PARSI- FAL Ein Bühnenweihfestspiel von Richard Text vom Komponisten In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Amfortas RENATUS MESZAR** Titurel AVTANDIL KASPELI** Gurnemanz ALFRED REITER a. G. / FRANK VAN HOVE a. G. Parsifal ERIK NELSON WERNER a. G.** Klingsor JACO VENTER** Kundry CHRISTINA NIESSEN** Erster Gralsritter STEVEN EBEL** Zweiter Gralsritter LUIZ MOLZ** Stimme aus der Höhe MORITZ PRINZ*** / GABRIEL MENDE*** Blumenmädchen 1. Gruppe Ks. INA SCHLINGENSIEPEN** LYDIA LEITNER a. G.** SOFIA MARA a. G.** Blumenmädchen 2. Gruppe AGNIESZKA TOMASZEWSKA** Ks. TINY PETERS KATHARINE TIER** Erster Knappe LYDIA LEITNER a. G.** Zweiter Knappe SOFIA MARA a. G.** Dritter Knappe MAX FRIEDRICH SCHÄFFER** Vierter Knappe NANDO ZICKGRAF*/** * Mitglied des Opernstudios ** Rollendebüt *** Cantus Juvenum Karlsruhe e. V.

Doppelbesetzungen in alphabetischer Reihenfolge

PREMIERE 29.3.15 GROSSES HAUS Aufführungsdauer 5 ½ Stunden, zwei Pausen Musikalische Leitung JUSTIN BROWN Nachdirigat JOHANNES WILLIG Regie KEITH WARNER Bühne TILO STEFFENS Kostüme JULIA MÜER Video MANUEL KOLIP Chor ULRICH WAGNER Licht STEFAN WOINKE Dramaturgie CARSTEN JENSS, RAPHAEL RÖSLER

BADISCHE STAATSKAPELLE BADISCHER STAATSOPERNCHOR EXTRACHOR DES BADISCHEN STAATSTHEATERS STATISTERIE DES BADISCHEN STAATSTHEATERS

WIR DANKEN DER GESELLSCHAFT DER FREUNDE DES BADISCHEN STAATSTHEATERS KARLSRUHE e. V. FÜR DIE BESONDERE UNTERSTÜTZUNG DIESER PRODUKTION

1 Regieassistenz MICHAEL CSAR a. G., ANJA KÜHNHOLD Abendspielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische Assistenz & Einstudierung RAINER ARMBRUST, PAUL HARRIS, ALISON LUZ, JOHANNES WILLIG Studienleitung STEVEN MOORE Chorassistenz STEFAN NEUBERT Einstudierung Cantus Juvenum Karlsruhe e. V. ANETTE SCHNEIDER Bühnenbildassistenz MANUEL KOLIP Kostümassistenz MARA WEDEKIND Dramaturgiehospitanz AVI LIBERMAN Soufflage EVELYN WALLPRECHT Inspizienz UTE WINKLER Leitung der Statisterie OLIVER REICHENBACHER

Technische Direktion HARALD FASSLRINNER, RALF HASLINGER Bühneninspektor RUDOLF BILFINGER Bühne STEPHAN ULLRICH Leiter der Beleuchtungsabteilung STEFAN WOINKE Leiter der Tonabteilung STEFAN RAEBEL Ton HUBERT BUBSER, GUNTER ESSIG, JAN PALLMER Leiter der Requisite WOLFGANG FEGER Werkstättenleiter GUIDO SCHNEITZ Malsaalvorstand GIUSEPPE VIVA Leiter der Theaterplastiker LADISLAUS ZABAN Schreinerei ROUVEN BITSCH Schlosserei MARIO WEIMAR Polster- und Dekoabteilung UTE WIENBERG

Kostümdirektorin CHRISTINE HALLER Gewandmeister/-in Herren PETRA ANNETTE SCHREIBER, ROBERT HARTER Gewandmeisterinnen Damen TATJANA GRAF, KARIN WÖRNER, ANNETTE GROPP Waffenmeister MICHAEL PAOLONE, HARALD HEUSINGER Schuhmacherei THOMAS MAHLER, BARBARA KISTNER, VALENTIN KAUFMANN Modisterei DIANA FERRARA, JEANETTE HARDY Kostümbearbeitung ANDREA MEIHNKÖHN Chefmaskenbildner RAIMUND OSTERTAG Maske SABINE BOTT, MELISSA DÖBERL, KARIN GRÜN, FREIA KAUFMANN, NIKLAS KLEIBER, MARION KLEINBUB, MELANIE LANGENSTEIN, PETRA MÜLLER, INKEN NAGEL, SOTIRIOS NOUTSOS, SANDRA OESTERLE, MONIKA SCHNEIDER, NATALIE STRICKNER, ANDREA WEYH, KERSTIN WIESELER

WIR DANKEN der Privatbrauerei Hoepfner für die Unterstützung der Premierenfeier und der Oper Stuttgart für die Übertitel.

Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind. SCHUF SIE EUCH SCHADEN JE? 2 Christina Niessen, Alfred Reiter 3 ERLÖSUNGS- GESCHICHTE ZUM INHALT

1. AUFZUG verschaffen. Wütend und voller Rachege- lüste zauberte er schöne Mädchen herbei, Die Gralswelt am Morgen. Gurnemanz ruft die den Gralsrittern auflauern sollen. Als die Knappen zum Gebet. Anschließend Amfortas dem Treiben Klingsors ein Ende sollen sie Amfortas ein Heilbad bereiten; bereiten wollte, wurde er von den Mädchen der kranke König leidet an einer Wunde, die verführt und brach sein Keuschheitsge- nicht heilen will. Kundry, die Gralsbotin, will lübde. Klingsor entriss ihm den Speer und seinem Leiden Linderung verschaffen und schlug ihm eine Wunde. bringt ihm einen Balsam. Amfortas erinnert sich an die Verheißung: Nur ein reiner Tor – Gurnemanz’ Erzählung wird von einem „durch Mitleid wissend“ – könne die Wun- Schrei unterbrochen: Ein Schwan wurde de mit dem Speer schließen, der sie schlug. vom Himmel geschossen. Parsifal, der Schütze, wird hergeführt, und Gurnemanz Die Knappen belästigen Kundry, das „Zau- stellt ihn zur Rede. Der naive Übeltäter ver- berweib“. Gurnemanz nimmt sie in Schutz teidigt sich damit, dass ihm nicht bekannt und erzählt den Knappen die Geschichte war, dass das Töten von Tieren in der Grals- von Klingsor und dem verlorenen Speer: welt verboten ist. Gurnemanz befragt ihn Der Zauberer wollte einst Mitglied der Ge- nach seiner Herkunft. Parsifal kann seine meinschaft der keuschen Gralsritter wer- Fragen jedoch nicht beantworten. Ein Tor. den. Da es ihm nicht gelang, seine körperli- Er weiß einzig von seiner Mutter Herzeleide, chen Begierden zu unterdrücken, entmann- die ihn im Wald aufzog. Kundry berichtet, te er sich selbst. Doch auch damit konnte dass seine Mutter gestorben sei, worauf er sich keinen Zutritt zu ihrer Gesellschaft Parsifal wütend auf die Botin losgeht. Er-

4 neut stellt Gurnemanz sich schützend vor ewig verdammt, nach Erlösung zu suchen. sie und mahnt den beschämten Parsifal zur Sie fordert von Parsifal das gleiche Mitleid, Friedfertigkeit. das er für Amfortas empfindet. Klingsor erscheint und greift Parsifal mit dem Speer Gurnemanz hofft, dass Parsifal der verhei- an. Die Waffe bleibt über Kopf ßene Erlöser ist, und lädt ihn zum Abend- schweben. Klingsor ist besiegt. mahl der Gralsritter ein. Neugierig und überrascht verfolgt Parsifal die Zeremonie, die die Qualen Amfortas’ verstärkt, für die 3. AUFZUG GESCHICHTE Ritter aber lebenswichtig ist. Sein Vater Titurel zwingt Amfortas, den Gral zu enthül- Die Gralswelt am Karfreitag. Viele Jahre len. Nach dem Mahl fragt Gurnemanz Parsi- sind vergangen. Titurel ist gestorben. Die fal, ob er verstanden habe, was er sah. Als Gralshüter leiden Hunger, weil Amfortas Parsifal verneint, schwindet Gurnemanz’ sich weigert, den Gral zu enthüllen. Gur- Hoffnung. Er schickt den Toren fort. nemanz vernimmt das Stöhnen Kundrys, die sich in einem todesähnlichen Schlaf befin- det. Er weckt sie. Es nähert sich ihnen ein 2. AUFZUG bewaffneter Fremder, dessen Kopf bedeckt ist. Gurnemanz weist ihn darauf hin, dass In Klingsors Reich. Der Zauberer ruft das Tragen von Waffen in diesem Gebiet Kundry herbei. Die Gefangene soll Parsifal verboten ist, besonders am heiligen Kar- verführen. Parsifal trifft auf die Blumen- freitag. Der Fremde gibt sich zu erkennen: mädchen, die ihn betören wollen. Es kommt Es ist Parsifal, den Gurnemanz einst für den zwischen ihnen zum Streit: Jede will Par- Erlöser hielt und fortschickte. Mit Staunen sifal für sich haben. Als er sich von ihnen entdeckt Gurnemanz den Speer. Parsifal abwendet, hält ihn eine Stimme auf: Kundry erzählt von seiner langen Suche nach den ruft seinen Namen, den er vergessen hatte. Gralsrittern. Er erfährt von ihrem Elend und Sie erinnert ihn auch an seine Mutter, die fühlt sich schuldig. Kundry wäscht seine ihn im Schutze des Waldes aufzog, fern von Füße, und Gurnemanz salbt ihn zum Grals- Waffen und Krieg. Als Parsifal fortging, um könig. Als erste Amtshandlung vollzieht Ritter zu werden, versank sie in Trauer und Parsifal an Kundry die Taufe. starb. „Was alles vergaß ich wohl noch?“, fragt Parsifal Kundry bestürzt. Als sie ihn In der Gralsburg soll anlässlich der Toten- küsst, wird er „welthellsichtig“ und kann feier von Titurel „zum letzten Mal“ der Gral Amfortas’ von der Begierde verursachte enthüllt werden. Amfortas weigert sich, das Leiden mitfühlen. Er erkennt die Verfüh- Ritual zu vollziehen. Er möchte sterben. Par- rungskraft Kundrys und weist sie zurück. sifal tritt mit dem Speer zu ihm und schließt Sie erzählt ihm ihre Geschichte: Da sie einst die Wunde. Christus am Kreuz verlachte, ist sie auf

Folgeseiten Renatus Meszar, Nando Zickgraf, Max Friedrich Schäffer, Steven Ebel, Luiz Molz 5 6 7 „NUN SAG, WIE HAST DU’S MIT DER RELIGION?“ ZUM KOMPONISTEN

„Sie wissen, wie ich unwillkürlich zum Bud- tischen und künstlerischen Auseinander- dhisten geworden bin. Auch mit der Bud- setzung mit Theologie und Philosophie, die dhistischen Bettler-Maxime habe ich’s un- sich als roter Faden durch sein Leben zieht bewusst immer gehalten.“ Richard Wager, und über eine rein private und rein christli- der Komponist des Parsifal, ein Buddhist? che Religiosität hinausgeht. Gar ein buddhistischer Bettelmönch, mit dem er sich im Dezember 1858 im zitierten Auf den ersten Blick scheint die Lage klar: Brief an vergleicht? , am 22. Mai 1813 in Leipzig War er der „fröhliche Heide“, als den ihn geboren, war Christ. Zumindest wurde er Herbert Rosendorfer bezeichnet? Oder ein drei Monate nach seiner Geburt in der Leip- religiöser Atheist, wie ihn Ulrike Kienzle in ziger Thomaskirche protestantisch getauft. ihrem viel beachteten Parsifal-Buch be- 1827 folgte in der Dresdner Kreuzkirche schreibt? die Konfirmation, die den 14-Jährigen zum vollwertigen Mitglied der christlichen Ge- Die Frage nach der Religiosität des Kompo- meinde machte. Wagner, der zeitweise den nisten beschäftigt Wagner-Biografen und evangelischen Pastor Christian Ephraim -Exegeten bis heute. Dass Wagner sich zeit Wetzel als Pflegevater und mit Gottlob seines Lebens zu religiösen bzw. theologi- Heinrich Adolph Wagner außerdem einen schen Fragestellungen hingezogen fühlte, evangelischen Theologen als Onkel hat- steht außer Frage. Seine Briefe und Ab- te, hat sich nie vom christlichen Glauben handlungen sowie sein musikdramatisches abgewandt, sein Verhältnis zu ihm jedoch Werk zeugen von einer intensiven theore- mehrfach neu definiert.

8 „NUN SAG, WIE HAST DU’S MIT DER RELIGION?“

Christina Niessen, Statisterie 9 „An Gott glaube ich nicht, aber an das Gött- Abhandlung des französischen Indologen liche, welches sich im sündenlosen Jesus entnahm Wagner eine Episode über die offenbart“, zitiert ihren letzte Inkarnation des Buddha. Mann in ihrem Tagebuch, die nebenbei bemerkt auf Wagners Wunsch hin 1872 vom Ausgelöst durch seine Lektüre der philoso- katholischen zum protestantischen Glauben phischen Schriften Arthur Schopenhauers konvertierte. Obwohl der Komponist die Mitte der 1850er Jahre, setzte Wagner sich Vorstellung eines personalen Schöpfergot- intensiv mit Mythen und Religionen des tes ablehnte, übte Jesus, Stifter der christ- fernen Ostens auseinander, in denen sich lichen Religion und Erlöser der Menschheit, – so der Komponist 1855 in einem Brief eine große Anziehungskraft auf ihn aus. an Mathilde Wesendonck – die „edelste Wagners Christus-Faszination ging soweit, Menschlichkeit im alten Orient“ zeige. dass er 1849 eine fünfaktige Oper mit dem Mit „Wonne“ begab er sich in die Welt Heiland als Titelhelden konzipierte. Jesus indischer Sagen und las beispielsweise von Nazareth kam jedoch über das Ent- die Epen Mahabharata und Ramayana. wurfstadium und ein detailliertes Szenari- Auch Shakuntala, ein indisches Schauspiel um, für das Wagner die Schriften des Neu- von Kalidasa aus dem 4. Jahrhundert, zog en Testaments systematisch studiert hatte, sein Interesse auf sich. Mehr noch als nicht hinaus. Der Plan, ein Bühnenwerk auf Sagen und Epen faszinierte Wagner die der Grundlage eines von populären Vorstel- fernöstliche Philosophie und Religion. Er lungen und religiösen Dogmen überlager- studierte nicht nur mit großer Leidenschaft ten Sujets zu verfassen, blieb unvollendet. Abhandlungen über das Leben des Heiligen Der Grund geht aus seinen Briefen hervor: Buddha, sondern auch theologische Schrif- Wagner beabsichtigte keine bibeltreue ten über den indischen Buddhismus von Darstellung der Passion. Sein Ziel war es Karl Friedrich Köppen, Hermann Oldenberg vielmehr, ein explizit durch sein, d. h. Wag- und Friedrich Schlegel. Noch im Juni 1878 ners „modernes Bewusstsein“ gefärbtes beschäftigte er sich mit dem spirituellen Bild des Erlösers zu zeichnen, was – neben hinduistischen Lehrgedicht Bhagavad Gita. Jesus als Protagonisten einer Oper – für sein Publikum unweigerlich eine weitere Welch große Bedeutung Wagner dem Provokation dargestellt hätte. Sieger-Projekt beimaß, lässt sich an der Beharrlichkeit ablesen, mit der er dieses Dass Wagner, dessen einziges geistliches Vorhaben verfolgte. 1865, also neun Jahre Werk Das Liebesmahl der Apostel (1843) nach dem Entwurf, rechnete der Komponist bemerkenswerterweise den Untertitel noch fest mit einer Umsetzung und plante „Biblische Szene für Männerstimmen für seine Münchener Festspiele 1870, 1871 und großes Orchester“ trägt, sehr daran und 1873 Sieger-Aufführungen. Im Jahr interessiert war, religiöse Themen auf die 1868 lieh er Ludwig II. sein Exemplar von Opernbühne zu bringen, zeigt sich auch in Burnoufs Introduction, um seinem Förderer einem weiteren, ebenfalls unvollendeten den Plan, den er mit „besondrer Liebe“ aus- Opernprojekt: . Die Vorlage für zuführen gedachte, nahezubringen. Wagner das im Jahr 1856 konzipierte buddhistische verabschiedete sich erst 1882, im Jahr der Drama ist Eugène Burnoufs Introduction Uraufführung des Parsifal, von dem Vorha- à l’histoire du buddhisme indien. Der ben. Er und seine Frau Cosima waren sich

10 darin einig, dass das zentrale Thema des einer Erlöserfigur eine Taufe vollzogen wird, Dramas, die Erlösung des qualvoll und hoff- liegen auf der Hand. Andere Motive, wie nungslos liebenden Tschandala-Mädchens das Verbot des Tötens von Tieren, der hei- Prakriti, zu große Parallelen zu Kundry auf- lige und friedvolle Gralswald und Kundrys wies, was unter anderem die Ausführung Seelenwanderungen lassen sich auf hin- der Sieger für Wagner unmöglich machte duistische Philosophie zurückführen. In der (vgl. S. 20). langen Zeit von der ersten Idee über di- verse Ausarbeitungen des Librettos bis zur Schopenhauers Philosophie, mit der er Endfassung drängten christliche Elemente erstmals 1854 im Schweizer Exil in Be- die anfangs überwiegenden buddhistischen rührung kam und die ihn jahrzehntelange zurück. begleitete, war für Wagner mehr als nur ein Türöffner zur Welt des Buddhismus. In Ein die Bruchstücke aus Buddhismus und einem Brief an Cosima vom 19. Dezember Christentum verbindendes Element liegt 1879 schreibt er rückblickend, der Atheist in der Philosophie des Mitleids begründet, Schopenhauer habe ihm darüber hinaus die die Dramaturgie des Werkes bestimmt. auch „das Christentum erschlossen“. Mitleid als zentraler moralphilosophi- Dass Wagner, der in seinen Werken auf scher Begriff war Wagner ebenfalls durch geniale Weise unterschiedlichste Sagen Schopenhauer vermittelt worden. Der von miteinander in Bezug setzte, auch in re- Wagner hochverehrte Philosoph sah in der ligiöser Hinsicht keine Grenzen kannte, „Theilnahme zunächst am Leiden eines darüber gibt Parsifal Auskunft, ein Werk, Andern und dadurch an der Verhinderung in dem sich buddhistische und christliche oder Aufhebung dieses Leidens“ den Perspektiven mischen. Inspiriert durch Weg zu „Befriedigung“, „Wohlseyn“ und Schopenhauer und aufgrund von „neues- „Glück“. Schopenhauers Überlegung, dass ten wissenschaftlichen Forschungen“ war Mitleid als Gegenteil von Egoismus sowie Wagner bereits 1855 zu der Auffassung triebhaft-selbstsüchtigem Eros der Schlüs- gelangt, dass „der ursprüngliche Gedanke sel zum Weltfrieden sei, faszinierte Wagner des Christenthums seine Heimath in Indien ungemein und floss in Verbindung mit der hat.“ Hier zeigt sich Wagners „unwiderleg- Forderung sexueller Askese in die Hand- lich begründet[e]“ Ansicht, dass zwischen lung seines letzten Werkes ein. Christentum und indischem Buddhismus eine enge Verwandtschaft bestehe. Hin- Bei aller Faszination für das Christentum sichtlich des Parsifal sind sich die Interpre- wusste Wagner immer zwischen Glaube ten darüber uneinig, wie die Anteile christ- und Religion auf der einen und der Insti- licher, buddhistischer oder gar heidnischer tution und den Dogmen der Kirche auf der Elemente in diesem Werk zu gewichten und anderen Seite zu unterscheiden. In seinen bewerten sind. Die christlichen Bezüge in vier sogenannten Regenerationsschriften, einer Oper, in der wiederholt von „Heiland“, die er 1880 und 1881 in den „Bayreuther „Charfreitag“, oder „Kreuz“ die Rede ist, in Blättern“ veröffentlichte, erweist sich der der „Stimmen aus der Höhe“ auf betörende Komponist als Zeit- und Kirchenkritiker. In Weise die Abendmahlsformel „Nehmet den Texten mit zum Teil fragwürdigen und hin meinen Leib, nehmet hin mein Blut um antisemitischen Gedankengängen diagnos- unsrer Liebe Willen!“ singen und in der von tizierte er gegen Ende seines Lebens eine

11 Krise der christlichen Religion, die er seit Was hier auf die Ankündigung eines wei- Jahren schon im Untergang begriffen sah. teren Aufsatzes zur Religion bezogen ist, Laut Wagner liegt das Übel darin begrün- wendet Wagner später auch auf seine det, dass das Christentum, so wie es von Kunst bzw. Kunst im Allgemeinen an. „Man der katholischen Kirche vertreten wird, in könnte sagen, dass da, wo die Religion seinem Wahrheitsanspruch unglaubwürdig künstlich wird, der Kunst es vorbehalten ist. Er beschreibt eine Entwicklung, die sei, den Kern der Religion zu retten, indem er mit seinen Schriften und vor allem mit sie die mythischen Symbole, welche die seiner Kunst umkehren wollte. Dabei ist erstere im eigentlichen Sinne als wahr er von der Richtigkeit und Notwendigkeit geglaubt wissen will, ihrem sinnbildlichen einer religiös-philosophischen Denk- und Werte nach erfasst, um durch ideale Lebensweise grundsätzlich überzeugt. Nur Darstellung derselben die in ihnen verbor- sei der Gottesdienst zum „theatralischen gene tiefe Wahrheit erkennen zu lassen.“ Gaukelwerk“ verkommen und das Eigent- Dadurch, dass das Kunstwerk immer als liche, die philosophische Erkenntnis bzw. menschliche Erfindung ohne eindeutigen die missverstandene Botschaft Jesu „ver- Wahrheitsanspruch deklariert sei, hat es schüttet“ worden. für Wagner eine Glaubwürdigkeit, die der Religion abhanden gekommen ist. In An- In einem Brief an Ludwig II. vom März 1880 lehnung an die mythische Theologie der sieht sich Wagner als Missionar, der den Dichter ist der Künstler für Wagner der verlorenen Urzustand wiederherstellen und „dichterische Priester“, der niemals lügt. zu den Urgründen der christlichen Religion Den Versuch, die durch die religiösen Ins- zurückführen könne: „Ein einziges Sinnen titutionen über Jahrhunderte verursachten und Erwägen erfreut mich dann: mir ist Verkrustungen abzuschlagen und zum Kern es, als ob ich der Welt durch die Resultate der Religion zurückzukehren, unternimmt er desselben noch ein großes Heil zuführen mit seinem Parsifal. Der Partitur, die er 1878 könnte. Es dünkt mich nämlich, daß ich der an schickte, fügte er den elend entartenden Menschheit den Grund Vermerk bei: „Herzlichen Gruß und Wunsch ihrer Entartung, und ihren Erlöser Christus seinem teuren Freunde Friedrich Nietzsche deutlich machen könnte.“ von Richard Wagner, Oberkirchenrat“.

HIER BIST DU, DIES DES GRALS GEBIET; DEIN HARRET SEINE RITTERSCHAFT. ACH, SIE BEDARF DES HEILES, DES HEILES, DAS DU BRINGST!

12 Alfred Reiter, Renatus Meszar 13 14 Erik Nelson Werner, Christina Niessen, Alfred Reiter 15 MYTHOLOG & MYTHOPOET UNZEITGEMÄSSE BETRACHTUNGEN IV (1876)

Wagner wurde aus einem versuchenden der Meister der Sprache, der Mytholog und Neuling ein allseitiger Meister der Musik Mythopoet, der zum ersten Male einen Ring und der Bühne und in jeder der technischen um das herrliche uralte ungeheure Gebilde Vorbedingungen ein Erfinder und Mehrer. schloß und die Runen seines Geistes darauf Niemand wird ihm den Ruhm mehr streitig eingrub – welche Fülle des Wissens hatte machen, das höchste Vorbild für alle Kunst er zusammenzubringen und zu umspannen, des großen Vortrags gegeben zu haben. um das alles werden zu können! Und doch Aber er wurde noch viel mehr, und um dies erdrückte weder diese Summe seinen und jenes zu werden, war es ihm so wenig Willen zur Tat, noch leitete das Einzelne als irgend jemandem erspart, sich lernend und Anziehendste ihn abseits. [...] Sobald die höchste Kultur anzueignen. Und wie ihn seine bildende Kraft überkommt, wird er dies tat! Es ist eine Lust dies zu sehen; ihm die Geschichte ein beweglicher Ton in von allen Seiten wächst es an ihn heran, in seiner Hand; dann steht er mit einemmal ihn hinein, und je größer und schwerer der anders zu ihr als jeder Gelehrte, vielmehr Bau, um so straffer spannt sich der Bogen ähnlich wie der Grieche zu seinem Mythus des ordnenden und beherrschenden Den- stand, als zu einem etwas, an dem man kens. Und doch wurde es selten einem so formt und dichtet, zwar mit Liebe und einer schwer gemacht, die Zugänge zu den Wis- gewissen scheuen Andacht, aber doch mit senschaften und Fertigkeiten zu finden, und dem Hoheitsrecht des Schaffenden. Und vielfach mußte er solche Zugänge improvi- gerade weil sie für ihn noch biegsamer und sieren. Der Erneuerer des einfachen Dra- wandelbarer als jeder Traum ist, kann er in mas, der Entdecker der Stellung der Künste das einzelne Ereignis das Typische ganzer in der wahren menschlichen Gesellschaft, Zeiten hineindichten und so eine Wahrheit der dichtende Erklärer vergangener Le- der Darstellung erreichen, wie sie der Hi- bensbetrachtungen, der Philosoph, der Hi- storiker nie erreicht. storiker, der Ästhetiker und Kritiker Wagner, Friedrich Nietzsche

16 Witalij Kühne, Statist 17 KÜNSTLERISCHE FREIHEIT ZUM WERK

„Stets Gewohntes nur magst du verstehn: Gelesene als Steinbruch. Bei allem phi- doch was noch nie sich traf, danach trach- lologischen Interesse ging es ihm weder tet mein Sinn.“ Richard Wagner, Die Wal- um vorlagengetreue Nacherzählungen küre, 2. Aufzug, 1. Szene mittelalterlicher Stoffe mit musiktheatra- len Mitteln des 19. Jahrhunderts noch um Richard Wagner war ein Meister darin, historisch korrekte Rekonstruktionen der Stoffe und Vorlagen unterschiedlicher Vergangenheit. Werke, wie beispielsweise Provenienz aufzugreifen und in seinen Die Meistersinger von Nürnberg belegen, Musikdramen in eine fruchtbare Verbin- dass Wagner nicht als Historiker oder Phi- dung zu bringen. Überblickt man sein lologe, sondern als Künstler agierte, der Werk, mutet der oben zitierte Ausspruch sich Vorlagenmaterial in einem langjähri- Wotans, mit dem der Göttervater die in- gen Prozess aneignete, frei umformte und zestuöse Liebe zwischen Siegmund und auf diese Weise in ein neues Kunstwerk Sieglinde verteidigt, wie das künstlerische überführte. Credo des Komponisten an. Der Bestand seiner umfangreichen Bibliothek in Villa Auch seine letzte Oper Parsifal gibt von und seine eigenen Schriften seiner synkretistischen Arbeitsweise dokumentieren Wagners breites Interesse Zeugnis. Neben Georg Gottfried Gervinus’ an mittelalterlicher Dichtung, an philoso- Geschichte der poetischen National- phischen und theologischen Texten sowie Literatur der Deutschen, Joseph Görres’ an wissenschaftlicher Fachliteratur. Der Einleitung seiner -Ausgabe Komponist, der die Texte seiner Opern und weiteren Texten stellt Wolfram von bekanntlich selbst verfasste, nutzte das Eschenbachs Versroman Parzival aus dem

18 frühen 13. Jahrhundert, die hauptquelle zuges mit einer undenklichen Steigerung“, dar. Bereits 1842 – lange vor dem ersten doch war es möglicherweise die besagte und nicht erhaltenen Szenarium zu Parsifal „Steigerung“, die den Auslöser gab, die vom Sommer 1857 – befasste sich Wagner beiden Stoffe getrennt zu behandeln. im Zuge der Vorarbeiten zu Tannhäuser und Lohengrin mit den Epen des mittelal- Wenngleich die handelnden Personen und terlichen Autors. Es ist anzunehmen, dass zentralen Handlungsmomente des Parsifal er in diesem Zusammenhang erstmals in den Grundzügen auf Wolfram zurückge- auch mit der Figur des angehenden Grals- hen, treten im direkten Vergleich mit der königs Parzival in Berührung kam. 1845, Vorlage Abweichungen zutage. Scheint während seines Sommeraufenthalts in uns der Gurnemanz der Oper als geschlos- Marienbad, folgte die gründliche Lektüre sen konzipierte Bühnenfigur, stellt sich des Romans. beim näheren Hinsehen heraus, dass er bei Wolfram aus mindestens zwei Figuren In seiner diktierten Autobiografie Mein besteht: Zum einen ist er Wolframs Gur- Leben dokumentiert Wagner rückblickend nemanz, ein Fürst, der den jungen Parzival seine Überlegung, Parzival im 3. Aufzug zum Ritter erzieht und ihn in die höfischen von auftreten zu lassen: Konventionen einweiht. Zum anderen sind „Im letzten Akte flocht ich hierbei eine je- Züge des Einsiedlers Trevrizent, Parzivals doch später nicht ausgeführte Episode ein: Onkel und Amfortas’ Bruder, in die Figur nämlich einen Besuch des nach dem Gral eingeflossen. Trevrizent ist bei Wolfram umherirrenden Parzival an Tristans Siech- für die religiöse Erziehung seines Neffen bette. Dieser an der empfangenen Wunde zuständig und macht ihn mit dem Gral siechende und nicht sterben könnende und der Gralsgesellschaft bekannt: eine Tristan identifizierte sich in mir nämlich Funktion die beide Wagner Gurnemanz mit dem Amfortas des Gral-Roman.“ Auch übernimmt. wenn er den Plan nicht in die Tat umsetzte, zeigt sich hier Wagners Methode, ur- Die Gralsbotin Kundry ist von noch grö- sprünglich unverbundene Stoffe miteinan- ßerer Komplexität. Im Gegensatz zur der zu verknüpfen: Stammt doch Parzival Geschlossenheit Gurnemanz’ ist sie als aus der besagten Vorlage Wolframs und gespaltene Persönlichkeit charakterisiert. Tristan aus dem gleichnamigen Versroman Ihre Vielgestaltigkeit wird im 2. Aufzug von Gottfried von Straßburg aus dem frü- explizit benannt: Weil sie einst den Heiland hen 13. Jahrhundert. Die symbolkräftige am Kreuz verlachte, ist sie dazu verdammt, Wunde, an der beide Protagonisten leiden, in unterschiedlichen Erscheinungsformen ermöglichte es Wagner, die Figuren als wiedergeboren zu werden, ohne Erlösung eine zu denken. zu finden. Sie war „Urteufelin“, „Höllenro- se“, „Herodias“ und „Gundryggia“, die un- Wie Wagner selbst schreibt, distanzierte heilbringende Teufelin aus Heinrich Heines er sich von der Idee und machte Parzival Versepos Atta Troll. Als Archetypus ver- 1857 in einer ersten, nicht erhaltenen eint sie verschiedene Frauengestalten, die Prosaskizze zum Titelhelden einer eigen- sich darin decken, dass sie – so Wagner in ständigen Oper. Zwar sieht er noch 1859 seinem ersten erhaltenen Prosaentwurf in Amfortas den „Tristan des dritten Auf- von 1865 – das „Leiden der Liebesverfüh-

19 rung über die Männer bringen“. Darüber sie Parallelen zu Parzivals Cousine auf, die hinaus bewegt sich die – nach Thomas alles über ihren Cousin und seine Herkunft Mann – „dichterisch kühnste“ Frauenfigur zu berichten weiß. Wagners in diametral entgegengesetzten Welten, in denen sie unterschiedliche, teils Parsifal ist angereichert mit einer Vielzahl widersprüchliche Aufgaben verrichtet: In an Konnotationen und Referenzen, die der Welt der Gralsritter ist sie die büßende Wagner aus weiteren Quellen entnommen Dienerin, die als weise Heilerin Linderung hat. So haben beispielsweise Klingsors für Amfortas’ Leiden sucht. In Klingsors Blumenmädchen ihr Vorlage nicht in Wolf- Welt hingegen tritt sie als verderbende rams Parzival, sondern stammen aus der Versucherin auf, die im Auftrag ihres Herrn deutschsprachigen Fassung des Alexan- handelt. derlieds (1150) des mittelalterlichen Dich- ters Pfaffe Lamprecht. Kundry erinnert ferner an Maria Magdale- na, die, wie im Neuen Testament berichtet Auch beim Gral, dem mythischen Kult- wird, Jesus die Füße wäscht und mit ihrem gegenstand, entfernte Wagner sich von Haar trocknet. Es gibt einen weiteren, Wolfram. Wie er 1859 an Mathilde Wesen- zunächst abwegig erscheinenden Bezug donck schreibt, war er der Ansicht, dass zu einer Figur aus der buddhistischen Wolfram die Gralslegende missverstanden Tradition: Kundrys Schicksal erinnert und falsch dargestellt habe. Der Gral, von an Prakriti, die Wagner als weibliche der christlichen Ritterschaft behütet und Hauptfigur in seinem nicht ausgeführten verehrt, ist bei Wolfram kein Kelch, son- Drama Die Sieger vorsah (vgl. S. 10 f.). dern ein Stein mit überirdischen Kräften: Ähnlich wie die Gralsbotin, die „Schuld Schon sein Anblick hat lebensverlängern- aus früh’rem Leben“ büßend ruhelos de Wirkung. Darüber hinaus sichert er das durch Welten und Zeiten irrt, ist auch das Überleben der Gralsritter auf materielle Tschandalamädchen Prakriti eine Ver- Weise, indem er Speis und Trank spen- dammte, die erst durch Buddha aus einer det. Wolfram von Eschenbach war nicht unheilvollen und unendlichen Folge von der erste Autor, der sich mit dem Gral Wiedergeburten erlöst wird. beschäftigt hat: Seine Vorgänger waren Robert de Boron, Chrétien de Troyes Was im Opernlibretto ebenfalls verschwie- und Albrecht von Scharfenberg, die ihm gen wird, Wagner 1860 aber in einem Brief als Vorlage gedient haben. Vor allem die an Mathilde Wesendonck dokumentiert, Gralsdichtung von Robert de Boron Ende ist die Tatsache, dass Kundry ferner eine des 12. Jahrhunderts ist von Interesse, Synthese zweier Figuren Wolframs ist. weil hier der Gral der keltischen Arthussa- Zum einen ist sie die unansehnliche Grals- ge erstmals mit der christlichen Eucharis- botin und Zauberin „Cundrie la Surziere“, tie in Verbindung gebracht wird. Bei ihm die schon bei Wolfram schizophrenerwei- ist der Gral der Kelch des Letzten Abend- se der Gralswelt und der Welt Klingsors mahls, in dem einer Legende nach Joseph (Clinschor bei Wolfram) zugeordnet ist. von Arimathia das Blut des Erlösers aufge- Zum zweiten trägt sie Züge der Herzogin fangen und aufbewahrt haben soll. Diese Orgeluse, der ehemaligen Verführerin und christliche Dimension, die auch Chrétien Geliebten Amfortas’. Darüber hinaus weist aufgegriffen hat, fehlt bei Wolfram. Wag-

20 ner, der die Qualität von Wolframs Gralsro- buddhistische Motive eingeflossen, die man kritisiert, übernimmt stillschweigend sich darüber hinaus mit Schopenhauers Robert de Borons christliche Deutung. Aus Philosophie verbinden. In Verbindung dem mysteriösen Stein wird eine Reliquie, mit einer Musik, die auch überzeugte der sich als zweiter Kultgegenstand der Antiwagnerianer, wie beispielsweise den Heilige Speer an die Seite gesellt, mit dem Wiener Kritiker Eduard Hanslick oder den nicht nur dem Heiland am Kreuz die Seite ehemaligen Freund Wagners Friedrich geöffnet, sondern auch Amfortas die quä- Nietzsche, beeindruckte, ist Parsifal nicht lende Wunde zugefügt wurde. zuletzt aufgrund der schwindelerregenden Vielzahl unterschiedlichster Referenzen Wie sich zeigt, sind in Wagners „Büh- und seiner musikalischen Qualität ein nenweihfestspiel“ unterschiedliche verrätselter, irisierender Palimpsest, der mitteralterliche Vorlagen, christliche und damit eine große Faszination ausübt.

WER IST DER GRAL? 21 ZEIT- TAFEL 1813 Am 22. Mai wird Richard Wagner in Leipzig geboren.

1836 San Marte (Albert Schulz) veröffentlicht den ersten Band seiner Übersetzung von Wolfram von Eschenbachs Parzival. Der zweite Band erscheint 1841. Wagner verwendet diese Ausgabe als Grundlage für sein Bühnenweihfestspiel Parsifal.

1845 Wagner beschäftigt sich im Sommer während eines Kuraufenthalts in Marienbad mit dem Parzival-Stoff.

1854 Erste Lektüre von Die Welt als Wille und Vorstellung (1. Auflage 1819) von Arthur Schopenhauer.

1857 Am 20. April verfasst Wagner eine nicht erhaltene erste Prosaskizze. Als inspirie- renden Auslöser zur Niederschrift gab Wagner das Erwachen der Natur am Karfreitag an. Später räumt er ein, die Anekdote erfunden zu haben.

1865 Zwischen 27. und 30. August verfasst Wagner einen ersten Prosaentwurf und überreicht ihn seinem Gönner Ludwig II.

1877 Am 23. Februar stellt Wagner den zweiten Prosaentwurf fertig.

Zwischen 14. März und 19. April schreibt Wagner das Libretto nieder. Ausgehend von Joseph Görres, der den Namen vom persischen „fal parsi“ (= der törichte Reine) ableitet, entscheidet sich Wagner für die Schreibweise „Parsifal“.

Im September beginnt Wagner mit der Komposition.

Veröffentlichung des Librettos im Dezember im Schott-Verlag. Wagner schickt ein Exemplar an Friedrich Nietzsche.

22 1878 Am 25. Dezember führt das Meininger Hoforchester anlässlich des Geburtstags von Cosima Wagner das Vorspiel zum 1. Aufzug auf.

1879 Im April beginnt Wagner mit der Orchestrierung des Werkes.

1880 Im Juli verfasst Wagner in Neapel Religion und Kunst, die zu seinen sogenannten Regenerationsschriften gehört.

Am 28. September teilt Wagner König Ludwig II. in einem Brief mit: „So muß ich ihm [Parsifal] denn nun eine Bühne zu weihen suchen [...]. Dort [in Bayreuth] darf der Parsifal in aller Zukunft einzig und allein aufgeführt werden.“

Im November besucht Wagner König Ludwig II. und leitet für ihn in einer Privataufführung das Parsifal-Vorspiel.

1881 Im Juni beginnen in der Villa Wahnfried die Klavierproben für die Uraufführung.

Im August schreibt Wagner den Aufsatz Heldentum und Christentum. Anregung dafür ist seine Lektüre des Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen des französischen Rassentheoretikers Arthur de Gobineau sowie das Treffen mit dem Autor im Mai.

1882 Am 13. Januar vollendet der Komponist die Partitur in Palermo.

Am 2. Juli beginnen die Proben zur Uraufführung des Parsifal in Bayreuth.

Am 26. Juli findet bei den 2. Bayreuther Festspielen die Uraufführung unter der Leitung des jüdischen Dirigenten Hermann Levi statt. Unter den prominenten Gästen sind , Léo Delibes, Camille Saint-Saëns, Engelbert Humperdinck und Anton Bruckner. König Ludwig II. ist abwesend.

1883 Am 13. Februar stirbt Wagner in Venedig an einem Herzanfall.

Im Dezember erscheint der Erstdruck der Parsifal-Partitur.

1884/85 Privataufführungen des Bühnenweihfestspiels für König Ludwig II. in München.

1914 Trotz Protesten der Wagner-Familie und der Wagner-Gemeinde endet die Schutz- frist von Parsifal. Nun darf die Oper auch außerhalb der Bayreuther Festspiele aufgeführt werden. Zuvor gab es bereits szenische Aufführungen: 1903 in New York und Mailand sowie 1905 in Amsterdam.

Folgeseiten Steven Ebel, Renatus Meszar, Luiz Molz, Nando Zickgraf, Max Friedrich Schäffer, Sofia Mara, Lydia Leitner; Walter Schreyeck, Statist 23 24 25 DAS LERNEN NICHT VERLERNEN ZUR INSZENIERUNG

Regisseur Keith Warner im Gespräch mit Text gleichwertig sind. Aber das ist kein Operndramaturg Raphael Rösler Alleinstellungsmerkmal Wagners, sondern trifft auch auf die Opern von Leoš Janáček, Du bist ein wahrer Wagner-Spezialist Alban Berg, Benjamin Britten und vielen und hast seine Opern zum Teil mehrmals modernen Komponisten zu. inszeniert, „Lohengrin“ bei den Bayreuther Festspielen, den „Ring des Nibelungen“ 2012 hast du „Parsifal“ an der Königlichen in Tokio und London oder „Tannhäuser“ Oper in Kopenhagen auf die Bühne ge- in Brighton, Minden und Straßburg. Was bracht. Was ist der Grund dafür, dass du fasziniert dich an seinem Werk? das „Bühnenweihfestspiel“ ein zweites Mal inszenierst? Bei Wagner überzeugt mich wie bei nur wenigen anderen Opernkomponisten die Bei Wagners Musikdramen haben wir es Tatsache, dass er Musik, Text und Szene mit komplexen Kunstwerken zu tun, die zusammengedacht hat und die drei Kom- eine Vielzahl an Interpretationsmöglich- ponenten, die Musiktheater ausmachen, keiten zulassen. Ich bin mittlerweile der vor allem in seinen späten Musikdramen Ansicht, dass man Wagners Kosmos kaum untrennbar miteinander verbunden sind. gerecht werden kann. Überspitzt gesagt: Ohne Werke anderer Komponisten abwer- Als Wagner-Regisseur kann man eigentlich ten zu wollen, habe ich beispielsweise bei nur scheitern – manchmal mehr, manchmal manchen italienischen Opern das Gefühl, weniger. Den Reichtum an Informationen, dass die Musik überzeugender ist als Erzählungen und Weltsichten im Ring des der Text und deswegen im Vordergrund Nibelungen kann man in einer Inszenierung steht. Ich persönlich befasse mich lieber kaum erschöpfend darstellen. Das führt bei mit Opern, in denen zumindest Musik und mir dazu, dass sich während der Proben,

26 also wenn ich ein bereits entwickeltes Wagner-Figuren. Damit meine ich nicht, Konzept mit den Sängern umsetze, neue dass sie alle Wagner-Frauen in sich vereint. Perspektiven auf jenes Stück öffnen, das Sie ist keine Elisabeth und keine Senta, im ich gerade inszeniere. Gegenteil. Sie ist vielmehr ein Sinnbild für Weiblichkeit und für die Kraft und Macht Auch Parsifal ist so eine Reise, die ich der Frau. Ich glaube nicht, dass es Wagner begonnen habe, die aber noch nicht been- in seinen Werken und Schriften um die Dar- det ist. Hinsichtlich der philosophischen stellung eines Geschlechterkampfes ging, Dimension habe ich noch dieselbe Sicht auf sondern dass er das Weibliche als solches das Stück wie vor drei Jahren. Aber von thematisieren wollte, das in unterschiedli- manchen Charakteren habe ich ein ande- chen Anteilen in jedem Menschen steckt. res, vielleicht klareres Verständnis entwic- kelt, das ich szenisch erarbeiten wollte. Mit Kundry haben wir eine glaubwürdige Zum Beispiel Gurnemanz: In der Karlsruher Frauenfigur vor uns und nicht bloß eine Inszenierung möchte ich die verschiedenen allegorische Chiffre für DIE Frau. Sie ist Facetten dieser Figur vertiefen. Dass Gur- ein Mensch aus Fleisch und Blut; in einem nemanz ein Außenseiter und Lehrer ist, ist Moment ist sie sexuell erregt, im nächsten kein Geheimnis, nur was für einer? Seine von ihren sexuellen Begierden angewidert. Betrachtungen über den Gral beispiels- Sie erinnert mich an die Frauenfiguren weise sind nie nur so dahingesagt oder von Henrik Ibsen. In der Literatur ist häu- gar apodiktisch, sondern ausgesprochen fig von Kundrys Schizophrenie die Rede. differenziert: Er erörtert, was der Gral war Ich bin diesbezüglich jedoch der Ansicht, und was er gegenwärtig ist, was er für ihn dass Kundrys Charakter nicht über die persönlich bedeutet, was er ganz praktisch alltägliche psychische und emotionale Wi- betrachtet ist und was der Gral als Symbol dersprüchlichkeit hinausgeht, die uns allen und Idee bedeutet. Zugleich zeigt er sich anhaftet. uns in seinen Worten und in seiner Musik als eine Person voller Widersprüche, die Wie verträgt sich das mit der Tatsache, hadert, an sich zweifelt, neu denkt und dass Kundry in Verbindung mit ihren frü- umdenkt und sich dabei selbst entdeckt. heren Leben und Erscheinungsformen, die Gurnemanz ist ein Weiser, der unentwegt Klingsor im 2. Aufzug aufzählt, den Arche- hinterfragt, der das Lernen nicht verlernt typ einer verführerischen Frau verkörpert? hat und am Ende der Oper ein anderer ist als zu Beginn. Mein Ziel in der Karlsruher Kundry ist nicht nur Archetyp, sondern Inszenierung war es, die Komplexität und gleichzeitig auch ein realistisch gezeich- Entwicklung dieser Figur, die ein Zentrum neter Charakter. Sie ist eine moderne und des Werkes darstellt, mit schauspieleri- leidenschaftliche Frau, die für Selbstent- schen Mitteln auf die Bühne zu bringen. deckung und Selbstreflexion steht. Sie ist in der Lage, die Welt und sich selbst zu Ein weiteres Zentrum der Oper und ähnlich erfahren und sich gleichzeitig davon zu komplexe Figur ist Kundry. Wer ist diese lösen. Sie tritt aus sich heraus, betrachtet Frau? sich von außen und stellt sich dabei einige Fragen: Wer bin ich? Was geschieht mit Kundry ist die Kulmination aller weiblichen mir? Warum wird meine Sexualität von

27 Klingsor instrumentalisiert? Was erwarte Erlösung im „Parsifal“ von zentraler Be- ich vom Leben? Eine Figur, wie wir sie aus deutung. Wer ist der Erlöser, wer der Erlö- der Dramatik des 20. Jahrhunderts, bei- ste und von was wird erlöst? spielsweise aus den Stücken von Harold Pinter, Tennessee Williams, aber auch von Der Erlöser ist natürlich Parsifal, der durch Alban Berg kennen. Wagner war in dieser die Entwicklung, die er durchläuft, in die Hinsicht sehr modern und seine Proben- Lage versetzt wird, die leidende Gralsge- notate beweisen, dass er an psychologi- sellschaft und Kundry zu erlösen. Das ist schem Schauspiel und Gesang interessiert aber nicht in einem restaurativen Sinne war – und das Jahrzehnte vor Konstantin zu verstehen. Parsifal ist jemand, der Stanislawski, dem Begründer des naturali- den Gral bzw. die Gralsgesetze umstößt. stischen Theaters. Der Gral muss geheilt werden und zwar von sich selbst. Der Urzustand wird nicht Wir haben es hier also mit einem span- wiederhergestellt, stattdessen wird eine nungsvollen und spannenden Verhältnis neue Welt gegründet. Es ist die Geschichte zwischen Archetypisierung und Realismus einer Aufklärung. Bemerkenswert ist da- zu tun. Als Regisseur habe ich die Aufgabe bei, dass Parsifal im Moment der Erlösung diese reizvolle Ambivalenz herauszustellen: nicht nur den Speer zurückbringt und damit Beschränkt man sich nur auf einen Aspekt, Amfortas’ Wunde schließt, sondern dass er entweder auf Realismus oder Abstraktion, auch eine Frau ins Zentrum der Gralswelt hat man verloren. bringt, d. h. in die bis dahin nur Männern vorbehaltene Gralsburg. Welch ein optimi- Nun haben wir mit Kundry und nach Gur- stisches Ende! nemanz schon die zweite Figur, die eine Entwicklung, wenn nicht gar einen Lern- Die Rezeptionsgeschichte hat sich mit der prozess durchlebt. Bewertung und Interpretation von Wag- ners letzter Oper schwer getan. Die musi- Ja, und die dritte ist bekanntlich Parsifal, kalische Qualität ist unumstritten. Doch der Titelheld, der vom reinen Tor zu einer die grundlegende Frage, ob „Parsifal“ ein „durch Mitleid wissenden“ Person wird: christliches, ein buddhistisches oder gar Wir sind Zeugen seiner Entwicklung – aus- ein antichristliches Werk ist, beschäftigt gehend von einem sehr unreifen Zustand, die Gemüter seit den ersten Aufführungen. der mich an einen schreienden unreflek- Wie denkst du darüber? tierten Säugling erinnert. Er ist wie das reine Ego, das die Welt und sein Gegenüber Parsifal ist kein Werk, das sich in Begriffen gar nicht denken kann: Für ihn gibt es zu- und Glaubensinhalten einer einzigen Glau- nächst kein „Du“. Am Ende erleben wir, wie bensrichtung oder einer einzigen Philoso- er durch die ebenso intensive wie lehrrei- phie erschöpft. Es ist weder rein christlich, che Erfahrung von Mitleid und durch seine buddhistisch oder schopenhauerisch, son- lange Reise ins Zentrum der Gralswelt, auf dern eine Mischung aus alldem. Wagner ist der er viel erlebt und gelernt hat, zu einem ein großer Plünderer, der Motive und Inhal- vollwertigen Menschen geworden ist. te aus verschiedenen Traditionen aufgreift und sie für seine Zwecke nutzt. Was mich Mehr als in anderen Opern Wagners ist interessiert, ist Parsifal als soziologisches

28 und aufklärerisches Lehrwerk, das auf- der „Guten“, ein Gralsritter zu sein. Letzt- zeigt, wie eine Gesellschaft sich erneuern lich stehen auf beiden Seiten Menschen, kann. Religion ist in diesem Kontext nicht die das gleiche Ziel verfolgen und die sich mehr als eine Metapher für Leidenschaft aus diesem Grund in einen inneren Kampf und die Entscheidung, sein Leben nach begeben haben. Beide Seiten erleiden auf bestimmten Überzeugungen und Gesetz- ihre Weise Verluste. Deswegen gibt es in mäßigkeiten zu führen. Dass man dabei auf unserem Bühnenbild, das oberflächlich Abwege kommen kann, zeigt die Gralsge- betrachtet streng in Schwarz und Weiß sellschaft, die in einer Krise steckt. Und geteilt ist, im Weißen auch Schwarzes und diese gilt es zu überwinden. umgekehrt.

Warum hat Wagner seinem „Bühnenweih- Die Gralsritter wurden schon als Über- festspiel“ diese einzigartige Gattungsbe- lebende einer Atomexplosion, als Kanni- zeichnung gegeben? balen oder gleich als Stellvertreter der deutschen Gesellschaft vom Kaiserreich Interessant ist doch, dass Wagner den bis zur Berliner Republik in Szene gesetzt. Parsifal nicht als Passionsspiel oder wie Wie ist deine Sicht auf diese besondere auch immer geartetes geistliches Spiel Gesellschaft? definiert hat. Seine Gattungsbezeichnung stellt die Bühne als geweihten Ort und den Für mich sind die Gralsritter nichts anderes Festspiel-Charakter der Aufführung in den als Menschen, die sich dafür entschieden Vordergrund. Theater – vor allem in der haben, ein bestimmtes Leben zu führen. Sie erwähnten Verbindung von Musik, Text und sind Menschen mit einer starken Überzeu- Szene – war für Wagner etwas Religiöses, gung. Das trifft letztlich auf viele Lebens- das die Kraft hat, Veränderungen zu bewir- weisen und Kulturen zu, deren Traditionen ken. Im Gegensatz zur christlichen Religion und Rituale von außen betrachtet seltsam, ist das Theater ein freier Ort, an dem auch fremd und unverständlich wirken können. Probleme angesprochen werden können, Die Gralsritter sehe ich als Abbild unserer die an anderen Orten unvorstellbar wären, Gesellschaft: Viele sind Mitglied einer reli- beispielsweise bezüglich Sexualität, Be- giösen Gruppierung, einer Partei oder eines gierde und Selbstkasteiung. Vereins, in der eigene Gesetzmäßigkeiten gelten und eigene Verhaltenskonventionen Die Einteilung der Welt in gut und böse üblich sind. Die Gralsszenen im 1. und 3. scheint im „Parsifal“ eindeutig: Der Welt Aufzug sind für mich weniger religiöse der asketischen, keuschen und vegetari- Zeremonien. Sie erinnern mich in der Auf- schen Gralsritter, „des reinen Glaubens spaltung des Chores in zwei Gruppen an Reich“, steht die dämonische Welt Klings- eine Auseinandersetzung innerhalb einer ors und der Zaubermädchen gegenüber. Ist solchen Gemeinschaft, in der es unter- es tatsächlich so einfach? schiedliche Fraktionen gibt.

Es scheint zunächst so, weil jeder vom eigenen Gutsein oder wie Klingsor von der eigenen Bosheit überzeugt ist. Aber Klingsor lechzt immer noch danach, einer

Folgeseiten Alfred Reiter, Erik Nelson Werner, Renatus Meszar, Staatsopernchor; Walter Schreyeck, Statist 29 30 31 Justin Brown Musikalische Leitung Johannes Willig Nachdirigat

Justin Brown studierte an der Cambridge Der Dirigent wurde in Freiburg/Breisgau ge- University und in Tanglewood bei Seiji boren und studierte an der dortigen Hoch- Ozawa und Leonard Bernstein. Als Dirigent schule Klavier, Dirigieren und Korrepetition. debütierte er mit der britischen Erstauffüh- Es folgte ein Studium der Orchesterleitung rung von Bernsteins Mass. Brown leitete bei Leopold Hager, Harald Goertz und Kon- zahlreiche Uraufführungen und dirigierte rad Leitner an der Hochschule für Musik wichtige Werke bedeutender zeitgenössi- und Darstellende Kunst Wien. Seit 1996 scher Komponisten wie Elliott Carter und war er Stipendiat des DAAD. Erste Enga- George Crumb und musizierte mit namhaf- gements führten den Preisträger mehrerer ten Solisten wie Yo-Yo Ma, Leon Fleisher internationaler Dirigentenwettbewerbe an und Joshua Bell. Zahlreiche Gastengage- das Theater in Biel/Solothurn. 2000 wech- ments führten ihn an renommierte Opern- selte er als 2. Kapellmeister und Assistent häuser und zu Orchestern weltweit. Als des GMD an das STAATSTHEATER KARLS- Generalmusikdirektor am STAATSTHEATER RUHE. Ab 2003/04 war er 1. Kapellmeister KARLSRUHE, der er seit 2008 ist, wird Jus- und Stellvertretender GMD an der Oper tin Brown vor allem für seine Dirigate von Kiel. Seit 2011/12 ist er als 1. Kapellmeister Wagners Ring sowie den Werken Berlioz’, und Stellvertretender Generalmusikdi- Verdis und Strauss’ gefeiert. Neben Parsi- rektor am STAATSTHEATER engagiert. fal leitet er in der Spielzeit 2014/15 Verdis In der Spielzeit 2014/15 leitet er u. a. die Falstaff, das Benefizkonzert des Bundes- Wiederaufnahmen von Tosca, La Traviata präsidenten, mehrere Sinfoniekonzerte und und Così fan tutte. Zudem dirigiert er das 7. zwei Jugendkonzerte sowie das Klassik- Sinfoniekonzert und bei der Eröffnung des Frühstück bei DAS FEST. Stadtjubiläums.

32 Keith Warner Regie Tilo Steffens Bühne

Keith Warner ist einer der wichtigsten Re- 1993 erhielt Tilo Steffens sein erstes En- gisseure unserer Zeit. Er ist v. a. für seine gagement als Bühnenbildassistent am Wagner-Inszenierungen bekannt, darunter Thalia Theater in Halle. Seit 1997 ist er als Lohengrin in Bayreuth, Parsifal und Tann- freischaffender Bühnen- und Kostümbild- häuser in Kopenhagen und Straßburg und ner für Musiktheater, Schauspiel und Tanz in Tokio und Lon- tätig und lebt in Karlsruhe. Er schuf u. a. don. Am Royal House Covent Garden die Bühnenbilder für die Uraufführung an feierte er mit Bergs Wozzeck – 2003 mit dem der Oper Frankfurt von Rolf Rihms Sirenen „Olivier Award“ als beste Opernproduktion (Regie Tobias Heyder), Ariadne auf Naxos ausgezeichnet – und dem Ring des Nibelun- in Freiburg (Regie Jörg Behr) und Rusalka gen große Erfolge. Er arbeitet regelmäßig in Kiel (Regie Roman Hovenbitzer). Er arbei- an der Oper Frankfurt, wo er u. a. Brittens tete mit Keith Warner bei Nabucco an der Death in Venice, Rossinis La Cenerentola, Deutschen Oper Berlin und bei Murder in Pizzettis Murder in the Cathedral (Assassi- the Cathedral (Assassinio nella cattedrale) nio nella cattedrale) und zuletzt Humper- an der Oper Frankfurt. Außerdem brachte dincks Hänsel und Gretel inszenierte. Eine er mit Die Meistersinger enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit von Nürnberg in Bayreuth, am dem Theater an der Wien, wo er u. a. Blochs Theater Bremen und Tannhäuser am Teatro Macbeth, Mozarts Don Giovanni, Donizettis Pérez Galdós auf Gran Canaria auf die Büh- Lucrezia Borgia, Schulhoffs Flammen und ne. 2014/15 kreiert er die Räume für Verdis zuletzt Hindemiths Mathis der Maler insze- Simon Boccanegra am Theater Osnabrück nierte. Im Mai erarbeitet er Peter Pan von sowie für Puccinis Tosca am Musiktheater Richard Ayres an der Welsh National Opera. im Revier Gelsenkirchen.

33 Julia Müer Kostüme

Julia Müer studierte Bühnen- und Kostüm- bild an der Hochschule für Bildende Künste Dresden und schloss ihr Studium 2007 als Meisterschülerin ab. Im selben Jahr war sie Preisträgerin des Europäischen Opernregie-Preises und 2008 Finalistin des Ring Award in Graz. Seit 2009 arbeitet sie regelmäßig als Bühnen- und Kostümbild- nerin mit Keith Warner, Katharina Thoma, Nicola Raab und Ute M. Engelhardt zusam- men. Bisherige Arbeiten waren u. a. an der Oper Frankfurt, der Semperoper Dresden, der Deutschen Oper Berlin, der Königlichen Oper Kopenhagen, der Ungarischen Staats- oper Budapest, der Folkoperan Stockholm, der Oper Malmö, der Dallas Opera sowie am Gärtnerplatztheater München und bei den Opernfestspielen in Glyndebourne zu sehen. Im Sommer 2015 kreiert sie die Kos- tüme für Modest Mussorgskys Boris Godu- now bei den Opernfestspielen in Savonlin- na. Zukünftige Engagements führen sie u. a. nach Frankfurt, Dresden und Kopenhagen. Jaco Venter 34 Folgeseiten Ensemble, Staatsopernchor 35 36 37 RENATUS MESZAR Amfortas Der studierte Kirchenmusiker gab sein Operndebüt bei der Münchner Bi- ennale 1990. Internationale Auszeichnungen bahnten ihm den Weg in die Ensembles von Braunschweig, Weimar und Bonn. Seit 2012 gehört er dem STAATSTHEATER KARLSRUHE an, wo er u. a. bereits als Wotan/Wanderer und Hans Sachs zu erleben war. In der Spielzeit 2014/15 singt er u. a. König von Bayern in Fantasio und den Sprecher in Die Zauberflöte.

AVTANDIL KASPELI Titurel Der georgische Bass studierte u. a. in München, wo er sein Debüt als Sparafucile in Rigoletto feierte. Am Prinzregententheater verkörperte er die Rolle des Komtur in Don Giovanni. Seit 2011/12 ist er am STAATSTHEA- TER KARLSRUHE engagiert. In der Spielzeit 2014/15 übernimmt er u. a. die Rollen des Pistola in Falstaff, des Colline in La Bohème und Sarastro in Die Zauberflöte.

ALFRED REITER a. G. Gurnemanz Der international renommierte Bass studierte Gesang in München und sang auf den großen Bühnen, u. a. an der Wiener Staatsoper und bei den Bayreuther Festspielen. Reiter arbeitete bereits mit wichtigen Dirigenten wie Daniel Barenboim, Philippe Herreweghe und Giuseppe Sinopoli. Im Herbst 2015 wird er an der San Francisco Opera als Sarastro in Die Zau- berflöte zu erleben sein.

FRANK VAN HOVE a. G. Gurnemanz Der gebürtige Bonner sammelte erste Bühnenerfahrungen als Ensemblemit- glied des Anhaltischen Theaters Dessau. Weitere Engagements führten ihn u. a. an die Komische Oper Berlin, an die Volksoper Wien und an die König- liche Oper Kopenhagen. Zu seinem breit gefächerten Repertoire gehören Partien wie Daland in Der fliegende Holländer, Sarastro in Die Zauberflöte und Ochs in Der Rosenkavalier.

ERIK NELSON WERNER a. G. Parsifal Der deutsch-amerikanische Sänger begann seine Karriere als Bariton und wechselte später ins Heldentenorfach. Er gewann den ersten Preis in der Wagner-Kategorie des Gesangswettbewerbs der Liederkranz Foundation New York. Seitdem gastiert er international in den USA und in Europa. 2013 debütierte er als Siegmund in Die Walküre unter Zubin Mehta beim Mag- gio Musicale Fiorentino.

JACO VENTER Klingsor Der südafrikanische Bariton studierte Gesang in seiner Heimat und in San Francisco, zudem besuchte er zahlreiche Meisterklassen u .a. bei Thomas Hampson, Ruth Ann Swenson und Patricia Craig. Seit 2011/12 ist er En- semblemitglied am STAATSTHEATER KARLSRUHE. In der Spielzeit 2014/15 ist er als Giorgio Germont und Scarpia in den Wiederaufnahmen von La Traviata und Tosca zu hören.

38 Alfred Reiter, Erik Nelson Werner 39 CHRISTINA NIESSEN Kundry Die Sopranistin ist Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe und Stipendi- en. Seit der Spielzeit 2006/07 ist Christina Niessen am STAATSTHEATER KARLSRUHE engagiert und war hier in vielen großen Rollen ihres Fachs, beispielsweise als Eva in Die Meistersinger von Nürnberg, Senta in Der fliegende Holländer, Elsa in Lohengrin, Leonore in Fidelio und als Feld- marschallin in Der Rosenkavalier zu erleben.

STEVEN EBEL Erster Gralsritter Ebel war Teilnehmer des Jette Parker Young Artists Programme am Royal Opera House in London, wo der Tenor sein Debüt als Victor / Gaston in Korngolds Die tote Stadt hatte. Dem STAATSTHEATER KARLSRUHE gehört er seit der Spielzeit 2011/12 an. Hier sang er u. a. Don Basilio in Die Hoch- zeit des Figaro und Steuermann in Der fliegende Holländer. In der Spiel- zeit 2014/15 ist er als Pylades in Iphigenie auf Tauris zu erleben.

LUIZ MOLZ Zweiter Gralsritter Der Brasilianer ist nach Engagements in Stuttgart und Freiburg seit 2001 Ensemblemitglied des STAATSTHEATERS KARLSRUHE. Hier war der Bass in über 60 Partien zu erleben. Gastspiele führten ihn u. a. an Bühnen der Bundesrepublik, Kroatien, Estland und Südkorea. In Karlsruhe singt er in der Spielzeit 2014/15 Colline und Benoît in La Bohème sowie Pistola in Verdis Falstaff.

Ks. INA SCHLINGENSIEPEN Blumenmädchen Nach Engagements in Bulgarien und unter Marc Minkowski am Teatro Real Madrid kam die Sopranistin über Bremen ans STAATSTHEATER KARLSRUHE. Hier kreierte sie von Donizettis Lucia bis Strauss’ Sophie zahllose Partien. 2006 erhielt sie den Goldenen Fächer der Theatergemein- de Karlsruhe, 2007 den Otto-Kasten-Preis und 2013 den Titel Kammersän- gerin. 2014/15 singt sie u. a. Theres in Fantasio und Musetta in La Bohème.

LYDIA LEITNER a. G. Blumenmädchen, Erster Knappe Die österreichische Sopranistin studierte in Linz und in Karlsruhe. Sie war Stipendiatin des Richard-Wagner-Verbandes und der Heinrich-Hertz- Stiftung. In den Spielzeiten 2012/13 und 2013/14 war sie Mitglied des Karls- ruher Opernstudios und war u. a. als Hannchen in Der Vetter aus Dingsda, als Polstersessel und Schleiereule in Das Kind und die Zauberdinge und als Nichte in Peter Grimes zu hören.

SOFIA MARA a. G. Blumenmädchen, Zweiter Knappe Die urugu­ ­a­yische Sopranistin studierte Gesang in Montevideo, Madrid und Karlsruhe. Neben ihrem Studium wirkte sie bei Produktionen in Urugu- ay, Spanien und Deutschland mit. 2008 gewann sie den ersten Preis beim Gesangswettbewerb „Jeunesses Musicales“. Sie ist u. a. Stipendiatin der Hildegard Zadek Stiftung, der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Richard- Wagner-Stipendienstiftung.

40 AGNIESZKA TOMASZEWSKA Blumenmädchen Die polnische Sopranistin studierte Gesang an der Musikakademie Dan- zig. Am STAATSTHEATER KARLSRUHE gastierte sie bereits als Susanna in Die Hochzeit des Figaro und als Katja in Die Passagierin. Als neues Ensemblemitglied seit der Spielzeit 2014/15 ist sie als Mimì in La Bohème, als Nanetta in Falstaff und als Fiordiligi in der Wiederaufnahme von Così fan tutte zu erleben.

Ks. TINY PETERS Blumenmädchen Die Sopranistin ist seit 1981 Ensemblemitglied des STAATSTHEATERS KARLSRUHE. Zu ihrem umfangreichen Repertoire gehören u. a. Gretel in Hänsel und Gretel, Papagena in Die Zauberflöte, Adele in Die Fledermaus und Eliza in My Fair Lady. 2006 wurde ihr der Titel „Kammersängerin“ ver- liehen. In der Spielzeit 2014/15 übernimmt sie Papagena in Die Zauberflöte und Despina in Così fan tutte.

KATHARINE TIER Blumenmädchen Als ehemaliges Mitglied des Adler Fellowship Programs der San Francisco Opera war der australische Mezzo u. a. als Carmen, Charlotte in Werther, Rossinis Tancredi sowie in Liederabenden weltweit zu hören. 2011 debü- tierte sie als Didon in Berlioz‘ Trojanern am STAATSTHEATER KARLSRUHE, dessen Ensemble sie seither angehört. In der Spielzeit 2014/15 gestaltet sie die Titelpartie in Glucks Iphigenie auf Tauris.

MAX FRIEDRICH SCHÄFFER Dritter Knappe Der Tenor erhielt seine Ausbildung in Hamburg und in Karlsruhe. Konzert- und Opernengangements führten ihn u. a. nach Berlin, Lübeck, Oldenburg und Japan. Von 2011 bis 2014 gehörte er dem Opernstudio des STAATS- THEATERS KARLSRUHE an. Seit 2014 ist er Ensemblemitglied. In der Spiel- zeit 2014/15 ist er als Facio in Fantasio, als Parpignol in La Bohème und als Gastone in La Traviata zu erleben. NANDO ZICKGRAF Vierter Knappe Noch während seines Studiums gastierte der Tenor in der Kinderoper Dino und die Arche am STAATSTHEATER KARLSRUHE, dessen Opernstu- dio er seit 2013 angehört. Hier war er u. a. als Teekanne in Das Kind und die Zauberdinge, als Don Curzio in Die Hochzeit des Figaro und als Bal- thasar Zorn in Die Meistersinger zu hören. In dieser Spielzeit gestaltet er u. a. Max in Fanstasio und Bardolfo in Falstaff.

MANUEL KOLIP Video Manuel Kolip schloss sein Szenografie-Studium an der Hochschule für Ge- staltung Karlsruhe mit dem Trickfilm Das Geschenk ab. Seit 2012/13 ist er am STAATSTHEATER KARLSRUHE als Bühnenbildassistent engagiert. Neben seinen Bühnenbildern für das Kammertheater Karlsruhe entwickelte er am STAATSTHEATER u. a. Bühne und Video-Animation für Maze bei Choreografen stellen sich vor und am Theater Bonn für Die Wildente (Regie Martin Nimz).

Folgeseiten Alfred Reiter, Christina Niessen 41 42 43 BILDNACHWEISE IMPRESSUM

TITELFOTO Jochen Klenk HERAUSGEBER PROBENFOTOS Falk von Traubenberg BADISCHES STAATSTHEATER KARLSRUHE

GENERALINTENDANT Peter Spuhler TEXTNACHWEISE VERWALTUNGSDIREKTOR Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tra- Michael Obermeier gödie / Unzeitgemäße Betrachtungen. Kritische Studienausgabe, hrsg. v. Giorgio OPERNDIREKTOR Colli u. Mazzino Montinari, München 1999, Michael Fichtenholz S. 441f. LEITENDER DRAMATURG OPER Die weiteren Texte sind Originalbeiträge Carsten Jenß für dieses Programmheft von Avi Liberman (Zum Inhalt & Zeittafel) und Raphael Rös- REDAKTION ler (Zum Inhalt, Zum Komponisten & Zum Raphael Rösler Werk). REDAKTIONELLE MITARBEIT Sollten wir Rechteinhaber übersehen Avi Liberman haben, bitten wir um Nachricht. KONZEPT DOUBLE STANDARDS BERLIN www.doublestandards.net

GESTALTUNG BADISCHES STAATSTHEATER Kristina Schwarz KARLSRUHE 2014/15, Programmheft Nr. 243 DRUCK www.staatstheater.karlsruhe.de medialogik GmbH, Karlsruhe DAS BÖSE BANNT, WER’S MIT GUTEM VERGILT. 44 Cornelius Martjan, Statist; Renatus Meszar, Erik Nelson Werner, Staatsopernchor DIE LIEBE LERNE KENNEN