Ein Spiegel Des Kulturellen Erbes Die Kampfkünste Südostasiens
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_______ Südostasien: Sport ______________________________________________________________ 5 Ein Spiegel des kulturellen Erbes Die Kampfkünste Südostasiens von Manuel Schmitz Einen Überblicksartikel über die Kampfkünste in Südostasien zu schreiben, ist kein leichtes Unterfangen, spiegelt sich doch in den Kampftraditionen Südostasiens die kulturelle Vielfalt der Region wider. Es existieren Hunde r- te verschiedener Stile und Systeme, in denen sich alle Aspekte asiatischer Kampfkünste wieder finden, vom reinen Selbstverteidigungsgedanken über den sportlichen Wettkampf bis hin zu esoterischen Übungen und philos o- phischen Betrachtungen. Fern davon, lediglich Methoden des mehr oder weniger kunstvollen Prügelns zu sein, sind die Kampfkünste Südostasiens zutiefst eingebettet in die Kultur und Geschichte der Region. ie Kampfkünste sind ein wich- Kampfkünsten zu beschäftigen, denn tiger Bestandteil des reichen im asiatischen Exil haben sich viele D kulturellen Erbes Südostasiens, Die Traditionen der Techniken und Strategien des Produkt einer wechselvollen Geschich- philippischen Kampfes mit Klingenwaffen erhalten, te einer Gegend der Welt zwischen Kampfkünste die in Europa längst in Vergessenheit Indien und China und unter dem Ein- geraten sind. fluss verschiedener kolonialer Mächte. Viele der heute geübten Die philippinischen Kampf- Die Vermischung von auto- Stocktechniken haben ihre Ursprünge künste zeichnen sich auch heute chthonen Traditionen und fremden im Kampf mit Klingenwaffen (Schwer- noch durch eine gewisse Offenheit Kampfstilen lässt sich besonders gut ter, Dolche, Messer). Bereits vor der gegenüber neuen Einflüssen aus, an den philippinischen Kampfkünsten Ankunft der Spanier im 16. Jahrhun- die es ihnen erlaubt, die jeweils be- zeigen. Diese sind unter den ver- dert gab es eine Vielzahl effektiver sten fremden Techniken in ihre Sy- schiedenen Oberbegriffen Kali, Arnis Kampfmethoden auf den Inseln, die steme zu integrieren. Im 20. Jahr- und Escrima bekannt. Unter Kampf- später unter dem Namen Philippinen hundert waren es dabei vor allem künstlern berühmt sind die philippini- bekannt werden sollten. Während der die waffenlosen Kampfsportarten, schen Kampfkünste vor allem für ihre langen Geschichte der Philippini- wie das Boxen und Ringen (die US- Techniken mit dem armlangen Stock. schen Inseln als spanische Kolonie Amerikaner hatten die Spanier Ende Optisch beeindruckend sind zu- (1565-1898) vermischten sich die des 19. Jahrhunderts als Kolonial- nächst die Geschwindigkeit und die autochthonen Kampfweisen mit spa- herren abgelöst) oder japanische Dynamik mit der der Gegner mit ei- nischen Fechttechniken. So geht der Kampfkünste wie das Karate und nem wahren Trommelfeuer an Schlä- Name »Arnis« wahrscheinlich auf die Judo, die neue Impulse für die phil- gen eingedeckt wird. Während zum spanische Bezeichnung für »arnes de ippinischen Künste gaben. Beson- Beispiel in vielen japanischen Kampf- mano« (Harnisch der Hand oder ders als Methoden der Selbstvertei- künsten die Devise gilt »Ein Schlag — Handschutz) zurück. Der Begriff »Es- digung genießen die Kampftraditio- ein Leben«, das heißt die eine ent- crima« hat seinen Ursprung wohl im nen der Philippinen heute einen gu- scheidende Aktion gesucht wird, stre- germanischen Wort »skirma« (schir- ten Ruf innerhalb der Kampfkunst- ben die philippinischen Methoden e- men — im Sinne von Kämpfen mit gemeinde und Stile wie das her danach, den Gegner zu überren- Schwert und Schild), das von den »Modern Arnis« verbreiten sich zu- nen, also ihn mit einer hohen Fre- spanischen Eroberern als »esgrima« nehmend weltweit. quenz an Schlägen, die aus allen auf den Philippinen eingeführt wurde. denkbaren Richtungen kommen, in Aber auch an dem Begriff »Espada y die Defensive zu drängen und dann Daga«, für den Kampf mit Schwert Thaiboxen als zu besiegen. und Dolch bzw. langen und kurzem Nationalsport Stock, lässt sich der spanische Ein- Der Autor ist Politikwissenschaftler mit fluss erkennen. Tatsächlich, wer nach Auch das thailändische »Mu- Forschungsschwerpunkt Südostasien. authentischen europäischen Fecht- ay Thai«, besser bekannt unter dem In seiner Freizeit unterrichtet er Karate traditionen heute sucht, ist gut bera- Namen Thaiboxen, gewinnt weltweit in einem Verein in Frankfurt. ten, sich mit den philippinischen an Popularität. In seinem Heimatland südostasien 2/04 6_______________________________________________________________ Südostasien: Sport_______ ist Thaiboxen Nationalsport. Zu den deshalb zumeist auf friedlicher Ba- die einheimischen Kampfkünste, die Kämpfen, die regelmäßig im Fernse- sis. So haben nach Ansicht vieler nach dem Ende des Zweiten Welt- hen gesendet werden, kommen Zu- Forscher die thailändischen und die krieges einen weiteren Aufschwung schauermassen und mit Boxwetten südchinesischen Kung-fu Stile ge- erlebten. Die internationale Isolation werden Unsummen umgesetzt. Es meinsame Wurzeln, wenn sich auch Burmas führte jedoch dazu, dass gilt als eine der härtesten Kampf- das heutige Wettkampf-Thaiboxen über die heutige Kampfsportszene sportarten überhaupt und wird in sehr von seinen Wurzeln entfernt des Landes kaum etwas zu erfahren Thailand vor allem von Profisportlern haben mag. ist. Gleiches gilt im übrigen für die betrieben, deren Karriere wegen den Traditionen Kambodschas und Laos’, gesundheitsschädigenden Wirkun- über die im Westen so gut wie nichts gen des Sports und der hohen Zahl Der Einfluss bekannt ist. an Kämpfen (fast jede Woche ist ein chinesischer Kampf zu absolvieren), selten länger Kampftechniken als fünf Jahre dauert. in Vietnam Die Vielfalt Beim Muay Thai handelt es indonesischer sich um eine Form des Kickboxens, Der Einfluss der chinesi- Kampfkünste wobei das Thaiboxen die deutlich äl- schen Kampftechniken, in den tere Variante darstellt. Gekämpft wird Kampfkünsten Thailands nur noch Die Kampfkunstszene Indo- in einem Boxring, die Kämpfer tragen schwer nachzuweisen, ist in Vietnam nesiens ist in ihrer Vielfalt ein Spiegel Boxhandschuhe. Anders als im west- offensichtlich. Es waren buddhisti- des Völkergemischs des Archipels. lichen Kickboxen sind jedoch beim sche Mönche die Methoden der Kör- So verbergen sich hinter dem Ober- Thaiboxen auch Techniken mit den perertüchtigung und der Selbstver- begriff »Pencak Silat« über 400 lokale Ellbogen und den Knien erlaubt, eine teidigung aus dem berühmten Shao- Besonderheit des Regelwerks, die lin-Kloster Nordchinas nach Vietnam diesen Sport spektakulär, aber auch brachten. Jahrhundertlang eher im sehr gefährlich macht. Zudem ist es Verborgenen unterrichtet, wurden sie erlaubt, den Gegner in die Beine zu im Unabhängigkeitskampf gegen treten. So wird beim sogenannten Franzosen und Amerikaner im 20. »Lowkick« mit den Schienbeinen von Jahrhundert eingesetzt und damit außen oder innen gegen die Ober- populärer. Unter dem Überbegriff schenkel des Kontrahenten getreten, »Viet Vo Dao« sind die verschiedenen der Tritt kommt damit einem »Pfer- vietnamesischen Kampfkünste mit dekuss« gleich. Thaiboxer sind ge- und ohne Waffen heute bekannt. Zu fürchtet für ihre schnellen und harten den besonders spektakulären Tech- Techniken und berühmt für ihre niken des Viet Vo Dao zählen die Nehmerqualitäten und ihre Leidens- Sprungtritte zum Kopf und Nacken fähigkeit. An der kämpferischen Ef- des Gegners. fektivität dieser Kampfsportart besteht heute kein Zweifel mehr und viele Kämpfer verschiedener Kontakt- Die Methoden kampfsportarten reisen nach Thai- Burmas, Laos und land, um dort zu trainieren und zu Kambodschas im kämpfen. Westen eher Die thailändische Geschich- unbekannt te ist über weite Teile durch den Burmesische Lethwei-Kämpfer Konflikt mit dem Nachbarn Burma Wurden die Kampfkünste geprägt. So erstaunt es nicht, dass Vietnams durch China stark beein- Stile. Zum technischen Repertoire der der legendäre Ursprung des Muay flusst, so waren es im Fall Burmas die meisten Spielarten des Pencak Silat Thai in einem Zweikampf zwischen Kampfmethoden Indiens, die einen gehören Schlag-, Tritt- und Wurf- einem siamesischen König, der in starken Einfluss auf die einheimi- techniken, die aus hohen, mittleren burmesische Gefangenschaft gera- schen Stile ausübten. Unter dem und tiefen Stellungen ausgeführt ten war, und einem burmesischen Überbegriff »Thaing« werden die werden können. Integraler Bestandteil Kämpfer liegen soll. Der siamesi- burmesischen Selbstverteidigungssti- des Pencak Silat ist zudem der Um- sche König gewann den Kampf und le mit und ohne Waffen zusammen- gang mit verschiedenen Waffen, wo- damit seine Freiheit und begründete gefasst. Am bekanntesten ist das bei dem Kris, einem Kurzschwert damit die Popularität des unbewaff- »Bando«, dass sich vielleicht am bzw. einem Dolch mit gewellter Klin- neten Zweikampfes in Siam. Wichtig ehesten mit dem Karate vergleichen ge, eine besondere Bedeutung zu- ist in diesem Zusammenhang auch, lässt, aber es gibt auch Formen des kommt. Größe und Form des Kris dass Thailand das einzige Land Ringens (Naban) und Boxens sind örtlich sehr verschieden, doch Südostasiens ist, dass niemals ko- (Lethwei). Unter britischer Kolonial- handelt es sich zumeist um einen lonialisiert wurde. Der Austausch herrschaft wurden diese Systeme im zweischneidigen Dolch, der zum Ste- von Kulturtechniken — und dazu Untergrund unterrichtet. Die japani- chen und Schneiden verwendet wird. zählen die Kampfkünste — geschah schen Besatzer förderten dagegen In Malaysia und Indonesien wird be- südostasien 2/04 _______ Südostasien: Sport ______________________________________________________________ 7 stimmten Dolchen magi-