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Reviewed by Christiane Streubel

Published on H-Soz-u-Kult (June, 2003)

Frauen der politischen Rechten in Kaiser‐ Ein Überblick und ForschungsberichtIch danke reich und Republik Eva Schöck-Quinteros und Rafael Scheck für kri‐

4 H-Net Reviews tische Kommentare zur ersten Fassung dieses Bei‐ Elite noch die Frauen an der Basis kennt oder die‐ trages. Eine überarbeitete und gekürzte Version se zumindest nur äußerst selten thematisiert. wird 2003 erscheinen in: Schöck-Quinteros, Eva/ Thomas Kühne hat kritisch bilanziert, dass die Streubel, Christiane (Hg.): „Ihrem Volk verant‐ meisten Autoren die Geschichte des Kaiserreichs wortlich“. Frauen der politischen Rechten als vermeintlich allgemeine, tatsächlich aber ge‐ (1890-1937). Organisationen - Agitationen - Ideolo‐ schlechtshalbierte Geschichte beschreiben. Für gien, Berlin. die Weimarer Republik sei nur auf die neueste In seiner vielbeachteten Hitler-Biografe hat Aufage des Standardwerkes von Eberhard Kolb Ian Kershaw unlängst das Verhältnis von Natio‐ verwiesen, der in der Frage des Wahlverhaltens nalsozialismus und Gesellschaft ausgelotet und die Faktoren Schicht, Alter und Konfession, nicht dabei konstatiert, dass Frauen keine geschlechtss‐ jedoch das Geschlecht diskutiert. Kolbs Bericht pezifschen Gründe gehabt hätten, die NSDAP zu über die Tendenzen der Forschung benennt kei‐ wählen, dass sie außerdem in den letzten Jahren nes der hier angeführten Desiderate. Die Histori‐ der Weimarer Republik ähnlich wie Männer ab‐ kerin Kirsten Heinsohn hat vor dem Hintergrund stimmten und dies „vermutlich aus den gleichen dieser Forschungslage angemerkt, dass anschei‐ Gründen“ (S. 507). Die Sicherheit dieses Urteils nend nicht nur die historischen Akteure, sondern über die (partei-)politischen Vorlieben und das auch moderne Politiker und Wissenschaftler von Wahlverhalten von Frauen überrascht. Denn für einer unpolitischen Grundhaltung der rechts die Politikgeschichte der rechten Parteien und wählenden Frauen ausgehen und deren Aktivitä‐ Verbände sind noch immer immense Forschungs‐ ten in Frauenvereinen als nicht politisch einstu‐ lücken zu verzeichnen. Zwar haben Jürgen W. Fal‐ fen. Diese Faktoren würden in der etablierten Ge‐ ter und seine Mitarbeiter schon in den achtziger schichtswissenschaft eine „Rezeptionssperre“ ge‐ Jahren wichtige Erkenntnisse zum Abstimmungs‐ genüber den eigenständigen politischen Proflen verhalten der Geschlechter vorgelegt und gezeigt, von Frauen bewirken. Man kann davon ausgehen, dass Frauen überproportional häufg konservati‐ dass die drei mit der Geschichte der politischen ven und christlichen Parteien ihre Stimme gege‐ Rechten konnotierten geschlechtsbezogenen Ideo‐ ben haben und sich erst später als die meisten logeme – ‚traditionelle Geschlechterrollen‘, ‚Anti‐ Männer für die NSDAP entschieden. Jedoch wird feminismus‘ und ‚Männerbund‘ - den Blick auf in den Gesamtdarstellungen, Monographien und weibliche Anhänger und Aktivisten zusätzlich Sammelbänden zur Weimarer Republik nur äu‐ verstellt haben. Und so kommen Paola Bacchetta ßerst selten die folgerichtige Frage gestellt: Wie und Margaret Power in der Einleitung ihres Sam‐ haben sich rechtsstehende Frauen ihre politische melbandes „Right-Wing Women“, der Beiträge Meinung gebildet? Lasen sie die gleichen Zeitun‐ über rechte Frauen aus Afrika, Australien, Euro‐ gen wie ihre männlichen Verwandten, Ehemän‐ pa, dem Nahen Osten, Nordamerika, Südamerika ner und Milieuangehörigen, besuchten sie die sel‐ und Südasien bündelt, zu dem Fazit: „It is some‐ ben Vereine, folgten der Propaganda der männli‐ thing of an understatement to remark that histori‐ chen Meinungsmacher auf nationaler und lokaler cally and currently studies of the right overwhel‐ Ebene und setzten schließlich ihr Kreuz an die mingly focus on men.“Kershaw, Ian: Hitler gleiche Stelle? Diese Fragen erscheinen banal und 1889-1936, Stuttgart 1998, S. 507; Falter, Jürgen/ drängen sich doch auf angesichts einer Verbands- Lindenberger, Thomas/Schumann, Siegfried: und Parteienforschung, die für das Spektrum der Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Re‐ politischen Rechten in der Regel weder weibliche publik, München 1986, bes. S. 83-85; Falter, Jür‐ Wähler noch Mitglieder, weder Publizistinnen gen: Hitlers Wähler, München 1991, bes. S. noch Parlamentarierinnen, weder die weibliche 136-145, 272-276; Kühne, Thomas: Das deutsche

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Kaiserreich 1871 bis 1918 und seine politische Nationalismus, Frankfurt 2. Aufage 1992 (eng‐ Kultur, in: Neue Politische Literatur 43 (1998), S. lisch 1990). An dieser Stelle sei nur eine kleine 206-263, hier S. 210, 249; Kolb, Eberhard: Die Wei‐ Auswahl der Studien über ‚Nation und Ge‐ marer Republik, München 6. Auf. 2002, bes. S. schlecht‘ genannt: Frauen&Geschichte Baden- 242-246; Heinsohn, Kirsten: Vortragsmanuskript Württemberg (Hg.): Frauen und Nation, Tübingen für die Konferenz „Women, Gender and the Extre‐ 1996; Frevert, Ute (Hg.): Militär und Gesellschaft me Right in Europe“, 1919-1945, 4.-6. Juli 2001, im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1997; Yuval- Cardif University (GB), S. 6; Bacchetta, Paola/Pow‐ Davis, Nira: Gender & Nation, London, Thousand er, Margaret: Introduction, in: dies. (Hg.): Right- Oaks, New Delhi 1997; Hagemann, Karen/Pröve, Wing Women, New York, London 2002, S. 1. Ralf (Hg.): Landsknechte, Soldatenfrauen und Na‐ Die Etablierung der Kategorie Geschlecht als tionalkrieger, Frankfurt, New York 1998; Blom, eines der zentralen Analyse-Instrumente der Poli‐ Ida/Hagemann, Karen/Hall, Catherine (Hg.): Gen‐ tikgeschichte schreitet also nur zögerlich voran. dered Nations, New York 2000; Kemlein, Sophia 1998 bilanzierte Thomas Kühne: „Der Kategorie (Hg.): Geschlecht und Nationalismus in Mittel- Geschlecht wird im mainstream der Geschichte und Osteuropa 1948-1918, Osnabrück 2000; Pla‐ politischer Ideen, Persönlichkeiten, Institutionen, nert, Ute (Hg.): Nation, Politik und Geschlecht, Parteisysteme, Politikfelder [...] kaum Bedeutung Frankfurt, New York 2000; Hagemann, Karen/ beigemessen“ (S. 173).Kühne, Thomas: Staatspoli‐ Schüler-Springorum, Stefanie (Hg.): Heimat-Front, tik, Frauenpolitik, Männerpolitik: Politikgeschich‐ Frankfurt, New York 2002; demnächst auch: Geh‐ te als Geschlechtergeschichte, in: Medick, Hans/ macher, Johanna/Kemlein, Sophia/Harvey, Liz Trepp, Anne-Charlott (Hg.): Geschlechtergeschich‐ (Hg.): Zwischen Kriegen: Nationen, Nationalismen te und Allgemeine Geschichte, Göttingen 1998, S. und Geschlechterverhältnisse in Mittel- und Ost‐ 171-231. Daher bleibt es bis heute meist den Spezi‐ europa 1918-1939, erscheint Osnabrück 2003. 2.) alstudien der Geschlechtergeschichte vorbehal‐ Die Frauen- und Geschlechterforschung hat sich ten, Forschungslücken zu schließen. Bemerkens‐ nach der Debatte über die Frage, ob Frauen im ge‐ wert ist: Die konservativen, nationalistischen und schichtlichen Prozess stets Opfer oder aber auch völkischen Frauen haben Konjunktur. Vor allem Täterinnen gewesen seien, von diesen polarisie‐ drei Entwicklungen in der Forschung haben die‐ renden Kategorien verabschiedet. Ein Ergebnis ses Interesse hervorgerufen: 1.) Die neue Nationa‐ dieser Diskussion ist, dass nun verstärkt Gruppen lismusforschung um Ernest Gellner, Benedict An‐ und Persönlichkeiten berücksichtigt werden, die derson und Eric Hobsbawm hat die Nation als ‚ge‐ einen Beitrag zu aggressivem Nationalismus, sozi‐ dachte Ordnung‘ identifziert. Diese Anregungen aler Ausgrenzung und antidemokratischem Den‐ sind von der Geschlechterforschung aufgegrifen ken geleistet haben.Die Überwindung der Opfer- worden, die nach den geschlechtsspezifschen Täterinnen-Dichotomie ist am besten dokumen‐ Konstruktionen im Nationalismus fragte. Zusätz‐ tiert bei: Heinsohn, Kirsten/Vogel, Barbara/We‐ lich befördert durch den Boom der Nationalis‐ ckel, Ulrike (Hg.): Zwischen Karriere und Verfol‐ musforschung seit den Umbrüchen von 1989/90 gung. Handlungsräume von Frauen im national‐ steht das Verhältnis von ‚Nation und Geschlecht‘ sozialistischen Deutschland, Frankfurt, New York beziehungsweise von ‚Militär und Geschlecht‘ im 1997; Kundrus, Birthe: Frauen und Nationalsozia‐ Mittelpunkt zahlreicher Beiträge und Sammelbän‐ lismus, in: Archiv für Sozialgeschichte 36 (1996), de.Gellner, Ernest: Nationalismus und Moderne, S. 481-499; Bock, Gisela: Der Nationalsozialismus Berlin 1990 (englisch 1983); Anderson, Benedict: und die Frauen, in: Sösemann, Bernd (Hg.): Der Die Erfndung der Nation, Frankfurt 2. Auf. 1993 Nationalsozialismus und die deutsche Gesell‐ (englisch 1983); Hobsbawm, Eric J.: Nationen und schaft, Stuttgart, München 2002, S. 188-209. Vgl.

6 H-Net Reviews auch Leck, Ralph M.: Conservative Empowerment achteter Akteure und Akteurinnen, mit ihren sub‐ and the Gender of Nazism, in: Journal of Women‘s jektiven Wahrnehmungen und ihrer eigenen History 12 (2000), S. 147-169. 3.) Angeregt durch Sprache, hervorgerufen. Aber auch die ‚her‐ die Studien von Ute Planert haben neuere Mono‐ kömmlichen‘ Fragen nach der Rekonstruktion po‐ graphien zur Geschichte der völkischen Bewe‐ litischer Entscheidungsprozesse oder nach institu‐ gung und der deutschen Rechten dem ‚Antifemi‐ tionellen Strukturen sind notwendig - so ober‐ nismus‘ als bedeutendes Element der rechten fächlich ist unser Wissen über den Komplex Ideologie mehr Beachtung geschenkt. Zunehmend ‚Rechte Frauen‘. erscheint nun aber auch die Frage lohnend, wie Die Aktivistinnen der NS-Bewegung sind als sich rechte Frauen im Diskurs über die Geschlech‐ erste von der Frauen- und Geschlechtergeschichte terverhältnisse verortet haben.Planert, Ute: Anti‐ berücksichtigt worden. Die nicht-nationalsozialis‐ feminismus im Kaiserreich. Diskurs, soziale For‐ tischen rechten Frauen im Kaiserreich und der mation und politische Mentalität, Göttingen 1998; Weimarer Republik sind erst in den letzten Jahren dies.: Antifeminismus im Kaiserreich: Indikator zum Gegenstand der Forschung geworden. Da die einer Gesellschaft in Bewegung, in: Archiv für So‐ Nationalsozialistinnen bereits eingehend in For‐ zialgeschichte 38 (1998), S. 93-116; dies.: Mutter schungsberichten, Monographien und Sammel‐ und Volk. Vom Antifeminismus zur völkischen Be‐ bänden behandelt wurdenKoonz, Claudia: Mütter wegung, in: Schöck-Quinteros/Streubel. im Vaterland, Reinbek bei Hamburg 1994; Arendt, Auf Ute Planert berufen sich: Puschner, Uwe: Die Hans-Jürgen/Hering, Sabine/Wagner, Leonie (Hg.): völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiser‐ Nationalsozialistische Frauenpolitik vor 1933, reich, Darmstadt 2001; Breuer, Stefan: Ordnungen Frankfurt 1995; Wagner, Leonie: Nationalsozialis‐ der Ungleichheit - die deutsche Rechte im Wider‐ tische Frauenansichten, Frankfurt 1996; Bitzan, streit ihrer Ideen 1871-1945, Darmstadt 2001, bes. Renate/Streubel, Christiane: „Die germanischsten S. 113. unter den Frauen“, in: Ariadne. Almanach des Ar‐ Ein Überblick zu ‚rechten Frauen‘ - das klingt vor chivs der deutschen Frauenbewegung, Nr. 37/38 dem Hintergrund der Entwicklung von der ‚Frau‐ (2000), S. 86-93; Korotin, Ilse/Serloth, Barbara en‘- zur ‚Geschlechter‘geschichte und des postmo‐ (Hg.): Gebrochene Kontinuitäten? Zur Rolle und dernen Trends zur Dekonstruktion des Ge‐ Bedeutung des Geschlechterverhältnisses in der schlechts möglicherweise etwas altmodisch. Es Entwicklung des Nationalsozialismus, Innsbruck entspricht jedoch dem aktuellen Forschungsinter‐ 2000; Kundrus, 1996; dies.: Widerstreitende Ge‐ esse. Derzeit werden die Desiderate der Politikge‐ schichte. Ein Literaturbericht zur Geschlechterge‐ schichte ausgelotet, ohne damit eine rein ‚komple‐ schichte des Nationalsozialismus, in: Neue politi‐ mentäre‘ Forschung zu betreiben, die der Politik‐ sche Literatur 45 (2000), S. 67-92; Heinsohn, Kirs‐ geschichte der Männer lediglich die der Frauen ten: Germany, in: Passmore, Kevin (Hg.): Women, hinzufügt. Wie zu zeigen sein wird, vermögen Er‐ Gender, and Fascism, 1919-1945, erscheint Man‐ gebnisse der Geschlechterforschung bestehende chester Oktober 2003., stehen in diesem Überblick Erkenntnisse über das Spektrum der politischen die Vereinsfrauen, Politikerinnen und Publizistin‐ Rechten zu relativieren und außerdem Grundla‐ nen im Mittelpunkt, die im Kaiserreich den kon‐ gen zu schafen, um bestimmte Phänomene - wie servativen Parteien und in der Republik der Deut‐ beispielsweise zentrale Ideologeme der Rechten schnationalen Volkspartei nahe standen bezie‐ oder geschlechtsspezifsches Wahlverhalten - hungsweise angehörten. Zeitlich liegt das Schwer‐ schlüssiger zu erklären. Die neue Kulturgeschich‐ gewicht auf der Phase von der Jahrhundertwende te hat zudem ein Interesse für die Wahrneh‐ - zwischen 1890 und 1910 wurden wichtige Orga‐ mungs- und Erfahrungsmuster bislang kaum be‐ nisationen rechter Frauen gegründet - bis zur

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‚Machtergreifung’ 1933. Für fast alle rechten Frau‐ und Arbeitsgebiete (II). Das rechte Frauenvereins‐ envereine war 1933 allerdings keine scharfe Zä‐ wesen des Kaiserreiches hatte über die Zäsur von sur, da sie in der Regel noch einige Jahre existie‐ 1918/19 hinweg Bestand. Die Vereine konnten ren konnten, bevor sie aufgelöst und in national‐ auch in der Weimarer Republik eine Massenan‐ sozialistische Organisationen überführt wurden. hängerschaft mobilisieren. Einige Neugründun‐ Fixpunkt dieses Überblicks ist die Revolution von gen kamen hinzu (Ring Nationaler Frauen, Köni‐ 1918/19, in deren Verlauf Frauen das aktive und gin Luise Bund, Deutscher Frauenkampfbund ge‐ passive Wahlrecht zuerkannt wurde. In der Epo‐ gen die Entartung im Volksleben), die mit ihrer che des Kaiserreiches müssen wir die Antwort auf Afnität zur völkischen Bewegung und zur NSD‐ die Frage suchen, aus welchen Gründen sich viele AP das Frauenvereinsspektrum in Richtung der Frauen bei ihren ersten Wahlen - zur Nationalver‐ radikalen Rechten erweiterten (III). Da sich die sammlung am 19. Januar 1919 - für rechte Partei‐ meisten Studien auf die führenden Funktionärin‐ en entschieden haben und wie ihre politische So‐ nen und Vorstandsfrauen in Vereinen und Partei‐ zialisation in den Jahren zuvor stattgefunden hat. en auf nationaler Ebene konzentrieren, soll in Für die Weimarer Republik besteht Klärungsbe‐ dem letzten inhaltlichen Abschnitt die Bedeutung darf, wie Aktivistinnen des rechten Vereinswe‐ der rechten Frauen an der Basis problematisiert sens in der Demokratie agierten, die sie zu Wähle‐ werden (IV). Abschließend werden grundlegende rinnen und einige zu Parlamentarierinnen ge‐ Daten über die hier ausgewählten Frauenorgani‐ macht hatte, die dennoch aber als Staatsform ab‐ sationen zusammengestellt: Gründungs- und Auf‐ gelehnt wurde. Gefragt wird im Folgenden, in wel‐ lösungsdaten, Mitgliederzahlen, Publikationsorga‐ chen Zusammenhängen sich rechte Frauen orga‐ ne, die Namen der Vorsitzenden, bei einigen auch nisierten, auf welchen Gebieten sie handelten und die zugehörige ‚Männer’organisation beziehungs‐ welchen Beitrag sie zur Ideologie der deutschen weise die Zeit der Mitgliedschaft im Bund Deut‐ Rechten geleistet haben. scher Frauenvereine (V). Zu Beginn werden ausgewählte Frauenvereine I. Rechte Frauenvereine im wilhelminischen des Kaiserreiches vorgestellt, die die Beteiligung Kaiserreich von Frauen an dem Prozess der Fundamentalpoli‐ Als ein zentraler Prozess des deutschen Kai‐ tisierung dokumentieren und zugleich die Hetero‐ serreiches gilt die Fundamentalpolitisierung um genität des rechten Frauenvereinswesens aufzei‐ 1900: „Immer größere Teile der Bevölkerung be‐ gen. Hierbei werden berücksichtigt der Vaterlän‐ gannen am politischen Geschehen mitzuwirken, dische Frauenverein, protestantische Frauenorga‐ indem sie sich organisierten oder an Wahlen be‐ nisationen (Evangelische Frauenhilfe, Deutsch- teiligten“, beschreibt Hans-Peter Ullmann diesen Evangelischer Frauenbund, Neulandbewegung), Vorgang.Ullmann, Hans-Peter: Das Deutsche Kai‐ nationalistische Zusammenschlüsse (Frauenver‐ serreich 1871-1918, Darmstadt 1995, S. 126. Neue‐ ein für die Ostmarken, Flottenbund Deutscher re Studien zeigen, dass Frauen auch ohne Wahl‐ Frauen, Frauenbund der Deutschen Kolonialge‐ recht aktiv an diesem Organisierungsschub teil‐ sellschaft) sowie städtische und ländliche Haus‐ nahmen. Das Frauenvereinswesen erlebte in die‐ frauenvereine (I). Das Engagement von Frauen in ser Zeit einen enormen Aufschwung, denn nicht der Deutschnationalen Volkspartei steht im Mit‐ nur die Frauenbewegung steigerte ihre Mitglie‐ telpunkt des zweiten Teils. Behandelt werden die derzahlen. Auch rechte Frauenorganisationen Themen: Erste parteipolitische Frauengruppen, hatten beeindruckenden Zulauf in karitativen, Revolution und Wahlrecht, Wahlpropaganda für protestantischen, nationalistischen und Hausfrau‐ Frauen, Parlamentarierinnen, Parteiorganisatio‐ envereinen. Ihre Anhängerschaft überstieg in der nen der Frauen, Ideologische Grundpositionen

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Summe die Mitgliederzahlen des BDF, der wich‐ bund hieß und sich ein Jahr später ofziell der tigsten Organisation der bürgerlichen Frauenbe‐ DKG anschloss (1914 17.800 Mitglieder). Die wegung (1913 fast 470.000 Mitglieder), und auch reichsweiten Verbände der städtischen und länd‐ die der sozialdemokratischen Frauen (1913 etwas lichen Hausfrauen schließlich wurden im Ersten 140.000 Mitglieder). An erster Stelle ist unter den Weltkrieg zur Unterstützung der ‚Heimatfront‘ ge‐ karitativen Organisationen der Vaterländische gründet. Hausfrauenvereine gab es allerdings auf Frauenverein zu nennen, nicht nur aufgrund des lokaler und regionaler Ebene auch schon vor frühen Gründungsdatums von 1866, sondern vor 1914.Vgl. Abschnitt V. Die Angaben für die Mitglie‐ allem, weil es sich hierbei um die größte Frauen‐ derzahlen von BDF und sozialdemokratischen organisation des Kaiserreiches handelt. 1914 soll Frauen bei: Frevert, Ute: Frauen-Geschichte, er über 590.000 Mitglieder gehabt haben. Eine Frankfurt 1986, S. 111, 139. Verwandtschaft aufgrund der karitativen Tätig‐ CASTING THEIR GAZE MORE BROADLY keit bestand zu der protestantischen Organisation Als der Klassiker der Forschung über das rechte Evangelische Frauenhilfe, die 1899 gegründet Frauenvereinswesen gilt zu Recht der Aufsatz von wurde. Der Prozess der Entkirchlichung sollte Roger Chickering, dessen ausdrucksstarker Titel durch fürsorgerische Tätigkeiten aufgehalten „Casting their Gaze more Broadly“ den Kern der werden. 1912 hatte der Gesamtverband in Preu‐ Argumentation des us-amerikanischen Histori‐ ßen fast 250.000 Mitglieder. Wesentlich kleiner, kers wiedergibt: „the symbols and slogans of pa‐ dennoch von erstaunlicher Wirksamkeit, war der triotism could serve as vehicles to broaden or soli‐ ebenfalls 1899 gegründete Deutsch-Evangelische dify the claims of German women to public roles“ Frauenbund (DEF), der 1914 15.600 Mitglieder (S. 185). Roger Chickering hat für die Organisie‐ versammelte. Der DEF war die erste rechte Frau‐ rung rechter Frauen einen typischen Entwick‐ enorganisation, die sich ausdrücklich zu einigen lungsprozess herausgearbeitet: In der Regel be‐ Forderungen der bürgerlichen Frauenbewegung schränkte sich die öfentliche Vereinsarbeit der bekannte, und 1908 unter starken Protesten des Frauen zunächst auf Aktivitäten, die mit der bür‐ rechten Lagers dem BDF beitrat. Erst 1916 erfolg‐ gerlichen Geschlechterideologie vereinbar schie‐ te die Gründung der Neulandbewegung, eine pro‐ nen und die ‚Mütterlichkeit‘ der Frauen in den testantisch-jugendbewegte Organisation für die Vordergrund stellten. Das waren vor allem karita‐ weibliche Jugend, die sich in der Weimarer Repu‐ tive Tätigkeiten, ‚Fundraising‘ oder die Erziehung blik zunehmend der völkischen Bewegung zu‐ der Jugend im Sinne der männlichen Vereinsfüh‐ wandte und ab 1929 eine entschieden pro-natio‐ rung. Die neuartigen Aktivitäten im Verein - Orga‐ nalsozialistische Politik betrieb. Eine dritte Form nisation der Arbeit, Vorstandstrefen und Mitglie‐ der weiblichen Organisierung von rechts stellen derversammlungen, öfentliche Auftritte, Verfas‐ die nationalistischen Vereine der Frauen dar, die sen von Beiträgen für die Vereinsorgane - führten sich jeweils als ‚weiblicher Ableger‘ eines männli‐ mit der Zeit zu einer neuen Selbstsicherheit und chen Agitationsvereins gründeten. Der erste war Stolz der weiblichen Mitglieder. Einige Vereins‐ der Deutsche Frauenverein für die Ostmarken frauen stellten daraufhin innerhalb ihrer Organi‐ (1914 3.400 Mitglieder), der bereits 1896 ins Leben sationen Forderungen, die von den männlichen gerufen wurde, um die Arbeit der Männer im Gesinnungsgenossen nicht erwünscht waren: Sie Deutschen Ostmarkenverein zu unterstützen. Es drängten auf die Anerkennung der Frauenarbeit folgten 1905 der Flottenbund deutscher Frauen als gleichwertig, wollten in ihren Frauenorganisa‐ (1913 60.000 Mitglieder) und der Frauenbund der tionen autonom arbeiten und die Ziele und Akti‐ Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG), der bei der onsgebiete selbstständig festlegen. Für einige Ver‐ Gründung 1907 noch Deutsch-Kolonialer Frauen‐ eine kann Roger Chickering sogar eine Auswei‐

9 H-Net Reviews tung der Arbeitsgebiete auf nicht-weiblich konno‐ tere Aufsätze der Autorinnen sind: Lange, Silvia: tierte Bereiche beobachten. Zugleich hebt er her‐ Protestantismus, Nationalismus und frauenpoliti‐ vor, dass der nationalistische Aktivismus beider sche Konzepte der Neulandbewegung in der Wei‐ Geschlechter schichtspezifsch gewesen sei. Der marer Republik, in: Korotin/Serloth, Gebrochene Zugang zu den Vereinen führte normalerweise Kontinuitäten, S. 53-70; Wildenthal, Lora: Race, durch die Haushalte und die persönlichen Netz‐ Gender, and Citizenship in the German Colonial werke der männlichen Nationalisten. Der patrioti‐ Empire, in: Cooper, Frederick/Stoler, Ann Laura sche Enthusiasmus der Frauen sei das Produkt (Hg.): Tensions of Empire, Berkeley 1997, S. von sozialen Erfahrungen, Traditionen und Vor‐ 263-283; dies.: „She is the Victor“. Bourgeois Wo‐ urteilen der Mittelschicht, die sich durch Besitz men, Nationalist Identities, and the Idea of the In‐ und Bildung auszeichnete.Chickering, Roger: „Cas‐ dependent Woman Farmer in German Southwest ting their gaze more broadly“. Women‘s patriotic Africa, in: Eley, Geof (Hg): Society, Culture, and activism in imperial Germany, in: Past&Present the State in Germany, 1870-1930, Ann Abor 1997, 118 (1988), S. 156-185. Allerdings: die Legitimation S. 371-395; „When Men are Weak“. The Imperial dieses Engagements war geschlechtsspezifsch. Feminism of Frieda von Bülow, in: Gender and Diesen von Roger Chickering dokumentierten History Bd. 10 (1998), S. 53-77; Süchting-Hänger, Entwicklungsprozess haben zahlreiche nachfol‐ Andrea: „Gleichgroße, mutige Helferinnen“ in der gende Studien im Großen und Ganzen bestätigt, weiblichen Gegenwelt. Der Vaterländische Frau‐ ihn in Teilen aber auch relativiert. Bislang liegen enverein und die Politisierung konservativer für einzelne rechte Frauenvereine des Kaiserrei‐ Frauen, in: Planert, Nation, S. 131-146; dies.: Die ches nur zwei neuere Fallstudien vor, die den ge‐ Anti-Versailles-Propaganda konservativer Frauen samten Zeitraum von der Gründung bis zur Aufö‐ in der Weimarer Republik, in: Krumeich, Gerd sung abdecken: Die Dissertation von Silvia Lange (Hg.): Versailles 1919: Ziele - Wirkung - Wahrneh‐ über die Neulandbewegung und die Monographie mung, Essen 2001, S. 302-313; dies.: Politisch oder von Lora Wildenthal über das Engagement von vaterländisch? Der Vaterländische Frauenverein Frauen für die Kolonialbewegung. Andrea zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik, in: Süchting-Hänger behandelt zudem in ihrer Dis‐ Schöck-Quinteros/Streubel. Neben diesen Mono‐ sertation das nationale Engagement konservati‐ graphien sind im Folgenden eine Reihe neuerer ver Organisationen zwischen 1900 und 1937. Ob‐ Aufsätze zu nennen, die die Evangelische Frauen‐ wohl in dieser Studie das Schwergewicht auf der hilfe, den Frauenverein für die Ostmarken und Zeit der Republik liegt, berücksichtigt die Vorge‐ die Hausfrauenvereine behandeln. Hilfreich ist schichte den Vaterländischen Frauenverein, die auch der Überblick von Karin Bruns, der den völ‐ protestantischen Frauenorganisationen Evangeli‐ kischen Tendenzen im konservativen Frauenver‐ sche Frauenhilfe und Deutsch-Evangelischer einswesen des Kaiserreichs nachspürt.Bruns, Ka‐ Frauenbund sowie die nationalistischen Zusam‐ rin: Völkische und deutschnationale Frauenverei‐ menschlüsse im Kaiserreich.Lange, Silvia: Protes‐ ne im ‚zweiten Reich‘, in: Puschner, Uwe/Schmitz, tantische Frauen auf dem Weg in den Nationalso‐ Walter/Ulbricht, Justus H. (Hg.): Handbuch der zialismus. Guida Diehls Neulandbewegung ‚Völkischen Bewegung‘ 1871-1918, München 1996, 1916-1935, Stuttgart, Weimar 1998; Wildenthal, S. 376-394. Da die Forschungsergebnisse der Ge‐ Lora: German Women for Empire 1884-1945, Dur‐ schlechterforschung von vielen ‚allgemeinen‘ Stu‐ ham, London 2001; Süchting-Hänger, Andrea: Das dien noch nicht wahrgenommen worden sind, er‐ „Gewissen der Nation“. Nationales Engagement scheint es für diesen Überblick angeraten, jeweils und politisches Handeln konservativer Frauenor‐ auch die Pionierstudien und ‚Klassiker’ zu nen‐ ganisationen 1900 bis 1937, Düsseldorf 2002. Wei‐ nen.

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VATERLÄNDISCHER FRAUENVEREIN Rechten vergleichsweise einen großen Einfuss. Der Vaterländische Frauenverein wurde 1866 im Dennoch lässt sich auch in dieser Organisation Krieg als Initiative der preußischen Königin Au‐ eine Entwicklung zu größerer Selbstständigkeit gusta gegründet und diente der Organisierung der Frauen beobachten. Mit dem Amtsantritt der von Frauen für die freiwillige Hilfsarbeit in Vorsitzenden Agnes von der Groeben im Jahr Kriegs- und Friedenszeiten. Vereinsaufgaben wa‐ 1916 nahm der Einfuss der Frauen auf die Ver‐ ren die Ausbildung zur Krankenpfege und die einsgeschäfte deutlich zu. Trotz einiger gemeinsa‐ kommunale Armenfürsorge. Die ersten umfassen‐ mer Veranstaltungen mit dem BDF bewahrte der den Untersuchungen über die ‚Vaterländischen‘ Vaterländische Frauenverein klar seine antieman‐ stammen von Andrea Süchting-Hänger, die so‐ zipatorische Position, die sich in den späten Jah‐ wohl die Organisationsgeschichte, als auch die Tä‐ ren des Kaiserreiches sogar noch verschärf‐ tigkeitsgebiete und die politischen Grundpositio‐ te.Süchting-Hänger, Gewissen, S. 10, 26-50, nen der führenden Vereinsmitglieder vorgestellt 158-165; dies.: Politisch oder vaterländisch?, in: hat. Sie zieht den Vaterländischen Frauenverein Schöck-Quinteros/Streubel; Vgl. hierzu auch: Qua‐ als Beispiel heran, um zu zeigen, dass auch karita‐ taert, Jean: Staging Philanthropy. Patriotic Women tive, vordergründig unpolitische Organisationen and the National Imagination in Dynastic Germa‐ eine wichtige Funktion für die Politisierung kon‐ ny, 1813-1916, Ann Arbor 2001. servativer Frauen hatten. Hier entstand eine tiefe PROTESTANTISCHE FRAUENVEREINE Loyalität zur Monarchie. Der Hauptvorstand des Für die Evangelische Frauenhilfe und den Vaterländischen Frauenvereins wurde von Adeli‐ Deutsch-Evangelischen Frauenbund gilt, dass die gen dominiert, es traf sich die gesellschaftliche älteren Quellensammlungen von Fritz Mybes und Elite Preußens. Das Weiblichkeitsmodell, das von Jochen-Christoph Kaiser sowie die ‚klassischen‘ diesem Verein angeboten wurde, scheint den Er‐ Studien von Doris Kaufmann und Ursula Bau‐ folg in starkem Ausmaß befördert zu haben: Da mann noch keine vergleichsweise umfassenden die Anhängerinnen von natürlichen Unterschie‐ Nachfolger gefunden haben. Über die Frauenhilfe den der Geschlechter ausgingen, erschien ihnen ist anlässlich ihres hundertjährigen Bestehens im die Idee, in männliche Domänen vorzudringen, Jahr 1999 ein Sammelband erschienen, in dem unsinnig und gefährlich. Stattdessen bot der Ver‐ Beiträge von Fritz Mybes, Sigrid Lekebusch und ein eine weibliche „Gegenwelt“ (Andrea Süchting- Regina Mentner unser Untersuchungsgebiet be‐ Hänger) oder vielleicht besser eine ‚Ergänzungs‐ trefen. Zudem berücksichtigt Andrea Süchting- welt‘, die die ehrenvolle Integration von Frauen in Hänger sowohl die Frauenhilfe als auch den DEF die Monarchie ohne Geschlechterkampf ermög‐ als Teil des konservativen Frauennetzwerkes in lichte. Bei den Vaterländischen fanden sich bür‐ Kaiserreich und Republik. Für die protestantische gerliche Frauen zusammen, denen an einem Er‐ Neulandbewegung hat Silvia Lange unlängst in halt der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung ihrer Dissertation die Entwicklung der Organisati‐ und an der Anerkennung durch die kaiserliche on von der Gründung 1916 bis zum Verbot der Schirmherrin wesentlich mehr lag, als am Frau‐ Neulandveranstaltungen im Jahr 1940 detailliert enstimmrecht, das eine bedrohliche Demokrati‐ nachgezeichnet und die Bewegung im Spannungs‐ sierung des Reiches bedeutet hätte. Diese Frauen feld von Frauen-, Jugend- und völkischer Bewe‐ hatten „gute Gründe, beharrend und traditionell gung verortet.Mybes, Fritz: Geschichte der Evan‐ zu sein“ bilanziert Süchting-Hänger (Gewissen gelischen Frauenhilfe in Quellen, Gladbeck 1975; der Nation, S. 50). In dieser karitativen Organisati‐ Kaiser, Jochen-Christoph: Frauen in der Kirche. on hatten männliche Vorstandsmitglieder im Ver‐ Evangelische Frauenverbände im Spannungsfeld gleich zu vielen anderen Frauenvereinen der von Kirche und Gesellschaft 1890-1945, Düssel‐

11 H-Net Reviews dorf 1985; Kaufmann, Doris: Frauen zwischen Frauenhilfe ihre ‚Vater’organisation, den Evange‐ Aufbruch und Reaktion. Protestantische Frauen‐ lisch-Kirchlichen Hilfsverein, schon im Kaiser‐ bewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhun‐ reich in vielerlei Hinsicht übertraf: An Wirksam‐ derts, München 1988; Baumann, Ursula: Protes‐ keit bei der Entwicklung evangelischer Gemein‐ tantismus und Frauenemanzipation 1850-1920, den und auch im Grad der öfentlichen Bekannt‐ Frankfurt 1992; Busch, Christine (Hg.): 100 Jahre heit vor Ort. Ursula Baumann hat die Frauenhilfe Evangelische Frauenhilfe in Deutschland, Düssel‐ als die „konservativste evangelische Frauenorga‐ dorf 1999. Sorgfältig gearbeitet ist auch eine neue‐ nisation“ mit einer klaren antisozialdemokrati‐ re regionalgeschichtliche Studie: Lekebusch, Sig‐ schen Ausrichtung eingeordnet (Baumann, S. rid: Die Evangelische Frauenhilfe im Rheinland 148). Das Projekt des konservativen Sozialpoliti‐ und der Deutsch-Evangelische Frauenbund, in: kers Adolf Stoecker, bestimmte Teile der Gesell‐ Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte schaft für eine Orientierung an ‚Thron und Altar‘ des Rheinlandes 50 (2001), S. 141-174. Vgl. zu die‐ zu mobilisieren, war für die Arbeiterschaft ge‐ sem Themenkomplex auch: Gause, Ute/Heller, Ba‐ scheitert, konnte mit der Frauenhilfe aber bei den rbara/Kaiser, Jochen-Christoph (Hg.): Starke from‐ protestantischen Frauen Erfolge feiern. Wichtige me Frauen? Eine Zwischenbilanz konfessioneller Aufschlüsse über die politische Orientierung der Frauenforschung heute, Hofgeismar 2000. Vgl. Mitglieder liefert die Studie von Regina Mentner, auch das Themenheft der Ariadne. Almanach des die mit dem „Boten für die christliche Frauen‐ Archivs der deutschen Frauenbewegung 35 welt“ das populäre Vereinsorgan der Frauenhilfe (1999): Im Namen des Herrn? Konfessionelle analysiert hat. Mit seiner konservativen Ausrich‐ Frauenverbände 1890-1933. tung, so urteilt Mentner, fügte sich der Bote in die Die Evangelische Frauenhilfe mit ihren karitati‐ vergleichbare kirchliche Vereinspresse ein. Die ven Vereinszielen war gewissermaßen die ‚kirch‐ Zeitschrift bezog im Kaiserreich auch Position zu liche Schwester‘ des Vaterländischen Frauenver‐ allgemeingesellschaftlichen Themen. Von den eins und vertrat ein ähnliches Gesellschafts- und Frauen erwartete man einen vaterländisch-hei‐ Frauenbild. Auch diese Gründung ging auf eine matverbundenen Nationalismus, Heroismus und Initiative des Herrscherhauses zurück, allerdings Kampf für das Vaterland im Rahmen der weibli‐ fehlte die kriegsdienliche Bestimmung. Die Frau‐ chen Möglichkeiten. „Den Leserinnen wurde enhilfe, eine Unterorganisation des Evangelisch- Treue zu Staat und Monarchie vermittelt“ Kirchlichen Hilfsvereins, sollte der parochialen (Mentner, S. 239). Fritz Mybes hebt hervor, dass Diakonie zugute kommen und die „christliche Lie‐ bis 1918 jedoch keine politische Betätigung im en‐ bestätigkeit“ in den Gemeinden organisieren und geren Sinne stattgefunden habe. Die Publikatio‐ ausbauen. Zahlreiche Frauen wurden als Helfe‐ nen der Frauenhilfe dienten zudem als Plattform rinnen in der Krankenpfege ausgebildet. Auch antifeministischer Kritik. An der beherrschenden der Evangelischen Frauenhilfe gelang eine rasche Position des Familienvaters wurde nicht gerührt. Mobilisierung: 1912 zählte man knapp 250.000 Die Evangelische Frauenhilfe ist nach dem jetzi‐ Mitglieder, die vor allem in ländlichen Gebieten gen Stand der Forschung die einzige rechte Frau‐ lebten. Das Gros kam aus kleinbürgerlichen enorganisation des Kaiserreiches, in der die Frau‐ Schichten. Die Schirmherrschaft der Kaiserin - sie en auch nach vielen Jahren Vereinsarbeit kein schätzte die protestantische Frauenhilfe mehr als größeres Mitspracherecht forderten. Die männli‐ die überkonfessionellen Vaterländischen - und che Leitung wurde augenscheinlich wider‐ das beträchtliche Vermögen erlaubte den Bau von spruchslos akzeptiert, während die diakonische Krankenhäusern, Erholungsheimen und Ausbil‐ Arbeit der Frauen umgekehrt die volle Unterstüt‐ dungsstätten. Fritz Mybes hebt hervor, dass die zung der männlichen Kirchenführer erfuhr. Zu

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Aufbrüchen in diesem Zusammenhang kam es disch und überholt betrachtet. Zum Entsetzen der erst in den 1920er Jahren.Baumann, S. 139-149, Frauenhilfe mischte sich der DEF in öfentliche 169-174; Planert, Ute: Antifeminismus im Kaiser‐ Debatten ein und lehnte sich mit seinem sozialpo‐ reich, S. 47-49; Mybes, Fritz: Die Anfänge der litischen Programm an den BDF und die christli‐ Evangelischen Frauenhilfe. Die Jahre 1899 bis chen Gewerkschaften an. Im Vergleich zur Frau‐ 1932, in: Busch, 100 Jahre, S. 9-40, hier S. 22, 26f., enhilfe zeigten die führenden Frauen des DEF ein 30-32, 37-39; ders.: Wie hat die Frauenhilfe ihr po‐ enormes Selbstbewusstsein, indem sie den ange‐ litisches Mandat wahrgenommen?, in: ebenda, S. stammten Bereich dienender Fürsorge verließen, 97-109, hier S. 97f.; Lekebusch, Rheinland, S. Mitbestimmung in den Gemeinden und das kirch‐ 142-144; Mentner, Regina: „Ein bewährter Vor‐ lichen Wahlrecht für Frauen forderten. kämpfer für frommes deutsches Frauenwesen“. Der Deutsch-Evangelische Frauenbund trat 1908 Die Zeitschrift ‚Der Bote für die christliche Frau‐ dem BDF bei und war damit „die einzige protes‐ enwelt‘ (1904-1989), in: Busch, 100 Jahre, S. tantische Frauenorganisation, die sich als Teil der 205-272, hier S. 205-219, 239f. (der Schwerpunkt Frauenbewegung verstand“ (Ursula Baumann, S. bei dieser Zeitschriftenanalyse liegt auf der Bun‐ 126). Mit dieser Entscheidung war der DEF Vorrei‐ desrepublik Deutschland); Süchting-Hänger, Ge‐ ter für andere Frauenvereine, die rechten Partei‐ wissen, S. 51, 63, 97, 113. en nahestanden und später seinem Beispiel folg‐ Der Deutsch-Evangelische Frauenbund unter‐ ten. In seiner Unterstützung bestimmter Ziele der schied sich von der Evangelischen Frauenhilfe in gemäßigten Frauenbewegung – vor allem auf dem der sozialen Zusammensetzung, der Organisati‐ Gebiet der Bildung und der Sittlichkeit - ließ sich onsstruktur und im Selbstverständnis. Ursula der DEF auch nicht durch massive Attacken von Baumann und Doris Kaufmann haben gezeigt, Seiten der kirchlichen Antifeministen beirren, die dass der DEF von Anfang an eine autonome Ver‐ im Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipati‐ einsstruktur hatte. Die Unabhängigkeit von der on organisiert waren. Der DEF blieb bis 1918 die Kirche war Programm, eine Anbindung an eine einfussreichste Vertretung der Rechten innerhalb protestantische Männerorganisation bestand des BDF. Man kann davon ausgehen, dass er unter nicht. Der männliche Beirat erhielt nur eine bera‐ konservativen Frauen (und Männern) stark zur tende Funktion. Die Initiative zur Gründung kam Modernisierung des Frauenbildes beigetragen von der „Allgemeinen Konferenz deutscher Sitt‐ hat. Zugleich hat der DEF innerhalb des BDF da‐ lichkeitsvereine“, die allerdings mit der frauenbe‐ für gesorgt, die Position des radikalen Flügels der wegten Entwicklung des DEF kaum gerechnet ha‐ bürgerlichen Frauenbewegung zu marginalisie‐ ben dürfte. Vorstand und Basis des DEF rekrutier‐ ren. Erst in der zweiten Hälfte des Ersten Welt‐ ten ihre Mitglieder aus gehobenen Gesellschafts‐ krieges kam es zwischen BDF und DEF über die schichten. Die Hannoveranerin Paula Mueller-Ot‐ Frage des Friedensschlusses und der Demokrati‐ fried, Tochter eines höheren Regierungsbeamten, sierung des Reiches zum Zerwürfnis. Im März wurde die führende Persönlichkeit des Bundes. 1918 erfolgte der Austritt des DEF aus dem Dach‐ Die Arbeit des DEF, so die Interpretation von Bau‐ verband der bürgerlichen Frauenbewegung. Hier mann, basierte auf dem kulturprotestantischen zeigt sich die zunehmende Fraktionierung des ge‐ Anspruch, evangelisches Bekenntnis und moder‐ samten Frauenvereinswesens entlang parteipoliti‐ ne Welt miteinander zu versöhnen. Vereinsaufga‐ scher Linien in den letzten Kriegsjahren. Bereits ben waren die Mobilisierung von Frauen für eine 1913 wurde die „mehrheitlich orthodox-konserva‐ „religiös-sittliche Erneuerung“ und die Mitarbeit tive Ausrichtung“ (Baumann, S. 195) des DEF in der sozialpolitischen Bewegung. Die Caritas nachdrücklich bestätigt: Führende Vertreterinnen wurde von den führenden DEF-Frauen als altmo‐ waren an der Gründung der ersten Frauengruppe

13 H-Net Reviews beteiligt, die ofziell der Deutsch-Konservativen fassende religiöse und politische Sinngebung in Partei angeschlossen war (vgl. II).Baumann, S. 9, Zeiten zunehmender Entchristlichung und gesell‐ 117, 119, 126-149, 184-201, 216-228; Kaufmann, schaftlichen Wandels, das elitäre Selbstverständ‐ Aufbruch, S. 27f.; Süchting-Hänger, S. 54-63. nis von Frauen des Bildungsbürgertums und ihr Die 1916 gegründete Neulandbewegung (NLB) Wunsch nach Teilhabe am Kriegsgesche‐ stellt laut der Analyse von Silvia Lange einen Son‐ hen.Lange, Protestantische Frauen, S. 9, 12f., derfall innerhalb des protestantischen Frauenver‐ 16-29, 60, 86. einswesens dar. Während die Organisation in der NATIONALISTISCHE FRAUENVEREINE Literatur meist als Jugendbewegung und völki‐ Die dezidiert nationalistischen Frauenvereine des sche Frauenorganisation klassifziert wird, hebt Kaiserreiches stellen eine weitere Form des rech‐ Lange die Merkmale einer evangelischen Frauen‐ ten Frauenorganisationswesens dar. In den letz‐ organisation hervor. Zentrale Bedeutung misst sie ten Jahren sind in neueren Studien die Anregun‐ Guida Diehl, der charismatischen Begründerin gen Roger Chickerings aufgegrifen worden. Von und Leiterin der NLB zu. Diehl hatte sich im Kai‐ Elisabeth A. Drummond stammt ein Beitrag über serreich zunächst in der Frankfurter Ortsgruppe den Frauenverein für die Ostmarken, Lora Wil‐ des DEF engagiert und dessen Mitgliedschaft im denthals Monographie „German Women for Em‐ BDF von Anfang an befürwortet. Die spätere Füh‐ pire“ behandelt unter anderem die Geschichte des rerin der Neulandbewegung zeigte schon im Kai‐ Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesell‐ serreich eine ofen antisemitische und antisozia‐ schaft, ein Aufsatz von Claire Verghiattis themati‐ listische Orientierung. Im Ersten Weltkrieg kriti‐ siert die Bezüge zwischen kolonialem Engage‐ sierte sie den Nationalen Frauendienst (NFD), die ment und frauenbewegten Interessen, schließlich Kriegsorganisation des BDF, in dem nach ihrer bezieht Andrea Süchting-Hänger in ihre Disserta‐ Ansicht zu viele Jüdinnen und Sozialistinnen en‐ tion neue Quellen über Ostmärkerinnen, Kolonial- gagiert waren. Diehl warb für die Gründung eines und Flottenbundfrauen ein.Ausgerechnet für den Kriegsbunds der Frauen, der eine ‚innere Erneue‐ größten nationalistischen Frauenverein, den Flot‐ rung‘ bewirken sollte. 1916 schuf sich Guida Diehl tenbund deutscher Frauen, liegt noch keine Ein‐ mit der Zeitschrift „Neuland“ ein eigenes Organ, zelstudie vor. Der folgende Abschnitt über natio‐ das sich an die „gebildete weibliche Jugend“ rich‐ nalistische Frauenvereine beruht auf: Chickering, tete. Das Alltagshandeln der Frauen im „Geistes‐ Casting their Gaze; Drummond, Elizabeth A.: kampf“, die „Kraft des Gemütes“ (zitiert nach Lan‐ „Durch Liebe stark, deutsch bis ins Mark“: Weibli‐ ge, Protestantische Frauen, S. 21f.), war aus ihrer cher Kulturimperialismus und der Deutsche Frau‐ Sicht kriegsentscheidend. Im Winter 1916/17 enverein für die Ostmarken, in: Planert, Nation, S. schloss sich ein Teil der Leserinnen zum Neuland‐ 147-164; Wildenthal: German Women, bes. S. bund zusammen. Nach der Interpretation von Sil‐ 133-200; Süchting-Hänger, Gewissen, S. 67-76, 89f.; via Lange war das zentrale Anliegen somit ein po‐ Venghiattis, Claire: Confict over Women‘s Patrio‐ litisches, wobei man nicht auf die Beeinfussung tic Activism. Gender Relations and the German des Staates zielte, sondern auf eine individuelle Colonial Movement during the Kaiserreich, in: innere Erneuerung. Der Privatbereich der Frauen Schöck-Quinteros/Streubel. Für das koloniale In‐ erhielt gesellschaftspolitische Bedeutung. Silvia teresse bei Else Lüders vgl.: Schöck-Quinteros, Lange wertet auf der Grundlage von zehn biogra‐ Eva: Else Lüders (1872-1948), in: 1999. Zeitschrift fsch-narrativen Interviews Selbstzeugnisse von für die Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhun‐ Neuland-Anhängerinnen aus und identifziert als derts, 12 (1997), S. 49-67, bes. S.64-65. Die Disserta‐ Beitrittsmotive die Wahrnehmung Guida Diehls tion von Jens Oldenburg über den Ostmarkenver‐ als begeisternde Rednerin, die Hofnung auf um‐ ein konnte für diesen Überblick nicht mehr be‐

14 H-Net Reviews rücksichtigt werden: Oldenburg, Jens: Der Deut‐ Nach den Vorstellungen der Männer waren die sche Ostmarkenverein 1894-1934, Berlin 2002. Aufgaben der Frauen in allen drei Vereinen eng Hervorzuheben ist, dass der Frauenverein für die umgrenzt. Gewissermaßen ‚genehmigt‘ war die Ostmarken im Vergleich zu anderen nationalisti‐ Veranstaltung von Festen, Basaren und Lotterien, schen Frauenorganisationen relativ früh entstan‐ um Geld in die Vereinskassen zu bringen - be‐ den ist. Bereits vor der Jahrhundertwende, im rühmt waren die Kostümfeste der Kolonialfrauen Jahr 1895, rief die Führung des Ostmarkenvereins -, außerdem Fürsorge, Armen-, Kranken- und Wai‐ zur Gründung einer Frauengruppe auf. Hier senpfege vor allem in den Grenzgebieten sowie macht Elisabeth A. Drummond die interessante die Bewahrung „deutscher Haushalte“ und Ver‐ Beobachtung, dass diese Initiative anscheinend mittlung „deutscher Kultur und Sitte“ innerhalb eine Reaktion der deutschen „Ostmärker“ auf die des Hauses. Auch sollten die Frauen für die Ziele engagierte Mitarbeit von Frauen in der polni‐ der jeweiligen Vereine in ihrem Umfeld werben. schen Nationalbewegung war. Polinnen sollten im Da auch die Männerorganisationen ihre Arbeit als Nationalitätenkampf die kulturelle Identität der ‚überparteilich‘ ausgaben, erschienen die Hilfs‐ eigenen Ethnie in der Familie bewahren und dienste der Frauen erst recht unpolitisch. durch soziale Dienste für den Zusammenhalt der In allen drei hier genannten nationalistischen Polen untereinander sorgen. Dieser Arbeit der Po‐ Frauenvereinen gab es eine Gruppe von Frauen, linnen wollten die Vertreter des Ostmarkenver‐ die mit dem Status einer untergeordneten Hilfs‐ eins das Engagement deutscher Frauen gegen‐ truppe bald unzufrieden wurde und auf eine Aus‐ überstellen. Ein entsprechend plausibles Motiv weitung der Handlungsfelder drängte. Einige für die Gründung einer weiblichen Hilfsorganisa‐ Frauen des Flottenbundes erklärten, dass ihre tion konnte die Deutsche Kolonialgesellschaft vor‐ Gelder nicht für „Kleinigkeiten“ ausgegeben wer‐ weisen. Die Grundidee stammte, wie Lora Wilden‐ den sollten. Statt für ein Seemänner-Genesungs‐ thal zeigt, von Propagandisten der Rassenhygiene, heim wollten sie lieber für ein Schlachtschif spa‐ die eine „Vermischung der Rassen“ in den deut‐ ren. Überhaupt sei der Frauenfottenbund kein schen Kolonien verhindern wollten und hierfür Fürsorgeverein, proklamierte diese Gruppe schon die Auswanderung deutscher Frauen als Lösung 1912. Der Vorstand diskutierte 1913 sogar die ausriefen. Die Versuche der DKG, Frauen für die‐ Möglichkeit eines Beitritts zum BDF, wie Andrea ses Unternehmen zu werben, waren nicht sehr er‐ Süchting-Hänger belegen kann. Im Frauenverein folgreich. Erst der weiblichen Hilfsorganisation, für die Ostmarken stach laut Chickering und dem Frauenbund der DKG, gelang es, pro Jahr Drummond die Ortsgruppe Posen heraus, in der zwischen fünfzig und hundert auswanderungs‐ besonders viele Lehrerinnen und andere Berufs‐ willige Frauen zu rekrutieren und in die Kolonien frauen organisiert waren. Die Posenerinnen for‐ zu bringen. Der Flottenbund Deutscher Frauen derten die Anerkennung der Frau als Staatsbürge‐ konnte unter den nationalistischen Vereinen die rin, die zwar nicht unbedingt wählen, aber stärke‐ meisten weiblichen Mitglieder mobilisieren (1913 ren Einfuss in öfentlichen Angelegenheiten er‐ 60.000). Bemerkenswert sind allerdings auch die halten sollte. Statt Krankenpfege und Kinderer‐ Mitgliederzahlen des Frauenbundes der DKG ziehung setzte man auf bessere Ausbildung und (1914 17.800), da diese immerhin fast halb so hoch die Förderung selbstständiger Geschäftsfrauen. waren wie die der Männerorganisation. Im Ver‐ Eine starke Unterstützerin fand diese Gruppe in gleich dazu war der Mobilisierungserfolg für die Käthe Schirmacher, der bekannten Propagandis‐ ‚Ostmark‘ unter Frauen eher gering war: 54.000 tin einer rücksichtslosen Germanisierungspolitik. Mitgliedern der Männerorganisation standen Schirmacher hatte sich bis zur Jahrhundertwende 1914 nur 3.400 Anhängerinnen gegenüber. im radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbe‐

15 H-Net Reviews wegung engagiert und ihre frauenrechtlerischen cey Jean: The African Adventures of May French- Ideen auch als radikale Nationalistin nicht abge‐ Sheldon: A Critical Cultural Study of an Imperial legt. Am besten dokumentiert sind die Konfikte Feminist, Binghamton 1996; Valerie Amos/Pratib‐ zwischen männlicher und weiblicher Führung ha Parmar: Challenging Imperial Feminism, in: aber für den Frauenbund der DKG. Der Selbstbe‐ Kum-Kum Bhavnani (Hg.): Feminism and Race, hauptungswille der Kolonialaktivistinnen ging so Oxford 2000; Ward, Margaret: Gendering the Uni‐ weit, dass sie in manchen Orten begannen, der on: Imperial Feminism and the Ladies' Land DKG ihren Mitgliederstamm streitig zu machen, League, in: Women's History Review 10 (2001), S. was die Führer der Männerorganisation sehr ver‐ 71-92. entwickelt worden, um dieses besondere ärgerte. 1909 waren laut Wildenthal schon zehn Argumentationsmuster einiger Kolonialaktivistin‐ Prozent der Mitglieder des Frauenbundes Män‐ nen zu umschreiben. Claire Venghiattis und Lora ner, bis 1910 stieg ihr Anteil auf 17 Prozent. An‐ Wildenthal haben darauf aufmerksam gemacht, drea Süchting-Hänger vertritt die These, dass sich dass selbst Vertreterinnen des radikalen Flügels die Führerinnen des Frauenbundes zur Beilegung der bürgerlichen Frauenbewegung die Auswande‐ der Konfikte den Männern zwar auf dem Papier rung von Frauen in die Kolonien für ein geeigne‐ unterordneten, tatsächlich jedoch weiterhin ihre tes Projekt hielten, um die Führungsqualitäten eigenen Ziele verfolgten. Lora Wildenthal hebt die des weiblichen Geschlechts zu dokumentieren. Bedeutung von Hedwig Heyl hervor, die 1910 den Keine der Studien erörtert allerdings den Beitritt Vorsitz übernahm. Heyl kam aus der bürgerlichen des Frauenbundes der DKG zum Bund Deutscher Frauenbewegung und stand dem linken Flügel Frauenvereine im Jahr 1911. der Nationalliberalen nahe. Das Projekt Kolonien Andrea Süchting-Hänger beobachtet, dass die schien eine völlig andere Frauenrolle zu erfor‐ Flottenbundfrauen mit ihren Publikationen eine dern: Physische, moralische und mentale Härte regierungskritische Position einnahmen, die aller‐ waren ebenso notwendig, wie Führungsqualitä‐ dings gemäßigt ausgefallen sei, da die Frauen zu ten gegenüber der kolonisierten Bevölkerung. Die sehr auf adelige Leitbilder und die Nähe zum Hof Frauen reisten mit der Mission in die Kolonien, fxiert gewesen seien. Das öfentliche Auftreten das ‚Deutschtum‘ und die ‚Rassereinheit‘ zu be‐ “glich dem eines konservativen Wohltätigkeitsver‐ wahren. Sie müssten daher gleichwertig neben eins weit mehr als dem eines politischen Agitati‐ dem ‚deutschen Mann’ stehen. onsverbandes“, bilanziert Süchting-Hänger (Ge‐ Das starke Interesse der Geschlechtergeschichte wissen, S. 76). Allerdings seien die modernen Agi‐ gerade für den Frauenbund der DKG ist darauf tationsformen der Männerorganisationen – Mas‐ zurückzuführen, dass der Verein als Paradebei‐ senveranstaltungen, Kundgebungen, Demonstrati‐ spiel für die „coexistence of , imperia‐ onen - eine Voraussetzung für die Integration von lism, and feminism“ gilt, wie Claire Venghiattis in Frauen gewesen. Wildenthal weist darauf hin, ihrem Aufsatz formuliert. Auch Wildenthal will dass das Organ des Frauenbundes, die Zeitschrift mit ihrer Studie nachweisen, dass Kolonialfrauen „Kolonie und Heimat“, von dem radikalen Flügel Vorstellungen von Rasse und Geschlecht nutzten, innerhalb der DKG geleitet wurde, der dem ‘alten’ um neue Freiheiten für Frauen zu erreichen und Konservatismus und Nationalismus kritisch ge‐ die deutsche Überlegenheit über ‚zurückgebliebe‐ genüberstand. Fragt man nach den politischen ne‘ Gesellschaften zu sichern: „Race was a power‐ Stellungnahmen der Kolonialaktivistinnen, so be‐ ful language with which to argue for inclusion“ steht in der Forschung Konsens darüber, dass der (Lora Wildenthal, German Women, S. 10). In der Rassismus der Agitatorinnen des Frauenbundes angelsächsischen Forschung ist der Begrif ‚Impe‐ der DKG der Propaganda der Männer in nichts rial Feminism‘Vgl. beispielsweise: Boisseau, Tra‐ nachstand.

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HAUSFRAUENORGANISATIONEN den Gebieten Ausbildung und Ökonomie, ver‐ Obwohl es sich bei den städtischen und ländli‐ nachlässigt dafür die politische Orientierung); Til‐ chen Hausfrauenvereinen um zwei besonders mann, Doris: Der Landfrauenberuf. Bäuerliche mitgliederstarke Frauenorganisationen handelt, Arbeit, Bildungsstätten und Berufsorganisationen sind sie noch nicht zum Gegenstand einer Mono‐ der Landfrauen in Schleswig-Holstein 1900-1933, graphie auf breiter Quellengrundlage geworden. Neumünster 1997; Bridenthal, Renate: Professio‐ Die Arbeit von Christina Schwarz von 1990 über nal Housewives: Stepsisters of the Women’s Move‐ „Die Landfrauenbewegung“ in Deutschland liefert ment, in: dies./Grossmann, Atina/Kaplan, Marion für die Gründungs- und Organisationsgeschichte (Hg.): When Biology Became Destiny, New York neue Daten, basiert allerdings in weiten Teilen 1984, S. 153-173; Bridenthal, Renate: Organized der Analyse zu sehr auf den Erinnerungen der Rural Women and the Conservative Mobilization Gründerin und langjährigen Vorsitzenden Elisa‐ of the German Countryside in the Weimar Repu‐ bet Boehm, um eine sichere Grundlage für stritti‐ blic, in: Jones, Larry Eugene/Retallack, James N. ge Forschungsfragen zu schafen. Die etwas jünge‐ (Hg.): Between Reform, Reaction, and Resistance, re Regionalstudie von Doris Tillmann über den Providence 1993, S. 375-405 (gekürzte Fassung: in: „Landfrauenberuf“ informiert detailliert über Feministische Studien (1994). Vgl. auch die aktuel‐ Aufgabenbereiche, Arbeitsalltag und Ausbildung le Studie: Albers, Helene: Zwischen Hof, Haushalt der Landfrauen. Der Abschnitt über die Berufsor‐ und Familie. Bäuerinnen in Westfalen-Lippe ganisation umfasst jedoch nur zehn Seiten. Des‐ (1920-1960), Paderborn u. a. 2001. wegen sind für Kaiserreich und Republik nach Der Landfrauenbewegung gelang es, Frauen wie vor die Aufsätze von Renate Bridenthal aus zu mobilisieren, die zuvor gegenüber allen Orga‐ den 80er und frühen 90er Jahren wichtig. Briden‐ nisationen außer den religiösen immun gewesen thal hat nicht nur erste Basisinformationen über waren, wie Renate Bridenthal hervorhebt. Ähn‐ beide Organisationen von der Gründung bis zur lich wie in der Neulandbewegung spielte auch Aufösung geliefert, sondern mit ihren Thesen hier eine einzelne Persönlichkeit eine zentrale Weichen für die Forschung gestellt. Seit einigen Rolle: Elisabet Boehm, Tochter eines Staatsbeam‐ Jahren hat die New Yorker Historikerin Nancy R. ten und Ehefrau eine Gutsbesitzers, suchte nach Reagin die Anregungen Bridenthals neu aufgegrif‐ einem dritten Weg zwischen Vaterländischem fen und in mehreren Aufsätzen die nationalisti‐ Frauenverein und dem Bund deutscher Frauen‐ sche Rhetorik und Agitation der Hausfrauenver‐ vereine, da sie bei den Vaterländischen die Domi‐ bände analysiert, bislang unter Konzentration auf nanz der Männer, im Bund die der Stadtfrauen die Weimarer Republik und die NS-Zeit. Reagins ablehnte. 1898 gründete Boehm den ersten „Land‐ Beiträge sind Teilergebnisse ihres größeren For‐ wirtschaftlichen Hausfrauenverein“ in der ost‐ schungsprojektes „Housewives, National Identity, preußischen Kleinstadt Rastenburg. Wichtigstes and Nationalism in Germany, 1870-1945“ (vgl. Ziel wurde die Anerkennung der Hauswirtschaft III).Schwarz, Christina: Die Landfrauenbewegung als Beruf. Die Aufgaben, die Boehm um die Jahr‐ in Deutschland, Mainz 1990 (mit wichtigen Infor‐ hundertwende für ihre Organisation vorsah, hat‐ mationen über die unterschiedlichen Arbeitsbe‐ ten bis zum Ende der Weimarer Republik Be‐ dingungen für Kleinbäuerinnen und Gutsfrauen); stand: Hauswirtschaftsunterricht, Steigerung der dies. (ergänzt durch Friederike von Natzmer): Produktivität in Garten, Gefügelzucht und Milch‐ “Frauen im Zeichen der Biene” – die Geschichte wirtschaft, Verbesserung der Organisation des der deutschen Landfrauenbewegung, in: Elisabet Verkaufs und - in Zusammenarbeit mit den städti‐ Boehm und die Landfrauenbewegung, Husum schen Hausfrauen - die Überbrückung der Unter‐ 1998, S. 31-96 (schildert vor allem die Erfolge auf schiede zwischen ländlichen und städtischen In‐

17 H-Net Reviews teressen. Daneben sollten die Frauen in die Land‐ Reichsverband Deutscher Hausfrauenvereine wirtschaftskammern integriert und für landwirt‐ (RDHV) um den größeren der beiden Hausfrauen‐ schaftliche Interessen mobilisiert werden. Die verbände handelt. Eines der Hauptziele der städti‐ Idee, eigene Märkte zu organisieren und damit schen Hausfrauen war zunächst, die Organisie‐ den Absatz der Produkte zu verbessern, führte zu rung der Dienstboten durch die Sozialdemokratie raschen Erfolgen, so dass die Idee der Landfrau‐ zu verhindern. Über die Vorgeschichte des RDHV enorganisation schnell auf andere Orte übergrif. ist bislang wenig bekannt. Bemerkenswert ist, 1916 schlossen sich die regionalen und lokalen dass die Initiative für den nationalen Zusam‐ landwirtschaftlichen Frauenvereine in der Orga‐ menschluss städtischer Hausfrauen von der bür‐ nisation Reichsverband Landwirtschaftlicher gerlichen Frauenbewegung ausging, weshalb der Hausfrauenvereine (RLHV) zusammen. Die Ge‐ RDHV seit seiner Gründung Mitgliedsverband im schäftsführung hatte bis 1920 den Sitz in Königs‐ BDF war. Die Organisatorinnen des Nationalen berg, danach in Berlin. In dem eigenen Organ Frauendienstes (NDF) riefen den Reichsverband „Land und Frau“ sowie in der „Deutschen Tages‐ ins Lebens, um die Kriegsanstrengungen zu un‐ zeitung“ und dem „Tag“ konnten die Vereinsziele terstützen und gewissermaßen den „Küchen‐ des RLHV propagiert werden. Renate Bridenthal kriegsdienst“ (Ute Frevert, Frauen-Geschichte, S. hat herausgearbeitet, dass der RLHV seine Anhän‐ 148) zu organisieren. Vorsitzende des Reichsver‐ gerschaft als ‚Stand‘ defnierte und in seinem bandes der städtischen Hausfrauen wurde Mar‐ Selbstverständnis zwischen der Identifkation mit tha Voß-Zietz, die aus der radikalen Frauen- und der Landwirtschaft und einer separaten Frauen‐ Stimmrechtsbewegung kam, jedoch zunehmend sphäre schwankte. Kontakte bestanden sowohl radikalnationalistische Positionen vertrat und zum Bund der Landwirte als auch zur bürgerli‐ 1918 der DNVP beitrat. Auf dem Programm des chen Frauenbewegung. 1906 kam es zu einer hef‐ RDHV standen die Erziehung zur Sparsamkeit, Ra‐ tigen Auseinandersetzung unter den ländlichen tionierung und Konservierung von Lebensmitteln, Hausfrauen, als Elisabet Boehm den Beitritt zum in den späten Kriegsjahren auch die Mithilfe bei BDF befürwortete. Eine starke Gruppe, die von der Verteilung von Nahrung und Kleidung. Die den männlichen Agrarvereinen und den Land‐ Anerkennung und propagandistische Aufwertung wirtschaftskammern unterstützt wurde, argu‐ der Verbraucherinnen als „Soldaten der Heimat‐ mentierte vehement dagegen. Die Anti-BDF-Positi‐ front“ durch staatliche Behörden hat kürzlich erst on konnte sich zunächst durchsetzen. Christina wieder Belinda J. Davis anschaulich beschrieben. Schwarz hat hervorgehoben, dass im Reichsver‐ Davis nimmt an, dass das Bild der „starken deut‐ band stets die Gesellschaftsschicht des Groß‐ schen Frau“ auf der Straße, die im „Wirtschafts‐ grundbesitzes die Führung behielt. Kleinbäuerin‐ krieg“ stand (S. 141), viel dazu beigetragen habe, nen und Landarbeiterinnen seien in den Vorstän‐ Frauen als verantwortungsvolle Staatsbürgerin‐ den nicht vertreten gewesen. Trotz des überkon‐ nen wahrzunehmen. Auch im RDHV wurde die fessionellen Charakters war die Mitgliedschaft Hausarbeit als Beruf angesehen, obwohl die städ‐ zum allergrößten Teil protestantisch. Die Katholi‐ tischen Hausfrauen im Gegensatz zu den Land‐ kinnen bevorzugten ihre eigenen Landfrauenor‐ frauen keine eigenständigen Produzentinnen wa‐ ganisationen.Bridenthal, Rural Women, S. ren. Die Aufwertung der eigenen Tätigkeit als ‚Be‐ 375-388; Schwarz, Landfrauenbewegung, S. 5, 57, ruf‘ stand auch bei den städtischen Hausfrauen 60-72. im Vordergrund.Reagin, Nancy R.: Nationale Die Organisationsgeschichte der städtischen Hausarbeit? Bürgerliche Hausfrauen und nationa‐ Hausfrauen ist vergleichsweise weniger gut er‐ le Politik in der Weimarer Republik, in: Schoeck- forscht, obwohl es sich bei dem 1915 gegründeten Quinteros/Streubel; Davis, Belinda J.: Ernährung,

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Politik und Frauenalltag im Ersten Weltkrieg, in: nierstudie getan hat. Dennoch erscheint Chicke‐ Hagemann/Schüler-Springorum, Heimatfront, S. rings These, dass emanzipatorische Positionen in‐ 128-149, bes. S. 138-141. nerhalb des rechten Frauenvereinswesens im Kai‐ Das rechte Frauenvereinswesen war insge‐ serreich noch die Sache einer Minderheit blieben, samt bei Kriegsausbruch bereit, einen Beitrag für nach wie vor plausibel. Um zu belegen, dass die den Sieg der eigenen Nation zu leisten. Fürsorge‐ Beschränkung auf karitative und ‚gesellige‘ Berei‐ rische Tätigkeiten, Wohlfahrtspfege und die Schu‐ che zunehmend unterlaufen oder sogar ofen ab‐ lung der Frauen im Sinne des „Wirtschaftskrie‐ gelehnt wurde, erfordert es einen genaueren ges“ standen im Vordergrund. Dem Nationalen Blick auf die Basis der Vereine (vgl. IV). Frauendienst gehörte auch der DEF an. Auf loka‐ Die ideologischen Stellungnahmen weiblicher Pu‐ ler Ebene kooperierte der NFD eng mit dem Vater‐ blizisten sollten im Detail mit denen der männli‐ ländischen Frauenverein. Andrea Süchting-Hän‐ chen Meinungsführer verglichen werden. Es gilt ger beurteilt den Ersten Weltkrieg als „Katalysator zu überprüfen, ob und in welchem Ausmaß rech‐ der Politisierung“ (Gewissen, S. 90) für die rechten te Textproduzentinnen an der Radikalisierung des Frauen. Die Führerinnen der Frauenvereine tra‐ Konservatismus beteiligt gewesen sind. Das Enga‐ ten stärker in die Öfentlichkeit und arbeiteten gement von Frauen ist für viele Verbände noch auf nationaler oder kommunaler Ebene mit staat‐ unterbelichtet, beispielsweise für die Alldeut‐ lichen Behörden zusammen. So bildete beispiels‐ schen, den Wehrverein, den Reichsverband zur weise das Kriegsernährungsamt einen Frauenbei‐ Bekämpfung der Sozialdemokratie oder die Deut‐ rat, in dem Vertreterinnen städtischer und ländli‐ sche Vaterlandspartei. cher Hausfrauenorganisationen saßen. Für die Noch liegen keine Befunde vor, wie stark oder Zeit ab 1917 lässt sich ein Schub zur parteipoliti‐ schwach das rechte Frauenvereinswesen vor 1914 schen Fragmentierung des Frauenvereinswesens bereits untereinander vernetzt war. Feststellen konstatieren. Die rechten Frauenvereine rückten kann man jedoch, dass eine starke Gegnerschaft näher aneinander. Die gemeinsame Propaganda zwischen den antiemanzipatorischen Verbänden für einen Annexionsfrieden durch Kundgebungen – Vaterländischer Frauenverein und Evangelische und Artikel in den Vereinsorganen wurde im Ver‐ Frauenhilfe - und den Organisationen bestand, lauf des Krieges immer mehr forciert. Viele tau‐ die mit manchen Ideen der Frauenbewegung send Frauen sammelten sich in der Deutschen Va‐ sympathisierten. Zu letzteren gehörten - zumin‐ terlandspartei. Heinz Hagenlücke hat in seiner dest auf der Ebene der nationalen Führerinnen - Studie über die Vaterlandspartei darauf hingewie‐ der DEF, der Frauenbund der DKG und die städti‐ sen, dass etwa ein Drittel der Mitglieder Frauen schen Hausfrauenvereine. Bei den ländlichen waren.Hagenlücke, Heinz: Die Deutsche Vater‐ Hausfrauenvereinen konnte sich Elisabet Boehm landspartei, Düsseldorf 1997, S. 183-185; Süchting- mit ihrer frauenbewegten Orientierung erst in Hänger, Gewissen, S. 90-121; Bridenthal, Rural der Weimarer Republik durchsetzen. Women, S. 382f. Sorgfältig abgewogen werden muss schließlich, welche Organisationen mit dem Etikett ‚feminis‐ FORSCHUNGSPERSPEKTIVEN I: tisch’ versehen werden. Diferenziert werden soll‐ Für das gesamten Spektrum der nationalistischen te zwischen 1. einer Emanzipation der Tat, die in‐ Frauenvereine schätzen Elizabeth A. Drummond, folge der Aktivitäten für den Verein auftritt, 2. Lora Wildenthal, Andrea Süchting-Hänger und Ressort-EgoismusDen Begrif ‚Ressort-Egoismus‘ Claire Venghiattis den Selbstbehauptungswillen hat Rafael Scheck im Verlauf einer Tagungsdis‐ der Frauen in den nationalistischen Verbänden kussion geprägt. Vgl. Streubel, Christiane: „Deut‐ stärker ein, als Roger Chickering es in seiner Pio‐ sche Frau, dehne deinen Einfuss aus!“. Bericht

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über ein internationales Kolloquium, in: Feminis‐ und die Anbindung an die Deutschnationale tische Studien (1999), S. 110-114., wobei eine un‐ Volkspartei mit ihren ersten weiblichen Parla‐ abhängige Entscheidung über die eigenen (‚weib‐ mentariern nachgezeichnet. Bei ihr liegt der lichen‘) Tätigkeitsgebiete reklamiert wird, 3. teil‐ Schwerpunkt der Darstellung auf dem Vaterländi‐ weise Übernahme von Ideen der bürgerlichen schen Frauenverein, dem Deutsch-Evangelischen Frauenbewegung für die eigene Gruppe, beispiels‐ Frauenbund und vor allem auf den explizit natio‐ weise auf dem Gebiet der Professionalisierung nalistischen Frauenorganisationen. Vor kurzem von Frauenberufen oder im Sinne einer Aufwer‐ hat nun auch Rafael Scheck das Manuskript zu tung der ‚weiblichen‘ Aktionsbereiche, 4. Feminis‐ seinem ‚Second Book‘ über Frauen in der Deutsch‐ mus, der darauf zielt, für alle Frauen innerhalb ei‐ nationalen Volkspartei und der Deutschen Volks‐ ner selbstdefnierten Gemeinschaft die Abschaf‐ partei abgeschlossen. An dieser Stelle sollen ledig‐ fung von Geschlechterhierarchien zu erreichen. lich seine Befunde für die DNVP vorgestellt wer‐ Hierbei muss berücksichtigt werden, dass aus der den. Rafael Scheck konzentriert sich in seiner gedachten Gemeinschaft bestimmte Gruppen von Monographie vor allem auf die führenden Parla‐ Frauen ausgeschlossen sein können, sei es auf‐ mentarierinnen des Reichs- und der Landtage. Die grund von Klasse, Rasse oder Konfession. Studien organisationsgeschichtlichen Kapitel umfassen zum ‚Imperial Feminism’ machen dies besonders die Zusammenschlüsse der weiblichen Funktio‐ anschaulich und lehren uns, den ‚Universalismus’ näre und Mitglieder auf nationaler, Landes- und als angeblich integrales Element des feministi‐ lokaler Ebene. Bezogen auf das konservative schen Denkens zu hinterfragen. Frauenvereinswesen greift Scheck vor allem den Festzuhalten ist, dass rechte Frauenvereine Einfuss der Hausfrauenvereine auf die Politik der an dem Prozess der Fundamentalpolitisierung be‐ DNVP-Frauen heraus. Die Studien von Andrea teiligt waren und dies zu einer unübersehbaren Süchting-Hänger und Rafael Scheck liefern eine Ausweitung weiblicher Handlungsspielräume Fülle an biografschen Informationen über wichti‐ führte. Die ‚rechte Frauenöfentlichkeit‘ des Kai‐ ge Vertreterinnen der politischen Rechten. Das serreiches – man beachte die Vielzahl der ‚Frau‐ Buch „Gewissen der Nation“ enthält zudem im enorgane’ (vgl. V) - und die Aktivitäten der mit‐ Anhang 60 Kurzbiografen, die eine erste Orientie‐ gliederstarken Vereine trugen ein Gutteil dazu rung bieten. Vor dem Hintergrund, dass umfang‐ bei, dass viele Frauen bei ihrem ersten Wahlgang reiche Biografen über Vertreterinnen der Rech‐ in der Republik der DNVP oder der DVP ihre Stim‐ ten bislang einzig für Käthe Schirmacher und me gaben. Magdalene Tiling vorliegen, sind diese Einblicke um so wertvoller. Den Arbeiten von Andrea II. Frauen der Rechten in den Parteien Süchting-Hänger und Rafael Scheck kommt da‐ Erkenntnisse über das parteipolitische Enga‐ her das Verdienst zu, Orientierung in einem kaum gement von Frauen in rechten Parteien lagen lan‐ bearbeiteten Untersuchungsfeld geschafen zu ha‐ ge Zeit nur zu Detailfragen beziehungsweise für ben. Als dritte Expertin für diesen Themenzusam‐ die Anfangsphase vor, gewissermaßen als Aus‐ menhang ist schließlich Kirsten Heinsohn zu nen‐ klang der Schilderungen über das Kaiserreich. nen, die aus ihrem Habilitationsprojekt „Frauen, Aus diesem Grund kommt zwei neuen Monogra‐ Männer und Politik im deutschen Konservatismus phien der Rang von Pionierstudien für dieses For‐ 1908 bis 1933“ (Arbeitstitel) erste Ergebnisse vor‐ schungsfeld zu. Andrea Süchting-Hänger hat in ih‐ gestellt hat. Für die eingangs formulierte Frage - rer Dissertation „Das ‚Gewissen der Nation‘“ das wie wurden die Stimmen der Frauen gewonnen? - engmaschige Netzwerk konservativer Frauenor‐ hat Julia Sneeringer unter dem Titel „Winning ganisationen zwischen 1918 und 1933 vorgestellt Women‘s Votes“ eine vergleichende Studie für die

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Parteien KPD, SPD, DDP, Zentrum, DVP, DNVP und the German Nationalist People‘s Party (DNVP), in: NSDAP publiziert. Sneeringer untersucht Flugblät‐ Bacchetta/Power, S. 141-153 (mit Kurzbiografen ter, Handzettel, Plakate und Parteipublikationen, über Paula Mueller-Otfried, Margarete Behm, Kä‐ mit denen sich diese Parteien in den Wahlkämp‐ the Schirmacher und Annagrete Lehmann); ders.: fen auf nationaler Ebene unmittelbar an Frauen Die Partei als Heim und Familie. Frauen in den wandten, und schließt mit dieser Analyse eine Ortsvereinen der Deutschnationalen Volkspartei wichtige Lücke.Süchting-Hänger, Gewissen; und Deutschen Volkspartei in der Weimarer Re‐ Scheck, Rafael: Mothers of the Nation. Right-Wing publik, in: Schöck-Quinteros/Streubel. Women in Weimar Germany, Oxford, erscheint ERSTE PARTEIPOLITISCHE FRAUENORGANI‐ voraussichtlich Januar 2004 (ich danke Rafael SATIONEN DER RECHTEN Scheck für die Bereitstellung des Manuskripts. Ge‐ Der Eintritt von rechten Frauen in die Parteipoli‐ naue Seitenangaben sind für „Mothers of the Nati‐ tik in den letzten Jahren des Kaiserreiches ent‐ on“ nicht möglich, da die Druckfahnen noch nicht sprang einer Notsituation. Die Sozialdemokratie vorlagen. Daher werden im Folgenden lediglich eilte bei den Reichstagswahlen von Erfolg zu Er‐ die Kapitelüberschriften genannt); Heinsohn, folg, während die konservativen Parteien drama‐ Kirsten: Im Dienste der deutschen Volksgemein‐ tisch verloren. Dennoch sperrten sich die rechten schaft. Die „Frauenfrage“ und konservative Par‐ bürgerlichen Parteien gegen eine Demokratisie‐ teien vor und nach dem Ersten Weltkrieg, in: Pla‐ rung des Reiches. Während die Deutsch-konserva‐ nert, Nation, S. 215-233; dies.: „Volksgemeinschaft“ tive Partei hier auf Fundamentalopposition be‐ als gedachte Ordnung. Zur Geschlechterpolitik harrte, waren Freikonservative und Nationallibe‐ der Deutschnationalen Volkspartei, in: Boukrif, rale eher bereit, sich auf die Gesetze des politi‐ Gabriele u. a. (Hg.): Geschlechtergeschichte des schen Massenmarktes einzustellen und über eine Politischen, Münster, Hamburg, London 2002, S. gemäßigte Modifzierung des Wahlrechts nachzu‐ 83-106; Sneeringer, Julia: Winning Women‘s Vo‐ denken. Für die rechten Parteien übernahm der tes. Propaganda and Politics in Weimar Germany, Bund der Landwirte die Funktion, eine breitere Chapel Hill, London 2002. Einige Befunde für die Anhängerschaft zu gewinnen. Christlich-soziale, Frauenwahlwerbung der DNVP sind zusammen‐ völkische und antisemitische Elemente sollten gefasst in: dies.: „Frauen an die Front!“ The Lan‐ eine popularisierende Wirkung garantieren und guage of ‚Kampf‘ in DNVP Women‘s Propaganda neue Wähler gewinnen. Die Frauen jedoch rech‐ 1918-33, in: Schöck-Quinteros/Streubel. nete man im Ganzen nach wie vor zu der gefährli‐ Weitere Veröfentlichungen von Rafael Scheck: chen ‚Masse‘, der man die Partizipation verwei‐ Scheck, Rafael: German Conservatism and Fema‐ gern müsse. Die Sozialdemokratie hatte seit der le Political Activism in the Early , Änderung des Reichsvereinsgesetztes im Jahr in: German History 15 (1997), S. 34-55; ders.: Wo‐ 1908, das den Frauen die Arbeit und Mitglieds‐ men Against Versailles, in: German Studies Re‐ chaft in politischen Organisationen gestattete, die view 22 (1999), S. 21-42; ders.: Zwischen Volksge‐ Mobilisierung von Frauen weiter vorangetrieben. meinschaft und Frauenrechten. Das Verhältnis Für die rechten Parteien wurde es daher zuneh‐ rechtsbürgerlicher Politikerinnen zur NSDAP mend schwierig, die Frauenfrage zu ignorie‐ 1930-33, in: Planert, Nation, S. 234-253; ders.: Wo‐ ren.Ullmann, S. 137, 143; Wehler, Hans-Ulrich: men on the Weimar Right: The Role of Female Po‐ Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2, München liticians in the Deutschnationale Volkspartei 2. Auf. 1989, S. 1011-1015, 1045, 1063, 1052-1058, (DNVP), in: Journal of Contemporary History 36 1154; Schildt, Axel: Konservatismus in Deutsch‐ (2001), S. 547-560; ders.: Women in the Non-Nazi land, München 1998, S. 125f. Right during the Weimar Republic. The Case of

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Tatsächlich erfolgte die Gründung der ersten (VKF), der ersten Frauengruppe, die direkt der dezidiert politischen Frauenorganisation von Deutsch-Konservativen Partei angeschlossen war. rechts bereits im Februar 1909, wie schon Ursula Die Initiative ging hier vom DEF, an der Spitze Baumann gezeigt hat. Der Deutsche Frauenbund Paula Mueller-Otfried, und vom Kapellenverein (DFB) ging auf die Initiative einiger Berliner Aris‐ mit seiner Vorsitzenden Bertha von Kröcher aus. tokratinnen zruück, die sich eine politische Schu‐ Einige der Führerinnen der VKF hatten verwandt‐ lung wünschten, um die Aufgaben der christlich- schaftliche Beziehungen zu bedeutenden Vertre‐ konservativen Frau als „Hüterin deutscher Sitte tern der Deutsch-Konservativen Partei. Die Grün‐ und christlicher Gesinnung“ besser wahrnehmen dung der Vereinigung erfolgte am 9. April 1913 zu können (zitiert nach Baumann, S. 220.). Die Ab‐ und wurde in Berlin als „kleine Sensation“ wahr‐ lehnung der politischen Mitarbeit von Frauen im genommen (Baumann, S. 216). Der Parteivorstand eigenen Lager wurde im Organ des DFB kommen‐ erkannte die Gruppe ofziell an, forderte aller‐ tiert: Es sei ein Fehler, einen alten Zopf aufrecht dings eine eindeutige Unterordnung unter die zu erhalten, während die sozialdemokratische Parteileitung. Das Ziel der VKF war in eigenen „Umsturzpartei“ Frauen und Kinder in den Dienst Worten: „die Frauenbewegung konservativer und der Partei zwingen und als Propagandamittel be‐ die konservative Partei eine wenig ‚frauenbeweg‐ nutzen würde. Hier erklang deutlich die Stimme licher‘ zu machen“ (zitiert nach Baumann, S. 227). des Mitinitiators des Deutschen Frauenbundes, Die Vertreterinnen des agrarisch-adelig dominier‐ Eduard von Liebert, der den Reichsverband zur ten Kapellenvereins konstruierten in ihrem Organ Bekämpfung der Sozialdemokratie leitete. Der „Neue Zeiten“ angesichts der Krise der Landwirt‐ Deutsche Frauenbund gab sich überparteilich und schaft einen Entscheidungskampf zwischen interkonfessionell. Um die politische Bildung vor‐ christlich-konservativen und liberal-sozialisti‐ anzutreiben, lud man zum Vortrag jedoch aus‐ schen Kräften. Hier wollten sich die christlichen schließlich konservative und nationalliberale Frauen als „Freikorps“ einordnen. Kirsten Hein‐ Redner. 1911 hatte der DFB bereits über 11.000 sohn hat analysiert, wie die männlichen Partei‐ Mitglieder. Andrea Süchting-Hänger betont, dass mitglieder die Möglichkeit der Mitarbeit von im Deutschen Frauenbund die Hausfrauen der Frauen ausführlich in den großen Zeitungen der Oberschicht dominierten, was später zu Ausein‐ Rechten diskutierten. Die Entwicklung wurde all‐ andersetzung mit Vereinen führte, die von Berufs‐ gemein als Bedrohung der konservativen Grund‐ frauen dirigiert wurden. Im Kaiserreich bestan‐ positionen wahrgenommen. Die VKF sollte daher den noch vielfältige Kontakte zum nationallibera‐ strikt reglementiert werden. Mit den wenigen len Lager. Erst mit der Revolution orientierte sich hundert Mitgliedern und aufgrund der Tatsache, der Deutsche Frauenbund deutlicher an den Kon‐ dass die Vereinigung nur ein Friedensjahr erlebte, servativen, namentlich der Deutschnationalen konnte im Kaiserreich keine große Wirksamkeit Volkspartei. Der bürgerlichen Frauenbewegung entfaltet werden.Baumann, S. 216-228, Süchting- stand der Deutsche Frauenbund anfangs positiv Hänger, Gewissen, S. 84-88. gegenüber. 1913 erfolgte der Anschluss des natio‐ REVOLUTION UND WAHLRECHT nalistischen DFB an den BDF, 1918 trat der Deut‐ Als Hauptmotiv für einen erneuten Politisierungs‐ sche Frauenbund zusammen mit dem DEF wieder schub unter den organisierten Frauen der Rech‐ aus.Baumann, S. 220f.; Süchting-Hänger, Gewis‐ ten werden in den neueren Studien die Revoluti‐ sen, S. 80f.; Artikel: Die Frau in der Politik, in: Mit‐ on von 1918/19 mit ihren Begleitumständen ange‐ teilungen des Deutschen Frauenbundes, 8.3.1909. sehen: die Aufstände von Arbeitern und Soldaten, Vergleichsweise gut dokumentiert ist das Ent‐ die Präsidentschaft eines Sozialdemokraten und stehen der Vereinigung konservativer Frauen ehemaligen Sattlers, der Machtverlust der Kir‐

22 H-Net Reviews chen und der Komplex ‚Versailles‘. Die eigenen Le‐ sohn, Im Dienste der Volksgemeinschaft, S. bensverhältnisse erschienen durch diese Umbrü‐ 215-224; Scheck, Mothers: Introduction. che massiv bedroht. Eine DNVP-Politikerin dank‐ WAHLPROPAGANDA FÜR FRAUEN te, einige Jahre später zurückblickend, dem „9. Julia Sneeringer zeigt in ihrer Studie „Winning November“ für den „Erweckungsdienst“, den er Women’s Votes“, dass die Propaganda für weibli‐ bei den Frauen der Rechten geleistet habe (zitiert che Wählerinnen in der Regel Aufgabe der Frau‐ nach Kaufmann, Aufbruch, S. 52). Nach der Ein‐ enorganisationen der verschiedenen Parteien führung des passiven und aktiven Frauenwahl‐ war. Ihnen traute die Parteileitung am ehesten zu, rechts durch den Rat der Volksbeauftragten im den ‚Schlüssel’ für die Wahlentscheidung von November 1918 erhielt die Mitarbeit von Frauen Frauen zu fnden. Erstmals waren die Parteien ge‐ in den Parteien den Status des Unverzichtbaren. zwungen, Frauen als politisch Handelnde anzu‐ Allgemein herrschte auf der Rechten die Sorge sprechen, um sie für sich zu gewinnen. Das brach‐ vor, dass die Frauen ihre Stimmen zu einem gro‐ te neue Themen in den Wahlkampf und zwar sol‐ ßen Teil den Sozialdemokraten geben würden. che, die man für ‚Frauenthemen‘ hielt. Die Frauen Daher unterstützten die neugegründeten Parteien waren eine zahlenmäßig so große ‚Gruppe‘, dass Deutschnationale Volkspartei und Deutsche Volks‐ sich etwa 10 bis 25 Prozent der Wahlwerbung al‐ partei, die Einrichtung eigener Frauenausschüsse ler Parteien ausschließlich an sie richtete, wie Ju‐ auf nationaler, Landes- und lokaler Ebene. Von lia Sneeringer ermittelt hat. Frauen wurden im‐ diesen sollte die Wahlarbeit koordiniert werden. mer zuerst als ‚Geschlecht‘ angesprochen, wesent‐ Im Parteiprogramm wurden die weiblichen Mit‐ lich seltener als ‚Schicht‘ oder ‚Beruf‘. Alle Partei‐ glieder als gleichberechtigt anerkannt und die en gingen davon aus, dass Frauen sich in erster Wählerinnen direkt angesprochen. Andrea Linie durch soziale und kulturelle Themen mobi‐ Süchting-Hänger hat in ihrer Studie die Beteili‐ lisieren lassen würden. Man war sich auch darin gung von Frauen an der Formulierung des Pro‐ einig, dass das höchste Ziel der Frauen die Mutter‐ gramms der DNVP besonders hervorgehoben. Bei schaft sei. Zielgruppen der DNVP-Wahlpropagan‐ den Wahlen zur Nationalversammlung leisteten da im besonderen waren Haus- und Landfrauen, jedoch nicht die Frauenorganisationen der Partei‐ Dienstbotinnen und Protestantinnen. Die meisten en die Hauptarbeit, da sie noch nicht ausreichend Flugblätter der Wahlen von 1919 und 1920 erin‐ schlagkräftig und lokal kaum verbreitet waren. nerten an die ‚gute alte Zeit‘ des Kaiserreiches Vor allem die Führerinnen der protestantischen und legten dar, was die Frauen angeblich durch Frauenvereine sprangen in die Bresche und mobi‐ die Revolution verloren hatten. Die verbreitete lisierten Wählerinnen für die rechtsbürgerlichen Schreckensvision war, dass der allgemeine wirt‐ Parteien - mit eigens produzierten Wahlinformati‐ schaftliche und moralische Niedergang die baldi‐ onen, geschulten Rednerinnen und Tür-zu-Tür- ge Zerstörung des Familienlebens herbeiführen Propaganda. Doris Kaufmann spricht von der „po‐ würde. Außergewöhnlich war die DNVP-Wahl‐ litische(n) Aktivierung aller Gläubigen“ werbung insofern, als sie von Frauen ein gerade‐ (Kaufmann, Aufbruch, S. 47). Die Lage der Nation zu militantes Vorgehen gegen die inneren und äu‐ wurde von den rechten Frauen als extreme Notsi‐ ßeren Feinde forderte und sie nicht als ‚Friedens‐ tuation beschrieben, in der die Frauen nicht untä‐ stifterin‘ präsentierte. In Flugblättern, die sich an tig bleiben dürften. Sie seien gewissermaßen ge‐ Landfrauen richteten, wurden Bolschewisten und zwungen und verpfichtet, sich nun massiv in Po‐ Sozialisten die Nahrungsmittelknappheit angelas‐ litik, Staat und Öfentlichkeit einzuschal‐ tet. Gläubige Frauen sollten die christliche Erzie‐ ten.Süchting-Hänger, Gewissen, S. 124, 127, 140, hung retten, da die weltliche Sozialisation die Kin‐ 146f.; Kaufmann, Aufbruch, S. 47-48, 51-56; Hein‐ der verderben würde. Auch die Berufsfrauen

23 H-Net Reviews wurden mit ‚kulturellen‘ Themen angesprochen, suchungsgebiet wenig ergiebig, da Vertreterinnen da man annahm, dass ihre ökonomischen Interes‐ der DNVP nicht in die engere Auswahlgruppe der sen die gleichen seien wie die ihrer Männer. Spe‐ Studie aufgenommen wurden. Heide-Marie Laute‐ zielle Wahlpropaganda gab es für Heimarbeiterin‐ rer hat für die Weimarer Zeit das Selbstverständ‐ nen und Dienstbotinnen. Diese wurden gelobt, nis der Parlamentarierinnen als ‚Neulinge‘ her‐ dass sie nicht in die Industrie gehen, sondern vorgehoben und den Parlamentsalltag der Frauen ‚frauentypische‘ Arbeit leisten würden. Antisemi‐ anschaulich beschrieben. Während die Frauen in tische Stereotype waren bei den Wahlen zur Nati‐ den Fraktionen und bei den parlamentarischen onalversammlung noch das Monopol der DNVP, Debatten insgesamt eher selten zu Wort gekom‐ hebt Sneeringer hervor. Die Wahlpropaganda, die men und selbst zurückhaltend geblieben seien, sich in der frühen Weimarer Republik an Frauen hätten sie in den Ausschüssen ertragreich mitge‐ richtete, beschwor die Verpfichtung gegenüber arbeitet. In der Regel habe man die Parlamenta‐ der Nation, spielte mit den Ängsten der Frauen rierinnen jedoch nicht als aktiven Teil des Plen‐ vor einer unbekannten neuen Zeit und idealisier‐ ums wahrgenommen. Frauen redeten meist kurz te eine mögliche Rückkehr in die alte. Obwohl die und nur selten aggressiv, fasst Lauterer zusam‐ Weimarer Koalition bei den Wahlen zur National‐ men.Mergel, Thomas: Parlamentarische Kultur in versammlung einen deutlichen Sieg feiern konn‐ der Weimarer Republik, Düsseldorf 2002, S. 44, te, durften die Frauen der DNVP stolz auf die ge‐ 104-108; Lauterer, Heide-Marie: Parlamentarie‐ leistete Arbeit sein. Etwas mehr Frauen als Män‐ rinnen in Deutschland 1918/19-1949, Königstein/ ner hatten sich für diese Partei entschie‐ Taunus 2002, S. 15, 39, 75-80, 84, 93f., 378f. den.Sneeringer, Votes, S. 1-3, 7, 17, 42-51; Kauf‐ Die Situation war gerade auch für die DNVP-Par‐ mann, Aufbruch, S. 38-42. lamentarierinnen schwierig, wie Rafael Scheck PARLAMENTARIERINNEN betont. Die meisten Männer zeigten ihnen gegen‐ Thomas Mergel hat in seiner Studie über die par‐ über eine ablehnende oder defensive Haltung. Es lamentarische Kultur in der Weimarer Republik war eine fast tägliche Beobachtung der Frauen, den Einzug der Frauen als „deutlichste soziologi‐ dass Männer nur ungern mit ihnen arbeiteten. sche Veränderung“ im Parlament, als den für die Die Kompetenz der weiblichen Kolleginnen wur‐ „Zeitgenossen verstörendsten Wandel“ bewertet de häufg angezweifelt. Scheck kann zeigen, dass (Mergel, S. 44, 104). Mergel zeigt, dass die weibli‐ manche Politikerinnen Gegenstrategien entwi‐ chen Neulinge auf spezielle Weise integriert wur‐ ckelten, um ihre Ideen durchzusetzen. Die DNVP- den: Den Parlamentarierinnen wurde eine eigene Politikerin Anni Kalähne beispielsweise ließ ihre politische Rollennorm, ein frauentypischer Stil zu‐ eigenen Pläne oft von befreundeten männlichen gewiesen. Die Deutschnationalen stilisierten ihre Parteikollegen vortragen. Die Parteiführung be‐ Reichstagsabgeordnete Margarete Behm als Ideal‐ handelte die Frauen qua Geschlecht wie eine öko‐ bild einer weiblichen Abgeordneten. Mütterlich, nomische oder berufiche Interessengruppe, ohne fürsorglich und gütig versuche sie, die Streitigkei‐ die Verschiedenheit der Frauen zu beachten. Im‐ ten zwischen den Parteien zu schlichten. Zu be‐ merhin konnten weibliche Berufsausschüsse für dauern ist, dass Thomas Mergel die besondere Po‐ Krankenschwestern, Hebammen, Hausfrauen, sition von Frauen in der politischen Kultur des Dienstboten u. a. gegründet werden. Als positiv Reichstages nur für die ersten Jahre der Weima‐ sahen es die Politikerinnen an, dass sie in diesen rer Republik näher in den Blick nimmt. Die Habi‐ Ausschüssen selbst die Führung übernehmen litationsschrift von Heide-Marie Lauterer über konnten, während die Leitung in den Ausschüs‐ „Parlamentarierinnen in Deutschland zwischen sen für Bauern, Industrielle, Arbeiter usw. ganz 1918/19 und 1949“ ist wiederum für dieses Unter‐ selbstverständlich nur von Männern angetreten

24 H-Net Reviews wurde. Den Frauenausschuss der Partei betrach‐ tig.Scheck, Mothers: Hostility to Women in Poli‐ teten führende Politiker der DNVP vor allem als tics; Süchting-Hänger, Gewissen, S. 172-184, 325, Organisator für Propaganda und Wahlwerbung. 327. Nur ungern nahm man dessen Engagement für PARTEIORGANISATIONEN DER FRAUEN Fraueninteressen hin. Für die ‚frauentypischen‘ Nach 1919 entwickelten sich die innerparteilichen Arbeitsgebiete hingegen erkannten zahlreiche Organisationen der Frauen zu der wichtigsten männliche Politiker das Expertentum von Frauen Grundlage für die Arbeit der Parlamentarierin‐ an und überließen ihnen dort laut Scheck sogar nen. Rafael Scheck hat in „Mothers of the Nation“ die Führung. Die Frauen der DNVP protestierten die Organisationsstruktur und die Arbeitsmetho‐ in den Jahren der Weimarer Republik mehrfach den dieser Frauenausschüsse detailliert beschrie‐ bei der Parteileitung gegen ihre Diskriminierung ben. Die jeweilige Vorsitzende des Reichsfrauen‐ auf den Wahllisten und verwiesen auf den höhe‐ ausschusses (RFA) hatte in der DNVP automatisch ren Anteil der Wählerinnen. Sowohl Kuno Graf einen Platz im geschäftsführenden Vorstand, war von Westarp als auch ab 1928 in diesem Gremium in der Regel aber auch die ermahnten daraufhin die Partei, die Belange der einzige Frau. Der Reichsfrauenausschuss der Frauen besser zu berücksichtigen, ohne dass dies DNVP erhielt ein eigenes Budget und ein Büro in viel geändert hätte. Das Jahr 1930 markierte für der Parteizentrale mit etwa zehn bis zwanzig teils alle Parlamentarierinnen eine Zäsur, da eine ge‐ ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen. Grundsätzlich regelte Arbeit in den Ausschüssen kaum noch waren die Frauen auf allen Ebenen der ‚Gesamt‐ stattfand. Ab diesem Zeitpunkt waren die weibli‐ partei‘ verantwortlich und von ihr fnanziell ab‐ chen Fraktionsmitglieder nur noch „Agitatoren“ hängig. In der ofziellen Parteizeitung waren ei‐ (Süchting-Hänger, Gewissen, S. 235). Durch das nige Seiten für die Nachrichten des RFA reser‐ Bündnis mit Alfred Hugenberg, zu dem sich der viert, außerdem existierte mit der „Deutschnatio‐ Reichsfrauenausschuss unter Annagrete Leh‐ nalen Frau“ ein eigenes Organ. Der RFA konnte mann 1931 rückhaltlos bekannte, rückten die füh‐ seine Mitglieder selbst auswählen und war der renden Politikerinnen näher an die Macht, betont Partei hierbei nicht verantwortlich. Die erste Vor‐ Andrea Süchting-Hänger. Allerdings war eine for‐ sitzende des RFA, Margarete Behm, erwies sich als male Führungsposition in der Partei zunehmend hervorragende Organisatorin, die in den frühen Makulatur, denn die Entscheidungen wurden Jahren der Republik ein Netzwerk aus Landes-, mittlerweile an ganz anderer Stelle getrofen. Kreis- und Ortsfrauenausschüssen aufbaute. 1922 Die biografschen Informationen zu zahlreichen berichtete der RFA der DNVP über die Existenz führenden Parteipolitikerinnen ordnet Süchting- von 38 Landesfrauenausschüssen und insgesamt Hänger in das politische Generationenmodell Det‐ 1.900 Frauenausschüssen auf allen Ebenen. Die lev Peukerts ein. Dabei hebt sie die Dominanz der Schafung von Ortsausschüssen war besonders in Wilhelminischen Generation unter den DNVP-Po‐ Gebieten erfolgreich, in denen die DNVP gute litikerinnen hervor. Die Mehrzahl der führenden Wahlergebnisse erzielte. Für die DNVP war das DNVP-Politikerinnen war in der Weimarer Repu‐ Pommern, während man in Bayern bei der Mobi‐ blik schon über vierzig Jahre alt. Die bestimmen‐ lisierung von Frauen große Schwierigkeiten hatte. den Politikerinnen, bekanntesten Rednerinnen Die Parteiaktivistinnen auf den verschiedenen und aktivsten Publizistinnen stammten überwie‐ Ebenen waren jeweils auf doppelte Weise mit ih‐ gend aus dem protestantischen (Bil‐ rer Partei verbunden: horizontal mit den jeweili‐ dungs-)Bürgertum, waren ledig, geschieden oder gen Männerorganisationen, vertikal mit den ver‐ verwitwet, hatten eine Lehrerinnenausbildung schiedenen Ebenen der Frauenausschüsse, vor al‐ oder ein Studium absolviert und waren berufstä‐ lem mit der nationalen Leitung in Berlin. Scheck

25 H-Net Reviews vertritt die These, dass die größere Loyalität der Das gesamte Ideengebäude führender DNVP-Poli‐ Frauen nicht dem RFA, sondern den Männerorga‐ tikerinnen beruhte auf dem festen Glauben an die nisationen auf ihrer Ebene galt, mit denen die ontologische Diferenz der Geschlechter. Alle zen‐ Frauen wesentlich regelmäßiger zusammenarbei‐ tralen Bestandteile der ‚Weltanschauung‘ waren teten. Drei Aufgaben waren für die Frauenaus‐ untrennbar damit verbunden, dass die Parteipoli‐ schüsse ofziell vorgesehen: die Organisation der tikerinnen von angeborenen, spezifsch weibli‐ Propaganda unter Frauen, die Koordination der chen (und männlichen) Eigenschaften ausgingen. verschiedenen Ebenen – national, regional, lokal - Zu den weiblichen Qualitäten zählten soziale Ver‐ und die Beratung der Partei in Fragen, die Frauen antwortung sowie ein feiner Sinn für Kultur und und Kinder betrafen. Für die Propaganda und Moral. Hausarbeit und Mutterschaft wurden als Schulungsaufgaben legte der RFA der DNVP eine die idealen Berufe für Frauen angesehen und da‐ Adressdatei über sympathisierende Frauenverei‐ neben auch noch einige ‚Frauenberufe‘ protegiert, ne und Einzelpersonen an, versandte Informati‐ die jedoch möglichst mit der Heirat aufgegeben onsordner über verschiedene Themen und orga‐ werden sollten. Allerdings erfuhr im Sinne der nisierten Veranstaltungen mit den männlichen bürgerlichen Frauenbewegung auch die ‚geistige und weiblichen Führern der Partei. In der DNVP Mutterschaft‘ eine Aufwertung: Frauen konnten waren etwa zehn Prozent der Parteimitglieder zum Wohl der Volksgemeinschaft und der Nation Frauen.Scheck, Mothers: Women‘s Entry into Par‐ beitragen, ohne biologische Mutter zu werden. ty Politics; Süchting-Hänger, Gewissen, S. 171. Scheck geht davon aus, dass die meisten DNVP- IDEOLOGISCHE GRUNDPOSITIONEN Mitglieder an der Basis - Männer wie Frauen - Bei der Analyse der ideologischen Grundpositio‐ eine restriktive Defnition von Mütterlichkeit hat‐ nen von DNVP-Politikerinnen kommen Scheck ten und die ‚biologische Mutterschaft‘ gegenüber und Süchting-Hänger zu einer unterschiedlichen der ‚geistigen‘ höher schätzten. An der Führungs‐ Bilanz. Während die DNVP-Aktivistinnen bei spitze jedoch hätten beide Positionen prominente Scheck altkonservativ und emanzipationsskep‐ Befürworterinnen gefunden. Die neuen Rechte – tisch erscheinen, sind sie bei Süchting-Hänger das Wahlrecht und die in der Verfassung veran‐ eher radikal-nationalistisch und frauenbewegt. kerte ‚grundsätzliche‘ Gleichberechtigung - wollte Dies resultiert zum Teil aus der Wahl des Quellen‐ man nutzen, um die alte Macht der Nation wie‐ materials und der Schwerpunktsetzung. In „Mo‐ derherzustellen. Als Erzieherinnen in Familie und thers of the Nation“ nehmen die Verlautbarungen Schule würden die Frauen die nächste Generation in den ofziellen Frauenparteizeitungen und die autoritär, national und christlich prägen. Zentral Beziehung zu den Hausfrauenvereinen die zen‐ war die Idee der Volksgemeinschaft. Hier formu‐ tralen Rollen ein, im „Gewissen der Nation“ liegt lierten die DNVP-Frauen den Anspruch, mit ihren der Fokus auf dem Verhältnis zu den nationalisti‐ besonderen weiblichen Eigenschaften die idealen schen Frauenvereinen und zum Deutsch-Evange‐ Wegbereiter für eine Versöhnung der unter‐ lischen Frauenbund, so dass auch die Artikel der schiedlichen Lager und Interessen zu sein. Als Ba‐ radikalnationalistischen, parteiunabhängigen sis für die Gemeinschaft und das kulturelle Leben Zeitschrift „Die Deutsche Frau“ sowie die „Evan‐ galt ihnen die christliche Familie. Auch der Anti‐ gelische Frauenzeitung“ des DEF in die Untersu‐ republikanimus beruhte auf diesen Grundpositio‐ chung eingehen. Letztendlich verweisen die Inter‐ nen: Die Republik erschien aufgrund des wirt‐ pretationsunterschiede auf die Vielschichtigkeit schaftlichen Niedergangs und der Kriegslasten als der Positionen unter den rechten Frauen, die al‐ familienfeindlich, der säkulare Staat als Bedro‐ lerdings auch bestimmte Vorstellungen gemein‐ hung für die Religiosität, der ‚hedonistische Indi‐ sam hatten. vidualismus‘ als Ursache für Egoismus und Unmo‐

26 H-Net Reviews ral. Antisemitische Äußerungen speisten sich ritäre Regierung der ‚Zucht und Ordnung‘. ebenfalls aus diesen Stereotypen, indem jüdische Als treibende Kraft für die völkische Radikalisie‐ Politiker, Journalisten, Künstler und Lehrer für rung der DNVP-Politikerinnen wird in beiden Stu‐ diese Entwicklung mit verantwortlich gemacht dien eine radikalnationalistische Gruppe von Pu‐ wurden. Manche Vertreterinnen der DNVP sahen blizistinnen identifziert, die in der Mehrheit in den letzten Jahren der Weimarer Republik DNVP-Mitglieder waren und sich in dem Völki‐ einen Entscheidungskampf zwischen dem natio‐ schen Reichsausschuss der Partei engagierten. Mit nal-christlichen Lager und den ‚internationalen dem Ring nationaler Frauen hatten sie sich schon Atheisten‘ voraus. Gegenüber dem Ausland, der 1920 eine eigene Organisation und mit der Zwei‐ Entente und Osteuropa, waren hasserfüllte Tira‐ wochenschrift „Die Deutsche Frau“ ein eigenes den die Regel. Käthe Schirmacher tat sich hier be‐ Organ geschafen (vgl. III). Zu dieser Gruppe ge‐ sonders hervor, wenn sie die Vision eines Deut‐ hörten u. a. die Publizistinnen Ilse Hamel, Beda schland in den Händen eines ‚vernegerten Frank‐ Prilipp, Lenore Kühn, Erna von Birckhahn, Han‐ reich‘ und eines ‚tierischen Moskau‘ beschwor nah Brandt, Irmgard Wrede, Franziska von Po‐ und dies mit dem Dogma einer jüdischen Weltver‐ rembsky und Sophie Rogge-Börner. Letztere war schwörung verband. die einzige aus diesem Kreis, die sich außerhalb Konsens herrscht darüber, dass die DNVP Frauen der DNVP für die völkische Bewegung engagierte. die Volksgemeinschaft sowie die Familien-, Bevöl‐ Scheck und Süchting-Hänger kommen zu dem be‐ kerungs- und Reproduktionspolitik in der Repu‐ merkenswerten Befund, dass vertreten durch die‐ blik mit zunehmender Tendenz rassistisch def‐ se Gruppe gerade die weiblichen Aktivisten der nierten und dass die rassistische Argumentations‐ DNVP zu Trägerinnen der völkischen Ideologie in‐ weise in den letzten Jahren der Weimarer Repu‐ nerhalb der Partei wurden. Süchting-Hänger er‐ blik in den Presseorganen der DNVP-Frauen sogar kennt hier den starken Einfuss des Alldeutschen zur dominierenden Aufassung wurde. Allerdings Verbandes. Im völkischen Reichsausschuss der versuchten die deutschnationalen Frauen, sich DNVP, in dem sich die parteiinterne Opposition von den Völkischen außerhalb der DNVP und den sammelte, arbeiteten laut Süchting-Hänger mehr Nationalsozialisten abzugrenzen, indem sie dar‐ Frauen mit als in jedem anderen Ausschuss der auf pochten, dass der Antisemitismus nicht die Partei. Durch die völkische Überformung der politische Agenda dominieren dürfe. Zugleich be‐ ‚weiblichen Aufgabengebiete‘ wurden Bevölke‐ obachten sowohl Scheck als auch Süchting-Hän‐ rungspolitik, Ehescheidungs- und Abtreibungsge‐ ger einen nostalgischen Monarchismus bei den setze zu lebenswichtigen Aufgaben. Rafael DNVP-Führerinnen. Allerdings erhielt die Idee ei‐ Scheck hat für die Zeit von 1930 bis 1933 die par‐ ner Wiedereinsetzung Wilhelms II. in der Arbeit teiofziellen Organe der DNVP untersucht und der Politikerinnen nie Priorität. Anders als bei kommt zu dem Befund: während in der „Frauen‐ führenden Vertretern der NSDAP blieb die Familie korresopondenz“ und der „Deutschnationalen die zentrale Basis der Volksgemeinschaft. Die Müt‐ Frau“ zahlreiche rassistische Artikel erschienen, ter und Hausfrauen sollten ihre besonderen Auf‐ fndet sich in der ‚allgemeinen‘ DNVP-Zeitung gaben auf die Nation übertragen. Sie waren „Unsere Partei“ (später „Die Deutschnationale Wächterinnen der deutschen Ehre, das Gewissen, Front“) nur ein einziger rassenideologischer Bei‐ die Mütter der Nation. Beide Studien erwecken trag, der noch dazu von einer Frau verfasst wur‐ den Eindruck, als seien die weiblichen Ideologie‐ de. Unter dem Einfuss der völkischen Gruppe un‐ produzenten in der Frage, wie die politische Herr‐ ter den deutschnationalen Frauen bekannte sich schaft im Innern gestaltet werden sollte, insge‐ die Vorsitzende des Reichsfrauenausschusses der samt vage geblieben. Gewünscht wurde eine auto‐ DNVP, Annagrete Lehmann, 1931 ofziell zu Hu‐

27 H-Net Reviews genberg, während die ‚gemäßigteren‘ Abgeordne‐ plädieren, die die anti-universalistischen und dis‐ ten die Partei verließen. Lehmann wurde die drit‐ kriminierenden Traditionen der feministischen te Stellvertreterin des Parteivorsitzenden.Scheck, Bewegungen stärker einbezieht. Unter Bezugnah‐ Mothers: Introduction; Family, Youth, and Morali‐ me auf Studien zum ‚Imperial Feminism‘ wird der ty; Foreign Policy; The Nazi Challenge 1930-1933; völkisch-nationale Feminismus als eine mögliche Süchting-Hänger, Gewissen, S. 148, 207, 271-278, Ausprägung feministischen Denkens begrif‐ 317-319; Vgl. jetzt auch den Beitrag: Mergel, Tho‐ fen.Wittrock, Christine: Weiblichkeitsmythen. Das mas: Das Scheitern des Deutschen Tory-Konserva‐ Frauenbild im Faschismus und seine Vorläufer in tismus, in: Historische Zeitschrift 276 (2003), S. der bürgerlichen Frauenbewegung der zwanziger 323-368, in dem die Entscheidung der fast aller Jahre, Frankfurt 1983; Johnson, Richard L.: Nazi führenden DNVP-Politikerinnen für Hugenberg Feminists: A Contradiction in Terms, in: Frontiers allerdings nicht problematisiert wird. 1 (1976), S. 55-62; Crips, Liliane: „National-femi‐ Noch aus einem weiteren Grund hat diese völ‐ nistische“ Utopien, in: Feministische Studien Nr. 1 kisch orientierte Frauengruppe der DNVP das In‐ (1990), S. 128-137; Korotin, Ilse: Die politische Ra‐ teresse der Forschung geweckt. In ihren ideologi‐ dikalisierung der Geschlechterdiferenz im Kon‐ schen Grundpositionen vermischten sich völki‐ text von „Konservativer Revolution“ und Natio‐ sches Denken mit Ideen der bürgerlichen Frauen‐ nalsozialismus. Mathilde Ludendorf und der „Völ‐ bewegung. Die Autorinnen der „Deutschen Frau“ kische Feminismus“, in: Eickhof, Volker/dies. (er)fanden eine rassistische Begründung für Frau‐ (Hg.): Sehnsucht nach Schicksal und Tiefe, Wien enrechte und Frauenbefreiung, die aus der ‚ger‐ 1997, S. 105-127; Bitzan, Renate: Selbstbilder rech‐ manischen‘ Geschichte und der angeblich hohen ter Frauen, Tübingen 2000, bes. S. 307-316; Stellung der ‚Germanin‘ hergeleitet wurde. Die Scheck, Mothers: Family, Youth, and Morality; The Gleichberechtigung der Geschlechter erschien als Nazi Challenge 1930-33; Streubel, Christiane: „Rassenspezifkum“ der deutschen, nordischen „Eine wahrhaft nationale Frauenbewegung“. Völ‐ oder arischen Rasse. Die Bewertung dieser verstö‐ kisch-nationale Feministinnen in der Weimarer renden Ideenkombination ist in der Forschung Republik, in: Schöck-Quinteros/Streubel. Vgl. zu noch umstritten. Dies beginnt bereits bei der Be‐ diesem Komplex auch: Kandel, Liliane (Hg.): Fémi‐ nennung der Gruppe. Als Bezeichnungen kursie‐ nismes et Nazisme, Paris 1997. ren derzeit: oppositionelle Faschistinnen (Christi‐ ARBEITSGEBIETE ne Wittrock), nationalsozialistische, nationale Spezifsche Arbeitsgebiete der rechten Parteipoli‐ oder völkische Feministinnen (Richard L. John‐ tikerinnen waren nach Scheck und Süchting-Hän‐ son, Liliane Crips, Ilse Korotin) - wobei diese Aus‐ ger die Themen Frauenrechte, Erziehung, Familie, drücke meist relativierend in Anführungszeichen Sozialpolitik, Moral und - sicherlich etwas überra‐ gesetzt werden -, antisexistische Rassistinnen (Re‐ schend - Außenpolitik. Andrea Süchting-Hänger nate Bitzan) und völkische Frauenaktivistinnen erkennt für die politische Arbeit eine Trennung (Rafael Scheck). In einer Spezialuntersuchung des öfentlichen Raums in einen männlichen und über diese Gruppe, die die ideologischen Grund‐ einen weiblichen Bereich. Frauen wurden zu den positionen zusammenfassend vorstellt, setze ich „Vertreterinnen des Privaten in der Öfentlich‐ mich für die Verwendung des Ausdrucks völkisch- keit“ (Gewissen der Nation, S. 149). In der Frage nationale Feministinnen ein - ohne Anführungs‐ der Frauenrechte war die Argumentationsbasis zeichen. Zahlreiche wissenschaftliche Studien lei‐ der rechten Parlamentarierinnen prekär, da sie der meiner Meinung nach immer noch an einer zwar als Vertreterinnen ihres Geschlechts auf den normativen Überfrachtung des Begrifs Feminis‐ Wahllisten berücksichtigt wurden, dennoch aber mus. Ich möchte daher für seine Historisierung keineswegs dessen ‚egoistische Eigeninteressen‘

28 H-Net Reviews zu stark einfordern sollten. Fraueninteressen an den Ausschussberatungen teilnahmen. Die mussten daher meist als nationale Interessen ‚ver‐ DNVP-Frauen wandten sich gegen die Bevorzu‐ kauft‘ werden. Recht ofensiv waren die Politike‐ gung von säkularen Schulen und setzten sich für rinnen der DNVP, wenn es darum ging, das Recht die Erleichterung der Umformung in eine Be‐ der Frauen auf Arbeit zu verteidigen. Hier zeich‐ kenntnisschule ein. DNVP-Vertreterinnen warben net Scheck das Engagement für das Recht verhei‐ zudem für eine Aufwertung der Mädchenschulen. rateter Beamtinnen auf Weiterbeschäftigung nach Möglichst sollten diese von einer Direktorin gelei‐ und schildert die Debatte über die Zulassung von tet werden. In der Gesundheitspolitik kämpften Frauen zu juristischen Berufen. Ausführlich be‐ Frauen gegen Alkoholmissbrauch und für eine schreibt Scheck den Einsatz der rechten Parla‐ Förderung sportlicher Aktivitäten. Das Thema der mentarierinnen für die Interessen der Hausfrau‐ öfentlichen Moral spielte laut Scheck eine Schlüs‐ en, der Heimarbeiterinnen und der Kleinrentner selrolle bei den Politikerinnen der DNVP. Ulrike und kennzeichnet dieses Bemühen als Mittel‐ Scheidel und Paula Mueller-Otfried arbeiteten am standspolitik. Im Sinne der Arbeitgeberinnen Entwurf für das „Schmutz- und Schundgesetz“ wandten sich die rechten Parlamentarierinnen mit, das eine allgemeine Debatte über Jugendge‐ gegen arbeitsrechtliche Regelungen für Dienstbo‐ fährdung und Zensur hervorrief. Im Schnittpunkt ten und Hebammen und setzten damit eine zen‐ der Themen Gesundheit und Moral stand die Aus‐ trale Forderung der Hausfrauenvereine um (vgl. einandersetzung über das Thema Prostitution, III). Mit ihrem Eintreten für Schutzzölle unter‐ denn die Politikerinnen befürchteten eine Aus‐ stützten die führenden DNVP-Politikerinnen die breitung von Geschlechtskrankheiten. 1927 wur‐ Interessen ostelbischer Grundbesitzer und Guts‐ de die Reglementierung der Prostitution per Ge‐ frauen sowie kleiner Produzenten und Einzel‐ setz verboten, wofür sich die Frauen der DNVP ge‐ händler. In der Frage der Heimarbeit war der meinsam mit den Frauen anderer Parteien lange wichtigste Erfolg die Durchsetzung des Versiche‐ engagiert hatten. rungsschutzes für Heimarbeiterinnen 1922, we‐ In den neuesten Studien besteht Konsens, dass au‐ gen des Einsatzes von Margarete Behm „Lex ßenpolitische Themen einen aufallend hohen Behm“ genannt. Für die Kleinrentner - über zwei Einsatz der rechten Frauen hervorriefen, ange‐ Drittel dieser neuen, infationsgeschädigten Be‐ sichts der Tatsache, dass man dieses Arbeitsgebiet völkerungsgruppe waren Frauen - wurden die Pa‐ in Parlamenten und Fraktionen nach wie vor als rlamentarierinnen der DNVP gemeinsam mit de‐ männliche Domäne betrachtete. Die DNVP-Frauen nen der DVP laut Rafael Scheck zu den wichtigs‐ initiierten Kampagnen gegen die Auslieferung ten politischen Sprechern. deutscher Militärführer, gegen die Ruhrbesetzung In der Familienpolitik identifziert Scheck die Stei‐ und vor allem gegen die „Schwarze Schmach“. Die gerung der Bevölkerungszahlen als eines der Stationierung afrikanischer Truppen in Deutsch‐ Hauptziele, das durch Mutterschutz und die Un‐ land löste eine wahre Flut rassistischer Propagan‐ terstützung kinderreicher Familien erreicht wer‐ da aus, die von allen Parteien außer der KPD ge‐ den sollte. Da unter den politisch aktiven Frauen tragen wurde. Die außenpolitische Propaganda zudem viele Lehrerinnen waren, kamen auch die der DNVP-Frauen war von Wut dominiert: Ver‐ Arbeitsgebiete Schule und Erziehung auf die sailles, die Politik der Sieger, die Rückgratlosigkeit Agenda. Die Erziehung sollte patriotisch und reli‐ der deutschen Regierung wurden lautstark in der giös ausgerichtet sein. Bei der Diskussion einer Presse und auf parteipolitischen Versammlungen nationalen Schulgesetzgebung im Jahr 1927/28 ge‐ angegrifen. An dieser Stelle erhielten die Frauen hörten Ulrike Scheidel und Magdalene von Tiling von ihren Parteikollegen in der Regel ungeteilten von der DNVP zu den anerkannten Experten, die Beifall. Während der Ton der DVP-Politikerinnen

29 H-Net Reviews seit der Kanzlerschaft Stresemanns 1923 modera‐ politik der Frauen ausübte. Rafael Scheck kommt ter wurde, agitierten die DNVP-Frauen weiter ge‐ zu dem Schluss, dass, die Interessen der Haus‐ gen jede Form der Verständigungspolitik. Dawes- frauen im Zentrum der politischen Agenda der und Young-Plan, Locarno und die Pläne der Gen‐ DNVP-Führerinnen standen. Keine andere Organi‐ fer Abrüstungskonferenz wurden radikal zurück‐ sation habe so viel Macht und Vertretung in der gewiesen, obwohl sich selbst die DNVP-Mitglieder DNVP gehabt wie die Hausfrauenvereine. Nach in diesen Fragen nicht immer einig waren. Die der Interpretation Süchting-Hängers hatten je‐ Frauen hoben ihren „entschiedenen Nationalis‐ doch die Berufsfrauen die Defnitionskompetenz mus“ stolz hervor und hoften, ihn zur Basis der in der DNVP, da sie sowohl unter den Parlamenta‐ deutschen Außenpolitik zu machen. Andrea rierinnen als auch unter den Publizistinnen domi‐ Süchting-Hänger vertritt die These, dass die Frau‐ nierten. Diese Diskrepanz des Urteils hat Folgen en den Vorteil gehabt hätten, die Außenpolitik der für die Interpretation des Frauenbildes in den bei‐ Regierung ofener und gefahrloser kritisieren zu den Studien. Scheck konstatiert die Dominanz ei‐ können als die Männer, da sie weniger als Ange‐ nes restriktiven Modells rund um die Idealberufe hörige von Militär oder Verwaltung belangt wer‐ Mutter und Hausfrau. Süchting-Hänger stellt dem‐ den konnten. Die nationalistische „Aufklärung“ gegenüber die Frage, ob das reaktionäre Frauen‐ und „Erziehung“ wurde zur Frauenaufgabe er‐ bild in der Weimarer nicht nur noch ein strategi‐ klärt. Konkret versuchten rechte Parlamentarie‐ sches Instrument war, um die Unterstützung der rinnen, die Anti-Versailles-Erziehung in den Schu‐ Männer sicherzustellen. Zur Klärung kann hier len obligatorisch zu machen. Mit ihrer Propagan‐ die Gegenüberstellung von öfentlichen Artikula‐ da für eine Revision von Versailles betrieben sie, tionen und Egodokumenten der Protagonistinnen so schlussfolgert Süchting-Hänger, Erinnerungs‐ beitragen. Sicherlich darf der Einfuss der evange‐ politik, um rückblickend dem Krieg einen Sinn zu lischen und der nationalistischen Frauenvereine verleihen. Unter den deutschnationalen Politike‐ auf die DNVP-Politikerinnen nicht unterschätzt rinnen kam zunehmend die Parole auf, man dür‐ werden, denn sie hatten mit Paula Mueller-Ot‐ fe die Vertretung deutscher Frauen im Ausland fried und Magdalene von Tiling einerseits sowie nicht der Linken überlassen, womit man die Sozi‐ Annagrete Lehmann andererseits einfussreiche aldemokratinnen und die DDP-Frauen im BDF parlamentarische Vertreterinnen.Scheck, Mo‐ meinte. Auch wurden Kontakte zu den Frauen der thers: Women‘s Rights and Housewives Power; Großdeutschen Volkspartei in Österreich und zu Süchting-Hänger, Gewissen, S. 196- 201.. Breuer, Deutschen im Ausland gepfegt. Einige Politikerin‐ Ordnungen, S. 128f.; Ziege, Eva-Maria: Mythische nen forderten die Männer ihrer Parteien auf, die Kohärenz. Diskursanalyse des völkischen Antise‐ Frauen stärker in an der Außenpolitik zu beteili‐ mitismus, Konstanz 2002, S. 180, 190-222. Beiträge gen, denn in der Geschichte hätten weibliche Re‐ über einzelne Ideologinnen: Ziege, Eva-Maria: So‐ genten vielfach eine geniale Außenpolitik betrie‐ phie Rogge-Börner - Wegbereiterin der Nazidikta‐ ben.Scheck, Mothers: Introduction; Women‘s tur und völkische Sektiererin im Abseits, in: Hein‐ Rights and Housewives Power; Family, Youth, and sohn/Weckel/Vogel, Karriere, S. 44-77; Gehmacher, Morality; Small Rentiers; Foreign Policy; Süchting- Johanna: Der andere Ort der Welt. Käthe Schirma‐ Hänger, Gewissen, S. 195-201, 212-239, 243, 256f., chers Auto/Biographie der Nation, in: Kemlein, 274. Geschlecht und Nationalismus, S. 99-124; Schmidt, FORSCHUNGSPERSPEKTIVEN II: Ina: Geschlechterpolitik, Religion, Nationalismus Umstritten ist, zieht man die Bilanz aus ‚Gewissen und Antisemitismus im Leben der Publizistin und der Nation‘ und ‚Mothers of the Nation‘, welche Philosophin Lenore Kühn, in: Recherches Germa‐ Organisation den größten Einfuss auf die Partei‐ niques, Nr. 32 (2002), S. 69-93; Streubel, Christia‐

30 H-Net Reviews ne: Biografsche Einführung, in: Findbuch zum auch wenn man über die feingegliederte Typolo‐ Nachlass Lenore Kühn, Bundesarchiv Koblenz gie sicherlich streiten kann. Für einzelne Publizis‐ 2003 (erscheint 2004 als Publikationsfndbuch); tinnen – Sophie Rogge-Börner, Käthe Schirma‐ Wildenthal, Lora: Mass-Marketing Colonialism cher, Lenore Kühn und Else Frobenius - liegen be‐ and Nationalism. The Career of Else Frobenius in reits Einzelstudien vor, die eine genauere ideen‐ the „Weimarer Republik“ and , in: geschichtliche Einordnung vornehmen. Eva-Ma‐ Planert, Nation, S. 328-345. Auch die Studie von ria Ziege hat darüber hinaus kürzlich ihre diskur‐ Claudia Bruns, über das Verhältnis der Schriftstel‐ sanalytische Studie über den „völkischen Antise‐ lerin und Historikerin Ricarda Huch zur ‚Konser‐ mitismus“ publiziert und darin ausgewählte Texte vativen Revolution‘ kann mit Gewinn gelesen rechter Frauen einbezogen - allerdings keine der werden: Bruns, Claudia: Ricarda Huch und die hier genannten Protagonistinnen. Bei Ziege fndet Konservative Revolution, in: Werkstatt Geschichte sich auch ein profunder Überblick über die Ent‐ 25 (2000), S. 5-33. Zum Komplex ‚Antisemitismus‘ wicklung des Mutterrechts-Mythos, auf den sich erscheint jetzt ein Themenheft der Ariadne, das viele Autorinnen beriefen. Insgesamt konzentrie‐ wichtige Anregungen gibt: Ariadne– Forum für ren sich neuere Studien, die eine ideengeschichtli‐ Frauen- und Geschlechtergeschichte 43 (2003): Ge‐ che Herleitung vornehmen, eher auf die radikal‐ gen-Bewegungen der Moderne. Verbindungen nationalistischen Ideologinnen. Vernachlässigt von Antifeminismus, Antisemitismus und Emanzi‐ werden noch prominente parteipolitische Aktivis‐ pation um 1900. tinnen der DNVP, die sich stärker dem In den Studien von Rafael Scheck und Andrea (Alt)Konservatismus des Kaiserreiches verpfich‐ Süchting-Hänger fällt die ideengeschichtliche Her‐ tet fühlten - darunter Paula Mueller-Otfried und leitung der ideologischen Grundpositionen der Margarete Behm. Eine wichtige Ausnahme bildet führenden Protagonistinnen zurückhaltend aus. hier die Dissertation von Gury Schneider-Ludorf Die Einordnung bleibt mit der Unterscheidung ‚al‐ über Magdalene von Tiling. Schneider-Ludorfs ter‘ und ‚neuer Nationalismus‘ relativ grob, doch Erkenntnisse machen deutlich, dass die Religion werden in beiden Monographien wichtige Voraus‐ als politisch relevanter Faktor in den meisten Mo‐ setzungen für die Interpretation geschafen. Dar‐ nographien noch unterbelichtet ist, sowohl was gelegt werden Schlüsselbegrife wie ‚Mütterlich‐ die politischen Aktivitäten als auch die ideologi‐ keit‘ und ‚Volksgemeinschaft‘, erfahrungsge‐ schen Grundpositionen führender rechter Politi‐ schichtliche Hintergründe, biografsche Prägun‐ kerinnen angeht (vgl. Abschnitt III).. gen und spezifsche Diskursnetze. Mit der Analyse Eine wichtige Aufgabe für zukünftige Forschung der Wirkungsgeschichte wird in beiden Studien ist die Modifzierung des Peukertschen Generatio‐ bereits begonnen, wenn Scheck und Süchting- nenmodells für Politiker unter Berücksichtigung Hänger in einigen Zusammenhängen nach dem der Kategorie ‚Geschlecht‘. Heide-Marie Lauterer Niederschlag von Ideen der rechten Aktivistinnen hat das Modell in ihrer Untersuchung über ‚Parla‐ in den großen ‚allgemeinen‘ Tageszeitungen und mentarierinnen‘ im Ganzen verworfen und ange‐ (partei)politischen Zeitschriften fragen. Interes‐ regt, die Politikerinnen der Weimarer Republik sant wäre es, inwieweit auch politische Gegner als eine einzige Frauengeneration zu begreifen, diese weiblichen Textprodukte zur Kenntnis ge‐ da sie ausnahmslos bis 1919 aus den Parlamenten nommen haben. Für eine diferenzierte Einord‐ ausgeschlossen waren. Dies erscheint jedoch als nung der Grundpositionen in das heterogene Feld zu rigide: Nicht nur, dass in Nationalversamm‐ der Rechten und eine Kategorisierung der Ideen lung, Reichstag und Länderparlamenten auch bietet die aktuelle Studie von Stefan Breuer „Ord‐ zahlreiche männliche Neulinge vertreten waren, nungen der Ungleichheit“ wertvolle Anregungen, darüber hinaus sind die rechten Parlamentarie‐

31 H-Net Reviews rinnen in ihrer politischen Prägung keineswegs rung. Nicht nur, dass die Neulandbewegung im‐ von den Zäsuren und dem sozialen Wandel im mer dichter an die völkische und nationalsozialis‐ Kaiserreich unberührt geblieben. Fragen muss tische Bewegung heranrückte, auch die Neugrün‐ man jedoch, wie ihre Erfahrungen - und auch die dungen rechter Frauenvereine in der Weimarer der Männer - vor dem Hintergrund der jeweils be‐ Republik bestätigen diese Tendenz. Dazu zählen sonderen sozialen Stellung geschlechtsspezifsch der Ring nationaler Frauen (1920), der Bund Köni‐ verarbeitet wurden. Hier sind andere Zäsuren - gin Luise (1923), die Frauenorganisation des wie die Zulassung von Frauen zum Abitur und Stahlhelm, und schließlich der Frauenkampfbund zur Universität sowie die gesetzliche Regelung ih‐ gegen die Entartung im Volksleben (1926), der von rer politischen Betätigung ebenso einzubeziehen der Neulandführerin Guida Diehl begründet wur‐ wie die Begleitumstände der Debatte um die Frau‐ de. Der Bund Königin Luise und der Frauen‐ enfrage.Peukert, Detlev J. K.: Die Weimarer Repu‐ kampfbund entwickelten sich zu Massenorganisa‐ blik, Frankfurt 1997, S. 24-31; Lauterer, S. 51. Vgl. tionen mit 200.000 (BKL) und 180.000 (Frauen‐ auch die wichtigen Überlegungen bei Süchting- kampfbund) Mitgliedern im Jahr 1933. Diese bei‐ Hänger, Gewissen, S. 173f. den werden in den neuesten Studien als die Frau‐ III. Die rechten Frauenvereine in der Weima‐ enzusammenschlüsse identifziert, die als erste rer Republik eine ofene Unterstützung der NSDAP betrieben. Der Ring nationaler Frauen hingegen war bis zu Einige in der Literatur unstrittige Hauptsträn‐ seiner Aufösung im Juni 1933 bemüht, die DNVP ge der Entwicklung des rechten Frauenvereinswe‐ als den tonangebenden, erfahrenen Teil der ‚nati‐ sens sollen gleich eingangs benannt werden. Die onalen Opposition‘ zu präsentieren. Revolution von 1918/19 bewirkte einen starken Schub in Richtung parteipolitischer Fragmentie‐ DIE VEREINE DES KAISERREICHES IN DER rung. Rechte Frauenvereine, die sich zuvor über REPUBLIK die Haltung zur Frauenbewegung vehement ge‐ Der Vaterländische Frauenverein musste in der stritten hatten, schlossen sich nun in Abgrenzung Republik den Verlust wichtiger Privilegien und zum ‚demokratischen‘ BDF enger zusammen. Am Ressourcen hinnehmen und verlor den Kontakt deutlichsten dokumentiert wird dies durch die zur Regierung. Andrea Süchting-Hänger hat Gründung des Dachverbandes Vereinigung Evan‐ gleichwohl die hohe Anpassungsfähigkeit des Va‐ gelischer Frauenverbände Deutschlands, dem so‐ terländischen Frauenvereins hervorgehoben. Die wohl die Evangelische Frauenhilfe als auch der Mitgliederzahlen stiegen sogar noch - 1920 waren Deutsch-Evangelische Frauenbund beitraten. Das es 770.000. Die karitativen Tätigkeiten des Vereins gesamte rechte Frauenvereinswesen kooperierte sollten in der Weimarer Republik in erster Linie darüber hinaus in der Anti-Versailles-Agitation. nur noch den Mittelschichten zugute kommen, da Das Führungspersonal der meisten Vereine man die „revolutionären“ Arbeiter nicht mehr zu knüpfte enge Kontakte zur DNVP. Die Vorsitzen‐ unterstützen gedachte. Süchting-Hänger zeichnet den des DEF (Paula Mueller-Otfried), der Vereini‐ in ihren Studien das Verhältnis der Vaterländi‐ gung Evangelischer Frauenverbände (Magdalene schen zur Männerorganisation Deutsches Rotes von Tiling), des RDHV (Martha Voß-Zietz), des Kreuz detailliert nach. Die vaterländischen Vor‐ RLHV (Elisabet Boehm) und des Flottenbundes standsfrauen bemühten sich darum, die Gesund‐ Deutscher Frauen (Marie Fröhlich) waren Parla‐ heitsfürsorge, die Jugendarbeit und die Hygiene‐ mentarierinnen beziehungsweise Mitglieder die‐ ausbildung weiterhin in Frauenhand zu behalten. ser Partei. Die rechten Frauenvereine durchliefen Erst nach vierjährigen harten Auseinandersetzun‐ einen Prozess der nationalistischen Radikalisie‐ gen erfolgte die satzungsmäßige Unterordnung des Frauenvereins unter das Rote Kreuz. Obgleich

32 H-Net Reviews die Vaterländischen demonstrativ parteipolitische Andrea Süchting-Hänger hebt hervor, dass dieser Stellungnahmen vermieden, und dafür von Füh‐ Zusammenschluss im Kaiserreich aufgrund der rerinnen radikalnationalistischer Vereine kriti‐ unterschiedlichen Vorstellungen zum Geschlech‐ siert wurden, war die DNVP die Partei ihrer Wahl. terverhältnis noch undenkbar gewesen wäre. Erst Die Vorstandsfrauen Cornelia Hoetzsch und Emi‐ die Angst vor der Demokratisierung habe das lie Hergt waren Ehefrauen führender DNVP-Poli‐ Bündnis möglich gemacht. Die Gründung der Ver‐ tiker, des Kreuzzeitungsredakteurs Otto Hoetzsch einigung kann als Reaktion auf die allgemeine Po‐ beziehungsweise des ersten DNVP-Vorsitzenden litisierung und Polarisierung am Ende des Ersten Oskar Hergt. Die DNVP wurde meist auf indirek‐ Weltkrieges gedeutet werden, die in starkem Aus‐ tem Wege empfohlen, indem man den Mitglie‐ maß auch Frauen einbezog. Die Ziele der VEFD dern des Vereins riet, die Stellungsnahmen der waren, ganz im Gegensatz zum früheren Selbst‐ verschiedenen Parteien zu Religion, Kirche, Fami‐ verständnis der Frauenhilfe, durchaus politisch. lie und Volkstum zu überprüfen. Einige Ortsgrup‐ Ein Arbeitsbereich wurde die politische Aufklä‐ pen beteiligten sich an den Protesten des DEF, des rung und Schulung evangelischer Frauen. Redne‐ Königin Luise Bundes und anderer rechter Ver‐ rinnen- und staatsbürgerliche Bildungskurse wur‐ bände gegen Versailles. Die Wahl Hindenburgs den angeboten, die gesamtgesellschaftliche Fra‐ zum Reichspräsidenten wurde von den Vaterlän‐ gen behandelten. Die Forderung nach Erweite‐ dischen euphorisch begrüßt. Die Vorstellungen rung des Fraueneinfusses wurde aus dem christ‐ über die ideale politische Ordnung spiegeln sich lichen Dienstgedanken heraus entwickelt und er‐ in dem Ausspruch einer vaterländischen Aktivis‐ streckte sich auf Kircheninstitutionen, Verbands‐ tin von der „erhabene(n) Erinnerung an die ver‐ wesen und deutschnationale Parteipolitik. Eine gangenen großen Zeiten in der Hofnung auf Er‐ neue protestantische weibliche Elite sollte das Ge‐ neuerung dieser Zeiten in der Zukunft“ (zitiert wissen des Volkes verkörpern. Bestimmende Per‐ nach Süchting-Hänger, Politisch oder vaterlän‐ sönlichkeit der VEFD wurde die Vorsitzende Mag‐ disch?). Mitte der 1920er Jahre übernahm die de‐ dalene von Tiling. signierte Kronprinzessin Cecilie die Schirmherr‐ Die evangelischen Frauen traten in der Weimarer schaft über die Vaterländischen.Süchting-Hänger, Republik an, die angeblich bedrohte Sittlichkeit Gewissen, bes. S. 156-165, 200f., 232; dies.: Poli‐ und das evangelische Christentum zu ‚retten‘. Auf tisch oder vaterländisch? diesen Gebieten wurde die Vereinigung zu einer Wichtigstes Ereignis im protestantischen politischen ‚pressure group‘, die über ihre Vertre‐ Frauenvereinswesen war die Gründung der Verei‐ terinnen im Parlament Einfuss auf die Gesetzge‐ nigung Evangelischer Frauenverbände Deutsch‐ bung zu nehmen suchte. Schon Doris Kaufmann lands im Juni 1918. Für diesen Dachverband ist hat betont, dass die Vereinigung auf allgemein-po‐ immer noch die 1988 erschienene Arbeit von Do‐ litischer Ebene den antidemokratischen und anti‐ ris Kaufmann das Standardwerk. Als wichtigste republikanischen Interessen der deutschnationa‐ neue Studie für diesen Komplex ist die Dissertati‐ len Rechten folgte und hierfür frauenspezifsche on von Gury Schneider-Ludorf über die Vorsit‐ Begründungen fand. Die Vorstellung von der his‐ zende Magdalene von Tiling zu nennen. torischen Zusammengehörigkeit des ‚wahren Der Vereinigung Evangelischer Frauenverbände Deutschtums‘ und des ‚reformatorischen Chris‐ Deutschlands (VEFD) traten u. a. der Deutsch- tentums‘ blieb handlungsleitend. Die „Schmutz- Evangelische Frauenbund, die Evangelische Frau‐ und Schundkampagne“, Gesundheits- und Bevöl‐ enhilfe und der Kaiserswerther Verband deut‐ kerungspolitik, Schul- und Jugendpolitik waren scher Diakonissenmutterhäuser bei, insgesamt 21 die Hauptaktionsgebiete der VEFD. Die Sicherheit Verbände und 23 landeskirchliche Frauenvereine. der Ordnungen des Lebens - Ehe, Familie und

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Volksgemeinschaft – schienen für viele protestan‐ hatte gegenüber einer Volksgemeinschaft auf ‚ras‐ tische Frauen in der Republik ebenso bedroht wie sischer‘ Grundlage Priorität. Schneider-Ludorf die ‚natürlichen’ Grenzen zwischen Obrigkeit und charakterisiert Tiling als konservative Staatstheo‐ Untertanen. retikerin, deren Konzept der Volksgemeinschaft Magdalene von Tiling, Vorsitzende der Vereini‐ mit ständisch-korporativen Elementen verknüpft gung von 1923 bis 1933, wurde auf dem Gebiet war. Unter Hugenberg wurde auch Tiling in der der Erziehung zur Religiosität die wichtigste The‐ Parteivorstand der Deutschnationalen berufen. oretikerin unter den protestantischen Frauen. Die Die Vorsitzende der VEFD sollte die Wählerinnen Religionspädagogin Tiling legte eine „geschlosse‐ an die DNVP binden, die besonderen Wert auf die ne Theorie“ (Kaufmann, S. 78) vor, die nicht nur Christlichkeit einer Partei legten.Kaufmann, Auf‐ das Geschlechterverhältnis betraf, sondern die bruch, S. 43-99; dies.: Begründung und Politik ei‐ Leitregeln gesellschaftlicher und staatlicher Ord‐ ner evangelischen Frauenbewegung in der Wei‐ nung defnierte. Tiling forderte die evangelischen marer Republik, in: Dalhof, Jutta/Frey, Uschi/ Frauen auf, ihre neuen Aufgaben selbstbewusst Schöll, Ingrid (Hg.): Frauenmacht in der Geschich‐ und verantwortungsvoll zu übernehmen. Politi‐ te, Düsseldorf 1986, S. 380-389; Baumann, S. 254; sche Arbeit sollte ein Teil ihres Seins werden. Lekebusch, Rheinland, S. 152; Schneider-Ludorf, Kaufmann hebt hervor, dass die Evangelische Gury: Magdalene von Tiling. Ordnungstheologie Frauenhilfe des Kaiserreiches von Tiling nach und Geschlechterbeziehungen, Göttingen 2001, S. 1918 als negatives Modell der unselbständigen, 4, 100f., 105f., 110, 120-130 (Antisemitismus), verantwortungslosen Frau kritisiert wurde, das 146-161 (Theologie der Geschlechterbeziehungen), gänzlich ‚unevangelisch‘ sei. Bei der Tilingschen 212-217, 220, 307-314; Süchting-Hänger, Gewissen, Defnition des Geschlechterverhältnisses sieht S. 121, 132, 137, 198, 323. Kaufmann starke Parallelen zur Agitation des Die Geschichte des Deutsch-Evangelischen BDF, bloß dass die Vorsitzende der VEFD die aus Frauenbundes in der Weimarer Republik ist noch ihrer Sicht individualistische Orientierung des nicht geschrieben. Andrea Süchting-Hänger und Bundes ablehnte. Sigrid Lekebusch haben in Einzelfragen neue Er‐ Schneider-Ludorfs sorgfältige Interpretation der gebnisse und Thesen vorgelegt, die allerdings Funktion des Antisemitismus bei Magdalene von noch kein vollständiges Bild ergeben. Der DEF Tiling gibt wichtige Anregungen für vergleichbare blieb auf der Führungsebene eine übergemeindli‐ Studien. Tiling habe in ihrer Auseinandersetzung che Organisation mit gesamtgesellschaftlichen mit der völkischen Bewegung nicht versucht, den Zielen. Nicht die Einzelnot sollte gelindert, son‐ Antisemitismus zu entkräften, sondern ihn strate‐ dern die Lage der Frau grundsätzlich verändert gisch ausgenutzt: „Die Abgrenzung vom Judentum und ihr Einfuss auf das öfentliche Leben ge‐ diente dazu, die Hierarchie zwischen Männern stärkt werden. Eine zentrale Stellenvermittlung und Frauen zu entschärfen und sich als ‚christli‐ sollte die Interessen von Berufsfrauen unterstüt‐ che Deutsche‘ - Frauen und Männer gemeinsam - zen. Die „Evangelische Frauenzeitung“ war nach in die [...] Volksgemeinschaft zu integrieren“ dem Urteil von Sigrid Lekebusch auch in der Re‐ (Schneider-Ludorf, S. 311). Die Rede von der publik ein theoretisch anspruchsvolles Blatt. In‐ ‚minderwertigen‘ Sittlichkeit des Judentums habe nerhalb des DEF kam es zu einer Auseinanderset‐ als Folie gedient, vor deren Hintergrund der Ein‐ zung, ob der Verein seine programmatische politi‐ fuss der Frauen in der Gesellschaft legitimiert sche Neutralität aufgeben sollte. Paula Mueller-Ot‐ werden konnte. Theologische Motive sorgten aber fried warb 1919 dafür, die Orientierung an den auch für eine gewisse Distanz zur völkischen Be‐ rechtsbürgerlichen Parteien DNVP und DVP in wegung. Die Rechristianisierung der Gesellschaft den Richtlinien zu verankern, während sich libe‐

34 H-Net Reviews rale Führungsmitglieder dagegen aussprachen. sellschaft und des Staates, hieß es in diesem popu‐ Vor allem in Niedersachsen und Sachsen gab es in lären Blatt. Der „Bote“ verlangte Kaisertreue und den Ortsgruppen durchaus auch Anhängerinnen idealisierte die ehemalige deutsche Kaiserin. Die der DDP. Paula Mueller-Otfried gelang es schließ‐ Republik wurde als Abstieg begrifen und für die lich durchzusetzen, dass die Unterstützung von „Not der Zeit“ verantwortlich gemacht. Mit der „nationalen“ Parteien festgeschrieben wurde. In Arbeit in der Gemeinde sollten in der Republik der Folgezeit kam es immer wieder zu Stellung‐ „christliche Keimzellen“ geschafen werden. Der nahmen der DEF-Führungsspitze, die die Orientie‐ Bote nahm zusätzlich Stellung zu allgemeinpoliti‐ rung an der DNVP ofenbarten: 1924 beispielswei‐ schen Fragen und beteiligte sich an der Anti-Ver‐ se ein indirekter Wahlaufruf für die DNVP, 1929 sailles- und Anti-Bolschewismus-Agitation. Seit ein Artikel gegen den Young-Plan. Ursula Bau‐ 1931 wurde im „Boten“ die NS-Parteidoktrin dis‐ mann bilanziert, dass Paula Mueller-Otfried nach kutiert und Anknüpfungspunkte herausgestellt, 1918 einen scharfen Rechtskurs des DEF durchge‐ darunter die Wertschätzung der mütterlichen Rol‐ setzt habe. In der Opposition zur Republik sei das le der Frau und der Ablehnung der ‚Gottlosenbe‐ konservativ-nationale Element stärker hervorge‐ wegung‘. Dass die NS-Frauenpropaganda sich seit treten. Die nationale Frage habe die Frauenfrage etwa 1932 besonders an konfessionelle Frauen‐ dabei immer mehr zurückgedrängt. Andrea verbände richtete, wurde hier positiv wahrge‐ Süchting-Hänger betont demgegenüber, dass der nommen und der Regierungswechsel von 1933 DEF im Vergleich zu neunationalistischen Frauen‐ dann einhellig begrüßt. vereinen wie dem Ring nationaler Frauen oder Zwei neuere Aufsätze von Fritz Mybes tragen zur dem Bund Königin Luise ein eher moderates, alt‐ Bestimmung des Verhältnisses der Frauenhilfe zu konservatives Programm vertreten rechtsradikalen Strömungen wenig bei. In einem habe.Baumann, S. 261-269, Süchting-Hänger, Ge‐ Beitrag ersetzen zwei längere Zitate die Analyse, wissen, S. 261, 314; Lekebusch, Rheinland, S. in dem zweiten erscheint Mybes‘ Bilanz afrmativ 146-149. und lässt die Distanz zum Untersuchungsgegen‐ Die Evangelische Frauenhilfe erhielt in der stand vermissen: Früh habe die Frauenhilfe die Republik die Zielsetzung aufrecht, Frauen stärker „Gefahr eines Neuheidentums“ durch völkische an die Gemeinde zu binden. Die Hausfrau und Bewegung und Nationalsozialismus erkannt. Die Mutter sollte als Erzieherin die Weichen „für eine Bibelarbeit habe die Frauen befähigt, „dem gro‐ Gesundung des deutschen Volkes“ stellen (Leke‐ ßen scheinchristlichen Vertrauensfeldzug Hitlers busch, Rheinland, S. 145). Über die enge Anbin‐ zu widerstehen“ (Mybes, Anfänge, S. 39). dung der Frauenhilfe an die DNVP besteht kein Sigrid Lekebusch arbeitet heraus, dass es in der Zweifel. Der Einfuss der Frauenhilfe auf die poli‐ Weimarer Republik zu einer Debatte über die tische Haltung protestantischer Frauen sollte Stellung der Frauen in den Führungsgremien der nicht unterschätzt werden. Süchting-Hänger weist Frauenhilfe kam. Nach längeren scharfen Ausein‐ allerdings darauf hin, dass sich die Frauenhilfe andersetzungen wurde die Satzung entsprechend durch die Parlamentarierinnen Paula Mueller-Ot‐ geändert, so dass im Jahr 1926 erstmals eine Frau, fried und Magdalene von Tiling nicht zufrieden‐ Gertrud Stoltenhof, den Vorsitz erhielt. Zusätzlich stellend vertreten fühlte. Die Sichtweisen in der wurden 15 Vertreterinnen der Landesverbände Frauenfrage diferierten noch zu stark. Regina neu in den Hauptvorstand berufen. Der männli‐ Mentner beurteilt das Organ der Frauenhilfe, den che Geschäftsführer behielt allerdings „Richtlini‐ „Boten“, als ein Medium „kirchlicher Bestandssi‐ enkompetenz“. Ab 1927 wurde auch die Redakti‐ cherung“ (Mentner, S. 220). Allein der Protestan‐ on des „Boten“ an weibliche Mitglieder übertra‐ tismus garantiere das Wohl der Familie, der Ge‐ gen. In den Gemeinden wurden die Trefen der

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Frauenhilfe jedoch meist weiterhin von den Pfar‐ Sinne der ‚nationalen Opposition’. Silvia Lange rern geleitet.Mybes, Anfänge, S. 32-35, 35; ders., beobachtet, dass die Ablehnung des Dawes-Planes Mandat, S. 98f.; Lekebusch, Rheinland, S. 151, eine Politisierung der ‚Neuländerinnen’ bewirkte, 161f.; dies.: Beharrung und Erneuerung. Evangeli‐ die mit der Gründung des Frauenkampfbundes sche Frauenhilfe in unterschiedlichen gesell‐ gegen die Entartung im Jahr 1926 eine organisato‐ schaftlichen Systemen 1926-1946, in: Busch, 100 rische Form fand (vgl. unten). 1930 wurde Diehl Jahre, S. 41-95, hier S. 44-47.; Mentner, S. 219-222, Mitglied der NSDAP. Da die organisatorische Zen‐ 240-243; Süchting-Hänger, Gewissen, S. 121. trale, das „Neulandhaus“, seinen Sitz in Eisenach Die Neulandbewegung (NLB) behielt auch in hatte, begann die politische Zusammenarbeit mit der Weimarer Republik ihren Status als ‚Sonder‐ der NSDAP in Thüringen. 1931 bekannte sich die fall‘ innerhalb des protestantischen Frauenver‐ Neulandbewegung ofen zum Nationalsozialismus einswesens. Silvia Lange schildert in der genann‐ und trat aus der Vereinigung Evangelischer Frau‐ ten Studie die Organisationsgeschichte und bietet enverbände aus. Guida Diehl wurde 1932 Kultur‐ eine Einordnung in das politische und religiöse referentin der NS-Frauenschaft, musste aber 1933 Spektrum. Die Neulandbewegung interpretiert Sil‐ wegen mangelnden Rückhalts in der Partei wie‐ via Lange in Anlehnung an Karin Bruns als ein der zurücktreten. Vom Selbstverständnis her rich‐ Beispiel für das kombinatorische Zusammenwir‐ tete sich die NLB in den 20er Jahren verstärkt an ken von Jugend- und Reformbewegung, völki‐ erwachsene Frauen und verstand sich als „Frau‐ schen Tendenzen und Elementen der Frauenbe‐ enerneuerungsbewegung“. Guida Diehl zielte dar‐ wegung. Die Besonderheit dieser Organisation lie‐ auf, mit ihrer Organisation die Nachfolge der bür‐ ge auch darin, dass ihre Führung sich bereits lan‐ gerlichen Frauenbewegung anzutreten. ge vor der ‚Machtergreifung‘ für die Nationalsozi‐ Die Herkunftsfamilien der Anhängerinnen gehör‐ alisten engagierte. Die NLB konstituierte sich um ten fast ausschließlich dem ‚alten Mittelstand’ an. das Kriegserlebnis und seine Folgen. In den Jah‐ Die Mitglieder waren zu einem hohen Anteil be‐ ren um 1918/19 wuchs die Organisation am rufstätig. Da die meisten keine akademische Aus‐ stärksten. 1920 war mit etwa 10.000 Mitgliedern bildung hatten, standen sie innerhalb des Bil‐ der Höchststand erreicht. Zentrales Anliegen wur‐ dungsbürgertums, dem sie sich zugehörig fühlten, den die Revision von Versailles und der „nationa‐ am Rande und fürchteten um ihren sozialen Sta‐ le Wiederaufstieg“. Guida Diehl setzte auch in der tus. Die Tatsache, dass sich das „Neulandblatt“ an Weimarer Republik, anstelle von sozialen Refor‐ eine weibliche Bildungselite richtete, scheint für men oder einer dezidiert politischen Einfussnah‐ die Attraktivität der Organisation zentral gewesen me, auf „innere Erneuerung“ jedes Einzelnen. So‐ zu sein. Man zielte auf eine „Elite von entschlosse‐ mit stand in der NLB die ideologische Schulung nen Kämpferinnen“ (Lange, S. 49). Silvia Lange im Vordergrund. Dennoch konnten die Leserin‐ zieht die Bilanz: „Die Anhängerinnen der NLB nen bereits vor den Wahlen zur Nationalver‐ entsprechen der typischen NSDAP-Wählerin, sie sammlung im „Neulandblatt“ eine explizite Wahl‐ sind jung, protestantisch, kommen aus überwie‐ empfehlung für die DNVP fnden. Die ‚Führerin’ gend ländlichen Gebieten und gehören zu den Guida Diehl wurde DNVP-Mitglied. Mitte der 20er bürgerlichen Mittelschichten“ (S. 235). Als ent‐ Jahre begann die forcierte Propagierung völki‐ scheidenden Unterschied zu den übrigen evange‐ scher Positionen, die mit rassistischen und antise‐ lischen Frauenverbänden identifziert Lange in mitischen Argumentationsfguren einherging. der NLB eine totalitäre Interpretation des Politi‐ Ende der 20er Jahre gab die Neulandbewegung schen, die auf die Aufhebung der Trennung von das Primat der Innerlichkeit auf und setzte auf Privatsphäre und Öfentlichkeit zielte.Lange, Pro‐ eine radikale Umgestaltung der Gesellschaft im

36 H-Net Reviews testantische Frauen, S. 9, 10, 33, 36-40, 48-57, Weimarer Republik fast zeitgleich an zwei gesell‐ 89-97, 224-235. schaftspolitische Kräfte, die aus verschiedenen Die nationalen Organisationen der städti‐ ‚Lagern‘ stammten. 1920 erfolgte der Anschluss schen und ländlichen Hausfrauen, der Reichsver‐ an den Bund Deutscher Frauenvereine, in dem band Deutscher Hausfrauenvereine und der die Führungsebene noch von Mitgliedern der DDP Reichsverband Landwirtschaftlicher Hausfrauen‐ dominiert wurde, 1921 trat der RLHV dem antire‐ vereine, ragen unter den hier ausgewählten rech‐ publikanischen Reichslandbund (RLB) bei. Die ten Frauenvereinen der Republik heraus, da sie doppelte Agenda der Landfrauen, die Elisabet dem Bund Deutscher Frauenvereine angeschlos‐ Boehm schon im Kaiserreich propagiert hatte, sen waren. Dies war in den Zeiten der scharfen war damit formal erfüllt: Die Position von Frauen parteipolitischen Fraktionierung ein Ausnahme‐ im Agrarsektor und den Einfuss von Landfrauen fall, denn der BDF galt im rechten Spektrum als in der bürgerlichen Frauenbewegung zu verbes‐ Anhänger der Demokratie und somit als politi‐ sern. Boehm hatte sich gegen ihre Gegnerinnen scher Gegner der Deutschnationalen. Versuche mit dem Argument durchgesetzt, der BDF sei eine von rechten Gegnern und Gegnerinnen des BDF, Art Frauenparlament zur Vorbereitung von Geset‐ die Hausfrauen vom Dachverband der bürgerli‐ zen, in dem der Einfuss „fremdblütiger“ Führe‐ chen Frauenbewegung zu lösen, prägten die Ar‐ rinnen durch RLHV-Vertreterinnen ausgeglichen beit der beiden Reichsverbände bis zum Austritt werden müsse. Margarete von Keyserlingk wurde aus dem BDF im Jahr 1932.Bridenthal, Professio‐ die Vertreterin der Landfrauen im BDF. Durch den nal Housewives, S. 154f., dies.: Rural Women, S. Beitritt zum Reichslandbund erhielten die Land‐ 399-403; Reagin, Nancy R.: Comparing Apples and frauen den lang begehrten Zugang zu den Land‐ Oranges. Housewives and the Politics of Con‐ wirtschaftskammern. Die organisatorische Bin‐ sumption in Weimar and Nazi Germany, in: Mc‐ dung an diesen Interessenverband der Agrarier Govern, Charles/Strasser, Susan/Judt, Matthias wurde im Verlauf der Weimarer Republik enger. (Hg.): Getting and Spending, Cambridge 1999, S. Elisabet Boehm wurde Mitglied im Vorstand, drei 241-261; dies.: Foreign Housewives and German weitere führende RLHV-Vertreterinnen erhielten Linen Cabinets. Gendered National Identitiy in einen Sitz in der Mitgliederversammlung. In Ber‐ Imperial Germany, in: Planert: Nation, S. 198-214; lin stattete der RLB den Landfrauenverband mit dies.: The Imagined Hausfrau. National Identity, Büroräumen aus und bezahlte die Geschäftsfüh‐ Domisticity, and Colonialism in Imperial Germa‐ rerinnen. Obwohl der RLHV als eigene Organisati‐ ny, in: Journal of Modern History 73 (2001), S. on bestehen blieb, wurde er auf der lokalen Ebe‐ 54-86; dies.: Nationale Hausarbeit? Bürgerliche ne oft als ‚Frauenhilfswerk‘ der Männerorganisa‐ Hausfrauen und konservative Politik in der Wei‐ tion betrachtet. Gerade in den Krisenzeiten der marer Republik, in: Schöck-Quinteros/Streubel. Republik, in den Nachkriegsjahren und der Welt‐ Vgl. auch: Reagin, Nancy R.: Marktordnung and wirtschaftskrise, erhielten die Ortsvereine der Autarkic Housekeeping. Housewives and Private Landfrauen starken Zulauf. Der RLHV organisier‐ Consumption under the Nazi Four Year Plan, te ein Netz von Ratgeberinnen, die in die Dörfer 1936-1939, in: German History 19 (2001), S. reisten und auf Bauernhöfen konkrete Hilfe anbo‐ 162-184. ten.Bridenthal, Rural Women, S. 382-396, 399f. Beide Hausfrauenorganisationen mobilisierten in Bridenthal nennt als Eintrittsdatum des RLHV in erster Linie Anhängerinnen, die im Parteispek‐ den BDF das Jahr 1921, während neuere Studien trum von rechter Mitte bis ganz rechts ihre politi‐ vom Jahr 1920 ausgehen. Die Akten des BDF bele‐ sche Heimat hatten. Der Reichsverband Landwirt‐ gen, dass die Vertreterinnen des RLHV, Elisabet schaftlicher Hausfrauenvereine band sich in der Boehm und Margarete von Keyserlingk, bereits

37 H-Net Reviews vom 30.9. bis 1.10.1920 an der Generalversamm‐ wirtschaftlicher Erzeugnisse. Wie Nancy R. Rea‐ lung des BDF teilnahmen. Landesarchiv Berlin, gin zeigen kann, propagierten beide Verbände Helene-Lange-Archiv, 3106. Vgl. zum Reichsland‐ eine Haushaltsführung und Konsumgewohnhei‐ bund auch Merkenich, Stephanie: Grüne Front ge‐ ten, die als ‚deutsch‘ oder ‚national‘ gekennzeich‐ gen Weimar. Reichs-Landbund und agrarischer net wurden. Programm und Rhetorik der ‚natio‐ Lobbyismus 1918-1933, Düsseldorf 1998 (der nalen Hausarbeit‘ waren geeignet, die uner‐ RLHV wird darin nur am Rande erwähnt). wünschte Kluft zwischen Frauenbewegung und Obwohl der RDHV als Repräsentant der städti‐ nationalistischer Parteipolitik zu überbrücken. schen Hausfrauen keine starke Männerorganisati‐ Wie der BDF unterstützten auch die Reichsver‐ on im Rücken hatte, konnte er seine Vertretung in bände der Hausfrauen eine moderne, rationale staatlichen Ausschüssen auch nach dem Krieg Haushaltsführung. Zeit- und Bewegungsstudien weiter ausbauen. Der Verband war Ratgeber für und neue Haushaltsgeräte nach dem Vorbild des staatliche Behörden auf so unterschiedlichen Ge‐ US-amerikanischen ‚scientifc management‘ wur‐ bieten wie Fleischhandel, Seife- und Kohleproduk‐ den intensiv rezipiert. Allerdings blieb es wichtig, tion sowie in Fragen des Exports, der Preiskon‐ sich vom Ausland abzugrenzen und die ‚deutsche‘ trolle und der Bekämpfung des Schwarzmarktes. Hauswirtschaft als die bessere, die ‚deutsche Industrieunternehmen betrachteten das Organ Hausfrau‘ als besonders sparsam, feißig und sau‐ „Die Deutsche Hausfrau“ als willkommenen Wer‐ ber zu charakterisieren. Die Hausfrauenverbände beträger. Örtliche Büros des RDHV informierten unterstützten gemeinsam die protektionistische über Miet- und Steuerangelegenheiten, Frauen‐ Politik der Agrarverbände. In aggressiven Kampa‐ rechte, Gesundheit und Kommunalpolitik. Der Da‐ gnen warben sie für ‚deutsche Waren‘, zu denen chverband der städtischen Hausfrauen erreichte Kartofeln, Roggenbrot, Äpfel und Quark als Er‐ in der Republik einen hohen Grad an öfentlicher satz für teure Butter und die „ausländische“ Mar‐ Anerkennung. Er sei zu einer Kraft geworden, die garine gezählt wurden. In der Wirtschaftskrise man berücksichtigen musste, hebt Renate Briden‐ wurden diese Produkt-Kampagnen in vielen Regi‐ thal hervor. In der Weimarer Republik bemühte onen unter dem Motto „Deutsche Wochen“ veran‐ sich die Organisation um eine Professionalisie‐ staltet. Die Hausfrauenorganisationen stellen so‐ rung des Hausfrauen-‚Berufs‘. Hausfrauen sollten mit einen Zusammenhang zwischen persönlichen sich in Anlehnung an Handwerksberufe zu ‚Meis‐ Kaufentscheidungen und der Volkswirtschaft her. tern‘ ausbilden lassen, um dann selbst junge Frau‐ Nancy R. Reagin identifziert das Modell der ‚nati‐ en gewissermaßen als ‚Lehrlinge‘ einzustellen. onalen Hausarbeit‘ als ein wirkungsvolles Ideolo‐ Ein 1919 eingebrachter ‚Lehrvertrag‘ erhielt je‐ gem, das die Mobilisierung rechter Frauen für die doch keine staatliche Genehmigung. Im Hinblick Hausfrauenvereine beschleunigt habe.Bridenthal, auf die politische Orientierung der Mitglieder Professional Housewives, S. 155-162; dies: Rural muss betont werden, dass eine direkte Unterstüt‐ Women, S. 396; Reagin, Nationale Hausarbeit? zung der Deutschnationalen durch den RDHV zu‐ Die Landfrauen entschieden sich früher als der nächst nicht durchsetzbar war. Die Vorsitzende RDHV zum Austritt aus dem BDF und setzten die Martha Voß-Zietz musste den Vorsitz im Jahr 1922 städtischen Hausfrauen unter Druck, es ihnen sogar abgeben, als sie versuchte, diese Ausrich‐ nachzutun. Renate Bridenthal vermutet als ein tung zu forcieren. Motiv, dass der RLHV sich politisch immer stärker Beide Hausfrauenorganisationen engagierten sich an der NSDAP orientierte. Schon 1927 hatten Füh‐ in der Republik auf dem Gebiet der Konsumpoli‐ rerinnen des RLHV ihre Sympathie für das fa‐ tik - die städtische Hausfrauen als Verbraucherin‐ schistische Regime in Italien formuliert. 1931 trat nen, die Landfrauen als Produzentinnen land‐ Boehm vom Vorsitz zurück, nach Bridenthals In‐

38 H-Net Reviews terpretation, weil sie die Nationalsozialisten un‐ Schulung der Frauen und Propaganda für den terstützen wollte. Sie wurde im gleichen Jahr Mit‐ Kampf gegen die Republik als neue Ziele erwog. glied der NSDAP. Zu diesem Zeitpunkt leugnete sie Die neue Satzung ließ schließlich beide Aktions‐ ihre Mitgliedschaft allerdings noch, ein Zeichen felder als Vereinsaufgaben zu. 1920 wurde der dafür, dass diese politische Orientierung keines‐ Flottenbund die mit Abstand größte Mitgliederor‐ falls von allen Landfrauen begrüßt wurde. Ihre ganisation in dem neuen Dachverband Ring Nati‐ Nachfolgerin Gertrud von Bredow stand der NSD‐ onaler Frauen (vgl. den folgenden Abschnitt), was AP jedoch ebenfalls aufgeschlossen gegenüber, das Selbstbewusstsein der Organisation steigerte. was sich in den Artikeln des Periodikums „Land Für die Vereinsarbeit des Frauenbundes der DKG und Frau“ niederschlug. Bridenthal sieht in der in der Weimarer Republik geht Lora Wildenthal Entscheidung gegen die bürgerliche Frauenbewe‐ davon aus, dass die Arbeit der Frauen im Ver‐ gung eine bewusste Machtstrategie: In der Öfent‐ gleich zu der der Männer in der Republik an Be‐ lichkeit wurde infolge der Massenarbeitslosigkeit deutung gewonnen habe. Die „unpolitische Ar‐ eine Rückkehr der Frauen in den ‚Hausfrauenbe‐ beit“ der Frauen war weniger von Restriktionen ruf‘ massiv propagiert. Die organisierten Haus‐ betrofen, während die Kontakte der Männer zu frauen konnten sich als die optimalen Vertreter Staatsregierung, Diplomatie und Wirtschaft größ‐ dieses Modells proflieren und damit an die Spitze tenteils ihren Wert verloren hatten. Die verbliebe‐ der Hierarchie innerhalb der weiblichen Sphäre ne kleine Anzahl deutscher Familien in den ehe‐ treten.Bridenthal, Professional Housewives, S. maligen Kolonialgebieten erschien nun als letzter 162-165; dies.: Rural Women, S. 401f. Als Belege Garant und Vorposten des „Deutschtums“. Die Ko‐ für den Antisemitismus der Führung vgl. auch lonien sollten Haushalt für Haushalt, Gemeinde Schwarz, Landfrauen, S. 238f. Die parteipolitische für Gemeinde zurückerobert werden. Hier setzte Orientierung weiblicher Berufsverbände im allge‐ man stark auf die Jugend, für die der Frauenbund meinen ist noch wenig erforscht. Vgl. zu diesem seit 1924 eine eigene Zeitschrift namens „Jambo“ Thema das Schwerpunktheft der IWK, Nr. 3-4 herausgab. 1926 nahmen die Frauen ihr Emigrati‐ (1998): „Geschlechterbilder in den Gewerkschaf‐ onsprogramm mit Erfolg wieder auf. Andrea ten“. Süchting-Hänger hat ermittelt, dass dieses Pro‐ Für die nationalistischen Organisationen, na‐ gramm vom Auswärtigen Amt fnanziell unter‐ mentlich den Flottenbund Deutscher Frauen und stützt wurde. Der Frauenbund der DKG wird als den Frauenbund der Deutschen Kolonialgesell‐ die einzige nationalistische Frauenorganisation schaft, hätte die Unterzeichnung des Versailler genannt, deren Verbindungen zur DVP enger ge‐ Vertrags das Ende ihrer Organisation bedeuten wesen seien als die zur DNVP. Für die frühen 30er können - deutsche Flotte und Kolonien existierten Jahre beobachtet Süchting-Hänger allerdings eine nicht mehr. Andrea Süchting-Hänger konstatiert größere Einfussnahme durch DNVP-Miglieder, jedoch, dass beiden Vereinen eine beeindrucken‐ von denen drei in den Vorstand der Kolonialorga‐ de Reorganisation gelang. Der Verlust der Flotte nisation gewählt wurden. Diese setzten eine enge‐ führte allerdings zunächst zu einem drastischen re Anbindung an den Bund Königin Luise durch. Mitgliederrückgang unter den Flottenaktivistin‐ Ab 1930 unterstützte der Frauenbund der DKG die nen. 1918 hatte man 329 Ortsgruppen gezählt, forcierte Revisionspolitik der Regierung Brüning. 1926 waren es nur noch 47. Im Frauenfottenbund Für die nationalistischen Frauenvereine insge‐ stritt man sich zunächst vereinsintern über die samt wurden die Vereinigten Vaterländischen zukünftigen Aufgaben. Viele Frauen von der Basis Verbände und der Deutsche Schutzbund für das wünschten sich die Fortsetzung der karitativen Grenz- und Auslandsdeutschtum zu wichtigen Tätigkeiten, während der Vorstand die politische neuen Verbündeten. Dort engagierte sich auch

39 H-Net Reviews der Frauenverein für die Ostmarken, über dessen Protestantische Frauen, S. 41-44, 90, 95, 97, 164f., Tätigkeit und Mitgliederentwicklung in der Repu‐ 225. blik allerdings noch keine Erkenntnisse vorlie‐ Mit dem RNF bildete sich ein ‚nationales‘ Ge‐ gen.Süchting-Hänger, Gewissen, bes. S. 152-155, genmodell zum BDF. Die Führerinnen des Ring 182, 259f., 313, 337 (Flottenbund), 155f., 178, 333f. nationaler Frauen vermeldeten den Anspruch, (Frauenbund der DKG); Wildenthal, German Wo‐ das Erbe der bürgerlichen Frauenbewegung anzu‐ men, bes. S. 172-183, 189-196; Drummond, S. 159. treten. Der Versuch, möglichst viele rechtsorien‐ Vgl. für den Flottenbund Deutscher Frauen auch tierte Frauenorganisationen unter einem Dach zu die zwei Artikel im neuen Vereinsorgan „Die vereinen, war allerdings wenig erfolgreich. Neben Deutsche Frau“: Die Generalversammlung des dem recht mitgliederstarken Flottenbund Deut‐ Flottenbundes Deutscher Frauen, in: Die Deutsche scher Frauen traten dem RNF nur noch kleinere Frau 19 (1926), S. 344-346 und ebenda, 25 (1932), Frauenorganisationen bei: Der Deutsche Frauen‐ S. 404. Zum Deutschen Schutzbund vgl.: Schaser, bund, der 1924 allerdings wegen eines Streits un‐ Angelika: Das Engagement des Bundes Deutscher ter den Führerinnen wieder austrat, der Deutsche Frauenvereine für das „Auslandsdeutschtum“: Frauenorden Darmstadt, einzelne Gruppen des Weibliche „Kulturaufgabe“ und nationale Politik Vereins für das Deutschtum im Ausland und des vom Ersten Weltkrieg bis 1933, in: Planert, Nation, Frauenvereins für die Ostmarken. Die gewünsch‐ S. 254-274. te Integration der VEFD und des Vaterländischen NEUGRÜNDUNGEN IN DER WEIMARER REPU‐ Frauenvereins gelang nicht. Der RNF hat es ver‐ BLIK mutlich auch deshalb vermieden, seine Mitglie‐ Die in den Jahren nach 1918/19 begründeten derzahlen jemals bekannt zu geben. 1932 gelang Frauenorganisationen Ring Nationaler Frauen der Anschluss einiger weiterer Organisationen, (RNF), Bund Königin Luise (BKL) und Frauen‐ darunter die Frauengruppen des Alldeutschen kampfbund gegen die Entartung im Volksleben Verbandes und die weibliche Jugendorganisation stehen stellvertretend für die nationalistische Ra‐ der DNVP. Die Anbindung an die Deutschnationa‐ dikalisierung rechter Frauen in den 20er und frü‐ le Volkspartei war eng, das Selbstverständnis in hen 30er Jahre. Alle drei Organisationen waren Abgrenzung zu völkischen Organisationen aus‐ Produkte der Nachkriegs- und Revolutionszeit. drücklich konservativ. Die Wirkung des RNF muss RNF und BKL gehörten laut Süchting-Hänger zu vor allem auf sein ambitioniertes Organ „Die den rechten Frauenorganisationen, die in der Re‐ Deutsche Frau“ zurückgeführt werden, das im publik vom Reichskommissar zur Überwachung Verlag der „Deutschen Zeitung“ erschien. Obwohl der öfentlichen Ordnung überprüft wurden.Vgl. die Deutsche Frau auch regelmäßig Artikel brach‐ für den folgenden Abschnitt: Zum Ring Nationaler te, die ‚Hausfrau und Mutter‘ als die Idealberufe Frauen: Süchting-Hänger, Gewissen, S. 186-192; der Frau herausstellte, richtete sich das Blatt in Streubel, Nationale Frauenbewegung. Zum Bund der Gesamttendenz eher an die gebildeten Berufs‐ Königin Luise: Schöck-Quinteros, Eva: „Unser frauen innerhalb des rechten Spektrums. Unter Kampfplatz ist die Familie“. Der Königin-Luise- den Autorinnen waren viele Akademikerinnen. Bund (1923-1934), in: dies./Streubel; Süchting- Für die „Deutsche Frau“ schrieben vor allem die Hänger, Gewissen, bes. S. 166-171, 182, 286f., Führerinnen nationalistischer Frauenorganisatio‐ 314f.; Heinsohn, Vortragsmanuskript zur Konfe‐ nen. Lange bevor Sophie Rogge-Börner 1933 ihre renz „Women, Gender, and the Extreme Right in Zeitschrift „Die Deutsche Kämpferin“ heraus‐ Europe“, S. 17-19. Zur Neulandbewegung: Lange, brachte, fanden die völkisch-nationalen Frauen‐ aktivistinnen und Feministinnen hier ein Sprach‐ rohr, um ihr machtbetontes Frauenbild zu vertre‐

40 H-Net Reviews ten. Andrea Süchting-Hänger bezeichnet den Ring Milieu, beispielsweise in Mädchengymnasien, und Nationaler Frauen als „think tank“ (Gewissen, S. wurde in der bürgerlichen Presse meist als ‚unpo‐ 189) für konservative Politikerinnen. litischer‘ Frauenverein wahrgenommen. Den Bund Königin Luise, die Schwesternorga‐ Am Beispiel zweier Protagonistinnen - Marie Netz, nisation des Stahlhelm, haben bislang Eva Schöck- erste Bundesführerin, und Charlotte von Hadeln, Quinteros - mit der ersten Einzelstudie zu diesem zweite Bundesführerin - arbeitet Eva Schöck- Verein -, Andrea Süchting-Hänger und Kirsten Quinteros exemplarisch Motivation, Engagement Heinsohn in ihre Forschungen einbezogen. Eva und Karriere von rechten Frauen in der Weima‐ Schöck-Quinteros untersucht in ihrem Beitrag rer Republik heraus. Marie Netz, eine pensionier‐ Entstehung, Programm und die soziale Zusam‐ te Lehrerin mit großer Auslandserfahrung, steht mensetzung des Königin Luise Bundes (KLB). Im für den politischen Einsatz alleinstehender Be‐ Frühjahr 1923 wurde gezielt das „rote Halle“ als rufsfrauen, Charlotte Freifrau von Hadeln, Gattin Gründungsort für die Schwesternorganisation des eines Majors und Mutter von drei Kindern, für die Stahlhelm-Bundes ausgewählt. Der KLB hatte engagierte Hausfrau in der DNVP und im KLB, die schon in seiner Satzung festgelegt, dass „Jüdinnen in völliger Übereinstimmung mit den Männern ih‐ und Fremdrassige von der Aufnahme ausge‐ rer Familie - Ehemann, Brüder, Söhne - politisch schlossen sind“. Zu den wichtigsten Zielen des agierte. Wie diese bewegte sich Hadeln nach KLB gehörten die „Erziehung des weiblichen Ge‐ 1918/19 immer am rechten Rand und organisierte schlechts zur Mithilfe des großen Befreiungswer‐ Kontakte zur NSDAP und zu italienischen Faschis‐ kes Deutschlands von seinen Feinden [...], die För‐ tinnen. Eva Schöck-Quinteros hebt als ein Deside‐ derung und Verbreitung des nationalen Gedan‐ rat der Forschung hervor, Frauen unter dem kens unter der Jugend, Überbrückung der Klas‐ Aspekt ihrer ofensichtlichen Begabung als Redne‐ senunterschiede und Bekämpfung der Standes‐ rinnen zu untersuchen: In den (Auto)Biografen vorurteile“. Die Aufgabe des deutschen Mannes, Charlotte von Hadelns und der DNVP-Politikerin des „Kameraden“ war die „Staatsgestaltung“, die Anni Kalähne werde überaus deutlich, welchen Aufgabe der deutschen Frau, der „Kameradin“, außergewöhnlichen Publikumszulauf diese bei‐ war die „Volksgestaltung“. Der KLB war stark in den Agitatorinnen für die DNVP bewirkt haben. protestantischen Gegenden vertreten, er rekru‐ Andrea Süchting-Hänger zeigt, dass auch im KLB tierte Mitglieder vor allem in ländlichen Regionen die Zusammenarbeit mit der Männerorganisation aus allen Schichten. Die Führerinnen waren häu‐ nicht reibungslos verlief. Da der Frauenvorstand fg Adlige oder Lehrerinnen, die Ehemänner Of‐ die Zuständigkeit über den eigenen Aufgabenbe‐ ziere oder Aktive im Stahlhelm-Bund. Die ‚Luisen‘ reich hartnäckig verteidigte, war der Bund ab dokumentierten ihre Zugehörigkeit zu einer sol‐ 1927 nicht mehr die ofzielle Schwesternorgani‐ datischen Organisation durch einheitliche Klei‐ sation des Stahlhelm. An einigen Orten wurden dung – ein blaues Kleid. Auch die Frauenorganisa‐ statt dessen „Stahlhelmfrauengruppen“ gegrün‐ tion des Stahlhelm marschierte in Paraden und det. Die politische Radikalität des BKL zeigt sich vollzog die Fahnenweihe. Im konservativen Netz‐ darin, dass die Frauen vereinsintern gewaltsamen werk scheint der Bund sowohl bei Frauen als Umsturzpläne diskutierten. Die DVP-Mitglieder auch bei Männern ein hohes Ansehen genossen verließen den Bund Königin Luise, als dieser das zu haben. Laut Schöck-Quinteros war der KLB eng Volksbegehren gegen den Young-Plan unterstütz‐ mit der Deutschnationalen Volkspartei, dem te. Kirsten Heinsohn hat herausgearbeitet, dass Deutsch-Evangelischen Frauenbund und den sich die Bundesführung schon im Mai 1932 „be‐ Hausfrauenvereinen verbunden. In der Öfent‐ dingungslos“ dem „Führer Adolf Hitler“ unter‐ lichkeit präsentierte er sich im ‚gutbürgerlichen‘ stellte, formal aber noch als parteiunabhängige

41 H-Net Reviews

Gruppe bestehen blieb. Eva Schöck-Quinteros ckgang der Mitgliederzahlen und Aktivitäten hin‐ kann vor dem Hintergrund lokalgeschichtlicher nehmen. Häufg stellten die Publikationsorgane Quellen zeigen, dass die Zusammenarbeit mit der für einige Monate ihr Erscheinen ein. Gegen Ende NSDAP von Ort zu Ort unterschiedlich war. Auch der Republik scheuten viele Führerinnen der im war die Überführung in die NS-Frauenschaft ab Kaiserreich gegründeten ‚altkonservativen‘ Verei‐ 1934 nicht immer reibungslos. So trafen sich bei‐ ne die organisatorische Annäherung an die NSD‐ spielsweise die Bremer ‚Luisen‘ bis 1937. AP. Je mehr sich beispielsweise Guida Diehl und Der Deutsche Frauenkampfbund gegen die Elisabet Boehm dem Nationalsozialismus zu‐ Entartung im Volksleben wurde 1926 von Guida wandten, desto misstrauischer wurden sie von Diehl gegründet. Silvia Lange interpretiert diese den konservativen Vereinsführerinnen betrach‐ Organisation als „politische(n) Arm“ der Neuland‐ tet.Süchting-Hänger, Gewissen, S. 342; vgl. auch bewegung (Lange, Protestantische Frauen, S. 41), Lange, S. 225. der nicht nach innen auf die eigenen Mitglieder, FORSCHUNGSPERSPEKTIVEN III: sondern nach außen auf die Öfentlichkeit einwir‐ Fallstudien über einzelne rechte Frauenvereine in ken sollte. Der Frauenkampfbund stellte sich ein‐ der Weimarer Republik sind immer noch ein gra‐ deutig gegen die Republik. Hauptziel war die Ab‐ vierendes Desiderat. Auch die Vereinsorgane der wehr der sogenannten kulturellen Dekadenz. Die rechten Frauenorganisationen der Weimarer Re‐ Idee für den Frauenkampfbund entstand in Reak‐ publik sind zu einem großen Teil noch nicht syste‐ tion auf die Debatten um eine Liberalisierung der matisch ausgewertet worden. Die neueren Studi‐ Abtreibung. Beabsichtigt war ein Bündnis von en belegen, dass schon im späten Kaiserreich und konservativen, völkischen und protestantischen noch weitaus mehr in der Weimarer Republik ein Frauenorganisationen. Die meisten Mitgliedsver‐ neues Berufsfeld für rechte Frauen entstand: das bände kamen aus dem rechten Flügel des BDF, der der (partei)politischen Publizistin und Agitatorin. Sittlichkeitsbewegung, der völkischen Frauenbe‐ Fast jede Organisation verfügte über ein eigenes wegung und aus Hausfrauenvereinen außerhalb Periodikum, in dem politische Berichte sowie des BDF. 1928 nannte der Geschäftsbericht über Kommentare zur Innen- und Außenpolitik er‐ 180.000 Mitglieder. Unter den knapp 1500 Einzel‐ schienen. Falls kein selbstständiges Blatt existier‐ mitgliedern waren auch die DNVP-Parlamentarie‐ te, durften die Vereinsfrauen in dem jeweiligen rinnen Margarete Behm, Elisabeth Spohr und An‐ Organ der Männerorganisation über die Frauen‐ nagrete Lehmann sowie Elisabet Boehm und Mar‐ aktivitäten berichten. Darüber hinaus haben eini‐ garete von Keyserlingk vom Reichsverband land‐ ge der oben genannten Protagonistinnen für be‐ wirtschaftlicher Hausfrauenvereine. Der NLB ge‐ kannte deutsche Tageszeitungen des rechten lang mit dieser Gründung die Einfussnahme auf Spektrums die Frauenbeilage gestaltet: Beda Pril‐ Organisationen, die nur teilweise mit seiner Pro‐ ipp für die „Post“ und den „Tag“, Ilse Hamel für grammatik übereinstimmten. In Kooperation mit die „Deutsche Zeitung“, Else Frobenius für die der Neulandbewegung wurden von 1927 bis 1931 „Deutsche Allgemeine Zeitung“. Die Arbeit und „Mütterschulungen“ organisiert, die weniger eine die Produkte dieser rechten Journalistinnen sind praktische als eine ideologische Erziehung mit an‐ noch nicht übergreifend untersucht worden. Die tikommunistischer Ausrichtung beinhalteten. Die profliertesten Studien zur Frauenpresse und zur Mutterschaft wurde als Beitrag zum „Volksgan‐ Herstellung von Öfentlichkeit durch Frauenorga‐ zen“ politisiert und aufgewertet. nisationen im Allgemeinen stammen von Ulla Wi‐ Während der Infationszeit mussten die meis‐ schermann, die in ihrer neuesten Monographie ten rechten Frauenvereine der Republik einen Rü‐ grundlegende theoretische Überlegungen zu die‐ sem Forschungsfeld anbietet. Ausgangspunkt sind

42 H-Net Reviews die Kommunikations- und Interaktionsformen der bewegung in Deutschland 1894-1933, Göttingen bürgerlichen und, wesentlich knapper, der sozial‐ 1981, S. 298-299. Die Mitgliedschaft des Frauen‐ demokratischen Frauenbewegung im Kaiserreich. bundes der DKG in der Weimarer Republik ist do‐ Ein kurzer Abriss über die Frauenpresse behan‐ kumentiert in den Akten des BDF im Landesar‐ delt Zeitschriften der liberalen und der sozialde‐ chiv Berlin, Helene Lange-Archiv 2348, 3104, mokratischen Frauenbewegung, nicht jedoch des 3106, 3111, 3116, 3119; Vgl. jetzt: Mergel, Thomas: rechten Frauenvereinswesen oder der rechtsbür‐ Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Poli‐ gerlichen Parteien.Wischermann, Ulla: Frauenbe‐ tik, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. wegungen und Öfentlichkeit um 1900, Königs‐ 574-606. tein/Taunus, erscheint 2003. Vgl. zu einzelnen Der Überblick über das rechte Frauenvereins‐ rechten Publizistinnen Anm. wesen dokumentiert die erfolgreiche Mobilisie‐ Die Mitarbeit von Frauen der Rechten im BDF ist rung von Frauen für die politische Rechte in der für die Zeit nach 1918 in vielerlei Hinsicht noch Weimarer Republik. Es entstand ein weitver‐ unerforscht. Zwar hat Heinz Hönig in seiner Stu‐ zweigtes Netzwerk, das verschiedene Interessen die über den BDF untersucht, inwieweit die Haus‐ und Orientierungen bediente und in viele Städte frauenorganisationen ihre politischen Ziele im und Dörfer hineinreichte. Die von diesen Organi‐ Bund durchsetzen konnten. Dennoch bleiben in‐ sationen proklamierte Selbstdefnition, überge‐ teressante Fragen ofen: Wie funktionierte die ordnete ‚nationale‘ Ziele zu vertreten, hat das po‐ Kommunikation zwischen den verschiedenen litische Engagement rechter Frauen efektiver be‐ parteipolitischen Gruppen in diesem ‚Frauenpar‐ fördert, als Parteien allein es vermocht hätten. lament’? Wie kamen Entscheidungen zustande IV. Frauen der politischen Rechten an der Ba‐ und wie wurden Konfikte ausgetragen? Immer‐ sis hin waren die städtischen Hausfrauen 17 Jahre, die Landfrauen 12 Jahre mit ihren Reichsverbän‐ Rafael Scheck hebt in ‚Mothers of the Nation’ den korporative Mitglieder des BDF. Während der hervor, dass es den Parteiausschüssen der Frauen RDHV sich zunächst durch das DDP-Mitglied Luise und den rechten Frauenvereinen im Jahr 1924 ge‐ Kiesselbach im Engeren Vorstand vertreten ließ lungen sei, über ein Drittel aller wahlberechtigten und erst ab 1927 das DNVP-Mitglied Käthe von Frauen für die DNVP zu mobilisieren. Den höchs‐ Herwarth hinzukam, entsandte der RLHV gleich ten Stand erreichte der Wählerinnenanteil in der mit dem Beitritt 1920 die DNVP-Politikerin Marga‐ DNVP bemerkenswerterweise in den Jahren 1930 rete Gräfn von Keyserlingk in den Vorstand des bis 1932. Zugleich waren, folgt man Jürgen Falters BDF. Der Frauenbund der DKG war sogar von Ergebnissen, die protestantischen Frauen aus 1911 bis 1933 Mitglied des BDF (mit einer Unter‐ ländlichen Gebieten die erste Wählerinnengrup‐ brechung vermutlich in den Jahren 1928 bis 1930) pe, die zur NSDAP überwechselte. Welche Erklä‐ und hatte mit Else Frobenius eine ständige Vertre‐ rungsmuster hat die Forschung für dieses Wahl‐ terin im erweiterten Vorstand. Die Akten des BDF verhalten bislang angeboten? In den letzten Jah‐ im Landesarchiv Berlin enthalten für diese Fra‐ ren sind von Vertretern der Milieu- und Mentali‐ gen reichhaltiges Material, das eine Auswertung tätenforschung beeindruckende Studien über das im Sinne einer politischen Kulturgeschichte er‐ ländlich-protestantische und jüngst auch über das laubt.Hönig, Heinz: Der Bund Deutscher Frauen‐ ‚konservative‘ Milieu vorgelegt worden, die viel vereine in der Weimarer Republik 1919-1933, dazu beitragen, für ausgewählte Regionen das Egelsbach, Frankfurt, Washington 1995. Die Mit‐ Verhältnis von Milieu und Parteipolitik im Allge‐ glieder des Engeren Vorstandes des BDF nennt meinen und die Wahlerfolge der NSDAP im Be‐ Greven-Aschof, Barbara: Die bürgerliche Frauen‐ sonderen zu erklären. Allerdings gilt auch in die‐

43 H-Net Reviews sem Zusammenhang, dass sowohl die Dorfge‐ achtungen vorliegen“. Vor allem für die Periode meinschaft Wolfram Pytas, als auch die Provinz zwischen 1924 bis 1930 fnden sich in Matthiesens Manfred Kittels und das konservative Milieu Hel‐ ‚konservativem Milieu‘ in den Abschnitten über ge Matthiesens (fast) nur von Männern bewohnt „Vereinsroutinen“ und das „Submilieu Kirchen“ zu sein scheinen. Ein systematisches Interesse für einzelne Hinweise auf das Frauenvereinswesen die weiblichen Angehörigen des Milieus, für po‐ (Luisenbund und Bismarckjugend mit ihren Mäd‐ tentielle weibliche Meinungsführer, für die Frau‐ chenabteilungen), auf die Frauen der Gemeinde, envereinslandschaft oder die Wählerinnen fndet und auf die Tatsache, dass die männlichen Hono‐ sich in keiner dieser Studien. Frauen kommen nur ratioren bei wichtigen Veranstaltungen des Mili‐ ganz am Rande, gleichsam anekdotenhaft vor. Da eus mit ihren Ehefrauen auftraten. Bei der Deu‐ sorgt die Gutsherrin für ein gutes Verhältnis zwi‐ tung des Aufstiegs der NSDAP sind die Vereins‐ schen Gutsherrschaft und Arbeiterschaft, instru‐ frauen und Wählerinnen allerdings wieder fast iert ein Rektor mehrere Hundert Diakonissen zur vollständig verschwunden. Wahl der Bayerischen Mittelpartei, verwaltet ein Frank Bösch kommt das Verdienst zu, in seiner Freifräulein die Kasse der Kirchengemeinde, stri‐ jüngst publizierten Untersuchung über das kon‐ cken die Frauen der Kriegervereine warme Unter‐ servative Milieu als erster Autor einer ‚allgemei‐ kleidung. Manfred Kittel erklärt lapidar „die Frau‐ nen‘ Studie nicht nur die männliche Prägung des en blieben [...] im Hintergrund“ und widmet ih‐ Milieus ausdrücklich thematisiert, sondern auch nen in seiner umfangreichen Untersuchung zwei ein Kapitel über Frauenvereine eingefügt zu ha‐ Seiten. Dabei gibt das von Manfred Kittel ange‐ ben. Unter dem Titel „Nächstenliebe, Vaterlands‐ führte lange Zitat eines zeitgenössischen Sozialde‐ treue und Gottesfurcht“ verweist Frank Bösch zu‐ mokraten überaus deutliche Hinweise, an wel‐ nächst auf die Tatsache, dass Frauen neben der cher Stelle man nach der Bedeutung der Frauen (randständigen) Mitarbeit in Kriegervereinen und im Milieuzusammenhang hätte suchen können. Heimatbewegung auch über eigene Milieuorgani‐ Dieser Sozialdemokrat beklagt nämlich die natio‐ sationen verfügten. Sie seien daher keineswegs nalkonservative Prägung der „Damen“ auf dem nur über die Aktivitäten ihrer Ehemänner und Land, die „ihre Feldherrnfähigkeiten [...] im Haus‐ männlichen Verwandten oder aufgrund der Femi‐ frauenbund, im Luisenbund, im Vaterländischen“ nisierung der Religion in das Milieu integriert entfalten, die Frauen der Arbeiterschaft in die worden. Böschs Befunde an der Basis zeigen: Va‐ „nationale Versumpftheit“ hineinziehen und ihr terländischer Frauenverein, Deutsch-Evangeli‐ Dienstmädchen mit zur Wahl nehmen würden. scher Frauenbund und Hausfrauenvereine enga‐ Sind also auch manche Frauen politische Mento‐ gierten sich auch auf lokaler Ebene für den Mittel‐ ren innerhalb der Provinzgemeinschaft? stand, agitierten gegen Auslandswaren, setzten In seiner Studie über das ‚Konservative Milieu‘ in sich für christliche Schulen ein und warben für Greifswald demonstriert Helge Matthiesen ein im die kommunale Einheitsliste rechts von den Ge‐ Vergleich zu Pyta und Kittel etwas größeres Inter‐ sinnungsliberalen. Dabei handelten Frauen des esse für die Position der Frauen im Milieu. In ei‐ konservativem Milieus nach der Beobachtung von ner Fußnote erklärt Matthiesen: „Es ist bekannt, Bösch in der großen Mehrzahl in einem „vorpoli‐ dass die DNVP besonders von Frauen gewählt tischen Raum“ außerhalb der Parteien. Bösch bi‐ wurde. Daher handelt es sich um ein wichtiges lanziert, dass mit Blick auf die mitgliederstarken Themengebiet dieser Studie. Leider war die Quel‐ Frauenvereine wie dem Vaterländischen Frauen‐ lenlage äußerst ungünstig, wohl auch, weil die verein „das bisherige Bild von den parteipolitisch staatlichen Stellen dieses Milieusegment nicht abseits stehenden konservativen Frauen hinter‐ sonderlich ernstnahmen und daher keine Beob‐ fragbar“ (S. 317) erscheint. Kritisch zu erwähnen

44 H-Net Reviews bleibt allerdings, dass Bösch in seinem Kapitel Bösch in seiner Arbeit beruft. Wichtig ist hierbei über die Frauenvereine die umfangreiche neuere zunächst, dass Reagin wertvolle Hinweise liefert, Forschungsliteratur über das Verhältnis von Nati‐ welche Quellen bei der Suche nach den rechten on und Geschlecht nicht einbezieht, während die Frauen an der Basis herangezogen werden kön‐ Studie in den nicht-frauenspezifschen Abschnit‐ nen. Dazu zählen die Bestände der Führungsebe‐ ten bemerkenswerterweise vor dem Hintergrund ne der Frauenorganisationen, Akten der örtlichen des aktuellen Forschungsstandes argumentiert. Stadt- und Staatsarchive, die jeweils Unterlagen Dies erklärt seine Einschätzung „gerade die natio‐ über lokale Frauenzusammenschlüsse enthalten, nale Gemeinschaftsbildung war auch in der Wei‐ und die Frauenvereinsorgane, in denen häufg marer Republik eine männliche“. Hier werden die aus den Ortsgruppen berichtet wurde. Auch die ausgesprochen nationalistischen Zusammensch‐ lokale Presselandschaft kann einbezogen werden, lüsse von Frauen sowie die nationalistische Pro‐ denn nicht selten enthielten Lokalzeitungen Be‐ paganda des DEF, der Hausfrauenvereine und an‐ richte über die Tätigkeiten von Frauenvereinen derer auf lokaler Ebene nicht berücksichtigt. Raf‐ oder sogar regelmäßige Frauenbeilagen. Einzelne fael Scheck betont demgegenüber, dass neben der Frauenvereine haben zudem vor Ort oder in ihrer Religion der Nationalismus das zentrale ideologi‐ Region eigene Mitteilungsblätter herausgegeben. sche Element gewesen sei, das die rechten Partei‐ Nancy R. Reagin hat gezeigt, dass in Hannover ein en für die Frauen so anziehend gemacht rechter Flügel der lokalen Frauenvereinswelt ent‐ habe.Scheck, Mothers: Introduction; Falter, Hit‐ stand, der sich im Kaiserreich noch strikt von der lers Wähler, S. 143, 146; Pyta, Wolfram: Dorfge‐ Parteipolitik abgrenzte. Das Engagement für die meinschaft und Parteipolitik 1918-1933, Düssel‐ Heimatfront im Ersten Weltkrieg sieht Reagin als dorf 1996, S. 75; Kittel, Manfred: Provinz zwischen Hochwassermarke für die Aktivitäten rechter Reich und Republik, München 2000, S. 135, 365f.; Frauen an der Basis. Die parteipolitische Frag‐ Matthiesen, Helge: Konservatives Milieu in Demo‐ mentierung in Hannover setzte erst mit dem Sys‐ kratie und Diktatur, Düsseldorf 2000, S. 70, 87, 153 temwechsel 1918/19 ein und nicht schon mit dem (Anm. 3), 154, 161-173, 179, 182, 187; Bösch, Frank Austritt des DEF aus dem BDF. Die Frauenvereine (unter Mitarbeit von Helge Matthiesen): Das kon‐ der Rechten erhielten in Hannover im Verlauf der servative Milieu, Göttingen 2002, S. 51-53, 85-91, 20er Jahre regen Zulauf, banden sich enger an die 217; Scheck, Mothers: Introduction. nationalistischen Männerorganisationen und öf‐ Für die Studien der Frauen- und Geschlechterfor‐ neten sich einem radikalen Nationalismus. Auch schung ist grundsätzlich festzustellen, dass sich auf lokaler Ebene agitierten DEF und Hausfrauen‐ die meisten Untersuchungen auf die Elite, die füh‐ vereine gegen das Weimarer „System“ und „Ver‐ renden Frauen und die nationale Vereins- und sailles“ und veranstalteten Protestversammlun‐ Verbandspolitik konzentrieren. Ortsgruppen rech‐ gen. Die rechten Frauenorganisation - Reagin be‐ ter Parteien und Frauenvereine werden in der Re‐ rücksichtigt DEF, Hausfrauenvereine, in geringe‐ gel nur thematisiert, wenn eine Auseinanderset‐ rem Ausmaß auch den Deutschen Frauenbund, zung zwischen Männer- und Frauenvereinen il‐ Bund Königin Luise und Frauenbund der DKG - lustriert werden soll, die dann auf der Führungs‐ orientierten sich eindeutig an der DNVP, auch ebene diskutiert wurde. Eine Ausnahme ist nach wenn sie ofziell ihre Überparteilichkeit beton‐ wie vor die maßgebliche und bedauerlicherweise ten. Ab Mitte der 20er Jahre stellt Reagin eine nicht ins Deutsche übersetzte Studie von Nancy R. stärkere Vernetzung und Zusammenarbeit der Reagin über das Verhältnis von bürgerlicher Frau‐ rechten Frauenorganisationen fest. Seit den frü‐ enbewegung und nationalistischen Frauenorgani‐ hen 30er Jahren warben viele für ein Wahlbünd‐ sationen in Hannover, auf die sich auch Frank nis der DNVP mit der NSDAP und wurden auf die‐

45 H-Net Reviews se Weise mit verantwortlich für die Erfolge der arbeit und Mütterhilfe für Parteimitglieder und Nationalsozialisten bei kommunalen, Land- und Mittelstandsgruppen in Not, gründeten oft nicht Reichstagswahlen. Während die Ortsgruppe des nur die Frauen- sondern auch die Jugendgruppen RDHV die jüdischen Mitglieder durch diskriminie‐ der Partei und warben neue Mitglieder, Wähler rendes Verhalten aus dem Verein herauszudrän‐ und Wählerinnen. Mit diesen spezifschen Funkti‐ gen suchte, nahm Hannoveraner Abteilung des onen, die Frauen schon aus der Vereinsarbeit Deutschen Frauenbundes von Anfang an keine jü‐ kannten, wurden sie nicht selten in die Vorstände dischen Mitglieder auf. Nancy R. Reagin betont der Ortsvereine gewählt. Hauptziel der Frauen in das – auch im engeren Sinne - ausgesprochen poli‐ beiden Parteien sei es gewesen, so urteilt Scheck, tische Engagement der rechten Frauenortsverei‐ die Erfahrungen als Mütter, Ehe- und Hausfrauen ne.Reagin, Nancy R.: A German Women‘s Move‐ in die Partei hineinzutragen und den Mitgliedern ment. Class and Gender in Hanover 1880-1933, in der Partei ein Gefühl von „Heim und Familie“ Chapel Hill, London 1995. Angeregt wurden da‐ zu vermitteln. Sobald Verbindungen zu den Parla‐ durch die Studien: Heinsohn, Kirsten: Politik und mentarierinnen auf Reichs- oder Landesebene Geschlecht. Zur politischen Kultur bürgerlicher entstanden, engagierten sich die Frauen in den Frauenvereine in Hamburg, Hamburg 1997; Ortsvereinen auch stärker für nationalpolitische Klausmann, Christina: Politik und Kultur der Themen. Die DNVP-Frauen organisierten Ver‐ Frauenbewegung im Kaiserreich. Das Beispiel sammlungen gegen Versailles, warben für die Frankfurt am Main, Frankfurt, New York 1997. Wahl Hindenburgs und unterstützten die Kampa‐ Rafael Scheck betritt Neuland, wenn er jetzt für gne zur Aufösung des preußischen Landtages. In die Lokalpolitik der Parteien umfassende Er‐ Gebieten, in denen gute Kontakte zu Parlamenta‐ kenntnisse über die Aktivitäten von weiblichen rierinnen existierten, diskutierten die weiblichen Mitgliedern der DNVP und der DVP vorlegt. Seine Mitglieder überregionale Frauenthemen, z. B. öf‐ Quellengrundlage sind Lokalzeitungen, die diesen fentliche Moral, die Reform der Scheidungs- und beiden Parteien nahestanden, sowie regionale Schulgesetze oder die Rolle von Frauen in der Par‐ Parteimitteilungen, die vor allem in den frühen teipolitik. Generell bemühte man sich in diesen 20er Jahren noch in vielen Regionen herausgege‐ Regionen auch stärker um die politische Schulung ben wurden. Scheck hat Material aus verschiede‐ der Frauen vor Ort, organisierte Rednerinnenkur‐ nen Gebieten zusammengetragen, für die DNVP se, Vortrags- und Diskussionsabende. In Berlin aus Schlesien (Kreis Lauban), Brandenburg (Sol‐ war diese Vernetzung mit der Führungsebenes din), Pommern (Stolp und Stettin), Ostpreußen aus naheliegenden Gründen besonders intensiv. (Königsberg, Sensburg), Westfalen (Bückeburg) Scheck kann für die DNVP zeigen, dass die Frauen und Berlin. Für die Zukunft wünscht man sich zu‐ in Berlin sogar den Hauptteil der Ortsvereins-Ar‐ sätzlich die Berücksichtigung der Region Mittel‐ beit getragen haben und augenscheinlich wesent‐ franken, in der die DNVP in einigen Wahlkreisen lich aktiver als die männlichen Parteimitglieder ihre höchsten Stimmenanteile erzielen konnte. gewesen sind. Für die Zeit von Februar 1919 bis Die Berichte über die Frauen in den Ortsvereinen März 1920 liegt zudem eine Quelle vor, die belegt, dokumentieren eine intensive Aktivität der weib‐ dass in diesem Zeitraum die Mehrzahl der neu lichen Parteimitglieder, die Scheck anschaulich eintretenden Mitglieder in Berlin-Nordwest (heu‐ nachzeichnet. Deutschnationale Frauen sammel‐ te Moabit) weiblich war. In der DNVP waren in ten die Mitgliedsbeiträge ein, waren verantwort‐ Berlin mehr unverheiratete, berufstätige Frauen lich für den kulinarischen und unterhaltenden engagiert als in den übrigen Regionen - es domi‐ Part auf den Parteifesten, brachten durch Lotteri‐ nierten Lehrerinnen und Diakonissen (!). Die en und Basare Geld in die Kassen, leisteten Sozial‐ weiblichen Parteimitglieder konzentrierten sich

46 H-Net Reviews in der Metropole weniger auf gesellige Veranstal‐ ligkeit zustande zu bringen, scheinen die Feste tungen als auf Verwaltungstätigkeiten. Hier ge‐ und Gedenktage des ländlich-protestantischen be‐ lang es, einige Vertreterinnen in das Stadtparla‐ ziehungsweise konservativen Milieus nur selten ment zu entsenden. Der Frauenbewegung schei‐ geschlechtergetrennte Veranstaltungen gewesen nen die DNVP-Frauen an der Basis im Allgemei‐ zu sein. Man kann in diesem Zusammenhang ver‐ nen eher skeptisch bis ablehnend gegenüberge‐ muten, dass nicht das Konzept des Männerbun‐ standen zu haben. Viele sahen die Rolle der Frau‐ des, sondern „Ehepaar“, „Familie“ und eine kom‐ en in der Politik als eine beratende an. Die meis‐ plementäre Rolle der Geschlechter die vorherr‐ ten Interessen von Frauen würden auch von schenden Modelle waren, in denen das Verhältnis männlichen Parlamentariern gut vertreten, war von Männern und Frauen gedacht wurde. Die der Tenor vieler weiblicher Mitglieder. Die natio‐ „Liebesdienste“ der Frauenhilfe, die „Deutschen nalen Führerinnen konnten von ihrer Basis also Wochen“ der Hausfrauenvereine und die „Fah‐ kaum Unterstützung für die Forderung nach einer nenweihen“ des Luisenbundes zeigen: ob Dorfge‐ größeren Repräsentanz von Frauen in den Parla‐ meinschaft, Provinz oder konservatives Milieu – menten erwarten. Lediglich die Berliner Gruppen sie stützten sich auf beide Geschlechter. mit ihren zahlreichen berufstätigen Frauen bilde‐ Forschungsperspektiven IV: ten hier eine Ausnahme. Scheck vertritt in seiner Für künftige Milieu- und Regionalstudien können Bilanz auf überzeugende Weise eine andere Posi‐ ‚allgemeine’ Geschichte und Geschlechterfor‐ tion als Frank Bösch und Helen Boak, die die schung enorm voneinander proftieren, um die DNVP-Frauengruppen für bedeutungs- oder ein‐ Bedeutung der Kategorie Geschlecht im Milieu zu fusslos halten. Den Frauen sei es in den Ortsgrup‐ eruieren, die symbolische Konstruktion von pen beider Parteien gelungen, eine lebendige Ver‐ Männlichkeit und Weiblichkeit nachzuzeichnen einskultur zu schafen, die sich auf den Zusam‐ und das Wahlverhalten der ‚weiblichen Hälfte‘ zu menhalt der Mitglieder und die Attraktivität der erklären. Neuere Mentalitäten- und Milieustudien Parteien vor Ort positiv ausgewirkt habe. Auf dem haben wichtige Aufschlüsse darüber geliefert, wie Land sei die politische Mitarbeit von Frauen aller‐ die politische Meinungsbildung an der rechtsori‐ dings von diesen selbst meist abgelehnt wor‐ entierten Basis erfolgte. Für die agrarisch-evange‐ den.Scheck, Partei als Heim; Scheck, Mothers of lische Lebenswelt wurde vor allem die Bedeutung the Nation: Women‘s Local Politics. von lokalen Meinungsführern hervorgehoben. Beziehen wir schließlich die Erkenntnisse von Auch hier scheint es geraten, die Einfussmöglich‐ Frank Bösch und Rafael Scheck aufeinander, er‐ keiten der sozialen Autoritäten entlang der Kate‐ gibt sich eine interessanten Schlussfolgerung: gorie Geschlecht zu überprüfen - ob beispielswei‐ Frank Bösch vertritt die These, dass die konserva‐ se die Pfarrer bei den Frauen ihrer Gemeinde tiven Organisationstechniken im Vergleich zum li‐ einen größeren Einfuss auf die Wahlentschei‐ beralen Vereinswesen stärker an Gemeinschafts‐ dung ausübten als bei den Männern der Dorfge‐ erlebnissen ausgerichtet waren und dadurch an meinschaft. Die neueren Forschungen belegen, Anziehungskraft gewannen.Bösch, Milieu, S. 217. dass sich Sympathisanten der DNVP schon im Rafael Scheck wiederum kann zeigen, dass die Jahr 1918 an die Pastoren mit der Bitte wandten, weiblichen Angehörigen des Milieus gerade die weibliche Wahlausschüsse zu bilden. Grundsätz‐ Hervorbringung des Gemeinschaftserlebnisses als lich ist es sicherlich nicht unwahrscheinlich, dass ihre originäre Aufgabe wahrnahmen und hier die männlichen Familienoberhäupter die ‚richti‐ starken Aktionismus entwickelten. Obgleich man ge‘ Partei für ihre Familie auswählten und diese den männlichen Milieumitgliedern sicherlich Empfehlung vielfach auch getreulich befolgt wur‐ nicht unterstellen darf, ohne Frauen keine Gesel‐ de. Aber auch scheinbar plausible Erklärungs‐

47 H-Net Reviews muster müssen belegt werden. In diesem Zusam‐ Wenn man nach weiblichen Mediatoren sucht, die menhang sollte verstärkt nach der (par‐ die NSDAP als Alternative erscheinen ließen, sind tei)politischen Sozialisation innerhalb der Famili‐ die Luisen, die Neuländerinnen und mit Abstri‐ en gefragt werden. Kann nun die Existenz weibli‐ chen auch die Landfrauen die vielversprechende‐ cher Leitfguren - die Gutsherrin, die Pfarrersfrau, ren ‚Verdächtigen‘. Der Einfuss der verschiede‐ die Lehrerin, die Vorsitzende des Frauenvereins - nen rechten Frauenvereine sollte also diferen‐ vor Ort nachgewiesen werden oder muss sie für ziert betrachtet werden. Hilfreich für künftige parteipolitische Fragen verneint werden? Dank Forschung ist in jedem Fall, dass die hier bespro‐ der neuesten Studien wissen wir zumindest, dass chenen Studien der Geschlechterforschung in der die DNVP-Politikerinnen zahlreiche Pfarrersfrau‐ Regel die regionalen Hochburgen für die einzel‐ en und Oberinnen anschrieben, um Werbung für nen Organisationen benennen. Dies erleichtert ihre Sache zu machen, und dass auch Lehrerin‐ die Auswahl eines Gebietes, wenn künftig auf lo‐ nen ausdrücklich zum Parteibeitritt aufgefordert kaler Ebene das Zusammenspiel von männlichen wurden. Gury Schneider-Ludorf stellt für das und weiblichen Meinungsführern, Vereinsmitglie‐ protestantische Milieu die These auf, dass der Ein‐ dern und Publizisten der Lokalpresse in ihrer fuss der evangelischen Großorganisationen der Wirkung auf das Wahlvolk untersucht werden Frauen für viele Protestantinnen mentalitätsprä‐ soll.Pyta, S. 472; Süchting-Hänger, Gewissen, S. gend, orientierungs- und handlungsleitend gewe‐ 136, 172; Schneider-Ludorf, S. 319; Matthiesen, S. sen sei. 289, 292, 296; Wehler, Gesellschaftsgeschichte Bd. Forscher, die von der Existenz eines städtischen 2, S. 1095f. konservativen Milieus in bestimmten Regionen V. Daten zum rechten Frauenorganisations‐ ausgehen, sehen über die lokalen Autoritäten hin‐ wesen aus auch die Vereine, die Selbsthilfeeinrichtungen Die folgenden Angaben sind aus der in die‐ und die Lokalpresse als bedeutsame Faktoren für sem Überblick genannten Sekundärliteratur zu‐ Wahlentscheidungen. Das Frauenvereinswesen sammengestellt worden. Dabei wird von den je‐ und seine Publikationen sollten hierbei nicht län‐ weiligen Autorinnen und Autoren meist darauf ger vernachlässigt werden. Ein ganzes Bündel an verwiesen, dass die Mitgliederzahlen nur Annähe‐ Fragen ist noch ofen: Hat die Positionssuche der rungswerte darstellen. In der Regel beruhen sie weiblichen Milieuangehörigen zwischen Antife‐ auf Angaben der Vereine selbst und sind daher oft minismus und bürgerlicher Frauenbewegung nach unten zu korrigieren. zwischenzeitlich zu einer Schwächung des kon‐ servativen Milieuzusammenhalts geführt? Haben A) Frauenvereine im wilhelminischen Kaiser‐ die Aktivitäten der Frauen in Vereinen und Partei‐ reich en insgesamt eher stabilisierend gewirkt oder VATERLÄNDISCHER FRAUENVEREIN: 1866-1934 aber das ‚Andocken‘ der NSDAP an das ‚konserva‐ (1934 übernimmt Gertrud Scholtz-Klink die Lei‐ tive Milieu‘ gefördert? Hans-Ulrich Wehler hat für tung des Reichsfrauenbundes des Deutschen Ro‐ den Vaterländischen Frauenverein von einer per‐ ten Kreuzes, 1937 wird diese Organisation aufge‐ sonengeschichtlichen Kontinuität über die Rechts‐ löst); Mitglieder: 1870 24.000 (290 Ortsvereine), parteien der Weimarer Republik bis zur NS-Wäh‐ 1909 400.000, 1914 592.000 (1691 Ortsvereine), lerschaft gesprochen. Vor dem Hintergrund der 1920 770.000; Organ: kein eigenes, Nachrichten Thesen über das ‚konservative Milieu‘ erscheint über die Tätigkeit erschienen in: Das Rote Kreuz es allerdings auch denkbar, dass gerade dieser 1891-1921, Amtliches Nachrichtenblatt vom Roten ‚rückständige‘ Verein die Abwanderung rechtsori‐ Kreuz 1921-1923, Blätter des Deutschen Roten entierter Wählerinnen zur NSDAP verzögert hat. Kreuzes 1922-1937; Vorsitzende: Charlotte Gräfn

48 H-Net Reviews von Itzenplitz 1866-1916, Agnes Gräfn von der KEN: 1896-1934; Mitgliederzahlen: 1900 1.000 (16 Groeben 1916-1934; übergeordnete Organisation: Ortsvereine), 1905 2.000 (20), 1910 2.350 (26), 1914 Das Rote Kreuz. 3.400 (30); Organe: zunächst vermutlich kein eige‐ EVANGELISCHE FRAUENHILFE: 1899-heute; Mit‐ nes: Die Ostmark. Monatsblatt des Deutschen Ost‐ gliederzahlen: 1900 13.600 (85 Ortsvereine), 1912 markenvereins 1896-1934, Die Ostmärkische Frau. 250.000 (2407), 1918 350.000 (3673) (Doris Kauf‐ Halbmonatsschrift für die Ostmarkarbeit Deut‐ mann nennt für 1918 sogar 500.000), 1927 scher Frauen 1928-1933; Vorsitzende: Gräfn von 600.000; Organe: Frauenhü(i)lfe. Blätter für Monts 1896-1902, Ottilie von Hansemann Frauenarbeit in der evangelischen Gemeinde 1902-1909, Christine Raschdau ab 1909; überge‐ 1901-1941 (vor allem auf Vorstandsebene gele‐ ordnete Organisation: Deutscher Ostmarkenver‐ sen), Der Bote für die christliche Frauenwelt. Or‐ ein. gan für die evangelischen Frauen 1904-1914 (Mas‐ FLOTTENBUND DEUTSCHER FRAUEN: 1905-1936; senblatt mit Aufage von 25.000 im Jahr 1913), Der Mitgliederzahlen: 1913 60.000, 1918 130.000, 1922 Bote für die deutsche Frauenwelt. Sonntagsblatt 100.000; Vereinsorgan: Der Flottenbund. Zeit‐ der Evangelischen Frauenhilfe 1914-1941; Wege schrift des Flottenbundes Deutscher Frauen und Ziele 1917-1922; Vorsitzende: männlicher 1913-1917; Die Deutsche Frau. Illustrierte Zeit‐ Vorstand, ab 1906 waren im Verwaltungsrat auch schrift für die gesamten Interessen der Frauen‐ Frauen vertreten, 1925 ließ die neue Satzung erst‐ welt, 1922-1935; Vorsitzende: Clärchen Müller mals eine weibliche Vorsitzende zu: Gertrud Stol‐ 1905-1918; Marie Fröhlich 1918-November 1936; tenhof 1926-1929, Helene von Oppen 1929-1933, übergeordnete Organisation: Deutscher Flotten‐ Dagmar von Bismarck 1933-1949; übergeordnete bund. Organisation: Evangelisch-Kirchlicher Hilfsverein. FRAUENBUND DER DEUTSCHEN KOLONIALGE‐ DEUTSCH-EVANGELISCHER FRAUENBUND (DEF): SELLSCHAFT (DKG): 1907-Mai 1936 (anschließend Juni 1899-heute (1933 Eingliederung in die Kirche, Abteilung IV des Reichskolonialbundes); Mitglie‐ erst 1945 wieder selbstständig); Mitgliederzahlen: derzahlen: 1910 7.000 (71 Ortsvereine), 1914 1900 1.300 (18 Ortsvereine), 1906 8.000, 1910 17.800 (148), 1925 6.500, 1930 24.000, 1933 25.000, 10.000, 1914 15.600 (134), 1918 18.200 (137); Orga‐ 1936 30.000; Organe: Kolonie und Heimat. Unab‐ ne: Mitteilungen des Deutsch-Evangelischen Frau‐ hängige koloniale Wochenschrift, 1911-1919; Der enbundes 1900-1904 (Aufage 1904 3400), Evange‐ Kolonialdeutsche 1921-1928; Vorsitzende: Adda lische Frauenzeitung 1904-1941 (Aufage 1914 Freifrau von Liliencron 1907-1909, Irmgard Frei‐ 16.200); Vorsitzende: Gertrud Knutzen 1899-1900, frau von Richthofen 1909, Hedwig Heyl 1910-1920, Paula Mueller-Otfried 1901-1934, Meta Eyl Hedwig von Bredow 1920-1932, Agnes von Boem‐ 1934-1947; BDF-Mitgliedschaft 1908-1918. cken 1932-1943 (!); BDF-Mitgliedschaft 1911-1933, NEULANDBEWEGUNG (NLB): 1916-1940, danach vermutlich mit einer Unterbrechung 1928-1930; Weiterarbeit auf informeller Ebene; Mitglieder‐ übergeordnete Organisation: Deutsche Kolonial‐ zahlen: Höchstzahl Anfang der 20er Jahre 10.000; gesellschaft. Organe: Neuland. Ein Blatt für die geistig höher (REICHS-)VERBAND DEUTSCHER HAUSFRAUEN‐ strebende weibliche Jugend 1916-1923; Neuland‐ VEREINE (RDHV): 1915-1935; Mitgliederzahlen: blatt. Für erneuertes Christsein, für soziale Gesin‐ Die Angaben sind hier besonders ungenau. In der nung, für wahres Deutschtum, für mutige Tat Literatur werden genannt: 1924 280.000, 1931 1924-1940 (Aufage 1920 10.000, 1930 3.500); Treu‐ 130.000; Organ: Die Deutsche Hausfrau. Ofzielles fest. Sonderblatt der Neulandschar 1921-; Vorsit‐ Organ des Verbandes deutscher Hausfrauenverei‐ zende: Guida Diehl 1916-1940, 1945-1961. ne, 1915-1935 (?); Vorsitzende: Martha Voß-Zietz DEUTSCHER FRAUENVEREIN FÜR DIE OSTMAR‐ 1915-1922, Marie Jecker 1922-1935; BDF-Mitglieds‐

49 H-Net Reviews chaft: 1915-1932. Annagrete Lehmann 1923-1933; übergeordnete REICHSVERBAND LANDWIRTSCHAFTLICHER Organisation: DNVP. HAUSFRAUENVEREINE (RLHV): 1916-1934 (da‐ C) Neugründungen in der Weimarer Republik nach Überführung in den Reichsnährstand); Mit‐ VEREINIGUNG EVANGELISCHER FRAUENVER‐ gliederzahlen: 1922 50.000 (1921 568 Ortsgrup‐ BÄNDE DEUTSCHLANDS (VEFD): Juni 1918-1933 pen), 1929 1.766 Ortsgruppen, 1934 100.000 Mit‐ (danach umstrukturiert zum Evangelischen Frau‐ glieder; Organe: Die Gutsfrau. Blätter für die sozi‐ enwerk); Mitgliederzahlen: 1933 1.800.000 (29 alen und wirtschaftlichen Aufgaben der gebilde‐ Frauenverbände); Organe: Nachrichten-Korre‐ ten Frau auf dem Lande 1912-1923; Land und spondenz (ab 1922 -blatt) der VEFD 1920-1926; Frau. Illustrierte Fachzeitschrift der ländlichen Monatsblatt der VEFD, 1926-1930; Aufgaben und Hauswirtschaft 1917-1943; Deutsche Frauenarbeit Ziele. Monatsblatt der VEFD, 1930-1941; Vorsitzen‐ 1920-1923; Vorsitzende: Elisabet Boehm de: etwa ein Jahr war der Vorsitz vakant (2. Vorsit‐ 1917-1929, Gertrud von Bredow 1929-1933, zende Paula Mueller-Otfried), Alexandra von Keu‐ 1933-1934 kommissarische Leitung durch Boehm; dell 1919-1923, Magdalene von Tiling 1923-1933, BDF-Mitgliedschaft 1920-Juni 1932; seit 1921 dem Agnes von Grone 1933-1935. Reichslandbund angeschlossen. RING NATIONALER FRAUEN (RNF): 1920-Juni B) (Partei)politische Frauenorganisationen 1933; Mitgliederzahlen: mitgliederstärkste Orga‐ von rechts nisation war der Flottenbund Deutscher Frauen DEUTSCHER FRAUENBUND (DFB): 1909-1935 (?); (s. o.), daneben noch einige weitere Vereine mit Mitglieder: 1911 11.000; Organe: Mitteilungen des wenigen tausend Mitgliedern; 1932 Erweiterung Deutschen Frauenbundes 1909; Deutscher Frau‐ zum Ring Nationaler Frauenbünde; Organ: Die enbund. Zeitschrift für Berlin und die Ortsgrup‐ Deutsche Frau. Illustrierte Zeitschrift für die ge‐ pen 1910-1918; Frauenweckruf 1919-1935; Deut‐ samten Interessen der Frauenwelt 1922-1935 sche Frauenwarte. Organ des Deutschen Frauen‐ (Aufage 10.000); Vorsitzende: Beda Prilipp bundes e. V., 1920-1921; Die Deutsche Frau 1920-1933. 1922-1923; Vorsitzende: Marie von Alten BUND KÖNIGIN LUISE (BKL): 1923-1934; Mitglie‐ 1909-1913, Frau Dieckmann 1913; zwischenzeit‐ derzahlen: 1932 über 100.000, 1933 200.000; Orga‐ lich Vorstandsposten nicht besetzt, Margarete ne: vermutlich kein eigenes: Der Stahlhelm. Or‐ Dammann ab 1918; BDF-Mitgliedschaft 1913-1918. gan des Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten, VEREINIGUNG KONSERVATIVER FRAUEN (VKF): 1923-1935, Vereinsnachrichten erschienen auch 1913-1918; Mitglieder: 1913 einige Hundert; Or‐ in „Die Deutsche Frau“; Vorsitzende: Marie Netz gan: Neue Zeiten. Aufgaben und Pfichten der 1923-1932, Charlotte Freifrau von Hadeln christlichen Frau (Blatt des Kapellenvereins, 2000 1932-1934; übergeordnete Organisation: Stahl‐ Abonnenten) 1908-1922; Vorsitzende: Bertha von helm. Bund der Frontsoldaten bis 1927. Kröcher 1913-1918; übergeordnete Organisation: DEUTSCHER FRAUENKAMPFBUND GEGEN DIE Deutsch-Konservative Partei. ENTARTUNG IM VOLKSLEBEN (ab 1933 Kampf‐ REICHSFRAUENAUSSCHUSS (RFA) DER DNVP: bund für deutsche Frauenkultur): 1926-1934, Mit‐ 1918-1933; Organe: Frauenkorrespondenz der gliederzahlen: 1928 180.000; Organe: siehe Neu‐ DNVP 1919-1925, Frauenkorrespondenz für natio‐ landbewegung, Publikation von 13 „Kampfblät‐ nale Zeitungen 1926-1933, Die Deutschnationale tern“ zu verschiedenen Themen. Frau 1921-1933 (z. T. erschienen in: Der Deutsche Führer); Vorsitzende: Margarete Behm 1918-1923,

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Citation: Christiane Streubel. Review of Bitzan, Renate. Selbstbilder rechter Frauen: Zwischen Antisexismus und völkischem Denken. ; Bösch, Frank. Das konservative Milieu: Vereinskultur und lokale Sammlungspolitik (1900 - 1960). ; Boukrif, Gabriele; Bruns, Claudia; Heinsohn, Kirsten; Lenz, Claudia; Schmersahl, Katrin; Weller, Katja. Geschlechtergeschichte des Politischen. ; Hagemann, Karen; Schüler- Springorum, Stefanie. Heimat-Front: Militär und Geschlechterverhältnisse im Zeitalter der Weltkriege. ; Heinsohn, Kirsten; Vogel, Barbara; Weckel, Ulrike. Zwischen Karriere und Verfolgung: Handlungsräume von Frauen im nationalsozialistischen Deutschland. ; Korotin, Ilse; Serloth, Barbara. Gebrochene Kontinuitäten?: Zur Rolle und Bedeutung des Geschlechterverhältnisses in der Entwicklung des Nationalsozialismus. ; Lauterer, Heide-Marie. Parlamentarierinnen in Deutschland 1918/19 - 1949. ; Mergel, Thomas. Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik: Politische Kommunikation, symbolische Politik und Öfentlichkeit im Reichstag. ; Passmore, Kevin. Women, Gender and Fascism, 1919-1945. ; Planert, Ute. Antifeminismus im Kaiserreich: Diskurs, soziale Formation und politische Mentalität. ; Planert, Ute. Nation, Politik und Geschlecht: Frauenbewegungen und Nationalismus in der Moderne. ; Pyta, Wolfram. Dorfgemeinschaft und Parteipolitik 1918-1933: Die Verschränkung von Milieu und Parteien in den protestantischen Landgebieten Deutschlands in der Weimarer Republik. ; Scheck, Rafael. Mothers of the Nation: Right-Wing Women in Weimar Germany. ; Schneider-Ludorf, Gury. Magdalene von Tiling: Ordnungstheologie und Geschlechterbeziehungen. Ein Beitrag zum Gesellschaftsverständis des Protestantismus in der Weimarer Republik. ; Schwarz, Christina. Die Landfrauenbewegung in Deutschland: Zur Geschichte einer Frauenorganisation unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1898 bis 1933. ; Sneeringer, Julia. Winning Women's Votes: Propaganda and Politics in Weimar Germany. ; Süchting-Hänger, Andrea. Das "Gewissen der Nation": Nationales Engagement und politisches Handeln konservativer Frauenorganisationen 1900 bis 1937. ; Wildenthal, Lora. German Women for Empire, 1884–1945. ; Wolf, Kerstin. Stadtmütter: Bürgerliche Frauen und ihr Einfuss auf die Kommunalpolitik im 19. Jahrhundert (1860-1900). ; Ziege, Eva M. Mythische Kohärenz: Diskursanalyse des völkischen Antisemitismus. H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews. June, 2003.

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