Die Kirche Am Oberrhein Im Spannungsverhältnis Von Humanistischer Reform Und Reformation
Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg HERIBERT SMOLINSKY Die Kirche am Oberrhein im Spannungsverhältnis von humanistischer Reform und Reformation Originalbeitrag erschienen in: Freiburger Diozösanarchiv 110 (1990), S.23-37 23 Die Kirche am Oberrhein im Spannungsverhältnis von humanistischer Reform und Reformation Von Heribert Smolinsky Am 1. Mai 1518, mitten in einer sich dramatisch zuspitzenden Zeit, welche die Geschichtsschreibung einmal mit dem Namen „Reformation" belegen sollte, schrieb von Heidelberg aus ein junger Dominikanermönch einen Brief nach Schlettstadt, seiner Heimat. Der Empfänger des Briefes war Beatus Rhenanus; der Absender war Martin Bucer, der spätere Reformator von Straßburg. Bucer berichtete in deutlich erregter Stimmung von der Heidelber- ger Disputation, die kurz vorher, am 26. April, hochoffiziell im Hörsaal der philosophischen Fakultät stattgefunden hatte und in deren Zentrum Martin Luther gestanden war. Er schrieb u. a.: „Ich habe gelesen, wie Du mit Deinem Stift unsere Theologen angegriffen und verletzt hast. Dies täte mir wahrlich leid, wenn es vergeblich wäre; und deshalb, damit Du Dir nicht als Sieger vorkommst, weil wir Heidelberger die Sache aufgegeben hätten (denn sonst hat uns unser Senior, der Wimpfeling, ganz hervorragend beschützt), will ich Dir einen Theologen entgegenhalten, zwar keinen von den unsrigen, der aber dieser Tage bei uns zu hören war... Es ist Martin, jener Kritiker der Ablässe, mit denen wir bisher viel zu nachsichtig waren... Mit Erasmus stimmt er in allem überein, außer daß er ihn in dem einen zu übertreffen scheint, das, was jener nur andeutet, dieser offen und frei verkündet"2. Beatus Rhenanus, der Schlettstädter Humanist, erscheint bei Bucer als kri- tischer antischolastischer Theologe; Wimpfeling als Vaterfigur einer Heidel- berger humanistischen Opposition, und Erasmus von Rotterdam, die überra- gende Gestalt des europäischen Humanismus, als konform mit dem Augusti- nermönch Martin Luther3.
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