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Stefan Sonderegger Frühe Zeugnisse der Nutzung

Schon Vorläufer des Homo sapiens hielten sich im Alpstein auf. Schriftlich belegt ist die wirtschaftliche Nutzung aber erst seit dem Mittelalter. Ab 1600 regelten Alpsatzungen Nutzung und Unterhalt, und um 1800 kam es zu einer Arbeitsteilung zwischen Sennen und Talbauern.

Forschung und Fundmaterial belegen, dass geborgen werden; sie machten über 95 Prozent Von den wenigen Fundstellen in der Schweiz wirtschaft. Die Nutzung von Alpweiden für die schon Neandertaler als Jäger und Sammler der Knochenfunde aus. Untersuchungen zeig- liegen zwei im Alpstein. Die Altwasserhöhle 1 Viehhaltung kommt hier seit dem 5. Jahrtau- während einer Warmphase im Mittelpaläolithi- ten, dass die Höhlenbärenknochen deutlich (Rüte AI, 1440 m) mit Feuerstelle, Steinwerk- send v. Chr. in Frage. Allerdings verraten die ers- kum (40 000 bis 30 000 vor unserer Zeit) mit älter sind als die Steinwerkzeuge und nicht in zeug und Knochensplittern sowie ein ähnliches ten verfügbaren Informationen – Bodenfunde langen Unterbrüchen in hoch gelegenen Höh- direktem Zusammenhang mit der menschli- Jagdlager bei der Saxerlücke dienten wohl nur und schriftliche Zeugnisse – nur sehr wenig über len im Alpenraum tätig waren. So auch im chen Nutzung der Höhle stehen. Die vielen kurzfristig als Lager für die Jagd auf Gämse und die Art der Bodennutzung auf der Alpstufe. (1477 m) unter den senkrechten Höhlenbären – überwiegend alte und sehr jun- Steinbock. Nord-Süd-Verbindungen über die Al- Felswänden der Ebenalp und im nahe gelege- ge – sind wahrscheinlich während ihres Win- pen sind jedoch erst nach 9000 vor unserer Zeit nen Wildenmannlisloch in den . terschlafs in den Höhlen natürlich verendet. nachweisbar. Erste schriftliche Zeugnisse zur Während der Wintermonate von 1903 bis Die spezialisierte Jagd auf Steinbock, Gämse, ­Alpwirtschaft im Alpstein 1908 grub der St. Galler Zoologe und Museums- Murmeltier, Schneehase oder Schneehuhn war leiter Emil Bächler (1868–1950) zusammen mit wohl der Hauptgrund für eine Begehung der Erste Hinweise auf eine Alpwirtschaft Die frühesten schriftlichen Hinweise auf vieh- Otto Köberle (1867–1926) in der Wildkirchli- Alpen. wirtschaftliche Nutzung des Alpsteins gehen höhle und entdeckte im Februar 1904 die ers- Nach 30 000 vor unserer Zeit stiessen die Die Ursprünge der Alpwirtschaft liegen Jahrtau- zurück ins 9. Jahrhundert. Eine auf das Jahr 868 ten prähistorischen Steinwerkzeuge, darunter Gletscher wieder weit ins Mittelland vor und sende zurück: Neuste Erkenntnisse interdiszip- datierte Urkunde des ehemaligen Klosters typische Schaber aus Ölquarzit, Radiolarit und verunmöglichten eine menschliche Besiedlung linärer Forschungen weisen beispielsweise für St. Gallen erwähnt eine Siedlung am Berg, Kieselkalk. Dieses – später eher spärlich gefun- im Gebiet der Schweiz. Auch Vegetation und das Silvretta-Gebiet eine bis ins 9. Jahrtausend «Sambutinus» genannt. Sprachforscher deuten dene – Steinmaterial hatten Vorläufer des Ho- Tierwelt wandelten sich. Erst der Rückzug der v. Chr. zurückreichende Raumnutzung der alpi- Sambutinus als den «am Samstag Geborenen», mo sapiens aus den umliegenden Gletschermo- Gletscher im Jungpaläolithikum (18 000 bis nen Höhenstufen nach. woraus im Verlauf der Jahrhunderte der deut- ränen gesammelt und bearbeitet. Daneben 12 000 vor unserer Zeit) ermöglichte dem Homo Die Alpwirtschaft bildete auch im Alpstein sche Name Säntis entstanden ist. Mit diesem konnten unzählige Knochen von Höhlenbären sapiens wieder eine Nutzung des Alpengebietes. schon früh einen festen Bestandteil der Land- frühen Beleg scheint aber nicht der Berg allein, 120 Frühe Zeugnisse der Nutzung Frühe Zeugnisse der Nutzung 121

Die Bedeutung der Viehzucht und des Vieh- handels im Alpsteingebiet unterstreichen ­zahlreiche Oberbilder in Wappenscheiben des 16. und 17. Jahrhunderts. Eingang zur prähistorischen Höhle «Altwasser 1» in der Nähe der Bollenwees.

sondern das Säntisgebirge, der Alpstein gemeint Klostervogt übertrug dem Kloster St. Gallen drei penzell mit Einnahmen aus Zinsen und Zehnten Steinwerkzeuge (Klingen) aus den zu sein. Es ist deshalb unmöglich zu bestim- Grundstücke in Uzwil und eine «alpem pas- von verschiedenen Orten aus. Darunter befanden Wildkirchlihöhlen. men, wo diese Örtlichkeit lag. Auch über ihr cuam». Das lateinische Wort «pascuus» meint sich die Alp Soll nördlich des Sämtisersees, die Aussehen, ob es sich beispielsweise bereits um «zur Weide gehörig». Es handelte sich demnach Meglisalp südwestlich des Seealpsees, Berndli öst- Planskizze der Wildkirchli-Höhlen, eine Ansammlung von Alphütten handelte, um eine zur Weide gehörige Alp. Es ist nicht lich des Säntisgipfels und die Potersalp nördlich erstellt von Heinz Bächler. sind keine gesicherten Angaben möglich. auszuschliessen, dass zum erwähnten Hof in des Säntis. Appenzell, sprachlich als «abbatis cel- Hier stellt sich ein grundsätzliches Prob- Uzwil weiter entfernte, zum Beispiel im Ober- la», als die Zelle, die Kapelle oder das Klostergut lem: Was heisst das, wenn in alten Dokumenten gelegene Alpen gehörten; es liegt des Abtes von St. Gallen erklärt, könnte eine wirt- von einer Alp die Rede ist? Das Wort «Alp» ist aber näher, unter «alpem pascuam» eine Vieh- schaftlich bedeutende Aussenstelle des St. Galler im Lateinischen als «alpis», im Althochdeut- weide oder eine Waldlichtung, eine Waldweide Klosters gewesen sein, zu dessen Herrschaftsge- schen als «alpa» und im Mittelhochdeutschen in der Umgebung von Uzwil anzunehmen. biet ja auch das Appenzellerland gehörte. Die als «albe» bezeugt. Die sprachliche Deutung ist Vieh wurde oft im Wald geweidet; die frühmit- Nennung von Alpen im Alpstein bei der Erster- unsicher, ursprünglich soll das Wort der kelti- telalterlichen Weideflächen bestanden wahr- wähnung Appenzells unterstreicht deren Bedeu- schen Sprache entstammen, in welcher es scheinlich zu einem guten Teil aus Waldweiden tung; sie waren offenbar ein fester Bestandteil der Hochgebirge bezeichnet. Ebenso unsicher ist mit Lichtungen, für die auch der Begriff «alpis» damaligen Klosterwirtschaft. die Sinndeutung der ersten Belege des 8. bis 10. gebraucht wurde. Diesen Eindruck bestätigen Aufzeichnun- Jahrhunderts, denn frühe Erwähnungen von Erst in Urkunden und Verzeichnissen bäu- gen von Abgaben, die Appenzeller Bauern an Alpen (alpes) meinen unter Umständen keine erlicher Abgaben des 11. bis 14. Jahrhunderts an das Kloster St. Gallen für ihnen verliehenes Alp im heutigen Sinn. Dieses Wort wurde näm- das Kloster St. Gallen werden Alpen im eigentli- Land zu entrichten hatten. Ein allgemeines Ein- lich auch allgemein für «Weide» verwendet. chen Sinne fassbar. Im Jahr 1071 stattete der künfteverzeichnis, das im Stiftsarchiv St. Gal- Das folgende Beispiel aus einer Urkunde Mitte St. Galler Abt Norbert die von ihm gegründete len lagert und das teilweise bis auf das Jahr 1200 des 10. Jahrhunderts verdeutlicht dies. Der und vom Churer Bischof geweihte Kirche in Ap- zurückgehen dürfte, führt das Gebiet um Ap- 122 Frühe Zeugnisse der Nutzung Frühe Zeugnisse der Nutzung 123

Erwähnung Appenzells und von Alpen des penzell mit Abgaben vor allem aus der Vieh- serrhodens, die Schwägalp, war bis Mitte des 14. wähnt; dazu gehört als prominentestes Beispiel che Funktion dieser «magister alpium» hatte. Es Einkünfteverzeichnis der Abtei St. Gallen Alpsteins. Die Urkunde von 1071 ist nur wirtschaft auf. Es werden Käse, halbe, Viertels- Jahrhunderts im Besitz eines Privaten, denn 1353 die Schwägalp, schweizerdeutsch «Schweige» könnte sich – modern ausgedrückt – um einen um 1200, sogenannter Rodel, mit der noch in einer um 1200 entstandenen Kopie Auflistung der viehwirtschaftlichen Abgaben. in einem Messbuch Appenzells erhalten. oder Drittels-Kühe, Schafe und Geld für Wein verkaufte ein Konrad Waibel von Hundwil an Abt im Sinne von Viehherde. Andere Beispiele sind Beamten des Klosters gehandelt haben, der vor- erwähnt; auffallend viele Käse werden aus- Hermann von St. Gallen die «alppe, die man nem- «Chüeboden» (Alp Sigel), «Chüemad» (Meglis­ übergehend und als Vertreter der Herrschaft auf Darstellung in Johann Rudolf Steinmüllers drücklich als Alpkäse bezeichnet. Vergleicht met Swaigalppe». Auf diese Weise wurde das Klos- alp), «Chüesitz» (Schwägalp). Höhere, steinige die Alp kam. Unklar bleibt auch, wer für das «Beschreibung der Alpen- und Landwirth- schaft», 1804. man die Abgaben aus dem Hof Appenzell um ter zum Eigentümer, es dürfte aber die Alp oder und für schwere Tiere nur schwierig zu errei- Her­abführen der Käse die 12 Brote erhielt. Wur- 1200 mit anderen Gebieten, so fällt auf, dass Teile davon an Alpnutzer verliehen haben, die chende Weideplätze sind eher Schafen vorbe- de das von den zinspflichtigen Alpnutzern oder dieser der grösste Käselieferant des Klosters war. dafür Abgaben zu leisten hatten. halten, was die Namengebung widerspiegelt: vom Kloster und seinem Dekan selber organi- Daneben sind noch Hundwil, Herisau, Gais, Über die Alpwirtschaft im Mittelalter wis- «Schäfler» im Sinne von Schafweide oder Ort siert? Gossau und Altstätten zu erwähnen, wobei die sen wir mangels vorhandener Quellen nur we- für Schafe, dann die verschiedenen «Schafber- Die uns zur Verfügung stehenden Infor- geografische Ausdehnung dieser Örtlichkeiten nig. Am meisten Hinweise liefern Namen. Die ge» (, Widderalp, Bollenwees, Fählen), mationen verdichten sich in der Neuzeit. Im nicht den heutigen politischen Grenzen ent- schriftliche Überlieferung verdichtet sich im «Schafmad» (südwestlich Meglisalp) und Zuge der Appenzeller Befreiungskriege des spricht. Die Viehwirtschaft des Klosters St. Gal- 14. Jahrhundert, entsprechend mehr Namen «Schafwis» (südlich Mutschen). ­beginnenden 15. Jahrhunderts scheint die len war demnach am stärksten im ostschweizeri- nennen die Urkunden. In den 1340er-Jahren Darüber, ob es bereits im Mittelalter Zu- Schwäg­alp von den ehemaligen Untertanen der schen Voralpengebiet ausgebaut, und es scheint, taucht der Übergang der Saxerlücke auf, und ein sammenschlüsse von Alpnutzern gab, wie sich Abtei, den Hundwilern und Urnäschern, be- als sei sie im besonderen Masse von der Alpwirt- Dokument von 1411 erwähnt auch den Vieh- diese organisierten und welche Funktionsträger schlagnahmt worden zu sein. Auch wenn nichts schaft im Alpstein abhängig gewesen. trieb über die Saxerlücke. Bei den allermeisten bereits vorhanden waren, wissen wir mangels bezeugt ist, dürften die ersten genossenschaftli- mittelalterlichen Wegen des Alpsteins dürfte es schriftlicher Zeugnisse kaum etwas. Vereinzel- chen Vereinbarungen bereits in jener Zeit be- sich in erster Linie um Zugänge zu den Alpwei- te, jedoch nicht eindeutige Hinweise gibt es standen haben. Die Bewirtschaftung durch Rechtliche Regelung der Alpnutzung den gehandelt haben. dennoch. In einem Verzeichnis der Einkünfte mehrere Alpnutzer verlangte zweifellos eine Über die Art der Nutzung geben die Na- des Dekans des Klosters St. Gallen – wahrschein- Regelung, was den Termin der Alpfahrt, die zu Im Mittelalter waren Alpen im Besitz von Klös- men ebenfalls Auskunft. Untersuchungen zur lich aus dem 13. Jahrhundert – ist im Zusam- verrichtenden Unterhaltsarbeiten, die Aufsicht tern, Adligen oder Bürgern und wurden wie an- Bergnamengebung zeigen, dass das wichtigste menhang mit Appenzeller Alpen von einem und anderes mehr angeht. Eine Urkunde vom deres Land gehandelt oder gegen Abgaben verlie- Benennungsmotiv der appenzellischen und «magister alpium», einem «Alpmeister», die Re- 30. April 1596 nimmt auf eine frühere, nicht hen. Ein frühes Beispiel ist der Verkauf eines Teils toggenburgischen, weniger der rheintalischen de. Es heisst dort: Dem heraufkommenden mehr erhaltene aus dem Jahr 1551 Bezug, in der Fählenalp 1298 durch Eglolf von Altstätten an Alpnamen die Bestossung mit Gross- und Klein- «Alp­meister» müssten 10 Brote gegeben werden, welcher von den «gemeinen Alpgenossen» die das östlich von Überlingen gelegene Kloster Sa- vieh war. In den eher tieferen Lagen sind Na- dem die Käse Herabführenden sollten die Abga- Rede war. Das Dokument von 1596 erwähnt lem. Auch die grösste und bekannteste Alp Aus­ men im Zusammenhang mit Grossvieh er- bepflichtigen 12 Brote geben. Es ist unklar, wel- auch einen Alpmeister, was auf eine innere Or- 124 Frühe Zeugnisse der Nutzung Frühe Zeugnisse der Nutzung 125

ser wird in sogenannten Stössen ausgedrückt, ren kleiner als heutige, das bestätigen Knochen- das heisst in der Anzahl Kühe, die auf der Alp funde. Eine ausgewachsene Kuh hatte ein während 90 Weidetagen (Wertungsmittel) ge- Lebendgewicht von 150 bis 200 Kilogramm sömmert werden können. Der Futterbedarf und lieferte täglich etwa 5 Liter Milch. Angaben nach Art und Alter der Tiere wurde in Kuhrech- des 18. Jahrhunderts für Innerrhoden gehen ten oder Anteilen davon ausgedrückt. Für ein von einer täglichen Leistung von 6 bis 8 Litern Recht konnten auf die Alp Laue eine ausge- aus. Heutige Kühe wiegen 500 bis 800 Kilo- wachsene Kuh oder zwei «meß rinder» (der gramm und geben zwischen 20 bis 35 Kilo- Milchnahrung entwöhntes Kuhkalb bis ins Al- gramm Milch im Tag. ter von 18 bis 20 Monaten) oder vier Kälber oder Konsequente Rassenzucht wurde bis ins fünf Ziegen oder zehn Zicklein aufgetrieben 19. Jahrhundert noch nicht verfolgt. Von den werden. Niemand durfte Vieh von Nicht-Alpge- 1850er-Jahren an setzte in der Schweiz eine Ent- nossen oder kranke Tiere mitnehmen. wicklung ein, die dem Aussehen des Grossviehs Zum Schutz aller Alpnutzer vor Unrecht- Beachtung schenkte. Das war um 1800 noch mässigkeiten Einzelner diente auch folgende nicht der Fall, wie die Beschreibung der schwei- Bestimmung: Dem Vieh gab man das soge- zerischen Alpen- und Landwirtschaft des Pfar- nannte «miet» – Salz mit Kleie, Hafer und ande- rers Johann Rudolf Steinmüller (1773–1835) und rem. Indem Öl, Urin oder andere scharf rie- die Schilderung der Gebirgsvölker durch den chende Substanzen beigemengt wurden, er- Deutschen Reiseschriftsteller Johann Gottfried reichte man, dass fremdes Vieh Weiden mit Ebel (1764–1830) beweisen. dieser «falsch miet» mied. 1804 schrieb Steinmüller: Die «Stammrace Zum Schutz des Bodens waren die Schwei- des Appenzellerrindviehs ist von schwarzbrau- Am Unterhalt einer Alp – unter anderem an Zaun-, Rodungs-, Weg- und Säuberungs- ne entweder in den Ställen zu halten, oder sie ner Farbe, und die zählt der Bauer zu den we- arbeiten – mussten sich alle Alpgenossen mussten geringt sein. Dabei stiess man ihnen sentlichsten Vorzügen der Schönheit seiner Kü- solidarisch beteiligen. Auf dem Bild «Alpfahrt» ein Stück Draht durch den oberen Rand des he. In der Form verlangt er, daß der Kopf leicht von Franz Anton Haim aus dem Jahr 1887 ist die Einzäunung deutlich zu sehen. Rüssels und drehte diesen an beiden Enden zu- und kurz, die Hörner gar nicht lang, und beyna- Stiftung für Appenzellische Volkskunde. sammen, um die Tiere am Aufwühlen des Bo- he gerade ausstehen, der Leib nicht eckig, son- dens zu hindern. dern rund, die Füsse kurz und gerade seyen; der Besondere Aufmerksamkeit schenkte man Griff (Schlauch) soll am Kinn anheben, und bis ganisation, vielleicht im Sinne einer Alpgenos- in der Alpsatzung festgeschriebenen und auch dem Baumbestand. Der Wald schützt noch heu- zu den Knieen niederhangen. Je mehr dieser senschaft mit Satzungen, schliessen lässt. anderer Bestimmungen zu kontrollieren, die te vor Lawinenniedergängen, Steinschlag, dem Vorzüge an einem Stück Vieh gefunden werden, Die ersten überlieferten appenzellischen Alp und den Alpbetrieb zu beaufsichtigen. Austrocknen des Bodens sowie Abschwem- desto leidenschaftlicher bezahlen es die ächten und toggenburgischen Alpsatzungen stammen Streng überwacht wurde der Auftrieb: Der Alp- mung. Lockerer Baumbestand oder alleinste- Küher. Die Farbe allein thut schon so viel, dass aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Darin finden meister hatte am Gatter beim Eingang in die hende Bäume spenden dem Vieh Schatten und unter zwey gleich schön geformten, aber an der sich die wichtigsten, unter den Nutzern verein- Alp zu stehen und das auffahrende Vieh zu zäh- bieten Schutz bei Unwetter. In der Alpsatzung Farbe von einander unterschiedenen Kühen für barten Abmachungen, die gewohnheitsrecht- len, damit niemand mehr Vieh auftrieb, als ihm Laue waren die Wettertannen ausdrücklich ge- die schwarzbraune 1 Louisdor mehr bezahlt lich und ohne Niederschrift teilweise wohl gemäss seinen Rechten zustand. schützt; es war verboten, sie zu fällen oder die würde, und daß mancher Senn darauf stolz ist, schon seit langem galten. Aus dem Jahr 1661 Am Unterhalt einer Alp hatten sich alle Blätter und Äste zu entfernen. Holz wurde zu- wenn sein ganzes Sennthum von 30 bis 40 Kü- stammt die ausführliche, hier als Beispiel beige- Alp­genossen unentgeltlich zu beteiligen, und dem als Baumaterial, für die Zäune und als hen, einzig aus schwarzbraunen besteht, und zogene und erläuterte Alpsatzung der Alp Laue, zwar mit an der Versammlung festgelegten Ar- Brennmaterial beim Käsen gebraucht. Diesem doch glaubt man allgemein, die rothen Milch- nördlich von Unterwasser an der Säntiskette auf beitstagen. Darin drückt sich der solidarische Rohstoff war Sorge zu tragen, deshalb durfte kühe seyen überhaupt die beßten». Und Ebel: 1100–1300 m. Der erste Artikel hält fest, der Gedanke einer Alpgenossenschaft aus. Die Ar- nur für bestimmte, mit der Alp zusammenhän- «Die eigentliche Stammrace des Appenzeller- Alp­meister solle jährlich bei der Obrigkeit und beiten umfassten Zaun-, Rodungs-, Weg- und gende Zwecke und wohl auch nur in bestimm- Rindviehs ist von schwarzer und brauner Farbe. bei den Alpgenossen Rat holen und sie zur Ver- Säuberungsarbeiten. Dies konnte viel Aufwand ten Mengen Holz geschlagen werden; der Ver- Den Sennen gefällt ein buntes Gemisch; deswe- sammlung einladen, an welcher der Termin der bedeuten. Unwetter und Lawinen zerstörten kauf an Nicht-Alpgenossen war verboten. gen setzen sie ihre Sente aus braunen, schwar- Alpauffahrt und -abfahrt festgelegt, der Alp- Waldpartien und führten Holz, Schnee und Ge- zen, und einigen fuchsgelben Kühen zusam- meister gewählt und Bestimmungen über die röll in die Bergweiden, wovon diese wieder be- men; zur ganzen Vollständigkeit gehört aber Nutzung der Alp getroffen werden sollten. freit werden mussten. Beschädigte oder zerstör- Tiere und Produkte der Alp noch eine schwarze Kuh mit weissen Rücken Der Alpmeister war der wichtigste Funkti- te Gebäude waren wieder instand zu stellen. und Bauch.» Es wurde offenbar vorwiegend onsträger. Er hatte die Alpnutzer gegen aussen, Die Alpsatzung hielt auch die Grundlagen Im 13., 14. und 15. Jahrhundert werden als Alp- Braunvieh gehalten; in einer Herde befanden beispielsweise in Gerichtssachen, zu vertreten, für die Verteilung der Nutzungsrechte fest. Der tiere Rinder, Schafe und Schafböcke sowie Zie- sich jedoch nicht nur braune, sondern auch die Alpversammlung zu leiten, den Vollzug der Wert einer Alp misst sich am Weideertrag, die- gen erwähnt. Die mittelalterlichen Rinder wa- dunkle, fuchsrote und gefleckte Tiere. Dies be- 126 Frühe Zeugnisse der Nutzung Frühe Zeugnisse der Nutzung 127

stätigen auch frühe bildliche Darstellungen, schwanken, sondern sie müssen in gehöriger beispielsweise die sogenannten Gaiser Wände Entfernung fest aufstehen und alle Gelenke da- vom Ende des 16. Jahrhunderts. bei wohl gebogen werden.» Zur weiblichen Seite Auf ihnen sind die Kühe dunkelbraun und tönte es ganz ähnlich. Speziell geachtet wurde rotbraun. Eine andere Abbildung eines Unbe- auf das Euter: «Das Euter muss schön gerundet, kannten, auf ungefähr 1800 datiert, zeigt eine hinlänglich, gross und mässig fest anzufühlen Alpfahrt mit zwei Sennen und einer aus 17 Kü- sein. (Unsere Viehhändler sehen darauf, dass hen bestehenden Herde. Die drei Schellenkühe das Euter, statt mehr nach vornen, nach hinten vorne und drei weitere sind ganz dunkel bis hinaus gewölbt stehe.) Die Zitzen verlangt man schwarz, fünf sind dunkelbraun, und der Rest etwas lang, dick und voneinander abstehend. ist braun mit einem rötlichen Stich. Weder in diesen, noch im Euter selbst dürfen Die Appenzellische Gemeinnützige Ge- Verhärtungen vorkommen, dabei soll das Thier sellschaft diskutierte seit den 1830er-Jahren in gehöriger Menge Milch geben, welche von über die Verbesserung der Zucht. Der Gaiser guter Art ist.» Tierarzt Stamm referierte 1833 darüber, wie ein Als Alpprodukte werden Schmalz, Ziger schöner Stier oder eine schöne Kuh auszusehen und Käse erwähnt. Mit Schmalz kann rohe oder Grössenvergleich von Rindern Alpfahrt mit zwei Sennen und einer aus 17 Kühen bestehenden Herde. Die Ende des 16. Jahrhunderts entstandene habe: «Kennzeichen des Zuchtstiers. – Der eingesottene Butter gemeint sein. Eingesottene früher und heute. Deutlich zu erkennen sind die verschiedenen Farbtöne. Unbekannter Malerei an einem Gaiser Haus ist die früheste Maler, um 1800. Museum für Appenzeller Brauchtum in Urnäsch. bekannte Darstellung eines Viehzugs auf einer Zuchtochs muss von dem schönsten, besten, Butter hatte den Vorteil, dass sie sich besser Wand. Volkskunde-Museum Stein AR. grössten, durchaus gesunden Rindviehschlag konservieren liess. Aus dem Werdenbergischen abstammen, dabei selbst gesund, munter schön und dem Bündnerland sind aber bis zum Ende und gehörig gross sein. Der Kopf muss kurz und der Alpzeit im Milchkeller gestapelte rohe But- in Frage, auch wenn ihre Märkte zum Teil erst Anzahlung, holte sie bei den Sennen alle acht dick, das Maul stumpf, dick, zusammengescho- terberge bekannt. Diese mussten fest zusam- spät schriftlich belegt sind. In der ältesten Ge- bis vierzehn Tage mit dem Saumpferd auf der ben aussehen; die Nasenlöcher sollen gross und mengepresst und risslos sein, damit kein Schim- setzessammlung der Stadt St. Gallen aus der Alp ab bzw. liess sie abholen oder bringen und weit, und die Zähne, welche in guter Ordnung mel ins Innere drang. zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts findet sich pflegte den Käse bis zur Reifung. Die Butter stehen müssen, lang und weiss sein; die Haare Auf diese Weise liess sich die Butter lange eine Bestimmung betreffend den Verkauf von setzte er in der Umgebung ab, den Käse verkauf- auf dem obern Theile des Kopfes müssen zwar Zeit auf der Alp lagern. Der Schimmel und die Molken. Demnach war es verboten, Schmalz, te er hingegen nach Süddeutschland, Vorarl- lang sein, dabei aber gekräuselt aussehen, was Aussenschicht wurden nachher abgekratzt und Käse, Ziger und andere Molken woanders als auf berg und sogar ins Tirol. Abgerechnet wurde besonders von denjenigen zwischen den Hör- als Wagenschmiere oder zur Beleuchtung ver- dem offenen Markt in St. Gallen oder Appenzell nach Verkauf der Ware, in periodischen Abstän- nern gilt; die Hörner selbst sieht man am liebs- wendet, der Rest wurde eingesotten. zu kaufen. Die Märkte von Appenzell und den. ten, wenn sie kurz, dick, glänzendschwarz und Bei den in den Abgabenverzeichnissen St. Gallen waren demnach bereits im 14. Jahr- Über den Handel mit Schlachtvieh weiss nach keiner Seite stark gebogen stehen. Lange, des Klosters St. Gallen genannten mittelalterli- hundert wichtige Umschlagplätze für Produkte man noch wenig. In St. Gallen ist ein Rinder- gutbehangene Ohren und grosse, helle, lebhaf- chen Käsen könnte es sich um harte oder halb- der Vieh- bzw. Alpwirtschaft. markt Ende des 14. Jahrhunderts nachweisbar. te Augen von frechem Aussehen, deren Horn- harte Käselaibe von zwei bis drei Kilogramm Wie ein Grossteil des Alpkäses und der Dort kauften Metzger das Schlachtvieh, das in haut ohne Flecken ist, schätzt man an einem gehandelt haben. Laut ausländischen und ein- Butter auf den Markt gelangte, lässt sich zumin- der städtischen «Metzg» geschlagen wurde. Es Zuchtstier, jedoch darf der Blick nicht wild oder heimischen Beobachtern soll der Appenzeller dest bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. gibt zudem Belege dafür, dass sich Metzger des furchterregend sein [...] Das Thier soll einen Käse des 18. Jahrhunderts keinen besonderen Molkengrempler kauften die auf den Alpen her- Spätmittelalters selber an der Viehhaltung auf fleischigen, starken Hals, eine breite Brust, star- Ruf genossen haben. Vor allem in den Som- gestellten Produkte den Sennen ab und ver- der Alp beteiligten und zu diesem Zweck sogar ke Schultern, starke, dabei nicht zu lange Beine, mermonaten soll viel Fettkäse hergestellt wor- markteten sie weiter. Das Wort «grempeln» lässt Alpen erwarben: 1383 verkauften die St. Galler einen langen Leib, geraden Rücken, starke, flei- den sein. Dieser war zwischen 12 und 24 Pfund sich mit dem italienischen «comprare», kaufen, Bürger Heinrich und Othmar Schwander und schige Lenden, starke Hinterbeine, einen gutbe- schwer, was die Milch von 12 bis 17 Kühen er- Handel treiben, in Verbindung bringen. Be- ihre Schwester Margareta dem St. Galler Mitbür- hangenen Schwanz, so wie auch einen freien, forderte. kannt war das Wort vor allem im Zusammen- ger und Metzger Konrad Vogelweider die Meglis­ munteren Gang und einen möglichst grossen Wie viel Butter, Käse, Ziger und Fleisch die hang mit der Textilverarbeitung: Garn- und alp. Die Familie Vogelweider war im 14. Jahr- Körper haben. Der Bauch darf weder zu voll, zu Klöster zur Eigenversorgung brauchten und wie Leinwandgrempler waren kleinere Händler von hundert ein begütertes St. Galler Geschlecht. aufgelaufen, noch eingezogen, sondern er muss viel sie weiterverkauften, ist nicht bekannt. Je- Garn und Leinenstoff. Demgegenüber war der Sie gehörte im 15. Jahrhundert der Metzger­ mässig dick und über die Rippen etwas herab- denfalls waren die im Hochmittelalter wach- Molkengrempel ein Handel mit Molken im zunft an, war im Leinwandhandel und viel- hängend sein. [...] Von den Hüften und dem senden Dörfer und Städte mit ihren Märkten Grossen. leicht auch im Vieh- und Pferdehandel erfolg- Kreuz verlangt man eine gehörige Breite und wichtige Abnehmer der viehwirtschaftlichen Der Molkengrempler war ein Händler, der reich tätig sowie in den höchsten politischen Ausrundung. Den aufgehobenen Schweif soll Produkte. Als Marktorte kommen alle grösseren mit den Sennen einen Akkord auf ein halbes Ämtern vertreten. Metzger, die Alpen kauften, das Thier mit Kraft zurückziehen. Die Füsse Siedlungen – Lichtensteig, Appenzell, Herisau, oder ganzes Jahr abschloss. Er übernahm die verfügten wohl über eigenes Vieh, das sie dort dürfen weder zittern, noch die Beine im gehen St. Gallen, Rheineck, Altstätten, Werdenberg – Gesamtproduktion an Käse und Butter gegen sömmerten. 128 Frühe Zeugnisse der Nutzung Frühe Zeugnisse der Nutzung 129

Grempler, gemalt von Johannes Zülle, 1874.

Grempler, um 1920. Melken, Buttern, Käsen dargestellt auf «Sennhütte im Cant. d’Appenzell». Lithographie bei einer Glasscheibe aus der Werkstätte Weiss Weibel-Comptesse, 1842. Im Stossbuder wird der in Weesen aus dem Jahr 1599. gesammelte Rahm durch Hebelwirkung zu Butter geschlagen.

Inneres eines Alpstalls. Aquarell von A. B. Giezendanner, um 1880. Eine reich- haltige Sammlung von Werken dieser Künstlerin wird im Toggenburger Museum in Lichtensteig gezeigt. Gewinnorientierte Alpwirtschaft lung konnte sich in Innerrhoden, in Teilen des Streu, das Brennmaterial und die Frühlings- zelne Sennen 80 bis 90 Stück Vieh besessen ha- Ausserrhoder Hinterlandes und des Mittellan- und Herbstweide zur Verfügung und produzier- ben. Diese Art der Landwirtschaft hatte den Metzger waren aber nicht die einzigen, die des entwickeln. Die Bauern im Tal, die anfäng- ten für das Vieh das nötige Heu, und die Sennen Vorteil, dass sie sich gut mit einer gewerblichen nicht in der Landwirtschaft tätig waren, aber lich im Neben-, aber immer mehr im Haupter- entschädigten die Heubauern in Form von Geld oder industriellen Tätigkeit verbinden liess. dennoch über Alpen verfügten. Viele Alpen werb in ihren Kellern woben, produzierten auf oder Naturalien. Zudem überliessen sie ihnen Aus­serrhoder Heubauern ohne namhafte eige- oder Alprechte befanden sich nachweislich seit ihren Liegenschaften vor allem Heu und hiel- den anfallenden Mist als Dünger. Der Erlös aus ne Viehhabe konnten ausserhalb der Erntezeit dem 17. Jahrhundert im Besitz von Handelsleu- ten selbst kein Vieh oder dann nur so viel, wie Heu, Herbst- und Frühlingsweide war für diese ungestört als Heimweber arbeiten. ten, die sie selber nicht bewirtschafteten, son- sie zur Selbstversorgung brauchten. Die Sennen Talbauern demnach die Haupteinnahme aus dern verpachteten. Zwischen 1650 und 1830 waren vielfach die Besitzer und Pächter grosser der Landwirtschaft. Für den Senn war das un- soll manch wohlhabender Herisauer Bürger Viehbestände und Alpen, hatten aber keinen ternehmerische Risiko grösser als für den Heu- Wissenschaftliches und touristisches und politischer Amtsträger Kapital in Alpen in- eigenen oder einen zu kleinen Hof zur Über- bauern und den Alpverpächter, denn letztere ­Interesse an der Alpwirtschaft vestiert haben. Das Geschlecht Tanner aus He- winterung des Viehs. Es war deshalb verbreitet, hatten ihre festen Pachtpreise, während die risau ragt dabei heraus; 1806 beispielsweise be- dass die Sennen ihre Viehherden in den Ställen Einkünfte des Senns vom jährlich schwanken- Ausführliche Beschreibungen der Alpwirtschaft sass es von den insgesamt 494 Kuhrechten der der Heubauern einstellten, selber ebenfalls bei den Ertrag und den dafür erzielten Verkaufs- mit statistischen Erhebungen gehen zurück bis Grossen Schwägalp deren 121 und stellte zwi- ihnen unterkamen und dafür bezahlten. War preisen abhing. Hingegen hatten die Heubau- zur Jahrhundertwende um 1900. Einige sind schen 1806 und 1830 von den vier aus Herisau das Futter aufgebraucht, zogen sie zum nächs- ern Investitionen in den Bau und Unterhalt ih- Berichte aus der Feder von Reisenden, welche stammenden Alpmeistern zwei. Auch Vertreter ten Heubauern weiter; so dass sie das Winter- rer Gebäude zu tätigen. Sie mussten über grosse die Schweiz besuchten und in der Alpenwelt die der beiden die Geschichte Ausserrhodens be- halbjahr bei bis zu fünf oder gar acht Talbauern Ställe verfügen, in welchen das Sennenvieh heile Welt zu erkennen glaubten. Mit verklär- sonders prägenden Familien Wetter aus Herisau verbrachten. Im Frühling und Herbst pachteten und die Schweine Platz fanden. 1828 gab es ge- tem Blick wurde der Alpenbewohner, etwa in und Zellweger aus Trogen reihen sich ein in die die Sennen zudem die Wiesen und Weiden. Es mäss einer Statistik des Herisauer Kaufmanns Johann Gottfried Ebels Schilderung der Ge- Liste der Alpbesitzer. handelt sich bei diesem System um eine klare Johann Martin Schirmer (1777–1842) in Aus­ birgsvölker, zum unverdorbenen und seit jeher Zwischen Sennen und Heubauern hatte Arbeitsteilung: Die Heubauern stellten den Sen- serrhoden 75 Sennen, die 1690 Kühe besassen. freien Hirten hochstilisiert, der sich von den sich eine landwirtschaftlich-unternehmerische nen den Kuhstall, den Schweinestall, die Küche, Die durchschnittliche Herde umfasste also 23 anderen, immer noch unfreien europäischen Zusammenarbeit ausgebildet. Diese Arbeitstei- den Keller und ein Schlafgemach sowie die Kühe. Nach Johann Gottfried Ebel sollen ein- Bauern abhob. Neben Idealisierung und Idylli- 130 Frühe Zeugnisse der Nutzung Frühe Zeugnisse der Nutzung 131

«Eine Sennen-Küche im Kt. Appenzell I.R.» Mit seinem Bild «Alpweide» aus dem Jahr Aquatinta von J. Schiess und C. Burkhardt, 1854 hat Bartholomäus Lämmler ein Zeugnis um 1842. früher touristischer Nutzung des Alpsteins geschaffen. Deutlich sind Wanderer am Hohen Kasten zu erkennen. Kunstmuseum St. Gallen. sierung der Zustände liefern einige Berichte, auf allen Alpen und jederzeit Brod; bey ärmern raus gekocht ist, und oben auf schwimmt. Dies läßt dasselbe völlig sich selbst. Hingegen auf auch jener Ebels und besonders die Beschrei- Sennen vergehen oft viele Wochen, ehe sie Brod ist eine fette schwer zu verdauende Speise, wozu den wilden Alpen, welche neben einigen guten bung der schweizerischen Alpen- und Land- und Mehl in ihre Alpen nehmen, sondern sie der Senn gewöhnlich warme Schotten trinkt. Grasplätzen aus Felsen, steilen Anhöhen, und wirtschaft durch Rudolf Steinmüller, auch leben ganz von Milchspeisen. Wein findet man Nach dem Mittagessen genießt der Älpler ge- steinigten Gegenden bestehen, da muß das wertvolle Informationen über die Viehzucht, auf keinen Alpen; hingegen da, wo auch die wöhnlich ein Mittagsschläfchen. Nach diesem Vieh die meiste Zeit gehütet werden, und da den Viehverkauf und -einkauf, die Zusammen- Weiber mit ihren Kindern hausen, bisweilen wird wieder von neuem der Rahm von einigen vermehrt sich dann die Gesellschaft des Sen- setzung eines Senntums, den Zustand der Al- Kaffee. Ist das Frühstück genossen, so werden Näpfen genommen (wird gerohmt) hernach nen, Knechts und Handbuben noch mit einem pen, das Älplerleben, die Produkte und vieles die Kühe wieder eingeholt, in den Stall gebun- Butter gemacht (gebudert) und zuletzt zum Kühbuben. Nach dem Vesperbrod wird etwas mehr. Steinmüller beschreibt den Tagesablauf den und gemeinschaftlich gemolken. Die meis- 2ten mahl gekäset. Ein Senn von 30 Kühen Holz zur Hütte geführt, oder es wird selbiges auf einer Alp um 1800: «Von den Geschäften ten Kühe sind so gut an die Morgen- und Abend- macht nämlich täglich 2 Käse. Während dieser bey der Hütte gespalten, oder es werden andere und Nahrungsmitteln der Älpler. Bey Tages An- zeit gewöhnt, dass sie sich von selbst zu den Zeit, ungefähr um 4 oder 5 Uhr Nachmittags, je nöthige Geschäfte verrichtet. Am Abend wird bruch wird das Vieh aus dem Stall gelassen, und Sennhütten begeben, und durch ihr Blöcken nachdem die Hitze groß oder gering war – läßt das Vieh wiederum in den Stall hineingebun- auf die Weide getrieben. Nach diesem nimmt den Senn an seine Pflicht erinnern. Das Melken der Handbub die Kühe wiederum aus dem Stal- den und gemolken; worauf das Nachtessen, das der Senn mit der Rohmschüssel von etwa 7 bis dauert so lange, bis es Zeit zum Mittagessen ist, le, verwirft den Dünger auf gute Plätze u. dgl. Ist aus Schotten oder Milch besteht, die Tagesge- 8 Milchnäpfen den Rahm hinweg; die abge- welches aus Schotten, Milch und einer Rohm- der 2te Käs gemacht, so wird das Vesperbrod ge- schäfte beschließt.» Der Bericht Steinmüllers ist rahmte Milch schüttet er aus jedem Napf in den zonne besteht. nossen, welches in Brod, Schotten oder Milch heute volkskundlich und historisch interessant, großen Sennkessel, den Rahm hingegen in den Dieser letztere Brey ist aus nichts anderm und Käse und Zieger besteht. In den Voralpen genauso wie die in der Folgezeit verfassten Rahmkübel. Ist dies geschehen, so wird gekäset. zusammengesetzt, als daß man Rahm mit dem und zahmen Alpen, welche entweder von der Alpkataster, deren Resultate ab Seite 204 dieses Dieß dauert ungefähr bis 9 Uhr, worauf dann weißesten Mehl vermischt, und dasselbe so lan- Natur durch Flüsse u. dgl. oder von den Sennen Buches ersichtlich sind. alle das Frühstück, nämlich Schotten, Milch, ge über dem Feuer kocht, bis es unten eine gelbe durch Zäune eingeschirmt sind, ist die Hütung Käs und Brod genießen. Man hat übrigens nicht Kruste ansetzen will, und bis alle Fettigkeit da- des Viehes gar nicht nöthig, sondern man über- 132 Literatur

Frühe Zeugnisse der Nutzung

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