von den Assyrern verschleppt wurde. Zum anderen werden als Vorfahren der heutigen Karäer die Krim-Karäer vermutet. Weiters wird diskutiert, ob sie Nachfahren oder lediglich Zeitgenossen der Chasaren sind, welche zum Judentum übergetreten sind. Ihre Religion unterscheidet sich jedenfalls zum Teil deutlich vom rabbinischen Judentum oder von anderen jüdischen Strömungen.

Die Karäer verstehen ihren Glauben als strikte Buchreligion. Den Talmud, also die rabbinischen Schriften, und die in ihm formulierten Auslegungen der Halacha lehnen sie ab. Sie akzeptieren lediglich die fünf Bücher Mose als heilige Schriften. Ihr Name leitet sich vom hebräischen benei mikra („Menschen, die die Tora lesen“) und vom arabischen qara („Menschen, die missionieren“) ab.

Zu den Zentren des karäischen Glaubens entwickelten sich im Laufe der Zeit Konstantinopel, Ägypten sowie die Ukraine. Die größte Gemeinde der Karäer war allerdings in Ägypten. Im Jahr 1837 wurden die Karäer in Russland und in der Ukraine offiziell als eigenständige Glaubensgemeinschaft betrachtet. Somit wurden sie vom Judentum separiert. Diese Emanzipation der Karäer war für ihre Zukunft von großer Bedeutung. Als Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts der Antisemitismus in Ägypten Einzug fand und nach der Staatsgründung Israels sowie der Suez-Krise von 1956 der Großteil der ägyptischen Juden vertrieben wurde, verließen auch fast alle Karäer Ägypten. Die Karäer aus Ägypten leben heute zum größten Teil in Israel. Hier existieren aktuell ungefähr 25.000 Karäer.

106

„Welche Bedeutung haben die drei religiösen Minderheiten (Drusen, Samaritaner, Karäer) für den Staat Israel?“

Die Drusen:

In Israel nehmen die Drusen eine außergewöhnliche Rolle ein, denn sie gelten als einzige ethnische und religiöse Minderheit, die bereits während der britischen Mandatszeit in Palästina (1922-1948) die Juden bei der Erschaffung des Staates Israel unterstützten. Am 14. Mai 1948 wurde der Staat Israel von David Ben-Gurion ausgerufen und kurz darauf die Israeli Defense Forces (IDF) gegründet, der sich drusische Freiwillige anschlossen. Im Sommer 1948 wurde die Minorities Unit der IDF gegründet, dessen Mehrheit die Drusen ausmachten. Im Jahr 1957 kam es zur Einführung der Wehrpflicht der Drusen in Israel. Damit veränderte sich auch ihr Status. Sie erhielten durch das Religionsministerium den Status als eigenständige Religionsgemeinschaft. Zudem bekamen sie neue Personalausweise von der israelischen Regierung. Die Nationalität auf diesen Ausweisen wurde vom vorherigen „Araber“ durch „Druse“ ersetzt. Die israelische Regierung versuchte damit die Drusen von anderen in Israel lebenden Arabern abzugrenzen. Nachdem im Juli 2018 das Nationalitätengesetz beschlossen wurde, welches den jüdischen Charakter Israels festschreibt, hat sich die Loyalität der Drusen gegenüber dem Staat Israel verändert. In diesem Gesetz wird festgehalten, dass das Recht auf Selbstbestimmung nur jüdischen Israelis zusteht, was für Spannungen zwischen der treuen drusischen Gemeinschaft und den Juden sorgt. Die Drusen protestierten gegen das diskriminierende Gesetz. Sie zogen auch in der Armee Konsequenzen, indem bereits einige drusische Offiziere ihre Ämter niederlegten. Die Drusen am von Israel annektierten Golan fühlen sich Syrien zugehörig. Sie haben keine üblichen Personalausweise, sondern lediglich Karten, die sie als „non-citizen residents“ klassifizieren. Das bedeutet, dass sie lediglich Bewohner und keine Bürger Israels sind. Zudem besitzen sie keine Reisepässe, sondern nur amtliche Passierscheine.

Die Samaritaner Die Samaritaner sind in den Staat Israel sozial gut integriert. Die Gemeinschaft in Holon bei Tel Aviv spricht hebräisch. Außerdem leisten sie den israelischen Militärdienst und besitzen den israelischen Reisepass. Im Gegensatz dazu sprechen die Samaritaner in Kiryat Luza arabisch, leisten keinen Militärdienst und verfügen über die israelisch-palästinensische Doppelstaatsbürgerschaft. Die beiden Gemeinden waren seit der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 bis zum Sechstagekrieg im Jahr 1967 durch die israelisch-jordanische

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Waffenstillstandslinie voneinander getrennt und standen zwischen dem Konflikt der Israelis und Palästinenser. Sie versuchten allerdings mit beiden Seiten gut auszukommen.

Die Karäer:

Über die Bedeutung der Karäer in Israel gibt es kaum Informationen. Die Karäer grenzen sich vom rabbinischen Judentum ab. Sie werden in Israel als nichtreligiöse Juden eingestuft. Außerdem leisten sie keinen Militärdienst.

108

10 Verzeichnis der Arbeitsgrundlagen

10.1 Literatur

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